• Mehr Bier! Die Geschichte der Berliner Brauereien
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    17.1.2021 von Dirk Engelhardt - Diese alten Brauereien sind heute nicht mehr in Betrieb, Berlin hat heute nur noch eine einzige Großbrauerei. Einige Gemäuer haben sich jedoch durch die Weltkriege erhalten, sind heute zum Teil formvollendet restauriert – und erfahren unterschiedliche Nutzungen. Das für Berlin typische Bier war die Berliner Weiße, von der Bevölkerung eher als Grundnahrungsmittel angesehen denn als Bier – es war sauberer als Waser.

    Um das obergärige Bier zu brauen, brauchte man keine Brauerei, man konnte es auch zu Hause oder direkt in der Kneipe brauen. Anfang des 18. Jahrhunderts kam dann das untergärige Bier nach Berlin, das als bayerisches Bier bezeichnet wurde. Es ist schwieriger herzustellen, große Brauereien wurden dafür gebaut. Ende des 19. Jahrhunderts kam durch Dampfmaschinen eine neue Entwicklungsstufe des Bierbrauens auf, riesige Brauereien entstanden in der Folge.

    Schultheiss war die größte und betrieb riesige Brauereien an verschiedenen Standorten, meist mit angeschlossenen Biergärten. Schultheiss und Patzenhofer fusionierten 1920 zur größten Brauerei der Welt. Allerdings litt die Qualität an jener Massenproduktion – ein Fakt, der noch heute gilt.
    1. Kulturbrauerei

    Diese Brauerei gehörte einst dem Schultheiss-Imperium. Ihre Anfänge hat sie Mitte des 19. Jahrhunderts. Ende des 19. Jahrhunderts gab der Architekt Franz Schwechten dem rund 25.000 Quadratmeter großen Ensemble einen einheitlichen Stil nach dem Vorbild einer mittelalterlichen Burganlage, die bis heute erhalten ist. 1891 fusionierte die Brauerei mit dem größten Konkurrenten, der Tivoli Brauerei Kreuzberg. Es folgte der Aufstieg zur größten Brauerei Deutschlands mit 43 Niederlagen (eine Niederlage ist ein Lager und eine Abfüllung einer Brauerei) mit Eiskellern, 19 Schanklokalen, 65 Eisenbahnwaggons, 533 Wagen und 537 Pferden. Während der DDR-Zeit braute hier die VEB Schultheiss-Brauerei Schönhauser Allee bis 1967. Nach dem Mauerfall erfolgte der Umbau zur Kulturbrauerei mit Kinos, Theatern, Konzertsälen, Museen, Verlagen und Restaurants. Im Zuge des Denkmalschutzes wurden alle originalen Gebäudebeschriftungen wieder hergestellt. Der Franz-Club, den es schon zu DDR-Zeiten gab, heißt jetzt frannz Klub.

    Schönhauser Allee 36, Prenzlauer Berg, www.kulturbrauerei.de

    2. Bötzow-Brauerei

    Die Bötzow-Brauerei, gegründet 1864, war um 1900 eine von 14 Brauereien am Prenzlauer Berg. Das dort gebraute Bier wurde schnell beliebt und Bötzow errichtete einen Biergarten, der 6000 Besucher fasste. 1886 durfte Bötzow sich „Hoflieferant seiner Majestät des Königs von Preußen“ nennen. Gebraut wurde helles Versandbier, dunkles Nürnberger und helle Julherna. Ab 1919 wurde die Marke Bötzow Privat gebraut. Nach 1945 lagen große Teile des Geländes bis heute brach. 2010 kaufte der Unternehmer Hans Georg Näder das Gelände. David Chipperfield hat bereits Pläne für die neue Bebauung entworfen, vorgesehen ist unter anderem ein Biergarten, der Platz für 1500 Menschen bietet. Außerdem wird es ein Schwimmbad, ein Hotel und eine Kunstgalerie geben.

    Im Brauereigelände hatte Starkoch Tim Raue vor einigen Jahren ein schnuckliges Restaurant, „La Soupe Populaire“. Einige Häuser nutzt der Prothesen-Hersteller Ottobock.

    Prenzlauer Allee 242, Prenzlauer Berg, www.boetzowberlin.de

    3. Kindl-Brauerei Neukölln

    Das Emblem mit dem Goldjungen im Krug prangt auch heute noch auf den Biergläsern. Die Kindl-Brauerei in Neukölln wurde im Jahr 1930 errichtet, Kernstück ist das riesige Sudhaus. 1953 wurde es demontiert, der Standort wurde dann im Jahr 2005 endgültig stillgelegt. Unter dem alten Sudhaus produzierte eine Zeit lang noch die Privatbrauerei am Rollberg. Seit 2011 wird in den denkmalgeschützten Fabrikgebäuden zeitgenössische Kunst gezeigt, nämlich im Kindl-Zentrum für zeitgenössische Kunst.

    Am Sudhaus 3, Neukölln, www.kindl-berlin.de

    4. Schultheiss-Brauerei

    Die Schultheiss-Brauerei wurde im Jahr der Gründung des Deutschen Reiches, 1871, erbaut. Wie es damals üblich war, wollte man der riesigen Anlage einen ästhetischen Anblick geben, und so wirkt der Ziegelsteinbau mit seinen Türmchen und Zinnen wie eine Burg. Es gab Platz für Bierkutscher in Remisen, ein großes Sudhaus, einen Festsaal mit Kronleuchtern und riesige Gebäude für den Brauprozess und die Lagerung des Gerstensaftes.

    1913 war Schultheiss die größte Lagerbierbrauerei der Welt, man zählte 2800 Angestellte. Im Laufe der Zeit wurde die Brauerei immer wieder umgebaut. Das älteste noch erhaltene Gebäude ist das Sudhaus mit den sich nördlich anschließenden Kellereien, deren Bogengewölbe noch erhalten sind. 1980 wurde der Betrieb eingestellt, dann zogen eine Squash-Anlage, ein Billardsalon, ein Tapetengeschäft, ein Asia-Laden und Autowerkstätten in die Anlage.

    1995 wurde der Komplex unter Denkmalschutz gestellt, dann passierte erst einmal längere Zeit nichts. Als bekannt wurde, dass einige der denkmalgeschützten Gebäude abgerissen werden sollten, regte sich Bürgerprotest der Nachbarn – erfolgreich. 2015 sanierte dann die HGHI Baumanagement GmbH die Anlage mit rund 200 Millionen Euro.

    Im vorgelagerten Bereich wurden einige Nachkriegsbaracken abgerissen. Hier entstand ein Meininger-Hotel. Die alten Garagen für die Kutschen und die Brauereigäule auf der Hinterseite des Grundstücke wurden zu lichten Ateliers für Künstler und Kreative umgebaut, von denen es in Berlin ja bekanntlich mehr als genug gibt.

    Turmstr. 25, Moabit, www.schultheissquartier.de

    5. Königstadt-Brauerei

    Die Königstadt, der südliche Teil des Stadtteils Prenzlauer Berg, wurde im Zweiten Weltkrieg stark zerstört. Hier war der Sitz der Königstadt-Brauerei, gegründet im Jahr 1849. Nach dem Deutsch-Französischen Krieg 1871 wurde die Brauerei Aktiengesellschaft. Bier wurde hier von 1851 bis 1921 produziert, es war eine der größten Brauereien Berlins. 1903 erhielt die Brauerei ein Lokal, einen Saalbau, eine Ladenpassage, Restaurants, Kegelbahnen und einen Musikpavillon. 1921 übernahm Kindl die Brauerei und legte den Standort an der Saarbrücker Straße still, um sich der Konkurrenz zu entledigen. Der große Saal der Brauerei wurde 1925 zum „Ufa-Lichtspieltheater Königstadt“ umfunktioniert. Heute erhalten sind die Mälzerei, die Schankhalle, die Darre, ein Lagerhaus, das Kesselhaus, der Flaschenkeller, ein hoher Schornstein und das Eismaschinenhaus. Alle Gebäude stehen unter Denkmalschutz. Genutzt werden sie zum Wohnen und gewerblich, außerdem hat der „Roadrunners Paradise Club“ hier seinen Sitz.

    Saarbrücker Straße 24, Prenzlauer Berg, www.gidak.de

    6. Weißbierbrauerei Willner

    Die Weißbierbrauerei Willner war von 1882 bis 1990 eine Berliner Weißbierbrauerei. Berliner Weißbier ist das traditionelle Berliner Bier und hat seinen Ursprung im 16. Jahrhundert. Um 1800 gab es in Berlin rund 700 Weißbierlokale! Napoleons Soldaten sollen das Weißbier als „Champagner des Nordens“ bezeichnet haben. Nach dem Zweiten Weltkrieg konnte man hier das Weißbier an einer Bierklappe direkt auf dem Fabrikgelände kaufen. 2013 eröffnete auf dem Gelände ein improvisierter Biergarten. Auch der bekannte „Klub der Republik“, der ein Gebäudeteil nutzte, und „Emils Biergarten“ ist bereits Vergangenheit.

    Das Gelände direkt neben dem Viadukt der U-Bahnlinie U2 wurde umfassend umgebaut, jetzt haben hier Büros und Gewerbemieter ihren Platz.

    Berliner Straße 80, Pankow

    7. Engelhardt-Brauerei

    „Der Durst’ge auf die Theke starrt – ein Pilsener, aber Engelhardt“ – mit diesem Spruch warb früher die Engelhardt-Brauerei. Ihre Anfänge hatte sie auf der Halbinsel Stralau in Treptow 1860. Anfang des 20. Jahrhunderts war der Engelhardt-Konzern die zweitgrößte Brauereigruppe Deutschlands. Der Flaschenturm auf Stralau, 1929 von Bruno Buch gebaut, ist ein wichtiges Zeugnis Berliner Industriearchitektur. Hier wurden täglich 300.000 Flaschen abgefüllt. Er steht unter Denkmalschutz und ist heute zu einem Wohnhaus umgebaut. Während der Zeit der DDR firmierte die Marke unter VEB Engelhardt, hier wurde mit „Aubi“ 1972 das erste alkoholfreie Bier hergestellt.

    Am Standort Charlottenburg wurde in den 1970er-Jahren noch ein neues Sudhaus errichtet. Das Aus kam 1983, als Schultheiss die Brauerei übernahm. So bildete sich die „Interessengemeinschaft Engelhardt-Gelände e.V.“ und widmete das Gelände um für Büros, Wohnungen und Soziales. Die alten Gebäude, obwohl denkmalgeschützt, wurden Ende der 80er-Jahre abgerissen, und so ist heute kaum noch etwas von der alten Anlage sichtbar.

    Danckelmannstraße 9, Charlottenburg

    8. Bärenquell

    Ältere Berliner kennen vielleicht noch die kleinen, braunen Flaschen mit dem gemalten Bären in Grün-Gold darauf. Gegründet wurde die Brauerei als Borussia-Brauerei 1882, bis 1994 wurde hier Bier gebraut.

    Die Geschichte der Brauerei begann, als die Unternehmer Meinert und Kampfhenkel die Borussia-Brauerei gründeten. 1898 übernahm die Schultheiss-Brauerei die Anlage.

    Die Backsteingebäude wurden errichtet im Stil der Neugotik und der Neorenaissance. Das Bierlager aus dem Jahr 1928 zeigt den Stil des Expressionismus, das Neue Sudhaus aus dem Jahr 1969 ist im Stil der Internationalen Moderne gehalten. Nach dem Zweiten Weltkrieg übernahm die VEB Berliner Brauereien die Anlage, sie erhielt den Namen Bärenquell-Brauerei.

    Nachdem das Areal lange Zeit leer stand und von Vandalen heimgesucht wurde, gibt es jetzt Pläne für eine Umgestaltung. Büros, Einzelhandel und Kultur sollen auf mehreren als 1000 Quadratmetern angesiedelt werden.

    Schnellerstraße 137, Niederschöneweide, www.baerenquell.eu

    9. Bürgerbräu

    Das Berliner Bürgerbräu am Müggelsee entstand 1869. Die Brauerei entwickelte sich schnell, und 1888 produzierte man bereits 10.000 Hektoliter Bier. Das Bier wurde mit Dampfschiffen nach Berlin transportiert, für Pferdefuhrwerke waren die Mengen bereits zu groß. 1926 vernichtete ein Brand die gesamte Brauerei, sie wurde schnell wieder aufgebaut. 1929 produzierte man bereits wieder 300.000 Hektoliter Bier. Mit der Gründung der DDR wurde der Name auf VEB Bürgerbräu geändert, 1992 übernahm die bayerische Hofmark-Brauerei das Bürgerbräu.

    2010 wurden die Tore endgültig dichtgemacht, die Marke an Radeberger verkauft. Neben Pils und der Berliner Weiße war das Bürgerbräu vor allem durch die Spezialitäten „Rotkehlchen“, das durch Karamell-Malz eine rötliche Färbung erhielt, und „Bernauer Schwarzbier“ bekannt.

    Auf dem Areal sollen bald Wohnungen, das Bürgerbräu-Quartier, entstehen, wobei die Brauereigebäude aus den 1920er-Jahren unter Denkmalschutz stehen.

    Müggelseedamm 164, Friedrichshagen

    10. Mälzerei Schöneberg

    Der Industriekomplex aus Backstein wurde von 1914 bis 1917 errichtet. Die Mälzerei gehörte der Schultheiss-Patzenhofer Brauerei AG. Prägend von weither sind die vier riesigen Darrschlote auf den Dächern, die bis heute erhalten sind. Die Maschinen der Fabrik, die im Zweiten Weltkrieg unversehrt bliebt, wurden nach Kriegsende von der sowjetischen Besatzungsmacht demontiert. 1950 nahm Schultheiss die Produktion wieder auf. Produziert wurde dann bis 1996, als die Schließung wegen wirtschaftlicher Schwierigkeiten ins Haus stand. Von 2001 bis 2007 residierte der Kit-Kat-Club in den Hallen. Jetzt ist das Gelände umgebaut und wird vor allem von Firmen der Nachhaltigkeitsbranche genutzt.

    Bessemerstraße 2-14, Schöneberg, www.malzfabrik.de

    11. Tivoli-Brauerei

    Schon 1829 wurde am Südhang des Kreuzberges ein Biergarten eröffnet, Tivoli genannt. 1857 war das Gründungsjahr der Berliner Brauerei-Gesellschaft Tivoli. Im Anschluss entstanden riesige Brauereigebäude aus Ziegelstein. Schultheiss übernahm 1891 Tivoli und erweiterte die Anlage. Im Zweiten Weltkrieg wurden die historischen Gebäude stark in Mitleidenschaft gezogen. 1993 gab Schultheiss das Gelände auf und zog in den Ostteil der Stadt. 1999 wurde dann der Grundstein für das Viktoria-Quartier gelegt. Es entstanden Wohnungen, Penthouses, Lofts, Büros und Ateliers.

    Mustergültig restauriert wurde das mehr als fünf Hektar große Gelände am Fuße des Kreuzbergs im Schatten des Nationaldenkmals von Schinkel.

    In die Kellergewölbe sollte eigentlich die Berlinische Galerie einziehen, doch die entschied sich wegen der Feuchte im Mauerwerk für ein anderes Quartier.

    Methfesselstr. 42, Kreuzberg

    #Berlin #Geschichte #Bier

  • Der „Ball der Bälle“: Eine kurze Geschichte des Berliner Presseballs
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    Presseball Berlin im ICC

    Ehepaar Helmut und Hannelore Kohl auf dem Bundespresseball 1987

    Presseball Berlin, Palais am Funkturm, Januar 1958

    14.1.2023 von Alexander Kulpok -Am Sonnabend findet in Berlin der 150. Presseball statt. Unser Autor blickt zurück auf die bewegte Geschichte des Balls, der Luxus in die Stadt bringen sollte.

    2023 ist für Berlin ein Jahr der Medienjubiläen. Vor 100 Jahren – am 29. Oktober 1923 – wurde in Berlin der deutsche Rundfunk geboren („Achtung! Achtung! Hier ist die Sendestelle Berlin im Vox-Haus auf Welle 400 Meter!“). Und am 14. Januar 2023 geht in Berlin der 150. Presseball übers Parkett. Gern wird in Berlin versucht, an die Tradition jener Bälle anzuknüpfen, die am 9. März 1872 als Charity-Veranstaltung ihren Anfang nahm und über Jahrzehnte und Generationen, politische Systeme und weltpolitische Ereignisse hinweg ihren Reiz bewahrte. Ein Ball als Hauch von Luxus mit Prominenten aus Politik und Kultur.

    Der erste Presseball in Berlin nahm sich den Schriftsteller- und Journalistenball in Wien zum Vorbild und diente der Unterstützung notleidender Kolleginnen und Kollegen. Ein Prinzip, an dem bis in die West-Berliner Tage der Jahrtausendwende festgehalten wurde. Nicht der Journalisten-Verband veranstaltete den Presseball, sondern ein Tochterunternehmen, der Sozialfonds, der auf die Hilfe für nicht so erfolgreiche Journalisten und auf die Ausbildung von journalistischem Nachwuchs ausgerichtet war. Ein Umstand, der – weil ihn die Öffentlichkeit und die Medien nicht so recht einzuordnen wussten – wesentlich zum Niedergang des Berliner Presseballs am Anfang des Jahrtausends beitrug.

    Ab 2009 versuchte dann Mario Koss, der Tausendsassa und erfolgreiche Erfinder der Shape-CD, die in West-Berlin verankerte Presseball-Tradition neu zu beleben. Für den 14. Januar lädt er zum 150. Ball ins Hyatt-Hotel am Potsdamer Platz. In mancher Weise gleichen sich die Bilder zu den Ball-Anfängen in den 70er-Jahren des 19. Jahrhunderts. Die eigenwilligen Verbandsfunktionäre der Journalisten verhedderten sich 1872, als es um die Frage ging, ob der Reichskanzler Otto von Bismarck eingeladen werden sollte oder nicht.

    Durch das Argument, mit einer Einladung an Politiker würde die parteipolitische Neutralität der Journalisten beeinträchtigt, zerstritten sich die Männer im „Ball-Comitee“ und konnten zum zweiten „Ball mit Festsouper“ erst sieben Jahre später einladen. Der „Eiserne Kanzler“ besuchte nie einen Presseball. Ihm waren Journalisten ohnehin suspekt und nur willkommen, wenn sie seine Regierungsarbeit publizistisch unterstützten. Daher richtete er schon 1869 den berühmt gewordenen „Reptilienfonds“ ein, aus dem er regierungsfreundliche Zeitungen bis zum Jahr 1892 bezahlte.

    Aus dem Presseball Berlin wurde sehr schnell der „Deutsche Presseball“ als alljährliches gesellschaftliches Ereignis in der Reichshauptstadt. Veranstaltungsorte waren das Concerthaus am Dönhoffplatz, die Alte Philharmonie in der Bernburger Straße und die Festsäle am Zoologischen Garten. Erklärtes Ziel der Veranstalter war die Verbesserung des Ansehens der Journalisten, die nicht erst nach 1945 in der Bonner Republik als „angepasste Außenseiter“ herabgesetzt wurden.

    Als ab 1909 regelmäßig auch der Reichskanzler zu den Ballgästen zählte, schien der gesellschaftliche Rang der Journalistenbranche gesichert. Nach dem Ersten Weltkrieg, mit dem Beginn der ach so goldenen Zwanzigerjahre, war Kurt Tucholsky einer der humorvollsten und treffsichersten Ballchronisten: „Die Regierung war, soweit man hier von Regierung sprechen kann, vollzählig vertreten. Die Gesandten und Botschafter aller zivilisierten Staaten, sowie Bayerns, waren anwesend ... In einer Loge saßen die leitenden Männer der deutschen Presse, darunter auch ein Redakteur.“ Bissige Beobachtungen eines Top-Journalisten beim Ball des Jahres 1920.

    Schlimmer kam es 1933. Einen Tag vor seiner Machtübernahme ließ Adolf Hitler das Ballereignis ansetzen. Und die BZ am Mittag schrieb später: „Das Pressefest war ganz auf die neue Gestaltung des großen gesellschaftlichen Lebens gestimmt.“ Gleichschaltung war auch hier die Devise, akribisch organisiert von Propagandaminister Joseph Goebbels. Nach 1945 etablierte sich in der provisorischen Bundeshauptstadt Bonn die Bundespressekonferenz, die erst in Bad Neuenahr, ab 1990 ins Bonner Hotel Maritim zu Tanz und Spaß mit der politischen, kulturellen und sportlichen Prominenz bat. Eine geschlossene Veranstaltung, zu der die Mitglieder der Bundespressekonferenz Gäste einladen konnten.

    1970 im November, am Beginn der Brandt-Ära, hieß das Motto in der Bonner Beethovenhalle „Bonnjunktur“ – mit einem Hundertmarkschein im Hintergrund und dem Brandt-Zitat „Wir stehen nicht am Ende unserer Demokratie, wir fangen erst richtig an !“. Meine bleibenden Erinnerungen an diesen Bundespresseball sind ein Interview auf der Bühne mit der damals 23-jährigen Olympiasiegerin Heide Rosendahl und eine peinliche Auseinandersetzung mit Hannelore Kohl, der ich beim Radiointerview mit Helmut Kohl unabsichtlich ein Glas Rotwein aufs Ballkleid gegossen hatte. Frau Hannelore erregte sich verständlicherweise über alle Maßen. Ehegatte Helmut machte sich in Windeseile aus dem Staub. Mit Blick auf seine politischen Ziele als rheinland-pfälzischer Ministerpräsident wollte er sich mit Journalisten offenbar nicht gern anlegen.
    Presseball in den 1980ern: Ballkleider verhakten sich in Rolltreppen

    Die 70er-Jahre brachten die Hochzeit der West-Berliner Pressebälle. Veranstaltet im Palais am Funkturm, gegenüber dem Haus des Rundfunks, fühlte sich der nicht unbedingt ballaffine SFB-Intendant Franz Barsig wohl zu besonderer Unterstützung verpflichtet (wahrscheinlich hatten ihn aber seine Unterhaltungsexperten Dieter Finnern und Peter Lichtwitz beraten). Wiens Altmeister Robert Stolz wurde nach Berlin geholt (wo er übrigens 1975 auch starb) und dirigierte im Palais am Funkturm nicht nur „Du sollst der Kaiser meiner Seele sein“, sondern auch zum Gesang von Udo Jürgens und Mireille Mathieu.

    Presseball Berlin im ICC

    Presseball Berlin im ICCPresseball Berlin

    Als das bombastische ICC erbaut war, zog in den 1980er-Jahren der Berliner Presseball – eines der Aushängeschilder der westlichen Welt, zu dem Bundespräsidenten, Bundeskanzler und Bonner Minister erschienen – um in das riesige Nebengebäude. Dort beklagten sich vor allem die Frauen darüber, dass sie sich mit ihren langen Ballroben immer wieder in den zahlreichen Rolltreppen des ICC verhakten. Mit der Vereinigung von BRD und DDR 1990 schien das allerletzte Stündlein des West-Berliner Presseballs geschlagen.

    Autor, Anarchist, Alkoholiker: Vor 100 Jahren starb „Schwejk“-Erfinder Jaroslav Hasek

    Die aus Ost-Berlin hinzugekommenen Mitglieder des Berliner Journalisten-Verbandes fühlten sich keiner Balltradition verbunden und plädierten für ein jährliches „Pressefest“ im Sommer, wie es das SED-Zentralorgan „Neues Deutschland“ zu DDR-Zeiten veranstaltet hatte. Der Bundespresseball zog konsequenterweise in die wiedergewonnene deutsche Hauptstadt um, eine Zusammenlegung beider Bälle scheiterte an der Engstirnigkeit des von Kontroversen und Intrigen geschüttelten Berliner Verbandes und zwei fulminante Bälle in der Staatsoper Unter den Linden, die Friedrich der Große hatte für derartige Ereignisse erbauen lassen, bildeten einen bunten Schwanengesang.

    Italien und Lateinamerika waren die Themen der beiden Pressebälle in der Staatsoper – mit internationalen Staatsgästen und Prominenz von Gina Lollobrigida bis Antonio Skarmeta. Im Grunde ein würdiger Abschluss einer lieb gewonnenen Tradition. Doch wenn es um den einstigen Ball der Bälle in Berlin geht, hört die Liebe nimmer auf. In Mario Koss fand sich einer, der bereit war, Geduld und Geld in ein Projekt zu investieren, das bereits dem Tod geweiht schien.

    Dieser Beitrag unterliegt der Creative Commons Lizenz (CC BY-NC-ND 4.0).

    #Berlin #Geschichte #Kultur #Journalismus #Ortskenntnis

  • Bruder von Rio Reiser: „Es hat Rio krank gemacht, dass wir die DDR überfallen“
    https://www.berliner-zeitung.de/kultur-vergnuegen/berlin-kreuzberg-bruder-von-rio-reiser-es-hat-rio-krank-gemacht-das

    21.08.2022 Interview von Susanne Lenz

    Gert Möbius, geboren 1943, ist der mittlere Bruder von Peter und Ralph (Rio Reiser, 1950–1996). Nach einer Kaufmannslehre studierte er Malerei und arbeitete mit seinen Brüdern an Theaterproduktionen. Er managte die Band Ton Steine Scherben, arbeitete als Drehbuchautor für Film- und Fernsehproduktionen und war Mitbegründer des Berliner Tempodroms. Nach dem Tod seines Bruders Rio Reiser im Jahr 1996 baute er das Rio-Reiser-Archiv auf.
    An das Leben seines Bruders erinnert er sich in dem Buch „Halt dich an deiner Liebe fest. Rio Reiser“ (Aufbau Berlin 2017, 352 S., 14 Euro)

    Rio Reiser (1950–1996) war Mitbegründer und von 1970 bis 1985 Sänger und Haupttexter der Band Ton Steine Scherben. Zu seinen bekanntesten Liedern gehören „Macht kaputt, was euch kaputt macht“, „Keine Macht für Niemand“ und der „Rauch-Haus-Song“ mit Ton Steine Scherben sowie „König von Deutschland“, „Alles Lüge“ und „Junimond“ aus seiner Solozeit. Der Rauch-Haus-Song ist zur Hausbesetzer-und Kreuzberg-Hymne geworden. Das Georg-von-Rauch-Haus auf dem Kreuzberger Bethanien-Gelände, zu dessen Besetzung Rio Reiser 1971 bei einem Konzert in der Mensa der Berliner TU aufgerufen hatte, ist bis heute ein selbstverwaltetes Jugendzentrum.

    Gert Möbius und sein kleiner Bruder Rio Reiser wohnten in der Oranienstraße, rauchten gemeinsam den ersten Joint. Auch sein Outing hatte Rio Reiser bei ihm.

    Wir besuchen Gert Möbius in seinem Haus in Berlin-Zehlendorf, eine alte Villa mit Garten. Dass er mal in dieser ruhigen Wohngegend landen würde, habe er sich früher nicht vorstellen können, sagt er. Gerade arbeitet Gert Möbius an einer kleinen Ansprache, die er am 21. August halten wird. An diesem Tag wird bei einem Festakt ab 17 Uhr der Heinrichplatz in Berlin-Kreuzberg nach seinem kleinen Bruder benannt: Rio Reiser.

    Herr Möbius, wie sind Sie und Rio Reiser damals nach Berlin gekommen?

    Wir haben vorher in Frankfurt am Main gewohnt, haben dort Theater gemacht. Rio wusste nicht so richtig, was er machen sollte, in der Schule hatte er Probleme. Meine Mutter ist immer hingerannt, aber mit den Sprachen klappte es nicht. Das war schon im Melanchthon-Gymnasium in Nürnberg so, wir sind viel umgezogen. Musik hat er aber damals schon gemacht. Er hat dann in Nürnberg ein Krippenspiel geschrieben, das in der Schule aufgeführt wurde und ein Riesenerfolg wurde. Dann hat er auch bessere Noten bekommen. Weil mein Vater so ein begeisterter Fotograf war, hat Rio dann gesagt, er mache statt Schule eine Fotolehre. Unser ältester Bruder Peter ist nach Berlin gezogen und ich dann auch. Wir hatten eine schöne Wohnung über dem Literarischen Colloquium, und dann kamen wir auf die Idee, eine Beat-Oper zu machen. Rio sollte die Musik machen, deshalb haben wir ihn nach Berlin geholt, und wir haben dann auch zusammen gewohnt.

    Wo denn?

    Erst am Kaiserdamm, später in der Uhlandstraße. Und Rio hat dann die Lieder für „Robinson 2000“ geschrieben. Wir sind damit zum Theater des Westens gegangen, der Intendant hieß Karl-Heinz Stracke, der war aus dem Handwerker-Milieu, hat das ganze Theater tyrannisiert und auch selber gespielt. Rio hatte die Gitarre dabei und hat ihm ein paar Songs vorgespielt, die Stracke gefielen. Aber er wollte Stars haben. Zuerst haben wir selber rumtelefoniert, dann sind wir zum Arbeitsamt. Die haben dann überall rumtelefoniert. Sogar bei Ringo Starr haben die angerufen.

    Das Arbeitsamt?

    Ja. Und dann hat Eric Burdon gesagt, er macht es. Eine Woche später hat er wieder abgesagt, er musste nach San Francisco. Wir konnten dann die Sängerin Marion Maerz verpflichten. Und den Sohn von dem Tiefseetaucher Hans Hass, Hans Hass junior. Der konnte auch singen. Der Star dieser Beat-Oper war aber der der Engländer David Garrick. Von ihm stammt der Song „Dear Mrs. Applebee“.

    War das ein Erfolg?

