• Wer braucht schon die Bergmannstraße? So lebt sich’s im weniger coolen Kreuzberg
    https://www.berliner-zeitung.de/stil-individualitaet/muss-es-immer-kiezig-sein-so-wohnt-es-sich-in-kreuzbergs-weniger-be

    Weiter gehts mit der Gentrifiziererei. Jetzt wird das Areal des alten Blumengroßmarkt aufgewertet. IBA 1987 war noch menschlich und priduzierte viele Sozialwohnungen. Wer nicht durch brutale Mietsteigerungen aus denen verdrângt wurde, trägt heute noch zur berühmten Berliner Mischung bei, die das Leben hier so angenehm machte und mancherorts noch macht. Wo, das wird hier nicht verraten. Wäre ja schön blöd, den Gentrifizierern noch Tipps zu geben.

    Im Kreuzberger Lindenstraßen-Neubau ist jedenfalls nix mit sechsneunzig kalt.

    Und so freut sich das schwule Dinks-Pärchen im Artikel, dass es eine schöne Zentrallage verhältnismäßig preiswert heimsuchen darf. Das hochgelobte Kargheitsdesign ändert nicht an der Klassenlage. Vorgestellt wird hier die Bude von zwei typischen Parasiten aus der kapitalistischen Funktionselite.

    19.11.2022 von Manuel Almeida Vergara - Max Renner und Jonas Vach haben sich für eine tolle Traumwohnung – und damit gegen einen coolen Kiez entschieden. Ein Besuch im lebloseren Teil Kreuzbergs.

    Max Renner und Jonas Vach haben es geschafft. Sie haben eine schöne Wohnung gefunden. Mitten in Kreuzberg, über eine einschlägige Immobilien-Plattform, einfach so. Und trotzdem wird nicht sofort vor Neid erblassen, wer hört, wo die beiden heute leben.

    Denn Renner und Vach wohnen eben nicht beim Kotti, Schlesi oder Görli; nicht auf Bergmann, Gneisenau oder Mehringdamm. Ihre Wohnung liegt im Kreuzberger Niemandsland – im etwas seltsamen Viertel zwischen Mehringplatz, Jüdischem Museum und Checkpoint Charlie nämlich.

    „Lage ist alles“, wie eine klassische Makler-Weisheit behauptet? Maybe not: Renner und Vach haben sich zwar nicht gegen einen schönen Kiez, aber eben für eine schöne Wohnung entschieden. Und die liegt nun mal, wo sie eben liegt. „Das ist hier für Kreuzberger Verhältnisse schon ein bisschen eine None-Lage“, sagt Max Renner, während er mit seinem Freund am großen, gläsernen Esstisch sitzt. „Ich habe vorher am Zionskirchplatz gewohnt, Jonas in der Lenaustraße in Neukölln, wir haben diese Kiezkultur sehr genossen.“

    Cafés, Bars, Spätis, alles direkt vor der Tür, immer Action, immer was los – dass es so in ihrer neuen Nachbarschaft nicht werden würde, war ihnen schon vor dem Umzug klar. Aber die Wohnung? Sie hat die beiden gleich überzeugt. Im oberen Bereich der rund 130 Quadratmeter großen Maisonette reihen sich ein kleines Fernsehzimmer, das Gästebad, ein großer offener Wohn-Ess-Bereich und Vachs Arbeitszimmer, das zugleich als Gästezimmer dient, zu einem luftigen Schlauch aneinander, zu beiden Seiten hin mit einer großen Fensterfront versehen. Im unteren Bereich der Wohnung – über ein schmales privates Treppenhaus zu erreichen – liegen Bade- und Schlafzimmer.

    Um den Corbusier-Tisch sammeln sich Aulenti-Stühle; in Vitra-Wandfächern liegt alles Wichtige beieinander .

    Der gegossene Boden und die raue Betondecke sind grau, alle Wände weiß gehalten. Das passt gut zum Stil des Paares, der sich reduziert, klar und sachlich zeigt, von witz- und geistreichen Akzenten durchbrochen. An den langgezogenen Wänden im Wohnbereich zum Beispiel hängt typografische Kunst von Esra Gülmen und Pepo Moreno; auf Satztischen von Gianfranco Frattini steht Ettore Sottsass‘ „Shiva“-Vase in Form eines rosafarbenen Phallus, ein wenig weiter vorn im Raum die mit Buchstaben verzierte, ulkig geformte Glasvase, die der Künstler Stefan Marx für Ikea entworfen hat.

    Neben der Kunst sind Schnittblumen die einzigen dekorativen Elemente, die wir wirklich immer in unseren Räumen haben .
    Jonas Vach

    „Neben der Kunst sind Schnittblumen die einzigen dekorativen Elemente, die wir wirklich immer in unseren Räumen haben. Also besitzen wir auch einige Vasen – eben weil sie einen Zweck erfüllen“, sagt Jonas Vach, der beruflich Lobby- und Politikkontaktarbeit für ein großes deutsches Unternehmen betreibt. „Ansonsten haben wir keine Dinge herumstehen, die einfach nur da sind, um da zu sein.“

    Da passt es gut, dass die beiden, nach ihren Lieblingsstücken befragt, recht praxisorientiert antworten. „Die Essstühle“, sagt Vach, ohne lang zu überlegen. Die „Orsay“ genannten Entwürfe der italienischen Architektin und Designerin Gae Aulenti haben die beiden auf Ebay-Kleinanzeigen gefunden, in einer Autolackiererei in Wusterhausen ließen sie die braun-orangefarbenen Stühle in schwarz und pastellgelb umlackieren. „Wir wollten hier in der Wohnung etwas wirklich Eigenes verwirklichen, mit Möbeln arbeiten, die man nicht so oft sieht“, sagt Vach. „Insofern waren wir gleich begeistert von den Aulenti-Stühlen, die nicht so bekannt sind.“

    Max Renner, einer der Chefs der Berliner PR- und Marketing-Agentur Bold, gefällt der große Esstisch von Le Corbusier für Cassina besonders gut. Auch diesen Design-Klassiker entdeckte das Paar auf der Kleinanzeigen-Plattform. „Den Tisch haben meine Großeltern auch, und ich habe ihn schon immer geliebt“, sagt er. Das Exemplar, das nun in seiner Kreuzberger Wohnung steht, ist noch mit der originalen Glasplatte ausgestattet. „Die hat zwar einen Sprung, aber der gehört irgendwie dazu, das finden wir eigentlich ganz spannend.“

    Bei den beiden Design-Enthusiasten außerdem beliebt: der lederne Launch-Chair, der ebenso von Gae Aulenti entworfen wurde; das erste gemeinsame Stück, das sich das Paar zusammen angeschafft hat. Nur wenig Anklang findet indes die Küchenzeile, mit hellem Holz verkleidet, die eben schon vor ihrem Einzug in der Wohnung stand. „Die ist uns eigentlich ein bisschen zu warm und heimelig“, sagt Vach. Wer an Herd oder Spüle steht, hat allerdings einen äußerst interessanten Blick: in einen schmalen, begrünten Lichtschacht – und in die nächste Wohnung.

    Wir haben in den eineinhalb Jahren, in denen wir jetzt hier leben, gemerkt, dass es auch hier in der Gegend einiges gibt .
    Max Renner

    Denn jede Einheit in dem großen Haus gegenüber des Jüdischen Museums ist mit zahlreichen Fenstern versehen. Nach außen, natürlich, aber eben auch nach innen, hin zu den innenhofartigen Schächten. Die Nähe, die dadurch zu den Nachbarinnen und Nachbarn entsteht – manchmal nickt man sich über den Schacht hinweg freundlich zu, wie Renner und Vach erzählen –, passt durchaus zum Konzept des Gebäudekomplexes.

    Das mit Architekturpreisen geadelte „Integrative Bauprojekt am ehemaligen Blumengroßmarkt“ des Berliner Büros Heide und von Beckerath basiert auf dem Gedanken, dass sich auch in einer durch Anonymität geprägten Großstadt eine gute, heimelige Hausgemeinschaft bilden lässt.

    Einige der Wohnungen im Haus sind auf Menschen ausgerichtet, die mit Behinderungen leben; viele von ihnen organisieren sich in speziellen Hausgruppen. Es gibt Gemeinschaftsräume und einen Dachgarten, der von den Bewohnerinnen und Bewohnern bepflanzt wird; auch die als „Rues intérieures“, als „innenliegende Straßen“ konzipierten Hausflure laden mit ihren begrünten Lichtschächten und Sitzflächen zum Verweilen und zum Austausch ein. Insofern kommt dann selbst in diesem Viertel doch ein bisschen Kiezfeeling auf – in Renners und Vachs Wohnhaus nämlich.

    „Außerdem haben wir in den eineinhalb Jahren, in denen wir jetzt hier leben, gemerkt, dass es auch hier in der Gegend einiges gibt“, sagt Renner; mit dem minimalistisch gehaltenen Akkurat-Café um die eine und der Berlinischen Galerie um die andere Ecke, mit weiteren Kulturstätten und netten Restaurants in der Nähe habe auch der unbeliebtere Teil von Kreuzberg ein paar Höhepunkte zu bieten. „Und weil wir ziemlich mittig in der Stadt liegen, sind wir mit dem Rad genauso schnell in Neukölln wie in der Torstraße, können zum Kanal oder zur Kantstraße radeln.“

    Das nämlich ist der bestechende Vorteil einer Wohngegend, die sich nicht allzu kiezig gibt: Man muss, man will sie immer mal verlassen. Und während die anderen unentwegt ihren Bergmannkiez rauf- und runterspazieren oder das Dreieck zwischen Adalbert-, Mariannen- und Oranienstraße bloß alle Jubeljahre mal verlassen, lernen Max Renner und Jonas Vach die Stadt in ihrer ganzen Größe kennen. Beneidenswert.

    #Berlin #Gentrifizierung #Kreuznerg #Lindenstraße

  • Abschied von Kreuzbergs idyllischem Bergmannkiez: „Die Straße ist nur noch Spekulationsmasse“
    https://www.berliner-zeitung.de/mensch-metropole/abschied-von-kreuzberg-idyllischem-bergmannkiez-die-strasse-ist-nur


    Gekündigt: Stefan Neitzel vor dem Pralinenladen, in dem einst sein Fahrradladen warJordis Antonia Schlösser/Ostkreuz

    Die Gentrifizierung frisst ihre Kinder. Der „Bergmannkiez“, wie der Neuberlimer Newspeak so sagt, war schon immer für Normalsterbliche unzugänglich, zumindest seit der Weiße Kreis die Mietpreisbimdumg abgelöst hat. Den Begriff kennse nicht? Wikipedia auch nicht? Sehnse, so lamge ist das her.

    Wer sich die schicken Dachgeschoßwohnumgen leisten konnte, war hier gefühlt „seit immer“ willkommen, Geldsack auf Beinen. Für alle anderen gabs nur Seitenflügel, Hinterhaus, niderige Decken, muffige Bausubstanz, Ofenheizung, und auch das nur mit viel Glück und Beziehungen.

    Jetzt fällts auch euch das auf. Gewinnerseite war mal. „That’s capitalism“, fandet ihr doch gut. Jetzt kommen die mit richtig Kapital. „Get used to it.“ Ihr habt garantiert jahrelang genau die falsche Partei gewählt. Passt zu euch. Schaut mal auf die aktuellen Ergebnisse.Capisce, die fetten Jahre sind vorbei, jetzt auch für euch.

    Wenn jetzt also Yuppies und Dinks über den „Kiez“ rummosern, dann klagen die immer noch auf alpinem Niveau. Dumm jelaufen, war aber absehbar. Notting Hill, schon mal gehört?

    Enttäuscht von der städtischen Wohnungsbaugesellschaft? Normal, in Spandau benehmen die sich auch nicht besser, aber in den Hochhaussiedlungen trifft das Massen von normalen Leuten. Mit denen wird noch übler umgesprungen.

    9.10.2024 von Hans Korfmann - Wo einst Platz für alternative Geschäftsideen war, ist heute vor allem Platz für finanzstarke Unternehmen. Wie ist das passiert? Eine Spurensuche in Kreuzberg.

    Die Bergmannstraße ist keine groß angelegte Prachtallee, sondern ein Sträßchen, das nur zufällig bekannt wurde. Es gab sie schon, als die Stadtplaner Lenné und Hobrecht Anfang des 19. Jahrhunderts ihre papiernen Pläne über das Ackerland im Süden der Stadt stülpten und es mit Rechtecken aus kleinen Straßen und langen Geraden breiter Alleen versahen. Wenig später flankierten Geschäfte, Werkstätten, Gartenlokale und ein Kino die Pflasterstraße. Aber schon ein Jahrhundert später verfiel Berlins Gründerzeitarchitektur zu Ruinen. Die Stadt wurde zum Mahnmal, das auch 30 Jahre nach Kriegsende noch voller Brachen und durch eine Mauer geteilt war.

    Dennoch tauchten in den Siebzigern erste Touristen in der Bergmannstraße auf. Sie kamen der Trödler wegen, die sich, angezogen durch günstige Mieten im Schatten des antiimperialistischen Schutzwalls, angesiedelt hatten, gemeinsam mit einem bunten Volk aus Wehrdienstverweigern, Hippies und Künstlern aller Art. Die richteten in den noch leer stehenden Erdgeschossen Geschäfte, Werkstätten und Kneipen ein. Die Bergmannstraße wurde zur Schaubühne alternativer Lebensentwürfe.

    1989 zerbröselte auch der Schutzwall, Immobilienhändler kamen, sahen und siegten. Bis heute wirbt die Branche mit dem „idyllischen Bergmannkiez“, obwohl von der Idylle nicht viel übrig ist. Wo einst Platz für alternative Geschäftsideen war, ist heute nur noch Platz für finanzstarke Unternehmen. „Ein derart hochgezüchteter Immobilienmarkt lässt keinen Raum mehr für Werkstätten“, sagt Sascha Fricke, einer der letzten, der vorne ein Schaufenster und hinten noch eine Werkstatt in der Straße besitzt.

    Die abenteuerlichen Gründerjahre Kreuzbergs, als zwischen den Trödlern der erste Indienladen eröffnete, sind vorbei. Den Laden aber gibt es heute noch, ebenso wie Bagage, das Rucksackgeschäft, das Dietmar Kirchhoff, Islamistikstudent, Taxifahrer und Flohmarkthändler, in den Achtzigern eröffnete. „Da ahnte noch niemand, dass eines Tages sogar Manager und Politiker mit Buckeln auf dem Rücken herumlaufen würden.“ Oder Ararat, der Kunstverlag, der einzog, als die Fenster noch mit Sperrholz verbarrikadiert waren. „Nicht mal eine Toilette gab es“, erinnert sich Margot Jankowski, die 1984 den ersten Postkartenständer auf die Bergmannstraße stellte. „Heute hat jeder Klamottenladen einen Kartenständer vor der Tür.“ Und Sascha Fricke vom Rahmengeschäft Weilensee sagt: „Früher eröffneten Leute einen Laden, weil sie eine Idee hatten. Heute, weil sie Geld haben.“

    Eine Idee hatte 2014 auch der Senat. Er beschloss, ausgerechnet eine der beliebtesten Straßen der Stadt in eine „Begegnungszone“ umzuwandeln. Neben einer Fahrradtrasse sollten Sitzbänke und Blumenkästen den Autoverkehr blockieren. Die Anwohner protestierten. Jochen Ziegenhals vom Café Atlantic brachte es auf den Punkt: „Wir Gewerbetreibende haben die Straße doch erst zu dem gemacht, was sie heute ist. Und jetzt wollt ihr Politiker euch die auf eure Fahnen heften. Lasst die Straße, wie sie ist! Und wenn ihr den Verkehr beruhigen wollt, dann stellt zwei Polizisten auf. Wenn Ali dann mit seinem Ferrari ein paarmal 150 Euro bezahlt hat, wird er sich eine andere Strecke suchen!“

    Die Proteste halfen nichts. Heute rast nicht mehr Ali mit dem Ferrari, heute rasen Radfahrer über die Gerade. So viele Unfälle wie jetzt gab es noch nie. Friedvolle Begegnungen dagegen sind jetzt seltener in der Begegnungszone. Zuletzt lockte die Browse Gallery mit einer Ausstellung berühmter Plattencover in einem leer stehenden Erdgeschoss 2020 noch einmal 20.000 Besucher in die Straße. Auch für das dreitägige Bergmannstraßenfest, das Olaf Dähmlow vom Yorckschlösschen seit den Neunzigern veranstaltete, ist nun kein Platz mehr. Ebenso wenig für das Spaghettiessen, das Jung und Alt alljährlich an einer langen Tafel versammelte. So verliert die Straße ihren Ruf. „Die Bergmannstraße“, sagt Sascha Fricke, „ist nur noch Spekulationsmasse. Da haben auch gut funktionierende Geschäftsmodelle keine Chance mehr.“


    Ein wenig Idylle gibt es schon noch in der Bergmannstraße.Markus Wächter/Berliner Zeitung

    Einer der größten Immobilienbesitzer vor Ort ist die Gewobag, eines der landeseigenen Wohnungsunternehmen. Sie hat gleich mehrere Häuser nebeneinander gekauft und entscheidet, wer bleibt und wer geht. Zweck der 1919 gegründeten Gemeinnützigen Wohnungsbau-AG Groß-Berlin war „die Beschaffung gesunder Wohnungen zu angemessenen Preisen für minderbemittelte Familien und Einzelpersonen“. Auch noch im Jahr 2024 beteuert die Immobilienfirma: „Wir nehmen unseren sozialen Auftrag ernst.“ Und etwas weiter unten im Jahresbericht: „Lebenswerte Wohnungen und Wohngebiete, sozialverträgliche Quartiersentwicklung – dafür steht die Gewobag mit ihrer DNA.“

    Tatsächlich hatte das Senatsunternehmen nach der Wende nicht nur die Immobilien, sondern auch die Bevölkerung im Auge. Mitarbeiter der Gewobag wohnten in der Nachbarschaft, Kulturschaffende wurden bevorzugt, ein Buchantiquariat konnte sich niederlassen, heute eines der Highlights der Straße. Der Siegeszug der Gastronomie aber war nicht aufzuhalten, die halbe Bergmannstraße besteht aus Restaurants. „Ich esse auch gern indisch“, sagt Sascha Fricke. „Aber das ist kein Zufall, dass hier nur noch Asia-Restaurants und Caféhausketten eröffnen. Nur da ist die Gewinnmarge noch groß genug, um mit den Mieten mitzuhalten. Da müsste die Politik die Kleinunternehmer in Schutz nehmen.“

    Der Berliner Senat sitzt bereits im Aufsichtsrat der Gewobag. Und er tut, so sehen es etliche Anwohner zumindest, zu wenig gegen die Verwahrlosung der Straße. Als die Gewobag 2014 ihr gläsernes Headquarter am Spreebogen bezog, verschwanden die Ansprechpartner aus dem Viertel, der freundliche Umgangston wich moderner Investorensprache. Immer häufiger stand unter den Briefen der Firma: „Dieses Schreiben enthält vertrauliche und rechtlich geschützte Informationen. Das unerlaubte Kopieren sowie die unbefugte Weitergabe dieser E-Mail sind nicht gestattet.“

    Einer, der den neuen Ton des Immobilienhändlers zuerst zu hören bekam, war Stefan Neitzel. Der Politologe war passionierter Radfahrer, fuhr mit dem Rad bis nach Spanien, träumte von Fahrradstationen auf Bahnhöfen, veranstaltete die ersten Berliner Sightseeingtouren per Rad und eröffnete in der Bergmannstraße einen Fahrradladen. Nach 20 Jahren kündigte die Gewobag der Fahrradstation wegen eines Zahlungsdefizits von 160 Euro. „Die 20 Jahre waren rum. Das ist System bei denen. Es gibt kaum Gewerbemieter bei der Gewobag, die länger als 20 Jahre bleiben“, behauptet Neitzel. Die zwei oder drei Läden, die länger in der Straße seien, würden fast schon so viel zahlen wie die Restaurantbesitzer auf der Sonnenseite.


    Keine groß angelegte Prachtallee, sondern ein Sträßchen, das nur zufällig bekannt wurde – die Bergmannstraße Markus Wächter/Berliner Zeitung

    Neitzel schrieb, telefonierte, suchte vergeblich das persönliche Gespräch, zog vor Gericht – und verlor. Heute steht da, wo einst ein Mechaniker mit schwarzen Fingern Räder reparierte, eine Schokoladenverkäuferin mit lackierten Fingernägeln. Viel Kundschaft hat der feine Laden nicht. Früher standen die Leute hier Schlange. „Da darf man schon einmal die Frage stellen: Wie soll das weitergehen mit der Bergmannstraße?“, sagt Neitzel und grinst.

    Stefan Neitzel war nicht der Letzte, der aufgab. Auch Gunhild Propawka, die aus einem Italienurlaub mit einem Kofferraum voller Schuhe zurückkam und mit ihrem Schuhgeschäft zu einem der Lieblinge in der Straße wurde, ist gegangen. „Ich hatte gerade einen neuen Vertrag unterschrieben, da kam Corona.“ Da Immobilienbesitzer aufgefordert waren, ihrer gesellschaftlichen Verantwortung gerecht zu werden und Gewerbemietern entgegenzukommen, bat sie um neue Konditionen, doch eine Antwort blieb aus. Also schrieb sie: „Auch nach mehreren Versuchen ist keiner Ihrer Mitarbeitenden bereit, mit mir ein Gespräch über eine gütliche, für alle Seiten sinnvolle Lösung zu führen. Es sollte doch möglich sein, auch unter Berücksichtigung Ihrer wirtschaftlichen Interessen, eine Einigung zu finden.“ Die Gewobag schrieb, man läge mit einem Angebot von 30 Euro noch unter der Marktmiete und unterbreitete der Ladenbesitzerin die Möglichkeit, sie für „sechs Netto-Kalt-Mieten vorzeitig aus dem Vertrag zu entlassen“.

    Der jüngste Leidtragende ist Sascha Fricke vom Bilderrahmengeschäft Weilensee, einem der letzten Relikte des einstigen Künstlerviertels. Er ist so etwas wie der Nachfolger von Schlumms Leistenladen, in dem sich die Künstlerboheme um Kurt Mühlenhaupt in den Sechzigern die Bilder rahmen ließ und in Ermangelung des Kleingeldes noch mit Originalen bezahlte.

    Achtzig Prozent des Umsatzes erwirtschaftete Weilensee mit maßgeschneiderten Bilderrahmen. Das Geschäft lief gut, nur die Gewobag machte ihm Sorgen. Eine Mietminderung in Coronazeiten wurde abgelehnt, und als ein Jahr später Wasser durch die Decke tropfte und er Kontakt zur Verwaltung aufzunehmen versuchte, erhielt er keine Antwort. Er fuhr ins Hauptquartier am Spreebogen, wurde aber schon im Foyer abgewiesen: Man dürfe keinen Ansprechpartner vermitteln.

    Als Tage später ein Klempner in der Bergmannstraße erschien, „stand die Scheiße im Schacht schon einen halben Meter hoch, es wimmelte von Maden“. Vier Monate lang war ein Teil der Räume nicht mehr nutzbar, doch eine Reduzierung der Miete gewährte die Gewobag nicht.

    Ohne viel Hoffnung auf eine Antwort schrieb Fricke letztmals im Juli 2024 wegen des nun auslaufenden Mietvertrages, dass er sich eine weitere Mieterhöhung nicht leisten könne. Wieder blieb eine Antwort aus. Auf ihrer Website schreibt die Gewobag in ihrem Jahresbericht: „Das Feedback zu unserer Erreichbarkeit nehmen wir uns zu Herzen und haben Anfang 2024 die Telefonzeiten unseres Service-Centers angepasst.“

    Einen Umsatz von 600 Millionen Euro konnte die Gewobag im vergangenen Jahr verbuchen. Die Firma nennt 74.000 Wohnungen ihr Eigen und möchte bis 2026 noch einmal 12.000 neue Wohnungen bauen oder kaufen. Bleibt da für Kundengespräche, Reparaturen oder sozialverträgliche Mieten kein Geld mehr und keine Zeit?


    Anziehungspunkt: die Trödelmarkthändler am Marheinekeplatz Ina Schoenenburg/Ostkreuz

    Ende Juli klebte Sascha Fricke ein DIN-A4-Blatt in die Tür des Rahmengeschäftes: „Wir schließen. Leider läuft unser Mietvertrag in naher Zukunft aus. Einen teureren Anschlussvertrag können wir uns nicht mehr leisten. Die Staffelmiete ist uns schon jetzt zu viel. Wir machen Platz für bessere Renditen.“

    So klein der Zettel in der Tür war: Die Linkspartei wurde aufmerksam und fragte bei der Gewobag nach. Mitte August kramte die Immobilienfirma im Textbausteinkasten und schrieb, sie bemühe sich „im Rahmen der Vertragspflege um eine langfristige Etablierung und Bindung der Gewerbetreibenden“. Der Erhalt der Infrastruktur sei ein „wichtiger Bestandteil der Quartiersentwicklung“.

    Als Mitte September auch die Berliner Zeitung anfragte, räumte die Gewobag ein, dass Sascha Fricke tatsächlich „keine Rückmeldung zu dem benannten Wasserschaden erhalten hat. Das bedauern wir sehr. Über den entsprechenden Zeitraum des Mangels haben wir Herrn Fricke rückwirkend eine entsprechende Mietminderung gewährt.“

    Die Gewobag schrieb dies am Vormittag des 13. September. Sascha Fricke wusste zu diesem Zeitpunkt noch nichts von einer Mietminderung. Auch nichts davon, dass man mit dem „Gewerbemieter im Austausch“ sei. Die Gewobag, hieß es in besagtem Schreiben weiter, lege Wert auf„ein ausgewogenes und bedarfsorientiertes Gewerbeflächen-Angebot. Wir wägen bei den zu vermietenden Gewerbeflächen grundsätzlich sorgfältig ab. Das gilt auch für den Bergmannkiez und für das Geschäft von Herrn Fricke, das wir gern vor Ort gehalten hätten.“

    All das erfuhr Herr Fricke erst am Nachmittag des 13. September. Am 14. hielt er die fristlose Kündigung in der Hand.

