• Miles, Tier und Co.: Das dreckige Geschäft mit Car- und Roller-Sharing in Berlin
    https://www.berliner-zeitung.de/mensch-metropole/miles-tier-und-co-das-dreckige-geschaeft-mit-car-und-roller-sharing


    Akkordarbeit und voller Körpereinsatz: Im Reinigungszentrum von Miles in Berlin werden Autos rund um die Uhr geputzt. Emmanuele Contini

    28.5.2024 von Sophie-Marie Schulz - Überall in Berlin stehen die kleinen Flitzer: immer einsatzbereit, immer sauber. Aber wer reinigt sie, wer lädt die Akkus auf? Ein Streifzug durch die Nacht.

    In Berlin teilt sich die Leute nicht nur Wohnungen oder Partner, auch Autos und E-Roller werden gemeinschaftlich genutzt. Ganz selbstverständlich sind in Berlin an jeder Straßenecke verschiedenste Fahrzeuge verschiedenster Größen und Formen zu finden, mietbar für ein paar Minuten oder auch für Stunden. Bei solchen auf Zeit erworbenen Fortbewegungsmittel werden bestimmte Dinge immer erwartet: Die Autos sollen blitzsauber sein und am E-Scooter sollen die Batterie bis zum Anschlag aufgeladen sein.

    Doch nur die wenigsten machen sich Gedanken darüber, wer wohl die unsichtbaren Helfer im Geschäft mit dem Car- und Roller-Sharing sind, wann und wie sie arbeiten. Zwei Mitarbeiter der beiden in Berlin gegründeten Unternehmen Tier- und Miles-Mobility haben von ihren Erfahrungen erzählt. Während das eine Unternehmen durch gute Arbeitsbedingungen überzeugt, kämpft Tier scheinbar nicht ohne Grund ums Überleben.

    E-Scooter oder Mietwagen?

    Wenn man abends oder nachts durch die Straßen von Berlin läuft, dann werden die unsichtbaren Mitarbeiter von Tier plötzlich sichtbar. Dann sieht man einen Sprinter voller E-Roller-Batterien. Junge Männer schleppen die sperrigen Roller in ein Fahrzeug und fahren davon.

    Der Wirbel um die neuartigen Fortbewegungsmittel war groß und der Druck unter den Mitbewerbern ebenfalls. Tier, Lime & Co. überboten sich mit Spottpreisen. Aber wie kann ein Unternehmen profitabel bleiben, wenn es dauerhaft Fahrten für 0,1 Cent anbietet? Dann bleibt oftmals nur eine Option: Die Mitarbeiter müssen indirekt dafür zahlen.

    Einerseits stieg die Zahl der Unfälle, auch die Kritik an den E-Rollern wurde immer lauter und dutzende Kleinfahrzeuge wurden aus der Spree gezogen, andererseits fingen Mitarbeiter an, über die dortigen Arbeitsbedingungen zu reden. Bis dahin hatte sich kaum jemand gefragt, wie und wann die Akkus der Rolle aufgeladen werden. Die Antwort ist simpel – abends, vor allem nachts. Schnell machte vor Jahren der Begriff des „Juicers“ die Runde.

    Es ist die Rede vom schnellen Geld: Die nächtlichen freischaffenden Ladehelfer tauschen die Akkus und können pro geladenem Roller bis zu 5 Euro verdienen. Doch schnell heißt es auch wieder, dass diese Rechnung so nicht stimmt. Fahrtkosten, Strom, Mehrwertsteuer und die Autoversicherung müssen vom Juicer selbst gezahlt werden, sodass in der Regel weniger als 2,50 Euro übrigbleiben. Aber stimmt das wirklich?

    Wer mit wachem Blick durch Berlin läuft, der hat die Chance, eine Antwort auf diese Fragen zu bekommen. Wir hatten Glück. Als wir Martin Steiner* in Mitte über den Weg laufen, ist es kurz nach 20 Uhr. Der Kofferraum seines Autos steht offen, denn Steiner muss sich beeilen. Als wir ihn ansprechen und fragen, ob er ein Juicer ist, schüttelt er mit dem Kopf: „Mit denen haben wir nichts zu tun.“

    Steiner arbeiten nicht für die Firma Lime, sondern für den aktuellen Marktführer Tier. Das 2018 von Lawrence Leuschner und zwei Freunden gegründete Berliner Unternehmen arbeitet mit anderen Begriffen. Derzeit ist das Unternehmen nach eigenen Angaben in mehr als 260 Städten und 22 Ländern in Europa und dem Mittleren Osten aktiv.


    Die elektronischen Roller werden nicht nur auf Fußwegen abgestellt, sondern landen auch in Flüssen und Seen. Marcus Brandt/dpa

    Wenn Steiner über seine Kollegen redet, dann spricht er von den sogenannten Tierpflegern, die kleinere oder größere Arbeiten an den Rollern vornehmen. Mal wird nur der Akku getauscht, mal wird nur eine Schraube oder andere Dinge ersetzt oder repariert. Er kennt sich gut aus. Drei Jahre war er direkt bei Tier angestellt, mittlerweile arbeitet er für ein Sub-Unternehmen, das im Auftrag von Tier die Akkus auswechselt.

    „Das Geschäft mit den E-Rollern ist ein dreckiges Geschäft“, sagt Steiner und blickt auf seine verschmutzten Hände. Damit ist aber nicht nur der Austausch der Akkus gemeint, denn diese Arbeit ist schnell getan.
    Ständig werden neue Investoren gesucht

    „Es hat sich in den letzten Jahren vieles verändert. Zum Glück müssen wir nur noch den Akku tauschen und nicht mehr den ganzen Roller einladen“, sagt er. Eine App leitet die Tierpfleger zu einem ladebedürftigen Roller, dort entfernen sie die Batterie und setzen eine neue ein. „Nach wenigen Sekunden ist alles vorbei“, sagt er.

    Dreckig sei das Geschäft aber bis heute, denn Steiner hat den Arbeitgeber nicht ohne Grund gewechselt. Früher, als er noch bei Tier direkt angestellt war, arbeitete er zehn Stunden am Stück. Entweder war er auf der Straße unterwegs oder im Lager. Doch nach und nach hat der Druck zugenommen, erzählt der Tierpfleger. „Das Unternehmen musste profitabel bleiben, hat unglaublich viele Mitarbeiter gekündigt und war ständig auf der Suche nach neuen Investoren“, sagt er.

    Tatsächlich wurde Tier zu Bestzeiten mit 1,7 Milliarden Euro Marktwert bewertet. Nach dem rasanten Aufstieg folgte eine Krise auf die andere, sodass das Unternehmen Ende vergangenen Jahres mehr als 400 Stellen streichen musste und mit dem Wettbewerber Dott fusionierte. Aktuell wird das Unternehmen nur noch mit 150 Millionen Euro bewertet. Ein enormer Verlust.

    „Man versucht, immer effizient zu arbeiten, aber die Chefetage hat einfach irgendwann den Überblick verloren“, sagt Steiner. Irgendwann fängt das Unternehmen an, Sub-Unternehmen zu beauftragen. In Verträgen wird genau festgelegt, wie viele Akkus pro Monat oder Jahr von dem Drittanbieter aufgeladen werden müssen. Tier ist an diesem Punkt raus. Das beauftragte Unternehmen muss sich um die Mitarbeiter kümmern, Autos mieten, Versicherungen und Steuern bezahlen. Ein guter Deal?
    „Das kann und wird von den falschen Leuten sehr schnell ausgenutzt“

    „Ich verdiene mittlerweile deutlich besser“, erzählt der ehemalige Tier-Mitarbeiter. Seine Arbeitsstunden haben sich reduziert, sein Gehalt aber nicht. Er sagt aber auch, dass nicht alle Sub-Unternehmen so gut bezahlen und faire Arbeitsbedingungen gewährleisten, wie sein Arbeitgeber. „Tier gibt die Verantwortung komplett ab, indem ein anderer den Auftrag erhält. Das kann und wird von den falschen Leuten sehr schnell ausgenutzt“, sagt er. Wer kein Deutsch spricht und sich nicht gut auskennt, der wird die vorgefundenen Arbeitsbedingungen für normal halten. Steiner sieht sich aktuell nach Alternativen und einem neuen Job um. Der Carsharing-Markt wäre eine Option, erzählt er.

    Das eigene Fahrzeug durch ein gemietetes zu ersetzen, ist keine neue Idee. Weltmarktführer Hertz gibt es in den USA seit 1918, Deutschlands Marktführer Sixt wurde sogar schon 1912 gegründet. Doch viele finden solche Anbieter zu teuer, die Anmietung nimmt auch viel Zeit in Anspruch: Die Buchung erfolgt über eine Website, der Schlüssel muss persönlich abgeholt und auf gleichem Wege zurückgegeben werden. Wieso so kompliziert, wenn es auch einfach geht?


    Tagsüber in der Uni und abends im Cleaning-Hub: Anna arbeitet seit über einem Jahr für Miles und studiert BWL. Emmanuele Contini

    Die Gründer des Unternehmens Miles, Alexander Eitner und Florian Haus, haben genau diese Lücke geschlossen. Sie setzten voll und ganz auf das sogenannte Freefloating-Modell: Sie verzichten auf feste Stationen, die Nutzer können die Autos ganz einfach über eine App mieten. Heute ist das Unternehmen Marktführer in Deutschland, hat mehr als 900.000 aktive Kunden und ist aktuell in elf deutschen und drei belgischen Städten vertreten.

    Aber auch hier steckt eine ganze Menge Logistik dahinter, die schnell übersehen wird. In diesem Fall sogar noch deutlich größer und umfangreicher als bei einem E-Roller. Bei dem kann lediglich die Batterie getauscht werden und es gibt keinen Innenraum. Da fällt bei einem Auto deutlich mehr Arbeit an. Im Reinigungszentrum von Miles in Neukölln arbeitet Werkstudentin Anna seit mehr als einem Jahr.
    Eine vollständige Innenreinigung dauert knapp 15 Minuten

    Von außen sieht das Gelände aus wie eine gewöhnliche Autowerkstatt. Aber sofort fällt auf, dass ausschließlich Fahrzeuge mit der Aufschrift Miles dicht nebeneinander stehen. Eine Gruppe von jungen Leuten steht am Eingang zum Cleaning-Bereich. Die letzte Zigarette wird geraucht, es ist 15 Uhr – Schichtwechsel. Anna ist gerade angekommen und macht sie für die Spätschicht bereit. Sie kommt aus Russland, studiert BWL und verdient sich bei Miles etwas dazu.

    „Wir sind hier alle eine große Familie“, sagt sie und läuft in den Innenbereich der Reinigungsabteilung. Auch hier steht ein Auto am anderen. „Hier werden die Autos hereingefahren und geparkt“, erklärt Anna. Anschließend schnappt sie sich ihren Staubsauger, einen Putzlappen und Reinigungsmaterial. Nur knapp 15 Minuten braucht sie für ein Auto. „Gerade haben wir wieder sehr viele Autos mit Tierhaaren, dann kann die Reinigung auch mal länger dauern“, sagt sie.


    Staubsauger, Putztuch und Allzweckreiniger: Nur knapp 15 Minuten braucht Anna für ein Fahrzeug. Emmanuele Contini

    Eigentlich ist die Mitnahme von Tieren nicht gestattet. Da aber die Übergabe des Mietautos nicht persönlich erfolgt und die Nutzer das Fahrzeug einfach irgendwo in Berlin parken können, wird daran kein Gedanke verschwendet. „Ich habe ja zum Glück keine Tierhaarallergie“, sagt Anna und lacht. Routiniert greift sie nach einem Reinigungsgerät für Fußmatten und zeigt, wie man diese am besten und schnellsten wieder sauber bekommt.

    „Und wenn ich hier mit allem fertig bin, dann wird das Auto in die Waschanlage gefahren“, sagt sie und zeigt in die nächste Halle, die direkt gegenüber ist. Auch dort wird rund um die Uhr gearbeitet. Denn im Gegensatz zum E-Roller-Business, das überwiegend in der Nacht stattfindet, arbeiten die Miles-Mitarbeiter in drei Schichten. Den ganzen Tag werden Autos abgeholt, gereinigt, getankt und wieder zurückgebracht.

    Der Arbeitsaufwand ist deutlich höher und es ist eine ausgefeilte Logistik nötig. Im Gegensatz zu Tier arbeitet Miles aber nicht mit Sub-Unternehmen zusammen und hat sich von Anfang an vollständig auf das Carsharing-Modell fokussiert. Das soll auch so bleiben, erzählt Nora Goette, Leiterin der Öffentlichkeitsarbeit und Kommunikation von Miles in Berlin.

    Ähnlich wie der E-Roller-Markt ist auch das Geschäft mit Mietfahrzeugen hart umkämpft. Die Kundschaft klagt über Preissteigerungen. Trotzdem wollen die Unternehmen profitabel bleiben und sicherstellen, dass der Service nicht an Niveau verliert, ungünstig wäre auch wenn steigende Benzin- und Produktpreise auf Kosten der Mietarbeiter gehen.
    Arbeit, die nicht auf den ersten Blick zu sehen ist

    Denn neben Anna und ihrem Reinigungsteam sind da noch die Mitarbeiter im Call-Center, die Fahrer und viele mehr. Sie alle arbeiten im Verborgenen, müssen aber von den 0,87 Cent pro Kilometer bezahlt werden. Das vergessen viele ganz schnell, wenn sie in eines der Autos springen und es wenig später auch schon wieder verlassen.

    Anna und Martin macht es nichts aus, dass ihre Arbeit nicht auf den ersten Blick zu sehen ist. Beide machen ihren Job gern. „Trotzdem wäre es manchmal schön, wenn die Autos nicht ganz so schmutzig abgestellt werden“, sagt Anna. Mittlerweile ist es 16 Uhr. Anna wird noch bis kurz vor Mitternacht viele Autos saugen und die Seitenspiegel vom Staub der Blütenpollen befreien.

    *Name geändert.

    #Berlin #gigworking #Arbeit #Plattformökonomie #Startup #Mietwagen #Verkehr

  • Immer in die Hot Zone: Warum ich nach Feierabend Autos durch Berlin fahre
    https://www.berliner-zeitung.de/mensch-metropole/brutal-berlin-unternehmen-ubiq-streetcrowd-carsharing-immer-in-die-

    Der Job ist total illegal und der Anbieter, besser gesagt „Arbeitgeber“ mit Namen Ubiq sollte dafür zur Rechenschaft gezogen werde. Im Artikel liest man Beschreibungen von Scheinselbständigkeit, Steuern- und Abgabenverkürzung und Verstößen gegen Arbeitszeitgesetz, Mindestlohngesetz und andere Arbeitnehmer schützende Regelungen.

    Ohne Lohndumping funktioniert die ganze schöne Welt des „Carsharing“ (besser: PKW-Kurzzeitvermietung) und der billigen Pseudo-Taxis von #Uber, Bolt umd anderen nicht.

    Es geht nicht alleine um Ausbeutung. Wir alle zahlen drauf, subventionieren diese Geschäftsmodelle, wenn die Arbeitenden Sozialleistungen beziehen, die sie bei rechtstreuem Verhalten der Unternehmen nicht benötigen würden. Dass existierende Gewerbe durch illegales Lohndumping der Konkurrenz zerstört werden ist ein weiteres Problem.

    Die größte Gefahr für unser aller Zusammenleben entsteht jedoch dadurch, dass man von der Arbeit in immer mehr Branchen kaum noch oder überhaupt nicht mehr leben kann. Von Verzweifelten Aktionen der durchs soziale Netz Gefallenen, von Raub, Mord und Totschlag erfahren wir mittlerweile täglich.

    4.2.2023 von Tiago Pinto Pais - Unser Autor ist Mitglied der StreetCrowd. Er fährt Carsharing-Autos in Gegenden, wo sie gebucht werden. Das wird nicht nur bezahlt, sondern ist auch eine Art Meditation.

    Es ist Sonntag, einer der wenigen sehr kalten Tage im Dezember. Um 17 Uhr steige ich aus dem Bus X7 am Flughafen BER. Ich habe kein Gepäck dabei und laufe auch nicht wie alle anderen zum hell erleuchteten Terminal. Ich laufe allein zu den Parkplätzen im Dunklen. Das heißt, nein, ein zweiter Typ mit Leuchtweste dreht sich genau wie ich in Richtung der Autos. Er überholt mich. Ist er ein Flughafenmitarbeiter? Oder haben wir dasselbe Ziel? Als wir kurz darauf vor demselben Auto stehen, sagt er zu mir: „Das ist meins! Willst du irgendwohin mitfahren?“

    Ach, er ist ein StreetCrowder, wie ich.

    StreetCrowd ist ein Angebot des österreichischen Unternehmens Ubiq, das am 9. Dezember 2020 in Berlin startete. Sie versprachen: „Mach deinen eigenen Zeitplan“, „Verdiene Geld, wann du willst“, „Die Gelegenheit ist überall“ und „Täglich 100 Euro und mehr“. All das sei möglich, indem man einfach Carsharing-Autos aus Gebieten mit geringerer Nachfrage in Gebiete mit höherer Nachfrage fahre.

    Wie bei einem nicht verkauften Sitzplatz auf einem Flug oder einem nicht vermieteten Zimmer in einem Hotel verliert ein Carsharing-Unternehmen Geld mit jeder Minute, in der ein Auto aus seinem Fuhrpark nicht vermietet ist. Daher ist ein stehendes Auto nicht in seinem Interesse. Das Unternehmen muss permanent Anreize schaffen, um diese „kalten Autos“ in Bewegung zu halten. Fahren also Carsharing-Nutzer mit dem Auto von A nach B, sind wir Streetcrowder dazu da, sie zurück von B nach A zu fahren.

    In Berlin gibt es mehrere sogenannte Hot Zones. Hier leben Menschen, die gern Carsharing nutzen, vor allem dann, wenn sie nicht weit zum Auto laufen müssen. Prenzlauer Berg, Kreuzberg, Friedrichshain, Savignyplatz und Neukölln (Reuterkiez) – das sind die Zonen, in die wir die „kalten Autos“ bringen. Die App schlägt drei Zonen vor und wir entschieden uns für eine, entweder, weil dort das nächste kalte Auto nicht weit weg steht, oder weil wir heimfahren wollen.

    Ich habe die StreetCrowd-App in der Pandemie für mich entdeckt. Ich fahre gern Auto, und gerade nachts ist das in Berlin einfach eine schöne Beschäftigung. Musik oder Nachrichten hören und in einem schönen, sauberen und warmen Auto durch die Stadt fahren – das ist für mich Freizeit. Zusätzlich ist es auch ein Spiel: Ich kann durch die Stadt laufen und wie beim Spiel PokemónGo nach „kalten Autos“ suchen. Finde ich sie, bevor ein anderer StreetCrowder sie wegfängt? Oder jemand vom Wartungsteam des Carsharing-Unternehmens?

    Eigentlich bin ich Besitzer eines kleinen Geschäfts in Kreuzberg, aber im zweiten Lockdown wurde StreetCrowding für mich zur Rettung. Ich konnte etwas tun, das zumindest etwas Geld einbrachte und gleichzeitig wie Meditation für mich war. Es wurde zu meinem Feierabend-Job. Außerdem saß ich in schönen neuen Autos und lernte die Stadt kennen: Ich war im tiefsten Lichtenberg, Steglitz und im Märkischen Viertel, ich nahm den 240er-Bus, die M13 und die 16. Ich kenne mich jetzt wirklich gut aus in Berlin.