    Ein Erfolg war das nicht. Der Regisseur hatte keine Lust. Außerdem hat er sich beim Proben in den Hauptdarsteller verliebt, aber der sich nicht in ihn. Er hat irgendwann einfach aufgehört, die Regie zu machen. Der komplizierte Handlungsablauf von Peters Libretto war auch nicht einfach zu inszenieren. Ich hab das ja selber nicht verstanden. Und dem Stracke war die Musik zu laut.

    Also, Rio Reiser kam für diese Beat-Oper nach Berlin und nicht, weil er hier keinen Wehrdienst machen musste, was ja damals für viele ein Motiv war?

    Das war auch ein Grund. Aber am wichtigsten war für ihn, dass es in Berlin eine andere Atmosphäre gab, dass man hier andere Leute kennenlernen konnte als in dem Kaff, in dem er damals lebte.

    Hat er vielleicht auch gehofft, in Berlin seine Sexualität besser ausleben zu können?

    Das war damals noch gar nicht so entwickelt. In Offenbach hatte er noch eine Freundin. Er wusste damals wohl noch gar nicht, dass er schwul ist. Er hat sich erst in Berlin bei mir geoutet.

    War er da selbstbewusst, auch wenn die Gesellschaft Homosexualität weit weniger akzeptierte als heute?

    Das war ja verboten. Es gab den Paragraphen 175 noch. Rio hat sich sehr gut mit den Lehrlingen angefreundet, mit denen wir damals Theater gemacht haben, da ist auch was gelaufen. Aber die haben sich nicht getraut, sich öffentlich zu zeigen. Das ging damals nicht. Das hätten auch die Jugendlichen nicht gewollt. Und unsere Eltern durften das schon gar nicht wissen.

    Wo in Kreuzberg haben Sie damals gewohnt?

    Erst in der Oranienstraße 45, dann in der 43, gegenüber von dem Lokal „Max und Moritz“.

    War die Oranienstraße damals schon so voller Kneipen wie heute?

    Kreuzberg war damals anders. Die Wohnungen waren nicht saniert, man lebte mit dem Klo auf halber Treppe. Kreuzberg sah genauso aus wie Ost-Berlin. Als wir da 1968 hingezogen sind, kamen die ersten Türken. Es wohnten da vor allem Familien mit Kindern. All die, die es nicht geschafft hatten, nach Gropiusstadt zu ziehen, wo sie hinsollten. Denn die wollten ja Kreuzberg abreißen und eine Autobahn bauen. Die wollten die ganze Kreuzberger Szene vernichten, die Jugendlichen und die Leute, die kein Geld hatten. Auch Rentner waren dabei. Das haben wir mit verhindert.

    Wie sah es in Ihrer Wohnung aus?

    In der Oranienstraße 43 wohnten wir in einem Fabrikgebäude im Hinterhaus. Wir hatten das als Gewerberaum gemietet, es kostete eine Mark pro Quadratmeter, und wir hatten hundert Quadratmeter. Da war gar nichts drin, auch keine Toilette. Ich habe dann erstmal einen Ölofen gekauft. Wir haben da auch geprobt. Das war ein großer Raum. Erst als wir später ans Tempelhofer Ufer gezogen sind, hatte Rio ein eigenes kleines Zimmer. Früher war man nicht so anspruchsvoll. Es gab auch keine Betten, wir hatten nur Matratzen. Der Freundeskreis in Kreuzberg wurde immer größer. Und es gab da Leute, die nicht zu Hause wohnen wollten, aber nichts hatten.

    Ging es so mit den Hausbesetzungen los?

    Ja. Ich habe dann mit meinem Freund Lothar Binger gegenüber vom alten Krankenhaus Bethanien ein Fabrikgebäude entdeckt. Da war keiner drin, und da haben wir überlegt, ob wir das nicht besetzen können. Damals gab es die Stadtteilarbeit in Kreuzberg, die haben Mieterberatung und so was gemacht, mit denen haben wir uns besprochen. Wir waren dann 20, 30 Leute, und dann spielten die Scherben in der Alten Mensa der TU. Und da hat Rio die Durchsage gemacht: Wir fahren jetzt alle zum Mariannenplatz. Wir waren 80 Leute, sind da rein, saßen bei Kerzenlicht, Strom gab es nicht. Plötzlich haben wir gemerkt: Wir können ja die ganze Nacht hier sitzen, aber besetzt ist es deswegen noch nicht. Da muss ja erst die Polizei kommen.

    Und die kam nicht?

    Erstmal nicht. Es gibt das Gerücht, dass jemand von der CDU, der spät vom Skatspielen nach Hause kam, das Licht da oben gesehen hat. Und dann kam die Polizei doch. Die wussten aber gar nichts mit uns anzufangen. Gut, die haben uns mitgenommen auf die Wache. Wir waren Lehrlinge und Studenten, es war nichts geklaut und nichts kaputt gemacht worden. Es war nichts passiert. Deshalb haben sie uns wieder laufen lassen. Wir haben den damaligen Jugend-Stadtrat von Kreuzberg angerufen, Erwin Beck, ein alter SPD-Genosse. Der hat uns das legalisiert. Wir haben Veranstaltungen gemacht, Musik, Filmvorführungen, alle möglichen Gruppen haben da was veranstaltet. Nur wohnen konnte man da nicht, aber unsere Jugendlichen wollten ja irgendwo wohnen.

    Wie ging es weiter?

    Wir haben überlegt: Gegenüber das Krankenhaus Bethanien, das steht doch auch leer. Mal sehen, was da so los ist. Aber es war Winter, und uns war klar, dass wir auf jeden Fall Heizung brauchen. Und dann haben wir beim Rumlaufen zufällig den Hausmeister getroffen. Wir haben ihm erzählt, was wir so planen, und er sagte, er sei früher bei der Roten Hilfe gewesen, in den 20er-Jahren. Dabei kam heraus, dass er wie ich halbblind ist. Er sagte: Ich mach euch auf und stell die Heizung an. Ihr könnt kommen. Das war 1971.

    Unglaublich!

    Ich bin mit Lothar Binger dahin gefahren und habe die Zäune aufgeschnitten. Und dann haben die Scherben wieder an der TU gespielt und Rio sagte: So Freunde, jetzt fahren wir nach Kreuzberg und gucken, was es da zu sehen gibt. Ein paar Tage vorher war Georg von Rauch erschossen worden, der in der Studentenbewegung aktiv war. Deshalb haben wir mehr Leute zusammenbekommen als beim ersten Mal. Und wir hatten auch gleich angekündigt, dass wir das Haus Georg-von-Rauch-Haus nennen. Wir waren dann über 100 Leute, aber es kam auch viel Polizei.

    Daher die Zeile in dem Rauch-Haus-Song: „Der Mariannenplatz war blau, so viel Bullen waren da“.

    Klar. Wir sind aber trotzdem rein und wussten nicht so richtig, wie wir uns verhalten sollen. Mich hat dann noch so ein Polizeihund ins Bein gebissen. Wir haben sofort den Beck angerufen, er kam auch und hat der Polizei gesagt, sie sollen nach Hause gehen, er würde es regeln. 74 Leute sind am Ende da wohnen geblieben.

    Was für Leute waren das?

    Ganz verschiedene. Es waren die Jugendlichen von unserer Theatergruppe, aber es waren auch viele, die ich gar nicht kannte. Leute, die bei dem Scherben-Konzert gewesen waren, aber auch Leute, die mit Rauschgift zu tun hatten. Es waren 74 Leute, die ganz verschiedene Interessen hatten. Das wurde dann auch für uns zum Problem.

    Rio Reiser und Sie haben da nicht gewohnt?

    Nein, aber ich hab das Geld aufgetrieben und für alle gekocht. Ich bin später vom Senat als Kontaktperson zwischen dem Haus und dem Senat angestellt worden, zusammen mit Irene Mössinger, die später das Tempodrom gegründet hat. Ein paar Lehrlinge waren die einzigen, die gemerkt haben, dass da Ordnung reinkommen muss. Das hieß für die: Arbeiten gehen, in die Schule gehen. Andere haben gesagt: Nee, wir wollen Revolution machen. Aber wir wollten, dass das Haus sich selber erhalten kann, und wenn man arbeitet, kriegt man Geld und als Schüler und Student auch. Da bildete sich eine Lehrlingsschicht heraus, Leute aus dem Proletariat, die realistischer drauf waren, die dann später auch beim KBW waren, dem Kommunistischen Bund Westdeutschland. Das passte den Leuten von unserer Theatergruppe „Roten Steine“ nicht, die sind dann fast alle zu uns ans T-Ufer gezogen. Die wollten nicht mehr in dem reaktionären Rauch-Haus wohnen.

    Mit wem hat sich Rio Reiser denn besser verstanden, mit den Lehrlingen oder mit den Studenten?

    Nur mit den Lehrlingen. Mit Studenten wollte er gar nichts zu tun haben, das war nicht seine Welt. Die haben ihm zu viel theoretisiert.

    Was hat ihn inspiriert?

    Er war ein sehr engagierter Christ, hat jeden Tag die Bibel gelesen. Die kannte er fast auswendig. Und er war Karl-May-Fan. Er hatte alle Bände.

    Was hat ihn an Karl May fasziniert?

    Der Gerechtigkeitssinn. Man kann jemanden in den Fuß schießen, aber nicht ins Herz. Dass er Christ ist, hat er aber nicht jedem auf die Nase gebunden. Die Scherben konnten damit nichts anfangen. Lanrue kam aus Frankreich und war katholisch. Und Kai Sichtermann kam aus Norddeutschland, der Vater war Bankdirektor. Die haben sich für sein Christentum nicht interessiert.

    Und für die linke Studentenbewegung war Religion Opium fürs Volk.

    Opium des Volkes. Das ist ein Unterschied. Aber das Christentum war Rios Welt, auch an seinen Texten merkt man seine humanistische Grundhaltung. Das kam von unseren Eltern, die waren im Dritten Reich keine Nazis, sondern Mitglieder der Bekennenden Kirche. Wie Niemöller und Bonhoeffer. Mein Vater war kein Soldat, er hat sich versteckt, als er einberufen werden sollte. Später ist er in die CDU eingetreten, aber das war eine andere CDU damals. Später ist er wieder ausgetreten.

    Und Rio Reiser ist nach der Wende in die PDS eingetreten, oder?

    Es hat ihn total krank gemacht, dass wir die DDR überfallen.

    Überfallen?

    Er hat sich darüber aufgeregt, dass wir Westler die DDR vereinnahmen wollen. Er sagte immer: Die haben mich nicht gefragt, ob ich die Wiedervereinigung in der Form will. Der ist richtig krank geworden und hat sich an Gysi gewandt, die kannten sich bereits. Und dann hat ihm Gysi am 11.11.1990 das Parteibuch überreicht.

    Wie war Ihr Verhältnis? Rio Reiser war ja Ihr kleiner Bruder, war das so ein Beschützerverhältnis?

    Wir waren immer zusammen, haben uns immer geholfen. Wir waren die besten Freunde. Als er gestorben ist, habe ich das gar nicht fassen können. Ich habe oft Angst um ihn gehabt, aber mehr in der Zeit in Kreuzberg. Er ging oft mit Leuten weg, die Trips genommen haben. Ich habe nichts gegen Trips, habe selber auch welche genommen und auch Shit geraucht. Rio und ich haben auch zusammen den ersten Joint geraucht und danach haben wir gesagt: Nie wieder Bier.

    Weil das einfach so viel besser war?

    Ja! Wir haben Musik ganz anders gehört, anders gesehen. Für mich war das ganz wichtig. Und auch das Menschenbild hat sich für mich verändert, zum Positiven hin. Dass man auch hinter die Fassade gucken kann. Aber man wusste nicht, wo die Schwelle überschritten wird und man auch andere Sachen nimmt. Einige Freunde von ihm sind an Heroin gestorben. Er hat sich Gott sei Dank da rausgehalten. Aber ich konnte manchmal nachts gar nicht schlafen. Als ob er mein Sohn wäre.

    Würde es ihn freuen, dass nun ein Platz in Kreuzberg nach ihm benannt wird?

    Klar, warum nicht. Ich finde es ganz gut, dass mal ein Platz nach jemand anderem benannt wird als nach Nazis und Generälen. Dass mal jemand anderes drankommt als die, die immer schon dran waren. Für Rio ist das im Nachhinein ein Geschenk.

    #Berlin #Kreuzberg #Oranienstraße #Mariannenplatz #Heinrichplatz #Rio-Reiser-Platz #Straßenumbenennung #Rauch-Haus-Lied #TSS #Geschichte
    #Hausbesetzung

  • Babylon Berlin author Volker Kutsche: “Nobody wants to be a Nazi” - Exberliner
    https://www.exberliner.com/books/babylon-berlin-author-volker-kutsche-weimar-gereon-rath-nobody-wants-to-

    14.11.2022 - Babylon Berlin author Volker Kutsche: “Nobody wants to be a Nazi”
    As the fourth season of Babylon Berlin just had its finale, we had a chat with Volker Kutscher (author of the original Gereon Rath books) about his third novel, the latest season of the TV show and the meaning of 1930s crime.

    The Gereon Rath novels and Babylon Berlin

    Volker Kutscher spent over a year looking for a publisher for volume one of Babylon Berlin, but there are now nine best-selling novels. Set in the years after 1929 against the rise of National Socialism, detective inspector Gereon Rath and his co-police-worker Charlotte Ritter are old-school sleuths in the neo-noir tradition of grey-zoned morality in Berlin’s Weimar underbelly.

    The series has since sold hundreds of thousands of copies, been translated into 22 languages and been adapted as a hugely successful television show. Babylon Berlin is Germany’s highest-budget TV show, and it may be the most expensive non-English-language TV series ever made. Season four of Babylon Berlin is based on book three of the Rath novels.

    Season four of Babylon Berlin, based on your third novel, Goldstein, was released last month. What’s your take on it?

    They’ve taken quite a few liberties; some things have been left out, and some added. I’ve gotten used to that, but I’m happy that the story is being told very well. My project is the novels series, not the TV adaptation.

    The intention is, I think, similar to that of my novels: showing how people experienced Berlin in those times, and how it changed. Babylon Berlin just does it with different methods. Goldstein’s character, the New York-based, lapsed Jewish gangster, has been cast very well, although the fact that he’s crossed the Atlantic to get involved in gang warfare comes across far less than it does in the novel. The TV adaptation has more narrative threads; the timelines are adjusted. That’s just the nature of TV.

    You know, I wrote that book about 10 years ago. At the moment I’m writing about 1937, in the middle of National Socialism. It’s nice to see the TV spectacle of that older work but it doesn’t have a lot to do with what I’m working on at the moment.

    The constant throughout your series is detective inspector Gereon Rath. He’s a morally flawed character who doesn’t mind bending the law in the pursuit of justice. How important is vigilante justice in your novels?

    I’d say it’s the main topic that runs through all of the Gereon Rath series. I chose it because in a way it’s Gereon’s modus operandi. He likes to use his own methods and often applies his own vigilante justice when he realises that it can’t be achieved by other means. He’s not as brutal as the White Hand vigilante organisation that he is fighting, but the thinking behind his methods is similar.

    I didn’t want a glowing hero.

    My aim was to encourage people to think about vigilante justice. It’s not really in line with the rule of law. Later in the series, when the Nazis come to power, using this kind of justice to combat an unlawful regime turns into an advantage. For as long as a lawful state exists, I believe one should adhere to its precepts. That’s the be-all and end-all of democracy.

    He’s also an outsider, a Rheinländer in Berlin. What drew you to this scenario?

    I wanted him to have an outsider’s view of Berlin. As a native of Cologne, Gereon Rath stays a stranger and maintains a degree of scepticism. The fact that I’m a Rheinländer myself obviously plays a role – he’s closer to my heart. And the so-called Rhenish mentality – the ability to wiggle through, get by, and be a bit opportunistic – these are traits that fit well with the character I had in mind.

    I didn’t want a glowing hero. Somebody who’d seen through the Nazis from the beginning would have been an Übermensch, beyond reproach, uninteresting. But we can relate to Gereon Rath. He’s fallible.

    Rath’s long-term love interest is Berlin local Charlotte Ritter, a woman who has pulled herself up from underworld beginnings to join the police force and study law. Is she the innocent yin to Rath’s hard-nosed yang?

    She has strong principles, she’s Prussian – but in a good way. She feels a sense of responsibility for her fellow human beings. She may have started with the best of intentions, but she has also strayed from the straight and narrow, covered-up crimes, and ends up becoming a bit more like her (later) husband Gereon, although she’s morally firmer than him.

    Your novels are replete with amazing historical details. Let’s take just one example from Goldstein: the police search for vendors of Camel cigarettes in 1931 Berlin. How do you research?

    I do a bit of everything. Lots of walking, comparing what I see to old photos, trying to beam myself into that time. Reading contemporary newspapers plays a big role – not just world affairs but headlines from those years that tell us what people thought was important. War reparations were a huge issue for example. Local news is also a good source: traffic accidents, fires. And advertising: department stores and car sales. Even crosswords and cartoons are interesting. They’re immersive. What did people think, what did they laugh about?

    What did people think, what did they laugh about?

    The Camel cigarettes example you mentioned was also an opportunity to bring in a little humour, spotlighting the Berlin inspector who mispronounces it as the German word ‘Kamel’ before being corrected to ‘Kämmel’.

    So you’ve covered Berlin on foot… from Grunewald to the shacks of Müggelsee?

    I’ve visited most of the locations in the novel, although I take the S-Bahn to get to outlying places like Müggelsee, and then explore. I like Berlin a lot; I have a small flat there now. I just like walking through areas that are off the tourist trail. So many buildings are witnesses to history. One example in Goldstein is the Jewish hospital situated off Schulstraße in Gesundbrunnen, which I researched in detail.

    The novel I’m currently working on is set in 1937 and reading those newspapers was a lot less fun. By then, they were all toeing the same line. You have to read between the lines to get a more differentiated view.

    Differentiated in what sense?

    I wanted to show the caesura in 1933 – but also the many continuities: like living and working in a city, maybe thinking that politics was not as important as a happy home life. Many people just hoped that things would quieten down again. I wanted to show and understand how a country could be turned on its head.

    Is that what attracted you to the historical setting of the Weimar Republic? The grey areas in which crime thrived?

    I think that the Weimar republic deserved a longer life and that its downfall was perhaps avoidable. Its potential was considerable, it just had a very difficult start: war reparations and the fact that the German people were, a bit like the Russians today, pariahs in the world community. Many people had high hopes which they lost when the economy began going downhill. For me, that was tragic.

    My characters belong to a luckless generation.

    That was one of my main motivations: trying to work out why Weimar failed. Obviously, it’s all been very well researched by historians. But I still had questions and I try to answer them by creating a fictional situation in which empathy is allowed to play a role and helps us understand different people, of varying political and moral mindsets. How did they react to the changes happening at the time? It’s like a little experiment, following those characters through those times. It’s as much an experiment for me as it is for the readers.

    What are your preferences when it comes to authors of crime fiction?

    There is no one favourite author for me but James Ellroy (The Black Dahlia and L.A. Confidential) is a particular role model. Many of his novels are set in the past, like mine. Interestingly his work was never stamped as ‘historical crime novel’ and I don’t see mine in that category either. To be honest, I don’t see myself as a crime novelist.

    So how do you see yourself?

    As someone who tells stories from a different time, trying to make history tangible while staying true to the historical picture – not blowing Hitler up Tarantino style but sticking to the developments that took place in Germany during that time. Even now, I’m not sure what’s going to happen to the characters in the final volume, but I know what happened in the world.

    My characters belong to a luckless generation. Whether perpetrators or victims of crime, they were forced into decisions that inevitably involved pain. Once you cross the threshold of 1933, you’ve crossed that Rubicon. Up to that point, other scenarios were possible. Seeing how quickly it’s possible to go down a non-democratic path with democratically elected politicians is frightening.

    Are you alluding to current developments, trying to raise some sense of historical awareness?

    Seeing how quickly it’s possible to go down a non-democratic path with democratically elected politicians is frightening.

    I’m not a finger-wagging teacher! But historical amnesia is widespread, so widespread that many people don’t realise that they’re talking the way the Nazis did. Nobody wants to be a Nazi – but succumbing to certain thought patterns is a problem that I see. Words are important. They change the way we act. If I talk a certain way, I’m more likely to act that way. Words should be weighed before being used. Using words like völkisch as the AfD did for a time, without acknowledging that it was Nazi-speak, without having that critical context – that’s a great danger.

    The TV comic adaptation The Boys is a case in point. It’s set in a world of superheroes and one of those is a female superhero called Stormfront. She’s a Nazi but comes across as super cool. At some point, she says: “People like what I have to say, they believe in it. They just don’t like the word Nazi.” It’s like Putin describing the Ukrainians as fascists… We definitely need historical awareness.

    Volker Kutscher was born in 1962 in North Rhine-Westphalia. He studied German, History and Philosophy in Cologne. He subsequently worked as a reporter covering local affairs before the success of the Gereon Rath novels allowed him to transition to life as a full-time writer. His days as bass player in the four-man outfit The Contrelles are over – but you can still catch his music skills on YouTube, and of course his novels on your favourite streaming service.

    #Berlin #Geschichte #Literatur #Krimi

  • Sieben Museen in Berlin, die keinen Eintritt kosten
    https://www.berliner-zeitung.de/ratgeber/berlin-umsonst-und-aussergewoehnlich-sieben-museen-in-berlin-die-ke

    09.10.2022 von Nicole Schulze - In Nicht-Corona-Zeiten liegen die jährlichen Besucherzahlen stadtweit im zweistelligen Millionenbereich. Jedoch sind es auch die kleinen Schätze, die besonderen Ausstellungsperlen, die unsere Museumslandschaft so unverwechselbar und einzigartig machen. Davon möchten wir Ihnen einige vorstellen. Und weil die Zeiten hart sind, wir alle sparen müssen, zeigen wir Ihnen Museen, die Sie komplett gratis besuchen können.

    Tränenpalast
    https://www.hdg.de/en/traenenpalast


    Adresse: #Reichstagufer 17, 10117 #Mitte, direkt am Bahnhof #Friedrichstraße
    https://www.openstreetmap.org/node/8888473363#map=19/52.52091/13.38715

    Öffnungszeiten: Dienstags bis freitags 9 bis 19 Uhr, am Wochenende 10 bis 18 Uhr

    Energiemuseum
    https://energie-museum.de


    Adresse: #Teltowkanalstraße 9, 12247 #Steglitz, direkt an der Haltestelle Teltowkanalstraße (Bus 186, 283)
    https://www.openstreetmap.org/way/45524990

    Öffnungszeiten: Da das Energiemuseum ehrenamtlich betrieben wird, gibt es keine festen Öffnungszeiten. Wer vorbeikommen möchte, kann telefonisch einen Termin vereinbaren: 030 701777-55 oder -56 (nur dienstags von 10 bis 12 Uhr).

    Militärhistorisches Museum
    https://mhm-gatow.de/de


    Adresse: #Am_Flugplatz #Gatow 33, 14089 #Spandau. Von den Bushaltestellen #Kurpromenade oder #Seekorso (Bus 135) läuft man etwa 10 Minuten. Tipp: Fall Sie mit dem Fahrrad kommen, können Sie von #Wannsee aus mit der Fähre F10 nach #Kladow übersetzen.
    https://www.openstreetmap.org/node/8428338215#map=19/52.47420/13.14174

    Öffnungszeiten: Dienstags bis sonntags von 10 bis 18 Uhr, montags ist geschlossen.

    Archenhold-Sternwarte
    https://www.planetarium.berlin/archenhold-sternwarte


    Achtung: Noch bis zum 20. Oktober läuft eine Sonderausstellung, weshalb der Eintritt bis dahin nicht umsonst ist. Erwachsene zahlen derzeit 15 Euro, Kinder 8 Euro Eintritt.

    Adresse: #Alt_Treptow 1, 12435 #Treptow. Die Sternwarte befindet sich unweit vom Zenner-Biergarten, von der Haltestelle Bulgarische Straße (Bus 165, 166, 265) sind es nur vier Minuten zu Fuß. Sie können auch vom S-Bahnhof #Treptower_Park (Ringbahn, S8, S9, S85) hinlaufen, das dauert 18 Minuten, ist aber ein schöner Spaziergang durch den Park.
    https://www.openstreetmap.org/relation/2309788

    Öffnungszeiten: Freitags von 17 bis 22 Uhr, samstags von 12.30 Uhr bis 22 Uhr, sonntags von 12.30 Uhr bis 17 Uhr.

    Street-Art-Museum Urban Nation
    https://urban-nation.com


    Adresse: #Bülowstraße 7, 10783 #Schöneberg. Vom U-Bahnhof Bülowstraße (U2) sind es nur fünf Minuten zu Fuß
    https://www.openstreetmap.org/node/4708547016

    Öffnungszeiten: Dienstags und mittwochs von 10 bis 18 Uhr, donnerstags bis sonntags von 12 bis 20 Uhr. Montags ist geschlossen.

    Jüdisches Museum
    https://www.jmberlin.de


    Adresse: #Lindenstraße 9–14, 10969 Kreuzberg, vor dem Haus liegt die Haltestelle Jüdisches Museum (Bus 248). Vom U-Bahnhof #Kochstraße / #Checkpoint_Charlie (U6) sind es aber auch nur zehn Minuten zu Fuß.
    https://www.openstreetmap.org/way/302942554

    Öffnungszeiten: täglich 10 bis 19 Uhr.

    Zweiradmuseum
    https://www.ideal-seitenwagen.eu/museum


    Adresse: #Köpenicker_Straße 8, 10997 #Kreuzberg, drei Fußminuten vom U-Bahnhof #Schlesisches_Tor (U1).
    https://www.openstreetmap.org/node/856410965#map=19/52.50268/13.43925

    Öffnungszeiten: Montags bis freitags von 10 bis 17 Uhr, samstags von 10 bis 13 Uhr.

    Diese Geheimtipps sollte jeder Berliner kennen
    https://www.berliner-zeitung.de/ratgeber/berlin-ausstellung-museum-mal-anders-diese-geheimtipps-sollte-jeder

    03.07.2022

    Industriesalon
    https://www.industriesalon.de/industriesalon


    #Reinbeckstraße 10 in 12459 #Schöneweide, Straßenbahnhaltestelle #Firlstraße (Tram 27, 60, 61, 67).
    https://www.openstreetmap.org/way/199532111

    Öffnungszeiten: Mittwochs bis sonntags von 14 bis 18 Uhr. Der Eintritt ist kostenlos.

    Classic Remise
    https://remise.de/berlin


    #Wiebestrasse 36-37 in 10553 #Moabit (ca. 10 Minuten vom S-Bahnhof# Beusselstraße, Ringbahn). Der Eintritt ist kostenlos.
    https://www.openstreetmap.org/node/2703829986

    Öffnungszeiten: Montags bis samstags 8 bis 20 Uhr, sonn- und feiertags 10 bis 20 Uhr.

    Gedenkort SA-Gefängnis Papestraße
    https://www.gedenkort-papestrasse.de


    #Werner-Voß-Damm 54a in 12101 #Tempelhof. Zu erreichen mit der S-Bahn, Haltestelle #Südkreuz (Ausgang #General-Pape-Straße / Werner-Voß-Damm).
    https://www.openstreetmap.org/way/30419819

    Geöffnet ist dienstags bis donnerstags sowie am Wochenende jeweils von 13 bis 18 Uhr, montags und freitags ist geschlossen. Der Eintritt ist kostenlos. Öffentliche Führungen finden immer sonntags um 13 Uhr statt (kostenfrei, Anmeldung nicht erforderlich).

    Computermuseum
    https://computermuseum.htw-berlin.de


    https://www.sammlungen.htw-berlin.de/computermuseum
    Ausstellung im Gebäude C, Campus Wilhelminenhof der HTW Berlin, 6.Etage, #Wilhelminenhofstraße 75a, 12459 #Köpenick. Von der Straßenbahnhaltestelle #Parkstraße (Tram 27, 60, 61, 67) läuft man eine gute Viertel Stunde.
    https://www.openstreetmap.org/node/1632937492#map=19/52.45724/13.52694

    Pandemiebedingt und aufgrund von aktuellen Personalengpässen werden derzeit nur Gruppenführungen angeboten (Anfragen an Frank Burghardt: Frank.Burghardt@HTW-Berlin.de). Erst ab Herbst soll es wieder reguläre Öffnungszeiten geben. Der Eintritt ist kostenlos.

    #Berlin #Tourismus #Museum

    • @sandburg Musée de Pergame avant ou après la rénovation ? Il est payant !


      Voici ce que Peter Weiss a écrit sur l’hôtel de Pergame en 1938. Je m’excuse car je n’ai pas de version numérique allemande. On a détruit l’ancienne présentation où on on entrait dans une pièce consacrée à la contemplation de l’oeuvre antique. Là il semble que l’hôtel soit retourné afin de permettre de faire passer devant des dizaines de milliers de touristes par jour.

      The Aesthetics of Resistance, Volume 1

      All around us the bodies rose out of the stone, crowded into groups, intertwined, or shattered into fragments, hinting at their shapes with a torso, a propped-up arm, a burst hip, a scabbed shard, always in warlike gestures, dodging, rebounding, attacking, shielding themselves, stretched high or crooked, some of them snuffed out, but with a freestanding, forward-pressing foot, a twisted back, the contour of a calf harnessed into a single common motion. A gigantic wrestling, emerging from the gray wall, recalling a perfection, sinking back into formlessness. A hand, stretching from the rough ground, ready to clutch, attached to the shoulder across empty surface, a barked face, with yawning cracks, a wide-open mouth, blankly gaping eyes, the face surrounded by the flowing locks of the beard, the tempestuous folds of a garment, everything close to its weathered end and close to its origin. Every detail preserving its expression, brittle fragments from which the whole could be gleaned, rough stumps next to polished smoothness, enlivened by the play of muscles and sinews, tautly harnessed chargers, rounded shields, erect spears, a head split into a raw oval, outspread wings, a triumphantly raised arm, a leaping heel circled by a fluttering tunic, a clenched fist on a now absent sword, shaggy hounds, their jaws clamped into loins and necks, a falling man, his finger stub aiming at the eye of the beast hanging over him, a charging lion protecting a female warrior, his paw swinging back to strike, hands endowed with bird claws, horns looming from weighty brows, scaly legs coiling, a brood of serpents everywhere, with strangleholds around bellies and throats, darting their tongues, baring sharp teeth, bashing into naked chests.

