• Robert Gernhardt: Gott. Das Das Elfte Gebot
    https://m.soundcloud.com/iso-summ/robert-gernhardt-gott-das-das-elfte-gebot

    Als nun der Herr herabgefahren war auf dem Feldberg, oben auf seinem Gipfel, berief er seinen Knecht Gernhardt hinauf auf den Gipfel des Berges, und Gernhardt stieg hinauf.
    Da sprach der Herr: Ich bin der Herr, dein Gott, und habe seinerzeit vollkommen verschwitzt, meinem Knecht Moses das Elfte Gebot mitzugeben, als er vom Berge Sinal hinunter zum Volke stieg.
    So nimm du es und geh hin und steig hinab und verkündige allem Volke das Elfte Gebot.
    Und Gott redete nur diese Worte:
    „Du sollst nicht lärmen.“

    Und Gernhardt tat wie ihm geheißen und stieg hinab und sprach also zum Volk: Dies sind die Lärmvorschriften, die der Herr euch auferlegt hat:
    Gesetze über reine und unreine Instrumente

    Und der HERR redete mit Gernhardt und sprach zu ihm: Rede mit den Musikern und sprich: Das sind die Instrumente, die ihr spielen dürft in euren Wohnungen.
    Alles, was Löcher hat oder Saiten unter den Instrumenten, das dürft ihr spielen, sofern ihr deutlich im Rahmen der Zimmerlautstärke bleibt.
    Alle Instrumente aber, die geschlagen werden oder bei denen sich eure Backen blähen oder solche mit elektrischen Verstärkern, sollen euch unrein sein, und ihr sollt sie nicht spielen in euren Wohnungen. Und diese sollt ihr verabscheuen unter den Instrumenten, daß ihr sie nicht spielet in euren Wohnungen, denn ein Greuel sind sie mir: das Waldhorn, der Brummbaß und die Quetschkommode.

    Vergehen gegen Ohr und Seele:
    So du in geschlossenen Ortschaften dein Autoradio einschaltest, so sollst du die Fenster und das Verdeck deines Wagens fest verschlossen halten.
    Parkt jemand seinen Wagen, so soll er den Motor im Leerlauf nicht brummen lassen.
    Ihr sollt nicht hupen.
    Wer seinen Rasenmäher anwirft, der soll dies nur an Werktagen zwischen elf und dreizehn Uhr tun. Und er soll danach unrein sein bis an den Abend und weder eine Motorsäge anrühren noch einen Elektrobohrer noch eine Häckselmaschine, noch einen Laubsauger, noch alles was Lärm macht.

    Ihr sollt eure Bahnhöfe nicht mit Musik bedudeln. Unter Bahnhof aber verstehe ich jedwede Anlage zur Abwicklung des Personen und Güterverkehrs der Eisenbahn, an der Züge beginnen, enden, halten, sich kreuzen, sich überholen oder mit Gleiswechsel wenden können.
    Dasselbe soll gelten für U Bahnhöfe, für S Bahnhöfe sowie für alle anderen Bahnhöfe, die Gleise haben. Bahnhöfe aber keine Gleise haben, sind Bus-Bahnhöfe, und die sollen ebenfalls nicht bedudelt werden.

    Bedudelt keine Flughäfen.

    So jemand Tiere hält, welchen die Natur die Gabe verliehen hat zu lärmen, so soll er sie so halten, daß sie keinen Grund haben zu lärmen, oder so, daß ihr Lärmen nicht zu hören ist. Das gilt für Hunde und alles Getier, das den Mond anbellt oder auf Erden winselt, sowie für Papageien und alles gefiederte Volk, das da pfeift, wenn es tagt.
    Ihr sollt die Hunde und die Papageien nicht bedrücken.
    Wirst du sie bedrücken, und werden sie zu mir schreien, so werde ich ihr Schreien erhören.
    Dann wird mein Zorn entbrennen, daß ich euch züchtige, und ihr werdet um Gnade winseln und aus dem letzten Loch pfeifen.

    Todeswürdiger Lärm:
    So ein Mann seinen fahrbaren Untersatz frisiert, auf daß der mehr Lärm mache, so ist er unrein. Auch der Sattel, auf dem er reitet, wird unrein. Und er und seine Maschine sollen dem Bann verfallen.
    Fährt er aber fort, auf ihr herumzudüsen, so soll er des Todes sterben.
    Die Moto Cross Fahrer sollst du nicht am Leben lassen.
    So einer auf dem Wasser mit einem Motorfahrzeug herumdüst, und es erhebt auch nur ein Gestörter seine Stimme und saget: Ruhe dahinten!, so soll er sein Düsen unverzüglich und zu jeder Tageszeit einstellen.
    In der Nacht aber sollt ihr überhaupt nicht herumdüsen, und schon gar nicht auf dem Wasser.
    Auch sollt ihr nicht am Himmel herumdüsen, denn ein Greuel sind mir das Sportflugzeug, die Ultraleichtmaschine und der Hubschrauber.
    Und ich will sie alle abstürzen lassen, sobald auch ein Gestörter ausruft: Ruhe da oben!, und es kehrt keine Ruhe da oben ein.