    Je nach Länge der Fahrt verdient ein StreetCrowder zwischen drei und 13 Euro. Das ist nicht wahnsinnig viel, zumal man ja erst einmal das Auto erreichen muss. Mehr als drei Fahrten pro Stunde habe ich nie geschafft – und Gott weiß, dass ich es probiert habe. Das Gute: Am Ende eines Tages wird das Geld sofort überwiesen. Das Nervige: Gerade im Reuterkiez kann abends die Suche nach einem Parkplatz mehr Zeit einnehmen als die Fahrt dorthin.

    Aber die Firma hat auch verstanden, dass es für viele StreetCrowder ein Spaß ist, wie eine Schnitzeljagd durch Berlin. Sie begannen irgendwann mit Sonderaktionen: Wer zum Beispiel 30 Autos an einem Tag bewegte, bekam 50 Euro extra. Ich probierte es aus, ich begann morgens um fünf Uhr und schaffte es kurz vor Mitternacht. Ein Tag, 30 Autos. Aber ich hatte immer noch nicht genug.

    Die nächste Aktion: Wer von den StreetCrowdern schafft die meisten Auto-Bewegungen in einer Woche? Ich schaffte 72 Fahrten, das war der zweite Platz. Immerhin gab es dafür einen Preis. Die letzte große Aktion dieser Art gab es zu Weihnachten 2021: Wer zwischen dem 25. November und dem 31. Dezember 670 Autos bewegte, erhielt 670 Euro Prämie. Ich konnte nicht teilnehmen, aber es ist eben nicht mein Haupt-Job.

    Denn ich merkte, ich arbeite für ein Unternehmen, das für einen Service noch nicht einmal den Mindestlohn zahlen muss, weil wir StreetCrowder es ja freiwillig und gern tun. Doch inzwischen sind wir eine Gruppe von rund 400 registrierten Nutzern in Berlin. Davon sind rund 100 so aktiv wie ich. Wir bringen dem Unternehmen Millionen Euro ein, dafür will uns StreetCrowd mit einer Art Gemeinschaftsgefühl belohnen. Es gibt eine WhatsApp-Gruppe, in der die unterschiedlichsten Berliner sind: Studenten, Migranten, Auto-Nerds und Kleinunternehmer wie ich.

    Neulich trafen sich viele von uns in echt, nicht in einer Chatgruppe: Frauen waren nur wenige dabei, und endlich konnten wir uns einmal richtig unterhalten. Zunächst die üblichen Fragen nach der Steuerabrechnung und wie man das Gewerbe angemeldet hat. Da merkte ich, dass es wirklich Menschen gibt, die das hauptberuflich machen. Und für sie ist es wirklich von Bedeutung, dass ab jetzt zum Beispiel die Vergütung für Fahrten länger als 10 Kilometer sinkt – während die Carsharing-Preise in derselben Zeit gestiegen sind. Wie kann das sein?! Alle regten sich sofort auf.

    Aber für mich ist es ja ohnehin nur ein Hinzuverdienst. Ich spare das Geld, um einmal gut essen zu gehen oder ein schönes Wochenende an der Ostsee zu haben. Es ist nicht das Geld, das ich zum Überleben brauche. Trotzdem merke ich, dass wir StreetCrowder auch Teil einer neuen Art von Kapitalismus sind: der UBERifizierung der Wirtschaft. Alle sind Freiberufler, oder: gut gelaunte Selbstausbeuter.

    Obwohl es auch diese Tage gibt, an denen gar nichts klappt. Das war neulich, an einem Sonntag, als ich mal wieder Zeit übrig hatte und etwas Auto fahren wollte. Ich fuhr zum ersten Wagen nach Lichtenberg: vor meiner Nase weg. Der zweite in Friedrichshain ebenfalls, der dritte in Neukölln. Jedes Auto, zu dem ich fuhr, verschwand, kurz bevor ich dort ankam. Irgendwann gab ich auf. Es war einfach nicht mein Tag.

    Ganz anders der Sonntag im Dezember, an dem der andere StreetCrowder mir am Flughafen BER das Auto wegschnappte. Ich habe sein Angebot, mit zurückzufahren, nicht angenommen. Zeit ist Geld, und Stillstand bringt weder Einkommen noch Fahrspaß. Ich öffnete die StreetCrowd-App und fand in Schönefeld ein „kaltes“ Auto. Die App schlug Prenzlauer Berg als Ziel vor. Dort wohne ich. Ich verdiente also zwölf Euro mit der Fahrt zu meiner Haustür. Und machte Feierabend von meinem Feierabend-Job.

    #Berlin #Arbeit #Ausbeutung #Lohndumping #Gigworking #Scheinselbständigkeit

  • Gig Economy Project - UK Supreme Court finds Deliveroo riders have no rights to collective bargaining because they aren’t workers
    https://braveneweurope.com/gig-economy-project-uk-supreme-court-finds-deliveroo-riders-have-no-

    Großbritannien kennt keine gesetzliche Definition der Scheinselbständigkeit. So können Richter im Rahmen ihrer common-law-Privilegien Recht setzen und die gewerkschaftliche Vertretung von Scheinselbstândigen umtersagen.

    Das ist wahrer Liberalismus im Geist von Thatcher und Reagan. TSS: Die Richter und Staatsanwâlte, für wen sind sie da? Für die Kapitalisten und für ihren Staat.

    21.11.2023 by Ben Wray - The IWGB union say they are considering their options “under international law” after “disappointing” defeat.

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    In a significant legal judgement for the UK’s gig economy, the country’s highest court has found that Deliveroo riders are not workers and therefore do not have collective bargaining rights.

    The Independent Workers Union of Great Britain (IWGB) had sought to open collective bargaining negotiations for its members in Deliveroo all the way back in 2016. When the British food delivery platform refused, the IWGB took the case to the Central Arbitration Committee (CAC), which has the power to order an employer to recognise and negotiate with a union.

    CAC rejected the IWGB’s argument that Deliveroo’s riders have the statutory right to collective bargaining under the 1992 Trade Union Act, and an additional argument that Deliveroo were breaching article 11 of the European Convention on Human Rights (EHCR) which guarantees freedom of peaceful assembly and association. IWGB’s appeals against CAC’s judgement has brought the case all the way up to the Supreme Court, which unanimously rejected the union’s case.

    The Supreme Court found that article 11 of EHCR was only applicable in the case of an employment relationship and that CAC was right to find that they are not employees. This is primarily because Deliveroo operates a substitution clause, which gives a rider the right to let someone else use their account and carry out the work on their behalf.

    “This right, on its face, is totally inconsistent with there being an employment relationship,” the press summary of the judgement states. “The CAC found that Deliveroo did not police a rider’s decision to use a substitute and riders would not be criticised or sanctioned for doing so.”

    Additional reasons included that riders did not have their accounts terminated for failing to accept a certain number of orders and that they could work for another platform at the same time as Deliveroo.

    The judgement puts the UK at odds with the majority of courts across Europe, which have tended to find that riders are employees, including the Dutch Supreme Court last year in relation to Deliveroo specifically. It also opens up a division within UK case law between riders and ridehail drivers, as the Supreme Court found in 2021 that Uber drivers are employees.

    Responding to the judgement, the IWGB said they were considering taking the case to an international court.

    “The Supreme Court’s ruling comes as a disappointment after years spent fighting a legal battle to secure riders’ bare minimum employment rights. As a union we cannot accept that thousands of riders should be working without key protections like the right to collective bargaining, and we will continue to make that case using all avenues available to us, including considering our options under international law,” the union said.

    They added: “Deliveroo, the ‘most protested platform in the world’, is known for some of the most extreme exploitation of workers in the gig economy. A pay review conducted in 2021 found that some riders were being paid as little as £2 per hour. Now, Deliveroo is denying riders basic employment rights due to their ability to substitute accounts.

    “Flexibility, including the option for account substitution, is no reason to strip workers of basic entitlements like fair pay and collective bargaining rights. This dangerous false dichotomy between rights and flexibility is one that Deliveroo and other gig economy giants rely heavily upon in efforts to legitimise their exploitative business models.

    “We know that the consequences of this irresponsible neglect of workers are grave. Just last week another Deliveroo rider lost their life whilst at work for the company – this is not the first worker who has been tragically affected by Deliveroo’s willful negligence and lack of responsibility. Low pay and a lack of protections are putting couriers at constant risk, and without change these unsafe working conditions will only lead to the needless deaths of more vulnerable gig economy workers.”

    A Deliveroo spokesperson was quoted by the BBC stating that the UK had “repeatedly and at every level” found their riders were self-employed.

    “This is a positive judgment for Deliveroo riders, who value the flexibility that self-employed work offers,” Deliveroo added.

    Substitution clause

    The substitution clause was only introduced by the company in May 2017, after IWGB had first brought the legal case forward. CAC commented on this fact in its initial judgement, stating that “even if [the company introduced the clause] in order to defeat this claim and in order to prevent the riders from being classified as ‘workers’, then that too was permissible.”

    Commenting on the ruling, labour law academic and platform work expert Antonio Aloisi said: “Substitution clauses strike again. The imbalance of power at work is far from reduced, legally or practically, because of a faulty idea that ‘carefully choreographed’ solutions must be tolerated as waivers of collective bargaining rights in platform work.”

    Aloisi published a paper in 2019 on the Deliveroo collective bargaining legal case, finding that the ruling in Deliveroo’s favour was “naïve”.

    He added: “In Pimlico Plumbers, the UK Supreme Court stated that a similar substitution clause, drafted in a highly problematic way, could not defeat worker status, in part because the profile of the substitute was restricted under the relevant contract, thus wiping out the right to substitution. Similarly, in light of the ‘dominant features’ of the contract, Deliveroo cyclists could have been classified as workers with respect to trade union rights.”

    The ruling comes just one week after a BBC investigation had revealed that the substitution clause is used for a black-market in rented Deliveroo accounts. While riders who sign-up to the app have to pass background checks, there is no such obligation for substitutes, making it easy for the account to be rented to those who do not have the legal right to work, including undocumented migrants and children.

    In response to the investigation, Home Office Minister Robert Jenrick called for Deliveroo to change its substitution clause policy so that substitutes also had to pass background checks, stating the current policy was “perpetuating and enabling illegal working in our country”.

    However, Yvonne Gallagher, partner at law firm Harbottle & Lewis, stated following the Supreme Court judgement that Deliveroo’s substitution clause may become the model for other gig platforms to avoid worker status.

    “In establishing that the substitution clause works as a proof that riders cannot be considered workers, the Supreme Court ruling may give rise to other gig economy companies following the Deliveroo employment approach — where it fits their commercial model,” she said.

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    #Großbritannien #Gigworker #Scheinselbständigkeit #Ausbeutung #Gewerkschaft

  • Plattform-Urbanismus | sub\urban. zeitschrift für kritische stadtforschung
    https://zeitschrift-suburban.de/sys/index.php/suburban/article/view/605

    Arbeit, Migration und die Transformation des urbanen Raums
    Moritz Altenried
    , Stefania Animento , Manuela Bojadžijev
    Abstract

    Der Beitrag analysiert, wie digitale Plattformen urbanes Arbeiten und Leben ebenso verändern wie die gelebte Räumlichkeit und die materielle Architektur der Stadt. Davon sind nicht nur Arbeitsverhältnisse berührt, sondern auch alltägliche Formen und Praktiken von Mobilität, Konsum oder Reproduktion. Basierend auf umfassenden ethnografischen Forschungen beschreiben wir erstens den Aufstieg der Plattformarbeit in Berlin, insbesondere am Beispiel von Uber, Deliveroo und Helpling. Wir nehmen neue Formen algorithmischer Organisation, Kontrolle und Überwachung von Arbeit im Stadtraum in den Blick und zeigen, dass Plattformarbeit primär migrantisch ist. Davon ausgehend skizzieren wir zweitens die Umrisse eines entstehenden Plattform-Urbanismus. Das umfasst sowohl ein Verständnis der Räume und Geografien digitaler Plattformen als auch eine theoretische Perspektivierung des Begriffs. Drittens betonen wir, dass kritische Analysen des emergenten Plattform-Urbanismus zeigen können, wie Plattformen darauf abzielen, unverzichtbare urbane Infrastrukturen zu werden. Allerdings zeigt sich, dass diese Infrastrukturwerdung urbaner Plattformen kein reibungsloser Prozess ist, sondern politisch und ökonomisch umkämpft.
    Jetzt lesen
    Veröffentlicht:
    23. April 2021
    DOI
    https://doi.org/10.36900/suburban.v9i1/2.605
    Schlagworte:
    Platform-Urbanismus, Plattformen, Stadt, Digitalisierung, Arbeit, Migration, Gig Economy, Infrstruktur, Logistik Platform urbanism, platforms, city, digitisation, labour, migration, gig economy, infrstructure, logistics
    In Ausgabe
    Bd. 9 Nr. 1/2 (2021)
    digital war besser

    Rubrik: Aufsätze aus dem Schwerpunkt

    73-91
    Autor/innen-Biografien
    Moritz Altenried

    Moritz Altenried arbeitet empirisch und theoretisch unter anderem zu Digitalisierung, Arbeit, Migration, Plattformen und Logistik im globalen Kapitalismus.
    Stefania Animento

    Stefania Animento hat ihre Schwerpunkte im Bereich Mobilität, Migration und Klasse sowie Stadt- und Gentrifizierungsforschung.
    Manuela Bojadžijev

    Manuela Bojadžijev interessiert sich für gegenwärtige Transformationsprozesse von Mobilität und Migration sowie von Rassismus, im Zusammenspiel mit Veränderungen von Arbeit und Alltag durch Digitalisierung und Logistik, vorwiegend in urbanen Räumen.
    Förderung

    Dieser Artikel wurde durch Publikationsmittel im Forschungsprojekt Plattform Labour in Urban Spaces (PLUS) gefördert, finanziert durch die Europäische Kommission im Rahmen des Programms Horizon 2020 (Grant agreement No. 822638).

    Volltext

    Plattform-Urbanismus (Moritz Altenried, Stefania Animento, Manuela Bojadžijev) | In: sub\urban, Bd. 9 Nr. 1/2 (2021): digital war besser | sub\urban. zeitschrift für kritische stadtforschung
    https://zeitschrift-suburban.de/sys/index.php/suburban/article/view/605/911#content

    Arbeit, Migration und die Transformation des urbanen Raums

    Moritz Altenried, Stefania Animento, Manuela Bojadžijev

    1. Einleitung: Berlin, Juli 2019

    Ein diskreter Klingelton seines Smartphones weist den Fahrradkurier auf einen neuen Auftrag hin. Er bremst am Straßenrand und öffnet die App der Essenslieferplattform Deliveroo. Eine kurze Lieferung aus Berlin-Kreuzberg zum Neuköllner Hermannplatz für eine Entlohnung von Euro 4,20 wird ihm angeboten. Schnell kalkuliert er Entfernung, potenzielle Wartezeiten und die momentane Auftragssituation: könnte sich lohnen. Er akzeptiert den Auftrag mit einem Wisch auf dem Smartphone und macht sich auf den Weg zum Restaurant.

    Das Restaurant entpuppt sich als eine unauffällige Küche im Hinterhof eines Kreuzberger Altbaus: ein virtuelles Restaurant, eigentlich nur eine Küche, in der ausschließlich zur Bestellung über verschiedene Essenslieferplattformen gekocht wird. Dementsprechend sind die Abläufe optimiert. Es gibt keine Laufkundschaft, nur die Kurier_innen der verschiedenen Lieferdienste gehen ein und aus. Der Kurier betritt die Küche gemeinsam mit zwei Kolleginnen, die für dieselbe Plattform arbeiten. Er stellt zufrieden fest, dass die Bestellung bereits in braunen Pappbehältern auf ihn wartet. Um nicht aus Versehen mit einer falschen Lieferung loszufahren, vergleicht er die Liefernummer in seiner App genau mit der Nummer auf der Papiertüte und markiert die Bestellung – koreanische Burger und eine japanische Bowl – in der App als abgeholt. Eilig packt er die Bestellung in seinem Rucksack und macht sich auf den Weg zum Ziel in Neukölln.

    Dort angekommen, bestätigt der Deliveroo-Rider in seiner App die Ankunft bei der Kundschaft und klingelt dann an der Tür. Mehrere mit Zahlencodes gesicherte Boxen unterhalb der Klingeln und Klingelschilder, auf denen statt Namen nur die Nummern der einzelnen Wohnungen stehen, lassen darauf schließen, dass es sich um Ferienwohnungen handelt. Niemand antwortet. Er klingelt erneut. Die beiden jungen Frauen aus London, die sich hier für ein paar Tage ein Appartement über Airbnb gemietet haben, um Berlin zu besuchen, sind noch nicht da. Sie haben das Essen über ihr Smartphone aus dem Uber-Taxi bestellt, dabei jedoch die Dauer der Fahrt zurück zu ihrem Appartement unterschätzt. Die Apps des Lieferdienstes Deliveroo, der Wohnungsplattform Airbnb und des Fahrdienstes Uber befanden sich bereits vor der Berlinreise auf ihrem Handy. All diese Dienste stehen ihnen auch in ihrer Londoner Heimat zur Verfügung – genauso wie in vielen anderen Städten der Welt.

    Während der Kurier ungeduldig wartet, öffnet sich die Tür und eine Frau mit Putzsachen tritt heraus. Sie hat die Zeit, während die beiden Londonerinnen beim Sightseeing waren, genutzt, um die Wohnung sauber zu machen. Wie der Deliveroo-Kurier und die Uber-Fahrerin arbeitet auch sie über eine digitale Plattform: Das deutsche Unternehmen Helpling vermittelt unbürokratisch und stundenweise solo-selbstständige Putzkräfte, perfekt für die Besitzer_innen der mindestens fünf Airbnb-Wohnungen in diesem Haus. Diese können so aus der Distanz ihre Wohnungen sauber halten und vermieten. Der Deliveroo-Fahrer nickt der Helpling-Arbeiterin zu und nutzt die Chance, um in den Hausflur zu treten. Er ist selbstständig und wird für die Lieferstrecke bezahlt, nicht für die Zeit, die er für die Auslieferung benötigt. Wartezeiten senken also seinen Stundenlohn. Er überlegt, die Lieferung vor die Wohnungstür zu stellen und dann weiterzufahren, um heute noch sein selbst gestecktes Einkommensziel zu erreichen. Während er noch das Risiko einer verschwundenen Bestellung und den potenziellen Ärger mit der Plattform abwägt, kommen die beiden Londonerinnen zur Tür hinein und freuen sich, dass ihr Mittagessen bereits da ist.
    Plattform-Urbanismus

    Diese nur leicht fiktionalisierte Szene aus unserer ethnografischen Forschung vom Sommer 2019 veranschaulicht etwas, das sich als Plattform-Urbanismus bezeichnen lässt. Dies zeigt ein Blick auf die Smartphones von Menschen aus besonders mobilen Bevölkerungsgruppen, wie den beiden erwähnten Touristinnen oder die der meist migrantischen Arbeiter_innen von Plattformen wie Uber, Deliveroo oder Helpling besonders deutlich. Die verschiedenen Apps spielen im Leben dieser oft neuen oder temporären Berliner_innen häufig eine elementare Rolle. Doch auch ein Blick auf das Smartphone einer beliebigen langjährigen Berlinerin wird mit großer Wahrscheinlichkeit die Apps vieler solcher Plattformen aufweisen, die das urbane Leben in allen Dimensionen zu durchdringen beginnen. Google Maps leitet die Menschen durch die Stadt und modifiziert dabei ihre Geografie; Amazon beeinflusst den Konsum und die Liefervans verstopfen die Straßen. Praktiken und Räume des Datings und Ausgehens verändern sich durch Apps wie Tinder und Grindr. ShareNow, Lime, und viele andere vermieten über ihre Apps Elektroroller, Fahrräder und Autos und wollen so die urbane Mobilität revolutionieren. Airbnb bietet Ferienappartements, Uber Taxifahrten, TaskRabbit Aufbauhilfen für die neuen Ikea-Möbel, Deliveroo das Mittagessen, Helpling die Reinigung der Wohnung, Care.com die Kinderbetreuung und so weiter. Es gibt kaum noch einen Bereich von Arbeit und Leben, in denen digitale Plattformen keine Rolle spielen. Das datengetriebene Geschäftsmodell der meisten Plattformen basiert darauf, dass sie sich über die Smartphones in den Alltag der Nutzer_innen einflechten und zu einem unverzichtbaren Teil der Infrastruktur im alltäglichen Leben werden. Städte sind das primäre Aktionsfeld dieser digitalen Plattformen und werden so zu einem Laboratorium gesellschaftlicher Veränderung. Mit ihnen verändert sich auch die Stadt selbst und wird, wie die Architektin und Urbanistin Clare Lyster schreibt, immer mehr zu einer „integrierten Serviceplattform“ (Lyster 2016: 13).