      These only just created, already dying faces, these tremendous and dismembered hands, these wide-sweeping pinions drowning in the blunt rock, this stony gaze, these lips torn open for a shriek, this striding, stamping, these blows of heavy weapons, this rolling of armored wheels, these clusters of hurled lightning bolts, this grinding underfoot, this rearing and collapsing, this endless straining to twist upward out of grainy boulders. And how gracefully curly the hair, how elaborately gathered and girded the lightweight mantle, how delicate the ornamentation on the straps of the shield, on the bulge of the helmet, how gentle the shimmer of the skin, ready for caresses yet exposed to the relentless rivalry, to slaughter and annihilation. With mask-like countenances, clutching one another and shoving one another away, strangling one another, clambering over one another, sliding from horses, entangled in the reins, utterly vulnerable in nakedness, and yet enrapt in Olympic aloofness, appearing indomitable as an ocean monster, a griffin, a centaur, yet grimacing in pain and despair, thus they clashed with one another, acting at higher behest, dreaming, motionless in insane vehemence, mute in inaudible roaring, all of them woven into a metamorphosis of torture, shuddering, persisting, waiting for an awakening, in perpetual endurance and perpetual rebellion, in outrageous impact, and in an extreme exertion to subdue the threat, to provoke the decision. A soft ringing and murmuring resounded now and again, the echoes of footfalls and voices surrounded us for moments at a time; and then once more, only this battle was near, our gazes glided over the toes in the sandals, bouncing off the skull of a fallen man, over the dying man whose stiffening hand lay tenderly on the arm of the goddess who held him by the hair. The cornice was the ground for the warriors: from its narrow, even strip they threw themselves up into the turmoil, the hooves of the horses banged upon the cornice, the hems of the garments grazed it, and the serpentine legs twisted across it; the ground was perforated at only one place: here, the demoness of the earth rose up, her face hacked away under her eye sockets, her breasts massive in a thin covering, the torn-off clump of one hand lifted in a search, the other hand, asking for a standstill, loomed from the stone edge, and knotty, long-jointed fingers stretched up to the profiled corbel as if they were still underground and were trying to reach the wrist of the open thumbless female hand, they moved along under the cornice, seeking the blurred traces of incised script, and Coppi’s face, his myopic eyes behind glasses with a thin steel frame, approached the letters, which Heilmann deci-hered with the help of a book he had brought along. Coppi turned toward him, attentive, with a broad, sharply drawn mouth, a large, protruding nose, and we gave the opponents in this melee their names and, in the torrent of noises, discussed the causes of the fight. Heilmann, the fifteen-year-old, who rejected any uncertainty, who tolerated no undocumented interpretation, but occasionally also adhered to the poetic demand for a conscious deregulation of the senses, who wanted to be a scientist and a seer, he, whom we nicknamed our Rimbaud, explained to us, who were already about twenty years old and who had been out of school for four years by now and were familiar with the world of labor and also with unemployment, while Coppi had spent a year in prison for circulating subversive literature —

      Heilmann explained to us the meaning of this dance round, in which the entire host of deities, led by Zeus, were striding toward vicory over a race of giants and fabulous creatures. The Giants, the sons of the lamenting Gaea, in front of whose torso we were now standing, had blasphemously mutinied against the gods; but other struggles that had passed across the kingdom of Pergamum were concealed under this depiction. The regents in the dynasty of the Attalids had ordered their master sculptors to translate the swift transience, paid for with thousands of lives, to a level of timeless permanence, thereby putting up a monu-ment to their own grandeur and immortality. The subjugation of the Gal-lic tribes invading from the north had turned into a triumph of aristocratic purity over wild and base forces, and the chisels and mallets of the stone carvers and their assistants had displayed a picture of incontestable order to make the subjects bow in awe. Historic events appeared in mythi-cal disguise, enormously palpable, arousing terror, admiration, yet not understandable as man-made, but endurable only as a more-than-personal power that wanted enthralled, enslaved people galore, though few at the top, who dictated destinies with a mere stirring of the finger. The populace, when trudging by on solemn days, scarcely dared to glance up at the effigy of its own history, while—along with the priests—the philosophers and poets, the artists from elsewhere, all full of factual knowledge, had long since walked around the temple; and that which, for the ignorant, lay in magical darkness was, for the informed, a handicraft to be soberly assessed. The initiates, the specialists talked about art, praising the harmony of movement, the coordination of gestures; the others, however, who were not even familiar with the concept of “cultured,” stared furtively into the gaping maws, felt the swoop of the paw in their own flesh.

      The work gave pleasure to the privileged; the others sensed a segregation under a draconian law of hierarchy. However, a few sculptures, said Heilmann, did not have to be extracted from their symbolism; the falling man, the man of Gaul taking his own life, showed the immediate tragedy of a concrete situation; but these sculptures, replied Coppi, had not been outside, they had remained among the trophies in the throne rooms, purely in order to indicate from whom the shields and helmets, the bundles of swords and spears had been taken. The sole aim of the wars was to safeguard the territories of the kings. The gods, confronted with the spirits of the earth, kept the notion of certain power relationships alive. A frieze filled with anonymous soldiers, who, as tools of the higher-ups, fought for years, attacking other anonymous soldiers, would have altered the attitude toward those who served, boosting their position; the kings, not the warriors, won the victories, and the victors could be like the gods, while the losers were despised by the gods. The privileged knew that the gods did not exist, for they, the privileged, who donned the masks of the gods, knew themselves. So they were even more insistent on being surrounded with splendor and dignity. Art served to give their rank, their authority the appearance of the supernatural. They could permit no skepticism about their perfection. Heilmann’s bright face, with its regular features, bushy eyebrows, and high forehead, had turned to the demoness of the earth. She had brought forth Uranus, the sky, Pontus, the sea, and all mountains. She had given birth to the Giants, the Titans, the Cyclopes, and the Furies. This was our race. We evaluated the history of the earthly beings. We looked up at her again, the demoness stretching out of the ground. The waves of loosened hair flowed about her. On her shoulder, she carried a bowl of pomegranates. Foliage and grape vines twirled at the back of her neck. The start of the lips, begging for mercy, was discernible in the raw facial plane, which veered sideways and upward. A gash gaped from her chin to her larynx. Alcyoneus, her favorite son, slanted away from her while dropping to his knees. The stump of his left hand groped toward her. She was still touching his left foot, which dangled from his stretched and shattered leg. His thighs, abdomen, belly, and chest were all tensing in convulsions. The pain of death radiated from the small wound inflicted between his ribs by the venomous reptile. The wide, unfurled wings of the kingfisher, growing from his shoulder, slowed down his plunge. The silhouette of the burst-off face above him, with the hard line of the neck, of the hair, which was tied up and tucked under the helmet, spoke of the pitilessness of Athena. As she swung forward, her wide, belted cloak flew back. The downward glide of the garment revealed, on her left breast, the scale armor with the small, bloated face of Medusa. The weight of the round shield, her arm thrust into its thong, pulled her along to new deeds. Nike, leaping up, with mighty wings, in loose, airy tunics, held the wreath, invisible but implied by the gesture, over her head. Heilmann pointed: at the dissolving goddess of the night, Nyx, who, with a loving smile, was hurling her vessel full of serpents toward a downcast creature; at Zeus, who, in his open, billowing cloak, was using his woolen aegis, the goatskin of doom, to whip down three adversaries; and at Eos, the goddess of dawn, who was riding like a cloud in front of the rising team of the naked sun god, Helios.

      Thus, he said gently, a new day dawns after the dreadful butchery, and now the glass-covered room became noisy with the scraping of feet on the smooth floor, with the ticking echoes of shoe soles on the steep steps leading up the reconstructed western façade of the temple to the colonnades of the interior court. We turned back toward the relief, which throughout its bands demonstrated the instant when the tremendous change was about to take place, the moment when the concentrated strength portends the ineluctable consequence. By seeing the lance immediately before its throw, the club before its whizzing plunge, the run before the jump, the hauling-back before the clash, our eyes were driven from figure to figure, from one situation to the next, and the stone began to quiver all around us. However, we missed Heracles, who, according to the myth, was the only mortal to ally himself with the gods in the battle against the Giants; and, combing the immured bodies, the remnants of limbs, we looked for the son of Zeus and Alcmene, the earthly helper whose courage and unremitting labor would bring an end to the period of menace. All we could discern was a sign bearing his name, and the paw of a lion’s skin that had cloaked him; nothing else testified to his station between Hera’s four-horse team and Zeus’s athletic body; and Coppi called it an omen that Heracles, who was our equal, was missing, and that we now had to create our own image of this advocate of action. As we headed toward the low, narrow exit on the side of the room, the red armbands of the men in black and brown uniforms shone toward us from the whirling shifts in the throng of visitors; and whenever I spotted the emblem, rotating and chopping in the white, round field, it became a venomous spider, ruggedly hairy, hatched in with pencil, ink, or India ink, under Coppi’s hand, as I knew it from the class at the Scharfenberg Institute, where Coppi had sat at the next desk, doodling on small pictures, cards from cigarette packs, on illustrations clipped from newspapers, disfiguring the symbol of the new rulers, adding warts, tusks, nasty creases, and rivulets of blood to the plump faces looming from the uniform collars. Heilmann, our friend, also wore the brown shirt, with rolled-up sleeves, the shoulder straps, the string for the whistle, the dagger on the short pants; but he wore this garb as a disguise, camouflaging his own knowledge and camouflaging Coppi, who was coming from illegal work, and camouflaging me, who was about to leave for Spain. And thus, on the twenty-second of September, nineteen thirty-seven, a few days before my departure, we stood in front of the altar frieze, which had been brought here from the castle mountain of Pergamum to be reconstructed, and which, painted colorfully and lined with forged metals, had once reflected the light of the Aegean sky. Heilmann indicated the dimensions and location of the temple, as the temple, still undamaged by sandstorms or earthquakes, pillage or plunder, had shown itself on a protruding platform, on the terraced hill of the residence, above the city known today as Bergama, sixty-five miles north of Smyrna, between the narrow, usually dried-out rivers Keteios and Selinos, gazing westward, across the plain of Caicus, toward the ocean and the isle of Lesbos, a structure with an almost square ground plan, one hundred twenty by one hundred thirteen feet, and with a perron sixty-five feet wide, the whole thing dedicated by Eumenes II, to thank the gods for helping him in his war — the construction having begun one hundred eighty years before our era and lasting for twenty years, the buildings visible from far away, included among the wonders of the world by Lucius Ampelius in his Book of Memorabilia, second century a.d., before the temple sank into the rubble of a millennium.

      And has this mass of stone, Coppi asked, which served the cult of princely and religious masters of ceremony, who glorified the victory of the aristocrats over an earthbound mix of nations—has this mass of stone now become a value in its own right, belonging to anyone who steps in front of it.

      It was no doubt highbred figures who trod barbaric mongrels underfoot here, and the sculptors did not immortalize the people who were down in the streets, running the mills, smithies, and manufactories, or who were employed in the markets, the workshops, the harbor shipyards; besides, the sanctuary on the thousand-foot-high mountain, in the walled district of the storehouses, barracks, baths, theaters, administration buildings, and palaces of the ruling clan, was accessible to the populace only on holidays; no doubt, only the names of some of the master artists were handed down, Menecrates, Dionysades, Orestes, and not the names of those who had transferred the drawings to the ashlars, had defined the intersections with compasses and drills, and had practiced expertly on some veins and shocks of hair, and nothing recalled the peons who fetched the marble and dragged the huge blocks to the oxcarts, and yet, said Heilmann, the frieze brought fame not only for those who were close to the gods but also for those whose strength was still concealed, for they too were not ignorant, they did not want to be enslaved forever, led by Aristonicus they rebelled at the end of the construction, rising up against the lords of the city. Nevertheless the work still incorporated the same dichotomy as at the time of its creation. Destined to emanate royal power, it could simultaneously be questioned about its peculiarities of style, its sculptural persuasiveness. In its heyday, before falling to the Byzantine Empire, Pergamum was renowned for its scholars, its schools and libraries, and the special writing pages of cured, fleshed, and buffed calfskin made the fruits of poetic invention, of scholarly and scientific investigation permanent. The silence, the paralysis of those fated to be trampled into the ground continued to be palpable. They, the real bearers of the Ionian state, unable to read or write, excluded from artistic activity, were only good enough to create the wealth for a small privileged stratum and the necessary leisure for the elite of the mind. The existence of the celestials was unattainable for them, but they could recognize themselves in the kneeling imbruted creatures. The latter, in crudeness, degradation, and maltreatment, bore their features. The portrayal of the gods in flight and of the annihilation of urgent danger expressed not the struggle of good against evil, but the struggle between the classes, and this was recognized not only in our present-day viewing but perhaps also back then in secret glimpses by serfs. However, the afterdays of the altar were likewise determined by the enterprising spirit of the well-to-do. When the sculptural fragments that had lain buried under the deposits of Near Eastern power changes came to light, it was once again the superior, the enlightened who knew how to use the valuable items, while the herdsmen and nomads, the descendants of the builders of the temple, possessed no more of Pergamum’s grandeur than dust.

      But it was a waste of breath complaining, said Heilmann, for the preservation of the showpiece of Hellenic civilization in a mausoleum of the modern world was preferable to its traceless entombment in Mysian detritus. Since our goal was to eliminate injustice, to wipe out poverty, he said, and since this country too was only going through a transition, we could imagine that this site would some day demonstrate the expanded and mutual ownership intrinsic in the monumentality of the formed work. And so, in the dim light, we gazed at the beaten and dying. The mouth of one of the vanquished, with the rapacious hound hanging over his shoulder, was half open, breathing its last. His left hand lay feeble on the forward-charging leather-shod foot of Artemis, his right arm was still raised in self-defense, but his hips were already growing cold, and his legs had turned into a spongy mass. We heard the thuds of the clubs, the shrilling whistles, the moans, the splashing of blood. We looked back at a prehistoric past, and for an instant the prospect of the future likewise filled up with a massacre impenetrable to the thought of liberation. Heracles would have to help them, the subjugated, and not those who had enough armor and weapons. Prior to the genesis of the figurations, there had been the bondage, the enclosure in stone. In the marble quarries on the mountain slopes north of the castle, the master sculptors had pointed their long sticks at the best blocks while eying the Gallic captives toiling in the sultry heat. Shielded and fanned by palm branches, squinting in the blinding sun, the sculptors took in the rippling of the muscles, the bending and stretching of the sweating bodies. The defeated warriors, driven here in chains, hanging from ropes on the rock faces, smashing crowbars and wedges into the strata of glittering, bluish white, crystalline-like limestone, and transporting the gigantic ashlars on long wooden sleds down the twisting paths, were notorious for their savagery, their brutal customs, and in the evenings the lords with their retinues passed them timidly when the stinking prisoners, drunk on cheap rotgut, were camping in a pit. Up in the gardens of the castle, however, in the gentle breeze wafting up from the sea, the huge bearded faces became the stuff of the sculptors’ dreams, and they remembered ordering one man or another to stand still, opening his eye wide, pulling his lips apart to view his teeth, they recalled the arteries swelling on his temples, the glistening nose, zygomas, and forehead emerging from the cast shadows.They could still hear the lugging and shoving, the stemming of shoulders and backs against the weight of the stone, the rhythmic shouts, the curses, the whip cracks, the grinding of sled runners in the sand, and they could see the figures of the frieze slumbering in the marble coffins. Slowly they scraped forth the limbs, felt them, saw forms emerge whose essence was perfection.

      With the plundered people transferring their energies into relaxed and receptive thoughts, degradation and lust for power produced art. Through the noisy maelstrom of a school class we pushed our way into the next room, where the market gates of Miletus loomed in the penumbra.

      At the columns flanking the gates, which had led from the town hall of the port to the open emporium, Heilmann asked whether we had noticed that inside, in the altar room, a spatial function had been inverted, so that exterior surfaces had become interior walls. In facing the western perron, he said, we had our backs to the eastern side, the rear of the temple, that is, in its merely rudimentary reconstruction, and the unfolded southern frieze stretched out to the right while the relief on the northern cornice ran to the left. Something the viewer was to grasp by slowly circling it was now surrounding him instead.

      This dizzying procedure would ultimately make us understand the Theory of Relativity, he added when, moving a few centuries deeper, we walked along the claybrick walls that had once stood in the cluster of Nebuchadnezzar’s Babylonian towers, and we then suddenly stepped into an area where yellowing leaves, whirring sunspots, pale-yellow double-decker buses, cars with flashing reflections, streams of pedestrians, and the rhythmic smashing of hobnailed boots demanded a readjustment in our bearings, a new indication of our whereabouts. We are now, said Coppi, after we crossed the square between the museum, the cathedral, and the Armory Canal, in front of the motionless fieldgray steel-helmeted sentries at the monument, whose dungeon still has room enough for the mangled marchers who, having bled to death, are en route here, willing or not, in order to lie down under the wreaths with silk ribbons. Heilmann, beneath the foliage of the Lindens, pointed between the Brothers Humboldt, who, enthroned loftily in armchairs with griffin feet, were brooding over open books, and he motioned across the wide forecourt, toward the university, where, reckoning with an accelerated high school diploma, he intended to study foreign affairs. He already knew English and French, and at the night school where we had met him, he had been seeking contacts for teaching him the taboo Russian language.

      The municipal night school, a gathering place for proletarians and renegade burghers, had been our chief educational institution after Coppi had left the Scharfenberg School Island at sixteen, and I, one year later, had likewise taken my last ferry to the mainland near Tegel Forest. Here, basic courses on Dostoyevsky’s and Turgenev’s novels served for debates on the prerevolutionary situation in Russia, just as lectures on economics guided us in our perusal of Soviet economic planning. The Association of Socialist Physicians plus scholarships from the Communist Party, where Coppi belonged to the Youth Organization, had enabled us to attend the Scharfenberg School, a progressive institution at that time. Our chief advocate had been Hodann, a municipal physician, head of the Health Office of the Reinickendorf district and director of the Institute of Sexology. We had met him at the question-and-answer evenings in the Ernst Haeckel Auditorium, and until his imprisonment and escape in nineteen thirty-three we often participated in the regular discussions on psychology, literature, and politics taking place every second week at his home in a settlement on Wiesener Strasse, Tempelhof. After the summoning of the National Socialist government, known as the Machtübernahme, the takeover of power, when it was no longer possible for us to go to school, Coppi had begun training at Siemens, and I had gotten a job as a shipping clerk at Alfa Laval, where my father had been foreman in the separator assembly department.

      #Berlin #Pergamonmuseum #Mitte #Kupfergraben #Bodestraße #Kunst #Geschichte

  • Berlins dunkle Geschichte: Die vergessene Geheimdienstzentrale der Nazis
    https://www.berliner-zeitung.de/mensch-metropole/ns-vergangenheit-berlins-dunkle-geschichte-an-diesem-ort-sassen-goe

    29.7.2022 von Armin Fuhrer - In Charlottenburg befand sich die Zentrale von Hermann Görings „Forschungsamt“, eines streng geheimen Abhördienstes. Stadtgeschichte, die man kennen sollte.

    Die Schillerstraße in Charlottenburg wirkt an diesem Sommertag ein wenig abgehoben vom brausenden Großstadtverkehr, der nur einen Steinwurf entfernt am Ernst-Reuter-Platz tobt. Ruhig liegt sie da, nur wenige Menschen queren die Bürgersteige und nur ab und an durchfährt ein Auto die stille Straße. Vor allem die Kreuzung Schiller- und Schlüterstraße, wirkt geradezu heimelig. Hier beginnt leicht zurückgesetzt ein großer Gebäudekomplex, das Oberstufenzentrum Körperpflege, ein moderner Zweckbau, der sich zig Meter an der Schillerstraße entlangzieht.

    Was kaum jemand weiß: Genau an dieser Stelle mitten in Charlottenburg, wo heute zukünftige Friseure, Maskenbilderinnen und Zahntechniker ausgebildet werden, befand sich von 1935 bis 1945 die Zentrale des „Forschungsamtes des Reichsluftfahrtministeriums“. Der harmlos klingende Name war eine geschickte Tarnung.

    Tatsächlich verbarg sich dahinter ein großer, heute vergessener Geheimdienst des Dritten Reiches, der über ein Beinahe-Monopol bei der Telefonüberwachung und zahlreiche weitere Kompetenzen verfügte. Sein oberster Herr war Hermann Göring. Adolf Hitlers zweiter Mann hatte sich mit dieser Behörde, die in ihren besten Zeiten bis zu 6000 Mitarbeiter hatte, ein äußerst wirkungsvolles Instrument geschaffen, mit dem er alles und jeden überwachen konnte: Regimegegner, Wehrmachtsgeneräle, Wirtschaftsunternehmen, Botschaften und ausländische Staatsmänner und Nazi-Funktionäre.

    Die äußerst breite Geschichtsschreibung zum Dritten Reich hat das Forschungsamt fast völlig ignoriert, weil es kaum Spuren hinterließ. Selbst renommierte Historiker sind oft ahnungslos, was diese Institution betrifft.

    Von Göring verborgen hinter dem Namen „Forschungsamt“
    Göring baute seine neue Behörde fast vom ersten Tag nach der Machtübernahme Hitlers auf. Er erkannte sofort die Möglichkeiten, die ihm eine solche Einrichtung bieten würde, denn ihm war klar, dass er durch die heimliche Überwachung des Telefonverkehrs viele wertvolle Informationen in die Hände bekommen würde. Er integrierte die neue Überwachungsbehörde, obwohl sie eine Einrichtung der NSDAP war, in sein gerade im Entstehen befindliches Reichsluftfahrtministerium und nannte es „Forschungsamt“, sodass seine wirkliche Bedeutung vor der Öffentlichkeit und dem Ausland verborgen blieb.

    Zu den Aufgaben des Forschungsamtes gehörten die Überwachung des Funkverkehrs, die Dechiffrierung verschlüsselter Nachrichten zum Beispiel der Botschaften in Berlin und später der Kriegsgegner sowie die Auswertung der gewonnenen Erkenntnisse ebenso wie die intensive Beobachtung des ausländischen Rundfunks und der Zeitungen.

    Für die Bedeutung, die es bald erlangen sollte, war aber vor allem eine Entscheidung Hitlers ausschlaggebend, die Göring bei ihm durchgesetzt hatte: Das Amt bekam das Monopol bei der Überwachung der Telefone – keine andere Institution des Dritten Reiches durfte die Telefonleitungen anzapfen. Erst 1940 setzte Reichspostminister Wilhelm Ohnseorge durch, dass auch seine Behörde, in deutlich geringerem Umfang, den Telefonverkehr überwachen durfte.

    Die Akten wurden fast komplett vernichtet
    Die Anfänge waren sehr bescheiden. In den ersten Monaten nach der Gründung im April 1933 arbeiteten etwa zehn Männer am Aufbau der Behörde, die zunächst im Dachgeschoss des neuen Luftfahrtministeriums in der Behrenstraße (das später in sein neues Gebäude an der Wilhelmstraße wechselte) in Mitte untergebracht wurde. Doch schon wenige Monate später stand aus Platzgründen der erste Umzug in ein Gebäude gegenüber an. Bis Ende des Jahres 1933 erhöhte sich die Mitarbeiterzahl auf 133. Zwei Jahre später folgte der Umzug in die Schillerstraße.

    Hermann Göring als oberster Chef delegierte die Kontrolle des Forschungsamts an seinen Staatssekretär Paul Körner. Darunter stand an der Spitze ein Leiter. Es gab während der zwölfjährigen Existenz des Amts insgesamt drei Chefs, am längsten stand Prinz Christoph von Hessen an der Spitze, von 1935 bis 1943. Das Amt wurde in sechs Hauptabteilungen gegliedert, später kam es zu mehreren Umstrukturierungen.

    Schon bald konnte die neue Einrichtung auf große Erfolge blicken. Wen genau die Mitarbeiter des Forschungsamtes alles abhörten, ist heute leider nicht mehr nachzuvollziehen, denn die Akten wurden fast vollständig in der letzten Phase des Zweiten Weltkrieges vernichtet. Aber aus Funden in anderen Archivunterlagen und späteren Aussagen von Angestellten des Amtes kann immerhin einiges nachvollzogen werden.

    „Braune Blätter“ mit Berichten für Göring
    Göring setzte sein Machtmittel natürlich gegen die Gegner des NS-Regimes ein. Zum Beispiel wurden Kritiker aus Kirchenkreisen überwacht. Auch Wirtschaftsunternehmen gerieten ins Visier, so zum Beispiel die Zentrale der Junkers-Flugzeugwerke in Dessau, die Göring unter seine Kontrolle bringen wollte. Er bekam die Berichte über abgehörte Telefonate schriftlich auf den Schreibtisch. Sie waren auf braunem Papier gedruckt und hießen daher intern „Braune Blätter“. Auch Hitler wurde jeder Bericht geschickt. Ein Kreis von hohen Behördenchefs bekam ebenfalls ausgewählte Berichte zur Ansicht.

    Kaum überraschend gerieten auch schnell ausländische Regierungen ins Visier von Görings Lauscher. Das gilt zuallererst für die in Berlin angesiedelten Botschaften, deren Funk- und Telefonverkehre intensiv überwacht wurden. Aber Deutschlands Lage in der Mitte Europa bot noch mehr Möglichkeiten: Weil viele Telefonverbindungen von Ost nach West durch das Land gingen, konnten auch sie angezapft und damit der Verkehr zwischen den Botschaften beispielsweise in Prag oder Warschau mit den Außenministerien in London oder Paris überwacht werden.

    Ein spektakulärer Erfolg gelang dem Forschungsamt zum Beispiel während der Konferenz von Bad Godesberg vom 22. und 23. September 1938, auf der es um die von Hitler erhobenen Ansprüche auf das Sudetenland ging. Das Forschungsamt hörte während dieser Konferenz den gesamten Telefon- und Funkverkehr zwischen dem angereisten britischen Premierminister Neville Chamberlain und seiner Regierungszentrale in London ab.

    Auch die eigenen Leute waren nicht sicher
    Der größte Abhör-Coup gelang allerdings nicht dem Forschungsamt, sondern der Reichspost. Ihrer „Forschungsstelle“ gelang es, in der Nacht vom 28. auf den 29. Juli 1943 über eine Abhörstation in Holland ein Telefongespräch zwischen US-Präsident Franklin D. Roosevelt und dem britischen Premierminister Winston Churchill abzuhören.

    Aber auch die eigenen Leute waren nicht sicher vor Görings Lauschern. So gibt es beispielsweise den schriftlichen Bericht eines ehemaligen Mitarbeiters aus der Nachkriegszeit, nach dem nahezu alle Telefonate von SA-Führer Ernst Röhm in den Wochen vor seiner von Hitler angeordneten Ermordung am 30. Juni 1934 im Zuge des sogenannten Röhm-Putsches abgehört worden seien. Erwiesen ist, dass hohe Wehrmachtsoffiziere, denen gegenüber Hitler und Göring stets misstrauisch waren, überwacht wurden.

    Abgehört wurde auch der Gauleiter aus Franken und Herausgeber des antisemitischen Hetzblattes „Der Stürmer“, Julius Streicher. Und eine Weile konnten sich die Männer in der Schillerstraße sogar den nächtlichen Abhördienst mit dem Liebesgesäusel von Joseph Goebbels versüßen. Als der liebestolle Propagandaminister seine Frau Magda betrog und stundenlang mit seiner Geliebten, der Schauspielerin Lida Baarova, telefonierte, wurde er regelmäßig abgehört. Daran erinnerte sich nach dem Krieg im Verhör mit dem britischen Geheimdienst ein Mitarbeiter, der selbst gebannt die nächtlichen Telefonate mitgehört haben wollte. Die Berichte wurden sehr wahrscheinlich Hitler vorgelegt, der Goebbels zur Beendigung des Verhältnisses zwang.

    Die Zahl der Mitarbeiter stieg nach dem ersten Umzug des Amts 1933 rasant an. 1938 soll sie nach der Aussage eines Mitarbeiters aus der Nachkriegszeit bei 3800 gelegen haben, während der Hochphase im Krieg bei 6000. Ein großer Teil davon arbeitete in Abhörstationen, genannt „Forschungsstellen“, die in deutschen Städten und nach dem Beginn des Krieges in den besetzten Gebieten aufgebaut wurden und der Zentrale ihre Berichte lieferten.

    Das hochgesicherte Gebäude fiel Passanten kaum auf
    Als 1935 die Räume in der Behrenstraße nicht mehr ausreichten, wurde dringend nach einer neuen Zentrale gesucht. Sie wurde schließlich in Charlottenburg gefunden. In der Schillerstraße 116–120 bot sich ein großer Komplex, die Schillerkolonnaden, an, die vermutlich ursprünglich als Wohngebäude für Angehörige der Reichswehr gebaut worden waren. Hier wurde auch ein riesiges Archiv mit Karteikarten und auf Schelllackplatten aufgezeichneten Gesprächen angelegt.

    Obwohl das Gebäude hochgesichert war, fiel ahnungslosen Passanten nicht auf, was sich in dem Komplex, der später noch vergrößert wurde, befand. Das Forschungsamt war unter seiner offiziellen Bezeichnung sogar mit Rufnummer und Adresse im Berliner Adressbuch aufgeführt und verfügte über einen eigenen Poststempel.