    #Berlin #Kreuzberg #SW61 #Bergmannstraße #Immobilien #Gentrifizierung #GEWOBAG

  • Schimmel, Ratten, gefangen im Kredit: Bauträger in Berlin treibt Wohnungskäufer in Verzweiflung
    https://www.berliner-zeitung.de/mensch-metropole/schimmel-ratten-gefangen-im-kredit-bautraeger-in-berlin-treibt-wohn


    Lisa Hohneck schaute fünf Jahre lang durch ihr Fenster auf ein Baugerüst. Markus Wächter/Berliner Zeitung

    20.5.2024 von Niklas Liebetrau - Immobilienkäufer in Berlin stehen vor dem Ruin, weil sie einer Firma vertrauten, die Häuser nicht fertigstellt: Hedera Bauwert. Deren Chef ist in der Stadt kein Unbekannter.

    Manchmal, wenn ihr alles zu viel wird, stellt sich Lisa Hohneck vor, wie sich plötzlich ein Riss im Boden auftut und ihr Haus darin untergeht. Ihre Wohnung in Berlin-Friedrichshain, die sie sich vor sechs Jahren kaufte, würde dann verschwinden. Und mit ihr all der Ärger: die Feuchtigkeit, die durch die Schlafzimmerwände kriecht, die Obdachlosen, die in den Hausfluren und Kellerräumen hausen. All das wäre weg, und für einen Moment denkt sie, dann hätte sie endlich Ruhe.

    Dann fällt ihr ein, dass zwar die Wohnung weg wäre – nicht aber der Kredit. „Finanziell wäre das mein Ruin“, sagt sie.

    Dabei hatte alles so vielversprechend begonnen. Lisa Hohneck, eine 33-jährige IT-Projektmanagerin aus der Nähe von Trier, hatte sich gleich nach dem Master und frisch im ersten Job entschieden, eine Eigentumswohnung in Berlin zu kaufen. Ihr bester Freund hatte ihr dazu geraten, auch er wollte in der Stadt, in der sie jetzt lebten, etwas erwerben. Besser einen Kredit abbezahlen, sagte er, als sein Leben lang zur Miete wohnen.

    Kurz darauf, im November 2017, entdeckten sie das Haus in der Weserstraße. Die Wohnung, für die sich Hohneck interessierte, lag im Hinterhof: 65 Quadratmeter im Erdgeschoss, drei Zimmer, Küche, Bad, 200.000 Euro. Ein Schnäppchen, auch damals schon. Die Maklerin sagte: „Mein Tipp, warten Sie nicht zu lange.“ Es gebe andere Interessenten, täglich Anfragen. Sie illustrierte, wie es in dem gelben Altbauhaus bald aussehen werde: gläserne Aufzüge, stählerne Balkone, ein begrünter Innenhof, eine neue Fassade.

    Mitte Dezember 2017 sagte Hohneck zu. Ihr bester Freund entschied sich für eine Wohnung im Vorderhaus. „Bis zum Kauf“, sagt Hohneck, „lief alles hervorragend.“


    Dort, wo in der Cranachstraße Anfang des Jahres ein Haus fertig sein sollte, sammelt sich Schrott.Markus Wächter/Berliner Zeitung


    Lisa Hohneck (r.) mit ihrer Schwester vor ihrer Eigentumswohnung. Seit fast sechs Jahren warten sie auf Fertigstellung. Markus Wächter/Berliner Zeitung


    Auf der Baustelle vor dem Haus in der Weserstraße sammelt sich Sperrmüll. Markus Wächter/Berliner Zeitung


    Beschmiertes Fenster in der Weserstraße.Markus Wächter/Berliner Zeitung


    Artem Rudenko vor einem offenen Spalt in seinem Treppenhaus in der Havelberger Straße. Markus Wächter/Berliner Zeitung


    Im Hausflur in der Havelberger Straße machen sich immer wieder Obdachlose breit, sagt Artem Rudenko. Markus Wächter/Berliner Zeitung


    Bauträger des Hauses in der Havelberger Straße: Hedera Bauwert. Markus Wächter/Berliner Zeitung


    Seit August 2021 steht ein Halteverbotsschild auf der Baustelle vor der Havelberger Straße. Markus Wächter/Berliner Zeitung


    Eine von mehreren Hausleichen in Berlin, das leerstehende Wohnobjekt in der Sickingenstraße sollte im vergangenen Sommer fertig sein. Markus Wächter/Berliner Zeitung


    Anspruch und Wirklichkeit gehen weit auseinander in der Sickingenstraße in Moabit.Markus Wächter/Berliner Zeitung

    Ein Unternehmer, der in Berlin kein Unbekannter ist

    Der Geschäftsführer des Bauträgers lud sie sogar zum Kennenlernen ein: Ioannis Moraitis, ein Unternehmer aus Hessen, der in Berlin seit einigen Jahren Altbauten kaufte, sanierte und in Eigentumswohnungen aufteilte. Hohneck erinnert sich an einen „typischen Geschäftsmann“. Selbstbewusst habe er gewirkt, davon überzeugt, erstklassige Bauprojekte zu realisieren. Sein modernes Büro in einem „wunderschön sanierten Altbau“ in der Nähe des Savignyplatzes machte Eindruck auf sie.

    Ioannis Moraitis ist in Berliner Immobilienkreisen kein Unbekannter. 2015 geriet er in die Schlagzeilen, weil er der Familie Caliskan in der Kreuzberger Wrangelstraße kündigen wollte, die im Erdgeschoss seit 28 Jahren den Gemüseladen „Bizim Bakkal“ führte. Auf die Kündigung folgten wochenlange Anwohnerproteste. Zeitungen, Radio- und Fernsehsender aus der ganzen Welt berichteten. Das Stadtmagazin Zitty zählte Moraitis zu den „bissigsten Haien im Becken“ der Berliner Immobilienbranche.

    Moraitis’ Unternehmen heißt Hedera Bauwert. Am goldenen Briefkasten der Hedera lässt sich ablesen, welch großes Firmengeflecht sie umgibt: Mehr als 80 GmbHs. Für Lisa Hohnecks Haus in der Weserstraße ist die hb 16. Wohnimmobilien GmbH verantwortlich. Doch auch Gewerbeflächen gehören zur Hedera. Ihr „Herkules Portfolio“ umfasst Büros und Einzelhandelsflächen in Dresden, Berlin, Rostock, Halle, Radebeul und Bernau, insgesamt über 100.000 Quadratmeter. Auf einer seiner Websites bezeichnet Moraitis sich als „Visionär und Geschäftsführer“. Auf der Seite der Hedera heißt es: „Zusammen zu bauen, heißt einander zu vertrauen.“

    Doch kann man auf Moraitis’ Unternehmen vertrauen? Die Berliner Zeitung hat Wohnungskäufer, Handwerker und Ingenieure gesprochen, die ihm vorwerfen, nicht nach den gängigen Regeln zu spielen, Rechnungen schuldig zu bleiben, vereinbarte Termine zu überziehen. Und sich möglicherweise sogar außerhalb des Rechts zu bewegen. Nach Informationen der Berliner Zeitung ermittelt das LKA Berlin gegen Moraitis: wegen des Verdachts auf Betrug.


    Lisa Hohneck macht sich Sorgen, dass das Haus, in dem sie ihre Wohnung kaufte, weiter Schaden nimmt.Markus Wächter/Berliner Zeitung

    Ausgefallene Heizung, aufgebrochene Türen, Feuchtigkeit in den Wänden

    Lisa Hohneck wusste all das nicht, als sie Moraitis traf. Sie wunderte sich zwar über den günstigen Preis der Wohnung, aber das Treffen mit ihm, sein schickes Büro, vertrieben ihre Zweifel. Außerdem arbeitete die Maklerin, die ihr die Wohnung gezeigt hatte, für Ziegert, eine renommierte Firma in Berlin. Ziegert betone stets, man arbeite nur mit geprüften Bauträgern zusammen, sagte die Maklerin. Und im Ziegert-Portfolio befanden sich mehrere Wohnhäuser von Hedera.

    Als Einzugstermin vereinbarten Hohneck und der Bauträger den 31. August 2018. Im Frühjahr wolle man noch die „staubintensivsten Sanierungsarbeiten“ am Haus in der Weserstraße erledigen, neue Fenster einsetzen, die Arbeiten in den Wohnungen abschließen, sagte man ihr. Dann werde auch die erste Rate abgerufen, etwa 30 Prozent des Kaufpreises.

    Doch es tat sich nichts. Es wurde nicht gebaut, nichts wurde abgerufen. Nicht im März, als Hohneck begann, immer wieder beim Haus vorbeizugehen. Nicht im Juli, einen Monat vor dem Übergabetermin. Ihr WG-Zimmer in Lichtenberg hatte sie da bereits gekündigt. Sie kontaktierte Hedera. Und merkte: „Die Kommunikation lief nicht.“ Sie erreichte selten jemanden, und wenn doch, wurde sie vertröstet. Der vereinbarte Einzugstermin verstrich.

    Bis heute ziehe sich diese Nichtkommunikation durch. Egal, ob die Heizung ausgefallen sei, ob Wasser entlang der Fassade laufe, weil keine richtigen Fallrohre installiert wurden, egal ob Feuchtigkeit in ihre Wohnung dringe, jemand die Haustür aufbreche oder die Müllabfuhr nicht komme, selten melde sich jemand zurück. Inzwischen, glaubt Hohneck, ist ihr Haus zum Geheimtipp für Obdachlose geworden. Weil man leicht einsteigen könne und die meisten Wohnungen auch heute noch leer stünden. Vor kurzem habe die Feuerwehr kommen müssen, sagt sie. Jemand hatte sich in einem Raum im Keller mit Matratzen eingerichtet und einen Standgrill angefeuert, um zu heizen.

    Ende Oktober 2018, die Arbeiten hatten immer noch nicht begonnen, bekam sie einen Schlüssel für ihre Wohnung. Über Monate hatte sie gedrängt, jeden zweiten Tag angerufen. Anders als ihr bester Freund hatte sie ihre Wohnung im Istzustand gekauft, ihm sollte sie renoviert übergeben werden. Der Freund wartet bis heute darauf.

    Hohe Zinsen dafür, das Geld nicht ausgeben zu können

    2019 wurde das Gebäude eingerüstet. „Das war der Hoffnungsschimmer“, sagt Honeck. Hedera rief die erste Rate ab. Doch abgesehen vom Gerüst passierte wieder lange wenig. In all der Zeit musste Hohneck Sonderzinsen an ihre Bank zahlen, weil der Kredit, den sie aufgenommen hatte, zwar bereitlag, aber nicht genutzt wurde – sogenannte Bereitstellungszinsen. Jeden Monat 500 Euro. Dafür, ihr Geld nicht ausgeben zu können. Erst im Sommer 2021 tauschte Hedera die Fenster aus. Als die Arbeiten wieder zum Erliegen kamen, reichte Hohneck Klage ein, zusammen mit elf weiteren Käufern, auf Fertigstellung. 2023 gewannen sie vor dem Landgericht. Hedera ging in Berufung. Das Verfahren läuft vor dem Kammergericht.

    Fünf Jahre lang war das ganze Gebäude eingerüstet, die Fenster in Hohnecks Wohnung mit Folie verklebt. Vor ein paar Wochen dann bauten Arbeiter das Gerüst ab. Weil Rechnungen nicht bezahlt worden seien, erfuhr Hohneck von ihnen. Die Arbeiten am Haus aber sind noch immer nicht abgeschlossen. Keine gläsernen Aufzüge, keine stählernen Balkone. Im betonierten Innenhof, der einmal begrünt werden sollte, stapelt sich der Müll. Bei starkem Regen fließt das Wasser zu langsam ab, im Hof bildet sich dann ein kleiner See.

    Vor ein paar Wochen hat sich Hohneck einen Feuchtigkeitsmesser gekauft. Sie hält das Gerät in ihrem Wohnzimmer an eine Außenwand. Von einer hundertprozentigen Feuchtigkeit würde man bei einem Wert von 140 sprechen. Der Wert auf dem Display landet bei 163. Feuchter als feucht.

    Es raubt ihr jeden Nerv. Nicht zu wissen, wie es mit dem Haus weitergeht, für das sie die größte Investition ihres Lebens getätigt hat. Der Kredit, den sie aufnahm, wird 33 Jahre laufen. Wenn sie ihn abbezahlt hat, steht sie kurz vor der Rente. Wenn sie je dazu kommt, ihn abzurufen. Hohnecks größte Angst: Dass die Schäden irgendwann so groß sein könnten, dass das ganze Haus nicht mehr zu retten ist.

    Wird eine Immobilie gebaut, wird der Kaufpreis aufgeteilt in Raten, je nach Baufortschritt. So steht es im Gesetz. Solange nicht hundert Prozent bezahlt wurden, geht das Eigentum nicht über. Hohneck hat bisher etwa 68.000 Euro gezahlt, 34 Prozent des Kaufpreises. Sie hat weitere Rechnungen erhalten, etwa für die Fertigstellung des Daches und des Estrichs, aber nicht bezahlt. Weil beides nicht fertiggestellt worden sei.


    Das Wohnobjekt in der Havelberger Straße in Moabit ist seit etlichen Jahren eingerüstet, seit zwei Jahren wurde nicht mehr gebaut.Markus Wächter/Berliner Zeitung

    Große Pleitewelle in der Baubranche

    Die Wohnung gehört ihr noch nicht. Den Vertrag rückabzuwickeln wäre juristisch schwer, das Risiko, das gezahlte Geld nicht zurückzubekommen, äußerst hoch. Sie steckt fest, kann weder vor noch zurück. Den jahrelangen Stillstand kann sie sich nicht erklären. Eine Möglichkeit könne sein, dass ihr Bauträger zahlungsunfähig sei. Vielen Projektentwicklern gehe es gerade so.

    Die Baubranche befindet sich in einer schwierigen Phase. Allein im ersten Quartal dieses Jahres ist die Zahl der Insolvenzen laut dem Institut für Wirtschaftsforschung Halle um 44 Prozent im Vergleich zum Vorjahr gestiegen. Grund dafür sind die gestiegenen Bauzinsen und die hohen Preise für Material und Energie. Bauträger gehen bei ihren Projekten in Vorleistung, sie müssen kalkulieren, wie hoch ihre Kosten sein werden. Aber Ereignisse wie Kriege und Pandemien lassen sich nicht vorhersehen. Viele Baufirmen sind inzwischen hoch verschuldet und zahlungsunfähig. Bauvorhaben werden gestoppt.

    Berlin ist von der Pleitewelle besonders betroffen. Bauträgerfirmen betreuen meist mehrere Wohnobjekte. Geht eine dieser Firmen in die Insolvenz, drohen hunderte Wohnungen nicht fertiggestellt zu werden. Ausgerechnet in der Stadt der Wohnungsnot.

    Sind die Hedera Bauwert und die damit verbundenen Unternehmen Teil der Pleitewelle? Bisher wurde keine Insolvenz angemeldet. Und Ioannis Moraitis geht mit Medienanwälten gegen Behauptungen dieser Art vor.

    Ende Januar erhielt Hohneck zudem einen Brief eines Anwalts des Bauträgers. Er sei gebeten worden, eine Regelung zu treffen, bei der Hohneck und die anderen Erwerber künftig selbst „das Heft in die Hand nehmen“ sollten. Es gebe Gründe für die Verzögerung. Die Planungen der Architekten für das Dach seien mangelhaft gewesen, zudem würden sich einige Altmieter im Haus gegen Sanierungsmaßnahmen stellen. Insgesamt beliefen sich die Arbeiten, die noch zu erledigen seien, auf etwa 2,5 Millionen Euro. „Unsere Mandantin bietet an, dass die Erwerber die bisher nicht erbrachten Leistungen gegen entsprechende Kaufpreisreduzierung selbst beauftragen.“

    Hohneck antwortete, sie sei grundsätzlich zu einer Vereinbarung bereit. Der Anwalt meldete sich nicht wieder zurück.


    Marlena Wenisch will sich für Geschädigte von Bauträgern einsetzen und einen Verein gründen. Markus Wächter/Berliner Zeitung

    Etliche Menschen in Berlin und Deutschland mit Moraitis in Konflikt

    Im vergangenen Jahr erfuhr Lisa Hohneck, wieviele Menschen in Berlin mit Moraitis und seinen Unternehmen in Konflikt stehen. Wieviele sich in einer ähnlichen Lage befinden wie sie. Hohneck hörte es ausgerechnet von der Maklerin, die ihr die Wohnung vermittelt hatte.

    Marlena Wenisch arbeitet heute nicht als Immobilienmaklerin. Sie macht eine Weiterbildung zur Immobilienökonomin. Die 35-Jährige ist selbst auf Moraitis reingefallen. Kurz nachdem sie vor sieben Jahren angefangen habe, für Ziegert zu arbeiten, erzählt sie, seien ihr viele seiner Objekte zugeteilt worden. In der Weserstraße verkaufte sie für Ziegert nicht nur an Lisa Hohneck, sondern auch noch drei weitere Wohnungen. Und in der Tellstraße, an der Grenze zwischen Kreuzberg und Neukölln, fand sie im Mai 2019 eine „kleine, süße Ein-Zimmer-Wohnung“ für sich selbst. Von der Hedera Bauwert.

    Bereits zwei Monate nach ihrem Kauf, sagt Wenisch, seien in der Tellstraße die Arbeiten ins Stocken geraten. Zwar seien neue Handwerker gekommen und hätten angefangen zu arbeiten, aber die seien offenbar nicht vollständig bezahlt worden und hörten wieder auf. Bis heute sei in ihrem Haus das Dach nicht fertig und sieben Wohnungen stünden leer, obwohl die meisten verkauft seien. Ein Käufer warte seit fast acht Jahren darauf, in seine Wohnung zu können.

    Durch Zufall kam Wenisch an die Nummer einer Frau, die in einem anderen Haus lebte, das von der Hedera betreut wurde, dort gab es ähnliche Probleme. Die beiden gründeten eine WhatsApp-Gruppe. In ganz Berlin hatten sich zu diesem Zeitpunkt bereits Käufer zu einzelnen Gruppen zusammengetan. Nur wussten sie nichts voneinander. Kurze Zeit später bemerkten Wenisch und ihre Mitstreiterin eine weitere WhatsApp-Gruppe: „Moraitis Albtraum“, gegründet bereits 2018 von einem Dachdeckermeister im Sauerland. In dieser Gruppe hatten sich Baufirmen, Handwerker und Ingenieure zusammengeschlossen, die berichteten, von Moraitis nicht bezahlt worden zu seien. Über diese Gruppe lernte sie Andreas Tesch kennen.

    Ende März sitzt Wenisch zusammen mit Tesch in dessen Wohnung am Tiergarten, nahe den S-Bahngleisen. Alle paar Minuten verdunkelt sich das Wohnzimmer, ein Zug rauscht vorbei. Tesch ist Bauingenieur, auch er hatte Probleme mit Moraitis, musste sein Honorar erst einklagen. Er und Wenisch haben aus der WhatsApp-Gruppe das „Starke Netzwerk 030“ gegründet, in dem etwa 70 Betroffene aus sechs Häusern in Berlin vertreten sind, sich treffen und Wege suchen, gegen Moraitis vorzugehen. Gerade sind sie dabei, einen Verein zu gründen, der sich für Geschädigte von Bauträgern einsetzt: Eigentun Jetzt.


    In
    In der Cranachstraße in Schöneberg sollten die Bauarbeiten im August 2022 beginnen.Markus Wächter/Berliner Zeitung

    Die Spur der unfertigen Häuser zieht sich durch ganz Berlin

    An diesem Nachmittag reden beide schnell und durcheinander, fallen sich ins Wort. Aufregung. Nach Jahren, in denen sie auf der Suche nach Öffentlichkeit kritische Google-Bewertungen über Moraitis schrieben und dafür von Medienanwälten abgemahnt wurden, hört ihnen endlich jemand zu. „Es ist davon auszugehen, dass hunderte Wohnungskäufer allein in Berlin betroffen sind“, sagt Marlena Wenisch. „Erwerber, die wie im Fegefeuer gefangen sind“, sagt Tesch. Anwaltskosten, Bereitstellungszinsen, endlose Stunden vergeudete Lebenszeit. „Nur weil einer sich nicht an die Regeln hält.“

    Tesch und Wenisch laden zu einer Tour durch Berlin ein. Sie wollen zeigen, wie groß das Ausmaß ist.

    In der Cranachstraße in Schöneberg sollten laut einer Vorankündigung im August 2022 die Arbeiten beginnen. An diesem Tag im März, mehr als anderthalb Jahre später, ist nicht mal eine Baugrube ausgehoben, Schrott sammelt sich auf dem Gelände, ein Hydraulikbagger steht herum. Laut der Website des Projekts sind bereits 66 Prozent der Wohnungen verkauft. In der Sickingenstraße in Moabit sind es sogar schon 100 Prozent. Das Haus, das im Juni 2023 fertig sein sollte, steht bis heute leer. So wie das Haus in der Saßnitzer Straße in Schmargendorf, das ebenfalls im vergangenen Jahr fertig sein sollte. 50 Prozent der Wohnungen sind hier bereits verkauft.

    Die Spur der leerstehenden und unfertigen Häuser, die der „verlässliche“ Unternehmer Moraitis hinter sich herzieht, führt durch die ganze Stadt: von Steglitz über Mitte und Neukölln bis nach Lichtenberg. Unvollendete Bauprojekte. Hausleichen, in denen kaum jemand wohnt.

    Warum lässt ein Bauträger reihenweise Wohnprojekte mitten in der Stadt stillstehen? Warum verkauft er Wohnungen, aber räumt den Käufern nicht das Eigentum ein? Ist er der unseriöse Unternehmer, für den ihn so viele halten – oder selbst ein Opfer der Baukrise?

    Die Berliner Zeitung hat Ioannis Moraitis einen Fragenkatalog geschickt und ihm angeboten, in einem persönlichen Gespräch seine Sicht auf die Dinge zu erklären. Auf die Anfrage meldete sich Anfang April eine bekannte Medienrechtskanzlei. Man wolle die Anfrage beantworten, weil „sich schon aus den Fragen herauslesen“ lasse, dass die Recherche „maßgeblich auf falschen Informationen“ beruhe. Eine Antwort auf die Fragen ist bis heute ausgeblieben.


    Artem Rudenko lebt mit seiner Familie als einer der wenigen in dem unfertigen Haus in der Havelberger Straße.Markus Wächter/Berliner Zeitung

    Schimmel, Ratten und seit Jahren keine freie Sicht

    Wie kann man Druck ausüben auf einen solchen Unternehmer? Diese Frage stellt sich Artem Rudenko, ein 36 Jahre alter Arzt, der eigentlich anders heißt. Ende 2020 kauften seine Lebensgefährtin und er eine Wohnung in der Havelberger Straße in Moabit für rund eine halbe Million Euro. Von der Hedera Bauwert. Als Fertigstellungstermin vereinbarten sie in ihrem Kaufvertrag den 31. August 2021. Bis heute ist das Haus komplett eingerüstet, es sieht aus wie eine verwaiste Baustelle.

    In den oberen Geschossen schimmelt es. Dort, wo eigentlich Türen für einen Fahrstuhl sein sollten, klaffen Spalten in der Hauswand, vor denen Plastikfolien flattern. „Im Winter ist das der Horror“, sagt Rudenko. Er macht sich Sorgen um die Sicherheit seiner Tochter. Auf seine E-Mails und Anrufe werde selten reagiert.

    Im vergangenen Sommer habe ein Aushang an der Tür gehangen, die Gasag kündigte an, das Haus nicht mehr mit Gas zu beliefern. Warum, erfuhr Rudenko nicht. Diesmal konnte er jemanden bei Hedera erreichen. Das Haus wird weiterhin beheizt. Kürzlich, so erzählt er, habe ihn seine Frau bei der Arbeit angerufen. Unter der Küchenzeile kratze es, sie hätten Ratten. „Ich will hier raus“, habe sie zu ihm gesagt, „ich kann nicht mehr.“ Aber aus dem Vertrag können sie nicht raus. Sie haben bereits mehrere hunderttausend Euro für die Kaufpreisraten und die eigene Sanierung der Wohnung bezahlt.

    Rudenko und weitere Käufer haben einen Insolvenzantrag gegen Hedera beim Amtsgericht Charlottenburg gestellt. Ihre Hoffnung ist, dass sie im Falle einer Insolvenz das Haus selbst fertigstellen können. Doch bislang hat sich nichts getan.

    Wie Lisa Hohneck haben auch Rudenko und Marlena Wenisch Briefe des Anwalts bekommen, der ihnen anbot, selbst „das Heft in die Hand“ zu nehmen. Der Wortlaut der Briefe unterscheidet sich nur in der Aufzählung der Gründe für die Bauverzögerungen. Ob der Bauträger versucht, die Objekte loszuwerden, oder nur Zeit gewinnen möchte, ist eine weitere Frage, die bisher unbeantwortet bleibt.