    Wie digitale Plattformen urbanes Arbeiten und Leben, aber auch gelebte Räumlichkeit und sogar die materielle Architektur der Stadt verändern, ist die zentrale Fragestellung dieses Aufsatzes. Dabei liegt unser Fokus zunächst auf der Analyse von Plattformarbeit in urbanen Räumen (hier konkret in Berlin). Im zweiten Teil des Aufsatzes erweitern wir dann unseren Fokus und fragen, wie Plattformen nicht nur Arbeit, sondern zunehmend auch urbane Räume zu verändern und zu prägen beginnen.

    Wir beginnen unsere Analyse mit einer kurzen Eingrenzung des Begriffs Plattform und skizzieren kurz die Geschichte und Relevanz der Plattformarbeit bzw. Gig Economy. Anschließend analysieren wir auf der Grundlage unserer ethnografischen Forschung in Berlin, die ihren Schwerpunkt auf die Plattformen Uber, Deliveroo und Helpling legt, Prozesse und Logik der App-basierten Plattformarbeit im Stadtraum. Dabei untersuchen wir auch den in der Forschung bislang weitgehend vernachlässigten Aspekt, dass es sich bei dieser Arbeit vorwiegend um migrantische Arbeit handelt. Ausgehend von der Analyse dieses spezifischen Feldes erweitern wir dann unseren Blick auf weitere Fragen des urbanen Lebens, wie die gelebte Geografie oder die urbane Verräumlichung digitaler Plattformen. Zum Schluss erlaubt uns eine kurze Diskussion des Begriffs Plattform-Urbanismus, die gegenwärtigen Transformationen als Infrastrukturwerdung von Plattformen im Urbanen zu charakterisieren. Abschließend wagen wir einen Ausblick auf die Rolle von Plattformen im Kontext der aktuellen Covid-19-Krise.
    Forschungsperspektive: Plattformen, Arbeit, Stadt

    Wir verstehen digitale Plattformen sowohl als konkreten und wichtigen Faktor der Transformation urbaner Arbeits- und Lebensverhältnisse, als auch als radikalen Ausdruck breiterer gesellschaftlicher Veränderungen. Zu diesen gehören die Flexibilisierung von Arbeit, die Logistifizierung von Produktion und Alltag sowie das datengestützte und zunehmend automatisierte Management von Arbeit und urbanem Leben. In diesem Text geht es uns nicht um die Behauptung, die Stadt von morgen würde nach dem Prinzip von Uber und Airbnb regiert (auch wenn uns diese These nicht ganz unplausibel erscheint) oder um die Ausarbeitung einer fertigen Groß-Theorie zum Plattform-Urbanismus. Stattdessen nutzen wir den Begriff heuristisch. Wir setzen unsere Forschung zum Einfluss digitaler Plattformen auf städtische Arbeit und städtischen Alltag ein, um eine kritische Perspektive auf die Stadt von heute zu gewinnen. Diese Perspektive auf die digitalisierte Stadt steht aus unserer Sicht im Dialog mit anderen Forschungsperspektiven. Dazu zählen wir etwa kritische Perspektiven auf den Diskurs und die Materialität von Smart Cities oder die Finanzialisierung der Stadt (Halpern et al. 2013; Harvey 2013; Beverungen/Sprenger 2017).

    Unsere Analyse digitaler Plattformen im städtischen Raum entwickeln wir primär aus der Perspektive der Arbeit und aus einer Untersuchung von Plattformen, bei denen die Organisation und Ausbeutung lebendiger Arbeit im Zentrum des Geschäftsmodells steht. Unsere Forschung folgt auch deshalb diesen arbeitsvermittelnden Plattformen, weil wir Arbeit und politische Ökonomie für zentrale (wenn auch bei Weitem nicht die einzigen) Faktoren in der Produktion des urbanen Raums halten (Harvey 2010; Briken 2018). Dabei ist uns bewusst, dass wir bei der Analyse von Plattformen im Stadtraum auch andere räumliche Praktiken und Akkumulationsformen in den Vordergrund stellen könnten. Der schillernde Begriff der Plattform umfasst viele verschiedene ökonomische Formationen, die sich teilweise sehr stark von den hier untersuchten Plattformen wie Uber oder Deliveroo unterscheiden (Gillespie 2010; Srnicek 2016). Deren Einfluss und deren Rolle im urbanen Raum ist wiederum jeweils sehr unterschiedlich – man denke an die sehr unterschiedlichen Auswirkungen auf das urbane Leben durch die bereits genannten Apps Grindr und Tinder (Miles 2017), Google Maps (Luque-Ayala/Neves Maia 2019), Airbnb (Wachsmuth/Weisler 2018) oder städtische Datenplattformen (Barns 2018). Diese sehr willkürliche Auswahl zeigt auch, dass die Subsumption unterschiedlicher Applikationen und Unternehmen unter den Begriff der Plattform (und des Plattform-Urbanismus) zwar zu dessen Attraktivität, aber auch zu dessen Problematik beiträgt. Schließlich erlaubt es der Begriff, sehr unterschiedliche Unternehmen und Konstellationen zu vereinheitlichen und droht dadurch, an analytischer Schärfe zu verlieren. Andererseits erlauben Begriffe wie Plattform und Plattform-Urbanismus eine breitere Perspektive, die sehr hilfreich dabei sein kann, die tiefgreifenden Transformationsprozesse zu begreifen, zu deren Resultaten etwa die ungeheure globale Macht von Unternehmen wie Amazon oder Facebook gehört. Die Frage, welche Logik diese unterschiedlichen Unternehmen miteinander verbindet, lassen wir im Folgenden jedoch weitgehend offen. Stattdessen entwickeln wir unseren Beitrag primär aus der Perspektive der auch als Gig Economy bezeichneten Plattformarbeit. Damit konzentrieren wir uns auf einen bestimmten Typus von Plattformen sowie auf einen spezifischen Aspekt der Plattformisierung des Urbanen.

    Wir entwickeln unsere Argumentation vor dem Hintergrund zweier laufender Forschungsprojekte zu Plattformarbeit, Stadt und Migration.[1] Diese Projekte verbinden Ansätze und Perspektiven aus Anthropologie, Sozialwissenschaften, Migrationsforschung, Geografie und Stadtforschung sowie Politischer Ökonomie. Methodisch verfolgen wir schwerpunktmäßig einen qualitativen und ethnografischen Forschungsansatz. Die primäre Grundlage für diesen Artikel liefert uns unsere empirische Forschung in Berlin. Dazu gehören umfangreiche ethnografische Untersuchungen (on- und offline), über 40 Interviews mit Plattformarbeiter_innen von Deliveroo, Helpling und Uber sowie Interviews mit Gewerkschafter_innen, Aktivist_innen, Verwaltungsmitarbeiter_innen, Abgeordneten und weiteren Akteur_innen. Diese Forschung in Berlin steht im Kontext eines zweiten, transnationalen Forschungsprojektes zu Plattformarbeit in verschiedenen europäischen Städten, das uns die Kontextualisierung der besonderen Berliner Situation erlaubt.

    2. Plattformarbeit in der digitalisierten Stadt

    „I was told that it was an application and that I was going to get a job right away. They told me that you register and you get offers through the application, it was strange to me, but it was like that, you register and you get offers, cleaning offers from different houses, from different areas, either two hours or four hours, but Helpling gets a pretty high commission. That’s basically it.“ Camila, Berliner Plattformarbeiterin aus Argentinien (Interview, Januar 2020)[2]

    Plattformarbeit ist heute ein globales Phänomen. Millionen Menschen arbeiten in urbanen Zentren auf der ganzen Welt über digitale Plattformen. „Everybody is talking about the gig economy“, schreiben die britischen Wissenschaftler Jamie Woodcock und Mark Graham in ihrer kritischen Einführung zum Thema (Woodcock/Graham 2019: 1). Während sich der Begriff in Deutschland eher langsam verbreitet, hat „Gig Economy“ in anderen Ländern bereits Einzug in die Umgangssprache gehalten. In Großbritannien etwa, wo Woodcock und Graham zufolge die Zahl der Plattformarbeiter_innen inzwischen der Zahl der Beschäftigten im öffentlichen Gesundheitssektor entspricht, entwickeln sich seit einigen Jahren breite öffentliche Diskussionen über das Phänomen und dessen Auswirkungen auf die Welt der Arbeit. Die Aufmerksamkeit für die Gig Economy speist sich hier, aber auch anderswo in Europa, nicht zuletzt aus einer Welle von Protesten von Plattformarbeiter_innen (Animento et al. 2017; Cant 2019). Vermittelt durch diese Kämpfe gewinnt der Begriff inzwischen auch in der deutschsprachigen Debatte an Bedeutung, vor allem im Bereich der Essenslieferung.

    Zur Größe der Gig Economy gibt es wenig belastbare Zahlen und kontroverse Diskussionen. Dies liegt nicht zuletzt daran, dass Plattformarbeit oft aus dem Raster üblicher Erhebungsmethoden zu Arbeitsmärkten fällt, teilweise nicht statistisch erfasst wird bzw. werden kann, häufig ein Zweit- oder Drittjob ist und zudem nur schwer von ähnlichen Formen flexibler und kontingenter Arbeit abgrenzbar ist. Die Plattform Helpling etwa, deren Geschäftsmodell das Eingangszitat prägnant beschreibt, vermittelt in über 200 Städten weltweit Putzkräfte. Die selbstständigen Kuriere von Deliveroo liefern Essen in über 500 Städten aus und die Taxiplattform Uber hat über 100 Millionen Kund_innen in über 900 Städten auf der ganzen Welt. Grob geschätzt dürften es zusammen mit Tausenden weiterer Plattformen insgesamt an die 50 Millionen Plattformarbeiter_innen sein (Heeks 2019).

    Eine umfangreiche Studie in 13 europäischen Ländern, die den Begriff Gig Economy relativ breit definiert und auch digitale Arbeit auf Onlineplattformen wie Amazon Mechanical Turk miteinschließt, resümiert, die Plattformarbeit spiele in allen untersuchten Ländern eine bedeutende Rolle. Allerdings sei sie in den meisten Fällen nicht die Haupteinnahmequelle, sondern eine wichtige Ergänzung anderer Einkommensquellen. Interessant ist die geografische Verteilung: Die höchsten Anteile regelmäßiger (wöchentlicher) Plattformarbeit wurden in Zentral- und Osteuropa gemessen. So waren es in Tschechien 2019 etwa 28,5 Prozent der arbeitenden Bevölkerung, während die Werte in Nord- und Westeuropa geringer sind. In Deutschland gingen der Studie zufolge 2016 etwa 6,2 Prozent der arbeitenden Bevölkerung mindestens einmal wöchentlich unterschiedlichen Formen von Plattformarbeit nach (Huws et al. 2019). Eine Untersuchung der Europäischen Kommission kommt mit einer anderen Methode auf ähnliche Zahlen für Deutschland (Pesole et al. 2018). Andere Erhebungen kommen zu etwas niedrigeren Zahlen. Plattformarbeit macht also bisher – darauf deuten die vorliegenden Zahlen hin – einen eher kleinen Anteil an den jeweiligen nationalen Arbeitsmärkten aus. Dieser Anteil scheint jedoch stark zu wachsen. Der Studie von Ursula Huws (2019: 1) zufolge hat sich etwa die Zahl der Plattformarbeiter_innen in Großbritannien zwischen 2016 und 2019 verdoppelt.

    Die Gig Economy ist ein globaler Arbeitsmarkt mit primär urbanen Effekten. Daher ist seine genaue Größe in einzelnen nationalen Ökonomien vielleicht auch nicht der springende Punkt. Ihre qualitative Relevanz erhält sie zumindest auch durch ihre Eigenschaft als zentrales Experimentierfeld für neue Formen digital vermittelter, organisierter und kontrollierter Arbeit. So deutet vieles darauf hin, dass die Covid-19-Krise und die daraus hervorgehenden, schon vorauszusehenden wirtschaftlichen Verwerfungen die Bedeutung der Plattformarbeit noch einmal verstärken werden. Bereits in ihrer heutigen Form ist die Gig Economy ein Produkt der letzten großen Finanz- und Schuldenkrise. Zwar steht die Gig Economy historisch betrachtet in einer langen Genealogie kontingenter Arbeit, sie ist aber in ihrer heutigen Form ein Produkt der globalen Krise ab 2007. In dieser trafen insbesondere in den USA Arbeitskräfte, die aufgrund von Entlassungen und Rezession freigesetzt worden waren, auf großzügig mit Risikokapital ausgestattete Plattformunternehmen und begründeten so einen neuen Kreislauf kontingenter Arbeit.

    Die 2009 gegründete Taxi-Plattform Uber lieferte dafür eine Art Blaupause: Wie die meisten Plattformen versteht sich Uber primär als Technologieunternehmen, das zwischen Kund_innen und selbstständigen Taxiunternehmer_innen vermittelt. Dementsprechend hat das Unternehmen selbst nur wenige festangestellte Mitarbeiterinnen. Es organisiert eine große Menge Arbeitskraft on demand, um flexibel auf sie zugreifen zu können. Den etwa 20.000 fest angestellten Mitarbeiter_innen bei Uber stehen weltweit über drei Millionen formell selbstständige Fahrer_innen gegenüber. Diese führen mit ihren eigenen Autos einzelne Taxifahrten durch, die ihnen über die Uber-App vermittelt und durch diese einzeln abgerechnet werden. Dieses Modell – die Auslagerung einzelner, zeitlich befristeter Aufträge (der sogenannten Gigs) an formell selbstständige Arbeiter_innen mittels einer digitalen Plattform – bildet die Grundlage der heutigen Gig Economy. Inzwischen dringen solche Plattformmodelle in fast alle Bereiche vor.

    Uber verbindet sein schlankes Geschäftsmodell (Srnicek 2016), das Fixkosten für Arbeit und Autos weitgehend vermeidet, mit einer kapitalintensiven Disruptionsstrategie. Diese zielt darauf ab, herkömmliche Taxidienste zu unterbieten und so vom Markt zu verdrängen. Zudem lässt sich eine oftmals aggressive Strategie zur Umgehung nationaler und munizipaler Gesetze und Reglungen im Bereich des Personentransports beobachten. Diese führt vielerorts – wie aktuell auch in Deutschland – zu erbitterten Konfrontationen mit Taxiverbänden und Stadtregierungen. Diese Auseinandersetzungen sorgen immer wieder für Rückschläge in der globalen Expansionsstrategie von Uber. Auch das Modell der solo-selbstständigen Fahrer_innen ist rechtlich wie politisch an vielen Orten umkämpft.
    Plattformarbeit in Berlin: Kontingenz und Kontrolle

    Auch in Berlin ist das Geschäft von Uber rechtlich und politisch umstritten. Ein Effekt dieser Auseinandersetzungen ist, dass die Beschäftigungsverhältnisse bei Uber hier heterogener ausfallen als an anderen Standorten. In Berlin stehen zwischen Plattform und Fahrer_in oft noch verschiedene Subunternehmen. Zugleich ist Uber für viele Fahrer_innen tatsächlich ein Vollzeitjob, auf dessen Einkünfte sie nicht verzichten können (für die Situation in den USA und Kanada: Rosenblat 2018). Verschärft wird diese Situation oft durch Schulden oder Leasinggebühren, mit denen die Fahrer_innen die Autos für ihre Arbeit finanziert haben und die sie regelmäßig bedienen müssen – nicht selten bei Uber selbst. Petra, eine Berliner Uber-Fahrerin, die mit dieser Tätigkeit ihre Rente aufbessert, beschreibt die Situation so: „Die Leasing-Autos, die müssen ja immer bezahlt werden. Da ist das Leasing, die Versicherung und das Geld muss natürlich irgendwie reinkommen. Deshalb darf ein Auto auch nicht stillstehen.“ (Interview März, 2020) Petra erzählt, dass sich manchmal zwei Fahrer_innen ein Auto teilen, um es 24 Stunden am Tag zu nutzen und so rentabel zu machen. Ihr Arbeitsalltag wird dabei komplett von der Uber-App auf ihrem Smartphone organisiert. Durch diese bekommt sie ihre Aufträge für die einzelnen Fahrten, die Routen und eine Reihe weitere Informationen. Mit den angestellten Mitarbeiter_innen von Uber im Berliner Büro hat Petra nur in Ausnahmefällen zu tun.

    Wie eingangs beschrieben, werden auch die Fahrer_innen der Essenslieferplattform Deliveroo per App durch die Stadt dirigiert. Der hohe Grad an Kontrolle über den Arbeitsprozess, den viele Plattformen über ihre Apps ausüben, lässt die Argumentation der Plattformen, lediglich Aufträge für Selbstständige zu vermitteln, zumindest fragwürdig erscheinen. Komplexe Algorithmen verteilen die Aufträge an die Fahrer_innen und versuchen diese mit Anreizsystemen in Zonen mit hoher Nachfrage zu locken. Gleichzeitig dient die App zur Schichtplanung und zur automatisierten kleinteiligen Organisation jeder einzelnen Lieferung oder Taxifahrt. Dabei werden verschiedenste Daten erhoben wie Fehlzeiten, Verspätungen, Geschwindigkeit, Routen, abgelehnte Aufträge oder Bewertungen der Kundschaft. Diese Daten werden sowohl genutzt, um die Algorithmen zu optimieren als auch um die Arbeit der einzelnen Fahrer_innen umfassend zu vermessen und gegebenenfalls zu sanktionieren.