    Mitten im Zentrum der Reichshauptstadt befand sich nun also eine Einrichtung, die nahezu jeden ins Visier nehmen konnte. Bald schwirrten Gerüchte durch die Berliner Luft, dass zahlreiche Telefonate abgehört werden würden, man mahnte zur Vorsicht. Insgesamt soll das Amt nach Schätzungen ehemaliger Mitarbeiter rund eine halbe Million Telefongespräche abgehört haben. Das mag uns heute in Zeiten von NSA und BND wenig erscheinen, aber für die damalige Zeit war das eine beeindruckende Menge.

    Während des Krieges nahm die Bedeutung des Forschungsamtes aber stetig ab. Vor allem, weil Hitler lieber seiner „Intuition“ vertraute als den Erkenntnissen der Abhörexperten. Sie hatten beispielsweise viele Daten zu Fabriken in der Sowjetunion gesammelt und daraus geschlossen, dass Armee und Wirtschaft des Landes bei weitem nicht so schwach waren, wie Hitler und die Führung der Wehrmacht glaubten. Doch der „Führer“ hörte nicht auf sie und griff im Juni 1941 die Sowjetunion an. Das Ergebnis ist bekannt.

    Die Alliierten ahnten nichts von der Existenz des Amts
    Am 22. November 1943 wurden große Teile des Gebäudekomplexes in der Schillerstraße bei einem verheerenden Bombenangriff zerstört. Mit ihm ging ein Teil der Akten in Flammen auf. Die Zentrale wurde daraufhin nach Breslau verlegt. Nach dem gescheiterten Attentat vom 20. Juli 1944 auf Hitler übernahm SS-Führer Heinrich Himmler die Kontrolle über das Forschungsamt.

    Kurz vor der Belagerung Breslaus durch die Rote Armee wurden die verbliebenen Mitarbeiter Anfang 1945 in zwei Gruppen aufgeteilt. Die eine ging nach Schleswig-Holstein, die andere nach Bayern. Bei Kriegsende verstreuten sie sich in alle Himmelsrichtungen. Weil sie genau wussten, welch gefährliches Wissen in den noch verbliebenen Akten steckte, verbrannten sie vorher das Material. Auf die Brisanz der Unterlagen deutet auch die Tatsache hin, dass zwei der drei Chefs des Amtes unter mysteriösen Umständen bei Unfällen ums Leben kamen, nachdem Göring das Vertrauen in sie verloren hatte. In beiden Fällen ist es gut möglich, dass er seine Finger im Spiel hatte.

    Wie erfolgreich das Forschungsamt arbeitete, können wir heute nur erahnen. Übrigens hatten auch die Alliierten absolut keine Ahnung von seiner Existenz. Sie kamen ihm erst in der unmittelbaren Nachkriegszeit durch Äußerungen ehemaliger Mitarbeiter, die zufällig in ihre Hände geraten waren, auf die Spur und begannen, Informationen zu sammeln, die sich heute noch in den Archiven in den USA und England finden. Auch Göring erwähnte während des Kriegsverbrechertribunals in Nürnberg sein Forschungsamt – mit unverhohlenem Stolz.

    Armin Fuhrer ist Journalist und Historiker. Er hat das Buch „Görings NSA. Das ‚Forschungsamt‘ im Dritten Reich. Die unbekannte Geschichte des größten Geheimdienstes der Nazis“ veröffentlicht.

    Das ist ein Beitrag, der im Rahmen unserer Open-Source-Initiative eingereicht wurde. Mit Open Source gibt der Berliner Verlag freien Autorinnen und Autoren sowie jedem Interessierten die Möglichkeit, Texte mit inhaltlicher Relevanz und professionellen Qualitätsstandards anzubieten. Ausgewählte Beiträge werden veröffentlicht und honoriert.

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  • blog.arthistoricum.net: »Der Schriftsteller und Redakteur Josef Wiener-Braunsberg«
    https://blog.arthistoricum.net/beitrag/2017/01/01/der-schriftsteller-und-redakteur-josef-wiener-braunsberg

    1.1.2017 Bettina Müller - Kenner der Satiren, des leichtbeschwingten Reimes, des Humors

    Am 12.10.1866 wurde Josef Wiener im ostpreußischen Braunsberg als Sohn des jüdischen Kinderarztes Dr. Wilhelm Wiener und seiner Ehefrau Doris geb. Müller geboren. Er verließ aus gesundheitlichen Gründen das Braunsberger Gymnasium vorzeitig, machte in Königsberg eine Lehre zum Buchhändler und arbeitete anschließend aber nur kurze Zeit in Königsberg und Berlin in seinem Beruf. Schon früh hatte er begonnen, für humoristische Zeitschriften wie die „Lustigen Blätter“ zu schreiben, 1891 schließlich veröffentlichte er seinen ersten Berlin-Roman „Trude Schneider“, dem noch weitere folgen sollten. Nach mehreren Ortswechseln – in Bochum und Halle war er Redakteur bei zwei Tageszeitungen, ab 1895 dann freier Schriftsteller in Dresden – ließ er sich nach dem Tod seiner Mutter (1899) und seiner Schwester Selma verh. Adolph (1900) in Berlin nieder, wo sein Vater in der Zwischenzeit eine eigene Arztpraxis in Schöneberg eröffnet hatte und als Krönung seiner medizinischen Laufbahn 1898 zum Sanitätsrat ernannt worden war. Ab 1910 bis 1916 arbeitete Wiener-Braunsberg in unregelmäßigen Abständen für die konservative Zeitschrift „Beim Lampenschimmer“, einer Zeitschrift „Für die ganze Familie“, u.a. mit einer Rubrik „Der Weg zum eigenen Herd“, die nichts anderes als Kontaktanzeigen waren. Im „Lampenschimmer“, deren Herausgeber er in den ersten beiden Jahren ihres Erscheinens war, veröffentlichte er mehrere Fortsetzungsromane (u.a. 1910 „Im Forsthause zu Lindenhofen“ und 1915 „Das Geheimnis des Amerikaners“).

    Eintrag aus dem Berliner Adressbuch 1919

    1917 wurde Josef Wiener-Braunsberg Redaktionsmitglied der satirischen Zeitschrift „Ulk“ (= Unsinn, Leichtsinn, Kneipsinn), einer Beilage des Berliner Tageblatts im Verlag von Rudolf Mosse, die bis 1933 existieren sollte. Die Beilage erschien ab dem 18.3.1927 zusätzlich auch als Beilage der Berliner Volkszeitung (vorher hatte es darin lediglich ein einseitiges „Witzblatt“ namens „B.V.B.-ULK“ gegeben). 1920 übernahm er von Kurt Tucholsky den Posten des Chefredakteurs, den er bis 1925 innehatte, dem Ulk als Mitarbeiter treu blieb er bis zu seinem Lebensende. Das ganze Jahr 1919 hindurch arbeiteten Wiener-Braunsberg und Tucholsky für den ULK wohl harmonisch zusammen, wobei sich die beiden in ihrer Herangehensweise an Satire und Humor sicherlich unterschieden. Für Tucholsky war Satire „blutreinigend“, Wiener-Braunsbergs Ansatz war in vielen Fällen humoristischer, manchmal sicherlich weniger bissig als Tucholsky, dafür aber auch weniger „verbissen“.

    Die Jahre 1920 bis 1925 waren die produktivsten und erfolgreichsten seiner schriftstellerischen Laufbahn, es entstanden drei Romane und drei Verssammlungen. Für den ULK hatte er außerdem insgesamt rund 670 Verse und humoristische Prosatexte (wobei dies allein die eindeutig Signierten waren, viele Beiträge im ULK waren unsigniert ) verfasst, viele unter dem trügerischen Pseudonym „Der sanfte Heinrich“ (laut „Glossar Berlinische Wörter“ von 1873 „eine Art Branntwein oder Schnaps“) in den so genannten „Leitgedichten“. Mit ihnen kommentierte Wiener-Braunsberg die innen- und außenpolitischen schwersten Krisen der noch instabilen Republik zumeist mit spitzer Feder. Zur Seite stand ihm in der Redaktion nach Tucholskys Weggang u.a. Hugo Frenz, ein humoristischer Schriftsteller, der eigentlich als Parlamentsstenograf begonnen hatte und dessen Humor Wiener-Braunsbergs sehr ähnlich war.
    Die Nachwirkungen des 1. Weltkriegs mit den daraus resultierenden prekären Lebens-bedingungen für die Bevölkerung, Aufstände, Putschversuche, politische Morde (z.B. 1922 an Walther Rathenau, was Wiener-Braunsberg in dem Leitgedicht „Sein Grab“ in der Ausgabe Nr. 25, S. 98, sichtlich nahe ging) etc., prägten die ungemein schwere Zeit zwischen den beiden Weltkriegen. Der Posten des Chefredakteurs einer Zeitschrift mit ganz bestimmter und bekannter politischen Ausrichtung, aus der Wiener-Braunsberg keinen Hehl machte und teilweise sogar für die entsprechende (Deutsch-Demokratische) Partei warb, war dabei kein ungefährlicher. Leser fühlten sich regelmäßig „angeekelt“ und „in den guten Sitten verletzt“, wie schon Tucholsky schrieb. Theodor Wolff, der Chefredakteur des Berliner Tageblatts, erhielt regelmäßig Morddrohungen, Wiener-Braunsberg wurde 1925 von dem antisemitischen Zoologen Ludwig Plate aufgrund des Gedichts „Zoologisches aus Jena“ verklagt, in dem Wiener-Braunsberg ihn mit einem Esel verglichen hatte. Relativ spät, 1927, geriet Wiener-Braunsberg aufgrund seines Gedichtes „Fasching“, eigentlich eine Satire auf die Künstlerszene der damaligen Zeit mit all ihren Eitelkeiten und „sittlichen Auswüchsen“, ins Visier des fanatischen Antisemiten Alfred Rosenberg.
    1923 war das Jahr, in dem ganz besonders die Ruhrkrise den ULK prägte, nachdem Deutschland nicht mehr in der Lage war, die geforderten Reparationsleistungen zu erbringen. Es kam in diesem Jahr im Ruhrgebiet erneut zu einem Verbot des ULK durch die Interalliierte Rheinland-Kommission, da das Blatt „die Würde der Besatzung“ verletzen würde. Die Reaktion kam prompt im Vers „Den Pariser Helden (Nach dem abermaligen ULK-Verbot) in der Ausgabe 10/1923: Und wenn ihr zehnmal mir den Mund verbietet/ihr tapfern Helden von der Ruhraktion/und gegen mich und meinesgleichen wütet/ich ändre darum doch nicht Wort und Ton/Ich werde trotzdem Schurken Schurken nennen/seid ihr darüber noch so missvergnügt/der Lüge Schandmaul auf die Stirn euch brennen/die ihr sogar das eigne Volk belügt! (vgl. auch „Der verbotene ULK“ Nr. 8/1922/S. 30).
    Gepaart mit den zu dieser Zeit oftmals sehr düsteren expressionistischen Zeichnungen des aus Schlesien stammenden Illustrators Oskar Theuer, der die Krisen kongenial zeichnerisch umsetzte, ergab dies eine äußerst effektive Mischung, bei denen der Vorwurf der „Unbissigkeit“ haltlos war. Immer häufiger gab es ab dieser Zeit Anspielungen auf den zunehmenden Antisemitismus im Land: Man zieht – natürlich nur in Scharen!/nachts durch die Straßen von Berlin/und trifft man wen mit schwarzen Haaren/dann prügelt man ihn blau und grün“ - Man wütet wie die Botokuden [brasilianische Indianer]/mit Stock und Gummiknüppel blind/man ruft begeistert: „Haut die Juden!“/auch wenn es keine Juden sind. (ULK 21/1923/74: „Die Wilmersdorfer Helden“). Adolf Hitler fand am 9.2.1923 zum ersten Mal Eingang in das Leitgedicht des „sanften Heinrich“: Im Kriegstanz, mit gewalt’gem Geheule/schwingt Adolf seine Indianerkeule/und fordert die Skalpe, Germanias „Rächer“/der Juden und der „November-Verbrecher (Auszug aus: Sie tanzen… ULK 6/1923/22).

    Visuell war in der Zeitschrift bereits im Vorjahr 1922 eine Veränderung zu beobachten. Wohl ein Leser der Zeitschrift „Berliner Leben“ (für die er das Gedicht „Komtesschens Brautnacht“ verfasst hatte, im Gegenzug veröffentlichte der damalige Chefredakteur der Ber-liner Leben, Eugen H. Strassburger, später auch einige Verse in der ULK), einer Zeitschrift „für Schönheit und Kunst“, in der in den 1920er Jahren regelmäßig sehr hochwertige Zeichnungen verschiedener Künstler veröffentlicht wurden (z.B. Theodora Bücking, Lisbeth Juel, Kurt Walter Kabisch, Fred Knab, Rolf Niczky), mit denen man den Platz zwischen den verschiedenen Novellen kurzweilig garnierte, nahmen auch in der Ulk im Verlauf der nächsten Jahre Zeichnungen dieser Art zu bis hin zu dem Zeitpunkt, wo sie beinahe den Schwerpunkt bildeten und sogar die politischen Themen auf der Titelseite verdrängten. Ebenso hatte sich die Farbgebung verändert, es dominierten helle und leuchtende, teils sogar grelle Farben. Am 16. Oktober 1925 z.B. sah man auf dem Titelbild der ULK keine politische Satire-Zeichnung, sondern drei eher leicht bekleidete Frauen an einem Tisch mit einem ausgebreiteten Kreuzworträtsel mit der Überschrift „Um Mitternacht“, von denen eine sagt: „Eher löse ich mein Verhältnis mit Bill als dieses Kreuzworträtsel!“ Der Zeichner war der bereits schon länger aus der „Berliner Leben“ bekannte Zeichner Josef Fenneker. Der ULK wurde ab diesem Zeitpunkt eine Art Zwitter aus Witzen, wenigen Satiren und eindeutigen Frivolitäten, ein Spiegelbild des gesellschaftlichen Wandels mit einem Publikum, das die Nachwirkungen des 1. Weltkriegs überwunden zu haben schien und dass sich – wenn es zu den zahlungskräftigen gehörte – angemessen vergnügen konnte.

    Der weite Verbreitungskreis des ULK ließ auch seinen Chefredakteur mit den Jahren zunehmend populärer werden, er trat er im Rundfunk mit „humoristischen Plaudereien“ auf, sein Roman „Warenhausmädchen“ wurde 1925 unter dem Titel „Die Kleine aus der Konfektion (Großstadtkavaliere)“ mit den damaligen Stummfilmstars Evi Eva und Reinhold Schünzel verfilmt, seine Verse wurden als Kunstpostkarten als Sets von zehn oder 20 Stück kommerziell vermarktet. Doch lange konnte Josef Wiener-Braunsberg seinen späten Ruhm nicht mehr genießen, am 8.6.1928 verstarb er im 62. Lebensjahr im Schöneberger Auguste-Viktoria-Krankenhaus an den Folgen eines Hirnschlags, den er vier Tage zuvor erlitten hatte. Er hinterließ seine zweite Ehefrau (mit einer ersten Ehefrau Anna Pauline Alder war er von 1895 bis 1913 verheiratet) Wanda geb. Hildebrandt (verwitwete Küch, Tochter des Schriftstellers und Redakteurs Martin Hildebrand, der u.a. die Zeitschrift „Recht der Feder“ herausgab) und zwei Stiefkinder, die sie aus ihrer ersten Ehe mitgebracht hatte. Kontrastierend zu seiner jüdischen Herkunft, ließ er sich im Krematorium Wilmersdorf einäschern und wurde auf dem Wilmersdorfer Friedhof in einem Urnengrab bestattet, das heute nicht mehr existiert. Seine Eltern und seine Schwester liegen auf dem jüdischen Friedhof Weißensee begraben. Die Leser des ULKs erfuhren, so es sich noch nicht bis zu ihnen herumgesprochen hatte, von seinem Tod in der Ausgabe Nr. 24 – als Reminiszenz an den Meister der humoristischen Verse – ebenfalls in Reimform durch den verantwortlichen Redakteur des Textteils Hans Flemming (Pseudonym: Fl.). Etliche Zeitungen im In- und Ausland meldeten den Tod des damals offensichtlich sehr beliebten Humoristen, Schriftstellers und Redakteurs. Doch schon bald geriet er in Vergessenheit, zumal 1935 seine beiden Romane „Warenhausmädchen“ und „Die Venus von der Tauentzien“ von den Nationalsozialisten als „verbotene Literatur“ eingestuft worden waren, die „das nationalsozialistische Kulturwollen gefährden“. Somit durften sie weder durch öffentlich zugängliche Büchereien oder durch den Buchhandel verbreitet werden. Diese und andere seiner Werke harren bis heute einer Neuauflage. Allenfalls Menschen ostpreußischer Herkunft kennen heute noch seine Verssammlung „Mein Vater ist ein kleines Mannchen“.

    Zeitschrift ULK – Seite der Universität zu Heidelberg, mit Digitalisaten:
    www.ub.uni-heidelberg.de/helios/digi/ulkhd.html

    Textauszüge von Josef Wiener-Braunsberg:
    www.portal-ostpreussen.de/Members/Bettina/josef-wiener-braunsberg-1866-1928-schriftsteller-redakteur-und-kritiker/

    Bibliographie (Auswahl)

    • Trude Schneider. Roman aus dem Berliner Leben, Leipzig 1891, 3. veränderte Auflage, 1894
    • Alma’s Ende (Fortsetzung von Hermann Sudermanns Schauspiel „Die Ehre“), Berlin 1892, 4. Aufl. 1902, 12. Auflage 1911
    • Aber - - Herr Sudermann! Offener Brief an den Verfasser der „Verrohung in der Theaterkritik“ von einem Theaterbesucher. Broschüre, Berlin 1903
    • Die wandernde Hand: ein Nachtstück. Nach den hinterlassenen Tagebuchblättern Iwan Petrowskis (Collection Geister- und Gespenster-Romane, Bd. 4), Berlin 1904
    • Mein Vater ist ein kleines Mannchen. Ostpreußische und andere Vortragsgedichte (Eduard Blochs Original-Deklamatorium Nr. 51), Berlin 1904, 2. Aufl. 1909, 3. Aufl. 1919
    • Nach den Gewittern. Ein Eheroman (Bibliothek zeitgenössischer Erzähler, Weichert-Verlag, 31), Berlin 1905
    • Die letzte Instanz. Eine Kriminal- und Liebesgeschichte aus den Tiroler Bergen (Kürschners Bücherschatz, eine Sammlung illustrierter Romane und Novellen, 587), Berlin 1907
    • Die Erziehung zur Bestie. Die Geschichte eines zerstörten Lebens, Berlin 1909
    • Schnurriges und Knurriges. Lustige Vortragsstücke in Vers und Prosa (Amboß-Vortragsbücher Nr. 2), Stendal 1922, 2. Aufl. 1924
    • Warenhausmädchen: Roman aus d. Berlin d. Gegenwart, Berlin 1922
    • Die Venus von der Tauentzien: Sittenbild aus dem Berlin von heute, Berlin 1923
    • Die Brett’lgräfin, Berlin 1924
    • Mensch, det jiebt et doch bloß in Berlin und andere Vortragsstücke in Vers und Prosa (Amboß-Vortragsbücher Nr. 3), Leipzig 1924
    • Mensch, ärgere Dich nicht! Und andere Vortragsstücke in Vers und Prosa (Amboß-Vortragsbücher Nr. 4), Leipzig 1924

    #Berlin #Schöneberg #Bayrisches_Viertel #Berchtesgadener_Straße #Geschichte #Literatur #Humor

  • Zensur im Nationalsozialismus: Die vergessenen Werke von Josef Wiener
    https://www.berliner-zeitung.de/kultur-vergnuegen/literatur/zensur-im-nationalsozialismus-die-vergessenen-werke-von-josef-wiene

    30.9.2022 von Bettina Müller - Vor 100 Jahren erschien Josef Wieners Roman „Die Venus von der Tauentzien“, in der NS-Zeit wurde er verboten. Der Roman geriet in Vergessenheit.

    Berlin, am Anfang des 20. Jahrhunderts – wie so viele andere ist auch der 1866 im ostpreußischen Braunsberg geborene Redakteur und Schriftsteller Josef Wiener, Sohn eines Kinderarztes, in die Reichshauptstadt umgesiedelt. Er wird schnell heimisch, und Berlin zu seinem ganz persönlichen „Spree-Athen“.

    Seine neu erworbenen Ortskenntnisse kann er für seinen im Kurt-Ehrlich-Verlag veröffentlichten Roman „Die Venus von der Tauentzien“ an vielen Stellen für das nötige Lokalkolorit einflechten. Alma Wernicke ist besagte Venus, die Göttin der erotischen Liebe und der Schönheit, die Wiener kurzerhand aus dem antiken Griechenland nach Berlin verpflanzt hat. Dort verfällt die Choristin an einer Operettenbühne dem verschlagenen Schieber Rohrmann, der sie zu seiner Geliebten macht.

    An keiner Stelle des Berlin-Romans wird der Autor dabei explizit erotisch oder gar politisch, dennoch wird das Buch 1935 zusammen mit seinem unter dem Namen Josef Wiener-Braunsberg veröffentlichten „Warenhausmädchen“ auf der „Liste 1 des schädlichen und unerwünschten Schrifttums“ geschmäht. Und das ist ein ellenlanges Machwerk, das von der Reichsschrifttumskammer herausgegeben wird und zum Beispiel kategorisch alle Werke von Kurt Tucholsky als „schädlich und unerwünscht“ brandmarkt.

    Die Romane Wiener-Braunsbergs gefährden demnach ebenfalls „das nationalsozialistische Kulturwollen“. Doch je mehr „gute Sitten“ in der Reichshauptstadt verletzt werden, desto höher ist in den 1920er-Jahren auch der Bedarf an „Sittenbildern“ und „Milieuschilderungen“, denen ein voyeuristisches Element sicherlich nicht abzusprechen ist. In dieser zerbrochenen und düsteren Welt des Berlins der Weimarer Zeit wimmelt es nur so von dunklen Bars, anrüchigen Spielclubs, Dirnen, Nackttänzerinnen, Schiebern et cetera.

    Für den Autor sind seine Protagonisten vor allem fatalistische Opfer der Zeitumstände. Josef Wiener-Braunsbergs Roman bietet dem Leser somit auch keinerlei Identifikationsfiguren, der Subkontext ist geprägt von einer Schwere, die der Krieg über Mensch und Stadt gebracht hat: „Es war im November. Grau und triefend hatte der Himmel während des kurzen Tages über dem Häusermeer Berlins gehangen.“ Die kurzweiligen Vergnügungen der Akteure sind der Verzweiflung geschuldet, und dass es kein Happy End geben kann, ist somit auch sehr früh absehbar.

    „Lasterhaftes Berlin“ in Buchform: Die Romane des Kurt-Ehrlich-Verlags

    Wiener-Braunsberg hat sich zu dieser Zeit als Chefredakteur der Zeitschrift ULK (Unsinn, Leichtsinn, Kneipsinn), einer wöchentlichen Beilage des Berliner Tageblatts, politisch längst positioniert. Dessen Chefredakteur ist Theodor Wolff, der zu den Gründungsmitgliedern der Deutschen Demokratischen Partei gehört und so die gewünschte Linie vorgibt. Seitenhiebe auf politische Gegner kann sich Wiener-Braunsberg in seinem Roman daher nicht verkneifen, sie äußern sich zum Beispiel in Form einer ewig gestrigen dünkelhaften Anhängerin der untergegangenen Monarchie.

    Die unzähligen Schieber der damaligen Zeit, auch sie bekommen regelmäßig ihr Fett weg. Genüsslich bringt Wiener-Braunsberg den Schieber Rohrmann – zumindest auf dem Papier – zu Fall. Dessen Geliebte Alma hat es derweil auf der Tauentzien zu einer „kleinen Berühmtheit“ bei den Flaneuren gebracht, die dort „auf Wild pirschen“. Nachdem Rohrmann pleitegegangen ist, muss sie sich fortan allabendlich als „Sängerin“ in einer schäbigen Bar verdingen. Gebrochen kehrt sie zu ihrer Schwester und ihrem Schwager zurück, einem Alkoholiker, der sie schließlich zur Prostitution zwingt. Am Ende wählt sie den Freitod und stürzt sich hinter der Potsdamer Brücke in den Landwehrkanal. Mit den Worten „Sie ist untergegangen …“ endet das Buch und zehn Jahre später auch die ganze Republik.

    Für Josef Wiener-Braunsberg wird der Roman, in den er so ziemlich alles Mögliche an Tragik inklusive unzähliger gebrochener Menschen hineingepackt hat, zum Erfolg. Er reiht sich damit in den Reigen damals populärer Autoren des Ehrlich-Verlags ein, darunter Edmund Edel, Leo Heller und Artur Landsberger. „Verräterische“, weil „anrüchige“ Titel wie Robert Fuchs-Liskas „Fräulein Sünde“ oder Edmund Edels „Sylvias Liebesleben (Tragödie einer Morphinistin)“ rufen regelmäßig die Zensur auf den Plan, Ehrlichs „lasterhaftes Berlin“ in Buchform wird schnell zum Verkaufsschlager.

    Vor allem mit der Reihe „Bücher der Leidenschaft“ hat sich der geschäftstüchtige Kurt Ehrlich schon früh auf „pikante“ Unterhaltungsliteratur spezialisiert. Weitere Reihen folgen, „Ehrlichs Kriminalbibliothek“ entsteht. Ab 1925 publiziert Ehrlich in seinem 1917 gegründeten Verlag zudem das K.-E.-Magazin, das später in Welt-Magazin umbenannt wird. Es greift populäre kulturelle und gesellschaftliche Themen auf und garniert sie mit qualitätsvollen Fotografien. „Vornehm“ seien die „Bücher der Leidenschaft“, wirbt der Verlag in zeitgenössischen Anzeigen.

    Visuell sorgen dafür vor allem Zeichner wie der leichthändige „Conny“ (d. i. Konrad Neubauer) vom 8-Uhr-Abendblatt oder Philipp Zehbe. Besonders Zehbes charmant-leichte und flirrende Werke spiegeln kongenial den damaligen Zeitgeist einer Kultur in Aufbruchstimmung wider. Was die Leser nicht wissen, während sie vielleicht über die amüsanten Zeichnungen Connys schmunzeln: Bei Kurt Ehrlichs Bruder Martin, der im Verlag als Vertreter arbeitet, ist der (Nach-)Name nicht Programm. Unter dem Pseudonym „Maximilian Raven“ hat er sich einst unberechtigt als Redakteur ausgegeben und ist 1911 zudem wegen Erpressung zu vier Monaten Gefängnis verurteilt worden.


    Porträtfoto aus „Schnurriges und Knurriges“ 1929

    Brandmarkung als „verbotene Literatur“: Seit dem Verbot keine Neuauflage

    Aber auch Kurt Ehrlich kann ab einem gewissen Zeitpunkt dem Auge des Gesetzes nicht entkommen. Die Zensur und vor allem der berühmt-berüchtigte Prof. Dr. Karl Brunner, seines Zeichens literarischer Sachverständiger beim Berliner Polizeipräsidium, sitzen ihm ständig im Nacken. Doch Brunner wird durch seine fanatische Hetzjagd eine Art „unfreiwilliger Reklamechef“, dank ihm steigen die Verkaufszahlen für zunächst verbotene Bücher, bei denen Werbung à la „Beschlagnahmt gewesen, wieder freigegeben“ zuerst den Reiz des Verbotenen und dann den Griff ins Portemonnaie fördern sollen.

    Auch Filmschaffende werden von dem unerbittlichen „Sittenwächter“ Brunner terrorisiert, der sich wie ein Terrier in den Waden seiner zahlreichen „Feinde“ verbeißt, darunter auch der berühmte Berliner Sexualforscher Dr. Magnus Hirschfeld. Kurt Ehrlich kann den Verlag noch bis Anfang der 1930er-Jahre halten, dann wird ihm zuerst die Weltwirtschaftskrise und dann seine Religion zum Verhängnis: 1941 wird der 54-Jährige in Auschwitz ermordet, sein Bruder Martin stirbt in Dachau.

    Seit der Brandmarkung als „verbotene Literatur“ ist „Die Venus von der Tauentzien“ von Josef Wiener-Braunsberg bis heute nicht mehr aufgelegt worden. Ebenso harren seine Bücher „Warenhausmädchen“ und „Die Brett’l-Gräfin“ einer Neuauflage. Sie können unter anderem in der Staatsbibliothek Berlin ausgeliehen werden.

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    #Berlin #Geschichte#Literatur #Nachtleben

  • Der Fall Bruno Gerth: Berliner Polizist mit Potenzproblem wird zum Mörder
    https://www.berliner-zeitung.de/open-source/sensationsprozess-kriminalitaet-polizei-justiz-der-fall-bruno-gerth

    10.9.2022 von Bettina Müller - Vor 125 Jahren wurde Bruno Gerth geboren. In der Weimarer Zeit sorgte er in Berlin für einen „Sensationsprozess“. Warum brachte der Fall die Stadt so auf?

    Berlin, Landgericht II in der Turmstraße-Fast kommt es vor dem Eingang zu einer Prügelei. Es ist der Morgen des 16. Dezember 1924 und der wütende Mob, der Einlass begehrt, schafft es tatsächlich, dass die entnervte Polizei den Gerichtssaal abriegelt. Der Grund für den Hass heißt Bruno Gerth, ein schmächtiger Mann, der für den Tod zweier Frauen verantwortlich ist. Und das als Berliner Wachtmeister, da ist die Wut der Menschen mehr als verständlich. Schlechte Zeiten erfordern auch Konstanten im Leben, fällt nun so ein Halt in Form eines Sicherheitsbeamten weg, sind Konfusion und Wut schon mal unermesslich.

