La guerre en Ukraine est différent de la guerre en Aghanistan. En Ukraine c’est comme dans À l’Ouest, rien de nouveau avec drones. Témoignage d’un légionnaire allemand.
26.4.2023, Interview: Klaus Rimpel - Der Ex-Bundeswehr-Soldat kämpfte in Butscha und Irpin für die Ukraine. Nun gibt er im Merkur-Interview Einblick in die Realität des Krieges.
München/Kiew – Er konnte dem Unrecht in der Ukraine nicht tatenlos zusehen: Der 25-jährige Ex-Bundeswehrsoldat Jonas Kratzenberg kämpfte als Legionär in Irpin, Butscha und im Donbas gegen Russland – bis er bei einem Drohnenangriff von Granatsplittern im ganzen Körper schwer verletzt wurde. Im Gespräch mit dem Münchner Merkur und in dem Buch „Schützenhilfe“ (Yes Publishing, 22 Euro) beschreibt der Aachener, was er in der Internationalen Legion im Ukraine-Krieg erlebte.
Münchner Merkur: Sie wurden in der Bundeswehr zum Panzergrenadier ausgebildet. Warum sind Sie als deutscher Soldat zum Kämpfen in die Ukraine gegangen?
Jonas Kratzenberg: Schon Wochen vor Kriegsausbruch war mir klar, dass Russland die Ukraine überfallen würde. Ich war angewidert von der Inaktivität der Bundesregierung, von der Inaktivität der Nato und litt darunter, dass die Ukraine zumindest in der Anfangsphase in diesem Krieg völlig alleingelassen wurde. Und mir hat der Kampfgeist der Ukrainer imponiert. Als der Krieg ausgebrochen ist, war ich gerade aus der Bundeswehr ausgeschieden. Ich hatte keinen Job, hatte keine Freundin, keine Verpflichtungen – so schien es mir die perfekte Gelegenheit, etwas für den Frieden in Europa zu tun und das, was ich fünf Jahre lang bei der Bundeswehr gelernt hatte, auf dem Schlachtfeld einzusetzen.
Sind Sie einfach an die ukrainische Grenze gefahren und haben gesagt, Sie würden gerne gegen die Russen kämpfen?
Mehr oder weniger. Man kann sich im Konsulat anmelden, danach muss man nur zum ausgemachten Treffpunkt in der Ukraine gehen, wo man genommen oder abgelehnt wird. Die Internationale Legion ist grob in drei Gruppen aufgeteilt: Die Russischsprachigen, da kommen die meisten aus Georgien. Dann gibt es sehr viele Spanischsprachige aus Lateinamerika. Der Rest wurde in den Topf englischsprachige Ausländer gesteckt, wo auch Deutsche oder Franzosen drin sind, die gar kein Englisch können. Aber irgendwie haben wir uns immer verständigt.
Ukraine-Krieg: „Die Details sind es, die man nicht los wird“
Und dann ging es gleich aufs Schlachtfeld?
Ende März wurden wir ohne formales Training nach Irpin und Butscha geschickt. Schon während ich es erlebte, war mir klar, dass das, was ich dort sah, mich nie mehr loslassen würde. In Irpin standen wir an einem Observationspunkt, direkt am letzten Abschnitt vor der russischen Front, quasi im Niemandsland zwischen Russen und Ukrainern. Auch wenn man die Bilder des Krieges aus den Medien kennt – man kann es sich nicht vorstellen, wie schlimm es wirklich war. Die Details sind es, die man nicht los wird.
Können Sie diese Details beschreiben?
(stockt, lange Pause) Die Leichen. Die Leichen …
Haben Sie auch Kameraden in diesen Kämpfen verloren?
Ja …
Wie geht man damit um?
Man lebt weiter.
Erfahrungen aus dem Ukraine-Krieg: „Panik begleitete uns jederzeit“
Gibt es psychologische Hilfe?