    Rettungshubschrauber aber will ich nicht abstürzen lassen.
    Transportiert aber der Rettungshubschrauber jemanden, den ich habe abstürzen lassen, weil er gelärmt hat, so will ich auch den Rettungshubschrauber abstürzen lassen.

    Von den Geräten:
    Und der Herr sprach mit Gernhardt und sprach also zu ihm: Rede mit deinen Leuten, aber schön ruhig, und sprich: Das sind die Gebote, die euch der Herr gibt für alles, was Knöpfe hat und Lärm erzeugt:
    Ihr sollt bei der Aufstellung eurer Hi Fi Anlagen für eine gute Dämmung sorgen.
    Ihr sollt nicht am Lautsprecher sparen, auf daß ihr eure Anlage schön leise stellen könnt.
    Ihr sollt sie nie lauter aufdrehen als ihr eure Stimmen erheben könntet.
    Ihr sollt keine Radios mit euch tragen, so ihr den Fuß aus dem Hause setzt.
    Ich aber sage euch: Und ob der was davon hört!
    Du sollst nicht tönen.
    Macht euch nicht selbst zum Greuel an dem kleinen Gerät, das wummert, zirpt und dudelt, und macht euch nicht unrein an ihm, so daß ihr dadurch nicht unrein werdet.
    Diese sollen euch in Bahnen und Bussen ebenfalls unrein sein unter den Piepsgeräten, welche Knöpfe haben und die man in die Tasche stecken kann: das Computerspiel, das Handy und der Laptop. Denn alles, was ihr Pieps beschallt, das wird unrein.
    Und alles Gerät, das gepiepst hat, soll man ins Wasser tun, es ist unrein bis zum Abend und danach unbrauchbar.
    In euren Wohnungen aber sollen euch diese Geräte nicht unrein sein.

    Ersatzleistungen:
    Entsteht durch Lärm ein dauernder Schaden, so sollst du geben Lärmen um Lärmen, Ohr um Ohr, Ton um Ton, Krach um Krach.
    Wer aber fortfährt zu lärmen, der soll des Todes sterben, und seine Lärmquelle soll man steinigen.
    Das ist das Elfte Gebot, das der Herr dem Gernhardt gebot für alles Volk auf dem Feldberg.

    –Robert Gernhardt-
    Aus „In Zungen reden - Stimmenimitationen von Gott bis Jandl“

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  • Glaubt Karl Marx! Ihr seid erledigt!
    Denn es kann im falschen Leben
    Niemals nie kein richtigs geben!
    https://m.soundcloud.com/iso-summ/robert-gernhardt-das-attentat-oder-die-nackten-fakten-oder-ein-streich

    A propos d’un „attentat“ contre Theodor Adorno en 1969.
    https://de.m.wikipedia.org/wiki/Busenattentat

    Robert Gernhardt: Das Attentat oder Die nackten Fakten oder Ein Streich von Patt und Doris

    Ach, was muß man oft von bösen
    Mädchen hören oder lesen!
    So zum Beispiel hier von diesen,
    Welche Pat und Doris hießen.
    Die, anstatt durch weise Lehren
    Sich zum Guten zu bekehren,
    Oftmals noch darüber lachten
    Und sich heimlich lustig machten.

    Aber wehe, wehe, wehe,
    Wenn ich auf das Ende sehe !
    Drum ist hier, was sie getrieben,
    Auszugsweise aufgeschrieben:
    Also lautet der Beschluß.
    Daß der Mensch was lernen muß.
    Nicht allein das Abc
    Bringt das Mädchen in die Höh’,
    Sondern auch der Weisheit Lehren
    Muß man mit Vergnügen hören.
    Daß dies mit Verstand geschah,
    War Professor Teddie da.