    Zwei Frauen hat der mörderische Polizist Bruno Gerth in der Nacht vom 24. zum 25. Februar 1924 getötet: die 40-jährige Else Hoffmann geb. Hämmerle und ihre 63-jährige Mutter Emma Trautmann geb. Nacke, beide Witwen, die in der Schleiermachterstraße 15 leben. Dass sie ihren Lebensunterhalt hauptsächlich mit Prostitution verdienen, wussten dort alle.

    An dem Abend, der ihr letzter in diesem Leben sein sollte, sind sie, wie so oft, in die Destille § 11 eingekehrt. Ein Tusch, Musike, Schwoof und Alkohol, es geht wie immer hoch her. Auch Mutter und Tochter sorgen für Stimmung, sprechen Männer an, fordern sie zum Tanz auf, um sie möglichst bald abzuschleppen. Doch an Bruno Gerth beißen sie sich erst einmal die Zähne aus. Der Mann hat sich gerade mit seiner Freundin gestritten und hat daher schlechte Laune. Und eigentlich will er auch nur kurz ein Bier trinken und dann in seine Kaserne in der Friesenstraße zurückkehren. Dort muss er wohnen, weil er noch unverheiratet ist. Als er die lautstarke Aufforderung zum Tanz ablehnt – weil er die beiden „Damen“ nicht wirklich sympathisch findet –, ruft eine der beiden sofort aus: „Darauf müssen wir wenigstens eins trinken!“

    Das ist ihr Todesurteil. Gerth gibt entnervt nach, der Abend nimmt seinen Lauf und irgendwann herrscht ein fulminanter Geräuschpegel in der Kneipe. Überall wiegen sich Paare im Tanz, an den Tischen werden massenweise Bierkrüge gestemmt, in vielen Ecken wird geknutscht. Und so verliert sich auch Bruno Gerth in diesem Hexenkessel. Berliner Amüsemang. Bei den meisten dann nur vage Erinnerungen am nächsten Tag, der Alkohol hat ganze Arbeit geleistet. Doch bei einigen wenigen Menschen, die psychisch stark vorbelastet sind, kann so ein Zechgelage fatale Folgen haben.

    So wie bei Bruno Gerth, der irgendwann mit den beiden Frauen mitgegangen ist, hinaus in die dunkle Nacht. Der ihnen erst noch in eine andere Destille, dann in ihre Wohnung folgte. Wo dann eine der beiden zudringlich wurde und Bruno Gerth rotsah, die jüngere der beiden erwürgte und dann noch mit dem Beil zuschlug. Der dann auch noch ihre Mutter, die schon ihren Rausch ausschlief, mit dem Beil tötete. Der dann auch noch versuchte, die Leichen zu schänden, was ihm jedoch durch seine Impotenz nicht gelang. Der irgendwann erschöpft neben einer der Leichen einschlief.

    Eine goldene Uhr führt zum „Sensationsprozess“

    Der nächste Morgen bricht an. In der Küche und im Schlafzimmer, überall klebt das Blut. Der Mörder nimmt einer Toten die goldene Armbanduhr ab, die für ihn wohl so eine Art Trophäe ist, ein Sieg über das weibliche Geschlecht, das ihn so oft verlacht hat. Er habe doch keinen Grund gehabt zu töten, wird er später vor Gericht immer und immer wieder beteuern. Und die Erinnerung an jenen fatalen Abend sei für ihn sehr schemenhaft gewesen, fast surreal. Für die Kriminalpolizei ist die Suche nach dem Tatverdächtigen nicht sehr schwer, zu viele Augenzeugen haben das Trio gesehen, und ein Mann in Schutzpolizeiuniform in einer Kneipe, der fällt auf.

    Doch Gerth ist es tatsächlich äußerst peinlich, das Verhör in seiner Uniform über sich ergehen lassen zu müssen, zu sehr liebt er seinen Beruf. Er schämt sich zutiefst für seine unfassbar brutale Tat und legt daher die Uniform ab. Und da fällt auch schon die goldene Uhr aus der Tasche heraus und der dringend Tatverdächtige ist somit zweifelsfrei identifiziert. Gerth bricht zusammen und fährt erst einmal in die Zelle des Untersuchungsgefängnisses ein, und das bis zum Tag des „Sensationsprozesses“, wo auch sein Lebenslauf ausführlich zur Sprache kommt.

    Vor 125 Jahren wurde er geboren, am 18. August 1897, der Mann, der einmal die Berliner Bevölkerung vor Straftaten schützen sollte und dann selber Hand anlegte. Bromberg in Westpreußen war sein Geburtsort, seine Kindheit nicht sehr behütet. Der Vater ein jähzorniger Trinker, es gab mehrere Selbstmorde in der Familie, so auch ein Onkel, der sich nach einem epileptischen Anfall das Leben nahm. Und dann lehnte der Vater auch noch Bruno Gerths sehnlichsten Wunsch, nämlich, Drogist zu werden, ab.

    Und zu allem Überfluss kam dann noch seine Impotenz hinzu, die ihn laut eigener Aussage vor Gericht zu dem „unglücklichsten Menschen der Welt“ gemacht hatte. Nach Ende des Ersten Weltkriegs, bei dem er als Soldat mit unvorstellbarem Grauen konfrontiert wurde, bewarb sich Gerth bei der Berliner Schutzpolizei, suchte durch die hohen beruflichen Anforderungen Zerstreuung und Ablenkung von seinen Problemen. Schon bald erhielt er eine Festanstellung, war beliebt bei seinen Kollegen, die ihn als ruhigen und zuverlässigen Menschen schätzten.

    Vor den Richtern wird Gerths Zurechnungsfähigkeit die alles entscheidende Frage. Aber die Ärzte sind sich uneinig darüber, ob der § 51 Reichsstrafgesetzbuch, der damals darüber entschied, zur Anwendung kommen kann. Die Verhandlung wird daher bereits nach der Beweisaufnahme vertagt, und Gerth muss wieder zurück in seine Zelle des Untersuchungsgefängnisses. Um die Frage endgültig zu klären, wird Gerth in der Dalldorfer „Irrenanstalt“ ausgiebig untersucht, wo ein Gutachten des Medizinalkollegiums das Problem ein für alle Mal lösen soll.

    In diesen sechs Wochen werden Versuche mit Gerth angestellt, dem Mörder Trinkproben verabreicht, um zu sehen, wie seine Psyche darauf reagiert. Und tatsächlich greift Gerth nach diesen Tests Mitpatienten an, und so kommen die Ärzte schließlich zu dem Ergebnis, dass Gerth „erblich schwer belasteter Psychopath mit Impotenz und sexuellem Reizhunger“ sei und die Taten tatsächlich in einer Art Alkoholdämmerzustand begangen habe.

    So steht es in der sehr umfangreichen Akte Gerth, die im Landesarchiv Berlin aufbewahrt wird. Tatsächlich sah der § 51 des Reichsstrafgesetzbuches Straffreiheit vor, wenn der Täter eben nicht Herr seiner Sinne gewesen war: „Eine strafbare Handlung ist nicht vorhanden, wenn der Thäter zur Zeit der Begehung der Handlung sich in einem Zustande von Bewusstlosigkeit oder krankhafter Störung der Geistesthätigkeit befand, durch welchen seine freie Willensbestimmung ausgeschlossen war.“

    In vielen Fällen bedeutete der Paragraf aber auch, dass der Täter zunächst der „Irrenanstalt“ übergeben wurde, um die Bevölkerung vor ihm zu schützen oder eben auch, um endgültige Klarheit über seinen Zustand zu erhalten. Doch dort drohte in der Regel aber auch eine dramatische Verschlechterung des Zustands des psychisch kranken Menschen. Und die Anstalt, die ist auch Gerths ganz persönlicher Albtraum. Seine Aussage „Nur das nicht, lieber köppen“ ist mehr als eindeutig.

    Wahnvorstellungen in der Anstalt: „Keine Aussicht auf Wiederherstellung“

    Herzberge wird erst einmal gezwungenermaßen Gerths neuer Aufenthaltsort, mittlerweile hat sich sein Zustand tatsächlich sehr verschlechtert. „Psychisch völlig heruntergekommen“ sei er, bestätigen Augenzeugen, darunter ein früherer Arbeitskollege von der Polizei, der ihn besucht. Durch das ganze langwierige Gerichtsverfahren und die Ungewissheit über sein Schicksal, verbunden mit der Gewissheit, wohl nie mehr ein normales Leben führen zu können, manifestiert sich seine Krankheit schließlich unwiderruflich, sodass 1927 auch Wahnvorstellungen zu seinem Alltag gehören. Und auch seine Ehefrau, die er noch mit einer Sondergenehmigung in der Zelle des Untersuchungsgefängnisses geheiratet hat, die ihm als Einzige, so seine Aussage, Verständnis entgegengebracht hat, gibt ihn auf und reicht 1929 die Scheidung ein.

    Ein Jahr später fällt das eigentliche Todesurteil: „Keine Aussicht auf Wiederherstellung“. Die nächsten Jahre sind dann eine Abfolge von lichten und wirren Momenten, ein Vor-sich-Hinvegetieren, ein Leben im Wahnsinn, im Labyrinth der eigenen seltsam fremden Gedanken. Die Hülle eines Menschen, voller Reue, aber mit keinerlei Chance, dies zu beweisen, um vielleicht doch wieder ein vollwertiges Mitglied der Gesellschaft zu werden. Nur die Beschäftigungstherapie, das einzige Mittel der Wahl in dieser Zeit, bewahrt ihn vor dem frühen Tod. Man setzt ihn zum Beispiel in einer Malerkolonne ein. „Recht brauchbar“ sei er dabei, und das wird ihn vor dem Tod in einer „Tötungsanstalt“ bewahrt haben.

    1939 wird Bruno Gerth aufgrund des nationalsozialistischen Gesetzes „zur Verhütung erbkranken Nachwuchses“ zwangssterilisiert. Elf weitere Jahre folgen, in der Dunkelheit der Abgründe der eigenen Seele. Mit der großen Schuld und ohne Hoffnung. Ein schwer kranker Mann, dessen Diagnosen im Gutachten der Patientenakte mehrere Zeilen umfassen, ist das Resultat. Am 7. November 1950 stirbt Bruno Gerth im Gefängniskrankenhaus von Alt-Moabit um 21.10 Uhr an chronischer Mittelohrvereiterung, Meningitis und einer akuten Herz-Kreislauf-Schwäche. Nach jenem fatalen Abend hat er jedoch noch 26 Jahre leben dürfen. Seine beiden Opfer hatten die Chance nicht.

    Von der Autorin erscheint am 29. September 2022 im Elsengold-Verlag das Buch „Dandys, Diebe, Delinquenten. Verbrecher in Berlin“.

    #Berlin #Geschichte #Kriminalität #Kreuzberg #Schleiermacherstraße #Moabit #Polizei #Mord #Femizid

  • Die Fackel Karl Kraus - Suche nach „Kutscher“
    https://fackel.oeaw.ac.at

    Verkehrsregelung - Glück muß man haben oder: Wenn die Ochsen den Schwoaf aufstellen (Die Fackel, Heft 820-826, 1929)

    Dieser Straßenverkehr — dessen System #Paris oder #Berlin täglich unfehlbar in ein Schlachtfeld verwandeln würde, während man dort durch das dichteste Gewühl heil hindurchkommt —, dieses Chaos aus Dürftigkeit und Zufall muß eine Strafexpedition bedeuten gege die Stadt, deren Bevölkerung in ihrer Majorität den Tag nicht vergessen kann, wo es auf der Ringstraße Unfälle ohne Verschulden von Autos gab, welche vielmehr ausschließlich für den Transport der Verwundeten herangezogen wurden. ... Ohne Zweifel, wenn man in Wien sich vor den Autos retten will, muß man eins nehmen, und auch da ist es nicht sicher, ob es gelingt. Glück muß man haben.

    Wie anders auf dem flachen Lande! Dort, von wo unsere Minister offenbar mit dem Personenzug angekommen sind, betrachtet man das Automobil zwar auch als den Feind der Bevölkerung, aber als einen, der ihr unterliegt. Dort bildet es wieder das einzige Denkproblem des Autolenkers, wie er ungefährdet vom Fußgänger auf der Landstraße weiterkommt. Die Gefahr, daß der Kutscher eines Jauchewagens beherzt eine Schaufel seiner Fuhre auf die Insassen des Autos schütte, ist die geringere. Selbst die nachgeschleuderte Verdammnis: »Stinkata!« mag einen unberührt lassen. Doch auf dem Lande werden Autounfälle veranstaltet. Und zwar mit der plausiblen Begründung, daß die Urheber einmal einen solchen sehen wollten, zu welchem Behufe sie ebeni — man muß sich zu helfen wissen — Telegraphenstangen, die doch gleichfalls zu nichts nütz sind, über die Straße legen. Denn man darf nicht glauben, daß der Troglodyt nur so hinvegetiert, auch seine Wißbegier ist durch die Zeitung schon geweckt worden, und er kann seiner natürlichen Abneigung gegen das Automobilwesen tätigeren Ausdruck geben als die Hunde, die sich nach wie vor damit begnügen müssen, durch Bellen prinzipielle Verwahrung gegen den Fortschritt einzulegen, wie seinerzeit die deutsche Fortschrittspartei gegen die Unbilden der Regierung.

    Wacker (Die Fackel, Heft 454-456, 1. 4. 1917)

    Hohe Staatsbeamte beim Schneeschaufeln in Berlin.

    Aus Berlin wird uns berichtet: Der Aufruf des Oberbefehlshabers in den Marken zum Schneeschaufeln hat auch in den höchsten Beamtenkreisen tatkräftige Nacheiferung gefunden. Wer gestern durch die Linden ging, konnte vor dem Kultusministerium das Schauspiel erleben, daß Unterstaatssekretär Dr. Chappuis und Wirklicher Geheimer Oberregierungsrat Nentwig an der Spitze
    mehrerer Geheimer Kanzlei- und Rechnungsräte und Kanzleidiener eifrig am Werke waren, um Bürgersteig und Fahrdamm vor dem Kultusministerium vom Schnee zu reinigen.

    Wir leben seit drei Jahren nach der Fibel. So aber, wie in diesem Lesestück, sollte es immer gewesen sein. Daß die Schneeschaufler im Krieg sein müssen, ist eine bittere Empfindung.

    Aber es wird uns künftig erspart werden, wenn die Wirklichen Geheimen Oberregierungsräte mehr vor den Ministerien als drinnen tätig sein werden. Wer jetzt nach Berlin kommt, erlebt das letzte Wunder, dessen diese Zauberwelt des Ersatzes fähig ist. Es hat dort immer Menschenersatz gegeben, aber es gibt keinen Ersatz für die Ordnung. Da Klimbim, Betrieb und Aufmachung weggeblasen sind und die dürftige Seele, die sich für diese Güter geopfert hat, zurückgeblieben ist, herrscht ein Pallawatsch, der in Wien durch die Gewohnheit gemildert ist. Aus Schuhsohlen Marmelade zu machen, gelingt eben dann nicht mehr, wenn keine Schuhsohlen mehr da sind. Und wenn das nicht mehr da ist, was sich früher von selbst verstanden hat, so lebt sichs weit wienerischer als in Wien. Nur der Telephonzauber, uns ewig unerreichbar, funktioniert wie eh und je. Die Gesten des Betriebs sind geblieben, jetzt versteht sich eben das Hindernis von selbst wie einst der Fortschritt, und das Chaos klappt famos. Natürlich nur für den Einheimischen. Der Fremde steht verblüfft, denn ein Berliner Kutscher, wenn’s einen gibt, will nicht fahren und schon gar nicht um die Taxe, und durch das fabelhaft funktionierende Telephon fragt mich ein Konzertagent, auf den man ehedem nur einmal zu drücken brauchte, um einen fertigen Saal zu haben, fragt mich Ankommenden: »Habn Se für Kohlen jesorgt?« Das Geheimnis, keines zu haben, über nichts zu staunen und sich bei nichts aufzuhalten, wirkt fort. Und auch an der Straßenreinigung will man jetzt die alte Kraft erproben. Da eine Menschheit, die sich daran verausgabt hat, im großen Ganzen fehlt, so schaffen’s die Beamten. In Wien hat sich auch darin nichts verändert, indem der Dreck, der auf der Straße liegt, eh’ noch vom Frieden herrührt. Nicht um ihn wegzukriegen, sondern wegen meiner Einschätzung der kulturellen Tätigkeit unseres Unterrichtsministeriums würde ich wünschen, daß das Berliner Beispiel tatkräftige Nachahmung findet, und ich miete eine Proszeniumsloge, um das Schauspiel zu erleben, wie der Khoss von Sternegg sowie der Milosch von Fesch Hand anlegen.

    #Verkehr #Geschichte #Wien #Kutscher #Krieg

  • Ostberliner Geschichte: Acht Orte, an denen man DDR-Geschichte entdecken kann
    https://prod.berliner-zeitung.de/ratgeber/ost-berliner-geschichte-acht-orte-an-denen-die-ddr-weiterlebt-

    Orte an denen die DDR weiterlebt? Die vorzustellen behauptet die Berliner Zeitung. Schauen wir mal.

    27.7.2022 von Nicole Schulze - Stasi-Zentrale, Mauerreste, Auffanglager: In (Ost-)Berlin gibt es viele Orte, die sich in unterschiedlichen Facetten mit der DDR auseinandersetzen.

    Folgt man der Zusammenstellung „lebendiger“ DDR -Orte in der Berliner Zeitung, war die Deutsche Demokratische Republik eine Horrorshow.

    1. DDR-Museum

    Einmal habe ich mir das angetan. Hier trifft Langeweile pur auf ollet Gerümpel und Bilder, die man kennt.

    In Echt war Ostberlin aufregend, voller Kultur zu erschwinglichen Preisen, Party, langen Diskussionen mit Menschen, denen der Arbeitsstress nicht das Leben vermieste, jede Alltagsbegegnung ein Gewinn, keine Blingbling Überflußgesellschaft, das Materielle auf das Wesentliche reduziert, ansonsten fast so wie bei uns in Westberlin nur entspannter.

    Der wichtigste Unterschied, den das vollhygienische DDR-Museum nicht zeigt, war der Geruch der Menschen. Keine Spur von Westparfüm in der S-Bahn, im Arbeiter- und Bauernstaat wusch man sich mit Seife.

    Menschen ohne Herrenparfüm, Kachelöfen mit Braunkohlebriketts befeuert, Zweitakter, aus diese Mischung bestand die Duftnote Friedrich Ecke Leipziger.

    Nachsatz für alle, die jetzt sagen wollen, „es war aber ganz anders ...“: Natürlich war das nicht die ganze DDR, vor allem nicht in der Provinz und auch die Hauptstadt der DDR war nicht immer glücklich. Jedoch ist es Zeit, den Negativklischees das Schöne, Gute und Positive entgegenzusetzen, und endlich Kritisches mit Wahrem zu vereinen.

    Die Alternative: Übernachten im Ostel - Das DDR Hostel
    https://www.berlin.de/hotels/adressen/hostel/ostel-das-ddr-hostel-a389db6eec9de8edf96db6d270176f57.html

    2. Stasi-Gefängnis Hohenschönhausen

    Das Stuttgart-Stammheim von Ostberlin. Nur verknackten hier nicht Altnazis junge Gegner des Kapitalismus sondern olle Stalinisten die Gegner ihrer Vorstellung vom Kommunismus. Erklär mir, was besser ist. Ein Unterschied: Das Stasi-Gefängnis ist Geschichte, in Stammheim foltert der Unrechtsstaat noch heute.

    Ist das einen Besuch wert? Wer sich die Geschichtserzählung der Sieger des Kalten Kriegs anhören will, bitteschön. Allen anderen sei stattdessen ein lehrreicher Nachmittag im Lesesaal der Landesbibliothek empfohlen - den gab es schon, als sie noch in der DDR lag.

    Die Alternative: Lesen in der Berliner Stadtbibliothek, Breite Straße 30-36, 10178 Berlin
    https://www.zlb.de

    3. East Side Gallery

    Ja, hübsch hat aber mit der DDR nichts zu tun und ist schon lange nicht mehr das, was es sein sollte.

    Unter dem Pflaster liegt der Strand und hinter der Bemalung liegt die Hinterlandmauer, für die sich der gewöhnliche Tourist nicht mal in ihrer Funktion als Leinwand interessiert. Die Berliner Mauer war hier die Spree und die Hinterlandmauer ein paar Meter vor dem Ufer sorgte sozusagen nur dafür, dass niemand aus Versehen in den Berliner Flussdarsteller fiel. Bemalt wurde das Ding erst, als die DDR sich auflöste. Viel interessanter wäre es gewesen, die vielen Werke internationaler Künstler und Touristen auf der westlichen Seite der Berliner Mauer zu konservieren. Die wurden jedoch gemeinsam mit ihrer Leinwand entsorgt und sind nur noch in Fotobüchern und im WWW zu sehen. Einzelne Artefakte stehen noch hier und da.

    Die Alternative: Berliner Mauerkunst im Internet ansehen
    https://www.berliner-mauer.de/kunst/graffiti-malerei-und-performance/einleitung-zur-geschichte-der-berliner-mauerkunst

    4. Stasi-Museum in der MfS-Zentrale

    Why not, hier gilt das zum Stasi-Gefängnis Gesagte, aber es gibt als Bonus noch das lustige Chefbüro und einen Koffer zu sehen, der angeblich kompromittierende Unterlagen über die gesamte DDR-Regierung enthielt. Das soll beweisen, wie die DDR nicht von Staatsrat und Politbüro sondern aus der Stasizentrale regiert wurde. Alles Mafia oder so. Quod erat demonstrandum. Ist aber auch nix Neues, weil im Grunde alle Staaten der Welt so oder ähnlich regiert werden. Verbrechen und Ausbeutung lohnen sich eben. Immerhin, der antifaschistische Anspruch, den sich die DDR gegeben hatte, machte es den dunklen Kräften schwerer als in Westdiktaturen, das Szepter vollkommen zu übernehmen.

    Wers braucht, muss dahin, siehe Stasi weiter oben. Besser amüsiert man sich beim Gatecrashen in der European School of Management and Technology , dem ehemaligen Staatsratsgebäude. Hier lassen die derzeitigen Herren der Welt ihren Nachwuchs ausbilden. Zu sehen gibt es wunderbare Mosaike und das monumentale Glasbild „Darstellungen aus der Geschichte der deutschen Arbeiterbewegung“. Versprochen waren „DDR-Erinnerungsorte“. Da hamse.

    Die Alternative: Staatsratsgebäude besichtigen
    https://www.openstreetmap.org/way/23075450
    https://de.wikipedia.org/wiki/Staatsratsgeb%C3%A4ude#Innengestaltung

    5. Mauermuseum am Checkpoint Charlie

    Machen sie bloß einen großen Bogen um den Nepp-Laden. Ich habe das Ding zur Hochzeit des Kalten Krieg als Knirps besucht und fand, dass es eine klasse Geisterbahn war, dunkel und muffig, mit zerschossenen Fluchtautos und anderem Gruselfetisch. Heute ist das eine übler Souvenirbude, jetzt wieder total überfüllt mit schwitzenden Touris, vor denen uns die letzten zwei Jahre meine Freundin Corona bewahrt hat.

    Den Wahnsinn der deutschen Teilung und ihre historischen Hintergründe kann man wunderbar in der ehemaligen DDR-Exklave Klein Glienicke besichtigen. Wo das Haus am Checkpoint Charlie selber beklemmend ist, und so tut, als ob es die Stimmung in der DDR wiedergäbe, da werden Raum und Grenzen im Hohenzollern-Traumreich zwischen Berlin-Wannsee und Potsdam-Babelsberg zum Erlebnis. Hier verübten antikommunistische Fanatiker aus dem Umfeld des Haus-am-Checkpoint-Charlie-Gründers Bombenanschläge gegen DDR Grenzsoldaten. Hier war das schmalste Stück DDR, die Wannseestraße zum Gebiet neben der einstigen Hohenzollern-Folie. Die Wikipedia-Seite zu Kleinglienicke übt sich in vornehmer Zurückhaltung zum Thema West-Terrorismus. Die Geschichte ist jedoch gut ausrecherchiert und in einem Buch zur Lokalgeschichte festgehalten. Fragen Sie sich vom örtlichen Ausflugsrestaurant aus durch, man kennt sich, und wird Ihnen sicher Autor und Adresse verraten.

    Die Alternative: Ausflug nach Klein Glienicke
    BVG: Alexanderplatz -> Nikolskoer Weg (Berlin)
    https://www.bvg.de/de/verbindungen/verbindungssuche?SID=A%3D1%40O%3DS%2BU%2520Alexanderplatz%2520Bhf%2520%28Berlin%
    Lage von Klein Glienicke
    https://www.openstreetmap.org/relation/6577662

    6. Notaufnahmelager Marienfelde

    Keine Ahnung, was das mit der DDR zu tun haben soll. Hier wurden im Kalten Krieg alle Ost-Ankömmlinge im Aussenposten des freien Westens, die nicht prominent genug für ein Verhör im US-Konsulat oder bei der CIA im Flughafen Tempelhof waren, zwangseingewiesen und hochnotpeinlich von alliierten Geheimdienstlern verhört. Durchgangslager war die treffendere Bezeichnung, denn nach Abschluss der Befragung wurde nach Westdeutschland weitervermittelt, wer keine Bleibe im wohnungsnotgeplagten Westberlin gefunden hatte.

    Besser Sie verschaffen sich eine Eindruck davon, wie in der DDR mit Arbeitskräften aus der Dritten Welt umgegangen wurde. Das ging so: Niemand musste bei der Überquerung des Mittelmeers ertrinken, es ging mit Visum und Flugzeug von Hanoi nach Berlin-Schönefeld (SXF). Nach ein paar Jahren Arbeit konnten die Ost-Gastarbeiter Erspartes und Gesammeltes mit nach Hause nehmen. Hart war das trotzdem und zu enge Kontakte zur deutschen Bevölkerung wurden, proletarischer Internationalismus hin oder her, auch nicht gefördert.
    Die Wohnheimruinen heute zeugen von der Nachwendezeit, als die nicht mehr benötigten Menschen sang und klanglos abgeschoben oder zu einem Leben in der Illegalität gezwungen wurden. Im Kapitalismus organisierte die Mafia die vietnamesische Arbeits-Reservearmee in Schmuggel- und Zigarettenverkäuferbataillone. Im nicht weit entfernten Dong Xuan Center an der #Herzbergstraße können Sie sich einen Eindruck davon verschaffen, wie sich die in der DDR enstandene vietnamesische Gemeinde Berlins am eigenen Zopf aus dem Schlamassel gezogen hat.

    Die Alternative: Besichtigung des Vertragsarbeiterwohnheims Hohenschönhausen, Wollenberger Straße, Alt-Hohenschönhausen, Berlin-Lichtenberg und des Dong Xuan Centers
    https://www.openstreetmap.org/way/6140644

    Dong Xuan Center
    https://www.openstreetmap.org/way/49796196

    7. Gedenkstätte Bernauer Straße

    Mauermauermauer, wie ahnungslos muss man sein, wenn einem zur DDR nichts anderes einfällt. Der Ort ist dennoch einen Besuch wert, weil man, vorausgesetzt man kommt zur rechten Zeit, auf einen Turm kletter kann, dessen Aussichtsplattform wie in Mauerzeiten einen Blick von oben auf das Grenzgebiet zwischen West und Ost, Berlin-Wedding und Mitte, erlaubt. Das Niemandsland wird nun jenseits des grünen Gedenkrasens mit superteuren Townhouses und Repräsentanzen von US Konzernen zugebaut. Diese Entwicklung von oben zu betrachten ist erhellend, vorausgesetzt man hat mehr Vorwissen im Gepäck, als die offizielle Mauergedenkstätte zu bieten hat.

    Die Alternative: 15 bis 30 Minuten Spaziergang von der Wöhlert- und Pflugstraße (U-Bf. Schwartzkopffstraße) über den Friedhof mit dem Grab Theoder Fontanes zum letzten echten Stück Mauer an Liesen- und Gartenstraße.

    Echte Berliner Mauer an der Liesenstraße
    https://www.openstreetmap.org/way/53499649

    Grab Theoder Fontanes, Friedhof II der Französisch-Reformierten Gemeinde, Feld B-35/36-16/17
    https://de.wikipedia.org/wiki/Theodor_Fontane#Tod_und_Nachlass

    8. The Wall Museum mit Original-Wachturm

    Mauermauermauermauermauer , wie gesagt, man könnte viele interessante Dinge über die DDR und Ostberlin berichten, aber die Journalistin der Berliner Zeitung will uns in einen noch uninteressanteren Kommerzschuppen als den am Checkpoint und dann zu einem übriggebliebenen Beton-Wachturm am Potsdamer Platz locken. Da hat Berlin bessere Beispiele dafür zu bieten, was man aus Ex-Grenze und altmodischen Überwachungseinrichtungen machen kann.

    Die Alternative: Sehr angenehm ist die Besichtigung des Wachturm Schlesischer Busch, weil sich gleich nebenan am Flutgraben einige der besten open-air Bars der Stadt befinden. Der Besuch von Arena, Badeschiff, ein Picknick auf der Lohmühleninsel oder eine Dampferfahrt ab dem Treptower Hafen machen aus der Besichtigung des Wachturms einen tollen Tagesausflug.