    Unter den Betroffenen kursieren derweil Medienberichte aus anderen Teilen Deutschlands. In der Goslarschen Zeitung wird über zwei Hotels geschrieben. Die denkmalgeschützten Häuser„Kaiserworth“ und „Brusttuch“ in der Altstadt stünden seit mehr als einem Jahr leer, Tagungen könnten nicht stattfinden, die Stadtgesellschaft sei besorgt. In Rostock, so schreibt die Ostseezeitung, würden zwei Einkaufszentren demnächst keine Fernwärme mehr geliefert bekommen, weil erneut Rechnungen nicht bezahlt worden seien. Eigentümer dieser Immobilien, so schreiben die Zeitungen: Ioannis Moraitis.

    #Berlin #Neukölln #Weserstraße #Moabit #Havelberger_Straße #Sickingenstraße #Schöneberg #Cranachstraße #Immobilien #Wohnen #Eigentumswohnung #Betrug #Insolvenz #Gentrifizierung

  • 20 Jahre „Arm, aber sexy“: Was hat Berlin noch zu bieten?
    https://www.berliner-zeitung.de/open-source/berlin-20-jahre-nach-klaus-wowereits-arm-aber-sexy-was-hat-die-haup

    13.12.2023 vin Ralf Hutter - Ende 2003 pries der Regierende Bürgermeister Klaus Wowereit Berlin in aller Welt mit dem Slogan an, der berühmt wurde. Er hat der Stadt damit geschadet, findet unser Autor.

    Berlin sei arm, aber sexy – die berühmte Aussage von Berlins damaligem Regierenden Bürgermeister Klaus Wowereit (SPD) ist nun 20 Jahre alt. Sie ist nicht nur in Deutschland sehr bekannt. Eine Internetsuche nach „Berlin poor but sexy“ erbringt gleich auf der ersten Ergebnisseite sowohl Artikel in großen Medien wie Financial Times, Bloomberg und The Economist als auch wissenschaftliche Texte.

    Kürzlich sendete Arte eine sehenswerte fünfteilige Dokureihe über die Geschichte Berlins seit dem Mauerfall namens „Capital B“. Der vierte Teil trägt ebenfalls den Titel: „Arm, aber sexy“. Darin gestehen sogar zwei Wowereit-Kritiker zu, diese Diagnose habe Lage und Lebensgefühl der Stadt gut getroffen.

    Das ist aber zu unkritisch. Wowereits wirkmächtige Aussage drückt auf kürzestmögliche Weise den politischen Ansatz aus, mit dem Ausverkauf der Stadt selbige „groß“ zu machen. Das Zitat ist oft spöttisch wiedergegeben, aber vielleicht nie fundamental kritisiert worden. Wer seine Bedeutung analysiert, wird es nicht witzig finden.

    Arm, aber sexy: Zum ersten Fall fiel der Spruch im Focus-Money-Interview

    Wenn ein Bürgermeister seine Stadt als sexy bezeichnet, klingt das vielleicht positiv. Das wäre aber ein Irrtum. Die so bezeichnete Attraktivität der Stadt soll vor allem eine für Externe sein. Der historische Hintergrund bei Wowereit wird in der Arte-Doku benannt, auch von den politischen Protagonisten selbst: In West-Berlin sprudelten die Sondersubventionen für das einst permanent von jenseits der Mauer begaffte Schaufenster des Kapitalismus nicht mehr, im Osten waren viele Großbetriebe abgewickelt worden. Nun galt es, sich neu auf dem Weltparkett zu Wort zu melden und Investitionen anzuziehen. Aber womit? Was hatte Berlin, was die Welt brauchte?

    Jedenfalls keine Hard Facts. Zur Veranschaulichung: Unter den Nachgeborenen dürfte kaum bekannt sein, dass der noch viel mehr als Wowereits Aussage bespöttelte neue Hauptstadtflughafen schon in den frühen 1990ern geplant wurde – er sollte ursprünglich 2007 eröffnen –, und dass das Projekt erst 2003 von der öffentlichen Hand übernommen wurde, weil das jahrelang interessierte privatwirtschaftliche Konsortium nicht das ganze Kostenrisiko tragen wollte.

    Sprich: Ein neuer Flughafen versprach trotz Schließung der alten nicht unbedingt Profitabilität. Deutschland hatte gerade eine jahrelange Privatisierungswelle hinter sich, aber niemand wollte ohne staatliche Hilfe den Flughafen der Hauptstadt betreiben.

    In dieser Situation, im November 2003, fiel Wowereits Aussage in der Zeitschrift Focus Money. Er wollte eine Kultur, ein Lebensgefühl vermarkten. Dabei besteht prinzipiell eine Gefahr, die die Tourismusforschung so auf den Punkt gebracht hat: Indem die Touris das finden, was sie suchen, tragen sie zu seiner Zerstörung bei. Kultur ist kein beliebig vermehrbares Produkt.

    Wir können nun so gnädig sein, Wowereit zu konzedieren, dass er vielleicht nicht ganz so viel von dem zerstörerischen Tourismus und Immobilienkapital hier haben wollte, wie es nun schon seit etlichen Jahren Realität ist. Es bleibt aber ein grundsätzliches Problem bei seinem Zitat: Es richtete sich nach außen. Die Aussage ergibt gegenüber der eigenen Bevölkerung keinen Sinn.

    Stellen wir uns zum Beispiel eine protestierende Menschenmenge vor, die einem Bürgermeister entgegenruft: Wir verarmen! Wir können uns die Mieten in unserem Stadtteil nicht mehr leisten! Unsere Kinder hängen auf den Straßen rum, weil weder wir noch die öffentliche Hand nennenswert Räume für sie hat! Kein Stadtoberhaupt würde antworten: Hey Leute, aber immerhin ist unsere Stadt doch sexy!

    Wowereits Lob war vergiftet, geradezu heimtückisch. Was auch immer er mit „sexy“ meinte – die Armen hatten immer weniger davon, je mehr Leute von außerhalb an den sexy Dingen teilhaben wollten. Es ist eine allgemeine, auf sozialer Ungleichheit beruhende Dynamik: Wenn die Armen gewisse nette kulturelle Elemente ausbilden, die auf der Verfügbarkeit von freien beziehungsweise billigen Räumen beruhen, dann wird das alles umso mehr verschwinden, je mehr Menschen mit ordentlich Geld dazukommen, die diese Räume vereinnahmen und die Preise für Alltagsdinge wie Miete und Gastronomie steigen lassen.

    Genau so hat Berlin sich entwickelt: Freiräume werden kleiner, Kulturorte werden vertrieben oder teurer, das Leben ist aufgrund der hohen Mieten und des Verdrängungsdrucks stressiger.

    Wowereit konnte die Karriere des Slogans nicht voraussehen

    Wie wenig Wowereit bei seiner Aussage an seine eigene Bevölkerung dachte, wird noch klarer, wenn wir das Zitat auf die individuelle Ebene ziehen. Kaum jemand würde so über sich selbst sprechen: Ich bin arm, aber sexy. Es bringt einem kaum was in seiner Armut, wenn man sexy ist.

    Wo soll da der Sinn sein? Bevor ich hungern muss, kann ich immer noch auf den Strich gehen? Es ist kein Zusammenhang vorhanden. Die Aussage ist austauschbar mit so etwas wie: Ich bin arm, aber ich habe keinen Krebs. Oder: ... aber ich lebe in einer Stadt, in der es keine Erdbeben gibt. Das sind bestenfalls Durchhalteparolen.

    Wowereit konnte die Karriere dieser Aussage nicht vorhersehen, und er hat sie wohl auch nie als Kampagnenmotto genutzt. Aber seine Politik zielte auf genau diese Kulturvermarktung ab, wie auch in der Arte-Doku deutlich wird. Im immer globaleren Wettbewerb um den bestmöglichen Ausverkauf der Städte wurde Deutschlands Hauptstadt als sexy herausgeputzt ins weltweite Schaufenster gestellt, um kapitalkräftigere Leute anzulocken. Wenn wir die sexuelle Metapher aufgreifen, können wir heute feststellen: Weil Berlin so sexy war, wird es seitdem immer mehr vom Kapital penetriert.

    Das lässt sich mittlerweile ohne Metaphern beschreiben. Im Stadtteil Kreuzberg gründete sich im sogenannten Reichenbergerkiez im Herbst 2022 die Nachbarschaftsinitiative No Hype No Hide (der komische Name kommt vom komischen, niemandem verständlichen Namen des Bauprojekts Hype & Hide), weil die Leute festgestellt hatten, dass innerhalb weniger Straßenzüge ein halbes Dutzend Baustellen laufen, bei denen sehr teure Eigentumswohnungen in Innenhöfen errichtet werden sollen.

    Noch mehr Beton und Autos in einem dicht bebauten Innenstadtviertel, noch weniger Bäume und andere Pflanzen in den im Sommer immer stärker aufgeheizten Höfen, noch mehr Wohnraum, den sich kein normaler Mensch leisten kann. Das Kapital aus aller Welt dringt immer tiefer in die Stadt ein.

    Schon 2021, als sich ein berlinweites Bündnis für den Erhalt von Grünflächen gegründet hatte, sagte Florian Schmidt, Grünen-Bezirksstadtrat für Stadtentwicklung in Friedrichshain-Kreuzberg, dem Mitgliedermagazin des Berliner Mietervereins: „Seitdem der vorgeschriebene Mindestabstand in der vorletzten, rot-roten Koalition auf das 0,4-fache der Gebäudehöhe gesenkt wurde, sehen wir eine zunehmende Nachverdichtung in den Hinterhöfen, die wieder in Richtung der Gründerzeitdichten geht.“

    Mit besagter Koalition regierte Wowereit. Dass lange vorher durch Abrisse (größere) Innenhöfe geschaffen wurden und Berlins Bevölkerung nun nicht mehr so dicht gedrängt wie vor 100 Jahren leben muss, gilt als Fortschritt. Jetzt erleben wir den politisch hervorgerufenen Rückschritt. Leute wie Wowereit riefen das Kapital aus aller Welt, und das baut nun die als Anreiz dienenden Freiräume wortwörtlich zu.

    Deshalb geht nun, auch im Sinne einer selbstbestimmten Sexualität, eine Ansage aus der Berliner Innenstadt raus: Hallo Welt! Du findest uns sexy, wir dich aber nur so lala. Wir waren und sind weltoffen, aber wir haben damit auch schlechte Erfahrungen gemacht. Du penetrierst uns immer stärker, Welt, wogegen wir nicht prinzipiell etwas haben, aber du tust es auf respektlose Weise. Wir glauben nicht, dass du wirklich auf unsere inneren Werte stehst, die uns wichtig sind. Unsere Freiheitsliebe ist tiefgehend und schließt schädliche Freiheiten aus, zum Beispiel die Freiheit zur Ausbeutung. Deine Freiheitsliebe ist oft nur oberflächlich und, wie wir seit Langem erleben, nicht nachhaltig. Du zerstörst hier Freiräume.

    Viele Menschen aus vielen Ländern haben sich in den vergangenen Jahrzehnten von unserem Widerstandsgeist angezogen gefühlt, der uns vor sehr vielen Metropolen auf dem Planeten auszeichnet. Wir finden nun: Wir brauchen mehr solcher Menschen, die uns nützen, und weniger, die uns ausnutzen.

    Berlin hat in der jüngeren Geschichte ein historisch bedeutsames Zeichen in die Welt gesetzt. Nein, nicht 1989, als wir daran beteiligt waren, den sozialistischen Imperialismus zu stürzen. Schon 1988 zelebrierte Berlin den ersten großen Gipfelprotest gegen den kapitalistischen Imperialismus, als sich Weltbank und Internationaler Währungsfonds hier trafen. Da war übrigens auch Ost-Berlin ein bisschen beteiligt.

    Im Westen, im Umfeld des Gipfels, wendete die Zivilgesellschaft ihre üblichen Mittel des politischen Kampfes an: Gegenkongress, Großdemo, Brandanschläge auf Firmensitze und Autos. Wenn du an massive Gipfelproteste denkst, dann bestimmt an die Periode ab den legendären Blockaden von Seattle 1999, Welt. Wir waren elf Jahre vorher am Start. Leider ist das wegen 1989 in Vergessenheit geraten.

    Aber zum Glück nicht bei allen. Als die schwedische Band Refused, eine der erfolgreichsten und wichtigsten Hardcore-Bands überhaupt, 2016 hier spielte, sagte Sänger Dennis Lyxzen auf der Bühne: „Für uns als eine Band der 90er war Berlin immer eine harte Stadt.“ Nachdem er über 20 Jahre lang seinen Antikapitalismus ins Mikrofon geschrien hatte – zwischendurch bei den heute wohl bekannteren The (International) Noise Conspiracy –, bekannte er, sich in den 90ern nicht hart genug für diese Stadt gefühlt zu haben. „Berlin ist eine politische Stadt“, führte Lyxzen aus, und das bewunderten diese „paar Feiglinge aus Nordschweden“ nach wie vor.

    Es ist kein Zufall, Welt, dass Lyxzen Berlin nicht sexy nannte. Wahre Zuneigung macht sich nicht an Oberflächlichkeiten fest.

    Wir holen aktuell wieder zu einem welthistorischen Schlag aus. Wir werden in ein paar Jahren den zweiten Volksentscheid zur Enteignung großer Immobilienfirmen gewinnen. Und dann, Welt, werden nicht nur viele Leute in Deutschland blöd schauen, die das Thema bisher weitgehend ignorieren; dann werden nicht nur SPD und Grüne bundesweit auf eine Zerreißprobe gestellt, weil sie sich entscheiden müssen zwischen der Akzeptanz eines Volksentscheids und der sozialistischen Elemente des Grundgesetzes auf der einen Seite und dem üblichen politischen Murks auf der anderen.

    Dann werden wir nicht nur darauf hinweisen, dass Artikel 15 Grundgesetz neben der Vergesellschaftung von Grund und Boden auch die von Naturschätzen und Produktionsmitteln erlaubt; dann werden nicht nur in anderen deutschen Städten Initiativen es uns nachtun wollen – sondern dann werden wir auch sehen, wer auf diesem Planeten uns wirklich toll findet, wie wir sind, und sich auch bei diesem Thema von uns inspirieren lässt.

    Und vor allem, Welt: Wenn wir das geschafft haben, werden wir uns nicht nur sexy fühlen, sondern in allen Bedeutungen des Wortes so richtig geil.

    Ralf Hutter ist studierter Soziologe und lebt seit 20 Jahren in Berlin-Kreuzberg, die letzten 14 Jahre war er als Journalist tätig.

    #Berlin #Politik #Gentrifizierung #Immobilien #Ausverkaiuf

  • Museum der Dinge in Berlin: Gentrifizierung schlägt zu – Immobilienfonds kündigt Kreuzberger Institution
    https://www.berliner-zeitung.de/kultur-vergnuegen/museum-der-dinge-in-berlin-gentrifizierung-schlaegt-zu-immobilienfo

    2.11.2023 von Timo Feldhaus - Dem Museum der Dinge wurde von einem Immobilienfonds gekündigt. Tipp: Bis Sonntag kann man es noch in Kreuzberg besuchen. Und was geschieht danach?

    In diesem Jahr feierte die kleine, aber sehr feine Ikone des guten Geschmacks noch ihr 50-jähriges Jubiläum. Nun muss die Kreuzberger Institution mit dem immer leicht umständlichen Namen „Werkbundarchiv – Museum der Dinge“ raus. Ein Imobilienfonds aus Luxemburg hat das Haus auf der Oranienstraße, in dem auch die legendäre Buchhandlung Kisch & Co. einst Mieter war, gekauft. Jetzt müssen sie im Eiltempo ihre Sachen packen.

    Eine Interimslösung wurde im letzten Moment gefunden: Im Mai kann das Museum der Dinge auf der Leipziger Straße in Mitte wieder öffnen. So viel Platz wie in Kreuzberg wird dort allerdings nicht sein, sagt die Museumsleiterin Florentine Nadolni bei einem Besuch, um die etwa 20.000 Objekte und mehr als 45.000 Dokumente vom Archiv des Werkbunds zu zeigen – jene 1907 von Künstlern, Industriellen und Kulturpolitikern gegründete Vereinigung, deren revolutionär schlichte und mehrheitlich wunderschöne Produkte den Kern der Sammlung ausmachen. In Berlin, so die Leiterin, sei es das einzige Museum mit Gestaltungsschwerpunkt, das Design- und Alltagsgegenstände aus West- und Ostdeutschland gleichwertig zeigt und in Zusammenhang bringt.

    Die Welt in Ordnung im Museum der Dinge

    Bis zum Sonntag kann man sich die gesammelte Herrlichkeit der Produktkultur des 20. und 21. Jahrhunderts noch ansehen, von denen einige schon aus den Vitrinen in Kartons geräumt sind. Sie stehen abfahrbereit an der Wand. Zudem gibt es noch eine Sonderausstellung zu sehen: „Die Röhre“ des Architekten Günther L. Eckert. Seine Pläne für eine oberirdische, die Erdkugel umspannende Röhre, in der die gesamte Menschheit leben sollte. Ein furioser, utopischer Entwurf, der gut ins Heute passt. Als Eckert ihn Anfang der 1980er entwarf, war die Weltbevölkerung erst halb so groß wie heute. Am Sonntag um 19 Uhr, bevor hier die Lichter ausgehen, wird noch etwas Musik gespielt und Wein gereicht. Bis dahin sollte man unbedingt noch einmal vorbeischauen.

    #Berlin #Kreuzberg #Oranienstraße #Gentrifizierung #Museum

  • Jazzsängerin Lisa Bassenge: „Das wilde, schöne Kreuzberg ist vorbei“
    https://www.berliner-zeitung.de/mensch-metropole/berlin-stadtbild-jazzsaengerin-lisa-bassenge-das-wilde-schoene-kreu

    So siehts aus. Trotzdem liegt der Zig Zag Jazz Club in der Hauptstraße 98 in 12159 Berlin-Friedenau und nicht in Schöneberg. Aber wie kann eine Lokalredaktöse sowas auch wissen.

    https://m.kauperts.de/Strassen/Hauptstrasse-10827-12159-Berlin

    15.10.2023 von Susanne Dübber - Fast 30 Jahre lang wohnte Jazzsängerin Lisa Bassenge gern in Kreuzberg. Doch die wilden, schönen Zeiten sind vorbei, klagt sie.

    Raus aus Kreuzberg, ran an den Wannsee in Zehlendorf – beschaulicher Vorort oder quirlige Innenstadt, in welchem Berliner Stadtteil lebt es sich besser? Darüber und über ihr Konzert am Freitag, 20. Oktober, im Schöneberger Zig Zag Jazz Club sprach ich mit der Sängerin Lisa Bassenge, während wir aus dem Wohnzimmerfenster den Segelbooten auf dem Wannsee zuschauten.

    „Das wilde, schöne Kreuzberg ist vorbei“, meint sie, „der Stadtteil hat seine besten Zeiten hinter sich.“ Mitte der 1990er-Jahre war die geborene Berlinerin dorthin gezogen. „Bis in die 2000er-Jahre war es ein gemütlicher Bezirk. Alles war im Guten, türkische und deutsche Familien kamen miteinander aus. Ein bisschen Drogenprobleme, ein paar Leute mit Geld, aber das machte sich nicht bemerkbar.“

    Der Kipppunkt des Bezirks kam ab den 2010er-Jahren

    Wobei – Mitte bis Ende der 90er war der Görlitzer Park bereits ein unwirtlicher Ort. „Nachts bin ich da nicht durch. Das war eine ziemlich dunkle Ecke, ältere Männer hingen da rum und machten einen dumm an.“

    Der Kipppunkt von Kreuzberg kam ab den 2010er-Jahren, „da hat sich total was geändert. Es begann der große Ausverkauf. Spekulanten gehörten plötzlich ganze Straßenzüge, seitdem steigen die Mieten ständig, es gibt keine Kitaplätze mehr, niemand findet eine Wohnung.“

    Es wurde ihr „von allem zu viel, vor allem viel zu laut, der Trubel auf den Straßen nahm zu“. Die Oranienstraße hat Lisa Bassenge mit vielen kleinen netten Geschäften in Erinnerung. „Heute ist es eine einzige Touristenmeile, die Cafés verschwinden, Spätis eröffnen. Das Flair ist verloren.“

    Während der Pandemie, mit drei Kindern reduziert auf die Wohnung, sehnte sie sich immer mehr weg aus der Enge, nach einer ruhigeren Ecke in Berlin, mit viel Natur, Wald, Weite für den Blick. So traf sie vor bald zwei Jahren die Entscheidung „raus hier!“, als sich die Gelegenheit ergab, weil zur Tätigkeit ihres Mannes als Hausmeister eine Dienstwohnung am Wannsee gehört.

    Seitdem hat sie vom Klavier aus direkten Blick auf den Wannsee, das neue Album „Wildflowers“ konzipierte sie hier. Sie wohnt nun in beiden Stadtteilen zugleich. „Ich genieße das Beste beider Welten.“ Ist sie in der Wohnung in der Innenstadt, wo immer was los ist, trifft sie auf der Straße sofort Bekannte. Am stillen Wannsee besucht sie oft die abgelegene Pfaueninsel, „der schönste Ort in Berlin“.

    Von fast fünf Jahrzehnten Großstadt Berlin ist Lisa Bassenge Zeugin. Auf ihre musikalische Vergangenheit mit den deutschen Liedern aus den Alben „Nur fort“ und „Wolke 8“ schaut sie beim Konzert im Zig Zag Club zurück.

    #Berlin #Kreuzberg #Friedenau #Wannsee #Hauptstraße #Oranienstraße #Gentrifizierung #Jazz #Gaststätte #Club

  • Plaudern im Salon: Waschen, Schneiden, Schnauze halten
    https://taz.de/Plaudern-im-Salon/!5912044

    Gentrifizierung tötet die Kommunikation zwischen den Klassen. Wo die Berliner Mischung bewirkte, dass alle mit allen redeten und stritten, haben die Insassen der Gated Communities die Kommunikation mit denen da unten eingestellt. Kommuniziert wird mit Apps und Anwälten. Die sorgen dafür, dass Dienstleister spuren und Noch-Wohnungsinhaber unschädlich gemacht werden.

    Man bleibt unter sich und verweigert nun auch den Dialog mit Friseur und Taxifahrer. Kein Problem, die Zeit der studentischen Taxibetriebe ist lange vorbei
    Heute muss niemand mehr befürchten, seinen künftigen Kollegen oder Chef am Steuer vor sich zu haben.

    Hinter dieser neuen Gestaltung der Klassenbeziehungen steckt ein Regelkreis aus sich sich wechseitig verstärkenden Elementen. Die durch unterschiedliche wirtschaftliche Lage der Beteiligten verursachte Distanz wird durch die Einführung neuer Technologien radikalisiert, und als Folge werden die Menschen selber in ihrer körperlichen und geistigen Verfassung modifiziert.

    Die Internettechnologie ermöglicht die virtuelle Fabrik und Koordinierung ihrer Produktionsabläufe weltweit, wozu die monolithische Fabrik im Hochlohnland zerschlagen wird. Die herrschende Klasse setzt dann die „Herrschaft des Sachzwangs“, der nichts anderes ist als die Erfordernisse der kapitalistischen Produktionsweise, mit ihren Tausend-Euro-Smartphones auch in den „privaten“ Lebensbereichen durch.

    Erfolg wird daraus mit Hilfe von Werbung, Zurschaustellung von Blingbling-Bachelor-Medienprodukten und der ganzen Palette der Wellness-Industrie.

    Der TAZ-Artikel beschreibt, wie die Mittelklassen im Kapitalismus eine ins einundzwanzigste Jahrhundert transponierte feudale Haltung zu ihren Untergebenen einnehmen. Dabei gehen sie genau genommen sogar noch brutaler vor als der Adel des siebzehnten und achtzehnten Jahrhunderts. Befehle erteilen die heutigen Reichen nicht mehr Menschen sondern Maschinen. Gemacht wird die Arbeit aber nach wie vor von Menschen, die wie Roboterarme behandelt werden.

    Die Oberen Klassen haben sich selbst die Verkörperung der Ideale von „performance“ "lean production", „Optimierung“ und „gesunden Prozessen“ auferlegt, und führen deshalb in die Arbeitsumgebung ihrer perpheren, häuslichen und „körpernahen“ Dienstleister immer mehr Wesenszüge der Fabrikarbeit vor der Digitalisierung ein.

    Das ist es dann wohl, wenn von „Smart Cities“ die Rede ist. Alle sind „always connected“ jederzeit bereit mit Cents entlohnte „micro tasks“ zu erledigen, für die Maschinen entweder zu dumm oder zu teuer sind

    Ich bin gespannt welcher Kippunkt zuerst erreicht sein wird, der klimatische oder der gesellschaftliche. Die Entmenschlichten werden dann entweder still und leise verenden oder im Aufstand lautstarker Teil der kollabierenden Geschichte sein.

    Am 2.2. veeöffentlicht auch die Berliner Zeitung einen Artikel zum Thema: Anne Vorbringer, Sagen Sie jetzt nichts: Warum bei immer mehr Berliner Friseuren geschwiegen wird (#paywall)
    https://www.berliner-zeitung.de/mensch-metropole/trend-schweigen-silent-cut-haarschnitt-ohne-smalltalk-sagen-sie-jet

    1.2.2023 von Susanne Messmer - In Berlin kommen Haarschnitte ohne den üblichen Small Talk in Mode. Was ist das für eine Welt, in der niemand mehr aus seiner Blase will?