    Pat und Doris, diese beiden,
    Mochten ihn darum nicht leiden.
    War’s, weil sie in Seminaren
    Nicht die allerbravsten waren,
    War’s, weil sie zu wissen wähnten,
    Wonach sich die Massen sehnten-:
    Was der Prof da von sich gab
    Klang in ihren Ohren schlapp.
    Abgefuckt und inhaltsleer,
    Konterrevolutionär,
    Bourgeois und theoretisch,
    Stetes Kreisen um den Fetisch
    Ratio – und so was rächt sich,
    Denn noch schrieb man Neunundsechzig
    Und da sann man unverdrossen
    Mal auf Go-ins, mal auf Possen,
    Um die Profs zu demaskieren
    Und der Welt zu demonstrieren,
    daß sie unter den Talaren
    Machtgeil, stur und muffig waren.
    Grade dann, wenn sie in Worten
    Jederzeit und allerorten
    Das Bestehende verdammten
    Und der Schicht, aus der sie stammten,
    Feurig die Leviten lasen:
    Haltet ein! Bald deckt der Rasen
    Euch und eure schwarzen Taten.
    Die tagtäglich das verraten,
    Was ihr sonst an Werten predigt -:
    Glaubt Karl Marx! Ihr seid erledigt!
    Denn es kann im falschen Leben
    Niemals nie kein richtigs geben!

    Meister im Levitenlesen
    Aber war der Prof. an dessen
    Widersprüchen sich die »lieben«
    Mädchen Pat und Doris rieben.
    Darum sei sogleich verraten.
    Was sie mit Adorno taten.

    Nun war dieser große Lehrer
    Von den Damen ein Verehrer,
    Was man ohne alle Frage
    Nach des Denkens Müh’ und Plage
    Einem guten, alten Mann
    Auch von Herzen gönnen kann.
    Nicht so unsre beiden Kinder,
    Die im Weiberrat und in der
    Wohngemeinschaft voll einbrachten,
    Was sie von dem Denker dachten:
    Macho, liberaler Scheißer,
    Sprücheklopfer, Fraunaufreißer,
    Ein im Widerspruch verstrickter
    Objektiv dem Volk entrückter
    Tui, der subjektiv nicht raffe,
    Daß er nichts als eine Waffe
    Sei der Scheiß-Reaktion –
    Das genügte, denn bald schon
    Riet der ganze Weiberrat
    Dergestalt zur raschen Tat,
    Daß die beiden lachend schrien:
    „Schwestern, stimmt: Da pack’n mer ihn!“

    Tags darauf in Unifluren
    Treffen wir die zwei Figuren,
    Die, das sei nicht übersehen,
    Aus sehr viel Figur bestehen,
    Da Sie nackt, ohn alle Stützen,
    Unterm Hemde das besitzen,
    Was die jungen wie die reifen
    Herren liebend gern begreifen.

    Eben strebt in sanfter Ruh
    Adorno seinem Hörsaal zu,
    Und mit Buch und Lesungsheften
    Zu gewohnten Denkgeschäften
    Lenkt er freudig seine Schritte
    In der jungen Menschen Mitte,
    Und voll Dankbarkeit sodann
    Schaut er Pat und Doris an,
    Die, wie ihm zu applaudieren,
    Vollreif seinen Weg spalieren.

    „Ach!“ denkt er, „Die größte Freud
    Ist doch die Begrifflichkeit!“

    Rums! Da ziehn die beiden los,
    Und vier Brüste schrecklich groß,
    Jäh befreit von allen Stoffen,
    Herrlich bloß und gänzlich offen,
    Nackig, unbeschreiblich weiblich,
    Knackig, unbegreiflich leiblich,
    Lockend, drängend, wogend, prangend
    Einen ganzen Mann verlangend,
    Ragend, dräuend, drohend, schwellend,
    Allen Geist in Frage stellend,
    Recken sich dem Prof. entgegen,
    Welcher stumm erst, dann verlegen,
    Dann erschreckt das Weite sucht
    Und bei sich den Tag verflucht,
    Da er dieser Busen Licht –
    Doch so weit sind wir noch nicht.

    Bleiben wir bei unsern Rangen.
    Die sich eiligst wieder fangen,
    So geschwind, daß niemand klar ist,
    Was hier Einbildung, was wahr ist,
    Wer hier was warum entblößte -
    Fest steht nur: ‘s kann auch der größte
    Denker nicht in Frieden leben,
    Wenn Mädchen ihre Hemdchen heben.

    All das geschah vor langer Zeit,
    Doch ist es nicht Vergangenheit.
    Das Busen-Attentat gab zwar
    Dem Prof. den Rest -: Im gleichen Jahr
    Verstarb der Philosoph, jedoch
    Pat und Doris gibt es noch.

    Die eine forscht, die andre lehrt.
    Und beide sind gottlob bekehrt
    Von den Ideen ihrer Jugend:
    Heute decken Halter, Stoff und Tugend
    Verläßlich, was den Prof. einst schreckte,
    Als es ihm blank entgegenbleckte …

    Mit der Zeit wird alles heil,
    Nur der Teddie hat sein Teil.

    – Robert Gernhardt -
    Aus: „In Zungen reden...“

    #parodie #Frankfurter_Schule