    Wachturm Schlesischer Busch
    https://www.openstreetmap.org/way/24036371

    Führungsstelle Schlesischer Busch
    https://www.berlin.de/landesdenkmalamt/denkmale/highlight-berliner-mauer/mauer-denkmale/fuehrungsstelle-schlesischer-busch-648158.php

    Soweit ein paar kleine Vorschläge für eine Entdeckung des DDR-Berlin, ad hoc, ohne große Hintergrundrecherche. So etwas Ähnliches, vielleicht ergänzt um Dinge, die Ihr Autor noch nicht kennt, wäre gute journalistische Arbeit gewesen.
    Abschreiben bei Visitberlin ohne eigene Stadtkenntnisse ist doch unter Deiner Würde, liebe Berliner Zeitung, nicht wahr ?

    #Berlin #DDR #Tourismus #Geschichte #Stadtentwicklung #sightseeing

  • Loveparade 2.0 in Berlin: 200.000 Technofans tanzen vor Siegessäule
    https://www.berliner-zeitung.de/news/loveparade-nachfolger-rave-the-planet-zieht-heute-durch-berlin-li.2

    Berlin = Party = Tourismus. Die Loveparade hat uns einen kleinen Boom beschert. Toll wenn das wieder losgeht. Nur greifen heute die Uberisten diese Gäste ab. Das muß aufhören.

    9.7.2022aktualisiert 10.07.2022 von Susanne Lenz - Dr. Motte hat seine Loveparade unter dem Namen „Rave The Planet“ wiederbelebt. Das Wetter ist egal, gefeiert wird trotz Regens. Unsere Reporterin ist mit dabei.

    Mehr als 100.000 Technofans haben sich am Abend zur Abschlusskundgebung an der Siegessäule versammelt.
    Es ist kurz nach zwei am Sonnabend, als der DJ Dr. Motte von Truck Nummer 1 seine Botschaft verkündet: „Wir sind alle gleich, wir sind alle eins. Und wir wollen friedlich zusammen tanzen. Heute, morgen und für immer.“

    Es ist das utopische Potenzial einer Gesellschaft ohne Ideologie, ohne Vorbehalte, die Dr. Motte beschwört. Als „Kirche der Ununterscheidbarkeit“ hat der Schriftsteller Rainald Goetz die Loveparade in den 90er-Jahren bezeichnet. Im Jahr 2022 begrüßen die Menschen jeden dieser Sätze mit Jubel, und bald skandieren alle zusammen den Refrain der House-Hymne: „Your house is my house, my house is your house.“ Dann wird die Anlage aufgedreht, die Beats fliegen über den Ku’damm und fahren in die Glieder, die Bässe wummern in der Brust.

    Es ist ein Moment, der Gänsehaut erzeugt, auf jeden Fall bei Loveparade-Veteranen. Die Beats triggern die Erinnerung, und die Hauswände werfen den Rhythmus zurück. Es ist egal, dass die Loveparade 2022 nicht so heißen darf, weil der Veranstalter Dr. Motte alias Matthias Roeingh, nicht die Rechte an diesem Markennamen besitzt.

    Dr. Motte wird an diesem Tag 62 Jahre alt, aber die ihm da unten zujubeln, sind nicht nur Boomer. Was das Alter angeht, ist diese Parade mit dem Namen „Rave the Planet“ extrem gemischt. Es sind Menschen gekommen, die früher dabei gewesen sind – die letzte Loveparade hat in Berlin im Jahr 2006 stattgefunden – und es sind Junge dabei, die dieses Parade zum ersten Mal erleben.

    So wie die 21 Jahre alte Marie-Luise Stöber, seit vier Jahren lebt sie in Berlin. „Ich bin wegen der Menschen gekommen“, sagt sie. „Hier kann man sein, wie man will, man kann tragen, was man möchte, ohne bewertet zu werten“, sagt sie. Bei ihr ist das ein durchsichtiges Oberteil. „Und die Menschen sind einfach verdammt gut drauf.“

    Loveparade 2022 in Berlin: Alle lächeln, alle tanzen

    Wenn man über den Ku’damm geht, vorbei an den 18 Trucks oder Floats, von denen die Musik kommt, empfindet man das genau so. Alle lächeln, tanzen. Da sind Hochgefühl, Ausgelassenheit. Wer hätte gedacht, dass sich das so einfach wieder beleben lässt. Jemand rempelt einen anderen an und entschuldigt sich höflich. Das ist der Spirit. Auch mancher Polizist wippt mit. Was die Outfits angeht, knüpfen viele an die Moden der Vergangenheit an. Man sieht neonfarbene T-Shirts, Zöpfe, wie sie die DJane Marusha einst populär gemacht hat, auch das schwarz-weiß gescheckte Kuhmuster von damals, viel nackte Haut. Sogar die Tanz-Moves von damals sind noch da, die Arme, die in die Höhe fliegen, wenn die Musik es verlangt.

    Um kurz vor drei fängt es an zu schütten, und auch das ist eigentlich nur folgerichtig, denn geregnet hat es auch auf der allerersten Loveparade im Juli 1989, die ebenfalls auf dem Ku’damm stattgefunden hat. Das Motto damals: „Friede, Freude, Eierkuchen“. Auch diese Parade hat Dr. Motte initiiert, zusammen mit ein paar anderen, es kamen vielleicht 150 Menschen. An diesem Sonnabend zählt die Polizei beim Umzug mindestens 45.000 Teilnehmer, 25.000 hatten die Veranstalter angemeldet.

    Am Abend zur Abschlusskundgebung vor der Siegessäule sind Tausende dazugekommen. Die Polizei spricht um 21.20 Uhr von mindestens 100.000 Menschen. „Die genaue Zahl haben wir noch nicht. Es könnten auch noch viel mehr sein“, sagte ein Beamte aus dem Lagedienst der Polizei. Dr. Motte schätzt die Zahl derweil auf 300.000. Am Sonntagmorgen teilte die Polizei mit, dass rund 200.000 Menschen an dem Techno-Spektakel teilnahmen. Rund 600 Polizisten sicherten den Umzug. Immer wieder müssen die Musiktrucks stoppen, weil sie nicht durch die Menschenmassen kommen. Alles läuft friedlich ab. Es gibt laut Polizei keine nennenswerten Vorkommnisse – wie schon den ganzen Tag lang.

    Doch zurück zum Nachmittag: Technofans trotzen dem miesen Wetter. Es regnet in Strömen, und die Loveparade stürmt einen Drogeriemarkt, die Schirme sind im Nu ausverkauft, genau wie die Regenmäntel. Die Leute vertreiben sich die Zeit damit, Joints zu drehen. Hier treffen wir die 36 Jahre alte Ola Iwanowska und den 30-jährigen Mihal Tarnowski aus Lodz, Polen. Tatsächlich hat die Parade sehr bald Menschen aus Osteuropa angezogen, jetzt also wieder. Die beiden erzählen, dass sie als Kinder von der Parade in Berlin gehört haben „Wir konnten diese Gelegenheit auf keinen Fall auslassen“, sagen sie. In Polen sei die Technoszene im Aufschwung. Was diesen Teil der Party-Szene von anderen unterscheide? „In einem Techno-Club bist du frei“, sagt der stark tätowierte Mihal Tarnowski. Und über die Berliner Parade: „Ich fühle hier nur positive Energie.“

    Die Loveparade hat den Mythos Berlins begründet

    Aus dem 150-Menschen-Parade von 1989 entwickelte sich innerhalb weniger Jahre die größte innerstädtische Tanzveranstaltung der Welt. Ende der 90er-Jahre musste die Berliner Parade auf die Straße des 17. Juni umziehen, auf dem Höhepunkt drängten sich eineinhalb Millionen Menschen um die Siegessäule, wo die Schlusskundgebung stattfand - so wie auch in diesem Jahr.

    Die Bilder, die Berlin damals produziert, von den Hunderttausenden, die friedlich auf der Straße tanzen, gehen um die Welt und begründen den Mythos der Stadt. Der Mauerfall war nur der Startschuss, die Entwicklung des Nachwende-Berlin hat die Loveparade in Bewegung gesetzt. Daran hat man lange nicht gedacht, aber die Bilder aus dem Jahr 2022, erinnern einen daran.

    Irgendwann übertrugen die Öffentlich-Rechtlichen die Loveparade live, die FDP schickte einen eigenen Wagen los, und Gotthilf Fischer sang eine Techno-Version von „Hoch auf dem gelben Wagen“. Da wurde die Massenveranstaltung längst von kritischen Stimmen begleitet, Kommerzialisierung lautete ein Vorwurf, naiver Hedonismus. 2001 wurde der Loveparade Berlin der Status als politische Kundgebung aberkannt, sie fand unter ständigen Querelen und dem Kampf um Genehmigungen noch dreimal in Berlin statt und zog dann ins Ruhrgebiet um. 2010 dann Duisburg, die Massenpanik mit 21 Toten. Das endgültige Ende schien gekommen.

    An diesem Sonnabend ist auch Steffen Pade, 42, dabei. Er fällt auf mit seinem leuchtend blauen T-Shirt mit dem alten Logo der Parade, dem strahlenden Herzen. Steffen Pade ist Lehrer, er kommt „aus dem tiefsten Brandenburg“, lebt aber schon lange in Berlin und war von 1998 bis 2001 schon auf der Loveparade.

    „Wenn alle Menschen so denken würden wie hier, das wäre ein Traum“, sagt er. Er hofft, dass die Loveparade nach Berlin zurückgekehrt ist. Und als wir uns verabschieden: „Haben Sie Angst vor einer Umarmung?“

    Die Veranstaltung ist bis 22 Uhr angemeldet.

    Die Party-Stationen des „Rave The Planet“-Umzugs im Überblick:

    Kurfürstendamm (U-Bahnhof Uhlandstraße)
    Breitscheidplatz
    Wittenbergplatz
    Nollendorfplatz
    Potsdamer Straße
    Schöneberger Ufer
    Potsdamer Platz
    Brandenburger Tor
    Großer Stern (Siegessäule)

    #Musik #Berlin #Party #Techno #Geschichte #Tourismus #Taxi #Wirtschaft

  • Sprechfunk-Alphabet
    https://de.m.wikipedia.org/wiki/Buchstabiertafel

    Unter dem Eintrag Buchstabiertafel beschreibt das Mitmachlexikon die Geschichte der Buchstabenersetzungen, mit deren Hilfe Worte auch bei schlechter Übertragungsqualität präzise per Sprechfunk übermittelt werden können. Die zuletzt im Taxisprechfunk gebräuchliche Tafel gab dem Siegfried gegenüber dem Samuel den Vorzug und war ein Nazi-Atavismus.

    1926 -> 1934

    David -> Dora
    Jacob -> Jot
    Nathan -> Nikolaus
    Samuel -> Siegfried
    Zacharias -> Zeppelin

    Das tausendjährige Reich der Berufskleingeister und mordenden Piesepampel feiert bis zuletzt fröhliche Urständ in der Buchstabiertafel. Seit mir die Tatsache bewußt geworden ist, daß ich die nazistische Buchstabierpraxis aus Unkenntnis jahrelang selbst praktiziert habe, empfinde ich tiefe Abscheu bei jeder Begegnung mit ideologisch begründeten Sprachverbesserungen.

    Die Postkarte eines gewissen Joh. Schliemann vom 22. März 1933 gab den Anlass zu einer Änderung der Buchstabiertafel im Sinne der NS-Ideologie. Diese Karte wurde am 24. März mit folgender Notiz an die Oberpostdirektion Schwerin weitergeleitet:

    „Anliegend wird ein Schreiben des hiesigen Teilnehmers Joh. Schliemann – 2155/56 – wegen Ausmerzen der in der Buchstabiertafel auf Seite 5 des Fernsprechbuches enthaltenen jüdischen Namen vorgelegt.“

    Postkarte und Notiz gingen einen Tag später mit einem Begleitschreiben an die Oberpostdirektion Berlin:

    „Es [das Anschreiben aus Rostock] verkennt hierbei indes, daß es sich um Namen von Männern des alten Testaments handelt, die später nicht nur von Juden, sondern vielfach auch von allgemein angesehenen Männern beider christlicher Konfessionen getragen worden sind. Bei Ausräumung dieser Namen aus der Buchstabiertafel zum augenblicklichen Zeitpunkt kann mit Sicherheit angenommen werden, daß diese Maßnahme nicht nur bei dem Judentum Anstoß erregen, sondern auch bei den Angehörigen der beiden christlichen Konfessionen nicht überall Verständnis finden wird und möglicherweise auch im Ausland Angriffe zufolge haben würde, die der nationalen Bewegung in Deutschland nicht dienlich sind. Die OPD erachtet daher eine Änderung in der angestrebten Weise zum mindesten jetzt noch nicht für angebracht und beabsichtigt, den Antragsteller durch das Postamt Rostock dahingehend im Wege mündlicher Besprechung bescheiden zu lassen. […]“

    Die Angelegenheit landete schließlich am 31. März 1933 auf dem Schreibtisch des Beamten Neugebauer, der einer Änderung aufgeschlossen gegenüberstand. Er veranlasste den Test nichtjüdischer Namen und am 22. April wurden die Änderungsvorschläge Dora, Julius, Nikolaus, Siegfried und Zeppelin veröffentlicht.

    Von 2019 an wurde in einem drei Jahre dauernden Verfahren mit der Nazibuchstabiererei aufgeräumt und am 13. Mai 2022 eine zeitgemäße DIN 5009:2022-06 beschlossen.

    Tabelle mit historischen, aktuellen und diskutierten Versionen
    https://de.m.wikipedia.org/wiki/Buchstabiertafel#Tabelle_mit_historischen,_aktuellen_und_diskutierte

    #Taxi #Sprechfunk #Geschichte #Deutsch #Sprache #Ideologie #Nazis

  • Promifriedhöfe in Ost-Berlin: Spaziergang mal anders
    https://www.berliner-zeitung.de/ratgeber/spaziergang-mal-anders-promifriedhoefe-in-ostberlin-li.239911

    Ganz besonders wenn es draußen heiß und stickig ist, die Stadt laut und hektisch, freut man sich über ein ruhiges, schattiges Plätzchen. Viele Berlinerinnen und Berliner haben Friedhofs-Spaziergänge für sich entdeckt, werdende Eltern auf Namenssuche spazieren an Gräbern vorbei und hoffen auf Inspiration, andere genießen einfach nur die Abgeschiedenheit, erfreuen sich an der Natur.

    Pietätlos? Keine Spur. Friedhöfe sind öffentliche Orte, genau wie Parks – mit dem Unterschied, dass man die Totenruhe respektieren, sich angemessen verhalten sollte. Selbst die berlineigene Veranstaltungstipps- und Informations-Website visitberlin.de hat einen großen Artikel mit schönen Berliner Friedhöfen veröffentlicht.

    Nun kennt natürlich jeder den Waldfriedhof Zehlendorf, wo unter anderem Schauspielerin Hildegard Knef, Box-Legende Bubi Scholz, Berlins ehemalige Bürgermeister Ernst Reuter, Otto Suhr und Willy Brandt begraben liegen, ebenso der TV-Star Günter Pfitzmann sowie Theatermacher Erwin Piscator. Und der Friedhof St. Matthäus ist Pilgerstätte für alle Fans von Sänger Rio Reiser, der hier in Schöneberg seine letzte Ruhe fand.

    Aber auch im Osten Berlins gibt es Friedhöfe, auf denen die Gräber von Promis und Persönlichkeiten zu besichtigen sind. Welche das sind, verraten wir Ihnen hier.
    Mitte: Dorotheenstädtischer Friedhof

    Kein Ost-Berliner, der diesen Friedhof nicht kennen würde: Der Eingang ein bisschen unscheinbar, fast schon abweisend, von der Chausseestraße aus gesehen vollkommen unspektakulär. Aber sobald man den Friedhof betritt, spürt man eine ganz besondere Atmosphäre. „Im Dorotheenstädtischen Friedhof lesen sich die Grabsteine und Gedenktafeln wie das ‚Who is Who‘ der geistigen Elite Deutschlands“, heißt es auf visitberlin.de sehr treffend.

    Gegründet wurde der Friedhof bereits 1762 und zunächst wurden hier einfache Bürgerinnen und Bürger bestattet. „Da aber Einrichtungen wie die Akademie der Künste, die Singakademie, die Akademie der Wissenschaften, die Bauakademie und die Universität Unter den Linden auf dem Gelände der Kirchengemeinde der Dorotheenstädtische Kirche liegen, verändert sich nach und nach die soziale Zusammensetzung und Belegung auf dem Friedhof“, so visitberlin.de.

    Vor allem zu DDR-Zeiten wurden hier namhafte Berühmtheiten beerdigt. Beim Spaziergang entlang von üppigen Grabdenkmälern und uralten Bäumen, vorbei an verwunschenen Ecken und über schmale Pfade entdeckt man einen großen, mit Berlin verbundenen Namen nach dem anderen: die Theater-Legenden Bertolt Brecht und Helene Weigel, Künstler Hanns Eisler, die Schriftstellerinnen Anna Seghers und Christa Wolf, die Philosophen Georg Wilhelm Friedrich Hegel und Johann Gottlieb Fichte, Schriftsteller und Regisseur Heiner Müller, die Architekten Karl Friedrich Schinkel und Friedrich August Stüler.

    Ebenso auf dem Dorotheenstädtischen Friedhof: die Grabstätte der Industriellenfamilie Borsig, die Schriftsteller Heinrich Mann, Johannes R. Becher und Arnold Zweig sowie Ernst Theodor Litfaß, der eigentlich Druckereibesitzer war, aber durch die Erfindung der nach ihm benannten Litfaßsäule in die Geschichte einging. Auch der 2013 verstorbene Otto Sander, Stiefvater von Meret und Ben Becker, liegt hier begraben. Und der frühere Bundespräsident Johannes Rau hat hier ein Ehrengrab bekommen.

    Auf dem Gelände des Dorotheenstädtischen ist auch der Französische Friedhof beheimatet, auf dem die beliebte und 2006 im Alter von nur 59 Jahren verstorbene Schauspielerin Jenny Gröllmann beerdigt wurde.

    Der Dorotheenstädtische Friedhof ist immer ab 8 Uhr geöffnet. Schließzeiten sind wie folgt: Januar/Dezember 16 Uhr, Februar/November 17 Uhr, März/Oktober 18 Uhr, April/September 19 Uhr, Mai bis August 20 Uhr.

    Die Adresse lautet #Chausseestraße 126, 10115 Berlin. Von der Haltestelle Naturkundemuseum (U6, Tram 12, M5, M8, M10) sind es nur wenige Minuten zu Fuß.

    Weißensee: Jüdischer Friedhof

    So viele wunderschöne, beeindruckende Grabstätten! Wer den Jüdischen Friedhof Weißensee betritt, ist schnell sprachlos, aus zweierlei Gründen: zunächst angesichts solch monumentaler Begräbnisorte, dann aber auch wegen des teilweise beklagenswerten Zustandes einiger Gräberstelen und -platten. Das ändert aber nichts daran, dass man mit Ehrfurcht über diesen Friedhof spaziert. Und vielleicht macht genau das seinen Charme aus.

    Im 19. Jahrhundert war die jüdische Gemeinde Berlins mit rund 65.000 Gläubigen sehr groß (Bevölkerungszahl gesamt Berlin: circa 500.000). Zu groß, als dass der Friedhof an der Schönhauser Allee gereicht hätte. Darum kaufte man 1875 das 40 Hektar große Gelände an der damaligen #Lothringenstraße in #Weißensee, das 1880 schließlich eingeweiht wurde. Es war der vierte jüdische Friedhof in Berlin.

    „Der Jüdische Friedhof in Weißensee spiegelt in besonderer Weise die Geschichte der Juden in Deutschland wider. Diese suchten einerseits gesellschaftliche Anerkennung und mühten sich andererseits, ihre Traditionen zu bewahren. Auf traditionellen jüdischen Friedhöfen wird die Gleichheit der Menschen im Tode durch gleich hohe, schmucklose Grabsteine symbolisiert. Die einfachen Steine bewirken mit ihrer beruhigenden Monotonie eine schlichte Monumentalität als Gesamteindruck“, steht auf der Website des Fördervereins Jüdischer Friedhof Berlin-Weißensee.

    Und: „Weiterhin ist die Grabstätte im jüdischen Glauben unantastbar und wird folglich nicht neu belegt. Auf dem Friedhof in Weißensee besteht ebenfalls ewiges Ruherecht, aber in der Gestaltung der Grabstätten übernehmen die sich assimilierenden Juden die zu Wilhelminischen Zeiten auf deutschen Friedhöfen übliche, überladene Gestaltung. Traditionelle schlichte Grabsteine stehen neben prachtvollen Grabstätten aus geschliffenem und poliertem Stein.“

    Es ist also ein kulturhistorisch spannender Rundgang, der einen erwartet. Heute befindet sich am Eingang des Friedhofs zudem ein Rondell, das an die Millionen Jüdinnen und Juden erinnern soll, die im Holocaust ermordet wurden.

    Zu den Prominenten, die auf dem Jüdischen Friedhof ihre letzte Ruhe fanden, gehören der Publizist und Sozialpolitiker Max Hirsch, der Maler Lesser Ury, die Verleger Samuel Fischer und Rudolf Mosse, aber auch der hebräische Schriftsteller Micha Josef Bin Gorion. Darüber hinaus der Journalist Theodor Wolff, der Schriftsteller Stefan Heym, KaDeWe-Gründer Adolf Jandorf, Zigarettenfabrikant Josef Garbaty-Rosenthal (den kennen vor allem Pankower), Warenhausbesitzer Herrmann Tietz sowie Brauereibesitzer Oswald Berliner.

    Der Jüdische Friedhof #Weißensee ist von April bis September montags bis freitags ab 7.30 Uhr geöffnet, donnerstags ist ab 17 Uhr und freitags bereits ab 14.30 Uhr geschlossen. Sonntags ist von 8 bis 17 Uhr geöffnet. In der Zeit von Oktober bis März sind die Öffnungszeiten wie folgt: montags bis donnerstags von 7.30 Uhr bis 16 Uhr, freitags 7.30 Uhr bis 14.30 Uhr uns donnerstags von 8 bis 16 Uhr.

    Die Adresse lautet #Herbert-Baum-Straße 45, 13088 Berlin. Zu erreichen ist der Friedhof von der Haltestelle Weißer See (Tram 12, M4, M13, Bus 255) aus binnen weniger Minuten.

    Hinweis: An Schabbat, also samstags, sowie an jüdischen Feiertagen ist der Friedhof geschlossen. Männliche Besucher müssen eine Kopfbedeckung tragen. Am Eingang im Blumenladen kann man sich eine Kippa leihen.

    Lichtenberg: Zentralfriedhof Friedrichsfelde

    Einmal im Jahr ist der Zentralfriedhof Friedrichsfelde in den Schlagzeilen: Und zwar immer Mitte Januar, wenn der Ermordung #Rosa-Luxemburgs und #Karl_Liebknechts gedacht wird und unzählige Menschen, allen voran Linke-Politikerinnen und -Politiker, zum Friedhof pilgern, um Blumen (hauptsächlich rote Nelken) an deren Gräbern abzulegen. Die beiden Kommunistenführer und Politiker wurden am 15. Januar 1919 von Freikorps-Soldaten erschossen.

    Auch Liebknechts Vater Wilhelm, seines Zeichens Sozialdemokrat, ist hier beerdigt worden. Aufgrund der alljährlichen Aufmerksamkeit im Januar wird der Friedhof auch Sozialisten-Friedhof genannt (und so lautet übrigens auch die Web-Adresse!); die Tradition des Blumenniederlegens gab es schon zu DDR-Zeiten, es war ein wahrer Staatsakt.

    Aber auch andere große Namen sind auf dem Zentralfriedhof zu finden, wie etwa die der Schriftsteller Erich Weinert, Friedrich Wolf und Willi Bredel. Zudem liegt die Schriftstellerin Käthe Kollwitz hier begraben und der Filmregisseur Konrad Wolf. Unweit der Feierhalle, rechts vom Hauptweg, finden Sie außerdem das Grab des Astronomen Friedrich Archenhold, Namensgeber und Begründer der Sternwarte in #Treptow.

    Der Zentralfriedhof #Friedrichsfelde ist von Februar bis November täglich von 7.30 Uhr bis zur Dämmerung sowie in der Zeit von Dezember bis Januar ab 8 Uhr bis zur Dämmerung geöffnet.

    Die Adresse lautet #Gudrunstraße 33, 10365 Berlin. Zu erreichen ist der Zentralfriedhof gut vom U- und S-Bahnhof #Lichtenberg (U5, S5, S7, S75) oder vom S-Bahnhof Friedrichsfelde-Ost (S5, S7, S75) aus. Sie brauchen je nach Schrittgeschwindigkeit zehn bis 15 Minuten.

    Und wo liegen andere berühmte Menschen begraben?

    Nicht jeder Friedhof bietet eine hohe Promidichte. Aber für manch einen Namen lohnt sich auch eine Reise auf einen sonst eher normalen Friedhof, beispielsweise für Theodor Fontane. Der in Neuruppin geborene Dichter starb 1898 hier in Berlin, und wurde in der Domgemeinde St. Hedwig in Mitte (Liesenstr. 8) beigesetzt. Ganz in seiner Nähe ist der Hotelier Lorenz Adlon begraben.

    Auf dem Waldkirchhof# Mahlsdorf (#Rahnsdorfer_Straße 30) liegt Charlotte von Mahlsdorf, Schriftstellerin und Gründerin des nach ihr benannten Gründerzeitmuseums. Carl Mampe, der Spirituosen-Erbe und Sohn des „Mampe bittere Tropfen“-Erfinders, wiederum ruht auf dem Friedhof der Sophiengemeinde in Mitte (Bergstr. 29).

    Gruftkirche des Berliner Doms

    P.S.: Falls Sie royale Grabstätten bestaunen wollen, müssen Sie in die Gruftkirche des Berliner Doms gehen (Karl-Liebknecht-Str./Lustgarten; direkt an der Museumsinsel). Zwar kein Friedhof, aber auch schattig und kühl. Die Fürstengruft des Geschlechts der Hohenzollern ist eine der bedeutendsten sogenannten Grablegen Europas und beeindruckt mit Prunksarkophagen aus den zurückliegenden Jahrhunderten. Hier liegt unter anderem König Friedrich I. von Preußen sowie Königin Sophie Charlotte. Seit dem 1. März 2020 ist die Gruft für drei Jahre wegen dringend notwendiger Sanierungen geschlossen.

    #Berlin #Tourismus #Geschichte

  • Mercedes statt Wolga
    https://www.spiegel.de/wirtschaft/mercedes-statt-wolga-a-9442743b-0002-0001-0000-000013507404?context=issue

    18.02.1990 • aus DER SPIEGEL 8/1990 - Tagsüber verhandelt er mit der Stadtverwaltung in Ost-Berlin, nachts ist er mit Kollegen in West-Berlin verabredet: Für Fahrgäste hat der Taxiunternehmer Herbert Zotzmann, 63, dieser Tage keine Zeit.

    Zotzmann ist der erste Vorsitzende der neugegründeten »Innung der Berliner Taxiunternehmer«, eines Zusammenschlusses von rund 160 selbständigen Taxifahrern in Ost-Berlin. Die wollen dafür sorgen, daß Taxis auf Ost-Berlins Straßen bald so selbstverständlich sind wie in jeder anderen Großstadt.

    Bei seinen Gesprächen in beiden Teilen Berlins versucht Zotzmann, das Nötigste für einen Neuanfang des brachliegenden Taxigewerbes zu organisieren: Es geht vor allem um neue Autos und Funkfrequenzen für die Privatunternehmer.

    Einen wichtigen Gesprächspartner hat Zotzmann schon getroffen. Daimler-Benz-Chef Edzard Reuter, der vor 14 Tagen mit der Regierung in Ost-Berlin sprach, sagte am Rande der Visite Hilfe für die Taxiinnung zu. Die DDR-Chauffeure, die ihre Kunden zur Zeit noch mit alten Wolgas, Ladas und Wartburgs transportieren, sollen demnächst mit gebrauchten Mercedes-Taxis versorgt werden.

    Westdeutsche Taxiunternehmer, so die Vorstellungen bei Mercedes-Benz, könnten ihre Gebrauchten beim Kauf eines Neuwagens in Kommission geben. Generalüberholt und von Banken kreditfinanziert, könnten diese Wagen dann an Ost-Berliner Interessenten weitergereicht werden; über den Preis wird noch spekuliert.

    Daimler zögert wohl auch, weil die mögliche rasche Entwicklung zu einer Währungsunion die Voraussetzungen drastisch verändern könnte: Ein Preis in D-Mark läßt sich leichter kalkulieren, und auch die Frage der Finanzierung wäre in einem einheitlichen Wirtschaftsraum leichter zu lösen.

    In Ost-Berlin wächst indessen die Ungeduld. »Wir wollen so schnell wie möglich rund um die Uhr einsatzbereit sein«, sagt Zotzmann. Da hat er sich viel vorgenommen.

    Bislang war der Taxibetrieb in Ost-Berlin - zum Ärger der Kunden - im Griff des »BvB-Kombinatsbetriebes Taxi«, einem Teil der Berliner Verkehrsbetriebe. Das Kombinat bildete Leute zu »Berufskraftfahrern« aus, verwaltete Menschen und Fuhrpark. Auch die wenigen selbständigen Taxifahrer ließen ihre Wagen in der BvB-Zentrale in der Gehringstraße warten.

    Die Kleinunternehmer stört vor allem, daß der Staatsbetrieb die einzige legale Funkfrequenz betreibt. Für Taxibestellungen im Osten der Stadt (1,2 Millionen Einwohner) gibt es deshalb, außer einem Dutzend Telefonnummern für private Vermittlungen, nur den Zentralruf des Kombinats.