    Teil dieses integrativen Systems „algorithmischen Managements“ (Beverungen 2017) sind verschiedene Bewertungssysteme. Oft strukturieren diese den Zugang zu zukünftigen Aufträgen und dienen so als Disziplinierungsmechanismen für die formell selbstständigen Plattformarbeiter_innen. Bei Uber und Helpling sind darüber hinaus die Bewertungen der Kundschaft enorm wichtig für den Zugang zu zukünftigen Aufträgen. Sie bringen oftmals die Arbeiter_innen in schwierige Situationen gegenüber ihren Kund_innen, etwa wenn diese unbezahlte zusätzliche Leistungen verlangen oder sich übergriffig verhalten. Bei Deliveroo bilden vor allem die individuellen Statistiken zu Pünktlichkeit und Zuverlässigkeit sowie die Bereitschaft, abends und am Wochenende zu arbeiten, die Grundlage für den Zugang zu neuen Schichten und Aufträgen. Chris, ein US-amerikanischer IT-Arbeiter, der auf der Suche nach einem Job in Berlin bei Deliveroo gelandet ist, erklärt: „When you want shifts, it’s annoying if you have bad statistics.“ (Interview, August 2019) Im Falle von kurzfristigen Terminen, Krankheit oder schlechtem Wetter steht Chris vor der Wahl, entweder trotzdem zu arbeiten oder in der folgenden Woche seinen Zugang zu Aufträgen zu gefährden: „A couple of weeks ago it was […] really bad. I was working, and it was really raining, really hard and it was kind of like a storm. And it wasn’t even safe to ride. So I went home early and it still affected my statistics.“ (ebd.) Sowohl das Zurückgreifen auf die Kundschaft als ‚Ko-Management‘ als auch das Management über Apps und Algorithmen zielen auf ein System, das weitgehend automatisiert funktioniert und daher kaum angestelltes Personal für Betreuung und Management von Arbeiter_innen und Kundschaft verlangt. Digitale Technologie erlaubt dabei die präzise Organisation, Kontrolle und Vermessung der Arbeit der im Stadtraum verteilten Fahrradkurier_innen, Taxifahrer_innen und Paketlieferant_innen in einer Weise, die vorher nur in der disziplinären Architektur einer Fabrik denkbar war. Nun erfolgt sie aus der Ferne und weitgehend automatisiert – die Plattform als „digitale Fabrik“ (Altenried i. E).

    Das generelle Ziel von Plattformunternehmen ist es, ihre Fixkosten (für Arbeit und Produktionsmittel) möglichst weit zu senken. Der Rückgriff auf solo-selbstständige Arbeiter_innen, die mit ihren eigenen Fahrrädern oder Autos unterwegs sind, führt im Zuge der Digitalisierung der Arbeitsorganisation zur Renaissance einer eigentlich als weitgehend historisch betrachteten Lohnform: dem Stücklohn. In der Geschichte des Kapitalismus an den Rand gedrängt, wenn auch nie ausgestorben, sind Stücklöhne in der heutigen Gig Economy ein zentrales Mittel, das einerseits unternehmerische Risiken auf die Arbeiter_innen abwälzt und andererseits deren Leistungskontrolle und Disziplinierung dient. Die Arbeiter_innen werden nur für die einzelnen Aufträge bezahlt, nicht für eine festgesetzte Arbeitszeit. So verursachen sie bei Auftragsflauten keinerlei Kosten für die Unternehmen. Gleichzeitig werden auch die Kosten für Schichtplanung und Arbeitswege auf die Arbeiter_innen abgewälzt. Dies ist zum Beispiel ein Problem für Helpling-Arbeiter_innen, deren Arbeitsorte in der ganzen Stadt verteilt sein können, wie die bereits zitierte Camila erklärt: „A lot of time is lost between transfers, in the train, in the bus […] Today from seven in the morning to three in the afternoon, I didn’t stop. And at the end of the day, the second house for two hours paid me 15 euros, and the first one, I think, was 19.“ (Interview, Januar 2020)

    Stücklöhne funktionieren zugleich als Disziplinierungsinstrument und können so die direkte Kontrolle über den Arbeitsprozess ersetzen. So wirkt sich etwa die Geschwindigkeit eines Deliveroo-Kuriers direkt auf seinen Stundenlohn aus. Die Stücklöhne sind meist flexibel, das heißt sie ändern sich häufig, werden vielfach in Echtzeit an Nachfrage und verfügbare Arbeiter_innen angepasst. Bei Deliveroo ist die Distanz zwischen Abholort und Lieferziel ein zentraler Faktor der Entlohnung. In der Folge müssen die Fahrer_innen jedes Mal, wenn ihnen in der App ein Auftrag angeboten wird, mehrere Faktoren (generelle Nachfrage, potenzielle Wartezeit im Restaurant, Schwierigkeit des Anfahrtsweges, Endpunkt der Lieferung etc.) abwägen, um zu entscheiden, ob es sich für sie lohnt, den Auftrag anzunehmen. Jeder einzelne Auftrag ist stets eine kleine Wette darauf, dass es sich lohnen wird.

    Die Plattform Helpling erlaubt es den darauf angemeldeten Putzkräften, ihren Stundenlohn innerhalb einer vorgegebenen Spanne selbst festzulegen. Von diesem Lohn zieht Helpling dann etwa 30 Prozent Vermittlungsgebühr ab. Dadurch stehen die Arbeiter_innen der Plattform in direkter Konkurrenz zueinander um die begrenzten Putzaufträge. Insbesondere Arbeiter_innen mit wenigen oder schlechteren Kund_innenbewertungen können es sich nicht erlauben, ihre Stundenlöhne zu hoch anzusetzen, da sie sonst keine Aufträge mehr erhalten und im Niemandsland der Plattform verschwinden. Natalia, eine weitere Helpling-Arbeiterin aus Argentinien, beschreibt diese Problematik so: „I started to raise [the price] because it doesn’t give me enough money to survive, actually. So, I started to upgrade. And then there was a time when it was too high, and I didn’t get any offers, so I lowered it once again. Now I have a new model: first more clients, and then I upgrade again.“ (Interview, Januar 2020) Die Gestaltung des Profilfotos, der Klang von Namen und vergeschlechtlichte Zuordnungen sind weitere Faktoren, die bei dieser Konkurrenz eine Rolle spielen.

    Die Konkurrenz um volatile Aufträge ist in der Plattformökonomie ein globales Problem. Da selbstständige Arbeiter_innen kaum Fixkosten verursachen, gibt es für die Plattformen selbst kaum Anreize, die Zahl der bei ihnen angemeldeten Arbeiter_innen zu begrenzen, ganz im Gegenteil: Eine hohe Zahl an Arbeiter_innen bietet Plattformen wie Uber und Deliveroo die Möglichkeit, im ganzen Stadtgebiet schnellen Service anzubieten, wie Tommaso, ein Berliner Deliveroo-Fahrer analysiert: „So, their ideal condition would be to have a lot of workers, and then couriers doing just one delivery per hour, and the rest of the time doing nothing.“ (Interview, Juli 2019). Tommaso ist klar, dass sich seine Auftragslage aufgrund einer Zunahme an latenten Arbeitskräften jederzeit verschlechtern kann. In den meisten Ländern ist das Angebot an Arbeiter_innen größer als die Zahl der vorhandenen Aufträge. Plattformen sind meist nicht gewillt, den Arbeiter_innen eine bestimmte Anzahl an Aufträgen zuzusichern. Um der volatilen Auftragslage besser begegnen zu können, sind viele Arbeiter_innen bei mehreren Plattformen gleichzeitig angemeldet. Sie versuchen so, ein ausreichendes Einkommen zusammenzubringen. Selbst wenn die Auftragslage, wie bei Tommaso gut ist, ist das noch keine Garantie für die Zukunft. Der Fahrer reflektiert darüber:

    „The problem was actually, there was no guarantee actually for, no protection as a worker, let’s say. So, also there was no guarantee actually, the company would keep the same level of average of deliveries per hour. And there was no control actually over how many people were employed. And basically, I could be fired for overnight. The same thing, flexibility, also in their case, so like the dark side of flexibility.“ (Interview, Juli 2019)

    Im selben Interview betont der 38-jährige Fahrer aber auch die „hellen“ Seiten der Flexibilität. Seit er vor über zehn Jahren aus Norditalien nach Berlin gekommen ist, arbeitet er als selbstständiger Stadtführer. Seine vier Jahre bei Deliveroo erlaubten ihm ein gutes Zusatzeinkommen, besonders im Winter, wenn weniger Besucher_innen nach Berlin kommen. Wie Tommaso kritisieren viele Plattformarbeiter_innen die Prekarität dieser Existenzweise. Gleichzeitig betonen sie aber, dass diese Arbeit auch ihnen eine flexible Arbeitszeitplanung ermöglicht. Digital organisierte Plattformarbeit funktioniert in diesem Sinne für manche auch als Ergänzung zu anderen Einkommen oder als Zwischenlösung. Doch niemand möchte langfristig oder ausschließlich davon abhängig sein. Während für den italienischen Stadtführer Deliveroo als Zusatzeinkommen funktioniert hat, haben viele andere Plattformarbeiter_innen häufig weniger Alternativen und sind vollständig auf bestimmte Plattformen angewiesen.

    Krankheit oder Unfälle stellen eine zusätzliche ständige Bedrohung dieser prekären Kalkulation dar. In den meisten Fällen bedeuten sie einen hundertprozentigen Verdienstausfall. Dem stehen in der Regel kaum Ersparnisse gegenüber. Joaquín, ein Helpling-Arbeiter aus Chile, erläutert: „I would not like to get sick because you practically lose money, you cannot work, there is no security. It is a problem to get sick and it is a problem that you have to solve.“ (Interview, Dezember 2019) Arbeitsunfälle stellen dabei ein besonderes Problem dar, da viele der Arbeiter_innen nur unzureichend versichert sind. Deswegen versuchen sie, Arbeitsunfälle als private Unfälle darzustellen oder sie suchen bewusst keine medizinische Hilfe, wie Sofía, eine spanische Deliveroo-Fahrerin, schildert:

    „I had a crash in November, a pretty big bad crash. I didn’t work for like three weeks. And I have like the European [health insurance] card, but yeah, of course, you have like nothing covered. I ride fixed, and I was going down a hill, and the chain came out of place. So yeah, it was pretty bad. And I was like: ‚I’m not calling an ambulance.‘“ (Interview, August 2019)

    Während einige Arbeiter_innen bewusst darauf verzichten, sich zu versichern, weil dies ihre Einkünfte schmälern würde, liegt es bei vielen häufig an mangelnden Kenntnissen der entsprechenden Gesetze und Regularien sowie ihrer eigenen Rechte. Dies gilt insbesondere für migrantische Arbeiter_innen, für die das deutsche Sozialsystem sowie gesetzliche Regelungen zu Anmeldung, Selbstständigkeit und Versicherung oft auch sprachlich kaum zugänglich sind.
    Migration: Plattform-Mobilitäten

    „But at the same time, this is the only option that the immigrants or people from Chile or people from India have. Like they cannot work anywhere else. So, even though the work conditions are shit, they – it’s the only thing people have, yeah, the only opportunity. So, for me, I was really happy with it. And as long as I didn’t get hit by a car, everything was going to be okay.“ Bastián, Deliveroo-Arbeiter aus Chile (Interview, August 2019)

    Plattformarbeit ist vorwiegend migrantische Arbeit. In unseren vorherigen Arbeiten haben wir stets betont, dass Arbeit grundsätzlich nicht ohne die sie konstituierende Mobilität gedacht werden kann (Altenried et al. 2017, Bojadžijev 2020). Dennoch ist die Verbindung zwischen Arbeit und Mobilität historisch unterschiedlich und muss folglich immer wieder neu bestimmt werden. Unsere aktuelle Untersuchung zeigt, dass sowohl in Berlin als auch in den meisten anderen europäischen Städten die deutliche Mehrheit der auf den verschiedenen Plattformen Arbeitenden (oft relativ frisch) zugezogen sind. Während dies bei Uber in Berlin viel mit der langen Migrationsgeschichte des Taxigewerbes in Deutschland zu tun hat, arbeiten bei Deliveroo und Helpling insbesondere junge Migrant_innen, die erst vor Kurzem in die Stadt gezogen sind, etwa aus Lateinamerika oder Südeuropa.

    Für viele jüngere Migrant_innen ist Plattformarbeit eine Möglichkeit, direkt nach der Ankunft in Berlin Geld zu verdienen. Die Plattformen verlangen nur ein Minimum an Papieren und da angemeldete Arbeiter_innen keine Fixkosten verursachen, nehmen Plattformen oft alle, die sich bewerben – weitgehend ohne Bewerbungsverfahren, meist ohne Qualifikationsanforderungen und ohne Anlernphase. Die größte Hürde, an andere Jobs zu kommen, sind für die meisten dieser Migrant_innen ihre fehlenden Deutschkenntnisse. Ohne diese verringert sich die Auswahl an verfügbaren Arbeitsmöglichkeiten deutlich; ohne gute Englischkenntnisse sind sie noch weiter eingeschränkt. Die Apps der Plattformunternehmen sind dagegen meistens mehrsprachig und erlauben so auch einen Arbeitseinstieg ohne englische oder deutsche Sprachkenntnisse.

    Insbesondere für junge Migrant_innen aus Südamerika, die meist mit einjährigen Visa einreisen, ist die Plattformarbeit eine gute Möglichkeit, den eigenen Lebensunterhalt „in der Migration“ zu verdienen. Für manche wird diese Arbeit zu einem eingeplanten Teil ihrer Migrationsprojekte und stellt so etwas wie eine „Migrationsinfrastruktur“ (Xiang/Lindquist 2014) für mobile Arbeiter_innen dar. Bastián, der bereits zitierte junge Chilene, antwortet auf die Frage, inwieweit Plattformen seine Entscheidung nach Berlin zu kommen, beeinflusst haben:

    „It’s quite known that both Helpling and Deliveroo are the easy jobs to apply to when you come with a visa, because you only have one year, and this is very immediately. You don’t need that much papers, and you don’t need to speak German. So, yeah, I always thought that it was an option working as Deliveroo, even when I was in Chile.“ (Interview, August 2019)

    Viele migrantische Berliner Plattformarbeiter_innen berichten, dass die Möglichkeit, über Plattformen einen schnellen Einstieg in den Arbeitsmarkt zu finden, ihnen bei ihren Migrationsplänen Zuversicht gegeben hat. Hinzu kommt, dass einige bereits in ihren Heimatländern für Plattformen gearbeitet haben, teilweise sogar für dieselben wie in Berlin. Sie wissen also bereits, wie diese funktionieren. Manche von ihnen haben mittlerweile sogar in mehreren Ländern für unterschiedliche Plattformen gearbeitet und organisieren so ihre transkontinentale Mobilität.

    Nicht wenige dieser migrantischen Plattformarbeiter_innen haben Universitätsabschlüsse und hoffen darauf, im Laufe der Zeit Arbeit in dem Bereich zu finden, in dem sie ausgebildet wurden. Gustavo, ein Stadtplaner aus Peru, der bei Helpling arbeitet, schildert dies so: „While I look for work in my master’s degree, to survive I am working, because, really, if you are fast, you earn more than in a café or restaurant.“ (Interview, Januar 2020) So wie Gustavo nennen die meisten jüngeren Plattformarbeiter_innen Jobs in Cafés oder Restaurants als mögliche Alternative zur Plattformarbeit. Die dortigen Arrangements sind meist ähnlich (schlecht) bezahlt und oftmals noch informeller und prekärer. Deswegen erscheint die per App vermittelte Arbeit ihnen oft als die bessere Option.

    Die wenigen Alternativen für migrantische Arbeiter_innen kontextualisieren deren ambivalente Bewertung von Plattformarbeit in den stratifizierten urbanen Arbeitsmärkten. Viele Sektoren, in denen Plattformen in den letzten Jahren eine Rolle zu spielen begannen – insbesondere im Dienstleistungsbereich –, sind historisch von flexibilisierten Arbeitsverhältnissen geprägt. In ihnen sind überdurchschnittlich häufig migrantische und weibliche Arbeiter_innen tätig. In ihrer Analyse der „Global City“ London, diagnostizieren Jane Wills und ihre Kolleg_innen eine Verstärkung, aber auch eine neue Qualität dieser Tendenz. Sie sprechen von einer „neuen migrantischen Arbeitsteilung“ und bezeichnen damit eine Stratifizierung des Arbeitsmarktes, bei der sich Migrant_innen vorwiegend am unteren Ende finden: „While migrants have long populated the lower echelons of the London labour market, supplying the workers who do the dirty, dangerous and difficult jobs, we posit that something new has been going on over the past two decades or so. Most clearly in relation to its rise to global-city status, London has become almost wholly reliant on foreign-born workers to do the city’s ‚bottom-end‘ jobs.“ (Wills et al. 2010: 1). In jüngerer Zeit spielen in dieser Dynamik digitale Plattformen eine wichtige Rolle. Nicht von ungefähr wurde Deliveroo 2013 in London gegründet. Aus der Perspektive nationaler Arbeitsmärkte mögen die Arbeitsverhältnisse bei digitalen Plattformen oft irregulär erscheinen. Aus der Perspektive migrantischer Arbeit sind sie jedoch Teil einer langen Geschichte hyper-flexibler, prekärer und durch Überausbeutung gekennzeichneter Arbeitsverhältnisse für mobile Bevölkerungen.

    Gerade für Berlin – kontinuierliches Ziel verschiedenster Migrationsbewegungen – kann die Rolle migrantischer Arbeit nicht nur im Bereich digitaler Plattformen nur schwer überschätzt werden. Plattformen profitieren von den jungen, oft hochqualifizierten migrantischen Arbeiter_innen und nehmen deren heterogene Mobilitätspraktiken auf. Auch wenn die individuellen Geschichten und Motive der Migration sehr verschieden sind, zeigt sich in vielen Städten ein ähnliches Bild wie in Berlin: Es sind Migrant_innen, die den Großteil der On-Demand-Arbeiter_innenschaft der Plattformen stellen. Das gilt auch über Europa hinaus. Auf die Frage, wie die Arbeit bei Essenslieferplattformen in seiner Heimatstadt Santiago de Chile funktioniert, analysiert Tomás, ein Berliner Deliveroo-Fahrer, eine ähnliche Form der migrantischen Arbeitsteilung:

    „You see in Chile, it has the same effect as here. A lot of people from Colombia and Venezuela are working there. So, it’s like a job that is accessible to them. It’s just like the same with us, like another country that is coming with difficulties in terms of economics and opportunities.“ (Interview, Juli 2019)

    Die von uns untersuchte Plattformarbeit in Berlin bietet als eine Art Mikrokosmos Einblicke in globale ökonomische und politische Krisen der jüngeren Vergangenheit. Von den Plattformarbeiter_innen kann man ebenso Geschichten über den Krieg in Syrien oder die Währungskrise in Argentinien hören wie über die Verwerfungen der Eurokrise und der Austeritätspolitik in Südeuropa. So berichtet etwa die 22-jährigen Gabriela, dass sie sich in Berlin mehr Chancen auf dem Arbeitsmarkt erhofft als in ihrer Heimat Barcelona:

    „To work in Spain is not good. You don’t get more than 10 euros per hour. You don’t get more. I was working in a restaurant by black. But I was working as dishwasher. But there was also the chef and the waitress. And we all win 5.50 euro per hour, we all.“ (Interview, Mai 2019)

    Gabriela arbeitet sowohl für Deliveroo als auch für Helpling. Um ihre Miete zu finanzieren, zieht sie gelegentlich zu ihrem Freund und vermietet ihre Wohnung unter der Hand für einige Tage über Airbnb: Leben unter Bedingungen des Plattform-Urbanismus.

