Früher gehörte der ARD-„Presseclub“ zum festen Sonntagsprogramm vieler Bundesbürger. Inzwischen ist das Interesse der Zuschauer jedoch abgeflaut. Die „Presseclub“-Macher wecken auch deshalb in den sozialen Medien mit knalligen Aussagen Interesse für ihre Sendung. So auch bei ihrer „Presseclub“-Sendung am 25. Mai 2025 mit dem Titel: „Jung, rechtsextrem, gewaltbereit – neue Gefahr für die Demokratie?“ Ende Mai entstand daraus eine Debatte, ob und wann denn demnächst SA-ähnliche Schlägertrupps Angst und Terror in Deutschland verbreiten würden.
Botschaft löste viele Reaktionen aus
Der dazugehörige Post auf der Plattform X veröffentlichte einen Videoschnipsel aus dem Sendemitschnitt vom Tage. „Presseclub“-Gast Christian Fuchs von der Zeit stellte hier einen Zusammenhang zwischen rechten Jugendkameradschaften und der AfD her. Die „Presseclub“-Macher ließen sich dazu den Text einfallen: „Diese Gruppen sollten die Straßen-SA werden für die AfD.“ Diese Botschaft rief bei vielen Menschen starke Reaktionen hervor, nicht nur auf X. Es lohnt deshalb, ein wenig intensiver auf das, was dann geschah, einzugehen.
Tatsächlich hatte der Zeit-Journalist Christian Fuchs in nur schwer nachvollziehbarem Duktus in der Sendung behauptet: „Es gibt nämlich einen ganz, ganz starken Zusammenhang zwischen dem, was wir in den Wahlergebnissen sehen bei jungen Menschen und bei diesen jungen extremistischen Gruppen, von denen wir heute sprechen, diesen Jugendkameradschaften. Die wählen, wenn wir mit welchen gesprochen haben, die AfD.“
Er führte aus, dass diese jungen Menschen nicht mehr wie in früheren Zeiten NPD oder den Dritten Weg wählen würden, sondern die AfD. Dahinter stünden Erwachsene. Und einer dieser Erwachsenen „hat sich das Konzept ausgedacht, und der sagt: Wir bereiten uns jetzt mit diesen Jugendkameradschaften, die wir aufbauen, in ganz Deutschland, darauf vor, das soll die Straßen-SA werden für die AfD. Wenn die AfD in den Parlamenten sitzt, dann sind unsere Jugendlichen kampfbereit, die sind gestählt. Dann können die das tun, was die SA früher 1933 bei der NSDAP getan hat. Die politischen Gegner überfallen.“
Der Videoschnipsel schließt dann mit dem Fazit von Fuchs: „Also, es gibt einen ganz, ganz krassen Zusammenhang zwischen diesen beiden Entwicklungen.“ Gemeint ist der Zusammenhang zwischen rechten Jugendgruppen, die als „Straßen-SA“ bezeichnet werden und der AfD.
Bloße Meinungen ohne valide Quellen
Dieser Post löste Nachfragen aus – auch beim und vom Autor dieses Beitrags. Die „Presseclub“-Redaktion wurde gefragt, ob Christian Fuchs für diese sehr weitreichende Behauptung denn Belege vorgelegt habe.
Ich wollte wissen: Hat die Redaktion vor der Veröffentlichung dieses Posts gegenrecherchiert oder anderweitige eigene Recherchen angestellt? Die beim WDR in Köln angesiedelte „Presseclub“-Redaktion ließ sich Zeit mit der Antwort und teilte am Montag nach dieser Sendung in dürren Worten mit: „Christian Fuchs hat der Reaktion detaillierte Belege vorgelegt, die seine Aussage stützen. Unsere journalistische Sorgfaltspflicht wurde hier beachtet. Wir bitten um Verständnis, dass die Belege nicht öffentlich zugänglich gemacht werden können.“
Die im schönsten Zentralkomitee-Stil verfasste Verlautbarung aus Köln zog eine Riesendebatte nach sich. Der WDR habe also gar keine Belege, wenn er sich so rausrede, argwöhnten einige Beitragszahler und Diskutanten. Andere argumentierten mit der Gefährlichkeit solcher rechtsextremen Jugendgruppierungen, wenn diese schon als „Straßen-SA“ bezeichnet werden würden.
Narrativ statt Tatsachen
Das Narrativ von einer „Straßen-SA“ für die AfD, gebildet von rechtsextremen und gewaltbereiten Jugendlichen, war also in der Welt. Was tun, wenn diese Truppen nun also wirklich ihre politischen Gegner überfallen und Wahlkampfveranstaltungen anderer Parteien stürmen würden? Gleichzeitig wuchs im WDR der Druck auf die „Presseclub“-Redaktion. WDR-Insider berichteten, die Redaktionsleitung sei recht ultimativ aufgefordert worden, Belege vorzulegen, weil die öffentliche Debatte darüber zu entgleisen drohe.