    Entsprechend ist der Service - der erfolgreiche Ruf nach einem Taxi gleicht einem Glückstreffer. Auch die wenigen 1986 legalisierten nebenberuflichen Lizenzfahrer und die illegal arbeitenden Privatleute schafften keine Abhilfe.

    Durch unsinnige Planauflagen wurde der Mangel noch verschärft. Die staatlichen Taxis durften auf 100 Kilometer nicht mehr als 16 Kilometer leer fahren. So standen die Staatschauffeure häufig in den Vororten, in die sie Fahrgäste gebracht hatten, und warteten auf Kunden - die suchten derweil im Stadtzentrum ein Taxi.

    Die Selbständigen konnten schon mangels eigener Funkfrequenz keine Entlastung schaffen. Seit 1980 war es ihnen zudem verboten, zusätzliche Fahrer für ihre Wagen einzustellen. Der im Westen übliche Mehrschichtbetrieb war damit unmöglich.

    Nun soll das alles ganz anders werden. Starthilfe bekommen die Ost-Berliner von den Kollegen aus dem Westteil der Stadt. »Wir helfen, wo wir können«, sagt Heinz Peter, 59, Präsident des Bundesverbandes der Taxiunternehmer.

    Als erstes stehen Nachhilfestunden in Gewerbe- und Steuerrecht auf dem Plan. Auch mit marktüblichen Kalkulationstechniken müssen die Ost-Berliner Unternehmer sich demnächst befassen.

    In Ost-Berlin kostet ein - subventionierter - Taxikilometer zur Zeit noch 80 Pfennig, die West-Berliner Taxifahrer nehmen 1,70 Mark. Eine Angleichung der Tarife ist nicht zu vermeiden, wenn die Selbständigen kostendeckend fahren wollen.

    Daß sie vielleicht mit höheren Preisen nicht mehr genug Kunden finden, müssen die Fuhrunternehmer in Ost-Berlin nicht befürchten. Während in West-Berlin fast 5000 Taxen fahren, gibt es im Ostteil der Stadt derzeit nur etwa 1500 hauptberufliche Chauffeure.

    Inzwischen haben zwar 1400 Ost-Berliner eine Lizenz für ein eigenes Taxiunternehmen beantragt, aber auch die würden sicher noch genügend Fahrgäste finden. »Groß-Berlin hat sechs Millionen potentielle Kunden«, sagt Heinz Peter mit Blick auf die Vereinigung der Stadt.

    Das haben auch die Kollegen in der Gehringstraße erkannt. Die Leitung und ein Großteil der 1300 Kombinatsfahrer wollen den Betrieb erhalten, als gut organisierten Konkurrenten der Kleinunternehmer.

    Die Rechtsform sei zwar noch »völlig offen«, sagt Wolfgang Nitz, amtierender Direktor des Staatsbetriebes. Aber wo es langgeht, ist allen klar: »Wir wollen das Profil des Betriebes moderner gestalten.«

    Die 650 uralten Wolgas des Kombinats werden die neue Zeit wohl nicht mehr miterleben. Auch Betriebsleiter Nitz weiß längst, wo es die besseren Taxis gibt - bei Daimler-Benz, wo auch die Konkurrenz kaufen möchte. f

    #Taxi #Berlin #DDR #Geschichte

  • BERLIN SOUTH
    https://www.hitlerpages.com/page98.html


    #Sieghtseeing, #Sehenswürdigkeiten, Wilmersdorfer Tennishallen, Brandenburgische Strasse Ecke Konstanzer Strasse, built in 1930. On January 27, and February 10, 1932 Hitler spoke at the tennishall .

    Berlin South

    Berlin South here is the area south of the #Bismarckstraße, the #Straße_des_17_Juni and south of it and south of the Karl-Marx-Allee/Frankfurter Allee.

    1.Bar Alois Hitler
    2. Hotel Rheingold
    3. Wilmersdorfer Tennishallen
    4. #Fehrbelliner_Platz
    5. Wehrtechnische Fakultät
    6. #Ernst Reuter Platz
    7. Technischen Hochschule
    8. Opel dealer were William Patrick Hitler worked
    9. Flakturm
    10. Zoologischer Garten
    11. Kaiser-Wilhelm-Gedächtniskirche
    12. Bar Alois Hitler
    13. Siegessäule
    14. Albert Speers Streetlights
    15. Bendlerblock
    16. Haus des Deutschen Fremdesverkehrs
    17. Hotel Sanssouci
    18. Hotel Excelsior
    19. Anhalter Bahnhof
    20. Sportpalast
    21. Grossbelastungskörper
    22. Arc de Triomphe
    23. South Station
    24. Tempelhof 42a. Neue Welt
    25. Reichsbank
    26. Görlitzer Bahnhof
    27. Treptower Park
    28. or 29. Kameradschaft der Deutschen Künstler (?)
    30. Villa Ribbentrop
    31. Leibstandarte Adolf Hitler
    32. Practice Theo Morell 1919 -1935
    33. Practice Theo Morell 1935 - 1945
    34. House of Leni riefenstahl
    35. Office Goebbels
    36. Villa Von Ribbentrop
    37. Address Goebbels and Angriff
    38. Bahnhof Grunewald
    39. Practice Dr. Dermietzel
    40. Berliner Alte Philharmonie
    41. Feurich-Saal

    #Karl-Marx-Allee #Frankfurter Allee #Brandenburgische_Straße #Konstanzer_Straße
    #Geschichte #Tourismus #Nazis #WTF

  • Mietskasernenstadt Berlin: Als Wohnen todkrank machte
    https://www.berliner-zeitung.de/b-history/wohnen/mietskasernenstadt-berlin-als-wohnen-todkrank-machte-li.224536

    21.5.2022 von Dr. Michael Brettin - Ein Gefühl der Beklemmung beschleicht den Journalisten Albert Südekum, als er an einem Augusttag Mitte der 1890er-Jahre mit einem Arzt ein Hinterhaus in #Wedding betritt. Seine „erste Forschungsreise in das dunkle Land der Berliner Armenwohnungen“ – so umschreibt er den Besuch in dem „Massenmietshaus“ im Buch „Großstädtisches Wohnungselend“ 1908 – führt ihn in den dritten Stock, zu einer Familie, die das einzige Zimmer ihrer Wohnung notgedrungen untervermietet hat und in der Küche lebt.

    „Nur wenig ärmlicher Hausrat fand sich in dem unwohnlichen Raum“, schreibt Südekum. „Auf der kleinen eisernen Kochmaschine standen ein paar Töpfe, die nach dem letzten Gebrauch noch nicht gereinigt waren; den einzigen Tisch bedeckten ein paar Teller und Gläser, Zeitungsblätter, Kamm, Bürste und Seifenschale, eine Schachtel mit Salbe zum Einreiben, Teller mit Speiseresten und andere Gegenstände. Der geringe Kleidervorrat der Familie hing an den Wänden; ein paar halbverblaßte Familienbilder und ungerahmte Holzschnitte aus einer illustrierten Zeitung bildeten den einzigen Schmuck.“ Es gibt noch eine Kommode, einen Korblehnstuhl und zwei Holzschemel sowie ein Bett, „das eigentlich nur aus einem Haufen zerrissenen Zeuges auf einer knarrenden, buckligen Matratze bestand“.

    Es ist ein Urbedürfnis des Menschen: ein Dach über dem Kopf. Darunter findet sich Geborgenheit aber nicht von allein. „Ein Haus wird gebaut, aber ein Zuhause wird geformt“, wie das Sprichwort besagt. Ein Zuhause in Berlin war schon immer in vielerlei Hinsicht besonders.

    Fünf Menschen leben in dieser Küche: ein Ehepaar, seine 14-jährige Tochter und seine etwa sieben und vier Jahre alten Söhne. Die Frau liegt in dem Bett; sie ist, als sie Zeitungen austrug, auf einer Treppe umgeknickt, hat sich dabei einen Fuß verstaucht und eine Sehne gezerrt. Bettruhe kann sie sich nicht leisten. Ihre Familie ist auf das Geld, das sie als Zeitungsausträgerin verdient, angewiesen. Ihr Mann ist Gelegenheitsarbeiter und derzeit als Flaschenspüler bei einem Bierverlag (Getränkegroßhandel) tätig, sein Lohn ist dürftig. Der Unfall ist für die Eheleute ein Schicksalsschlag.

    „Jedesmal, wenn es schien, als ob es ihnen dauernd etwas besser gehe“, schreibt Südekum, „waren sie durch eine Krankheit oder durch ein, manchmal verfrühtes, Wochenbett – die Frau hatte im ganzen deren sechs durchgemacht – oder einen Todesfall wieder zurückgeworfen worden.“

    Berlin war zu jener Zeit dem Stadtbauexperten Werner Hegemann zufolge die größte „Mietskasernenstadt“ der Welt. Sie erwuchs aus dem „Bebauungsplan der Umgebungen Berlins“ vom 18. Juli 1862. Der aus der Feder von Regierungsbaumeister James Hobrecht stammende Plan sollte die stetig größer werdende #Wohnungsnot lindern. Die #Industrialisierung lockte immer mehr Menschen vom Land in die Stadt. Die Bevölkerung Berlins vergrößerte sich von etwas mehr als 170.000 im Jahr 1801 auf fast 550.000 im Jahr 1861. Über 15 Prozent der Bewohner mussten sich mit acht, neun oder gar zehn Personen ein Zimmer teilen.

    Der „#Hobrecht-Plan“ sah ein weitmaschiges Straßennetz und große Baublöcke vor. Die Grundstücke zogen sich tief in das Blockinnere; die Bauordnung erlaubte es, die fünfgeschossigen Häuser sehr nah beieinander zu errichten. Innenhöfe mussten nur 5,34 mal 5,34 Meter groß sein. Das entsprach der Fläche, die ein von Pferden gezogenes Feuerlöschfahrzeug zum Wenden benötigte.

    Die dichte Bauweise glich der einer Kaserne. Die Mietskaserne wiederum entsprach der Klassengesellschaft. Im Vorderhaus lockten großzügig angelegte und gut ausgestattete Wohnungen. Ihre Fläche erstreckte sich in den #Seitenflügel, ein Durchgangszimmer (#Berliner_Zimmer) führte dorthin. Im Hinterhaus (#Quergebäude) versteckten sich kleine, minderwertig gefertigte, sonnenlichtarme bis -lose Bleiben, die in der Regel aus einer Stube, einer Küche und einer Kammer bestanden.

    Die Wohnqualität nahm nach oben und unten sowie nach hinten ab. „An den beiden Endpunkten der räumlichen Einheit #Mietskaserne, im Keller und unterm Dach, finden wir die Ärmsten der Armen, die nur die geringstmögliche Miete bezahlen konnten“, schreibt die Historikerin Rosmarie Beier, „chronisch Kranke und Invalide, Tagelöhner, den schon sprichwörtlich gewordenen armen Schuster, abgearbeitete, verhärmte Näherinnen, Lumpensammlerinnen und Zeitungsfrauen, Witwen, die sich mit ihren Kindern mühselig durchs Leben schlugen.“
    Der Tod lauerte im Hinterhaus

    Eine Extremform des Wohnungselends war das „#Trockenwohnen“. Neubauten mussten etwa drei Monate lang austrocknen, bevor sie bezugsfertig waren. Die zeitweilige Vermietung der feucht-kalten Wohnungen an besonders arme Haushalte beschleunigte den Vorgang. „Trockenwohner“ umgingen die Obdachlosigkeit, ruinierten jedoch ihre Gesundheit.

    Wobei: Die Mietskaserne machte auch spätere Bewohner krank. Die Wohndichte, Licht- und Luftmangel, Feuchtigkeit und Schimmelbefall förderten Infektionskrankheiten wie #Tuberkulose und #Ruhr. Frauen, die hausindustriell beschäftigt waren, litten unter Augenbeschwerden, Kopfschmerzen, Durchblutungsstörungen, Bleichsucht (Blutarmut), Magenbeschwerden durch Stress. Und das täglich stundenlange Treten einer Nähmaschine führte zu Früh- und Fehlgeburten.

    Eine Statistik aus dem Jahr 1905 legt nahe, dass der Krankheitsverlauf eines Menschen davon abhing, ob er in einem Vorder- oder einem Hinterhaus wohnte. Demnach starben Mieter in einem Hinterhaus öfter an Diphtherie oder auch Kindbettfieber. Die Gefahr einer tödlich verlaufenden Masernerkrankung war dort dreimal so. Die Säuglingssterblichkeit lag in jenem Jahr im armen Wedding bei 42 Prozent, im wohlhabenden Tiergarten bei 5,2 Prozent.

    Nachteile seines Bebauungsplans sah James Hobrecht selbst schon 1868. „Mehr Raum für die Höfe!“, forderte er. „Das Vierfache der Dimensionen, welche die Berliner Baupolizeiordnung verlangt, ist nicht zu viel, ist kaum genug, wenn wir für unsere Hinterzimmer noch Sonne, Licht und Luft in genügender Qualität und Güte behalten wollen.“ Seine Forderung fand kein Gehör, die Wohnungsbauwirtschaft, komplett in privater Hand, stellte sich taub, allen voran die „Terraingesellschaften“: Deren Geschäft bestand darin, große Grundstücke zu kaufen, sie zu parzellieren und zu erschließen und die Parzellen gewinnträchtig zu verkaufen.

    Wohnungsnot und -elend nahmen mit der Hauptstadtwerdung Berlins infolge der Gründung des Deutschen Reichs zu. Die Stadt entwickelte sich zum Industrie- und Finanzzentrum Mitteleuropas. Die Zahl ihrer Bewohner wuchs von 825.000 im Jahr 1871 auf eine Million 1877 und auf 1,7 Millionen 1895. Mietskaserne auf Mietskaserne entstand.

    Die neuen Viertel zogen sich sichelförmig um die Innenstadt: vom Nordwesten bis in den Süden – von #Moabit über #Gesundbrunnen und #Wedding, Oranienburger und #Rosenthaler_Vorstadt, #Königsviertel und #Stralauer_Viertel bis #Luisenstadt. „Die Hauptmasse der Stadt macht den Eindruck, als wäre sie erst vorige Woche erbaut worden“, schrieb der Schriftsteller #Mark_Twain nach einem Besuch im Winter 1891/92. Berlin sei „das Chicago Europas“.

    Mitte der 1890er-Jahre bewohnten 43,7 Prozent der Berliner nur ein beheizbares Zimmer. Eine Gemeinschaftstoilette auf dem Treppenhauspodest (halbe Treppe) oder im Hof nutzten mitunter 40 Personen. Zahlen seien wenig aussagekräftig, schreibt Albert Südekum. Außenstehende könnten nicht ermessen, was es bedeute, wenn bis zu zehn Menschen zugleich „in sogenannten ,Wohnungen‘ hausen müssen, die nur aus einem jammervollen Loche bestehen, zu schlecht, als daß ein weichherziger Tierhalter seinen Gaul oder seine Kuh, ja seine Schweine hineinsperren möchte.“

    Meyers Hof in der #Ackerstraße 132/133 in Wedding gilt als Inbegriff der Mietskaserne: sechs Hinterhöfe, in denen auch mal Musiker aufspielen (hier 1932), 257 Wohnungen, in denen zeitweise 2100 Menschen lebten. Der letzte Block wurde 1972 gesprengt.

    Das Ehepaar, das der Journalist Südekum an jenem Augusttag aufsucht, kam Mitte der 1880er-Jahre aus einem Dorf in Pommern nach Berlin. Es ist seitdem durchschnittlich alle sechs Monate umgezogen, wegen der häufig wechselnden Gelegenheitsarbeitsstellen, bei denen der Mann mal mehr, mal weniger verdient. Dieses Schicksal teilt die Familie mit ungezählten anderen. Der Volksmund spottet: „Zehnmal umziehen ist wie einmal abgebrannt.“

    Das einzige Bett der Familie ist zu klein, als dass alle fünf darin schlafen könnten. Die drei Kinder nächtigen auf dem Küchenfußboden, auf ausgebreiteter Kleidung. Die Tochter kümmert sich tagsüber um den Haushalt und verdient als „Ausläuferin“ (Botengängerin) etwas Geld.

    Der Mann weilt nach Feierabend selten zu Hause. Es ist nicht bekannt, ob er sich in einer der zahlreichen Kneipen herumdrückt, wie so viele andere Männer, denen die leidende Familie auf die Nerven geht. Seine Frau hat wie alle Frauen, die Ehe- und Hausfrau, Mutter und Erwerbstätige in einer Person sind, nie Zeit für sich. Sie ist mit ihren Kräften am Ende, körperlich wie seelisch. Der Herr Doktor möge sie, fleht sie, in ein Krankenhaus schaffen und ihre Kinder in ein Waisenhaus bringen; sie fürchte, „den Verstand zu verlieren und sich aus dem Fenster zu stürzen“.
    Eine Familie haust zu elft im Keller

    Die Not der Arbeiterfamilien rückte in den 1890er-Jahren in das Blickfeld der Öffentlichkeit. Der Vorwärts, die #SPD-Zeitung, bei der Albert Südekum 1895 volontierte, veröffentlichte bis in das Jahr 1903 hinein fast wöchentlich Mitteilungen der Arbeiter-Sanitätskommission über menschenunwürdige und gesundheitswidrige Wohnungszustände.

    Und die „Wohnungs-Enquete“ der Ortskrankenkasse für den Gewerbebetrieb der Kaufleute, Handelsleute und Apotheker (ab 1914 hieß sie Allgemeine Ortskrankenkasse/AOK) dokumentierte von 1901 bis 1920 den Zusammenhang zwischen Wohnelend und Erkrankungen. Die Ortskrankenkasse wollte Politiker und andere Verantwortliche aufrütteln, wollte, dass sie gegen das Wohnungselend vorgehen, im Interesse der „#Volksgesundheit“, aber auch aus Eigennutz, bedeuteten doch mehr Kranke mehr Ausgaben.

    Die Enquete sammelte Daten über Bodenflächen, Höhenmaße und Kubikmeter Luftraum, über die Anzahl der Personen pro Raum und Bett sowie der Fenster, den Zustand der Zimmer, die Verfügbarkeit von Heizung und Toilette. Die fotografische Dokumentation durch die Firma Heinrich Lichte & Co. setzte 1903 ein; der erste Jahrgang erschien 1904, der letzte 1922.

    Die Aufnahmen sollten nicht Mitleid erregen, sondern Veränderung hervorrufen. Da ist das unter Blutarmut leidende 16-jährige Mädchen in der #Große_Hamburger_Straße: Die Wände ihrer Bleibe sind so feucht, dass Tapete von der Wand lappt und Holz der Fensterbretter fault. Oder der von Ekzemen geplagte 65-jährige Mann in der #Britzer_Straße: Das Klo über seiner Wohnung ist oft verstopft; wird das Rohr durchstoßen, sickern Fäkalien durch die Decke. Oder die elfköpfige Familie in einer Kellerwohnung in der #Friedrichsberger_S#traße: Der Vater ist an Tuberkulose gestorben; ein Mädchen, 15, ist wegen eines Lungenleidens erwerbsunfähig, ein anderes Mädchen und ein Junge sind ebenfalls lungenkrank.

    „Es ist nur ein ganz geringer Teil dessen, was wir an Wohnungselend kennen lernen“, schreibt Albert Kohn, Geschäftsführer der Ortskrankenkasse. Besonders bemerkenswert sei, dass „unsere Erhebungen bei Leuten gemacht wurden, welche zum grösseren Teile noch keine Armenunterstützung bezogen haben, sie erstrecken sich auch nicht auf die Arbeiterviertel allein.“ Zahlreiche Menschen würden „förmlich vegetieren“.

    Das Wohnungselend hielt an. Die 1895 einsetzende Hochkonjunktur, die bis 1913 die Reallöhne verdoppelte, kam un- und angelernten Arbeitern nicht zugute, auch weil sich die Lebensmittelkosten in jener Zeitspanne verdreifachten. „Sparsamkeit, das Rechnen mit dem Pfennig, selten eine Möglichkeit, finanzielle Rücklagen zu bilden, Verpfändung, Verschuldung und Mietrückstände im Falle von Krankheit und Erwerbslosigkeit – kurzum, Einschränkung, Entbehrung und Not kennzeichnen das Leben der Unterschichtsfamilien“, schreibt die Historikerin Rosmarie Beier. Die Mitarbeit von Frauen und Kindern sowie die Aufnahme von Untermietern („Schlafburschen“) habe das Leben „in vielen Fällen nicht wesentlich“ verbessert.

    Der Beginn der Weltwirtschaftskrise führte zu einer extremen Verelendung vieler Berliner Arbeiterhaushalte. Die Not trieb Familien 1932 in einen #Mietstreik. Es war nach 1919 der zweite in der Stadt. Ein Symbol für die hauptsächlich von Frauen getragene Streikbewegung wurde das zu einem Mietshaus umfunktionierte ehemalige Stadtgefängnis am #Molkenmarkt, genannt „Wanzenburg“. Die Monatsmiete für eine verwanzte Wohnzelle, knapp zwei Meter breit und viereinhalb Meter lang, betrug 21,50 Mark. Das entsprach etwa einem Drittel des Einkommens der dort Hausenden.

    Die Bewohner vieler Mietskasernen organisierten sich in Hausgemeinschaften, gaben die Parole „Erst Essen, dann Miete!“ aus und forderten, Mieten zu senken, Mietrückstände zu streichen, Klagen auf Exmission (Zwangsräumung) aufzuheben, Gebäude zu renovieren. Einige Proteste hatten Erfolg.

    Das Gefühl der Beklemmung beim Betreten der Mietskaserne in Wedding lässt Albert Südekum nicht los. Als Kommunalpolitiker und Reichstagsabgeordneter der SPD widmet er sich der #Wohnungspolitik. Er wünsche sich, schreibt er 1908, „eine helle Empörung über das furchtbare Wohnungselend der Großstadt mit all seinen Neben- und Folgeerscheinungen auszulösen“. Ein Vorwort zu seinem Buch soll dabei helfen, ein Spruch, der irrtümlich dem sozialkritischen Zeichner, Maler und Fotografen Heinrich Zille zugeschrieben wird: „Man kann einen Menschen mit einer Wohnung geradeso gut töten wie mit einer Axt.“

    Der Bau von Mietskasernen kam erst zu Beginn des Ersten Weltkrieges zum Erliegen. Die Weimarer Republik anerkannte die Wohnungs- und Krankenfürsorge als staatliche und kommunale Aufgabe. Berlin verbot 1925 den Bau von Mietskasernen mit Seitenflügeln und Quergebäuden in den Randbezirken.

    Das weitere Schicksal der fünfköpfigen Familie, die Albert Südekum an jenem Augusttag besucht hatte, ist nicht bekannt.

    #Berlin #Geschichte #Wohnen #Stadtentwicklumg #Kaiserzeit #Gründerzeit

  • Michel, de L’Humanité aux « mômes » de la Cité
    https://seenthis.net/messages/961110

    Über die universelle Funktion des Taxi und die Verbundenheit der Chauffeure mit der KPF

    En 1965, le voilà recruté dans un lieu plus conforme à son orientation politique, puisqu’il passe à la Société de gestion Poissonière (SGP), imprimerie sise dans la rue éponyme, toujours dans le 9e arrondissement parisien, qui imprime notamment L’Humanité et L’Humanité-dimanche

    ...

    À l’époque on envoyait les journaux par le train ou par avion depuis une seule imprimerie. Sitôt les journaux sortis des rotatives, on allait tout de suite les transporter à l’aérodrome et dans les grandes gares : la gare de Lyon par exemple pour que ça arrive à Lyon. Là-bas, il y avait des taxis qui étaient là pour prendre le papier pour aller le distribuer aux marchands de journaux.

    https://laviedesidees.fr/Michel-de-L-Humanite-aux-momes-de-la-Cite.html

    #Taxi #Geschichte #Politik #Frankreich #Arbeiterbewegung

  • Ein Leben für das Taxigewerbe : Heinz Peter (14.3.1930–1.4.2022)
    https://www.taxi-times.com/ein-leben-fuer-das-taxigewerbe-heinz-peter-14-3-1930-1-4-2022

    15.4.2022 von Axel Rühle - Kein Vertreter des deutschen Taxigewerbes war so lange aktiv und so einflussreich wie der am 1.4. verstorbene Berliner Heinz Peter. Taxi Times hat mit Zeitzeugen gesprochen und blickt zurück.

    Heinz Peters Karriere vollständig zu erzählen, würde ein dickes Buch ergeben, bestehend aus vier sich überschneidenden Akten. Der erste Akt spielt ausschließlich in Berlin, der zweite deutschlandweit, und der dritte weltweit. An seinem Ende steht eine unerfreuliche Wendung. Der vierte, traurige Akt endet mit Heinz Peters Tod am 1.4.2022.

    Wenn es um ein Unikum wie Heinz Peter geht, kann ein Nachruf kein typischer Nachruf sein, da alle Zeitzeugen viel lieber amüsante Anekdoten über den „bunten Hund“ erzählen, die das Andenken am Leben halten, als sich in Trauer und Schwermut zu erinnern. Wir lassen diejenigen sprechen, die ihn kannten.

    Eine der ersten überlieferten Stationen aus Heinz Peters Leben, abgesehen von der Volksschule, der Mittelschule und der Lehrerbildungsanstalt Neiße (er wollte eigentlich Lehrer werden) ist Berlin-Lichterfelde, wo er sich in den letzten Kriegstagen vor den Nazi-Häschern versteckte, um nicht als Deserteur standrechtlich erschossen zu werden. Dazu später ein paar Sätze eines Zeitzeugen. Es war nicht die einzige Situation bis 1945, in der er durch Zufall überlebte, und in der er lernte, dass Kämpfen einen retten kann.

    Als der Krieg vorbei war, war Heinz ein selbstbewusster, 15-Jähriger Ur-Berliner Junge und begann kurz darauf eine Lehre als Kfz-Handwerker. Die Zeit war von Hunger geprägt, aber so kam er zu Geld und zum Führerschein. Den nutzte er nach seiner Gesellenprüfung 1948, als es wegen der West-Berlin-Blockade keine Autos mehr zu reparieren gab, für andere Zwecke.

    Heinz Peter in seiner aktiven Zeit mit Jugendfoto. Foto: Taxi Berlin
    In den ersten Nachkriegsjahren war es Taxifahrern in Berlin eine Zeitlang ausschließlich erlaubt, Besatzungssoldaten zu fahren. Die zugehörige Organisation hieß Taxiball, später Taxibal. An seine Erzählung, wie er dort zum Taxifahrer wurde, erinnert sich der ehemalige Taxi-Times-Redakteur Wilfried Hochfeld: „Der diensthabende Sergeant setzte den viel zu jungen Heinz auf einen großen Jeep und wies ihn an, zum Ende des Hofs zu fahren, dort auf der Schmierseife zu wenden, und wieder zurück zu kommen. Zufällig schleuderte der Kleinlaster in der richtigen Richtung und kehrte, ohne Schaden anzurichten, zum Ausgangspunkt zurück. Der Eignungstest war bestanden. Die schicksalhafte Entscheidung im Leben von Heinz Peter war gefallen.“

    Schon 1950 hatte er sein erstes eigenes Taxi und war damit Unternehmer. Bei Taxibal arbeitete er sich an die Spitze, wie er es später in unzähligen Organisationen und Gremien tun würde. Drei Jahre später heiratete er seine Anneliese, mit der er bis zu ihrem Tod 2019 zusammen blieb.

    Heinz und Anneliese Peter in den 1950er-Jahren. Foto: Taxi Berlin
    1965 wurde die „Innung des Berliner Taxigewerbes“ gegründet. Heinz Peter wurde 1958 Beisitzer und dazu Gründungs- und Aufsichtsratsmitglied der Wirtschaftsgenossenschaft Berliner Taxibesitzer (WBT), wo er ein Jahr später in den geschäftsführenden Vorstand aufrückte. Zudem war er Mitbegründer des Funktaxenvermittlungsdienstes. Eine der ersten Errungenschaften, die Heinz Peter nach eigenen Angaben mit durchsetzen konnte, war der ermäßigte Steuersatz für Taxifahrten, nachdem 1968 die Mehrwertsteuer in Deutschland eingeführt worden war.

    Lothar Kubig, heute 82-jähriges Ehrenmitglied der „Innung“ und seit Taxisportvereins-Zeiten aktiver Sportler, berichtet über die damalige Zeit: „Als Heinz Peter am 26.11.1969 in West-Berlin zum Innungsvorsitzenden gewählt wurde, hatten wir über 3000 Mitglieder. Unsere Jahreshauptversammlungen fanden meistens im Prälat Schöneberg statt, der war immer ausverkauft. Zu Heinz kamen fast alle Mitglieder, auch als die Versammlungen später im Palais am Funkturm stattfanden.

    Er hat immer viel organisiert, nicht nur politisch, es war ihm auch wichtig, dass alle ihren Spaß hatten. Er hat den jährlichen Taxiball ins Leben gerufen. Wir waren -zig mal bei Axel Springer, den er einfach duzte und überredete, jedes Jahr ein Auto für die Tombola zu stiften. Das waren rauschende Feste. Der Diepgen war jedes Mal da. Den hat Heinz auch geduzt.“ Das gleiche galt für die anderen Regierenden Bürgermeister aus Heinz Peters Innungszeit, also Klaus Schütz, Dietrich Stobbe, Hans-Jochen Vogel, Richard von Weizsäcker und Walter Momper, sowie für die Berliner Verkehrssenatoren, die Bundesverkehrsminister und zahlreiche Partner aus Wirtschaft und Industrie.