    Nicht, dass seit dem schnellen Siegeszug von „Cut an Go“ noch sehr viel übrig geblieben wäre vom guten, alten Friseur*innenbesuch. Aber dass es nun auch noch in Friedrichshain, Kreuzberg, Charlottenburg und Prenzlauer Berg erste Salons gibt, bei denen Besuchende einen „Silent Cut“ buchen können, um sich nicht einmal mehr während der raschen Wäsche, dem hektischen Schnitt und Selberföhnen am Schluss kurz übers Wetter, die weltpolitische Lage oder wenigstens die neue Pony-Frisur von Anne Hathaway auszutauschen: Das ist wirklich zu haarsträubend.

    Vor allem den Jüngeren muss es wohl kurz erklärt werden: Früher waren Termine im Friseursalon Wochen vorher zu buchen, für den einfachsten Haarschnitt ohne Strähnchen, Dauerwelle und ähnliche Scherereien war mindestens eine Stunde einzurechnen. Manchmal sieht man es noch in alten Hollywoodfilmen und Vorabendserien, wie Frauen unter der Haubenreihe über ihre Männer und den Rest der Welt zoteten, während sich Männer bei der Rasur über ihre Frauen und den Rest der Welt ausließen.

    Noch in den Achtzigern gab es vor allem auf dem vermeintlich ereignisarmen Land viele gutbürgerliche Frauen, die mindestens alle zwei Wochen zum Friseur gingen. Nie hätten sie daran gedacht, bei ihrem Jour fixe mit der Friseurin ihres Vertrauens aufs Plaudern zu verzichten.

    Natürlich werden es trotz des spontanen Haarschnitts zwischen zwei Terminen, der heute in der Großstadt gang und gäbe geworden ist, immer auch teure Friseursalons weiter existieren, wo es zugeht wie vor 100 Jahren: Vielleicht ist das vergleichbar mit der Lust auf Schallplatten trotz Musikhören auf dem Handy. Trotzdem sollte es bedenklich stimmen, dass nicht nur die Fri­seu­r*in­nen selbst „Silent Cuts“ wünschen, sondern auch die Kund*innen.
    Je­de*r auf seiner Insel

    Denn in den Bezirken, in denen neuerdings Waschen, Schneiden, Schnauze halten angeboten wird, ziehen tatsächlich zunehmend Menschen zu, die sich gern panzerartige Autos kaufen und diese am liebsten in ihren Tiefgaragen mit direktem Aufzug in die Wohnung abstellen. Es ist kein Klischee, dass sie sich von der Gesellschaft entkoppeln und meinen, auf einer Art eigenen Insel leben zu können, indem sie etwa das Gespräch mit den geringverdienenden Er­zie­he­r*in­nen ihrer Kinder, ihren Haushaltshilfen oder Ta­xi­fah­re­r*in­nen versuchen zu meiden.

    Dabei ist es durchaus möglich, mit Fri­seu­r*in­nen Gespräche zu führen, die weit über das Wetter, die Weltpolitik oder die neuesten Frisuren aus Hollywood hinausgehen. Gespräche zum Beispiel, in denen viel über die Brutalität unserer sozialen Schere zu erfahren ist.

    Silence ain’t golden: Was wäre das für eine Welt, in der niemand mehr aus seiner Blase will?

    #Berlin #Gentrifizierung #Klassenkampf #Revolution #catastrophe_climatique #capitalocène

  • Mitten in Kreuzberg: Neue Sozialwohnungen und klimaneutrale Büros
    https://www.berliner-zeitung.de/mensch-metropole/mitten-in-kreuzberg-neue-sozialwohnungen-und-klimaneutrale-bueros-l


    Blick auf das neue Quartier auf dem Areal des früheren Postscheckamtes am Halleschen Ufer in Kreuzberg.

    Es geht voran mit dem Geldmachen. Das alte Postscheckamt, eine öffentliche Einrichtung der staatlichen Bundespost und Ort zum Leben und Arbeiten für viele Westberlinerinnen und Berliner, wird endgültig zum Eigentumswohnungsghetto mit ein paar netten fast bezahlbaren Alibiwohnungen nebenan. Verdichtung ist angesagt, der Rubel rollt weil öffentliche Gärten und Freiflächen zugebaut werden. „Niemandsland“ heißt so ein nicht profitables Gelände auf Immobilisch. Ich bin auch so ein Niemandsland, unprofitabel und verwildert. Ein Mensch eben, keine parfümierte Immoschnepfe, die mit hohlem Gedöns ihre Gier schönredet. Die zerrt den verwesenden Leichnam van der Rohes aus dem Grab, um dem ollen Büroturm, wahrlich kein Meilenstein der Architekturgeschichte, ordentlich Mies-Nimbus zu verpassen. So geht das. Noch nicht gebaut wird schon verkauft.

    Grelle Fummels aus den Fifties, Sixties
    Alles hohl und hundsgemein
    Auf Skoda oder Fiorucci
    Flieg ich nicht mehr ein
    Da bleib ich kühl
    Kein Gefühl

    Ideal, Blaue Augen, 1980

    28.12.2022 von Ulrich Paul - Auf dem Areal des ehemaligen Postscheckamtes in Kreuzberg entsteht ein Stadtquartier mit hohem sozialen und ökologischen Anspruch.

    Auf dem Areal des ehemaligen Postscheckamtes in Kreuzberg gehen die Arbeiten für das geplante neue Stadtquartier mit Büros, Wohnungen und Geschäften voran. Nachdem im März 2021 mit dem symbolischen ersten Spatenstich die Bauarbeiten starteten, befinden sich mittlerweile fast alle Teilprojekte am Halleschen Ufer in Bau.

    Der Kölner Investor Art Invest modernisiert den alten 90 Meter hohen Büroturm und baut zwei neue Häuser mit Büros und Geschäften. Die landeseigene Wohnungsbaugesellschaft Degewo errichtet 337 Mietwohnungen. Und das ebenfalls aus Köln stammende Immobilienunternehmen Pandion plant 86 Eigentumswohnungen.

    „Das Grundstück war vorher eine Art Niemandsland im Herzen Berlins“, sagt Lena Brühne, Berliner Niederlassungsleiterin von Art Invest. „Durch die Entwicklung des Quartiers betreiben wir also eine Stadtreparatur.“ Die Art Invest hat ihrem Projekt den Namen „Die Macherei Berlin-Kreuzberg“ gegeben. Weil die Gebäude am Halleschen Ufer 40 bis 60 liegen, tragen die drei Gebäudeteile als Namenskürzel ein M für Macherei, gefolgt von der jeweiligen Hausnummer. So heißen die Gebäude M40, M50 und M60. Der alte Postbank-Tower trägt das Kürzel M50, die beiden neuen Büro- und Geschäftsbauten firmieren unter M40 und M60.

    Das achtgeschossige Haus M40 entsteht nach Plänen des Büros Robert Neun Architekten als sogenanntes Holz-Hybrid-Haus, also in einer Mischung aus Holz und Beton. Neben bepflanzten Dächern ist ein offener Innenhof vorgesehen, der als das „grüne Herz“ des Gebäudes angekündigt wird. „Unser Holz-Hybrid-Haus M40 wird ab Frühjahr 2023 rasant wachsen“, sagt Lena Brühne. „Zu diesem Zeitpunkt werden die Holzverbundelemente angeliefert, die wie Legosteine aufgebaut werden.“ Bis zum Jahr 2024 soll das Gebäude fertig sein, die anderen beiden der Art Invest ebenfalls.

    Der 24-geschossige Büroturm, der jetzt das Kürzel M50 trägt, wird nach Plänen des Architekten Eike Becker umgestaltet. Er richtet sich dabei nach dem Vorgänger-Bau. „Die Architektur vom M50 greift den Stil des Oberpostdirektors Prosper Lemoine auf, nach dessen Plänen das Objekt entwickelt wurde“, sagt Lena Brühne. „Er orientierte sich dabei an der typischen Architektursprache von Mies van der Rohe, der unter anderem die Neue Nationalgalerie entworfen hat.“

    Büroturm wird im nächsten Jahr als Stahlbetonskelett dastehen

    Nach dem Auszug der Mieter aus dem Turm Ende 2021 hat die Art Invest zunächst mit der Entkernung und Schadstoffsanierung begonnen. Diese Arbeiten dauern bis heute an. „Im nächsten Jahr wird der Turm kurzzeitig im Rohbau als Stahlbetonskelett dastehen, was sicher ein imposantes Bild abgeben wird“, so Brühne. „Zudem werden wir die oberen drei Etagen, die bislang als Techniketagen genutzt werden, abbrechen und neu aufbauen, um sie in Teilen als nutzbare Mietflächen zu entwickeln.“ Die Fassade des Büroturms wird erneuert, außerdem entsteht am Fuß des Towers ein eingeschossiger Flachbau. Dort soll neben einem Restaurant ein Fitnessstudio einziehen – mit Außenlaufbahn auf dem Dach. Oben im Turm ist eine Skybar geplant. Mit bester Sicht über die Stadt.

    „Bei der Fassade des Turms arbeiten wir mit speziellen Elementen, die vorproduziert und anschließend eingesetzt werden“, sagt Lena Brühne. Für die Montage werde ein rund 120 Meter hoher Kran eingesetzt, der an dem Hochhaus verankert wird. An der Südfassade des Büroturms sollen auf einer Fläche von 760 Quadratmetern Fotovoltaik-Elemente montiert werden, um aus Sonnenlicht Strom zu gewinnen.

    Das M60 entsteht nach Plänen des Architekturbüros Sauerbruch Hutton als achtgeschossiges Bürohaus. Im rückwärtigen Teil sind die Eigentumswohnungen der Pandion geplant. Das Besondere: Das Bürohaus soll ein „Zero-CO₂-Haus“ werden, also ein klimaneutrales Haus. Erreicht wird dies freilich durch einen gewissen Kunstgriff: Die Fotovoltaik-Elemente, die Sonnenlicht in elektrischen Strom umwandeln, sollen nämlich nicht nur auf dem eigenen Dach stehen, sondern zugleich auf den Dächern der benachbarten Degewo-Häuser.
    Autofreies Quartier heißt, dass oberirdisch keine Autos fahren

    Beim Verkehr wird Nachhaltigkeit ebenfalls großgeschrieben. „Die Macherei Berlin-Kreuzberg wird ein autofreies Quartier“, sagt Lena Brühne. Der Begriff „autofrei“ wird von der Art Invest allerdings sehr großzügig ausgelegt. Autofrei bedeute, „dass die Außenanlagen für den normalen Autoverkehr gesperrt sind“, sagt Brühne. Autos sind als Verkehrsmittel weiter eingeplant, zumindest in begrenzter Zahl. „In zwei Tiefgaragen, die von der Hauptstraße erreicht werden, entstehen 120 Stellplätze für Autos“, sagt Brühne. Sie versichert: „Wir setzen auf urbane Mobilität, weswegen wir unseren künftigen Mietern zusätzlich 800 unterirdische Fahrradstellplätze sowie Duschen und Umkleiden anbieten.“

    Das Projekt zeigt: Nachhaltigkeit spielt bei Immobilienprojekten eine immer größere Rolle. Unter anderem, weil sich viele Unternehmen das Ziel gesteckt haben, bis zu einem bestimmten Zeitpunkt CO₂-neutral zu werden. In alten Büros mit hohem Energieverbrauch lässt sich das Ziel nur schwer oder gar nicht erreichen. In neuen Quartieren wie in der Macherei schon eher. „Das Quartier richtet sich an Mieter, die neben einem hohen Anspruch an Lage, Qualität und Flexibilität der Flächen einen besonderen Wert auf ökologische Nachhaltigkeit legen“, sagt Lena Brühne. „Hier sehen wir einen wachsenden Bedarf.“ Einerseits müssten viele Unternehmen immer höhere Anforderungen im Bereich CO₂-Emissionen erfüllen, was sich natürlich auch in ihren Flächen widerspiegeln müsse. Andererseits sei Klimagerechtigkeit ein „ganz wesentlicher Aspekt für junge Berufseinsteiger“, so Brühne. „Sie legen viel Wert auf ihren eigenen Carbon Footprint, auch an ihrem Arbeitsplatz.“

    Die Wohnungen der Degewo entstehen im rückwärtigen Teil des Areals auf insgesamt drei Baufeldern mit jeweils zwei Häusern. „Die Rohbauarbeiten für die Baufelder eins und drei haben begonnen“, sagt eine Degewo-Sprecherin auf Anfrage. „Im Frühjahr 2023 wird Richtfest gefeiert und der Innenausbau kann beginnen.“ Die Arbeiten auf Baufeld zwei sollen im Februar 2023 starten. Geplant sei, dass die neuen Wohnhäuser ab Mitte 2024 übergeben werden. Dann beginne auch die Vermietung.
    Degewo baut 75 Prozent Sozialwohnungen

    75 Prozent der Wohnungen, die die Degewo errichtet, sollen als Sozialwohnungen entstehen und für eine Kaltmiete ab 6,50 Euro je Quadratmeter vermietet werden. Der Entwurf für die Wohnhäuser stammt vom Büro Dahm Architekten + Ingenieure. Nach ihren Plänen entstehen Wohnungen mit einer Größe von 35 bis 105 Quadratmetern.

    Die Pandion baut keine Mietwohnungen, sondern Eigentumswohnungen. „Wir planen insgesamt 86 Zwei- bis Vier-Zimmer-Wohnungen für Paare und Familien“, erklärt eine Unternehmenssprecherin. Die Wohnungen sollen zwischen 46 und 95 Quadratmeter groß sein. Die Baugrube für das Projekt sei fertig. Im Januar 2023 solle der Rohbau beginnen. Zum genauen Start der Vermarktung der Wohnungen und zum Fertigstellungtermin könne man aktuell aber noch keine Auskunft geben, so die Sprecherin.

    Postbank-Hochhaus (Berlin)
    https://de.m.wikipedia.org/wiki/Postbank-Hochhaus_(Berlin)

    Blaue Augen
    https://de.m.wikipedia.org/wiki/Blaue_Augen?searchToken=2wqimfpy2l6ptlnzu8q7191bk

    https://www.youtube.com/watch?v=uaEiVAODN-A

    #Berlin #Kreuzberg #Hallesches_Ufer #Großbeerenstraße #Stadtentwicklung #Architektur #Privatisierung #Gentrifizierung #Wohnen #Immobilien

  • Berlin’s failed rental revolution - Exberliner
    https://www.exberliner.com/berlin/berlins-failed-rental-revolution-crisis-expropriation-mietendeckel-entei

    8.8.2022 - How Berlin went from cheap rents to a housing crisis, saw its rent cap defeated and what will happen next with calls for expropriation.

    Nick saw it all coming. In the early 2000s, while some Berliners were spending less on rent than on beer, Nick and his partner took out a mortgage on an apartment in Kreuzberg. Friends were puzzled.

    “My German friends told me I was crazy for buying a flat when it was so cheap to rent,” says Nick, a Canadian importer. “They thought Berlin was immune to what was happening elsewhere. But I lived through one property boom in Vancouver. I knew what was coming.”

    Today Nick pays no rent, and his apartment is worth at least five times more than it cost. But his paper profit brings little comfort: selling would only require buying again at today’s fast-rising prices. And money can’t buy what doesn’t exist.

    Berlin’s housing drama is a story of knock-on effects: ignorant optimism – leaderless capitulation – ill-fated regulatory resistance – crushing legal defeat. But Berlin’s rental revolutionaries haven’t given up hope.

    Easy pickings

    Finding a rental apartment in Berlin in the early 2000s was as simple as walking down the street and ripping a tab off a “Zu vermieten” flyer. If you didn’t mind coal heating and shared hallway toilets, Berlin was your oyster.

    Most real estate investors were scared away by the lack of viable industry, and a militant anarcho-leftist scene which burnt cars to defend its territory. Cowed by a guilty conscience and an oversupply of flats, mainstream-voter landlords showed unusual pricing restraint.

    At the turn of the millennium, around five percent of Berlin flats were vacant (today it’s less than 1 percent). In 2002, the average rental price was €6.07 per m2 (it’s now €10.55 per m2). Demand was so low that the city’s public investment bank called for “necessary measures such as demolition and de-construction.”

    The sell-off

    Berlin’s leaders found another way of getting rid of property. The neoliberal SPD mayor Klaus Wowereit and his finance minister Thilo Sarrazin saw the city’s publicly-owned apartments as a piggy bank to pay off the city’s enormous debt.

    That strategy amounted to a fire sale of its assets. Between 2002 and 2007, Wowereit’s SPD, in coalition with Die Linke, sold off more than 110,000 flats – almost one third of the city’s housing stock. In one sale, 66,000 apartments were sold to investors including Goldman Sachs for €405 million – or €6000 for each flat.

    Only one regulation existed to control prices, capping increases at 20 percent over three years on existing contracts. But there were no limits on how much landlords could charge for new contracts. Sharp-eyed investors saw through the rhetoric of strong tenants’ rights, realising there was room for exploitation and no penalties for infringement.

    The buy-up

    With the Berlin Wall long gone, waves of international capital flooded the property market. The ‘tide that lifts all boats’ became a tsunami that smashed all cities, though the money took a little longer to wash up the Spree.

    In response to the 2008 global financial crash, governments printed trillions of dollars, euros and pounds and slashed interest rates, hoping investors would fund new job-creating activities. Instead they bought up undervalued assets with easy returns.

    Between 2009 and 2018, investors spent €139 billion purchasing old buildings in Berlin, and only €16 billion building new ones, according to research by Die Linke. During the same period, around 20 percent of the city’s properties changed hands.

    By 2017, Berlin was experiencing some of the biggest property price increases in the world. The following year, Berlin was declared the number one city in Europe for property investment.

    Rental prices were levelling up to match cities such as Madrid and Milan. But incomes had failed to keep pace. Even today, the majority of Berliners spend more than 30% of their income on housing – a rate economists consider to be both unaffordable and unsustainable.

    Too little, too late

    Politicians made moves to slow the spike. In 2013, Berlin limited maximum allowed increases on existing contracts to 15 percent over three years. In 2015, the Federal Government ruled new rental contracts could only be 10 percent above average official prices, though the law was largely ignored: one report found 95 percent of all new property listings were priced above the legally allowed amount.

    By 2018, Berliners were finally furious about property prices. A demonstration against Mietenwahnsinn (rental madness) drew thousands of participants – newspapers said 13,000; demo organisers counted 25,000. Among their demands? The expropriation of investors’ properties.

    The rent freeze

    Spooked Berlin politicians responded by offering a more moderate, yet still extraordinary reform: instead of seizing private property, they proposed freezing all rental prices for five years.

    The idea, first floated within the SPD, was endorsed by Berlin’s governing coalition parties, including the Greens and Die Linke, and despite internal disputes and heavy opposition, it made its way into law. On January 30, 2020, the Berlin parliament voted on the Act for the Restriction of Residential Rents in Berlin, better known as the Mietendeckel, or rent cap.

    “It’s the biggest and most important reform in the city since the fall of the Berlin Wall,” said Rainer Wild of the Berlin Tenants’ Association at the session.

    The Mietendeckel effectively suspended the free market for rental property in Berlin, a city where rentals dominate the property sector. It stopped most price increases for five years, except for flats built after 2014, to create an incentive for new developments. It mandated rent reductions for leases worth over 20 percent of average official prices. Cheating landlords were threatened with fines of up to €500,000.

    Opposition parties and the real estate lobby were astounded. They mounted a PR offensive using the slogan “Bauen Statt Deckeln” – build, don’t cap – which claimed, falsely, that the Mietendeckel discouraged investors from building new apartments. Opponents brought a case before Germany’s Federal Constitutional Court. For almost a year, Berliners endured a cliffhanger wait to see if judges would uphold or kill the great rent freeze experiment.

    The meltdown

    “The Mietendeckel is void” was the court’s April 15, 2021 verdict, declaring the city’s attempt to control rent prices unconstitutional because only the federal government was entitled to regulate rents. Gleeful landlords demanded rental back-payments, some worth thousands of euros.
    When the rent cap was overturned, acivists looked for other ways to combat rising rents. Photo: IMAGO / IPON

    Then, in November, came a second devastating legal decision. The Federal Administrative Court ruled that governments could no longer buy property using Vorkaufsrecht, or right of first purchase, which had allowed the city to forcibly acquire more than 12,000 private apartments and put them in public or cooperative hands. Within the space of months, Berlin had lost its two most powerful weapons to control property prices.

    Landlords strike back

    For more than a year, the Mietendeckel kept rents in check. During that time, some landlords kept their flats off the market, preferring no income to reduced profit while awaiting the court decision. One study found there were 60 percent fewer advertised flats during the Mietendeckel-era.

    Those have since bounced back – along with rental prices. Another analysis found Berlin had experienced the biggest rental price increases in all of Germany.

    Another impact of the Mietendeckel was to speed up the conversion of rental apartments into private residences. With prices at record highs, many owners decided to cash out and sell their properties rather than lease them, leading to a huge drop in potential rental properties.

    Potential buyers are paying high prices. In 2021, average buying prices hit €5416 per sqm, nine percent more than in 2020. But a bigger problem than cost is the highly competitive market.

    Every rental property listed is hotly contested, according to the portal ImmobilienScout24. Buying is also a battle: up to five interested owners register for each available property weekly, and most have to bid above the asking price to secure a purchase.

    The remains of the day

    What hope remains for Berlin’s tenants, now that the Mietendeckel is dead, and judges have barred the city from purchasing properties via Vorkaufsrecht?

    Germany’s top courts have made it clear: only federal government intervention is allowed in the property market. But the current governing coalition shows little appetite for major reform, mostly due to resistance from the neoliberal FDP party.

    The federal coalition agreement between the SPD, Greens and FDP promises only to maintain the existing Mietpreisbremse, or rent brake, the legislation that caps new rental contracts at 10 percent of average prices. For existing contracts, the maximum allowed rental increase could be set at 11 percent over three years (down from the current 15 percent).

    However, bringing legal action against deviant landlords will be up to tenants And even then, tenants are limited to reducing their rent to the legal maximum, but only from the date they lodge their complaint.

    A new dawn

    Housing activists weren’t satisfied with such incremental change. They’re now waging an even bigger battle to secure a truly ground-breaking revolution. The initiative Deutsche Wohnen & Co. enteignen is demanding that the Berlin city government use an obscure constitutional provision to forcibly acquire the property of any owner possessing more than 3000 apartments.

    Advocates say it could bring over 240,000 flats into public ownership to better control rental prices, and argue it should cost around €8 billion. Its opponents – including all political parties except Die Linke and the Greens – argue it would cost around €36 billion, which is a little over the city’s current annual operational budget.

    The idea captured the imagination of most Berliners. The enteignen campaigners collected tens of thousands of petition supporters and triggered a referendum. With the rent freeze melted, and little visible political appetite for reform, many Berliners saw mass expropriation as the only remaining solution to price spirals. In September 2021, the enteignen proposal received a greater percentage of votes than the winning coalition parties.

    Despite the overwhelming democratic mandate, the SPD under new mayor Franziska Giffey is staunchly against expropriation. Instead of implementing the idea as demanded by voters, a so-called expert commission was set up to examine the proposal and provide a recommendation. Few expect a positive outcome. Even if the city’s politicians obeyed voters and implemented Enteignung, the expropriations would almost certainly be challenged in the courts, which have a track record of supporting investors.

    Failure of the enteignen initiative could leave its million-plus supporters feeling defeated, disillusioned and disenchanted with democracy. Or it could spawn a new generation of outraged activists seeking even more radical means to fight investors. Win or lose, the enteignen campaign will reshape the city’s property politics for years to come.

    After two decades of property price hikes and political failures, activists have learned the lesson: if you want a minor reform, demand a revolution. And if you get your revolution, prepare for revenge.

    #Berlin #Wohnen #Immobilien #Mietendeckel #Gentrifizierung #Spekulation

  • Denkmalgeschütztes Liebhaberobjekt mit Leerstand in zentraler Steglitz-Lage
    https:// www.engelvoelkers .com/de-de/exposes/denkmalgeschuetztes-liebhaberobjekt-mit-leerstand-in-zentraler-steglitz-lage-1501666496.689917825_exp/

    Die Gentrifizierung schreitet voran. Wo jetzt noch das Café und Veranstaltungsräume der hellenischen Gemeinde Berlins der Öffentlichkeit zur Verfügung stehen, stehen Verkauf und anschließende Schließung der EInrichtung im Raum. In den 2000er Jahren verkaufte die Evangelische Kirche das Gebäude der ehemaligen konfessionellen Grundschule an einen Privatbesitzer, der es wenige Jahre später für ein Vielfaches weiterveräußerte. Der aktuelle Besitzer will nun richtig Kasse machen und bietet Haus und Grundstück für über drei Millionen zum Kauf an. Zusammen mit Grunderwerbssteuer, Notar- und Maklerkosten werden etwa vier Millionen fällig.

    DENKMALGESCHÜTZTES LIEBHABEROBJEKT MIT LEERSTAND IN ZENTRALER STEGLITZ-LAGE
    Investment / Wohn- und Geschäftshäuser, Kauf | Deutschland, Berlin, Berlin, Steglitz

    877,33 m²
    Gesamtfl. ca.

    1.569 m²
    Grundstück ca.