    Digitale Plattformen verändern die Welt der urbanen Arbeit umfassend. Das gilt nicht nur, aber in besonderer Weise für Migrant_innen. Deren Mobilität, Prekarisierung und Flexibilisierung bildet die Grundlage derartiger Arbeitsverhältnisse in der digitalen Ökonomie. Während die Arbeit auf der Putzplattform Helpling unsichtbar und in privaten Räumen bleibt, sind die Fahrer_innen der Essenslieferdienste oder die inzwischen mehrere Tausend Uber-Taxis aus dem Stadtbild Berlins kaum noch wegzudenken. Das lässt wiederum darauf schließen, dass sich mit der Transformation der Arbeit auch Praktiken und Muster urbanen Konsums, transnationaler Mobilität und sozialer Reproduktion verändern – und damit der urbane Raum selbst. Neben den bisher genannten Plattformen müssen noch viele weitere als Teil dieser Veränderung berücksichtigt werden: von Airbnb bis Google, von TripAdvisor bis Amazon. Deswegen wollen wir im Folgenden unseren Blick über die Plattformarbeit hinaus richten und diesen emergenten Plattform-Urbanismus grob skizzieren.

    3. Plattform-Urbanismus: Geisterküchen und On-Demand-Geografien

    Kehren wir zurück zu dem virtuellen Restaurant in Berlin-Kreuzberg im Juni 2019, von dem der Deliveroo-Kurier die Bestellung abgeholt hat. Es liegt versteckt im zweiten Hinterhof. Wer sich hier nach einem konventionellen Restaurant umschaut, wird lange suchen müssen. So wie der Kurier, als er zum ersten Mal hier eine Bestellung abholte. Neben einer unscheinbaren schwarzen Tür hängt ein dezentes Schild mit dem Firmennamen und den Logos gleich mehrerer in Berlin tätiger Essenslieferdienste. Zahlreiche Fahrradkuriere gehen ein und aus. Hinter der Tür öffnen sich die Räume zur Küche. In diesen virtuellen Restaurants ist alles für die Auslieferung optimiert. Die üblichen kulturellen Insignien eines Restaurants fehlen vollständig, alles findet unter der Maßgabe von Hygiene und Effizienz statt. An einem Regal hängen zahlreiche Tablets, über die im Minutentakt Bestellungen eingehen, die irgendwo in der Stadt per App getätigt wurden. Einige der beliebtesten „Restaurants“ auf diesen Plattformen existieren tatsächlich nur in diesem Raum. In diesem Geisterrestaurant werden mexikanische Burritos, Thaicurry, vegane Hotdogs und hawaiianische Poke Bowls direkt nebeneinander gekocht. Den meisten Kund_innen wird das nicht auffallen: Die Kochstile und Nationalküchen, die hier von denselben Köch_innen zubereitet werden, treten in den Apps der Lieferdienste wie verschiedene Restaurants auf.

    Global entstehen in urbanen Kontexten immer mehr solcher Restaurants, in denen ausschließlich für die Lieferung gekocht wird. Oft werden sie als „dark kitchens“, „cloud kitchens“ oder „ghost kitchens“ bezeichnet. Weil die bestehenden Restaurants, die gleichzeitig Laufpublikum bedienen müssen, sich oft als zu ineffizient für die Anforderungen der Auslieferung erweisen und die beliebten Innenstadtlagen für solche Restaurants mit hohen Mietkosten verbunden sind, steigt die Zahl dieser Geisterrestaurants und damit die Bedeutung der sie begleitenden Geschäftsmodelle. So baute beispielsweise Travis Kalanick, der Mitgründer und ehemalige CEO von Uber, die Firma Cloud Kitchens auf, die auf die Auslieferung optimierte „virtuelle Küchen“ an bestehende Restaurants vermietet, damit sie diese von ihren Restaurantküchen trennen können. Kitchen United, ein von Google finanziertes Start-up, bietet neben Räumen und Küchenausstattung auch Software für Lieferküchen an und verspricht dabei eine Einsparung von 75 bis 80 Prozent des Personals im Vergleich zu herkömmlich organisierten gastronomischen Küchen.

    Auch die Lieferplattform Deliveroo hat auf die Erfahrung reagiert, dass viele Restaurants mit der Nachfrage nach Essenslieferungen überfordert sind und das Programm „Deliveroo Editions“ aufgesetzt. So stehen beispielsweise auf einem heruntergekommenen Parkplatz im Londoner Stadtteil Blackwell, der einst ein Umschlagplatz für Kleidung und Wolle war, zehn fensterlose Container in den Farben der Plattform. In jedem dieser kleinen Container arbeitet das Küchenpersonal beliebter Restaurants aus der Umgebung und kocht Essen – ausschließlich für die Auslieferung, etwa in die benachbarten Bürotürme in Canary Wharf, einem früheren Teil des Hafens, der jetzt ein neues Finanzzentrum ist.

    Die Container, die, abgesperrt durch Metallzäune unter den Schienen der Hochbahn stehen und mit Flutlicht beleuchtet werden, bieten ein eher trostloses Bild. Das Personal beschwert sich über die Temperaturen in den fensterlosen Containern: Je nach Jahreszeit ist es zu kalt oder zu heiß. In anderen Londoner Stadtteilen oder in anderen Städten Großbritanniens, Australiens, Frankreichs oder in Hongkong, in denen es solche Geisterküchen gibt, nutzt „Deliveroo Editions“ alte Warenhäuser oder Fabrikgebäude. Neben der großen Kapazität und den geringen Mieten sind effiziente Abläufe ein zentraler ökonomischer Faktor dieser „virtuellen Küchen“. Zur Projektierung solcher Editions-Küchen nutzt Deliveroo die Daten aus Millionen vorhergegangener Bestellungen. Mit diesen lasen sich unter anderem die Nachfrage nach bestimmten Restaurants und Kochstilen für potenzielle Standorte bestimmen. Die Editions-Küchen sowie die zunehmende Automatisierung und Standardisierung des Kochens spielen eine wichtige Rolle für das langfristige Unternehmensziel, die gelieferten Essen preislich an die Kosten für selbst gekochtes Essen anzunähern.
    Logistische Städte und neuer Plattform-Urbanismus

    Diese Entwicklungen zeigen, dass Plattformen wie Deliveroo Teil tiefgreifender Veränderungen sind, die nicht nur die Welt der Arbeit betreffen, sondern auch die Transformation des urbanen Raums. Produktion und Konsumption von Essen sind ein wichtiger Faktor, der den urbanen Raum, seine Kultur und seine Sozialität prägt, insbesondere in Innenstädten. Im Kontext einer sich immer mehr verbreitenden On-Demand-Logik verändert sich jedoch nicht nur das Essensverhalten, sondern auch das Konsumverhalten insgesamt. Immer mehr Waren – von Büchern über Käse zu Waschmaschinen – werden bis an die Haustüre geliefert. Die logistischen Prozesse bei der letzten Meile der Auslieferung werden dabei immer wichtiger; die Anforderungen an Geschwindigkeit, Flexibilität und Effizienz steigen. Amazon benötigt beispielsweise seit einigen Jahren in den Innenstädten neue Distributionszentren, um seine Prime-Kundschaft zu beliefern, die teilweise mit „Same Hour“-Lieferversprechen umworben wird. In Berlin entstanden neue städtische Amazon-Distributionszentren zuerst am Kurfürstendamm und später in Tegel. Diese neuen, innerstädtischen Lieferzentren tauchen jüngst in vielen größeren Städten auf. Sie ergänzen die großen Distributionszentren, die Amazon normalerweise an strukturschwachen und oftmals von hoher Arbeitslosigkeit gekennzeichneten Orten in der Peripherie von Städten platziert, um Miete und Lohnkosten zu sparen – wie in Brieselang bei Berlin.

    In ihrem Buch Learning from Logistics spekuliert die Urbanistin und Architektin Clare Lyster, dass die Logistik inzwischen zum zentralen Paradigma der Stadtplanung geworden ist, da Ströme von Menschen, Waren und Daten eine immer größere Bedeutung bekommen. Um diesen neuen Urbanismus zu verstehen, schlägt Lyster vor, Zeit und Effizienz als die wichtigsten Vektoren der Urbanisierung zu begreifen und fordert uns auf: „Hypothesize that time is the most critical attribute of city making, reconceptualise the city as integrated service platform rather than a series of figural artefacts.“ (Lyster 2016: 13) Im Blick auf die logistischen Geografien der On-Demand-Logik, die Same-Day- oder Same-Hour-Versprechen der Plattformen, die variablen Lieferzonen, die Stadtbewohner_innen bestimmte Dienstleistungen ermöglichen oder sie von ihnen ausschließen oder die Heat Maps, die Nachfrage in Echtzeit darstellen und automatisch mit Anreizsystemen für Taxi- oder Lieferfahrer_innen verbinden, lassen sich die Umrisse dieser Rationalität erkennen (vgl. Altenried 2019).

    Die neuen Distributionszentren, die Geisterküchen und die von Fahrradkurier_innen und Liefervans bevölkerten Straßen sind sichtbare Ausdrücke materieller Veränderungen urbanen Lebens. Dazu kommen noch viele weitere, zum Teil weniger sichtbare Plattformen. Man denke an die versteckten Geografien urbaner Reproduktionsarbeit und deren Re-Organisation über Plattformen wie Helpling oder Care.com (Altenried/Dück/Wallis 2021), an WeWork – ein Start-up, das Co-Working-Spaces und Büroflächen kurzfristig vermietet – oder an die omnipräsente Ferienwohnungsplattform Airbnb mit ihren teils drastischen Auswirkungen auf Immobilienmärkte, Praktiken des Wohnens und Vermietens sowie auf Gentrifizierungsprozesse. Ein weiteres Beispiel sind Uber, ShareNow, Lime und ihre Effekte auf urbane Mobilität. Manchmal scheint es, als gäbe es keinen Sektor urbanen Lebens, der sich nicht „uberisieren“ ließe. All diese Plattformen interagieren mit den vorhandenen städtischen Ökonomien und Infrastrukturen und transformieren diese zum Teil drastisch. Plattformen spielen auch eine wichtige Rolle beim Aufstieg der sogenannten Smart City. Der Begriff bezeichnet ein Ensemble aus Technogien, Diskursen und neuen Formen der Inwertsetzung des Urbanen, in dem große Plattformen und Technologieunternehmen eine wichtige Rolle spielen.

    Wie lassen sich diese komplexen Entwicklungen analysieren und konzeptualisieren? Hier kommt der Begriff des Plattform-Urbanismus ins Spiel, wie das gleichnamige Buch von Sarah Barns (2020), der digitale Roundtable der Zeitschrift Mediapolis (Rodgers/Moore 2018) oder der Schwerpunkt der Zeitschrift Urban Geography (Sadowski 2020) zeigen. Weder gemeinsam noch einzeln liefern diese Debattenbeiträge einen kohärenten Theorieansatz oder einen fertigen analytischen Rahmen. Sie bieten aber Ansatzpunkte für ein Nachdenken über die neueren Entwicklungen und die Urbanisierung des digitalen Kapitalismus. Der Begriff des Plattform-Urbanismus erlaubt einerseits eine Analyse der Verräumlichung von Plattformen und der Geografien des Plattform-Kapitalismus (Srnicek 2016). Der Blick auf die Geografie von Plattformen zeigt andererseits, dass diese meist ein dezidiert urbanes Phänomen sind.[3] Uber, Deliveroo oder Helpling können ihre Netzwerkeffekte am besten im verdichteten Raum der Stadt entfalten. Hier, wo sie auf mobile, prekäre und flexibilisierte Arbeit zurückgreifen können, entwickeln sie ihre Dynamik.

    Wie bereits erwähnt wollen wir die unterschiedlichen Plattformen und ihre variablen Einflüsse auf städtisches Leben nicht vereinheitlichen. Zugleich fehlt es hier am nötigen Platz, um die Umrisse einer Theorie des Plattform-Urbanismus vertieft zu diskutieren. Dennoch erscheint uns die Infrastrukturwerdung von Plattformen als möglicher Ausgangspunkt für solche Überlegungen zentral zu sein. Wie wir gezeigt haben, zielen die meisten Plattformen auf unterschiedliche Weisen darauf ab, unverzichtbare Infrastrukturen des Alltagslebens zu werden. Die beobachtbare Plattformisierung von Infrastruktur und die Infrastrukturisierung von Plattformen (vgl. Plantin et al. 2018) lassen sich dementsprechend vielleicht als die zentrale Wirkungsweise von Plattformen auf den urbanen Raum fassen. Die Diskussion des Plattform-Urbanismus im Kontext der digitalen Re-Konfiguration räumlicher und informationeller Infrastruktur (Easterling 2014, Bratton 2016) erschließt auch eine politische Kritik der plattformgetriebenen Transformation des urbanen Raums. Schließlich zeichnet sich die Plattformisierung städtischer Infrastruktur fast immer durch eine massive Ökonomisierung dieser Infrastrukturen aus. Zudem geht sie mit einer Verschärfung existierender Ungleichheiten und der immer weitergehenden Inwertsetzung neuer Bereiche urbanen Lebens einher. Das aggressive Vorgehen von Plattformen wie Uber und Airbnb sowie die Probleme verschiedener Städte, sich dagegen zu wehren, markieren die Relevanz dieses Phänomens. Die Arbeitskämpfe auf verschiedenen Plattformen oder der breite Widerstand gegen Airbnb mit seinen globalen Auswirkungen zeigen allerdings auch, dass der Prozess der Plattformisierung der Stadt nicht linear und unwidersprochen verläuft. Auch die Algorithmen der Arbeitsplattformen sind nicht allmächtig, Arbeiter_innen finden immer wieder Lücken und Praxen, um die Algorithmen zu ihrem Vorteil auszutricksen. Obwohl die Plattformen selbst gerne den Anschein erwecken, ist die Plattformisierung keineswegs ein lückenloser, unumkehrbarer und allumfassender Prozess, sondern praktisch auf jeder Ebene umkämpft und kontingent.

    4. Schluss: Berlin, März 2020

    Im Vergleich zur eingangs beschriebenen Szene hat sich viel verändert. Nur wenige Wochen später, im August 2019, hat die Plattform Deliveroo ihr Deutschlandgeschäft eingestellt. Über die Gründe lässt sich nur spekulieren. Die circa 1.000 Berliner Fahrer_innen der Plattform waren davon völlig überrascht. Wenige Tage bevor die Entscheidung öffentlich bekannt wurde, hatten alle Deliveroo-Fahrer_innen eine Nachricht erhalten, dass im Büro neue Ausrüstung für sie zur Abholung bereitliege. Kurz darauf folgte eine E-Mail, die das Ende der Plattform zum Ende der Woche ankündigte. Der spontane Rückzug löste bei vielen Unglauben und Panik aus, bedeutete er doch für sie plötzliche (Teil-)Arbeitslosigkeit und massive finanzielle Einbußen. Er verdeutlichte so auf drastische Weise die enorme Prekarität der Plattformarbeit. Die Einstellung verweist darauf, dass die meist risikokapitalfinanzierten Interventionen von Plattformen in den urbanen Raum auch im Falle ihres Scheiterns drastische Folgen haben können.

    Wenige Monate später, im März 2020, arbeiten viele der ehemaligen Deliveroo-Fahrer_innen beim Konkurrenten Lieferando, der inzwischen das Geschäft mit Essenslieferungen in Berlin dominiert. Ihr Alltag hat sich damit jedoch nicht wieder normalisiert. In Folge der Covid-19-Pandemie ist die Stadt im Lockdown. Obwohl Lieferando seit Beginn der Krise mit „kontaktloser Lieferung“ wirbt, sind die Fahrer_innen erheblichen gesundheitlichen Risiken ausgesetzt. Sie schwanken zwischen der Angst, sich durch die zahlreichen Kontakte mit der Kundschaft und in Restaurants anzustecken und der Befürchtung, dass ihre Tätigkeit eingestellt wird. Lieferando versprach zwar Schutzausrüstung, lieferte diese aber zur Verärgerung vieler Fahrer_innen wochenlang nicht aus. Im Gegensatz zu Deliveroo sind die Fahrer_innen bei Lieferando per Minijobs oder mit anderen Teilzeitverträgen angestellt. So stehen sie bei der Befürchtung sich anzustecken immerhin vor der Wahl, Urlaub zu nehmen oder Fehlzeiten anzuhäufen. Solo-selbstständige Arbeiter_innen anderer Plattformen haben keine derartige Absicherung. Arbeiter_innen von Helpling berichten, dass die Aufträge seltener werden und sie ohne Schutzausrüstung Angst haben, die Wohnungen der Kund_innen zu betreten. Wie unzählige Plattformarbeiter_innen auf der ganzen Welt stehen sie derzeit vor der Wahl, entweder auf Einkommen zu verzichten oder ihre Gesundheit aufs Spiel zu setzen. Hier zeigt sich besonders deutlich das stratifizierte Risiko in Zeiten der globalen Pandemie. Für mobile Bevölkerungen gilt dies sowohl hinsichtlich ihrer Arbeit als auch ihres prekären Zugangs zur Gesundheitsversorgung.

    Auch wenn einige Plattformen wie Airbnb und Uber während der Covid-19-Pandemie zunächst deutlich unter dem generellen Rückgang der Mobilität litten, spricht vieles dafür, dass die Pandemie auf längere Sicht zum weiteren Aufstieg der Plattformen beitragen wird. Während der ersten Lockdowns etwa in Paris und Mailand waren die Fahrer_innen von Deliveroo und anderen Lieferdiensten oft die einzigen Menschen, die noch auf den leer gefegten Straßen zu sehen waren. Im Vereinigten Königreich führten Uber, Deliveroo und Just Eat Gespräche mit der Regierung, um gegebenenfalls die Versorgung älterer Menschen zu übernehmen. Seit Beginn der Covid-19-Krise bieten viele dieser Essensplattformen zusätzlich die Lieferung von Gütern des täglichen Bedarfs an. In China führte der Ausbruch von Covid-19 zu einem Boom von Plattformen, die Essen und Lebensmittel an die Haustüren der isolierten Kund_innenschaft liefern. Auch in Deutschland ist die Nachfrage nach Lieferungen ins eigene Zuhause enorm gestiegen. Amazon stellte Hunderttausende neue Liefer- und Lagerarbeiter_innen ein, um die explodierende Nachfrage zu bewältigen. Jetzt, im Zuge der Covid-19-Krise, zeigt sich die gesellschaftliche Relevanz dieser Plattformen noch deutlicher, ebenso wie die Prekarität ihrer Arbeitsmodelle: Sie sind ein Gesundheitsrisiko für vorwiegend migrantische Arbeitskräfte, die sich damit in diesen Zeiten ihre Reproduktion sichern. Daher nimmt zugleich auch die Kritik an diesem Geschäftsmodell zu. Einige Plattformen sehen sich inzwischen genötigt, ihre Arbeiter_innen im Krankheitsfall zu unterstützen. Auch wenn diese Unterstützung Garantien und soziale Rechte nicht ersetzen können, sind sie doch Ausdruck eines politischen Drucks nicht zuletzt der Plattformarbeiter_innen selbst. Auch dieser verstärkt sich mit der aktuellen Krise weiter.