    Auch im Taxisportverein war Heinz aktiv, wie seine damaligen Mitstreiter und Freunde Wolfgang Uecker und Harald Ruf berichten. „Einen besseren Kollegen werden wir nie mehr wiederkriegen. Heinz war ein Garant für Geselligkeit und tolle Weihnachtsfeiern“, wie Uecker sich erinnert.

    Als 1970 die ersten Busspuren in Berlin eingeführt wurden, setzte Heinz Peter durch, dass auch Taxen sie benutzen dürfen – ein Coup, für den das Gewerbe ihm heute noch dankbar sein kann, da dies keine Selbstverständlichkeit ist. In vielen anderen Städten sind Busspuren für Taxis tabu.

    1974 wurde Heinz Peter Vizepräsident des Bundesverbandes, der damals noch BDP hieß: Bundesverband des Deutschen Personenverkehrsgewerbes. Zudem war er Mitglied in verschiedenen Gremien der Berufsgenossenschaft für Fahrzeughaltung (BGF).

    Doch auch in Berlin erreichte Heinz Peter für das Taxigewerbe weiterhin alles – auf seine spezielle Art. Boto Töpfer, Vorsitzender des Taxiverbandes Berlin, Brandenburg e. V. (TVB), erzählt das so: „Heinz Peter war einfach omnipräsent, hat sich mit größtem Herzblut für die Fahrer auf der Straße eingesetzt. Wenn zum Beispiel ein Halteplatz erweitert oder gegen die Streichung angekämpft werden musste, ist Heinz Peter persönlich in das zuständige Bezirksamt gefahren und hat dort mit den Vertretern, die er alle schon jahrelang kannte, so lange ‚gesprochen’, bis das Bierfass in der Kneipe, in der sie gelandet waren, leer war, und am Schluss hatten die Halteplätze Bestand.“

    Ähnlich gesellig beschreibt ihn Thomas Grätz, der von 1991 bis 2019 Geschäftsführer des Bundesverbandes war, der inzwischen BZP (Bundeszentralverband Personengewerbe) hieß: „Die Zusammenarbeit war intensiv, menschlich auch sehr eng, und von ihm konnte ich nicht nur Offenheit der Gesprächsführung, sondern auch Geschick bei der Durchsetzung von Gewerbeinteressen lernen. Er hatte seine ganz eigene Art, Menschen für sich zu gewinnen, wobei dabei nicht zuletzt seine Berliner Schnauze eine gewichtige Rolle spielte. Deshalb war er auch in der Politik und ebenso in der Wirtschaft bekannt wie ein ‚bunter Hund’.“

    1980 wurde Heinz Peter Mitglied der Industrie- und Handelskammer zu Berlin und erhielt für sein Engagement das Bundesverdienstkreuz am Bande verliehen. Wie sehr er sich dem Gewerbe verpflichtet fühlte und sich aufopferte, klingt in seinen eigenen, selbstironischen Worten allerdings eher so: „Für euch hab ick meine Leber versoffen.“

    Am 4.5.1983 wählten die Gewerbevertreter Heinz Peter zum Präsidenten des Bundesverbandes. Sein Stellvertreter und späterer Nachfolger Hans Meißner weiß noch viel aus der Zeit zu erzählen: „Wir waren uns nicht immer grün, aber man konnte was mit ihm erleben. Heinz war der Außenminister des deutschen Taxigewerbes. Er war äußerst kontaktfreudig und trinkfest, und seine Respektlosigkeit hat ihm alle Türen geöffnet. Die Stärke von Heinz waren persönliche Kontakte, die er auf den samstäglichen Wochenmärkten mit Bezirksbürgermeistern virtuos pflegte. Die hat er sich auf den Wochenmärkten geschnappt, und bei Bockwurst und einem ‚Kurzen’ wurden Termine auf dem ganz kurzen Dienstweg erledigt und lokale Probleme gelöst, die im Büro gar nicht gegangen wären.

    1985 oder 86 veranstaltete Heinz in Berlin einen Leitstellenkongress, und er war ja einfallsreich und tat alles für das Gewerbe. Also gab es da für alle Getränke und Würste in einem extra gemieteten und gut geheizten S-Bahn-Zug. Draußen waren minus 18 Grad. Dummerweise hatten die Organisatoren vergessen, dass es in S-Bahnen keine Toiletten gibt. Nachdem eine Menge Bier geflossen war, bahnte sich ein Problem an. Als schließlich alle mal mussten, wurde die S-Bahn angehalten, und die Frauen pinkelten rechts vom Zug und die Männer links. Die Dämpfe, die da aufstiegen, wollte man nicht einatmen.“

    1987 gelang Heinz Peter dann sogar der „internationale Durchbruch“: Er wurde zum Präsidenten der International Road Transport Union (IRU), Sektion Taxi und Mietwagen, gewählt. Sein Beisitzer und späterer Nachfolger Jean Paul Gallé aus Luxemburg berichtet aus der Zeit: „Heinz Peter hatte eine entscheidende Qualifikation im Unterschied zu allen anderen IRU-Vorständen: Er war der erste Präsident, der tatsächlich beruflich aus dem Taxigewerbe stammte. Dadurch konnte er uns viel beibringen. Da Heinz nicht so viele Sprachen beherrschte, waren wir auf Teamarbeit angewiesen: Heinz sagte etwas und ich musste übersetzen. Das war umständlich, hat aber funktioniert.

    Wir konnten mit unseren Erkenntnissen die EU zu einer Studie animieren, die Schwarz auf Weiß ergab, dass die Taxibranche in jedem Land anders betrachtet werden muss. Das lehrte uns, dass man nicht mit europaweiten Standards arbeiten kann.

    Mit Heinz Peter hatten Events oft etwas Amüsantes, etwa in den USA. Er pflegte einen sehr direkten, unkomplizierten Jargon, der uns anderen nicht so geläufig war. Die Amerikaner hatten für Heinz eine Kollegin zum Übersetzen überredet – keine professionelle Dolmetscherin, aber sie konnte gut Deutsch. Die Themen des Taxigewerbes waren allerdings sprachlich so speziell, dass sie ihre liebe Mühe hatte. Als die Fragen an Heinz immer komplizierter wurden, war die Dame irgendwann verloren – und Heinz auch. Also rief er durch den Saal mit 2000 Leuten: Jean Paul, komm mal zu mir rüber, ich versteh’ überhaupt nichts!

    Ich habe noch einen sehr persönlichen Moment in Erinnerung, der sich mir einprägte: In Berlin nahm er mich einmal beiseite, um mir einen Ort aus seiner Vergangenheit zu zeigen. Er fuhr mit mir an eine abgelegene Ecke und erzählte, dort habe er sich als 15-jähriger Junge die letzten Kriegstage versteckt, um nicht in der Wehrmacht verheizt zu werden. Die Kaserne, in der er sich eigentlich melden sollte, war weggebombt, und er überlebte wohl auch deshalb, weil niemand mehr da war, der ihn hätte standrechtlich erschießen können.“

    1988 bekam Heinz Peter den Verdienstorden des Landes Berlin verliehen, auch weil er neben seinen Ämtern in den Verbänden unzählige ehrenamtliche Tätigkeiten ausübte.

    1991 rief er, noch immer 1. Vorsitzender der Berliner Taxi-„Innung“, den Gustav-Hartmann-Unterstützungsverein ins Leben, also eine Neuauflage der Stiftung, die der „Eiserne Gustav“ seinerzeit zur Unterstützung von Droschkenkutschern gegründet hatte. Lothar Kubig: „Das war immer Heinz’ Herzenswunsch gewesen. Es war ein langer Kampf, bis Heinz eines seiner größten Ziele erreichte, das Gustav-Hartmann-Denkmal an der Potsdamer Brücke. Es ist nicht nur ein Denkmal des Taxigewerbes, sondern auch ein Zeugnis dafür, dass Heinz Peter für die Taxibranche einfach alles tat.“

    Der „Eiserne Gustav“: Das Gustav-Hartmann-Denkmal in Berlin-Tiergarten geht auf die Initiative Heinz Peters zurück. Foto: Axel Rühle
    1995 kam der Fall: Innerhalb eines Jahres wurde Heinz Peter in allen drei Taxiverbänden als Chef abgewählt: in der Berliner „Innung“, im Bundesverband BZP und in der IRU. Immerhin erhielt er die Ehrenmitgliedschaft der IRU. Der freie Taxi-Times-Redakteur Wim Faber erinnert sich noch an diesen Moment: „Anlässlich seines Ausscheidens als IRU-Vorsitzender nach einer langen und ermüdenden Sitzung, bei der ich kurz die Augen zumachte, scherzte Heinz in seiner Abschiedsrede gleich direkt vom Podium: ‚Ich freue mich auf meine Pensionierung, denn dann kann ich genauso wie die Presse in den hinteren Reihen sitzen und meine Augen ab und zu mal zumachen.’ Heinz war nicht nur im In- und Ausland eine markante Figur und treibende Kraft. Die internationale Taxi-Ausstellung im Berliner Technikmuseum mit Taximodellen aus aller Welt war einmalig. Ich behalte ihn in warmer Erinnerung.“ Im selben Jahr erhielt er den Verdienstorden 1. Klasse der Bundesrepublik Deutschland.

    Im offiziellen Nachruf des Bundesverbandes Taxi und Mietwagen (BVTM), wie der frühere BZP heute heißt, schreibt Geschäftsführer Michael Oppermann: „Während sich die Verbände immer neue Namen gaben, blieb Heinz Peter immer Heinz Peter und war damit außerordentlich erfolgreich. Heinz Peter war kein Diplomat, aber gerade damit sehr erfolgreich auch auf dem politischen Parkett. Im Rückblick auf sein außerordentliches und mit dem Bundesverdienstkreuz ausgezeichnetes Engagement wird Heinz Peter mit diesem Satz zitiert, der ihn vielleicht besser charakterisiert als alles andere: ‚Ick hab nüscht weiter als meene Arbeet jetan.’ Danke.“

    Doch Heinz Peter setzte sich nach seiner Abwahl nicht wirklich zur Ruhe. Er übernahm das Ehrenamt des Vorsitzenden des Taxi-Sportvereins Berlin 63 und als weiteres Ehrenamt den Vorsitz des Landesverbandes Berlin-Brandenburg für fünf Jahre1997 wurde er Geschäftsführer der Cabcharge GmbH Deutschland.

    In den Verbänden hatte es zu allen Zeiten auch Meinungsverschiedenheiten und Streit gegeben, die später mitunter dazu führten, dass – nach Ansicht vieler Gewerbevertreter – Heinz Peter nicht mehr wie zuvor für seine Verdineste gewürdigt wurde. So erhielt er als erster Präsident des Bundesverbandes keine Ehrenmitgliedschaft. Hans Meißner erinnert sich: „Später gab es dann viel Streit, leider, auch zwischen uns. Aber im Unterschied zu mir war Heinz nie nachtragend. Wenn ein Streit ausgetragen war, wurde am nächsten Tag eben pragmatisch weiter gemacht. Heinz war ein Verbandspräsident aus einem Holz, das es heute nicht mehr gibt.“ Doch mancher Streit ließ sich nicht pragmatisch beilegen, wie Jean Paul Gallé erzählt: „Später, als es Streit gab, Heinz abgewählt wurde und auch ich als sein Nachfolger ins Kreuzfeuer geriet, wechselte Heinz in den TVD. Für meine Begriffe war das keine gute Idee. Ich glaube, nicht nur ich empfand es so, dass Heinz auf der falschen Hochzeit tanzte. Dadurch wurden seine großen Erfolge später leider nicht mehr angemessen gewürdigt. Er war wirklich ein fantastischer Kerl.“

    Im tief gespaltenen Gewerbe konnte einer wie Heinz Peter, der von den einen weiter geliebt wurde, bei den anderen nur in Ungnade fallen. Mit dem neu gegründeten „Gegen-Bundesverband“ fokussierte Heinz Peters Wirken sich wieder auf Berlin, wo der TVD-Landesverband sich zu „Taxi Deutschland Berlin“ entwickelte, und in dessen Anfangsjahren neben Heinz Peter vor allem Stephan Berndt und Ertan Ucar die Hauptrollen spielten. Stephan Berndt erinnert sich: „Heinz Peter musste man einfach lieben, denn er war unter den sich gegenseitig zerfleischenden Berliner Gewerbevertretern einer mit Charakter. Nicht immer und nicht für alle leicht zu nehmen, am Ende aber einer, der immer für die Interessen des Taxigewerbes eingetreten ist und letztlich auch allen die Hand reichte.“

    Hermann Waldner und Jens Schmiljun lassen sich von Heinz Peter Bilder aus alten Zeiten zeigen. Foto: Taxi Berlin
    Auch heutige Gewerbevertreter schätzen nicht nur Heinz Peters Verdienste, sondern auch ihn selbst als Mensch. So begleitete der Ruheständler noch über lange Zeit Taxi Berlin. Geschäftsführer Hermann Waldner resümiert: „Mit Heinz Peter war es eine tolle, freundschaftliche Zusammenarbeit. Er hat eine einmalig gute Lobbyarbeit gemacht, war perfekt vernetzt und hatte genau die richtige Berliner Mischung aus ‚Herz und Schnauze’, liebenswürdigem Humor und der passenden Frechheit, mit der man bei der Politik etwas erreicht. Er hat das Berliner Taxigewerbe wirklich perfekt verkörpert.

    Ich glaube, die hiesige Branche hatte nie wieder so eine Bedeutung wie in Heinz Peters Ära. Er hat sich auch mit Herzblut darum bemüht, das Gewerbe zu einen und die Konkurrenz zwischen den Verbänden zu überwinden. Auch später auf internationaler Ebene hat er sich unerschrocken eingesetzt, ob das in Tokio war oder in New York. Dabei hatte er als Kriegskind nie Gelegenheit, groß Englisch zu lernen, sondern konnte ein bisschen aus der Zeit kurz nach dem Krieg, als West-Berliner Taxifahrer nur die alliierten Soldaten fahren durften. Andere hätten sich das gar nicht getraut. Heinz traute sich alles.“

    Als Heinz und Anneliese Peter ihren Lebensabend im Häuschen am Rahmersee genossen, waren es hauptsächlich Hermann Waldner und Jens Schmiljun von Taxi Berlin, die den Kontakt hielten, und nahmen auch Taxi-Times-Redakteur Wilfried Hochfeld mit. Der traf sich mehrmals mit Heinz Peter und ließ sich dessen Leben erzählen: „Heinz Peter habe ich erst sehr spät persönlich kennengelernt. Da war er längst aus allem raus im Taxigewerbe. Er hat sich gefreut, dass sich einer, der noch im Gewerbe aktiv ist, mit ihm beschäftigt. Bis dahin war er von den meisten nur geschnitten worden.

    Er hat schnell Vertrauen zu mir gefasst und mir ausführlich aus seinem Leben erzählt. Ich fand seine Sichtweise spannend, wo ich doch selbst gut 40 Jahre in unserem Gewerbe zugebracht hatte. Wir haben uns gut verstanden, obwohl wir zu den aktiven Zeiten eigentlich Gegenspieler waren – er als Vertreter des alteingesessenen Gewerbes, ich aus dem Lager der studentischen Betriebe.

    Beeindruckend fand ich sein uneingeschränktes Engagement für sein Gewerbe: Er hat zu seiner aktiven Zeit an allen Abgeordnetenhaus-Sitzungen teilgenommen. Heinz erzählte mir, als er sich zu einer Sitzung einmal verspätet habe, hätte der damalige Regierende Bürgermeister Klaus Schütz zu den Teilnehmern gesagt: ‚Wir können noch nicht anfangen, die Taxi-Triesel sitzen noch nicht auf der Galerie.’

    Heinz Peter war jemand, der sein Leben dem Taxi gewidmet hat. Er war immer einer der Ihren.“ Das Taxigewerbe wird ihm ein ehrendes Andenken gewähren.

    #Taxi #Berlin #Geschichte

  • Sowjet-Panzer im Berliner Tiergarten: Sogar Diepgen will, dass sie bleiben
    https://www.berliner-zeitung.de/mensch-metropole/sowjet-panzer-im-berliner-tiergarten-sogar-diepgen-will-dass-sie-bl

    Bis in die Puppen. Berliner Ausdruck.

    Ein recht blondes Mädel aus Wilmersdorf will die Erinnerung an den Sieg über Krieg und Militarismus, den Beginn von fünfzig Jahren Frieden in Europa, schleifen. Wir sind wieder wer, denkt sich Klein Stefanie, wir machen Deutschland wieder groß, das Ding kann weg.

    Die Berliner CDU ist auch in Kriegszeiten die Vereinigung von geistig und moralisch Armen. Die prügeln den sowjetischen Sack und meinen den russischen Esel. Egal ob Rotarmist mit T34, Marx und Engels in Mitte oder Thälmann am alten Gaswerk, der antikommunistische Erklärbär statuiert an ihnen ein Exempel. Doof bleibt doof, da helfen keine Pillen, lästerten wir schon als Knirpse über die kleinen Schullhofkrieger.

    Dummdeutschland kündigt gerade Russland die noch mit Gorbatschow geschlossene Abmachung über die Ehrung unserer Befreier und erklärt seine Freundschaft nur den Völkern der ehemaligen Sowjetunion, die NATO-Volk sein wollen. Echte Russen sind brutale Dämonen und faschistische Ukrainer edle Helden. Die kämpfen für unsere Werte, hört man. Es ist alles so einfach für Orientierungslose, die keinen Stadtplan lesen können.

    Dabei macht seine Lage, der Ort seiner Errichtung die eigentliche Botschaft des Sowjetischen Ehrenmals im Tiergarten aus. Sein Standort symbolisiert den Willen der Sowjetmacht, ein für allemal Schluß zu machen mit Krieg und Fürstenherrschaft. Es überschreibt den Stadtplaneintrag der ehemaligen Siegesallee, Symbol der Hohenzollernherrschaft.

    Diese Fürstenfamilie bereitete 60 Jahre lang mit einen Krieg nach dem anderen ihre Herrschaft über ganz Deutschland vor. Im Jahr 1871 degradierte sie dann alle souveränen Fürsten Deutschlands zu bloßen Titelträgern. Die Hohenzollernkaiser herrschten im Dienste des siegreichen Großkapitals. Thyssen, Krupp und Stinnes wurden die wahren Herrscher im Kaiserreich, eine neuartigen Kombination aus deep state und Biedermeier. Zu ihren Gunsten modernisierte der preußische Kaiserkönig seinen Militärstaat mit Panzerkreuzern und U-Booten, für ihren Imperialismus forderte er einen Platz an der Sonne.

    Als volkstümliche Legitimation baute sich Familie Hohenzollern eine fiktive Ahnenreihe in den Lennéschen Nationalpark vor dem Brandenburger Tor. Das war im Jahr 1901. Es dauerte nicht lange und die Allee aus 32 Herrscherstatuen wurde von der Berliner Schnauze zur „Puppenallee“ gemacht. Am 11. November 1945 wurde sie aus dem Stadtplan gestrichen, das sowjetische Ehrenmal nahm ihren Platz an der Charlottenburger Chaussee ein.

    Der preußische Militarismus ist tot, spricht das sowjetische Ehrenmal, wir haben ihn endgültig besiegt.
    Dummdeutschland antwortet: Militarismus? Klar, bei die Russen. Aber doch nicht wir hier .

    Sowjetisches Ehrenmal (Tiergarten) – Wikipedia
    https://de.wikipedia.org/wiki/Sowjetisches_Ehrenmal_(Tiergarten)

    Siegesallee
    https://de.wikipedia.org/wiki/Siegesallee

    Historischer Plan der Siegesallee mit der Siegessäule als nördlichen und dem Rolandbrunnen als südlichen Abschluss, an der Kreuzung mit der damaligen Charlottenburger Chaussee wurde das Sowjetische Ehrenmal errichtet

    Text des Artikels in der Berliner Zeitung

    20.4.2022 von Elmar Schütze - Eine CDU-Politikerin fordert, dass wegen des Ukraine-Kriegs die Panzer vom Mahnmal in Tiergarten verschwinden. Noch findet sie dafür wenig Mitstreiter

    Berlin - Sie stehen mitten in Berlin. Sie stehen für den Sieg der Roten Armee über die Wehrmacht, für die Befreiung Deutschlands und Europas vom Nationalsozialismus. Doch jetzt herrscht Krieg, russische Panzer zerstören die Ukraine. Sollen, ja, müssen nun die Panzer am Sowjetischen Ehrenmal in Tiergarten entfernt werden? Es ist ein Vorschlag der Berliner CDU-Abgeordneten Stefanie Bung, die damit eine Debatte ausgelöst hat.

    An diesem ziemlich kalten Aprilvormittag strahlt das Sowjetische Ehrenmal wenige Hundert Meter vom Brandenburger Tor in der Sonne. An der Frontseite sind jede Menge kyrillische Lettern zu sehen. An einer Seitenmauer steht in goldfarbenen Buchstaben: „Ewiger Ruhm den Helden, die in den Kämpfen mit den deutsch-faschistischen Eindringlingen für die Freiheit und Unabhängigkeit der Sowjetunion fielen.“ Zur Straße des 17. Juni hin flankieren zwei Panzer und zwei Kanonen, die in der Schlacht um Berlin im Einsatz gewesen sein sollen, den Zugang zum Mahnmal.

    Die Statuen seien Symbole der Kriegsführung des Putin-Regimes
    Stefanie Bung ist gebürtige Berlinerin, Wilmersdorferin, wie sie betont. Seit Jahrzehnten engagiert sie sich in der CDU. Sie saß schon einmal im Abgeordnetenhaus, arbeitete danach als selbstständige Projektmanagerin im Bereich Stadtentwicklung. Nach der Wahl vorigen Herbst kehrte sie zurück ins Berliner Landesparlament. Sie ist 42 Jahre alt.

    Für die Abgeordnete ist klar: „Deutschland und Berlin stehen in der Verantwortung, der Toten der Weltkriege zu gedenken und das Andenken an die vielen Gefallenen und Vertriebenen präsent zu halten.“ Die Rote Armee habe einen wesentlichen Beitrag zur Befreiung vom Naziregime geleistet. „Und wir vergessen nicht, dass es zu wesentlichen Teilen Soldaten aus der Ukraine und Belarus waren, die Berlin vom Nationalsozialismus befreit haben.“ Heute jedoch stünden die Geschütze nicht mehr nur für die Befreiung vom Nazi-Faschismus durch die Sowjetunion, sondern sie würden „zu Symbolen der aggressiven und territoriale Grenzen und Menschenleben missachtenden Kriegsführung des Putin-Regimes“.

    Aus Bungs Sicht sollen die Berliner Mahnmale der gefallenen Soldaten und des unendlichen Leids gedenken, das Kriege über die Menschen bringen. Von diesen Stätten gehe die Mahnung „Nie wieder Krieg“ aus. Deshalb: „Diese Panzer haben in der Berliner Erinnerungslandschaft, unserer Gesellschaft und im Regierungsviertel keinen Platz und müssen aus dem Berliner Stadtbild entfernt werden.“

    Sie wolle ihren Vorschlag mit ihrer Fraktion beraten und den Senat auffordern, sich beim Bund dafür einzusetzen, die Geschütze und Panzer zu entfernen.

    Es sieht so aus, als müsste Stefanie Bung noch Mitstreiter für die Idee finden. Bisher erfährt sie vor allem Ablehnung.

    Berlins Umweltsenatorin Bettina Jarasch (Grüne) jedenfalls findet, dass das Ehrenmal so bleiben soll, wie es ist. „Hier geht es um das Gedenken der Toten des Zweiten Weltkriegs, in dem aufseiten der Roten Armee Soldaten vieler Nationalitäten der Sowjetunion, darunter etliche russische und ukrainische, im Kampf gegen das Naziregime starben“, sagt sie. „Dieses Gedenken bleibt bedeutsam, auch in seiner historischen Gestalt.“

    Diepgen ist gegen einen Umbau

    Und auch Eberhard Diepgen, langjähriger Regierender Bürgermeister von Berlin, ist gegen einen Umbau. Angesichts der Bilder von den russischen Angriffen seien „Vorbehalte gegen die sowjetischen Panzer am Denkmal in der Mitte Berlins emotional verständlich“, sagte der CDU-Politiker im Gespräch mit der Berliner Zeitung. „Die Emotionen dürfen aber nicht zu unvernünftigen Ergebnissen führen“, so der 80-Jährige.

    „An der Befreiung von den Nazis 1945 und der Erinnerung daran ändern die Ereignisse 75 Jahre danach und die aktuelle russische Politik nichts“, sagte Diepgen. „Russische Panzer haben auch Konzentrationslager befreit.“ Er mahnte: „Bei Vernunft und Augenmaß kann das nur heißen: Hände weg von Geschichtsklitterung.“

    Das Ehrenmal ist eines der wenigen Beispiele für eine funktionierende Zusammenarbeit der vier Siegermächte über die Jahrzehnte. Das Ehrenmal wurde im November 1945 mit einer Parade der alliierten Truppen eingeweiht. Obwohl es sich im Westteil der Stadt befand, wurde das Ehrenmal durch sowjetische Soldaten bewacht. Die Briten, in deren Sektor das Mahnmal stand, garantierten die Sicherheit.

    Die Berliner hatten nicht mitzureden. Das bedeutete jedoch nicht, dass es zu allen Zeiten unumstritten war. Nach dem Mauerbau im Jahr 1961 riegelten die Briten das Gelände ab und schützten es vor wütenden Demonstranten. 1970 schoss ein Mann auf einen Wachsoldaten und verletzte ihn schwer.

    Doch West-Berliner Stadtgesellschaft und Politik reagierten auch subtiler auf das vor allem von manchen Konservativen als Provokation empfundene Heldengedenken der sozialistischen Weltmacht. Noch im Mai 1989 wurde auf Initiative eines Vorstands der Deutschen Bank auf dem Mittelstreifen der Straße des 17. Juni „Der Rufer“ aufgestellt, eine Skulptur des Bildhauers Gerhard Marcks. „Der Rufer“ blickt und ruft nach Osten Richtung Brandenburger Tor.

    Nach offizieller Lesart unterstützte das Denkmal Ronald Reagans „Tear down this wall!“-Rede zwei Jahre zuvor. Dass aber „Der Rufer“ direkt gegenüber dem sowjetischen Ehrenmal aufgestellt wurde, empfindet nicht nur Eberhard Diepgen wenn schon nicht als Kommentar, so doch „als Ergänzung“ zum Mahnmal. „Es war natürlich kein Zufall, dass der ‚Rufer‘ genau dort aufgestellt wurde“, sagt der damals wichtigste CDU-Politiker West-Berlins.

    Ein halbes Jahr später fiel die Mauer, im Jahr darauf wurde die deutsche Einheit vollendet. Im Dezember 1990 zogen die Ehrenwachen der Sowjetarmee vom Ehrenmal ab, die Anlage wurde an die Stadt Berlin übergeben. Und Deutschland verpflichtete sich in Vereinbarungen mit Russland, diese und andere Kriegsgräberstätten zu erhalten.

    Straße des 17. Juni 31-152 in Berlin - KAUPERTS
    https://berlin.kauperts.de/Strassen/Strasse-des-17-Juni-10557-10623-10785-Berlin

    Am 13.7.1953 wurde die Charlottenburger Chaussee zwischen Brandenburger Tor und S-Bahnhof Tiergarten in Straße des 17. Juni umbenannt. Am 3.11.1953 bekam auch die auf Charlottenburger Gebiet liegende Berliner Straße zwischen S-Bahnhof Tiergarten und Ernst-Reuter-Platz diesen Namen.

    Aktiengesellschaft für Lokomotivbau Hohenzollern, ein Beispiel für die Durchdringung der Hohenzollernherrschaft mit Strukturen des Großkapitals. Leider sagt der Wikipediaartikel wenig zu den genauen Eigentumsverhältnissen des Industriebetriebs.
    https://de.m.wikipedia.org/wiki/Aktiengesellschaft_f%C3%BCr_Lokomotivbau_Hohenzollern


    In den Hohenzollerschen Lokomotivfabriken wurden bis zuletzt Lokomotiven der Baureihe 80 hergestellt.

    #Deutschland #Berlin #Wilmersdorf #Tiergarten #Straße_des_17_Juni #UDSSR #Charlottenburger_Chaussee #Geschichte #Krieg #Kaiserreich #Kapitalismus #Feudalismus #Rote_Armee

  • Kantstraße
    https://kantstrasse.de

    Die #Kantstraße in #Charlottenburg ist die wohl internationalste Straße Berlins. Sie hat französisches Flair, ist Zentrum asiatischer Gastronomie, russisches Charlottengrad und war Wohnviertel vieler Juden. Diese Website stellt die Kantstraße und die unmittelbare Umgebung vor, interessante Orte, Personen, Geschichte und Geschichten.

    Berlin 10625 Kantstraße
    https://www.openstreetmap.org/way/32909627#map=17/52.50624/13.31088

    Berlin 10625 Kantstraße 125
    https://www.openstreetmap.org/node/367058928#map=19/52.50625/13.31164

    Berlin 10625 Kantstraße 126
    https://www.openstreetmap.org/node/2452336754

    Berlin 10625 Kantstraße 127
    https://www.openstreetmap.org/node/367058600

    #Berlin #Geschichte

  • Als bei #ARD noch richtiger Journalismus gemacht wurde
    https://diasp.eu/p/14214063

    Als bei #ARD noch richtiger Journalismus gemacht wurde

    Siehe #Nazi - #Problem in der #Ukraine: https://www.youtube.com/watch?v=H-FndJuMTnU

    Jetzt wird natürlich nur noch die Regierungsmeinung verbreitet, dass es in der Ukraine kein Nazi-Problem gibt.

    #noNazis #Ukraine #Russland #Krieg #Politik #Putin #Maidan #Extremismus #Geschichte #Presse #Journalismus #Panorama