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    Das Twitter-Debakel von Bielefeld | Telepolis

    Mikroblogger behaupten gerne von sich, dass sie gleichzeitig einem Vortrag konzentriert folgen und dabei fleißig twittern können. Das sei, so lautet eine häufig vorgebrachte Erklärung, wie das Mitschreiben während einer Vorlesung. Das klingt zunächst plausibel, ist aber bei näherem Hinsehen schlicht falsch.

    Denn die Schrift ist unter Twitter-Bedingungen nicht mehr das monologische Gespräch mit einem weißen Blatt Papier, das den Schreibenden isoliert (sensu Wygotski), sondern vielmehr ein dialogisches Medium, das asynchrone und quasi-synchrone Kommunikation erlaubt und das stets in dynamische Interaktionsprozesse eingebunden ist. Die klassische Mitschrift „spielt“ man allein, die impliziten Twitter-Regeln verlangen jedoch, dass jeder Spieler seine Aufmerksamkeit auch in hohem Maße auf die anderen Teilnehmer zu richten hat. So zeigt bereits eine flüchtige Analyse der #ecbi11-Tweets sehr deutlich, wie breit die Aufmerksamkeit der sozial Schreibenden und Lesenden während des Vortrags tatsächlich gestreut war. Innerhalb kürzester Zeit gelang es beispielsweise einem Heidelberger User, dessen Twitter-Verhalten keineswegs untypisch ist,

    ein Zitat von Tillmann halbwegs wörtlich wiederzugeben ("Eine pädagogische Bewegung braucht andere Begriffe als die akademische Erziehungswissenschaft. #ecbi11 #tillmann"),

    zu erfragen, wo sich eine verspätet eintreffende Bekannte gerade befindet ("- - > Auf welcher Rolltreppe? #ecbi11"),

    eine Kollegin zu erheitern ("Da! Da! … Da war ein Eichhörnchen! #ecbi11"),

    die Reaktion eines anderen Twitterers auf diese Nachricht zu retweeten ("Ein transsexuelles?"),

    inhaltliche Kritik am Vortrag zu üben ("Was mir bei dem Vortrag bislang fehlt: Beispiele #ecbi11")

    den Vorschlag eines Journalisten weiterzuleiten, der sich zeitgleich auf einer anderen Konferenz befand und von dort ebenfalls twitterte ("zwei konferenzen via twitter verknüpfen, kollab(or)ieren lassen: #ecbi11 und #exfo11 [...]")

    Angesichts dieser thematischen Bandbreite verwundert es nicht, dass ein Dilemma sichtbar wird: Denn aus dem vielstimmigen Gewirr der #ecbi11-Tweets geht zwar (s.o.) einiges hervor - die Thesen, die Klaus Jürgen Tillmann vertreten hat, findet man jedoch nur in Ansätzen. Und man erkennt diese Ansätze auch nur dann, wenn man vor Ort war und konzentriert zugehört hat. Doch wenn man vor Ort konzentriert zugehört hat, braucht man keine Tweets, um zu wissen, welche Thesen Klaus Jürgen Tillmann vertreten hat.