    Dieser Artikel wurde durch Publikationsmittel im Forschungsprojekt Plattform Labour in Urban Spaces (PLUS) gefördert, finanziert durch die Europäische Kommission im Rahmen des Programms Horizon 2020 (Grant agreement No. 822638).
    Endnoten

    [1]
    Es handelt sich zum einen um das von der Deutschen Forschungsgemeinschaft (DFG) unterstützte Projekt „Digitalisierung von Arbeit und Migration“ (Fördernummer 398798988), in dem wir (Moritz Altenried und Manuela Bojadžijev) gemeinsam mit Mira Wallis und Felix Busch-Geertsema forschen: http://www.platform-mobilities.net. Zum anderen geht es um das von der Europäischen Kommission im Rahmen des Programms Horizon 2020 geförderte Forschungsprojekt „Platform Labour in Urban Spaces“ (PLUS, Grant agreement No. 822638), in dem außer uns (Moritz Altenried, Stefania Animento und Manuela Bojadžijev) Valentin Niebler und Roxana Weger arbeiten. Die Unterstützung der Europäischen Kommission für die Erstellung dieser Veröffentlichung stellt keine Billigung des Inhalts dar, welcher nur die Ansichten der Verfasser wiedergibt, und die Kommission kann nicht für eine etwaige Verwendung der darin enthaltenen Informationen haftbar gemacht werden.
    [2]
    Sämtliche Namen von Interviewten haben wir geändert.
    [3]
    Eine Ausnahme bilden sogenannte Crowdworking-Plattformen, deren genuine Qualität darin besteht, über den gesamten Globus verteilte digitale Arbeiter_innen miteinander zu verbinden. Crowdworking-Plattformen bilden eine Art digitaler Fabrik räumlich verteilter Heimarbeiter_innen und kreieren so eine eigenständige Geografie, die sich nicht unbedingt mit den urbanen Zentren deckt.

    Autor_innen

    Stefania Animento hat ihre Schwerpunkte im Bereich Mobilität, Migration und Klasse sowie Stadt- und Gentrifizierungsforschung.

    animento@leuphana.de

    Manuela Bojadžijev interessiert sich für gegenwärtige Transformationsprozesse von Mobilität und Migration sowie von Rassismus, im Zusammenspiel mit Veränderungen von Arbeit und Alltag durch Digitalisierung und Logistik, vorwiegend in urbanen Räumen.

    manuela.bojadzijev@hu-berlin.de

    Moritz Altenried arbeitet empirisch und theoretisch unter anderem zu Digitalisierung, Arbeit, Migration, Plattformen und Logistik im globalen Kapitalismus.

    moritz.altenried@hu-berlin.de
    Literatur

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    #Berlin #Arbeit #Gigwork #Plattformkapitalismus

  • Plattform, Lieferdienst und Co. - ZDFmediathek
    https://www.zdf.de/dokumentation/zdfzoom/zdfzoom-plattform-lieferdienst-und-co-100.html
    https://www.zdf.de/assets/zdfzoom-plattformen-arbeitswelt-100~1280x720?cb=1675845020831

    Verfügbarkeit:
    Video verfügbar bis 08.02.2025

    ZDFzoom
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    Für Menschen mit schlechter formaler Ausbildung oder fehlenden Deutschkenntnissen, die sich auf dem herkömmlichen Arbeitsmarkt schwertun, bieten Plattformwirtschaft und Lieferdienste die Möglichkeit, überhaupt einen Job zu finden.

    Das Prinzip: Über eine App ordert der Kunde seine Einkäufe, bestellt eine Putzhilfe oder eine Betreuungskraft. Die Vorteile: Verbraucher sparen Wege, können den günstigsten Anbieter auswählen, es entstehen neue Jobs. Die Schattenseite: Es herrscht harte Konkurrenz unter den Plattform-Arbeiter*innen, viele sind arbeitsrechtlich kaum abgesichert.

    Zwar sind viele Fahrradkuriere, sogenannte „Rider“, mittlerweile in Deutschland angestellt, jedoch haben viele befristete Verträge, anderen wird noch während der Probezeit gekündigt. Die Angst vor Job- und Einkommensverlust fährt bei vielen mit. „Wenn ich stürze und es passiert nichts Ernstes, nur etwas Schmerzen hier und da - dann ziehe ich es vor weiterzuarbeiten, statt mich krank zu melden,“ berichtet ein Rider, der nicht erkannt werden möchte. Gesteuert von einer App sind die Beschäftigten der neuen Arbeitswelt oftmals vereinzelt und austauschbar. Viele kennen ihre Rechte nicht oder scheuen sich, diese gerichtlich einzufordern, weiß Rechtsanwalt Martin Bechert. In Brüssel hat man erkannt, dass die neue Arbeitswelt bessere Regeln braucht.
    „Es kann nicht sein, dass wir einen neuen Wirtschaftszweig aufbauen, der auch seine Wichtigkeit hat, (…) und dass die sozialen Regeln dem nicht entsprechen.“, sagt EU-Kommissar Nicolas Schmit im Interview mit „ZDFzoom“-Reporter Arne Lorenz.

    #Deutschland #Arbeit #Gigwork #Plattformkapitalismus

  • Laura-Solmaz Litschel — Berlin Institute for Empirical Integration and Migration Research (BIM)
    https://www.bim.hu-berlin.de/en/ppl/ac-pers/solmaz-litschel-laura

    litschel@hu-berlin.de
    Department of Integration, Social Networks and Cultural Lifestyles
    Research Associate in the project NITE

    phone: +49 (0)30 2093-46255
    litschel@hu-berlin.de

    Profile

    Laura-Solmaz Litschel is a research assistant and doctoral student at the Berlin Institute of Migration Research at the Humboldt University of Berlin. She is also an associate member of the Centre for Digital Cultures (CDC) at Leuphana University Lüneburg.

    From 2019-2020, she was a research assistant and PhD student at the Institute for Sociology and Cultural Organisation (ISKO) at Leuphana University. She works in the transnational project “Night spaces: migration, culture and IntegraTion in Europe (NITE)”. The overall project, funded by HERA (Humanities in the European Research Area), looks at material, symbolic and virtual night spaces shaped by the migration society in five European countries (the Netherlands, Ireland, the UK, Germany, Denmark and Portugal).

    In Berlin, Laura-Solmaz Litschel uses the example of digitally-organised platform work to explore how the city night is being transformed by the shift to the smart city and to what extent this “digitalised night” promotes new practices of mobility.

    She completed her studies at the University of Bremen (M.A.), the University of Cordoba and the University of Göttingen (B.A.).


    Current Research Focus

    Digitalisation and (digital) work
    Migration Studies
    Night Studies
    Platform Labour
    Smart City

    Selected Talks

    Litschel, Laura-Solmaz: Transformers of the urban Night: Platform Labour, Migration and Smart City. Panel: Anthropological Perspectives of Global Platform Labour. EASA (European Association of Social Anthropologists). 07/2020:

    Litschel, Laura-Solmaz: The new old normal. Platform Labour under Covid 19 Conditions in Berlin. Poster Presentation. Conference: Politics and Ethics of Platform Labour: Learning from Lived Experiences. Centre for research in the artis, social scienes and humanities. University of Cambridge. 04/2021.

    Litschel, Laura-Solmaz: Augmented Cities: Transformers of the Urban Night. Panel: In the name of the future. SIEF 2021. Helsinki. 06/2021.

    Litschel, Laura-Solmaz: The old normal”: Digital day laborers stay mobily 24/7. Conference: Remote work and Covid: mobility, safety and health at the time of the pandemic. University of Talinn. 06/2021.

    Litschel, Laura-Solmaz: Nocturnal Platform Labour (NITE) 22.11.2021: Fairwork Winter School. Internationale Konferenz zu Plattformarbeit, Migration und sozialer Reproduktion. Abteilung Netzwerke und kulturelle Lebensstile in Kooperation mit Fairwork Germany, Technische Universität Berlin, University of Oxford, Wissenschaftszentrum Berlin (WZB).

    Litschel, Laura-Solmaz: Platform Labour at Night. Stadt nach Acht - Nightlife Konferenz. Berlin. 25.11.2021.

    Litschel, Laura-Solmaz: Die Wartung der Smarten Stadt. Nächtliche Gig Work in Berlin. Kolloquium: hinter verschlossenen Türen? Empirische Zugänge, Methodologische Reflexionen und ethische Implikationen zu schwer zugänglichen Feldern. Universität Hamburg. 13.01. 2022

    Selected (journalistic) Publications

    Litschel, Laura-Solmaz /Faltenbacher, Sofia (2016): Digitaler Wandel: Es läuft nicht mehr wie früher. In: Die Zeit 15/2016. online: https://www.zeit.de/2016/15/digitaler-wandel-berufe-zukunft-roboter-erik-brynjolfsson
    Litschel, Laura-Solmaz (2021): Während wir schlafen. Amazon, Lieferando, E-Scooter: Wie das smarte Leben neue Nachtarbeit schafft. Wer rackert so spät bei Nacht und Wind? In: Der Freitag Ausgabe 27-2021 online: https://digital.freitag.de/2721/wer-rackert-so-spaet-bei-nacht-und-wind
    Litschel, Laura-Solmaz /Zych, Jola (2021): The augmented city: nocturnal platform labour under Covid-19 conditions in Berlin. Reimagining the Night. In: Urban Pamphleteer #9. Urban Lab. University College London. online: http://www.urbanpamphleteer.org/reimagining-the-night

    #Berlin #Forschung #Wissenschaft #Arbeit #Gigwork #Nachtarbeit

  • Gorillas-Lieferdienst : Klassenkampf im Gerichtssaal | Telepolis
    https://www.heise.de/tp/features/Gorillas-Lieferdienst-Klassenkampf-im-Gerichtssaal-6666242.html

    7.4.2022 von Peter Nowak - Für die Betroffenen war die gestrige Verhandlung nur eine Etappe auf dem Weg zum Europäischen Gerichtshof.

    Die Kündigungen von drei Beschäftigten des Essenslieferanten Gorillas wegen Beteiligung an einem „wilden Streik“ sind wirksam. Die Klage der Betroffenen dagegen vor dem Berliner Arbeitsgericht ist gescheitert.

    In einem Fall hat das Gericht allerdings die fristlose Kündigung zurückgewiesen, weil nicht hinreichend dargelegt worden sei, wie der Rider – so werden die Gorilla-Fahrer genannt – am Streik involviert war. Da er noch in der Probezeit war, konnte allerdings das Beschäftigungsverhältnis nach einer Zweiwochenfrist beendet werden, so das Gericht.

    So konnten alle drei Beschäftigten nicht wieder an ihre Arbeitsplätze zurückkehren. Trotzdem sehen sie in der Entscheidung keine Niederlage. Sie war vielmehr erwartet worden. Wer am Mittwoch die 90-minütige Verhandlung verfolgte, war schnell davon überzeugt, dass die Beschäftigten dort keinen Erfolg haben werden.

    Im Gerichtssaal war vielmehr eine Atmosphäre von Klassenkampf zu spüren. Arbeitsrichter Kühn drohte sogar mit Räumung des Saals, weil ein Besucher einem nicht-deutschsprachigen Rider die Dialoge im Gerichtssaal übersetzte. Da konnte schon von einer Diskriminierung gesprochen werden, denn die Mehrzahl der Rider ist migrantisch und untereinander kommunizieren sie auf Englisch. Da ist es besonders fatal, dass Menschen, die dann versuchen, die Sprachdefizite durch Übersetzung in Eigeninitiative ausgleichen, sanktioniert werden.

    Auch gegenüber dem Anwalt der Beschäftigten, Benedikt Hopmann, waren die Töne des Richters sehr rau. Er beschuldigte ihn, auf Kosten der Beschäftigten Politik betreiben zu wollen. Das zeigte sich für Kühn schon daran, dass über 50 Menschen den Prozess verfolgten, der dafür extra in einen größeren Saal umziehen musste.

    Für Hopmann ist das Interesse deshalb so groß, weil es viele Menschen gibt, die ein Interesse an einem Ende des regressiven Streikrechts in Deutschland haben, so seine Ausführungen im Gerichtssaal.

    Hoffnung auf EU-Recht?

    Diese Hoffnung allerdings bleibt trotz des negativen Urteils beim Berliner Arbeitsgericht weiter bestehen. Es war schon eingepreist und ist die Voraussetzung, damit die Kläger durch alle Instanzen und bis zum Europäischen Gerichtshof ziehen können. Das aber, so die Hoffnung von Hopmann, könnte das regressive Streikrecht in Deutschland kippen, das in der Pressemitteilung des Berliner Arbeitsgerichts noch einmal ausdrücklich bestätigt wurde.

    Das Gericht erachtete zwei der außerordentlichen Kündigungen für wirksam. Zur Begründung hat das Gericht ausgeführt, dass die Teilnahme an einem Streik nur dann rechtmäßig sei, wenn dieser von einer Gewerkschaft getragen werde.

    Aus der Pressemitteilung des Berliner Arbeitsgerichts

    Hopmann verweist auf die Europäische Sozialcharta, die im Widerspruch dazu stehe. Sie stärke ausdrücklich das Recht auf Streiks ohne Gewerkschaften sowie politische Streiks, was Hopmann in einem Online-Vortrag auch gut begründet.

    Dass deutsche Regierungen der unterschiedlichen Zusammensetzungen die Europäische Sozialcharta behindern, kritisiert auch der gewerkschaftsnahe Jurist Wolfgang Däubler.

    Trotzdem wäre ein zu großer Optimismus verfrüht, dass das regressive deutsche Streikrecht durch EU-Recht liberalisiert wird. Das zeigte sich schon daran, dass der Anwalt des Essenslieferanten die Sozialcharta ganz anders auslegt.

    Hier wurde eben deutlich, dass es sich um einen Klassenkampf im Recht handelt. Das EU-Recht hat in verschiedenen Minderheitenfragen tatsächlich liberalen Positionen zum Durchbruch verholfen, aber ist nicht als besonders gewerkschaftsfreundlich aufgefallen. Trotzdem ist die aktuelle Auseinandersetzung wichtig.

    Neue Gesicht der Arbeitskämpfe in Deutschland

    Die Grundlage ist eine neue Welle von Arbeitskämpfen, die durch die Rider verschiedener Essenslieferanten initiiert wurden, die lange als schwer organisierbar galten. Doch mit der Gründung der Deliverunion zeigte sich, dass auch dort Organisierungsprozesse möglich sind, wie der Soziologe Robin De Greef in dem Buch „Riders Unite!“ nachgewiesen hat.

    Nun ist bei Gorillas eine neue Welle der Beschäftigten in den Kampf getreten. Sie ist transnational. Ihr Kampf dreht sich um mehr Lohn, bessere Arbeitsbedingungen, aber auch um überdachte Pausenräume. Sie haben mit ihren Arbeitskämpfen überhaupt erst wieder die Diskussion um das regressive deutsche Streikrecht auf die Agenda gesetzt.

    Das wurde in dem Redebeitrag von Gorilla-Riderin Duygu Kaya deutlich. Die Akademikerin aus der Türkei beschrieb gut, dass sie als Migrantin auch in Deutschland in prekäre Arbeitsverhältnisse wie bei Gorillas gezwungen ist. Sie erklärte, wieso die Beschäftigten dort in den Arbeitskampf traten und auch trotz Repression daran festhielten.

    Eigentlich wollte Kaya den Beitrag vor Gericht halten, um dort zu begründen, warum sie in den Arbeitskampf trat. Doch das ließ Richter Kühn mit der Begründung nicht zu, er könne keine Schmähkritik im Gerichtssaal dulden. Vielleicht, weil Kaya auch auf den NS-Hintergrund des regressiven deutschen Streikrechts erinnerte. Es wurde bereits 1934 von Hans-Carl Nipperday in seinem Gesetz zur Ordnung der Nationalen Arbeit formuliert und hat noch immer Gültigkeit.

    Solidarität mit Beschäftigten auch im Stadtteil

    So konnte Kaya ihre Rede vor dem Berliner Arbeitsgericht halten, wo die Berliner Aktion gegen Arbeitgeberunrecht zu einer Kundgebung aufrief. Dort haben sich verschiedene Gruppen, unter anderem die AG Taxi bei der Dienstleistungsgewerkschaft verdi, mit den Gorilla-Riders solidarisiert.

    Schon einige Tage zuvor haben Nachbarn ebenfalls ihre Solidarität gezeigt, als dort eine Gorilla- Filiale geschlossen wurde. Vorher hatten einige Anwohner gegen das „migrantische Unternehmen“ mobilisiert, das angeblich nicht in die bürgerliche Wohngegend passe. Auf der Kundgebung am 30. März setzte ein Mitarbeiter des Roten Antiquariats, das in der Straße seine Filiale hat, in einer Rede andere Akzente:

    Doch statt die Arbeitsbedingungen und die Kapitalstrategien zu kritisieren, werden die oftmals migrantischen Beschäftigten selber zu Sündenböcken erklärt. Es wird sich über die hohe Geschwindigkeit der Fahrradkuriere oder die blockierten Straßen mokiert aber nicht gesehen, dass die Beschäftigten im Zustellungsbereich einen gewaltigen Druck erleben und sie es sind, die die bestellten Waren transportieren aber nicht konsumieren. Die Logik ist klar, man will beliefert werden, aber der Lieferverkehr und die Arbeitskräfte sollen nicht stören. Die Kuriere sind jedoch die modernen Dienstboten unserer Zeit.

    aus einer Rede eines Mitarbeiters des Roten Antiquariats auf einer Solidaritätskundgebung für Gorillas-Beschäftigte

    Diese außerbetriebliche Solidarität ist der Erfolg der Arbeitskämpfe der Riders. Wenn es ihnen gelingt, über den Europäischen Gerichtshof ein regressives deutsches Streikrecht mit NS- Hintergrund zu kippen, wäre das ein besonderer Erfolg.

    #Berlin #Arbeit #Justiz #Gigworking #Kündigung #Arbeitskampf #Klassenkampf #Fahrradkurier #Transport

  • RACIST ASSAULT OF NOTTINGHAM DELIVEROO RIDER FOLLOWS MURDER OF TAKIEDDINE BOUDHANE IN LONDON
    https://iwgb.org.uk

    · Delivery worker assaulted in Nottingham after he intervened to prevent an altercation between another delivery worker and two pedestrians on Monday 6 January.

    · The assault comes days after the murder of UberEats and Deliveroo rider Takieddine Boudhane, fatally stabbed in Finsbury Park, north London on Friday.

    · Mr. Boudhane’s death has led to renewed calls for better rights and protections for delivery drivers, who assume high risk for poverty pay at a time IWGB members report a rise in assaults.

    · Delivery workers are routinely denied sick pay and holiday pay, meaning many cannot afford to take time off work following accidents or assaults.

    08 January: The incident took place at approximately 20.00 on Upper Parliament Street in Nottingham. The injured party, whose last name is withheld for his safety, intervened in an altercation between two pedestrians and another delivery rider. Ibraheem witnessed one of the pedestrians kicking his colleague’s moped. Concerned for the driver’s safety, who was physically struck, Ibraheem tried to diffuse the situation and advised the other driver to leave the area. Once he did so, the pedestrians began directing racist abuse towards Ibraheem, calling him a “dirty brown bastard” and telling him to “go back to his country” before police attended the scene.

    Ibraheem says: “It’s hard to express how it feels being told to go back to your country in the very city where you were born and bred. The other driver was hit and I was spat at for trying to help him. Delivery riders are being targeted and intimidated a lot, we’re in danger every day we go to work. I’ve got no entitlement to sick pay or holiday pay, so I’m going back out in the streets to work tonight because I can’t afford to stay home. I got no support from Deliveroo, only other drivers and the IWGB. Deliveroo just suggested I work outside my own city, somewhere I don’t know, which could be even more dangerous. We deserve better than that.”

    Alex Marshall, courier and IWGB Couriers & Logistics Branch Chair, says: "We were appalled to learn of the murder of Takieddine Boudhane. His loved ones are in our thoughts and we send solidarity to everyone affected by his death, which has shaken the courier community. To hear just days later that one of our members in Nottingham has been physically assaulted and subjected to racist abuse at work has been devastating. Delivery workers are putting their lives on the line for poverty pay and BAME workers are among those most at risk.