Ich habe das Glück, dass ich als ehemaliger Bundeswehr-Angehöriger Zugriff auf den Sozialdienst der Bundeswehr habe. Wenn ich nicht bei der Bundeswehr gewesen wäre, würde ich nicht wissen, an wen ich mich wenden könnte – außer vielleicht an den Dorfpfarrer. Es gibt Dinge, die kann man alleine nicht verarbeiten. Artillerie-Beschuss oder im Kampf zu stehen: Darauf bereitet einen nichts vor, egal, ob man im Kampf gehärteter Soldat oder Zivilist im friedlichen Deutschland ist. Da kommt man nicht ungeschoren raus. Egal wie mutig oder sogar verrückt man ist: Wenn die Kugeln knapp am Kopf vorbeizischen, wenn man das Pfeifen der Artillerie hört, dann scheißt sich jeder ein. Panik begleitete uns jederzeit. Die Hauptsache ist, diese Angst zu unterdrücken und trotzdem weiterzumachen.
Die Ukraine ist von Kopf bis Fuß ein korruptes Land, und das trifft auch auf das Militär zu.
Wie erlebten Sie Ihre ukrainischen Vorgesetzten?
Die Ukraine ist von Kopf bis Fuß ein korruptes Land, und das trifft auch auf das Militär zu. Ausländische Kämpfer, die kein Ukrainisch sprechen und die sich juristisch nicht wehren können, sind der Willkür der Kommandeure ausgeliefert. Jede Art von Beschwerde stößt im besten Fall auf taube Ohren.
Haben Sie nicht gedacht: Wenn ihr mich hier so behandelt, dann gehe ich zurück nach Deutschland!
Am Gehen wird man grundsätzlich nicht gehindert. Aber meine Kameraden und ich waren nicht bereit, den Kampf aufzugeben, vor allem nicht nach dem, was wir in Irpin und Butscha erlebt hatten.
Ukraine-Krieg: „Es ist ‚Im Westen nichts Neues‘ mit Kampfdrohnen“
Es heißt oft, dass der Krieg in der Ukraine mit seinen Schützengräben an den Ersten Weltkrieg erinnert. Stimmt das?
Ja, es ist „Im Westen nichts Neues“ mit Kampfdrohnen. Artillerie vorbereiten, Infanteriewellen mit gepanzerter Unterstützung – alles wie im Ersten Weltkrieg. Wir hatten das Glück, Teil einer Spezialeinheit zu sein, und hatten so dynamischere, gefährlichere Missionen. Aber dafür blieb es uns erspart, dauernd im Schützengraben zu sitzen.
Es heißt, russische Soldaten würden wie Kanonenfutter verheizt.
Ja, aber beide Seiten haben sich da nicht viel genommen. Nur: Die Russen haben mehr Menschen zum Verheizen.
Wir waren auf dem Weg zurück in die Basis. Auf den letzten Metern kam eine Drohne, ich hab mich auf den Boden geworfen, wie es mir beigebracht wurde. Die Drohne hat sich mich ausgesucht, dann hat’s gerummst.
Werden in der Ukraine auch die Internationalen Legionen verheizt?
Tatsächlich nicht. Es wurden falsche Entscheidungen getroffen, weil es an erfahrenen Offizieren fehlt. Dadurch wurden Leben unnötig weggeworfen. Aber zumindest der vom Geheimdienst geführte Legions-Teil, bei dem ich war, wurde grundsätzlich nicht als Kanonenfutter missbraucht.
Wie war es, als sich die Russen aus Irpin und Butscha zurückzogen?
Wir haben gejubelt. Der Punkt, wo das Leiden sich ausgezahlt hat, wo man einfach abschalten kann, ist ein pures Glücksgefühl. Wenn der Sieg der Ukraine irgendwann kommt, wird die Nachricht für mich in Deutschland weit weniger bedeuten, als wenn ich sie kämpfend in der Ukraine hätte erleben können.
Sie haben deshalb nicht bis zum Ende des Krieges kämpfen können, weil Sie im November 2022 in der Nähe des südukrainischen Mikolajew schwer verletzt wurden …
Es war eine meiner heftigsten Missionen, wir hatten Verluste, Verwundete, aber wir hatten es nach einem schweren Feuergefecht rausgeschafft. Wir waren auf dem Weg zurück in die Basis. Auf den letzten Metern kam eine Drohne, ich hab mich auf den Boden geworfen, wie es mir beigebracht wurde. Die Drohne hat sich mich ausgesucht, dann hat’s gerummst.
Jonas Kratzenberg nach seiner Verwundung im Ukraine-Krieg.