    2,800,000 EUR
    ca. 2,371,641 GBP
    Kaufpreis

    E&V ID BE-OU1XA8
    JETZT EXPOSÉ ANFORDERN
    E-Mail
    WAS SIE ÜBER DIESE IMMOBILIE WISSEN SOLLTEN
    Baujahr 1907 Wohnfläche ca. 254,52 m² Gesamtfl. ca. 877,33 m² Grundstück ca. 1.569 m² Stellplatz 8 Bürofläche 622,81 m²
    AUSSTATTUNG UND BESONDERHEITEN DIESER IMMOBILIE
    Das um 1907 erbaute Objekt überzeugt durch die ansprechende Architektur mit der verklinkerten Fassade, die großzügigen und ausladenden Räumlichkeiten oder Stilelemente wie schmiedeeiserne Treppengeländer oder Terrazzoböden. Der vordere Gebäudeteil gliedert sich in zwei Einheiten und wird gewerblich genutzt. Die Fläche im 1.OG des Gebäudes wird zum Jahresende leer übergeben. Gewisse Flächen und Räumlichkeiten im EG und im 1.OG dienen der gemeinsamen Nutzung und sind als solche in den jeweiligen Mietverträgen ausgewiesen. Der vordere Gebäudeteil wird über eine Öl-Zentralheizung mit dezentraler Warmwasseraufbereitung beheizt. Das sehr großzügige Dachgeschoss ist nicht ausgebaut und bietet unter Berücksichtigung der denkmalschutzrechtlichen Auflagen ggf. ein zusätzliches Flächenpotenzial. Im Hinterhaus befinden sich drei Wohneinheiten, von denen aktuell die Einheit im Dachgeschoss leer steht und sich einem sanierungsbedürftigen Zustand befindet. Die vermieteten Wohneinheiten werden über Gasetagenheizungen beheizt. Für einige Stellplätze auf dem Grundstück besteht ein Nutzungsrecht für das Nachbargrundstück. Das Objekt befindet sich insgesamt in einem technisch einfachen Zustand, bietet aber für einen Erwerber aufgrund der vakanten Flächen in der zentralen und ruhigen Lage in Steglitz interessante Nutzungsoptionen.

    Kein Milieuschutzgebiet
    Baudenkmal
    Ansprechende Architektur und Altbaustilelemente
    Gute und zentrale Wohnlage
    Öl-Zentralheizung und Gasetagenheizungen
    Ggf. Ausbaupotenzial im Dachgeschoss
    Pkw-Stellplätze
    Durchschnittsmiete Wohnen: 4,71 EUR/m²
    Durchschnittsmiete Gewerbe: 7,67 EUR/m²

    161708

    STEGLITZ: LAGE UND UMFELD DIESER IMMOBILIE
    Das Objekt liegt in einer zentralen und etablierten Lage des Berliner Stadtteils Steglitz. Das Herzstück des Quartiers und gleichzeitig einen Ort der Erholung bildet der nahe gelegene Steglitzer Stadtpark mit seiner schönen und weitläufigen Grünanlage. Das Objekt liegt in einer mit altem Baumbestand begrünten und verkehrsberuhigten Wohnstraße mit einer überwiegend offenen Bebauung aus sanierten Mehrfamilienhäusern. Einkaufsmöglichkeiten und Cafés sind vielfach fußläufig erreichbar. Zudem befindet sich die Schloßstraße, Berlins zweitgrößte Einkaufsmeile, mit zahlreichen Einkaufszentren nur wenige Gehminuten vom Objekt entfernt. Im näheren Umfeld befinden sich ein Gymnasium und mehrere Kitas. Die Anbindung an das Netz der öffentlichen Verkehrsmittel ist über diverse in unmittelbarer Nähe verkehrende Buslinien sowie über den S- und U-Bahnhof „Rathaus Steglitz“ optimal gewährleistet. Mit dem Pkw erreicht man in etwa drei Minuten die nahe gelegene Stadtautobahnauffahrt „Abzweig Zehlendorf“.

    #Berlin #Steglitz #Mittelstraße #Immobilien #Gentrifizierung #Privatisierung<;

  • Neue Senatsbaudirektorin in Berlin: Der große Ausverkauf
    https://taz.de/Neue-Senatsbaudirektorin-in-Berlin/!5826441

    16.1.2022 von Matthias Grünzig - Petra Kahlfeldt gehört zur einflussreichen „Planungsgruppe Stadtkern“. Das SPD-nahe Netzwerk setzt sich für Stadtentwicklung durch Investoren ein

    Die Ernennung von Petra Kahlfeldt zur Senatsbaudirektorin führt zu kontroversen Debatten. Für besondere Sprengkraft sorgte der Umstand, dass Kahlfeldt in der Vergangenheit immer wieder für die Privatisierung öffentlicher Immobilien eingetreten war. Manche befürchten gar einen Rückfall in die Zeit des privatisierungsfreundlichen Senatsbaudirektors Hans Stimmann. Doch sind solche Befürchtungen überhaupt begründet?

    Die Geschichte der Berliner Privatisierungsdebatten reicht bis in die neunziger Jahre zurück. 1996 wurde ein sogenanntes „Planwerk Innenstadt“ vorgestellt, das für erheblichen Wirbel sorgte. Auftraggeber war die Senatsverwaltung für Stadtentwicklung unter Leitung des Senators Peter Strieder und seines Senatsbaudirektors Hans Stimmann (beide SPD). Für den Westteil waren Manfred Ortner und Fritz Neumeyer zuständig, den Ostteil planten der Stadttheoretiker Dieter Hoffmann-Axthelm und der Architekt Bernd Albers. Die Projektleitung im Büro von Bernd Albers oblag Tobias Nöfer.

    Dieses „Planwerk Innenstadt“ barg erheblichen Konfliktstoff in sich, hatte es doch nichts Geringeres als eine radikale Umstrukturierung der Berliner Innenstadt zum Ziel. Im Zentrum stand die Privatisierung großer Teile des Berliner Zentrums. Öffentliche Grünflächen und Verkehrsflächen sollten parzelliert und an private Bauherren verkauft werden. Vor allem die Ensembles der Nachkriegsmoderne wie die Fischerinsel, die Karl-Marx-Allee, der Friedrichswerder und der Freiraum am Fernsehturm sollten großflächig privatisiert werden. Erste Schätzungen gingen von vermarktbaren Flächen von 1,7 Millionen Quadratmetern aus.
    Planung für reiche Stadtbürger

    Diese Planung hatte zwei Ziele: Auf der einen Seite sollten die Verkäufe Geld in die Landeskasse spülen. Auf der anderen ging es dem Planwerk um eine Veränderung der Bevölkerungsstruktur. Nicht mehr die Mieter der landeseigenen Wohnungsbaugesellschaften, sondern einkommensstarke „neue Stadtbürger“, die auf den privatisierten Grundstücken ihre Häuser bauen sollten, sollten künftig das Leben in der Innenstadt bestimmen.

    Doch schnell formierte sich auch Widerstand. Die Grünen und die damalige PDS kritisierten den Verlust von öffentlichen Freiflächen und stadtklimatisch wichtigen Grünräumen. Nach langen Auseinandersetzungen beschloss der damalige CDU/SPD-Senat am 18. Mai 1999 einen Kompromiss: Hans Stimmann konnte seine Privatisierungspläne auf dem Friedrichswerder durchsetzen. Im Gegenzug wurde die Fläche am Fernsehturm als „grün geprägter städtischer Freiraum“ festgeschrieben. Dieser Kompromiss wurde im Mai 1999 durch das Abgeordnetenhaus bestätigt.

    Auch die Berliner Stadtgesellschaft erlebte durch das „Planwerk Innenstadt“ eine Polarisierung. Die Stadt wurde in Stimmann-Anhänger und Stimmann-Gegner gespalten, beide Seiten bekämpften sich mit unversöhnlicher Härte. Petra Kahlfeldt gehörte während dieser Zeit zu den Unterstützern von Hans Stimmann. Das Büro Kahlfeldt Architekten entwarf dann auch Gebäude für den Friedrichswerder.

    2006 erfolgte die Pensionierung Stimmanns, im März 2007 begann seine Nachfolgerin Regula Lüscher ihre Arbeit. Lüscher machte bald deutlich, dass sie den Privatisierungsplänen des „Planwerks Innenstadt“ kritisch gegenüberstand. Unter ihrer Leitung wurde das „Planwerk Innenstadt“ allmählich zum „Planwerk Innere Stadt“ weiterentwickelt und dabei entschärft.

    Allerdings blieb Hans Stimmann auch nach seiner Pensionierung aktiv, er radikalisierte sich sogar zunehmend. Im Mai 2009 stellt er – exakt zehn Jahre nach dem Senatsbeschluss zum „Planwerk Innenstadt“ – das von ihm herausgegebene Buch „Berliner Altstadt“ vor. Darin stellte er ein Privatisierungskonzept für die Berliner Innenstadt vor, das das „Planwerk Innenstadt“ in puncto Radikalität weit in den Schatten stellte. Es sah noch größere Baumassen und noch kleinere Grünflächen vor. Der Verfasser dieser Planung war Bernd Albers, der schon am „Planwerk Innenstadt“ mitgewirkt hatte. Auch Tobias Nöfer war an dem Buch beteiligt. Mit aufwendigen Computeranimationen versuchten die Autoren, für ihre Bebauungspläne zu werben. Regula Lüscher ließ sich von diesem Vorstoß allerdings nicht beeindrucken.
    Ein Netzwerk entsteht

    Auch die Unterstützer Hans Stimmanns blieben aktiv. Sie gründeten 2011 die „Planungsgruppe Stadtkern“. Beteiligt waren unter anderen die Architekten Bernd Albers, Tobias Nöfer und Petra Kahlfeldt, die Journalisten Klaus Hartung und Gerwin Zohlen, der Projektentwickler Willo Göpel und der Historiker Benedikt Goebel.

    Die Planungsgruppe Stadtkern betrieb in der Folgezeit eine intensive Lobbyarbeit für eine Privatisierung der Berliner Innenstadt. Sie erarbeitete eine „Charta für die Berliner Mitte“, gab Bücher heraus und organisierte Ausstellungen. Petra Kahlfeldt nutzte ihre Tätigkeit als Professorin an der Berliner Hochschule für Technik im Sinne der Planungsgruppe Stadtkern. Sie ließ ihre Studenten mehrfach Bebauungspläne für öffentliche Grünflächen zeichnen.

    2012 initiierte Kahlfeldt sogar einen Studentenwettbewerb mit dem Titel „Häuser am Neuen Markt Berlin“, der auf eine Bebauung des Freiraums am Fernsehturm abzielte. Dafür suchte sie auch nach politischen Unterstützern: Als Partner fungierten Stefan Evers, der damals als stadtentwicklungspolitischer Sprecher der Berliner CDU-Fraktion tätig war, und Volker Härtig, der Vorsitzende des SPD-Fachausschusses „Soziale Stadt“.

    In der Folgezeit knüpfte die Planungsgruppe Stadtkern enge Verbindungen zur SPD. Wichtige Mitglieder der Gruppe wurden auch SPD-Mitglieder. Neben Volker Härtig unterstützte SPD-Kulturstaatssekretär André Schmitz die Gruppe. Allerdings stand nicht die gesamte SPD hinter den Plänen der Planungsgruppe.
    Kampf um das Zentrum

    Der 2011 ins Amt gelangte Stadtentwicklungssenator Michael Müller konnte sich für die Privatisierungspläne nicht begeistern. Er vertraute seiner Senatsbaudirektorin Regula Lüscher und stand den Plänen der Planungsgruppe eher ablehnend gegenüber. Während seiner Amtszeit wurde sogar eine Neuausrichtung der Berliner Liegenschaftspolitik eingeleitet. Die Privatisierungen landeseigener Immobilien wurden gestoppt, auch begann der Ankauf privater Immobilien durch die öffentliche Hand.

    In den Folgejahren gerieten die Planungsgruppe Stadtkern und Senatsbaudirektorin Regula Lüscher in einen immer schärferen Gegensatz. Beide Seiten vertraten nicht nur unterschiedliche Vorstellungen von Stadt, sie setzten auch auf unterschiedliche stadtentwicklungspolitische Strategien. Während Lüscher zunehmend Bürgerbeteiligungsverfahren initiierte, propagierte die Planungsgruppe eine Steuerung der Stadtentwicklung durch Expertengremien.

    Diese Gegensätze entluden sich 2015 im Rahmen der Stadtdebatte „Alte Mitte – Neue Liebe“. In diesem ergebnisoffenen Partizipationsverfahren, das von der Senatsverwaltung für Stadtentwicklung durchgeführt wurde, sollte über die zukünftige Gestaltung des Freiraums am Fernsehturm diskutiert werden. In zahlreichen Fachkolloquien, Bürgerwerkstätten, Onlinedialogen und Stadterkundungen konnten Bürgerinnen und Bürger ihre Vorstellungen einbringen. Auf einem Halbzeitforum konnten sie sogar per TED-Abstimmung über Entwicklungsalternativen befinden. Bei dieser Abstimmung votierte eine große Mehrheit gegen eine Privatisierung des öffentlichen Freiraums.

    Für die Planungsgruppe Stadtkern stellte dieses Verfahren einen Affront dar. Sie kritisierte das Verfahren als „expertenfeindlich“. Besonders empörte die Planungsgruppe-Aktivisten, dass selbst „fachlich nicht ausgebildete Personen nach ihren Vorstellungen und Vorlieben“ befragt wurden. Benedikt Goebel erklärte, dass er an dem Verfahren nur teilnehmen würde, um „Frau Lüscher aus der Nähe beim Scheitern zuzuschauen“.

    Die Rechnung ging allerdings nicht auf. Das Verfahren wurde ein großer Erfolg. Am Ende konnten sich die Bürgerinnen und Bürger auf zehn Bürgerleitlinien einigen. Zugleich bescheinigte eine unabhängige Untersuchung durch das Deutsche Institut für Urbanistik dem Verfahren eine große Glaubwürdigkeit. 2016 wurden die Bürgerleitlinien von allen Fraktionen des Berliner Abgeordnetenhauses beschlossen. Auf dieser Grundlage wurde 2021 ein freiraumplanerischer Wettbewerb durchgeführt, den das Kölner Büro RMP Stephan Lenzen Landschaftsarchitekten für sich entscheiden konnte.

    Dennoch blieb die Planungsgruppe Stadtkern aktiv. Sie war schon 2014 dem Verein Bürgerforum Berlin beigetreten und firmierte teilweise unter dem Label des Bürgerforums. Zudem konnte sie ihren Einfluss im „Architekten- und Ingenieurverein zu Berlin-Brandenburg“ (AIV) ausbauen. 2019 wurde Tobias Nöfer zum AIV-Vorstandsvorsitzenden gewählt. Weitere Führungsmitglieder waren Benedikt Goebel und Petra Kahlfeldt.

    Zudem konzentrierte die Planungsgruppe nun ihre Bemühungen auf den Molkenmarkt. Hier plante die Senatsverwaltung für Stadtentwicklung den Neubau bezahlbarer Wohnungen durch landeseigene Wohnungsgesellschaften. Die Planungsgruppe dagegen forderte in einem Aufruf vom Februar 2019 die Vergabe der Grundstücke an private Bauherren.

    Der Machtverlust von Michael Müller und der Aufstieg von Franziska Giffey eröffnete dem Planungsgruppe-Netzwerk neue Spielräume, zumal sich bald auch inhaltliche Gemeinsamkeiten mit der neuen Landesvorsitzenden zeigten. Giffey machte schnell deutlich, dass sie private Immobilieneigentümer stärker fördern will. Folgerichtig unterstützten die Aktivisten der Planungsgruppe Franziska Giffey im Wahlkampf. Sie unterzeichneten zum Beispiel den Aufruf „Weiterdenken statt enteignen“ gegen das Volksbegehren „Deutsche Wohnen & Co. enteignen“.
    Hoffnung Koalitionsvertrag

    Schon bald nach der Abgeordnetenhauswahl 2021 wurde das gewachsene Gewicht der Planungsgruppe sichtbar. Tobias Nöfer war im Verhandlungsteam der SPD an den Koalitionsverhandlungen beteiligt. Mit der Ernennung von Petra Kahlfeldt zur Senatsbaudirektorin hat der Einfluss der Planungsgruppe Stadtkern ihren vorläufigen Höhepunkt erreicht.

    Allerdings ist dieser Erfolg nur ein halber Sieg. Denn in der neuen Koalitionsvereinbarung konnte das Netzwerk nur wenige Forderungen unterbringen. Öffentliche Immobilien sollen auch in Zukunft nicht privatisiert werden, und der Freiraum am Fernsehturm soll als öffentlicher Grünraum nach dem Entwurf von RMP Stephan Lenzen Landschaftsarchitekten qualifiziert werden. Es besteht also eine erhebliche Kluft zwischen den Zielen des Koalitionsvertrages und den Vorstellungen der Planungsgruppe Stadtkern. Die Zukunft wird zeigen, ob Petra Kahlfeldt ihre Arbeit am Koalitionsvertrag oder an ihren bisherigen Überzeugungen ausrichtet.

    Matthias Grünzig ist Mitglied der Initiative Offene Mitte Berlin, Autor eines Buchs über die Potsdamer Garnisonkirche und Mitinitiator des Briefs „Offener Brief zur Neubesetzung der Position des neuen Senatsbaudirektors / der neuen Senatsbaudirektorin“, der von über 650 Personen unterzeichnet wurde

    #Berlin #Stadtentwicklung #Privatisierung #Gentrifizierung #Politik #SPD

  • Bau am Steglitzer Kreisel: (Zu) Langes Warten auf die gute Lösung? - BERLINER ABENDBLATT
    https://abendblatt-berlin.de/2021/02/01/bau-am-steglitzer-kreisel-zu-langes-warten-auf-die-gute-loesung

    1.2.2021, von Anna von Stefenelli - Der 120-Meter-Turm am Rathaus Steglitz ist schon von Weitem zu sehen. Auch seine Baustelle, die bei Anwohnern und Passanten für Fragezeichen sorgt. Gefühlt geht der Bau am Steglitzer Kreisel schleppend bis kaum voran. Doch die Investoren geben sich auf Nachfrage optimistisch. 

     Der Steglitzer Kreisel hat es zu einer lang bekannten Baustelle geschafft. Immer wieder fragen sich Anwohner und Passanten, ob sich auf der Baustelle noch etwas tut. Es sei kein Baufortschritt zu beobachten.

    Die neuen Bewohner sollten Anfang 2022 in den Steglitzer Kreisel einziehen. So sah es der ursprüngliche Zeitplan des Bauherren vor. Dieser Termin ist nicht mehr zu halten. Der Investor, die Consus Real Estate AG, informierte jetzt die Käufer, dass sich die Fertigstellung der 330 Eigentumswohnungen an der Schloßstraße um zwei Jahre verzögert. Doch ist der Termin zu halten? Matteo Twerenbold, der Kommunikationsdirektor der Consus Real Estate AG, gibt sich auf Nachfrage optimistisch zum Baufortschritt am Steglitzer Keisel: „Den Befürchtungen, der Steglitzer Kreisel würde im Stadium einer ‚halbfertigen Bauruine‘ verharren, fehlt jede Grundlage“, Der Bau gehe weiter – und zwar bereits ab März.

    Doch warum gibt es offensichtlich Schwierigkeiten beim Baufortschritt? Dazu gibt er einige Erklärungen. Es sei etwa eine statische Ertüchtigung der gesamten Trägerstruktur erforderlich gewesen. Dabei wurden Stahlstützen verstärkt, Schadstoffe beseitigt und Korrosionsschutz aufgetragen. Außerdem hätten sich bestimmte Umstände ergeben, sodass die Bauherren Pläne angepasst und einzelne Kaufverträge nachverhandeln mussten. Auch der harte Lockdown wirke bremsend. Sei es durch fehlende Arbeitskräfte, als auch durch verzögerte Anlieferung von Baumaterialen. Und: Es sei Winter. Die witterungsbedingte Pause werde „branchenüblich von Dezember bis März gemacht“.

    Doch mit den wärmer werdenden Temperaturen, soll es bereits im Frühjahr wieder weitergehen. „Wir gehen aufgrund der konkreten Witterungsverhältnisse sicher davon aus, im März mit den Arbeiten fortschreiten zu können“, erklärt Unternehmenssprecher Twerenbold. Auch die Arbeiten am Sockel würden ab März weitergeführt.

    Steglitzer Kreisel: Vorzeige-Projekt für die Stadt
    2021 findet die Einhängung der Fassadenteile am Turm statt. Das hatten die Investoren letztes Jahr bereits angekündigt. Und dann geht es an den Sockel. 

    Für den Steglitzer Kreisel ist eine sechsgeschossige Fassade aus Glas und Naturstein gegenüber vom Hermann-Ehlers-Platz geplant. Sie orientiere sich an den „großen Berliner Warenhäusern der 1920-er Jahre“, erklärte Architekt Gregor Fuchshuber im vergangenen Jahr bei der Vorstellung des Projektes. 

    Im Erdgeschoss ist eine an der Schloßstraße beginnende „großzügige“ Arkade mit Geschäften geplant, die sich an der Albrechtstraße entlang und bis in die Kuhligkshofstraße hineinziehen soll. So entsteht für Fußgänger und Fahrgäste der BVG an der Bushaltestelle vor dem Drogeriemarkt mehr Platz.

    Das gilt auch für das Kreisel-Parkhaus, offiziell sind es die Bauteile C+E: Wo bisher Autos stehen oder stehen sollten (die oberen Etagen seien schon lange nicht mehr nutzbar und gesperrt, hieß es), werden zukünftig auf sechs Etagen Schreib- und Ladentische stehen. 

    Büros sowie Arztpraxen sollen auch im Gebäudeteil B an der Kuhligkshofstraße einziehen, das Hotel an der Albrechtstraße wird zu Gunsten weiterer Gewerbe- und Büroflächen verkleinert (Bauteil A). Gewohnt wird zukünftig nur im Turm und in den Sockelgeschossen darunter – also zur Schloßstraße hin (Bauteil D). In den Sockelgebäuden sind grüne Innenhöfe geplant. Zukünftig soll man durch zwei zusätzliche Wege quer durch das Gebäude vom S-Bahnhof über den Busbahnhof zum Hermann-Ehlers-Platz gelangen können.

    #Berlin #Steglitz #Hermann-Ehlers-Platz #Stadtentwicklung #Architektur #Gentrifizierung #Kreisel

  • Corona bremst Umbau des Steglitzer Kreisels - BERLINER ABENDBLATT
    https://abendblatt-berlin.de/2020/09/30/corona-bremst-umbau-des-steglitzer-kreisels

    29.9.2020, von Ulrich Paul - Ein Käufer wollte wissen, wie es weitergeht, bekam aber keine Antwort. Nun macht er sich Sorgen um sein Geld.

    „Traumwohnung gesucht? Ziel erreicht! Sichern Sie sich Ihr neues Zuhause im höchsten Wohntower Berlins“ – so lautet einer der Werbesprüche, mit denen Käufer für die rund 330 Eigentumswohnungen im Steglitzer Kreisel gesucht werden. André Gaufer, Geschäftsführer des Fondsvermittlers PROfinance GmbH, zögerte nicht lange. Als einer der ersten erwarb der 55-Jährige vor zwei Jahren auf den Namen seiner Firma eine knapp 69 Quadratmeter große Wohnung im Kreisel. Im 19. Stock, mit großer Loggia, in Südwestlage. „Meine Tochter Lina kann dort einmal einziehen, wenn sie studiert“, sagt Gaufer. Das war zumindest geplant, doch mittlerweile beschleichen den 55-Jährigen ernste Zweifel, ob die Traumwohnung im Kreisel jemals fertig wird.

    Die Artists Living, ein Unternehmen der CG Gruppe, die das Projekt gestartet hat, teilte Gaufer im März kurz nach dem Lockdown in der Corona-Krise mit, dass sie an der Erfüllung ihrer vertraglichen Bauverpflichtung „gehindert“ sei. Die „massiven Einschränkungen“ wegen der Corona-Pandemie hätten zur Folge, dass die Mitarbeiter des Generalunternehmens und ihre eigenen Mitarbeiter auf den Baustellen, in der Bau- und Projektleitung und in der Projektentwicklung ihrer Arbeitstätigkeit „nicht oder nur sehr eingeschränkt nachgehen können“. Hinzu kämen Beeinträchtigungen und Ausfälle bei Lieferanten und Dienstleistern, „die einen termingerechten Weiterbetrieb“ der „Baustellen und Projektentwicklungen unmöglich machen“. Es sei deswegen mit Baubehinderungen, Bauunterbrechungen und Verzögerungen für einen Zeitraum von zirka zwei bis sechs Monaten zu rechnen.

    André Gaufer sah es anfangs noch gelassen. „Mit der Corona-Pandemie sind die Bauarbeiten ja fast überall eingestellt worden“, sagt er. Aber dann seien die Arbeiten bei den meisten anderen Baustellen wieder losgegangen. „Im Juli habe ich gedacht, Mensch, die bauen ja schon überall wieder, warum denn nicht bei uns?“, sagt Gaufer. Irgendwann sei er misstrauisch geworden, immer wieder zur Baustelle gegangen, habe aber keine Tätigkeiten feststellen können. Auch das Verkaufsbüro, in dem Kaufinteressenten beraten werden, sei verschlossen gewesen. Gaufer bat die Artists Living mit drei Schreiben im August und September um Auskunft, wie es weitergeht. Eine Antwort habe er bis heute nicht erhalten, sagt er. „Unprofessionell“ sei das.

    Wissen nicht, wie es weitergeht: André Gaufer mit seiner Tochter Lina vor der Baustelle des Steglitzer Kreisels. Foto: Ulrich Paul/Berliner Zeitung

    Bank verlangt Bereitstellungszinsen für Kredit

    Für den 55-Jährigen werden die Verzögerungen zum Problem. Seine finanzierende Bank, bei der seine Firma einen Kredit für die Wohnung aufgenommen hat, stelle mittlerweile Fragen nach dem Bautenstand, berichtet er. Nach der Prognose für die Fälligkeit der Raten hätten die ersten 30 Prozent des Kaufpreises zirka in der ersten Jahreshälfte 2019 abgerufen werden sollen – nach Anlage der Grundbuchblätter für die Eigentumswohnungen durch das Grundbuchamt. Nach der Fertigstellung des Rohbaus einschließlich der Zimmererarbeiten hätten laut der Prognose etwa im November 2019 weitere 28 Prozent des Kaufpreises fällig werden sollen. Bislang sei jedoch keine einzige Rate angefordert worden, so Gaufer.