    The IWGB has seen a worrying rise in reports like this and in the event of an accident or assault at work, companies take no accountability. That is the gig economy culture. If these worker’s rights were respected by the companies they work for the picture would look very different and perhaps lives would be saved.”

    Notes to Editors

    The IWGB is the leading union for so-called “gig economy” workers. In November 2018 it organised the first UK nation-wide strike of Uber drivers, when drivers in London, Birmingham and Nottingham turned off their app in protest to unfair deactivations and low pay.

    In December 2018, the IWGB has defeated Uber at the Court of Appeal, in a landmark decision over the employment rights of its drivers. The Court of Appeal upheld the previous decisions by the Employment Tribunal and Employment Appeal Tribunal, which ruled that Uber had unlawfully classified Uber drivers as independent contractors rather than workers, denying them basic rights such as a guaranteed minimum wage and holiday pay. However, the ruling only applies to Uber minicab drivers, not UberEats delivery workers.

    The IWGB has also taken legal action against other gig economy companies such as Deliveroo, CitySprint and TDL. These include worker recognition cases and claims for backdated holiday pay worth over £1 million.

    https://www.independent.co.uk/news/business/news/nhs-gig-economy-couriers-blood-transfusions-union-recognition-the-doc
    https://iwgb.org.uk/post/5d09f070e04c2/nhs-medical-couriers-landmark-

    @IWGBunion

    #Großbritannien #Nottingham #Rassismus #Arbeit #Gigworking #disruption #Kriminalität

  • Deliveroo driver murder: Calls for more protection for delivery workers after deadly London stabbing | The Independent
    https://www.independent.co.uk/news/uk/crime/deliveroo-driver-murder-finsbury-park-stabbing-london-ubereats-corbyn

    4 days ago - by Eleanor Busby - ‘More members of public are treating delivery drivers with utter contempt,’ union says

    The fatal stabbing of a man in London has prompted calls for better protection for delivery drivers.

    The 30-year-old victim – who is believed to have worked as a delivery rider for UberEats and Deliveroo – was found in the Finsbury Park area on Friday night after reports of a knife attack.

    The Metropolitan Police said the incident appears to have occurred as a result of an isolated traffic altercation.

    But Labour leader Jeremy Corbyn and delivery drivers have called for greater protection from attacks following the death of the delivery driver from Algeria.

    Speaking from the scene of the knife attack on Saturday, Mr Corbyn, whose Islington North constituency includes Finsbury Park, said: “There are a lot of people working as delivery drivers, they must have better conditions of employment and employers must take more responsibility for their safety too.”

    “Police cuts have meant fewer officers on the streets and this raises issues of safety in the community in general,” he added. “Delivery drivers do a great job in London all of the time. Yet they are vulnerable.”

    Alex Marshall, chair of the couriers and logistics branch of the Independent Workers’ Union of Great Britain (IWGB), said the union had noticed a rise in delivery drivers facing abuse when out on the road.

    He told The Independent: “More members of the public are treating delivery drivers with utter contempt. The companies they work for treat them awfully.

    “If the companies, who are supposed to be the ones looking after them, are treating riders with a lack of respect then it sets an example to so many other people to treat them in exactly the same way.”

    Mr Marshall believes employers could do more to improve the safety of drivers – such as providing onboard cameras and cars rather than bikes – and the police could provide more support.

    “When it comes to keeping them safe, a lot of the time the police are nowhere to be seen,” he added.

    Some of the delivery drivers gathered at the scene of the fatal stabbing criticised the companies they worked for and the police for not doing enough to protect them from attacks.

    Deliveroo and Uber driver Zakaria Gherabi, who knew the victim as “Taki”, said he has been attacked on multiple occasions while working as a delivery driver and says he no longer feels safe.

    In October last year, Mr Gherabi said an attacker punched him in the eye and dislocated his socket. “My attackers are still on the streets. The police do nothing. It happens. Nobody is going to save you. The company does not care, we are self-employed, but the food we are carrying is insured,” he said.

    Mr Gherabi added: “I knew the victim. He did not do anything, he was a good guy. He was stabbed to death on these busy streets. The job is not safe. I don’t feel safe doing it.”

    One driver said they felt unsafe “100 per cent” of the time. Another said: “I was attacked here by people with a big machete and now this man has been killed for no reason. The police do nothing.

    “They just come, take a statement and then they go.”

    Gulcin Ozdemir, a Labour councillor in Islington, north London, tweeted: “The lack of protection delivery drivers have where many of them have been physically abused, mugged at knifepoint and feel like easy targets. They shouldn’t be going to work in a constant state of fear.

    “My condolences to the family and Algerian community who are so heartbroken.”

    Detective Chief Inspector Neil John, who is leading the investigation, confirmed the victim’s next of kin have been informed, but that a post-mortem and formal identification have yet to take place.

    DCI John said: “The investigation is at a very early stage. It would appear at this time that an altercation has taken place between the victim, who was riding a motorcycle, and the driver of another vehicle in the vicinity of Lennox Road and Charteris Road, Finsbury Park.“

    He added: “The incident itself appears at this early stage to have been spontaneous and not connected to, or as a result of, anything other than a traffic altercation.

    “Specialist officers are working extremely hard to build a clear picture of what happened and I would encourage anyone who may have seen the incident or has information to come forward.

    “A forensic examination of the scene has been undertaken and I expect the road to reopen very soon.”

    #Großbritannien #London #Rassismus #Arbeit #Gigworking #disruption #Kriminalität

  • Der Selbstausbeuterhase (Tageszeitung junge Welt)
    https://www.jungewelt.de/artikel/365235.startup-der-selbstausbeuterhase.html

    22.10.2019 von Ralf Wurzbacher - Nach Uber, Deliveroo und Lime kommt nächste Ausnutzer-App, die billige Hilfskräfte für Alltagsgebrauch anbietet

    MICHAEL OSTUNI IMAGES
    Zu beschäftigt, um einen Spiegel anzubringen? Erfolgreiche City-Menschen können jetzt »Tasker« anheuern

    Keine Freunde, keine Nachbarn, keine Zeit. Aber im Kofferraum einen siebentürigen Platsa-Kleiderschrank von IKEA – noch verpackt und in tausend Teile zerlegt. Was tun? Die Rettung naht und hat einen Namen: »Task-Rabbit«. Bisher schon in Nordamerika, Großbritannien und Frankreich im Einsatz, schlägt der »Aufgabenhase« demnächst auch in Deutschland seine Haken. Das 2008 im Silicon Valley gegründete Startup-Unternehmen vermittelt über eine App sogenannte Minidienstleistungen an Privatpersonen. Wenn die Klospülung streikt, der Kühlschrank Zicken macht oder der Weg zum Bäcker zu beschwerlich ist, dann schlägt die Stunde der »Tasker«. Sie rücken an, verrichten die Arbeit, kassieren und hoffen gespannt auf die nächste Buchung. Über 60.000 solcher Helfer sollen weltweit bereits unterwegs sein, und gerade der deutsche Markt verspricht enormen Zuwachs.

    Losgehen wird es Ende November. Ab dann steht der »Hiwi für alle Fälle« auch hierzulande zum Anheuern bereit. Den Anfang machen das Rhein-Ruhr-Gebiet sowie Berlin und Umgebung. Bis Ende 2020 wolle man das Angebot auch auf Frankfurt am Main, München, Hamburg und Stuttgart ausweiten, äußerte sich Task-Rabbit-Chefin Stacy Brown-Philpot in einem Interview mit der Zeitung Die Welt vom Montag. Darin beschreibt sie, wie alles vonstatten geht: Der Kunde müsse per App kurz beschreiben, wo der Schuh drückt, und den Zeitpunkt bestimmen, wann der Auftrag zu erfüllen ist. »Dann zeigen wir eine Liste von ›Taskern‹ die zu ihren selbst festgelegten Stundensätzen zur Verfügung stehen. Sie wählen jemanden aus, können sich im Chat besprechen – und dann kommt die Person vorbei und erledigt einfach ihren Job.«

    Was so schön und einfach klingt, hat natürlich Kehrseiten. Wie in der sogenannten Share- und Gig-Economy üblich, wirtschaften auch die Leute, die für Task-Rabbit arbeiten, komplett auf eigenes Risiko: Sie arbeiten durchgängig als Freelancer, haben keine Sozialversicherung und können bestenfalls in engen Grenzen frei über ihre Tätigkeit entscheiden. Allerdings soll es laut Brown-Philpot in ihrem Laden weitaus menschlicher zugehen als etwa beim Fahrdienstleister Uber oder dem Essenszusteller Lieferando, wo sich Betroffene überwiegend zu Hungerlöhnen verdingen. Angeblich erhielten die Tasker in den USA einen durchschnittlichen Stundensatz von 35 Dollar . Das sei das »Fünffache des nationalen Mindestlohns, in Frankreich ist es das Dreifache«. Dazu komme eine große Freiheit, dahingehend, dass man die Höhe der Bezahlung selbst bestimmen und entscheiden könne, wann, wo und wie viel man arbeiten wolle.

    Doch ein Problem besteht: Ein hoher Stundensatz bringt wenig, wenn man den Rest des Tages aus Mangel an Aufträgen Däumchen drehen muss. In diesem Fall kann man sich auch keine soziale Absicherung leisten, selbst wenn das der Hasen-Chefin am Herzen liegen mag. Man setze sich stark für sogenannte Portable Benefits ein, erklärte sie, »also Fürsorgeleistungen, die nicht an eine Firma, sondern an eine Person gebunden sind und von Job zu Job übertragen werden können«. In den USA biete man überdies die Möglichkeit an, »direkt über unsere Plattform einen Teil der Einnahmen für die eigene Rente zu sparen«. Auch liefen bereits Gespräche darüber, »welche Fürsorgeleistungen wir unseren deutschen Nutzern anbieten können«. Schließlich sei man stets bemüht, »unser Geschäftsmodell an die jeweiligen Märkte anzupassen«.

    Das mutet wie eine Drohung an. Anders als die USA verfügt Deutschland über eine ausgeprägte Handwerkstradition mit zertifizierten Klempnern, Schreinern, Malern oder Elektrikern. Allerdings befinden sich diese Berufe seit längerem auf dem Rückzug, bedingt dadurch, dass sich immer weniger Haushalte die Dienste leisten können und der Trend zur Heimwerkerei und zur Schwarzarbeit anhält. Mit dem Aufgalopp der Tasker wird der Niedergang weiter an Fahrt gewinnen, weil sich hier ein ganzes Heer an billiger Konkurrenz in Stellung bringt. Brown-Philpot legt Wert darauf, dass Task-Rabbit »für jeden offensteht und viele der Helfer Studenten oder Pensionäre sind, die sich etwas dazu verdienen wollen«. Von beiden Gruppen gibt es hierzulande reichlich, und viele der Betroffenen stehen finanziell schlecht da. Hier zeichnet sich ein heftiger Unterbietungswettbewerb ab, der die Preise sukzessive in den Keller befördern und ganz nebenbei Teile des professionellen Handwerks verwüsten wird.

    Task-Rabitt dagegen verspricht sich goldene Zeiten. Als Vermittler verdient das Unternehmen an jedem Deal mit. »Wir glauben, dass allein der Hausarbeitsbereich ein Milliardenmarkt ist«, erklärte Brown-Philpot. Das Potential hat auch der schwedische Möbelriese IKEA erkannt und das US-Startup vor zwei Jahren kurzerhand aufgekauft. Nach einem Handelsblatt-Bericht von gestern sorgt sich der Konzern um die Zukunft seines Geschäftsmodells. Die Menschen hätten immer weniger Zeit, Betten, Tische und Regale selbst aufzubauen. Auf lange Sicht soll deshalb bundesweit jeder IKEA-Markt einen Task-Rabbitt-Service offerieren.

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    #Arbeit #Ausbeutung #Gigworker #Task-Rabbit

  • jungle.world - Fressen und gefressen werden
    https://jungle.world/artikel/2019/38/fressen-und-gefressen-werden

    19.09.2019 Von Peter Nowak -Plattformen, über die Kunden Essen bestellen können, konkurrieren hart miteinander. Leidtragende sind die Beschäftigten. Doch die Fahrerinnen und Fahrer organisieren sich nun selbst.

    Am 16. August zog sich der Essenslieferdienst Deliveroo endgültig aus Deutschland zurück. Über 1 000 Beschäftigte wurden mit einem Mal arbeitslos. Zuvor war bereits der Essenslieferdienst Foodora von Lieferando aufgekauft worden, der die wechselseitige Kannibalisierung der Lieferdienste als Sieger überstand. Für Keno Böhme, der für verschiedene Lieferdienste gearbeitet hatte, bevor er hauptamtlich begann, bei der Gewerkschaft Nahrung-Genuss- Gaststätten (NGG) die dort Beschäftigten zu organisieren, hat der Abschied von Deliveroo aus gewerkschaftlicher Sicht auch positive Auswirkungen. »Unserer Meinung nach hängt der Rückzug damit zusammen, dass das Modell der Scheinselbständigkeit der Fahrer nicht funktioniert hat«, sagte er der Jungle World. Wie er haben auch andere Kuriere, sogenannte Rider, mittlerweile den Wert gewerkschaftlicher Organisierung erkannt.

    Die einzige Chance für ein kollektives Unternehmen sieht die FAU darin, dass Menschen bereit sind, mehr für den Service zu bezahlen.

    Die NGG hatte Ende August zum dritten Riders Day nach Berlin geladen. Wichtigster Diskussionspunkt waren die Arbeitsbedingungen für die Beschäftigten nach der Übernahme von Foodora durch Lieferando. Die Gewerkschafter wollen durchsetzen, dass die Betriebsratsstruktur auch nach der Übernahme erhalten bleibt und den Ridern das Beschäftigungsverhältnis bei Foodora angerechnet wird. Davon hänge schließlich ab, ob die Fahrer erneut zwei Jahre befristet beschäftigt werden können; eine Festanstellung stehe ihnen nämlich erst nach zwei Jahren zu, betonte NGG-Sekretär Christoph Schink im Gespräch mit der Jungle World. Doch nicht alle Kuriere wollen nach dem Aufkauf von Foodora und dem Rückzug von Deliveroo eine Festanstellung bei Lieferando.

    Einige von ihnen möchten lieber ein Kollektiv gründen. Zwei Kuriere haben mit »Kolyma 2« die Idee bereits realisiert. Doch das Projekt sei so provisorisch wie der an einen russischen Film erinnernde Name und die Website, sagt Christopher M., einer der beiden Gründer von »Kolyma 2«, der Jungle World. Bisher lohnt sich das Kollektiv für die Betreiber allerdings noch nicht. Für M. ist es ein Zuverdienst zu seinem Einkommen als Softwareentwickler.

    Der alternative Kurierdienst wird vor allem am Wochenende angeboten. Kooperationspartner sind einige Restaurants und Hamburger-Läden in den Berliner Stadtteilen Kreuzberg und Schöneberg. Parallel dazu diskutiert eine größere Gruppe von rund 30 Fahrradkurieren über die Gründung eines Kollektivs mit deutlich größerer Resonanz. »Welche Form das am Ende annimmt, ob wir eine Genossenschaft gründen oder lose organisiert bleiben, ist noch nicht entschieden«, sagt M. Einig seien sich die Kuriere darin gewesen, dass sie nicht Angestellte von Lieferando werden wollen. »Weil dadurch einer der wichtigsten Werte für uns nicht mehr gegeben wäre: die Freiheit und Flexibilität. Die Schichtplanung bei Lieferando ist sehr strikt, das ist der Hauptgrund dagegen, neben der schlechteren Bezahlung«, sagte ein Rider im Onlinemagazin Gründerszene.

    Als wichtige Werte für das Kollektiv werden »Freiheit, Nachhaltigkeit, Arbeiterrechte, Gesundheit und Würde, aber auch Geld« genannt. Offen bleibt, wie und ob sich diese Werte in einem Kollektiv vereinen lassen. Vor allem dann, wenn ausdrücklich nicht ausgeschlossen wird, dass Fahrerinnen und Fahrer auch angestellt werden können. Spätestens dann muss sich zeigen, ob mit den Werten Freiheit und Flexibilität nicht einfach die kapitalistische Ausbeutung bemäntelt wird. Schließlich haben sich die Lieferdienste seit Jahren darauf berufen und konnten auch wegen der schlechten Bezahlung der Fahrer auf dem Markt erfolgreich sein.

     
    Theresa Ingendaay von der Deliverunion, einer von der Freien Arbeiter-Union (FAU) unterstützten basisgewerkschaftlichen Selbstorganisation der Fahrradkuriere, sagte der Jungle World, dass man einen hierarchiearmen ­Kollektivbetrieb, in dem alle das Gleiche verdienen, grundsätzlich befürworte. Probleme könne es aber geben, wenn die Fahrradkuriere gleichzeitig Unternehmer seien. Auch die Gefahr der Selbstausbeutung hält Ingendaay für gegeben. »Ein Kollektivbetrieb, der nicht auf Ausbeutung und Lohndumping setzt, hat dementsprechend höhere Kosten. Das bedeutet, dass die einzelnen Mitarbeiter eventuell einen niedrigen Lohn bekommen. Auch der Anspruch des Kollektivs, Mehrwegpackungen für die Lieferungen einzuführen, müsse erst seine Realitätstauglichkeit beweisen. Es besteht die Gefahr, dass diese Ideale aufgeweicht werden, wenn man konkurrenzfähig bleiben möchte und sich mit den Kosten konfrontiert sieht«, befürchtet ­Ingendaay.

    Große Konzerne wie Lieferando würden zwar mit CO2-neutralem Transport werben, dabei würden jedoch die Emissionen, die Alu-, Plastik- und auch Papierverpackungen, die innen mit Plastik ausgekleidet sind, verursachen, außer Acht gelassen. Klaus Meier von der AG Taxi in der Berliner Dienstleistungsgewerkschaft Verdi (siehe Jungle World 31/2019) sieht für seine Branche nach den Erfahrungen alter Taxikollektive keine Alternative: »Wer Taxikollektive neu beleben möchte, muss eine Antwort auf die Frage haben, wie auskömmliche Einnahmen zu erzielen sind.« Als theoretische Überlegung sind Plattformkooperativen für Meier allerdings interessant. »Die Macht der großen Plattformen beruht zum großen Teil auf der Kontrolle der Kommunikationswege. Wenn es gelingt, neben den Fragen der neuartigen Zusammenarbeit eine erforderliche kritische Masse an Teilnehmern zu erreichen und im öffentlichen Bewusstsein als die bessere Alternative wahrgenommen zu werden, können appbasierte Kooperativen durchaus eine Alternative werden.« Die dafür erforderliche poli­tische Unterstützung werden Kollektivbetriebe und Genossenschaften nach Ansicht von Meier allerdings nur erlangen, »wenn sie nicht ausschließlich als Marktteilnehmer«, sondern ausdrücklich auch als Akteure einer gesellschaftlichen Umgestaltung agierten.

    Doch der wahre Reichtum der großen Plattformen sind ihre Daten. Darüber, wie und ob diese auch in Kollektivbetrieben gesammelt und ausgewertet werden sollen, gibt es noch keine Überlegungen. Doch wer den Plattformkapitalismus ohne Big Data betreiben möchte, muss den Wettbewerbsnachteil anderweitig kompensieren.