Jonas Kratzenberg nach seiner Verwundung im Ukraine-Krieg. © fkn
Gruppe Wagner „deutlich kompetenter und gefährlicher als die russische Armee“
Wie war die medizinische Versorgung?
Ich wurde von meinen Kameraden stabilisiert und in ein Krankenhaus nach Odessa gebracht, wo ich alle Hilfe der Welt hatte. Die medizinische Versorgung auch an der Front ist sehr gut. Aber es war trotzdem sehr schwierig in einem Krankenhaus, wo man die Sprache nicht richtig spricht, wo man nicht weiß, was mit einem passiert, wo man sich völlig hilflos fühlt.
Haben Sie da nicht bereut, als Kämpfer in die Ukraine gegangen zu sein?
Nein! Keine Sekunde! Ich werde es auch niemals bereuen.
Haben Sie auch gegen Söldner der Gruppe Wagner gekämpft?
Gott sei dank nicht. Aber meine Kameraden sind, nachdem ich verwundet wurde, in den Donbass gezogen und haben dort gegen Wagner gekämpft. Sie erzählen, dass Wagner deutlich kompetenter und gefährlicher ist als die russische Armee.
Deutscher Legionär schildert Eindrücke aus dem Ukraine-Krieg: Nicht mit Afghanistan-Mission vergleichbar
Ist es illegal, in einem fremden Land zu kämpfen?
Grundsätzlich darf ein Zivilist mehr oder weniger machen, was er will. Wer aber für den deutschen Staat bei einer Sicherheitsbehörde oder der Bundeswehr arbeitet, macht sich strafbar, wenn er für ein anderes Land kämpft. Deshalb musste ich bis Ende Februar warten, ehe ich in die Ukraine konnte.
Sie waren als Bundeswehr-Soldat auch in Afghanistan. War das vergleichbar mit dem, was Sie in der Ukraine erlebten?
Nicht im Mindesten. Klar, in Afghanistan war Krieg, aber was wir dort unten gemacht haben, war kein Krieg. Es war eine Stabilisierungsmission. Das Highlight meines Einsatzes war, dass eine Rakete in unser Lager einschlug und einen Generator zerstörte. Geholfen hat mir aber in der Ukraine, dass ich vor dem Afghanistan-Einsatz eine gute infantristische Ausbildung bekam. Und in Afghanistan habe ich Dinge gelernt, an die man beim Soldatsein nicht unmittelbar denkt: Im Gefecht ist es ungemein wichtig, den Alltagsstress möglichst gering zu halten. Wann immer es möglich war, habe ich in den Kampfpausen in der Ukraine gelesen. Und in einem Dorf gab es WLAN. Wenn wir nicht im Schützengraben saßen, gingen wir dorthin, um mit unseren Angehörigen daheim zu sprechen.
Wie fanden es Ihre Eltern, dass Sie in den Krieg gezogen sind?
(Lange Pause) Irgendwie haben sie es verkraftet. Es war schrecklich, vor allem für meine Mutter. Sie hat mit niemandem darüber geredet, wo ich bin, nicht einmal mit ihren Schwestern. Sie wusste, wenn das Thema zur Sprache kommt, dann kann sie nicht mehr aufhören zu weinen.
Sieg gegen Russland? „Es steht besser um die Ukraine als viele glauben“
Haben die Ukrainer eine Chance, gegen das mächtige Russland zu gewinnen?
Es steht besser um die Ukraine, als viele bei uns glauben. Solange der Westen in seiner Unterstützung nicht nachlässt, ist das machbar. Die Frage ist, wie viele Menschenleben das noch kosten wird. Wenn die Ukraine das komplette Kriegsziel mit der Befreiung der Krim erreichen will, wird das noch lange dauern. Das Einzige, worauf man für einen schnellen Sieg hoffen kann, ist, dass es einen Putsch in Russland gibt.
Gehen Sie nach Ihrer Genesung wieder zurück in den Kampf in der Ukraine?
Ich verspüre schon noch den Drang, zurückzukehren und wieder zu kämpfen. Aber mein Platz ist hier bei meiner Freundin, die ich in der Ukraine kennengelernt habe, und bei meiner Familie, und da muss ich anfangen, mir eine Zukunft ohne den Krieg aufzubauen.