    Dafür müsse seine Firma für den Kredit mittlerweile Bereitstellungszinsen zahlen, weil er das Darlehen nicht abrufe. Die letzte Rate für die Eigentumswohnung wäre laut der Prognose für das vierte Quartal 2021 vorgesehen gewesen – „nach vollständiger Fertigstellung und Erteilung der Schlussrechnung“, wie es heißt. „Wenn das Projekt platzt, habe ich ein Problem“, sagt Gaufer. „Denn ich habe einen Kreditvertrag, der über zehn Jahre läuft. Wenn dieser nun rückabgewickelt wird, steht in erster Linie meine Firma für die Kosten der Rückabwicklung gegenüber der Bank gerade.“

    Investor: Arbeiten am Gebäude laufen weiter

    Die CG Gruppe, die den Umbau des Kreisel unter dem Projektnamen Überlin Tower gestartet hat, ist mittlerweile in der Firma Consus aufgegangen. Auf die Frage, wie es um die Bauarbeiten am Steglitzer Kreisel bestellt ist, erklärt Consus: „Die Bauarbeiten am Kreisel mussten aufgrund der Covid-19-Pandemie und der dadurch bedingten behördlichen Einschränkungen erheblich reduziert werden.“ Die eigenen Mitarbeiter und die Beschäftigten des Generalunternehmers hätten aufgrund der behördlichen Einschränkungen „nicht oder nur sehr limitiert ihren jeweiligen Tätigkeiten nachgehen“ können. Aber natürlich seien die Bauarbeiten „nicht zum Erliegen gekommen“.

    Zwischenzeitlich habe eine „statische Ertüchtigung des gesamten Turmgebäudes stattgefunden“. Hierbei handele es sich um „umfassende, aber äußerlich nicht sichtbare Arbeiten“. Auch die Planungen für die Neugestaltung des Turmsockels seien „deutlich vorangeschritten“. Die Grundbuchblätter seien „erfreulicherweise kürzlich angelegt“ worden. Die Baufertigstellung sei „nach wie vor für 2022 vorgesehen“. In früheren Veröffentlichungen hatte die CG Gruppe allerdings als Fertigstellungstermin noch 2021 genannt. Die Vermarktung der Wohnungen zieht sich unterdessen hin. Mehr als die Hälfte sind laut Consus noch zu haben. Unter Berücksichtigung der Reservierungen seien bisher „etwa 160 Wohnungen verkauft“.

    Informationen für Käufer gefordert

    Auf die Frage, warum das Unternehmen nicht auf Fragen von Erwerberseite reagiert, erklärt Consus: „Wir sind im ganz normalen Betreuungsverlauf mit unseren Geschäftspartnern. Sofern wir uns über einen kurzen Zeitraum zu bestimmten Sachverhalten nicht äußern, ist dieses allein darauf zurückzuführen, dass es noch keinen neuen Sachstand gibt.“ Wie bei vielen vergleichbaren Projekten aus der Vergangenheit werde „auch dieses Projekt sorgfältig und zur Zufriedenheit der Kunden gestaltet“.

    André Gaufer reicht das nicht. „Sie hätten auf meine drei Schreiben antworten müssen – und sei es, dass sie sagen, gebt uns bitte noch ein bisschen Zeit.“ Mittlerweile seien auch die sechs Monate vorbei, die im Schreiben vom März als mögliche Verzögerung genannt worden waren. Das im März zugleich abgegebene Versprechen, „die bereits entstandenen und vermutlich noch entstehenden Verzögerungen“ zu dokumentieren und den Erwerbern mit gesondertem Schreiben mitzuteilen, sei bisher ebenfalls nicht erfüllt worden, sagt Gaufer. „Wenn es Consus mit dem Versprechen ernst meint, das Bauprojekt zur Zufriedenheit der Kunden abschließen zu wollen, muss es jetzt endlich damit anfangen – und uns informieren, wie es weitergeht“, sagt er.

    #Berlin #Steglitz #Hermann-Ehlers-Platz #Stadtentwicklung #Architektur #Gentrifizierung #Kreisel

  • Berliner Immobilienmarkt : Haus im Grünen gesucht: Die Berliner verlassen die Stadt
    https://www.berliner-zeitung.de/corona-krise-das-haus-im-gruenen-gewinnt-an-wert-li.114403


    Wer es sich leisten kann bleibt. Das Foto zeigt die teuersten Einfamilienhäuschen Berlins. Die meisten haben eine eigene Tiefgarage und einen kleinen Garten und sind geräumiger als ihre schmale Straßenfront vermuten läßt.

    Sie befinden sich zwischen dem #Caroline-von-Humboldt-Weg, #Kleine_Jägerstraße, #Niederwallstraße, #Oberwallstraße und und #Jägerstraße in #Berlin-Mitte, #Ortsteil #Mitte. Auf der Ostseite wurde den Bewohnern ein kleiner Park zwischen ihren Hütten und dem #Bundesaußenministerium an der #Kurstraße spendiert. Gleich dahinter die #Spree, #Südpark und historische Henselmann-Bauten im Süden, westlich liegen der schicke #Hausvogteiplatz, das #Bundesjustizministerium, etliche Botschaften wie die Handelsvertretung von #Hongkong, die bombastische Hauptstadtrepräsentanz der #Telekom, und im Norden #Werderscher_Markt und #Friedrichwerdersche_Kirche.

    Nur Gelegenheiten zum Einkaufen des täglichen Bedarfs fehlen vollkommen. Dafür hat man heute Lieferdienste und Personal.

    Openstreetmap: Caroline-von-Humboldt-Weg, 10117 Berlin
    https://www.openstreetmap.org/way/147066248 Blickrichtung des Fotos: Südosten, Aufnahmestandort: Dach eines Hauses Oberwallstraße/Hausvogteiplatz

    Im Artikel der Berliner Zeitung geht es um Bedürfnisse, die eine Liga darunter vorherrschen.

    28.10.2020, von Ulrich Paul - Während der Handel mit Büro- und Geschäftshäusern in Berlin einbricht, ist die Nachfrage nach Ein- und Zweifamilienhäusern nahezu ungebrochen.

    Die Corona-Pandemie fordert ihren Tribut. Auf dem Berliner Immobilienmarkt sind in den ersten sechs Monaten dieses Jahres 53 Prozent weniger Büro- und Geschäftshäuser verkauft worden als im gleichen Zeitraum des Vorjahres. Einen regelrechten Einbruch gab es beim Geldumsatz: Er sank in diesem Marktsegment um 69 Prozent – von 2,6 Milliarden Euro auf 814 Millionen Euro. Das geht aus einer Analyse des Gutachterausschusses für Grundstückswerte in Berlin hervor, die am Dienstag veröffentlicht wurde.

    Die Zahl der Immobilienverkäufe in Berlin ist danach in den ersten sechs Monaten dieses Jahres um 19 Prozent zurückgegangen. Von Januar bis Ende Juni zählte der Ausschuss nur noch 10.237 sogenannte Kauffälle. Der Umsatz sank von rund 10,7 Milliarden auf 6,1 Milliarden Euro. Die Zahlen des Gutachterausschusses gelten als die verlässlichsten über das Marktgeschehen, weil sie auf den tatsächlich abgeschlossenen Kaufverträgen beruhen.Die Corona-Pandemie fordert ihren Tribut. Auf dem Berliner Immobilienmarkt sind in den ersten sechs Monaten dieses Jahres 53 Prozent weniger Büro- und Geschäftshäuser verkauft worden als im gleichen Zeitraum des Vorjahres. Einen regelrechten Einbruch gab es beim Geldumsatz: Er sank in diesem Marktsegment um 69 Prozent – von 2,6 Milliarden Euro auf 814 Millionen Euro. Das geht aus einer Analyse des Gutachterausschusses für Grundstückswerte in Berlin hervor, die am Dienstag veröffentlicht wurde.

    Die Zahl der Immobilienverkäufe in Berlin ist danach in den ersten sechs Monaten dieses Jahres um 19 Prozent zurückgegangen. Von Januar bis Ende Juni zählte der Ausschuss nur noch 10.237 sogenannte Kauffälle. Der Umsatz sank von rund 10,7 Milliarden auf 6,1 Milliarden Euro. Die Zahlen des Gutachterausschusses gelten als die verlässlichsten über das Marktgeschehen, weil sie auf den tatsächlich abgeschlossenen Kaufverträgen beruhen.

    Mit einem Minus von 21 Prozent hat sich die Zahl der Verkäufe von Eigentumswohnungen ebenfalls stark verringert. Während in den ersten sechs Monaten des vergangenen Jahres noch 8171 Eigentumswohnungen den Besitzer wechselten, wurden im Vergleichszeitraum dieses Jahres nur noch 6489 verkauft. Der Geldumsatz in diesem Segment ging um 15 Prozent zurück.

    Mehr Umsatz mit Ein- und Zweifamilienhäusern

    Mit einem Minus von 21 Prozent hat sich die Zahl der Verkäufe von Eigentumswohnungen ebenfalls stark verringert. Während in den ersten sechs Monaten des vergangenen Jahres noch 8171 Eigentumswohnungen den Besitzer wechselten, wurden im Vergleichszeitraum dieses Jahres nur noch 6489 verkauft. Der Geldumsatz in diesem Segment ging um 15 Prozent zurück.

    Mehr Umsatz mit Ein- und Zweifamilienhäusern

    Auffällig ist, dass sich die Zahl der Verkäufe von Ein- und Zweifamilienhäusern nur geringfügig verringert hat. Der Gutachterausschuss ermittelte hier nur ein Minus von drei Prozent. Während in den ersten sechs Monaten des vergangenen Jahres noch 1304 Ein- und Zweifamilienhäuser verkauft wurden, waren es im Vergleichszeitraum dieses Jahres 1263. Die Tatsache, dass sich der Geldumsatz in diesem Segment um neun Prozent erhöht hat, zeigt, dass die Preise unterm Strich gestiegen sind. Das Haus im Grünen hat also in der Corona-Pandemie an Wert gewonnen.

    Zurückgegangen ist auch die Zahl der Verkäufe von Wohn- und Geschäftshäusern. Bei reinen Mietwohnhäusern zählte der Gutachterausschuss dabei nach 228 Verkäufen in den ersten sechs Monaten des vergangenen Jahres nur noch 149 Transaktionen im Vergleichszeitraum 2020, was einem Minus von 35 Prozent entspricht. Der Umsatz brach sogar um 48 Prozent ein.

    „Von einer Beruhigung auf dem Wohnungsmarkt zu sprechen, wäre verfrüht, aber wir vermuten, dass der Mietendeckel wie auch die Corona-Pandemie erste Spuren auf dem Berliner Immobilienmarkt hinterlassen haben“, sagt der Geschäftsführer des Berliner Mietervereins (BMV), Reiner Wild. Die vorgelegten Zahlen zum Rückgang bei Verkäufen von Eigentumswohnungen zeigen laut Wild, dass die Wirklichkeit nicht zu der Behauptung von Gegnern des Mietendeckels passe, wonach Eigentümer von bislang vermieteten Eigentumswohnungen nun lieber „verkaufen statt vermieten“.

    Mieterverein: Umwandlungsverbot weiter wichtig
    Es sei zwar nicht auszuschließen, dass Eigentümer von bislang vermieteten Eigentumswohnungen nun lieber verkaufen würden, sagt Wild, doch scheine es „kaum selbstnutzende Käufer für die vielen Angebote zu geben“. Die sinkende Zahl der Verkäufe von Eigentumswohnungen bedeute nicht, dass das Interesse an der Umwandlung von Miet- in Eigentumswohnungen sinke, betont Wild. „Deshalb fordern wir das Bundeskabinett auf, mit der Novelle des Baugesetzbuches auch das Umwandlungsverbot auf den Weg zu bringen.“

    Verlierer des schwächelnden Immobilienmarkts ist der Finanzsenator. Denn durch den Umsatzrückgang verringern sich auch die Einnahmen aus der Grunderwerbssteuer. Im Vergleich zu den ersten sechs Monaten 2019 verzeichnet die Stadt im ersten Halbjahr 2020 ein Minus von rund 275 Millionen Euro.

    Hermann Henselmann
    https://de.wikipedia.org/wiki/Hermann_Henselmann

    #Berlin #wohnen #Immobilien #Gentrifizierung #Luxus

  • Bildergalerie: Steglitzer Kreisel - Hochhaus reloaded | rbb24
    https://www.rbb24.de/panorama/beitrag/2019/12/berlin-steglitz-kreisel-hochhaus-umbau-ueberlin-groener-bildergalerie.html

    Seit Sommer 2019 ist der Kreisel ein Hochhausgerippe, komplett entkernt. Gut zu erkennen: Die aus den 1960er-Jahren stammende Stahlkonstruktion. Ursprünglich sollte der Steglitzer Kreisel in Stahlbeton ausgeführt werden, doch weil es im damaligen West-Berlin an Beton mangelte, entschied sich die Architektin Sigrid Kressmann-Zschach für ein Gerüst aus Stahlträgern, kombiniert mit Betonfertigteilen als Geschossdecken

    Der damalige Finanzsenator Heinz Striek (SPD) musste im Zuge der Kreisel-Affäre 1975 zurücktreten. Ein vom Abgeordnetenhaus einberufener Untersuchungsausschuss stellte seine Arbeit wieder ein - ohne Ergebnis. Das Foto hier zeigt den Kreisel in den frühen 1980er-Jahren aus nördlicher Richtung, ungefähr von Höhe des U-Bahnhofs Schloßstraße, dort, wo später der „Bierpinsel“ errichtet wurde.

    Das vierte Stockwerk gibt es zweimal. Dieses hier ist das sogenannten Abfanggeschoss und trägt im Grunde den gesamten Turm. Da das neue „ÜBerlin“ anders als der alte Kreisel keine reine Glasfassade, sondern Balkone und Loggien haben wird, musste das Tragwerk in diesem Geschoss deutlich verstärkt werden. ... Auf das Abfanggeschoss wirken gewaltige Kräfte. Alle Verstärkungen mussten daher sehr genau berechnet und eingepasst werden. Dabei erfolgten laut CG-Gruppe mehrfache technische Abnahmen und Prüfungen.

    Christoph Gröner, Vorstandsvorsitzender der CG-Gruppe und Bauherr des „ÜBerlin“, investiert nach eigenen Angaben rund 190 Millionen Euro in den Umbau des Steglitzer Kreisels. Dabei ist ihm klar, dass die Menschen, die in seinem Hochhaus eine Wohnung kaufen werden, „jenseits des normalen Bürgers unterwegs sind“.

    #Berlin #Steglitz #Schloßstraße #Architektur #Stadtentwicklung #Gentrifizierung #Immobilien #Wohnen #Fotografie

  • Alles neu im Kreis um den Steglitzer Kreisel – B.Z. Berlin
    https://www.bz-berlin.de/berlin/steglitz-zehlendorf/alles-neu-im-kreis-um-den-steglitzer-kreisel

    7.12.2019 von Katja Colmenares - Investor Gröner plant Komplettumbau

    Die Bauarbeiten im Steglitzer Kreisel gehen voran. Täglich schuften rund 50 Handwerker an dem Gerippe. 2021 sollen die ersten Eigentümer ihre Luxuswohnungen beziehen können. Jetzt kommt Investor Christoph Gröner (51), Vorstand und Gründer der CG Gruppe, mit neuen Ideen für das gesamte Areal.

    „Viele Geschäftsleute schilderten, dass Obdachlosigkeit im Quartier eine Rolle spielt. Ich würde sofort eine Anlaufstelle für Wohnungslose einrichten. Mit Duschen und der nötigsten Versorgung. Ähnlich einer Bahnhofsmission“, so Gröner.

    Und das sind seine weiteren, neuen Planungen:

    ► Noch 2020 soll das Hotel Steglitz International (SI) schließen. Gröner: „Ob der Betreiber vom SI dann wieder zurückkehrt, ist offen. Aber ein neues Hotel ist nach wie vor eingeplant.“

    ► Die oberirdische Parkgarage wird zu Bürofläche umgebaut. Gröner: „Aktuell sind die mehr als 1000 Stellplätze zu 25 Prozent ausgelastet. Wir reduzieren auf 480. Für die Anwohner gibt es 238 Parkplätze mit direktem Zugang in ihre Wohnetage.“

    ► CG-Architekten sitzen mit Bezirksvertretern zusammen, um die künftige Gestaltung des Hermann-Ehlers-Platz voranzubringen. Auch die Seite an der Kuhligkshofstraße zur Autobahn und der BVG-Bushof sollen neu gedacht werden. Gröner: „Wir bauen ja nicht nur einen Turm, sondern wandeln ein gesamtes Quartier.“

    Gröner rechnet mit einer Investitionssumme von rund einer halben Milliarde Euro für Turm, Sockel und Umgebung.

    #Berlin #Steglitz #Schloßstraße #Hermann-Ehlers-Platz #Architektur #Stadtentwicklung #Gentrifizierung

  • Berlin-Lichtenberg: So will Klaus Lederer den Rockhaus-Künstlern nach der Kündigung helfen | Berliner Zeitung
    https://www.berliner-zeitung.de/berlin/nach-kuendigungen--so-will-kultursenator-lederer-den-1000-rockhaus-

    Aus dem Erdgeschoss klingen Gitarren, aus dem Nebenraum Trommeln, mittendrin ein Staubsauger. Giancarlo reinigt gerade den roten Teppich rund um sein Schlagzeug, gleich kommt sein nächster Schüler. Seit sieben Jahren gibt der 36-Jährige Musikunterricht im Lichtenberger Rockhaus, in dem rund 1000 Künstler proben, unterrichten und Aufnahmen machen. Doch damit ist bald Schluss.

    Vor zwei Tagen haben die Mieter des Rockhauses eine Kündigung erhalten. Per Mail. Sie müssen ausziehen – und zwar bis Ende Mai. „Wir sind ziemlich schockiert“, sagt Giancarlo, der seinen Nachnamen lieber nicht verraten will. „Nur zwei Monate – das ist sehr, sehr kurzfristig.“

    Bauprojekte in der Buchberger Straße: Die Platte des Rockhauses passt da nicht mehr rein

    Das Rockhaus ist ein alter Plattenbau in der Buchberger Straße in Lichtenberg. Die rund 200 Räume darin machte Dirk Kümmele, selbst Musiker, für jene fit, die sonst als Nachbarn nicht gern gesehen sind, weil sie zu laut sind. Es ist eines der größten Proberaum-Projekte in Berlin. Doch es steht schon seit Langem unter Beschuss.

    Noch ist die Buchberger Straße nicht besonders attraktiv, Brachen, Platten und die Deutsche Telekom gibt es hier. Doch in direkter Nähe rings um das Rockhaus sind für die kommenden Jahre große Bauprojekte geplant – unter anderem ein Riesen-Bürokomplex für StartUps. Die Platte des Rockhauses passt da nicht mehr rein, Musiker sind auch keine besonders lohnenswerte Zielgruppe.

    2015 kaufte Investor Shai Scharfenstein das Rockhaus – kündigte erst und drohte danach sogar mit Zwangsräumung. Das konnte Betreiber Dirk Kümmele vor Gericht abwenden. Das entschied: Der Mietvertrag habe Bestand – und zwar wie geplant bis 2023. Jetzt aber schickte Kümmele selbst den Mietern die Kündigung.

    Geschichte

    2007: Dirk Kümmele gründet in einem Lichtenberger Plattenbau das Rockhaus. Er versieht das frühere Bürogebäude mit Schallschutz und erhält schließlich die Genehmigung, dort Proberäume für Musiker einzurichten.

    2016: Shai Scharfstein, dem das Haus an der Buchberger Straße seit 2015 gehört, kündigt dem Rockhaus-Betreiber im Februar 2016 – weil er sich angeblich nicht ausreichend um den Brandschutz gekümmert hat.

    2017: Das Kammergericht hebt Anfang Dezember ein Urteil des Landgerichts auf, das in erster Instanz gegen den Rockhaus-Betreiber entschieden hatte. Dirk Kümmele kann weitermachen, das Rockhaus scheint gerettet.

    Leider sei das Verhältnis zum Eigentümer nach den Streitigkeiten vor Gericht stark belastet, schreibt Kümmele. Neue Streitigkeiten folgten. „Ich spare mir die Details. Fakt ist aber, dass für mich ein nicht mehr tragbares finanzielles beziehungsweise existenzielles Risiko eingetreten ist. Auch und vor allem zum Schutze meiner Familie kann ich diese Risiken nicht mehr weiter eingehen.“ Das Rockhaus müsse Ende Juni „komplett geräumt und besenrein“ übergeben werden. „Daher muss ich eure Mietverträge entsprechend in Kürze zum 31.05.2019 kündigen.“
    Kein Platz für Musiker, in einer Stadt in der es ohnehin an Wohn- und Gewerberaum mangelt

    Weiter schreibt Kümmele, dass er seit einem halben Jahr intensiv nach einem Objekt suche, um das Rockhaus zu verlegen. Doch auf dem Markt sei nichts zu finden, das ähnliche Mieten wie bisher ermögliche. Er habe um Hilfe beim Bezirksamt und der Senatskulturverwaltung gebeten – herausgesprungen seien dabei aber bisher „nur vereinzelt Lippenbekenntnisse“. Weder Kümmele noch Besitzer Scharfenstein wollten sich auf Nachfrage der Berliner Zeitung am Montag eingehender zu dem Thema äußern. Man bereite eine gemeinsame Presseerklärung vor, hieß es.
    Übersichtlich: Weißes Brett mit Kleinanzeigen der Musiker.

    Kein Platz für Musiker, in einer Stadt in der es ohnehin an Wohn- und Gewerberaum mangelt – vor diesem Problem stehen jetzt auch die Mieter des Rockhauses. Giancarlo hat sich gleich auf die Suche nach Ersatz gemacht. Denn er wusste: „Gut 1000 Musiker, alle zur selben Zeit auf der Suche nach Proberäumen – das wird extrem schwer.“ Alternativen, die schallgeschützte Räume haben, gibt es in Berlin ohnehin nur wenige – und die seien meistens schon voll. Für den Schlagzeuglehrer steht damit auch seine Existenz auf dem Spiel. Er spiele eben nicht Blockflöte. „Ich bin komplett abhängig von den Räumlichkeiten.“
    Unverkennbar: Musiker „John Smith“ beim Üben im Rockhaus

    Für Hobbymusiker wie John Smith bedeutet das Ende des Rockhauses vermutlich, dass sie zuhause weiterfrickeln – oder ganz aufhören. Der Brite ist seit 2016 im Rockhaus eingemietet, in einem nur 6,5 Quadratmeter großen Raum für 65 Euro pro Monat. Hier spielt er Elektro- und Gitarrenstücke ein. Er wünscht sich von Kümmele mehr Informationen zum Grund des Rauswurfs. „Der Mietvertrag sollte doch bis 2023 laufen – warum gilt das plötzlich nicht mehr?“
    Hoffnungsschimmer: Berliner Kulturverwaltung prüft Anmietung des Hauses

    Als Kümmele vor Gericht Unterstützung brauchte, habe er die Musiker auf dem Laufenden gehalten – jetzt aber heiße es nur „Ich spare euch die Details“. Smith will nur ungern raus aus dem Rockhaus. Es sei praktisch gewesen, jederzeit zugänglich. Vor allem aber: ein „Ort für Musik, Kunst und Kreativität“ in Berlin.

    Dieses Potenzial will auch die Kulturverwaltung nicht verloren geben. Auf Nachfrage der Berliner Zeitung erklärte Kultursenator Klaus Lederer am Montag: „Die Kulturverwaltung prüft die Anmietung des Hauses – auf Grundlage eines aktuellen Angebots vom 15. März – oder einen Alternativstandort in Eigenregie.“ Dazu würden Gespräche und Berechnungen durchgeführt. Auch Lichtenbergs Bezirksbürgermeister Michael Grunst (Linke) sagt: „Der Verlust des Hauses wäre sehr ärgerlich.“ Da sich Betreiber und Eigentümer aber auf ein Vertragsende geeinigt hätten, sei es schwierig, politisch zu intervenieren. Aber auch er „suche weiter nach Ersatz.“

    Ein Hoffnungsschimmer – allerdings nicht allzu groß: „Es kann noch keine Lösung in Aussicht gestellt werden“, sagt Lederer.

    #Berlin #Lichtenberg #Buchberger_Straße #Immobilien #Kultur #Musik #Stadtentwicklung #Gentrifizierung

  • Berlin-Friedrichshain: Hat der Bezirk das Café Sibylle subventioniert? - Tagesspiegel
    https://www.tagesspiegel.de/berlin/berlin-friedrichshain-hat-der-bezirk-das-cafe-sibylle-subventioniert/23792298.html

    Ergänzung zu https://seenthis.net/messages/777758

    22.12.2018 von LAURA HOFMANN - Nutzungsentgelt oder unzulässige Zuschüsse? Der Berliner Rechnungshof prüft nun Zahlungen an das Kultcafé auf der Karl-Marx-Allee.

    Das Café Sibylle gerettet? „Von wegen“, sagt Uwe Radack, der ehemalige Betreiber des Kultcafés in der Karl-Marx-Allee 72 in Friedrichshain. „Da steht vielleicht noch Café Sibylle dran, drinnen ist davon aber nichts mehr übrig“, klagt er. Radack hätte gerne weitergemacht. Doch der Hauptmieter des Cafés, der Verein BUF (Berufsförderungswerk Bekleidung Berlin), meldete im Frühjahr Insolvenz an, der Vertrag mit dem Pächter Radack und seinem Partner lief aus.