    Die einzige Chance für ein kollektives Unternehmen, auf dem Markt zu be­stehen, sieht Ingendaay darin, dass Menschen bereit sind, mehr für die Produkte und Dienstleistungen zu bezahlen. »Es braucht Kunden, die bewusst bei einem Kollektiv einkaufen, weil sie den Zweck wichtig finden.« Die müssen sich diesen Einkauf dann freilich auch leisten können. Zielgruppe für solche gesellschaftspolitisch engagierten Kollektive ist daher auch eher die konsumbewusste Mittelschicht als die Hartz-IV-Bezieher.

    #Gigworker #Fahrradkuriere #Plattformkapitalismus

  • Connecting Workers with Businesses | Uber Works
    https://www.works.co/de/de


    Arbeitsamt war früher. In der idealen Dienstleistungsgesellschaft, wo eine riesige Zahl unterbezahlter Geringqualifizierter um Jobs kämpft, wo es kein Arbeitslosengeld, keine staatlich gerantierte Kranken und Rentenversicherung gibt, da schafft Uber die hungrigen helfenden Hände noch schneller ran.

    In der Liste der angebotenen Arbeitskräfte tauchen Ärzte, Ingenieure und Architekten nicht auf. Kein Wunder, denn es geht Drecksjobs, die nicht einmal die klassischen Sklavenhändler anbieten. Uber greift jetzt diese Zeitarbeitsfirmen mit Billiglöhnen an wie voher die Taxivermittlungen und -unternehmen, immer auf Kosten der Arbeitenden.

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    Hier die Ansprache der Bosse:

    https://works.co/de/de/businesses

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    Provide details for the shift, including uniform requirements, arrival instructions, and a point of contact.

    Verify hours
    After the shift, you’ll receive a record of when a worker clocked in and out, so you can confirm their hours.

    See who’s coming
    View workers at a glance, including their profile, their rating, and when they’re on their way.

    Rate and review
    Our 2-way rating system helps create a safe community and recognizes someone’s hard work and effort.

    “Placing and filling a request with Uber Works could not be any easier.”
    —Carmen R., HR Manager

    Start filling your shifts

    Die Arbeitenden sieht Uber als viel einfacher gestrickt: Arbeite. Punkt.
    https://www.works.co/de/de/workers

    Put your skills to work

    With a variety of jobs, rates, and schedules, Uber Works makes finding work that fits your life easier.

    Download the app
    Your next shift is around the corner

    Explore
    Whether you’re looking for seasonal, temporary, or regular shifts, find work opportunities that fit your schedule.

    Work
    From food preparation and commercial cleaning to events and retail positions, add shifts that match your skills and interests.

    Earn
    Submit your hours after your shift, and rest easy knowing that you’ll get paid in a timely manner.

    Explore available shifts
    Find a variety of shifts that fit your schedule, skills, and interests.

    Claim a shift
    Review a shift’s details, including information about the role, requirements, and earnings. Make the choice that works best for you.

    Stay informed
    The app gives you arrival information, including your check-in contact and guidance on what to wear.

    Log your time
    Clock in and out. The app is used as a timesheet, so you can review your hours before submitting for payment.

    Get paid
    Submit your hours and get paid in a timely manner.* You can also rate your experience.

    “It’s great for single mothers who have busy schedules. I can pick up shifts that allow me to spend time with my kids.”
    —Kenyata J.

    Find a shift
    Download the app

    Uber Works is currently live in Chicagoland. We have plans to expand to more areas soon.

    Und das Kleingedruckte ...

    *Hours are subject to verification by the business. Rates shown in the app are gross pay and do not include withholdings, deductions, or taxes. Workers are paid by their chosen employer—either TalentBurst or TrueBlue—which are third parties. Uber Works is not the employer and is not responsible for the products, services, or offers of third parties.

    Uber übernimmt keine Verantwortung, sondern verschiebt sie zu zwei Zeitarbeitsfirmen ( TalentBurst und TrueBlue ), die wiederum nur zahlen, was die eigentlichen Ausbeuter bewilligen.

    Wer ist hier in den Arsch gekniffen?

    –----

    Regeln gibt es auch.

    Die wichtigste bleibt unausgesprochen: No sick leave. Krankschreiben geht garnicht. Wer zu einer übernommenen Schicht nicht erscheint, wird bestraft, mindestens mit Aussschluß von der Plattform für 7 Tage, beim zweiten Mail lebenslang.

    Lohnfortzahlung bei Krankheit? Nie gehört. Siehe oben.

    Kritik an Uber geht auch nicht. Dafür wird man ausgeschlossen.

    Uber kündigt an, Personen von einem „Spezialteam“ untersuchen zu lassen. Darunter muß man sich wohl Detektive oder eine Art virtuellen Werksschutz vorstellen.

    Uber maßt sich Polizeibefugnisse an und verstößt in seinen „Rules“ gegen so ziemlich alles, was an internationalen Standards und deutschen Gesetzen zum Schutz von Persönlichkeits- und Arbeitnehmerrechten existiert.
    Man möge sich daran erinnern, wenn die Bande hier aufschlägt.

    https://www.works.co/de/de/user-guidelines

    Uber Works User Guidelines
    Effective October 3, 2019

    We want Uber Works to be enjoyable for everyone. These User Guidelines were developed to help make every Uber Works experience feel safe, respectful, and positive. They apply to everyone who uses the Uber Works app. Thank you for joining us to support and safeguard a welcoming environment.

    The guidelines below help explain some of the specific kinds of behavior that may cause you to lose access to the Uber Works app. There will always be unforeseen events that may ultimately lead to your losing access to the Uber Works app, but the following guidelines are sufficient cause for Uber Works to take action. We’ll update these guidelines regularly. Please take a moment to read them.

    Guidelines for all of us
    Everyone who signs up for an Uber Works account is required to follow Uber Works’ User Guidelines. They reflect the following pillars and the standards in each of these sections.

    Treat everyone with respect
    Chances are, when you use the Uber Works app, you’ll encounter people who might not look like you or share your beliefs. The guidelines in this section help to foster positive interactions during every experience.

    Help keep one another safe
    We’re hard at work every day to help create safer experiences for everyone. Your safety drives us. That’s why these standards were written.

    Follow the law
    We’re committed to following all applicable laws and earning your trust, and we expect everyone who uses the Uber Works app to do their part and adhere to applicable laws and regulations.

    Your feedback matters
    If something happens, whether it’s good or bad, we make it easy for you to tell us. Our team is continuously improving our standards, and your feedback is important to keep our standards relevant as our technology evolves.

    Treat everyone with respect
    Treat your fellow Uber Works app users and people you may interact with during your shift (including but not limited to fellow workers, business customers and their customers, and supervisors on your shift) as you would like to be treated: with respect. The actions you take while using the Uber Works app can have a big impact on the safety and comfort of others. Courtesy matters. That’s why you’re expected to exercise good judgment and behave decently toward other people when using the Uber Works app and on your way to, and during, each shift.

    Most importantly, remember that when you use the Uber Works app, by selecting workers or supervising workers on-site, or working on-site at a business, you’ll meet people who may look different or think differently than you. Please respect those differences. We believe that everyone should feel supported and welcomed when they use the Uber Works app, and when they interact with workers or businesses who use the app. That’s why we’ve created standards on physical contact, sexual assault and misconduct, threatening and rude behavior, discrimination, and reliability.

    Physical contact
    Don’t touch strangers or anyone you just met while working or hosting a shift you connected with through the Uber Works app. Hitting, hurting, or otherwise intending to hurt anyone is never allowed.

    Sexual assault and misconduct
    Sexual assault and sexual misconduct of any kind is prohibited. Sexual assault and misconduct refers to sexual contact or behavior without explicit consent of the other person.

    Personal space and privacy should be respected. The following list provides some examples of inappropriate conduct but doesn’t include all possible examples:

    Behaviors and comments that could make people feel uncomfortable are not acceptable. Examples include nudges, whistles, and winks. Don’t touch or flirt with people you don’t know.
    Certain conversations that could be perceived as harmless can be offensive. Don’t comment on appearance, perceived gender identity, or sexual orientation. Refrain from asking unrelated personal questions, such as “Are you in a relationship?” Avoid discussing your own or someone else’s sex life, using explicit language, or making jokes about sex.
    Uber Works has a no-sex rule. Sexual contact is prohibited between workers, workers and supervisors, and workers and customers of a business while on or hosting a shift connected through the Uber Works app, regardless of whether you know the person or they give you their consent. This includes activities such as sexual intercourse, solicitation of sexual intercourse, masturbation, or touching or exposure of sexual body parts.
    Threatening and rude behavior
    Aggressive, confrontational, and harassing behavior is not allowed. Don’t use language or make gestures that could be disrespectful, threatening, or inappropriate. And contact should generally end when a shift is complete.

    Discrimination
    You should always feel safe and welcome. That’s why we don’t tolerate users on the Uber Works app engaging in conduct we’ve determined to be discriminatory. Do not discriminate against someone based on traits such as their age, color, disability, gender identity, marital status, national origin, race, religion, sex, sexual orientation, or any other characteristic protected under relevant law.

    Reliability
    For workers: businesses rely on Uber Works’ users to meet their workplace needs. This means that if a worker claims a shift, they will show up for their shift promptly as scheduled—and if they don’t, they may be penalized according to the following Uber Works attendance policy:

    Workers who accrue 6 marks within a rolling 30-day period will lose access to the Uber Works platform for 7 days. Workers who accrue 10 marks within a rolling 30-day period will permanently lose access to Uber Works. Please note that 2 no-call, no-shows (not showing up for a shift at all and not informing Uber Works) within a rolling 12-month period will also result in permanent loss of access to Uber Works.

    Attendance marks are accumulated as follows:

    2 marks for every 15 minutes late, up to 5 marks
    2 marks for canceling 2 hours to 24 hours before a shift start
    3 marks for canceling 30 minutes to 2 hours before a shift start
    4 marks for being sent home early due to behavior or uniform issues
    6 marks for canceling less than 30 minutes before a shift start or for a no-call, no-show
    Reliability also means showing up in the proper attire and being willing and able to complete the work as described.

    For business customers: business customers should provide accurate descriptions of their working conditions and expectations, such as worker roles and tasks. Business customers should not ask a worker to perform roles or tasks outside of the pre-described functions. Also, unless it’s unavoidable, business customers shouldn’t cancel worker requests within 24 hours of when the shift is supposed to start.

    Help keep one another safe
    Everyone has a role to play in helping to create a safe environment. That’s why we have standards on account sharing, account holder age, and more.

    Account sharing
    Account sharing is not allowed. To use the Uber Works app, you need to register and maintain an active account. Don’t let another person use your account, and never share your personal username and password with anyone else.

    People under the age of 18
    You must be 18 years or older to have an Uber Works account.

    Provide a safe space
    Business customers should provide a safe area that makes workers feel welcome. That’s why business customers and their staff should exercise good judgment and behavior, just as they would with their own employees. For example, business customers should work to prevent violent incidents on their premises that might endanger workers’ safety.

    Follow the law
    We have standards based on applicable laws and regulations that everyone must follow. For example, using the Uber Works app to commit any crime—such as money laundering or theft—or to violate any other law is strictly prohibited.

    Follow all laws
    Everyone is responsible for knowing and obeying all applicable laws at all times when using the Uber Works app.

    All relevant licenses, permits, certifications, and any other legal documents required of business customers and workers must be kept up to date. Business customers and workers are expected to meet all relevant licensing and certification requirements and all other laws and regulations—including food safety, health, and hygiene regulations—and industry best practices.

    Drugs and alcohol
    Drug use and consumption of alcohol are never allowed while using the Uber Works app.

    Firearms ban
    Workers and business customers are prohibited from carrying firearms of any kind while using the Uber Works app.

    Fraud
    Deception can weaken trust and also be dangerous. Intentionally falsifying information or assuming someone else’s identity—for example, when signing in or undergoing a security check, or on a government work form—isn’t allowed, and in most cases it’s illegal. It is important to provide accurate information when reporting incidents, creating and accessing your accounts, or disputing shift start or end times or break times. Only clock in when you’re on-site and ready to begin your shift, not before, and clock out when you leave, not after.

    Fraudulent activity may also include, but not be limited to, being dishonest about your job experience or professional capabilities; deliberately increasing or falsifying break times; placing worker requests and canceling at the last minute for fraudulent purposes; creating dummy or improper duplicate accounts for fraudulent purposes; providing inaccurate timekeeping or asking workers to perform a role or task beyond the agreed time frame for fraudulent purposes, such as wage theft; intentionally requesting, accepting, or completing fraudulent or falsified shifts; claiming to complete a shift without ever going to a worksite or clocking in; and actions intended to disrupt or manipulate the normal functioning of the Uber Works app, including manipulating the settings on a phone to prevent the proper functioning of the app, such as location tracking.

    Your feedback matters
    If something happens, whether it’s good or bad, we make it easy for you to tell us. Our team is continuously improving our standards, and your feedback is important to keep our standards relevant as our technology evolves. Please rate your experience at the end of each shift. Honest feedback helps ensure that everyone is accountable for their behavior. This accountability helps create a respectful, safe environment. And if something happens and you want to report it, you can send a text to 312-548-9264 or email to support@works.co so that our Support team can follow up. In case of an emergency or if you find yourself in immediate danger, alert your local authorities or emergency services before notifying Uber Works.

    Ratings
    After every shift, business customers and workers are able to rate each other on a scale of 1 to 5 stars, as well as give feedback on how the shift went. This feedback system helps create a respectful, safe, and transparent environment for everyone.

    Business customers and workers can find out their current rating by contacting our support line at 312-548-9264.

    If you believe an error caused you to lose access to your account, you may send a text to 312-548-9264 or email to support@works.co so that our Support team can follow up.

    How Uber Works enforces our guidelines
    We believe it’s important to have clear standards that explain the circumstances in which you may lose access to the Uber Works app. If you violate any applicable terms of use, terms of the contractual agreement you agreed to when signing up for an account with Uber Works, or any of these User Guidelines, you can lose access to the Uber Works app. And if you have more than one Uber Works account, such as a business customer account and a worker account, violating the User Guidelines could also lead you to lose access to all Uber Works accounts.

    Uber Works receives feedback through a variety of channels, reviews reports submitted to our Support team that may violate our User Guidelines, and may investigate through a specialized team. If we’re made aware of potentially problematic behavior, we may contact you so we can look into it. We may, at our sole discretion, put a hold on your account until our review is complete.

    Not following any one of our guidelines may result in the loss of access to your Uber Works account. This may include certain actions you may take outside of the Uber Works app, if we determine that those actions threaten the safety of the Uber Works community or cause harm to Uber Works’ brand, reputation, or business. And if the issues raised are serious or a repeat report, or you refuse to cooperate, you may lose access to the Uber Works app. Any behavior involving violence, sexual misconduct, harassment, discrimination, or illegal activity while working a shift using the Uber Works app can result in the immediate loss of access to the Uber Works app. Additionally, when law enforcement is involved, we will cooperate with their investigation.

    Existing workers may also lose the ability to be matched with certain shifts on the Uber Works app based on the results of a background check, in accordance with applicable laws.

    Getting back to work after deactivation
    If you’re a worker and you lose access to Uber Works because you are deemed to have violated the Uber Works attendance policy, you may have the opportunity to have your Uber Works account reactivated if you provide proof (for instance, a doctor’s note) that excuses your absence(s).

    #Uber #Uber_Works #Arbeit #Gigworker #Disruption

  • Uber plätten? Ob so Ausbeutung & Kapitalismus richtig der Kampf angesagt wird?
    https://de.indymedia.org/node/36674


    Die Autor/inn/en von Inymedia propagieren mal wieder die tolle Idee, den Kapitalismus mit Reifenstecherei zu bekämpfen. Wurde schon oft versucht, hat aber noch nie geklappt. Also besser sein lassen und effektivere Methoden wählen, lautet unsere Empfehlung.

    Dabei enthält der Artikel durchaus richtige Hinweise.

    Ubermäßig ausgebeutet!

    Doch Uber war als Kind schon scheiße. Bereits das Kerngeschäft der Vermittlung von Personenbeförderungsangeboten ist ausbeuterischer Plattformkapitalismus in Reinform. Durch rechtliche Tricksereien fahren Fahrer*innen nicht direkt für das Unternehmen, sondern sind über Zwischenunternehmen oder als „Selbstständige“ angestellt. Dadurch ist es nahezu unmöglich, selbst rudimentäre Arbeitsrechte einzufordern oder gar einen Betriebsrat zu gründen. Von einer Uber-Fahrt nimmt das Unternehmen rund 25% + MwSt. Im Anschluss zieht das jeweilige Subunternehmen auch nochmal zwischen 40 und 60 % ab. Den Fahrer*innen bleiben so also pro Gast gerade mal ca. 25 % des gezahlten Preises als „Lohn“. Das Resultat: reihenweise umgehen Fahrer*innen die App, fahren also inoffiziell um überhaupt noch etwas von der Lohnarbeit zu bekommen. Diese Ubermäßige Form der Ausbeutung ist Markenkern des Unternehmens.

    Hier geht der Schwachsinn richtig los:

    Zeit zu handeln – Helft alle mit!

    In Solidarität mit den Uberfahrer*innen sowie den Aufladearbeiter*innen wurden in den vergangenen Wochen bereits zahlreiche „Jump – Fahrräder“ in Berlin gezielt sabotiert und unschädlich gemacht. Da die Ausbeutungs-Räder überall in der Stadt verteilten stehen, lässt sich diese Form der niedrigschwelligen Sabotage gut in alltägliche Spaziergänge integrieren.
    Mit diesem Aufruf möchten wir euch motivieren, sich der Aktionsform anzuschließen. Stecht den beschissenen Fahrrädern, wo immer ihr ihnen begegnet, die Reifen auf!

    Gerne würden wir eŕfahren, wie die unterbezahlten Juicer auch nur einen Cent mehr verdienen, wenn sie auf Räder und Roller mit kaputten Reifen stoßen. Bekommen die etwa eine lohnende Extraprämie, wenn sie ein kaputtes Gerät in die Werkstatt schleppen? Im Gegenteil: Erst verplempern sie Zeit mit der Suche nach Fahrzeugen, die dann nichts einbringen, weil sie kaputt sind, dann geht die Suche erneut los, bis vielleicht mal ein ladefähiges Objekt gefunden wird. Die wortradikale „Solidarität“ richtet sich also genau gegen die Interessen der #Gigworker.

    Dümmer geht’s nimmer? Doch. Hier der Beweis:

    Schickt uns eure Aktionen und Sabotagen verschlüsselt an linksradikal@dernotorischeprovider.com damit wir sie dort darstellen können. Darüber hinaus nutzen wir den Kampagnenhashtag #uberplatt auf Twitter. Auch hier auf Indymedia sind Aktionen gegen Uber gerne gesehen und werden auf die Webseite übertragen.

    Wie bitte? Erst sollen illegale Aktionen gemacht und die dann von Inga & Otto Dau per Mail an wen auch immer geschickt werden? Diese Aufforderung grenzt an Verführung zur Selbst-Denunziation. Niemand weiß, wer hinter der Mailadresse steckt. Strafverschärfend läßt sich dieser Übertragungsweg nie und nimmer gegen Überwachung schützen.

    #Idioten und #Dummköpfe aller Länder vereinigt Euch, die letzte Schacht gewinnt Ihr im Knast und in der Schuldenfalle. Viel Spaß dabei.

    #Uber #disruption #Widerstand #DAU #WTF #confederacy_of_dunces #conjuration_des_imbéciles