    Das Bezirksamt Friedrichshain-Kreuzberg schwang sich zur Rettung des 1953 als „Milchhalle“ eröffneten und Ende März dieses Jahres geschlossenen Cafés auf. In einem von der Bezirksverordnetenversammlung beschlossenen Antrag hieß es zwar, das Bezirksamt solle „die derzeitigen Betreiber*innen des Cafés dabei unterstützen, die Räumlichkeiten direkt von der Eigentümerin der Immobilie anzumieten“. Doch weil die Miete für die Immobilie um 180 Prozent gestiegen war, konnte Radack sie sich nach eigenen Angaben nicht mehr leisten.

    Der neue Betreiber, der gemeinnützige Weiterbildungs- und Beschäftigungsträger „puk a malta“ aus Wedding, erhält vom Bezirk jetzt ein Nutzungsentgelt von 2000 Euro. Die Mittel kommen aus einem Topf für Wohnungsbau und Bürgerbeteiligung. „Ich hätte mich schon über 1000 Euro gefreut“, sagt Radack. Er habe das Gespräch mit dem Bezirksamt gesucht, doch der stellvertretende Bezirksbürgermeister Knut Mildner-Spindler (Linke) habe ihn erst ganz kurz vor Ende des Vertrags kontaktiert und keinerlei Unterstützung signalisiert. „Jetzt muss ich zur Kenntnis nehmen, dass es einen monatlichen Zuschuss von 2000 Euro gibt“, ärgert sich Radack. Er habe lediglich Unterstützung für die Fläche gefordert, welche die Ausstellung zur Geschichte der Karl-Marx-Allee im Café einnimmt.

    Ehemaliger Betreiber wirft Bezirksamt „Subventionierung“ des neuen Trägers vor

    „Die 2000 Euro sind völlig aus der Luft gegriffen und werden von keiner Kostenermittlung abgedeckt“, klagt auch Michael Heihsel von der Gruppe der FDP im Bezirk. Zudem wird „puk a malta“ durch zehn FAV-Stellen vom Jobcenter gefördert. „FAV“ steht für „Förderung von Arbeitsverhältnissen“. Das bedeutet, dass Arbeitgeber vom Staat einen Zuschuss von bis zu 75 Prozent für das Arbeitsentgelt ihrer Beschäftigten bekommen. Für die zehn Stellen aus dem zweiten Arbeitsmarkt dürften im Jahr 120.000 Euro zusammenkommen. Die acht Angestellten aus dem ersten Arbeitsmarkt, die Radack zuvor beschäftigt hatte, haben dagegen ihren Job verloren. Für Heihsel ist das Ganze ein klarer Fall von Subventionierung. Er hat Akteneinsicht genommen und sieht sich bestätigt: „Aus den Unterlagen geht klar hervor, dass der Cafébetrieb subventioniert werden soll“, sagt er.

    Auch der Rechnungshof ist alarmiert: Anlässlich der bisherigen Berichterstattung im Tagesspiegel prüft er den Fall Café Sibylle. „Das Verfahren läuft“, heißt es auf Anfrage. Kurzfristig seien keine Ergebnisse zu erwarten. Die erste Anfrage des Rechnungshofs ans Bezirksamt Friedrichshain-Kreuzberg ging Anfang August raus.

    Im Mailverkehr zwischen Mildner-Spindler und dem neuen Betreiber sowie zwischen Mildner-Spindler und Baustadtrat Florian Schmidt (Grüne) gibt es Passagen, die zumindest den Anschein erwecken, der Nutzungszweck des Cafés sei zurechtgebogen worden, um den Zuschuss rechtlich zu ermöglichen.

    Bezirksamt verweist auf vertragliches „Nutzungsentgelt“
    Das Bezirksamt weist diesen Verdacht entschieden zurück. Die geschlossene Nutzungsvereinbarung sehe die Zahlung eines Nutzungsentgelt dafür vor, „dass im Café Sibylle die dem Bezirk gehörende Ausstellung zur Geschichte der Stalinallee/Karl-Marx-Allee gezeigt wird und das Bezirksamt das Café für Veranstaltungen zur Bürgerbeteiligung und Bürgerinformation im Rahmen des Stadtumbau Ost, hier Friedrichshain-West, nutzen kann“, sagt Stadtrat Mildner-Spindler auf Tagesspiegel-Anfrage.

    Tatsächlich finden im Café Sibylle derzeit die Beratungen der Mieter in der Karl-Marx-Allee statt, die vom Verkauf ihrer Wohnungen an die Deutsche Wohnen betroffen sind. Der geschwungene Namenszug über dem Eingang des Cafés gehört noch dem alten Betreiber Radack. Er möchte ihn bald abmontieren.

    #Berlin #Friedrichshain #Frankfurter_Allee #Die_Linke #Gentrifizierung #Stadtentwicklung

  • Café Sibylle - Ex-Wirt spricht von Betrug | Berliner-Kurier.de
    https://www.berliner-kurier.de/berlin/kiez---stadt/-subventionsbetrug---caf%C3%A9-sibylle--ex-wirt-schenkt--bezirk-eine

    Ergänzung zu https://seenthis.net/messages/777758

    03.01.19 von Christian Gehrke

    Harte Mauschelei-Vorwürfe gegen das Bezirksamt Friedrichshain-Kreuzberg. Der neue Betreiber vom Café Sibylle in der Karl-Marx-Allee erhält monatlich 2000 Euro vom Bezirk, um eine Ausstellung zu zeigen. Ex-Betreiber Uwe Radack hat so eine Hilfe nie bekommen, er spricht von Subventionsbetrug. Sein Vorwurf: Stadtrat und Bezirksbürgermeisterin haben ihn ausgebootet. Der Landesrechnungshof prüft die Sache.

    „Das ist Subventionsbetrug!“

    Dass Uwe Radack (61), das DDR-Kultcafé im März 2018 aufgeben musste, nimmt ihn noch immer mit. „Dabei hatte ich ein klares Konzept, habe die Ausstellung mit eigenem Geld am Leben erhalten. Die neue Miete konnte ich nicht zahlen. Meine sieben Angestellten musste ich entlassen.“

    Er findet es verwunderlich, dass der Bezirk nun 2000 Euro „Nutzungsentgeld“ für seine Nachfolgerin bereitstellt. „Das ist Subventionsbetrug!“ Merkwürdig ist aber, dass sich früher mal Uwe Radack und mal sein Kollege Peter Schröder in der Presse als Betreiber ausgegeben haben.
    Vorgehen des Bezirksamts wird geprüft

    Rückschau: Der eigentliche Hauptmieter des Gebäudes, mit dem Radack einen Untermietvertrag hatte, ging im Februar insolvent. Bezirk und Hausverwaltung setzten einen neuen Vertrag auf und suchten einen neuen Betreiber für das Café . „Die Miete war im Vergleich zu 2014 um 185 Prozent gestiegen“, klagt Radack. Eine Unterstützung habe der Bezirk ihm nie angeboten. Bei der Suche nach einem neuen Betreiber sei er nie gefragt worden.

    Dass hier etwas nicht mit rechten Dingen zugeht, glaubt inzwischen auch der Landesrechnungshof. Er bestätigte dem KURIER, dass er das Vorgehen des Bezirksamts prüft. Bezirksstadtrat Knut Mildner-Spindler (Linke) sagt auf Anfrage, man habe sehr wohl mit Radack zusammenarbeiten wollen. Ihm sogar Unterstützung angeboten. Die Geldsumme sei noch unklar gewesen „Er hat seinen Rückzug mitgeteilt.“

    Neu-Betreiberin Angelika Zachau (65) zum KURIER: „Ich verstehe seine Enttäuschung. Doch wir zahlen die volle Miete für die Ausstellung. Uwe Radack zahlte nur für den Café-Betrieb, also nur die halbe Miete.“

    #Berlin #Friedrichshain #Frankfurter_Allee #Die_Linke #Gentrifizierung #Stadtentwicklung

  • Das System Café Sibylle
    http://www.cafe-sibylle.de

    Wo Café Sibylle drauf steht, ist noch lange nicht Café Sibylle drin!

    Eine Bestandsaufnahme mit der Forderung nach Transparenz beim Bezirksamt Friedsrichshain/Kreuzberg.

    Ausgehend von der umfänglichen Mitteilung der Krea GmbH vom 28.03.2018 zur Schließung des Cafe Sibylle sind neue überaus fragwürdige Entwicklungen rund um das Cafe Sibylle entstanden. Die Krea GmbH mit Uwe Radack musste das Cafe Sibylle am 31.03.2018 schließen und räumen, da der Mietvertrag zum 31.03.2018 ausgelaufen ist. Über die Versuche einer Fortführung des Cafe Sibylle wurde in der o.g. Mitteilung Stellung bezogen.
    Am 19.11.2018 wurde das Cafe Sibylle neu eröffnet. Hauptmieter und Betreiber ist die puk malta gGmbH. Der Verein ist im Wedding ansässig und wirbt mit dem folgenden Slogan:

    Zu unserem Programm gehören berufsvorbereitende Maßnahmen in den Berufsfeldern Gastronomie, EDV/Büro, Pflege mit Erwerb von Schulabschlüssen vom Hauptschulabschluss bis zum Mittleren Schulabschluss, Umschulungen im Informatikbereich, EDV-Weiterbildung, Deutschkurse.

    Ein direkter Bezug zum bisherigen kulturhistorisch geführten Kiezcafe ist so ohne weiteres leider nicht erkennbar.
    Wie kam es zur Auswahl dieses Vereins?

    Hier muss ich zunächst feststellen, dass die puk malta gGmbH erstmals am 28.03.2018 in einer Email vom Stadtrat Herrn Mildner-Spindler als möglicher Träger der Ausstellung genannt wurde. Es fand also bis zum Ablauf des Mietvertrages zum 31.03.2018 KEIN Auswahlprozess über die mögliche Fortführung des Cafe Sibylle statt. Zumindestens nicht mit mir als bisherigen erfolgreichen Betreiber.
    Am 06.08.2018 fand im Beisein von Ute Donner ein Bürgergespräch mit der Bezirksbürgermeisterin, Frau Herrmann, statt. Noch in diesem Gespräch wurde uns mitgeteilt, dass noch keine endgültige Entscheidung zugunsten der puk malta gGmbH getroffen sei.
    Wie jetzt bekannt wurde hat die puk malta gGmbH einen Mietvertrag abgeschlossen, in der ihr folgende Subventionen zugesichert wurden:

    1. 2.000,00 € monatlicher Zuschuss für die Bereitschaft, dass kommunalpolitische Veranstaltungen im Cafe Sibylle stattfinden können (Anmerkung: Die Krea GmbH hatte zuvor eine Vielzahl dieser Veranstaltungen kostenfrei eingeräumt, ohne Zuschuss natürlich)

    2. Mitarbeiterzuschüsse (ca. 120.000 Euro/Jahr) aus verschiedenen Förderungsprogrammen der Arbeitsagentur.

    Ich stelle hiermit die Frage, nach welchem Auswahlprozess wurden diese Mittel gewährt?Warum wurde ich als bisheriger erfolgreicher Betreiber nicht mehr in irgendeinen Auswahlprozess berücksichtigt?
    Warum erteilt mir Herr Mildner-Spindler am 26.03.2018 eine Absage an jegliche Beteiligung an den Kosten der Ausstellung, obwohl die Problematik seit Dezember 2017 im Bezirksamt bekannt war ?
    Mit welcher konkreten Zweckbestimmung wurden die Fördermittel genehmigt?
    Welche Absprachen gab es zwischen Herrn Mildner-Spindler und der puk malta gGmbH?

    Es ergeben sich aber noch weitere Fragen zum Sündenpfuhl der Subventionierung im Café Sibylle:

    Der vorherige Hauptmieter war bekanntlich die BUF, Berufsförderungswerk Bekleidung Berlin e.V.
    Dieses Konstrukt spricht auch nicht für ein kulturhistorisches Kiezcafe in Berlin-Friedrichshain. Es ist jedoch bestätigt, dass auch die BUF eine Vielzahl von Fördergeldern erhalten hat. Ich kann hier versichern, dass die BUF seit Januar 2016 bis zu ihrer Insolvenz mit keiner einzigen Fördervariante im Café Sibylle tätig geworden ist. Weder gab es Veranstaltungen der BUF (NULL-Aktivitäten) noch sind in den 2 Jahren jemals geförderte Mitarbeiter der BUF im Cafe Sibylle gewesen (NULLMitarbeiter). In diesem Zusammenhang teilte mir Herr Mildner-Spindler am 26.03.2018 mit, dass es für die Geschichtswerkstatt, mithin für die Ausstellung, noch aktuell Zuschüsse aus dem Förderinstrument „Förderung von Arbeitsverhältnissen“ auf der Grundlage § 16e SGB II zugunsten der BUF bis zum Jahre 2019 gibt. Es erheben sich hieraus folgende Fragen:

    Wer hat in der Zeit der BUF, 01.07.2014 – 31.03.2018 über Fördergelder/ Förderprogramme in
    welcher Höhe seitens des Bezirksamtes entschieden?
    Wie wurden diese Fördergelder abgerechnet, wenn es doch keine tatsächlichen Aktivitäten im Cafe Sibylle gab?
    Das Cafe Sibylle als historischer Geschichtsort und Kiezcafe befindet sich im Abwärtstrend. Das Cafe Sibylle blieb 7 Monate geschlossen, kein Ausstellungszugang, nichts. Am 18.11.2018 hat die puk malta gGmbH das Cafe wieder eröffnet. Jeder kann sich selbst davon überzeugen: Es ist nicht mehr das Cafe Sibylle drin. Kahle Wände, eine defekte Ausstellung, verschmierte Schautafeln.
    Am 20.08.2018 fand vor dem damals noch geschlossenen Cafe Sibylle eine Aktion Protestcafe Sibylle statt. Dort äußerte sich die zukünftige Mieterin und Betreiberin, der Verein puk Malta gGmbH, vor den versammelten Protesten. Sie stellte u.a. 3 Dinge klar:
    – keine Protestregenschirme
    – keine Unterschriften Mauer
    – kein Bedarf an Gesprächen mit den vorherigen Betreibern, sowohl Herr Schröder als auch ich waren persönlich anwesend.
    Es gibt keinen Kiezcharakter mehr im Cafe Sibylle. Es gibt kein Kulturangebot, keine Kiezkünstler sind vorhanden. Die Streetart Künstlerin Ute Donner wurde aus dem Cafe verbannt.

    Die Fragen daraus:

    Welchen Einfluss hat das Bezirksamt auf die inhaltliche Gestaltung des Café Sibylle genommen?
    Wer war dafür verantwortlich?
    Wann wird es eine Erneuerung der Ausstellung geben?
    In der Zeit vom 01.04.2018 bis zum 30.10.2018 blieb das Café Sibylle geschlossen. Es stellt sich hier die Frage, wer hat die laufend anfallende Miete gezahlt?

    Bis auf die Ausstellungsfläche war das Café leer. Die Frage daraus:

    Hat das Bezirksamt dem Vermieter in irgendeiner Weise eine Kompensation für den Mietausfall
    vom 01.04.2018 bis 30.10.2018 bezahlt?

    Der Verwalter dieser Einheiten ist die Predac Immobilienmanagement GmbH. Der Mietpreis für die Fläche des Café Sibylle lag am 01.07.2014 bei 7,32 Nettokaltmiete. Über moderate Staffelsteigerungen sollte der Mietpreis jedoch per 01.04.2018 bei 13,50 € liegen, eine satte Steigerung auf 186%.

    Die Gesamtfläche des Cafe Sibylle beträgt 197 m/2, wovon der ausstellungs-neutrale Teil 90 m/2 ausmacht. Die Predac verlangt also für eine neutrale Ausstellungsfläche ebenso 13,50 € und lässt sich diese durch das Bezirksamt nunmehr subventionieren.
    Auch hier die Fragen:

    Hat Herr Mildner-Spindler gegenüber der Predac GmbH den hohen Gesamtmietpreis persönlich bestätigt?
    Ist dem Bezirksamt klar geworden, dass nur durch eine Subventionierung der Miete die Fläche des Café Sibylle gehalten werden kann?
    Warum hat das Bezirksamt aufgrund der Rahmenvereinbarung mit der Predac GmbH keine Einfluss auf eine moderate Miete genommen?

    Hinsichtlich der Gewerbeansiedlungen in diesem Teil der Karl-Marx-Allee sei auch auf folgende Entwicklungen hingewiesen.
    Das historische Lichthaus musste 2017 gehen. Es wurde jetzt ein Internetmöbelhandel angesiedelt, welcher nur 2 Tage in der Woche geöffnet hat. Diese Ansiedlung setzt sich mit weiteren Kleinmöbel Geschäften und Ausstellungen fort. Die Traditionsfortführung von Kulturveranstaltungen in der Karl-Marx-Buchhandlung musste einem Cocktailverlag weichen.

    Liebe Freunde und Unterstützer. Gern könnt Ihr Eure weitergehenden Fragen mit einbringen. Wir werden alle offenen Fragen an die Bezirksverordnetenversammlung und andere geeignete Stellen weiter leiten.

    Wir möchten Euch auch auf folgende aktuelle Publikationen hinweisen:
    Tagesspiegel vom 22.12.2018
    https://www.tagesspiegel.de/berlin/berlin-friedrichshain-hat-der-bezirk-das-cafe-sibyllesubventioniert/23792298.html

    Berliner Kurier 03.01.2019
    https://www.berliner-kurier.de/berlin/kiez---stadt/-subventionsbetrug---caf%C3%A9-sibylle--ex-wirt-schenkt--bezirk-eine

    Krea Gesellschaft für Grundbesitz und Projektsteuerung mbH
    Schönstr. 53
    13086 Berlin
    Hrb: 45674B
    Geschäftsführer: Uwe Radack

    Kontakt: Tel: 01714788909

    #Berlin #Friedrichshain #Frankfurter_Allee #Die_Linke #Gentrifizierung #Stadtentwicklung

  • Protest gegen Aus: Jugendzentrum Drugstore gibt Standort in Berlin-Schöneberg auf | Berliner Zeitung
    https://www.berliner-zeitung.de/berlin/protest-gegen-schliessung-jugendzentrum-drugstore-gibt-standort-in-

    Begleitet von Protesten hat das Jugendzentrum Drugstore nach mehr als 45 Jahren seinen bisherigen Standort in Berlin-Schöneberg aufgegeben. Die Schlüssel für die Potsdamer Straße 180 seien freiwillig abgegeben worden, hieß es in einer Mitteilung vom Montag bei Facebook. Das Kollektiv des Zentrums Potse - seit rund 40 Jahren im selben Gebäude - habe sich jedoch entschieden, in seinen Räumen zu bleiben. „Die angebotenen Ersatzräumlichkeiten stellen im besten Falle eine Witz dar“, hieß es in der Mitteilung.

    Gegen Verdrängung und Ausgrenzung

    Rund 150 Menschen demonstrierten am Montag nach Veranstalterangaben vor dem Gebäude in der Potsdamer Straße. Nach Angaben der Polizei gab es zunächst keine Zwischenfälle. Im Internet wurde zu Solidarität und zur Besetzung des Hauses aufgerufen. Das Drugstore-Kollektiv habe sich mit Rücksicht auf andere Projekte seines Trägervereins Sozialpädagogische Maßnahmen Berlin (SSB) gegen eine Besetzung entschlossen, sagte eine Sprecherin. Die Jugendzentren würden jedoch weiterhin gemeinsam gegen Verdrängung und Ausgrenzung kämpfen.

    Die Potsdamer Straße im Berliner Westen wird zunehmend von Bürogebäuden, Galerien, Boutiquen und Eigentumswohnungen mit steigenden Immobilienpreisen geprägt. Das autonome Jugendzentrum kämpft seit Jahren um seinen Erhalt. Nachdem die Mietverträge mehrfach verlängert wurden, ist nun zum 3. Januar 2019 Schluss. Der Bezirk Tempelhof-Schöneberg hat sich um Ausweichquartiere bemüht. Diese sind aus Sicht von Drugstore und Potse mit Blick auf das Veranstaltungskonzept wenig geeignet und existenzgefährdend.

    #Berlin #Schöneberg #Potsdamer_Straße #Pallasstraße #Jugend #Gentrifizierung

  • Monbijoutheater in Berlin-Mitte bangt um Existenz: Lärmschutz sorgt für Ärger mit Nachbarn | Berliner Zeitung
    https://www.berliner-zeitung.de/berlin/laermschutz-aerger-das-monbijoutheater-bangt-um-seine-existenz-3167

    Das Monbijoutheater in Mitte gehört zu den bekanntesten Spielstätten der Stadt. Am Ufer der Spree, gegenüber der Museumsinsel, führt die freie Theatergruppe im Sommer Stücke von Shakespeare, Schiller und Goethe auf. Gäste sitzen an der Strandbar Mitte, die es seit 17 Jahren gibt und die die älteste Strandbar der Stadt ist.

    Abends tanzen dort Besucher unter freiem Himmel. Tango, Walzer und Swing. Und im Winter lesen Schauspieler in zwei Märchenhütten Geschichten für Kinder und Erwachsene vor. 110.000 Besucher kommen jedes Jahr. Die Tourismusagentur Visit Berlin empfiehlt Gästen der Stadt diese Sehenswürdigkeit.

    Doch jetzt fürchten die 80 Mitarbeiter des Theater- und Barbetriebes um ihre Existenz. Die neuen Nachbarn, die dieses Jahr in die lukrative Immobilie Forum Museumsinsel gezogen sind, haben sich bei ihm mehrfach über die abendlichen Geräusche aus der Strandbar und von der Bühne beschwert.

    Um 22 Uhr muss Ruhe sein
    Vor vier Jahren hatte der bayerische Unternehmer Ernst Freiberger die denkmalgeschützten einstigen Charité-Gebäude und das Reichstelegrafenamt gekauft und den historischen Komplex für 300 Millionen Euro zum neuen Stadt- und Kunstquartier mit hochwertigen Wohnungen, Hotel, Gastronomie und Galerien umgebaut. In diesem Jahr sind die ersten Bewohner eingezogen.

    Seitdem gibt es Ärger. Theater-Direktor Christian Schulz sagt, während es in den vergangenen zwei Jahrzehnten keine Probleme mit dem Lärmschutz gegeben habe, forderten die zugezogenen Bewohner nun eine „genaue Einhaltung“. Das heißt, um 22 Uhr muss Ruhe sein. Praktisch heißt das, die ersten Vorstellungen müssten 18.30 Uhr beginnen, alle Aufführungen und Open-Air-Tanzabende müssten bis spätestens 22 Uhr beendet sein, auch die Strandbar muss dann schließen.

    #Berlin #Mitte #Theater #Kultur #Gentrifizierung #Verdängung

  • Karl-Marx-Allee: Friedrichshain-Kreuzberg legt sich mit Deutsche Wohnen an | Berliner Zeitung
    https://www.berliner-zeitung.de/berlin/karl-marx-allee-bezirk-legt-sich-mit-deutsche-wohnen-an-31617076

    Der Bezirk Friedrichshain-Kreuzberg legt sich mit dem Konzern Deutsche Wohnen an. Nachdem die Berliner Zeitung vor kurzem darüber informiert hatte, dass der größte private Vermieter der Stadt rund 700 Wohnungen an der Karl-Marx-Allee erwerben will, versucht Baustadtrat Florian Schmidt (Grüne), dem Konzern einen Strich durch die Rechnung zu machen.

    Für drei der vier Gebäudeblöcke an der Allee mit mehr als 600 Wohnungen bestehe zwar kein gesetzliches Vorkaufsrecht, doch prüfe das Bezirksamt die Möglichkeit eines „treuhänderischen Kaufs“, beispielsweise über eine städtische

    Zwei Monate Zeit

    Wohnungsbaugesellschaft, teilt Schmidt den Mietern jetzt in einem Schreiben mit. Betroffen sind die Blöcke C-Nord, C-Süd sowie D-Nord, die alle im Bereich zwischen dem Frankfurter Tor und dem Strausberger Platz liegen. Die Mietwohnungen in diesen Gebäuden wurden laut Schmidt bereits in Eigentumswohnungen umgewandelt. Der jetzt stattfindende Verkauf führe dazu, dass das gesetzliche Vorkaufsrecht für die Mieter ausgelöst werde. Darüber seien die Mieter durch den beauftragten Notar bereits informiert worden. 

    Die Mieter haben zwei Monate Zeit, um von ihrem Vorkaufsrecht Gebrauch zu machen – ab Zugang der Mitteilung durch den Notar. Das spezielle Problem in diesem Fall: Sie können nur dann ihre Wohnung kaufen, wenn das Geld für den Erwerb bereits vorhanden sei, schreibt Schmidt in dem Brief. Denn durch die Verträge sei eine Kreditaufnahme bei einer Bank mit Grundbuch-Sicherung noch vor der Eigentumsumschreibung ausgeschlossen. 

    Vorkaufsrecht in Milieuschutzgebieten

    Dass es Mieter gibt, die das Geld parat haben, gilt als unwahrscheinlich. Aus diesem Grund will der Bezirk Friedrichshain-Kreuzberg die Möglichkeit des treuhänderischen Erwerbs prüfen. Hierbei würde beispielsweise eine landeseigene Wohnungsbaugesellschaft die Wohnung übernehmen und dann weiter an die jetzigen Bewohner vermieten. 

    Beim Block D-Süd, in dem es rund 80 Wohnungen gibt, ist die Ausgangslage eine andere: Dieser Block liegt im Milieuschutzgebiet Weberwiese. Hier hat der Bezirk ein gesetzliches Vorkaufsrecht. Die Deutsche Wohnen kann dies jedoch ins Leere laufen lassen, wenn sie eine Vereinbarung unterzeichnet, in der sie sich zur Einhaltung der Milieuschutz-Ziele verpflichtet.

    Bewohner sind alamiert

    Als Käufer der Wohnungen in der Karl-Marx-Allee tritt laut Stadtrat Schmidt die DWRE Alpha GmbH auf. Dabei handelt es sich laut Geschäftsbericht der Deutschen Wohnen um ein Tochterunternehmen des Konzerns. Gegenstand der Geschäftstätigkeit ist laut Handelsregister unter anderem „der Erwerb und die Veräußerung von Grundstücken“.

    Die Bewohner sind alarmiert. Sie befürchten, dass das Vorkaufsrecht bei dem Geschäft unterhöhlt werde, wie aus einer Stellungnahme des Mieterbeirats hervorgeht – und fordern die Überprüfung der Transaktion.

    #Berlin #Friedrichshain #Karl_Marx_Allee #Immobilien #Gentrifizierung #Widerstand #Politik

  • Interview mit Pappsatt | reclaimyourcity
    http://reclaimyourcity.net/content/interview-mit-pappsatt

    „Die Pappen sind noch lange nicht alle“ - Ein Gespräch mit dem Kunst- und Politkollektiv pappsatt
    (zuerst veröffentlicht in der ak – analyse & kritik. Zeitung für linke Debatte und Praxis / Nr. 574 / 17.8.2012 )
     

    Mitten in einem von der Gentrifizierung schwer gezeichneten Stadtteil Berlins hat pappsatt sein zuhause. Hier, im selbstironisch genannten »pappquartier«, traf ak-Autor Hartl Konopka mit Mao, Kelly, Benno, Simit und Tony (alle Namen auf Wunsch geändert) fast den gesamten Kern des Kunstkollektivs, das zu bestimmten Anlässen bis zu 25 Personen umfasst. Der Kampf um die Stadtentwicklung ist das Hauptthema von pappsatt. »Hier ist die Gentrifizierung aber schon durch«, meint Kelly auf die Frage nach ihrer Rolle als KünstlerInnen im Verdrängungsprozess.

    Die erste Aktion hatte pappsatt mit einem Fassadentransparent zur Demo »Mediaspree versenken«. Vier mal sechs Meter groß, Aufschrift: »Ihr habt eure Baupläne ohne uns gemacht«.

    Das Thema Mediaspree war dann auch Inhalt ihres ersten Films. Der wurde unter mehreren Bewerbungen ausgewählt und in Kinos gezeigt, um für den Bürgerentscheid gegen Mediaspree zu mobilisieren. Im Netz wurde er so häufig angeklickt, dass pappsatt für Berlins Viral Video Award nominiert wurde und in der Publikumsabstimmung nur knapp den ersten Preis verpasste.

    Pappsatt erweiterte dann bald sein Interventionsrepertoire. Neben weiteren Mobilisierungsvideos (Fast alle Videos sind abrufbar auf Vimeo) gab es Kunstaktionen auf verschiedenen Demos wie z.B. den Anti-NATO-Aktionen 2009 in Straßburg und Kehl sowie erst vor kurzem bei Blockupy in Frankfurt, ein Musikvideo, einen Lehrfilm mit dem Titel »Was ist Gentrifizierung?«, Workshops, Fassadenbemalungen (Anfragen an: pappsatt@riseup.net) und, inzwischen schon zum dritten Mal, die Gestaltung eines Zirkuszeltes beim Musik- und Kunstfestival Fusion. Von dort waren sie auch ganz frisch nach Berlin zurückgekommen, nach knapp drei Wochen harter Arbeit und kurzem Abfeiern.

    Die Arbeiten und Aktionen des pappsatt-Kollektivs werden breit rezipiert, nicht nur im Internet und in linksradikalen Magazinen wie der Interim. Ihre überdimensionalen character wurden in den Heute-Nachrichten des ZDF gezeigt, ihre Sprechblasen waren in der Berichterstattung zu Blockupy überall zu sehen, ihr Musikvideo »Die Seitenlehne« schaffte es bei den Oberhausener Kurzfilmtagen vor zwei Jahren in die Top Ten, und mit ihrem Film zu einer Häuserräumung kamen sie auf die Titelseite von Springers BZ. »Der Höhepunkt meiner Karriere«, witzelt Benno. In dem recht lebhaften zweieinhalbstündigen Gespräch mit den fünf (zwei Frauen, drei Männer, was in etwa dem Geschlechterverhältnis der ganzen Gruppe entspricht) ging es um ihr Verständnis von politisch eingreifender Kunst, ihre Arbeitsweise, Entscheidungsstrukturen sowie Themen wie Humor, Ferienkommunismus, Hedonismus, Graffiti und Einmischung in Stadtpolitik.

     
    :Fangen wir doch mal mit dem Musikvideo »Die Seitenlehne« an. Wie kam es dazu, und wie habt ihr gearbeitet?

    MAO: Da haben wir zum ersten Mal in einem Riesenteam gebastelt, mit bis zu 25 Beteiligten. 2009 hat uns Lena Stoehrfaktor von Connexion Musical (Politrap-Gruppe aus Berlin) gefragt, ob wir für sie ein Musikvideo machen wollen. Das hat es umgedreht: Vorher hatten wir immer Bilder gemacht u. nachträglich Musik dazu gesucht, jetzt plötzlich haben wir Musik bekommen und sollten einen Film dazu machen. Wir fanden die Musik gut, ihre Inhalte vor allem, und da haben wir nicht lange überlegt. Da haben wir mehrere Monate daran gearbeitet. Im Oktober 2009 haben wir damit angefangen, die Kulisse zu bauen. Im Februar 2010 wurde das Ganze releast. Das Material hatten wir bis Mitte Dezember, im Januar wurde an einem Wochenende gedreht und im Anschluss geschnitten. Vorher waren das zwei Wochen Sweatshop in meinem Zimmer.

    BENNO: Da hat sich dann die Arbeitsweise entwickelt, dass wir Aufgaben aufgeteilt haben. Dass ihr beide (zeigt auf Mao und Kelly) die Kulisse gemacht habt, den Wagen. Und ich hab die Grundstruktur für die Marionetten gemacht. Die Massenaktion war dann, dass verschiedene character entstehen, verschiedene Gesichter, verschiedene Klamotten, verschiedene Hände und Füße, dass das eine bunte Mischung wird.

     

     

     
    :Wer sind die Leute, die dazukommen, und wer definiert sich als pappsatt?

    TONY: Was pappsatt ausmacht und wo wir die Leute auch herhaben, ist die Schnittstelle von sozialen linken Bewegungen und Kunst und Design. Und dass wir innerhalb dieser Schnittstelle die Leute gefunden haben und die mittlerweile auch ganz gut mobilisieren können.

    SIMIT: Der Kern ist pappsatt, aber auch die große Gruppe, die sich dann formiert, ist pappsatt. Auf der Fusion mit 20 Leuten sind wir pappsatt und bei anderen Projekten auch wieder andere.

     

    Als die Räumung der Liebigstr. 14, eines besetzten Hauses in Berlin-Friedrichshain, bevorstand, hat ein Video von pappsatt für Furore gesorgt. Springers BZ titelte: »Linkes Hass-Video gegen Körting«. Die Handlung des Sabotage-Videos wurde hier erweitert um eine fiktive Entführung des Innensenators Körting, der in Anlehnung an das berühmte Schleyer-Foto der RAF ein Schild hält mit der Aufschrift »Seit 4 Tagen nur vegane Pampe«. Ein schwarzhumoriges Spiel mit Bildern von damals, nur dass im Liebigfilm die Körtingfigur zum Schluss freigelassen wird. Wie war es dazu gekommen?

    BENNO: Wir sind keine Verfechter des Gewaltfetischismus und wollen immer was mit Witz und Ironie machen, darin versteckt radikale, militante Forderungen. Ich bin für ein Neben- und Miteinander verschiedener Aktionsformen. Es war sehr wenig Zeit bis zur Räumung, und da haben wir uns eine Story überlegt. Ich hab dann einen Drum’n’Bass-Remix des Songs »Sabotage« von den Beastie Boys gefunden. Das Video zu »Sabotage« fand ich damals so megageil, das hat mich geflasht und auch beeinflusst. Und da haben wir gedacht: Das ist eine super Vorlage, da können wir ein Remake drehen mit einfachen Mitteln. Wir spielten drei Tiere, die für die radikalen Berliner stehen, die sauer werden, wenn sowas passiert. Wir haben dann das Video gemacht, in zwei Nächten geschnitten und ins Netz gestellt. Am nächsten Tag war ich auf einer Party, eben in der Liebig 14, und da hat einer zu mir gesagt: Ey, hast du schon gesehen, das Video ist auf dem Cover der BZ.

    KELLY: Wenn jetzt die Stadt schon großer Themeninhalt bei uns ist und der Konflikt um die Liebigstraße auch ein Konflikt um die Stadt ist, und dann guck ich mir an, wer gegeneinander steht, und genau in dem Moment mit dem Humor einer autonomen Szene diese Sache anzugehen.

    BENNO: Die autonome Szene hat das auch verstanden. Das Titelbild der BZ war dann auf dem Cover der Interim, und da waren auch ein paar Worte an uns gerichtet: An die humoristischen Papp-Autonomen oder sowas. Der Titel war: »Wenn mensch trotzdem lacht.« Das war auch ein bisschen die Absicht. In die Stimmung rein, an dieses »Nehmt ihr uns die Liebig ab, machen wir die City platt« - und dann wird sie halt doch nie platt, jedes Mal nicht - , um mit Humor zu zeigen: Nehmt euch nicht so ernst.
     

     

    :Mit euren Arbeiten erreicht ihr auch noch einmal andere Leute. Da kriegt man richtig Lust, wo hinzugehen und sich zu widersetzen.

    TONY: Ein Punkt ist auch: ein Zeichen zu setzen an andere Gestalter, sich mit politischen Themen zu beschäftigen. Was wir, denke ich, auch geschafft haben. Eine andere Sache ist, dass bei pappsatt die Wahl des Materials wichtig ist. Wir beschränken uns ja auf sehr einfache Mittel, die jedem eigentlich überall, immer, kostenlos oder fast kostenlos zur Verfügung stehen. So dass schon durch die Materialität Do It Yourself nach außen getragen wird.

    BENNO: Apropos Do It Yourself: Gestern war dieser Anarchist aus Holland da und hat die Buchstaben gesehen, die hier auf dem Schrank stehen: DIT. Er hat gemeint: »Wofür steht denn das? Steht das für Do It Together?«

    KELLY: Das ist auf jeden Fall unser neuer Slogan. Ist viel besser als DIY.

    SIMIT: Die Kollektivalternative.

     

    :Ihr wart kürzlich beim Weltkongress der Hedonisten, euer neues T-Shirt hat den Aufdruck »DIEPAPPENSINDALLE« und zitiert damit auch ein Graffito bei der Fusion, das ironisch auf einen Engpass bei der Drogenversorgung hinweist. Welche Rolle spielen denn bei euch Hedonismus und Rausch?

     

    TONY: Ich glaube, dass wir uns jetzt zum ersten Mal mit dem Begriff »Hedonismus« beschäftigt haben, auf diesem Kongress. Wir haben uns noch nicht inhaltlich mit Hedonismus als Ideologie oder Gedanke auseinandergesetzt. Aber ich glaube trotzdem, dass diese Grundidee, Spaß und Lebensgenuss mit Politik zu verbinden oder es als Teil dessen zu sehen, und nicht nur für sich, sondern es mit anderen zu teilen oder zu fordern, dass andere das haben, wichtig für uns alle ist. Da die meisten von uns sehr lebensbejahende Menschen sind, findet sich das schon in unserer Arbeit wieder. Wir sind schon sehr fröhlich, spielerisch.

    KELLY: Was wir mit pappsatt machen, da steckt für mich viel mehr Selbstverwirklichung drin, als ich es vorher in politischen Gruppen erlebt habe. Es hat mir keinen Spaß gemacht, mit 20 Leuten einen Text zu diskutieren.

    SIMIT: Meine große Kritik am Hedonismus ist die starke individualistische Schiene, die ich raushalten will aus unserer Arbeit.

    BENNO: Ich finde, wir zeichnen uns weniger durch Hedonismus aus, sondern eher durch eine krasse Arbeitsethik und Workoholismus. Den Hedonismus gibt’s am Feierabend.

     

     
    :Pappsatt hat zum 1. Mai 2011 eine »Free-Oz«-Aktion gemacht. Was steckt dahinter?

    KELLY: Oz ist ein Sprüher aus Hamburg, der schon seit über 30 Jahren aktiv ist, den man nicht in so eine Sprüher- oder Graffiti-Szene reindeuten kann, weil er sehr abstrakt arbeitet und viel mit Formen macht, mit Smilies und Kringeln und Riesenpizzastücken. Der war insgesamt schon acht Jahre im Knast bzw. in gewissen Anstalten wegen Graffiti oder Sachbeschädigung. Und der hatte jetzt wieder eine Gerichtsverhandlung, wo er zu 14 Monaten Knast verurteilt wurde in der ersten Instanz. Für die zweiten Instanz gab’s dann eine größere Solikampagne, »Free Oz«, auch weil er weitere 14 Monate Knast vielleicht nicht so gut hätte wegstecken können in seinem Alter. Und da haben wir zum 1. Mai bei Tony im Hinterhof große Buchstaben gebaut, die wir mit rumgetragen haben, und daraus ist dann ein kleiner Clip entstanden, der die Praxis von Oz als eine städtische Aneignungspraxis darstellt, um die Stadt für alle bereitzustellen.

     

    :Wie ist die Verbindung von pappsatt zur Graffiti-Szene?

    MAO: Ein großer Teil der Gruppe kommt aus der Graffiti-Szene. Graffiti ist für uns eine Form der Aneignung der Stadt, eine Selbstermächtigung, dass man sich nicht mit den gegebenen Machtverhältnissen zufrieden gibt, sondern dass man die Stadt selbst mit gestaltet. Wir zitieren viele Graffitis in unseren Filmen.

    KELLY: Ich glaube schon, dass die jahrelangen Aktivitäten auf der Straße, sei es Streetart oder Graffiti, und die Praxis, die Stadt zur eigenen zu machen, unseren Blick geweitet haben. Wir mischen uns ein in die großen städtischen Prozesse. Mit Mediaspree hängen wir auch emotional an den Orten, die kaputt gehen, wenn die ihre Investorenträume umsetzen, weil viel von unserer Stadt drinsteckt, wie wir sie schön finden, wie sie in der Spontaneität und auch oft über irgendwelche Gesetze hinweg gemacht wird. Dieser Background in der Straßenkultur war der Zugang, dieses Feld weiter künstlerisch zu bearbeiten. Wie Christoph Schäfer (Autor des Buchs »Die Stadt ist unsere Fabrik«, Verlag Spector Books) sagt: Wenn unser Terrain die Stadt ist, dann sind unsere Berge, in die sich die Guerilla zurückzieht und die Aktionen plant, die Dächer.

     

     

     

    :Euer aktuellster Film war zu Blockupy in Frankfurt, Mitte Mai, dieses Mal ohne Pappe als Material. Dafür haben zehn Leute an einem Leuchttisch aus den Buchstaben CRISIS eine Geschichte gezeichnet, eine Nacht durch, wegen der gleichbleibenden Lichtverhältnisse.

    MAO: Das Schwierige an dem ganzen Projekt war, die Kritik an der EU-Politik, Finanzpolitik in der Krise usw. bildlich darzustellen, ohne sich der Bilder zu bedienen, die schon da sind. Letztendlich kamen wir auf die Idee, einzelne Elemente der Krise rauszunehmen und Aspekte und Auswirkungen bildlich darzustellen. Und dass die Krise keine der Banken ist, sondern bei den Menschen stattfindet, und zwar schon lange, nicht erst in den letzten Jahren.

    SIMIT: Krise ist nicht ein Thema wie NATO oder Dresden, sondern Krise ist ein gesellschaftliches Verhältnis, das alle Lebensbereiche erfasst und nicht vom Kapitalismus zu trennen ist. Und deswegen saßen wir da und dachten: Wir müssen eigentlich über alles etwas machen. Das war voll problematisch. Dann kam die Idee mit den Buchstaben.

    MAO: Es hat dann plötzlich so einen Spaß gemacht, dass es wie Anstehen war, bis man den Stift bekommen hat. Vorher hatte mich das Thema richtig gequält, und dann wurde es zu einem Selbstläufer.

     

    :Für die Demo selbst wurde auch viel vorbereitet.

    SIMIT: Die Vorbereitung der ganzen Tage in Frankfurt war ziemlich prekär. Von daher war es toll, dass sich pappsatt beteiligt hat, weil hier auch in Masse produziert werden kann.

    KELLY: Es gab einen Faceblock, eine Aktion, die in Zukunft vielleicht öfters eingesetzt werden soll: Gesichter auf Pappen, und auf der Rückseite eine Sprechblase. Man kann sie nebeneinanderhalten und beliebig kombinieren. Mit Sprüchen, was für die Menschen die Krise bedeutet oder welche Auswirkungen sie hat, z.B. »Warum verlier ich immer im Casino?«

    BENNO: Dazu Schilder aus Styropor, die die Berliner Finger in Frankfurt anführen sollten, mit verschiedenen Symbolen zu sozialen Kämpfen und, angelehnt an die italienischen tute bianche, etwas Schutz bieten sollten. Und Masken, zum Schutz gegen Pfefferspray, abgeschaut vom letzten Castor-Protest, aus Overhead-Folien, auf denen um die Augen ein 99% gemalt war, als Anspielung auf den Occupy-Slogan. Super simpel, schaut nett aus und hat einen praktischen Nutzen.

     

     
    :Und woher kommt der Titel pappsatt?

    MAO: Übertragen heißt es: Wir sind voll, wir sind bedient von Werbung, von Politik, wie sie machtmäßig von oben ausgeübt wird, und von vielem mehr. Und dazu das Wortspiel mit der Pappe, weil das unser Material ist.

    BENNO: Pappe ist ja selbst schon eine Aussage: Es ist die Verpackung der Konsumgüter, ein Wegwerfprodukt, das im Müll landet und jederzeit verfügbar ist. Man muss nur zur Papiertonne gehen. Hier ist es noch so, in Berlin, in Deutschland. In anderen Ländern ist es leider schon so, dass die Pappe immer gleich abgeholt wird von Recycling-Leuten, die die paar Cent auch noch brauchen. Von daher ist die Frage, wie lang das hier noch gehen wird.
    MAO: Wenn das passiert, dann bewaffnen wir uns bis an die Zähne.

    SIMIT: Mit Pappschwertern.

    #Berlin #Stadtentwicklung #Widerstand #Gentrifizierung

  • Absage an die Hauptstadt: Definitiv kein Google Campus in Berlin - Berlin - Tagesspiegel Mobil
    https://www.tagesspiegel.de/berlin/absage-an-die-hauptstadt-definitiv-kein-google-campus-in-berlin/23624804.html

    12.11.2018, 19:47 Uhr - Felix Hackenbruch Robert Klages

    In Lichtenberg hatten sie bis zuletzt auf Google gehofft. „Wir fordern den Berliner Senat und das Bezirksamt Lichtenberg auf, auf Google zuzugehen und die Idee, den Google-Startup-Campus auf dem ehemaligen Stasigelände anzusiedeln, auszuloten“, hatte am Sonntagabend der Aufarbeitungsverein Bürgerkomitee 15. Januar in einer Pressemitteilung gefordert.

    Die weltweit größte Suchmaschine auf dem Gelände der früheren Überwachungszentrale der DDR – für den Verein eine reizvolle Vorstellung. „Wo, wenn nicht hier, wird Google genau unter die Lupe genommen“, sagte Christian Booß, Historiker und Vorstandsmitglied des Vereins noch am Montagmorgen. Doch am Abend die Enttäuschung: Google wird den ursprünglich in Kreuzberg geplanten Campus definitiv nicht in Berlin ansiedeln.

    „Google wird nirgendwo in Berlin einen Google-Campus etablieren“
    Zuerst hatte Bezirksbürgermeister Michael Grunst (Linke) die Nachricht erhalten. „Google wird nirgendwo in Berlin einen Google-Campus etablieren“, sagte er dem Tagesspiegel nach einem Telefonat mit dem Konzern. Kleinere Kooperationen mit Google seien aber vorstellbar, dafür habe der Bezirksbürgermeister weitere Gespräche vereinbart. Auch die zuständige Senatorin Ramona Pop (Grüne) bestätigte das Aus im Wirtschaftsausschuss am Montag. Der CDU-Fraktionsvorsitzende Burkhard Dregger zeigte sich verärgert: „Das ist rot-rot-grünes, unternehmensfeindliches und die Zukunftsaussichten zerstörendes Totalversagen“.

    Der Lichtenberger CDU-Abgeordnete Danny Freymark, der die Idee eines Google-Campus auf dem Stasi-Areal mit eingebracht hatte, will trotzdem weiter für eine Ansiedlung von Google werben. „Ich erwarte, dass die Wirtschaftssenatorin proaktiv bei Google für den Standort wirbt“, sagte er. Gleichzeitig hofft er auf eine Realisierung der Idee eines Campus der Demokratie. Demnach könnten dort Studentenwohnheime, Cafés, Bibliotheken und Büros entstehen. „Ideen sind willkommen“, sagte Freymark. Seinen Angaben zufolge wurden große Teile des Grundstücks im Jahr 2004 für einen Euro von der Deutsche Bahn an einen privaten Investor verkauft. Dieser wiederum sei offen für einen Verkauf, so Freymark. Andere Teile gehören Bund und Land.

    Google Campus: Der Irrtum des Kreuzbergertums - Berlin - Tagesspiegel Mobil
    https://www.tagesspiegel.de/berlin/google-campus-der-irrtum-des-kreuzbergertums/23354200.html

    04.11.2018, 10:06 Uhr Ursula Weidenfeld

    Erst verdienen, dann verteilen: Was alle, die sich jetzt freuen, dass Google sein Berliner Campus-Projekt aufgegeben hat, nicht begriffen haben. Ein Zwischenruf.

    In der vergangenen Woche hat Google sein Campus-Projekt in Berlin begraben und die eigentlich dafür vorgesehene Immobilie als „Haus des sozialen Engagements“ an die Spendenorganisation Betterplace weitergereicht. Diese Entscheidung wurde in Berlin als Beweis dafür gefeiert, dass der Kapitalismus in dieser Stadt nicht alles kann. Doch die gute Laune in Kreuzberg-Friedrichshain offenbart auch etwas anderes.

    Sie zeigt, wie dynamisch sich die Bürger der Hauptstadt von den Grundlagen der sozialen Marktwirtschaft distanzieren – zum Beispiel von dem Wissen, dass der Wohlstand erst einmal erworben werden muss, bevor man ihn sozialen Zwecken widmen kann.

    Wer die Welt in Böse (Geldverdienen) und Gut (es für soziale Zwecke ausgeben) teilt, lehnt eine in der Vergangenheit sehr erfolgreiche Arbeitsteilung ab. Er nimmt in Kauf, dass am Ende weder Geld verdient wird, noch welches für soziale Zwecke da ist.

    Es gibt Gründe, Google zu kritisieren. Das berechtigte Misstrauen beginnt beim Verhalten des Konzerns gegenüber Wettbewerbern. Es steigert sich bei der Frage, wo und wieviel Steuern das Unternehmen zu zahlen bereit ist. Und es endet schließlich bei der Sorge um die persönlichen Daten.

    Da sitzen sie in ihrer Oase des vermeintlich Anständigen
    Doch hier geht es um etwas anderes. Wie schon bei dem gescheiterten Bauvorhaben auf dem Tempelhofer Feld mobilisiert das Kreuzbergertum seine Kräfte, um Eindringlinge aus der kapitalistischen Welt abzuwehren. Dabei übersieht es großzügig, dass von den Einkommen der Unternehmen und ihrer Mitarbeiter nicht nur die Geschäftsleute der Markthalle 9 profitieren. Davon leben auch Baustadträte, Lehrer und Sozialarbeiter.

    Die Nachricht, dass der Google Campus nun zur Hauptbetriebsstätte des sozialen Unternehmertums werden soll, ist ebenfalls nur auf den ersten Blick eine gute. Denn sie zeigt auch, wie sich ein Teil der Stadtgesellschaft in einer Oase des vermeintlich Anständigen einrichtet und das schmutzige Geldverdienen den robusteren Südwestdeutschen überantwortet.

    Von ihren Steuern und Abgaben profitieren die öffentlichen Haushalte Berlins, von ihrem Nachwuchs, ihrem Altruismus und ihren Stiftungen der gemeinnützige Sektor. Ist das nachhaltig?

    Ein Dorf (Kreuzberg) kann mit einer solchen Strategie vielleicht noch durchkommen. Eine Stadt (Berlin) kann es auf die Dauer nicht.

    Fuck off Google - Google-Campus Kreuzberg verhindern!
    https://fuckoffgoogle.de

    Wehren wir uns gemeinsam gegen den Google-Campus in Kreuzberg !
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    Jeden 2. und 4. Samstag (früher am Sonntag) im Monat von 15-19 Uhr findet das Anti-Google Cafe face2face im Kalabal!k (Reichenberger Str. 63a) statt.

    #Berlin #Kreuzberg #Stadtentwicklung #Gentrifizierung #Google #Widerstand