24 Stunden später zeigte der interne Druck Wirkung. Die „Presseclub“-Redaktion teilte mit: „Auf vielfachen Wunsch aus der X-Community haben wir in Absprache mit Christian Fuchs entschieden, offen zu legen, worauf sich seine im Presseclub getätigte Aussage bezieht.“ Es folgte ein etwa 20 Zeilen langer Text, der etwas hastig und nachträglich zusammengestoppelt wirkte. In ihm wird erklärt, dass Patrick Schröder, Vizevorsitzender der Partei Die Heimat in Bayern, seit 2024 rechtsextreme Gruppen aufbaue, die nach seiner Einschätzung „Vorfeldarbeit einer AfD“ erledigen sollten.
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Zudem argumentierten die Presseclubler, Wissenschaftler würden diese jungen Leute „als rechtsextreme, gewaltorientierte weiße Männer, die sich auf den Tag X vorbereiten“ charakterisieren. Drittens wird ein Mitglied von Deutsche Jugend Voran, einer rechtsextremen Kameradschaftsgruppe, damit zitiert, es wolle eine „Untergruppe so in Richtung SA“ aufbauen.
Der „Belegtext“ schießt mit der Anmerkung: „Das stand auch so bereits in dem Artikel zur Recherche von Herrn Fuchs, den hätten Sie längst lesen können.“
Belegbasteleien fürs Narrativ
In einem weiteren Post lieferte die „Presseclub“-Redaktion dann drei Links nach. Der erste verweist auf einen Beitrag von Patrick Schröder, in dem dieser sich Gedanken über die Entwicklung rechtsextremer Jugendgruppen macht. Der zweite Link führte zu einem Beitrag von Julian Alexander Fischer auf der Plattform MSN. Dort wird der „Terrorismus-Experte“ Hans-Jakob Schindler unter anderem mit der Befürchtung erwähnt, „Active Clubs“, in denen sich Rechtsextreme zum Kampfsport treffen, könnten bei der EM „durch die bewusste Provokation von Schlägereien“ in Erscheinung treten. Der Beitrag ist inzwischen nicht mehr verfügbar.
Der dritte Link wiederum geht etwas selbstreferenziell auf einen zusammenfassenden Beitrag von Christian Fuchs in der Zeit ein, in dem der Autor sich über rechtsextreme und gewaltbereite Jugendgruppen äußert. Im Netz wurden die drei sogenannten Belege rasch auseinandergenommen. So wurde in der Diskussion besonders hervorgehoben, dass Heimat-Funktionär Patrick Fischer in seinem zitierten Beitrag
unter dem Punkt „Finanzen“ lediglich äußere: „Auch hier muss ich Euch nicht sagen, dass derartige Aufgaben eigentlich Vorfeldarbeit einer AfD wären, die dort die Parlamentskohle entsprechend platzieren müsste.“
Einen belastbaren Zusammenhang zwischen rechtsextremen Jugendkameradschaften als „Straßen-SA“ der AfD belegen alle diese genannten Quellen nicht. Doch das Narrativ ist in der Welt. Es löst bei einigen Bürgern durchaus Sorgen und Ängste aus.
Ist das nun #Clickbaiting oder politische #Propaganda? Beides sollte ein öffentlich-rechtlicher Sender unterlassen. Wenn die Sender schon nicht mehr in der Lage sind, Faktenprüfungen von Behauptungen und Aussagen, die in ihren Sendungen getroffen werden, vorzunehmen, sollten sie unbelegte Narrative nicht auch noch als Werbemittel nutzen.
Recherchefrei und Spaß dabei
Das ZDF hat dafür im April dieses Jahres ein weiteres schönes Beispiel geliefert. In der Sendung „Terra X History“ vom 6. April und in einem Online-Beitrag vom gleichen Tage stellten die ZDF-Autoren eine Verbindung zwischen Anschlägen wie dem Mannheimer Messerangriff, bei dem der Polizist Rouven Laur starb, und Russland her.
„Gemeinsam mit dem Internet-Profiler Steven Broschart ist das ZDF auf verdächtige Suchanfragen aus #Russland im Vorfeld der Anschläge gestoßen“, schreibt Michael Renz, der die Sendung „Terra X History“ leitet. Im Vorfeld des Messerangriffs auf den Islamkritiker Michael Stürzenberger am 31. Mai 2024 habe es „russische Suchanfragen nach Webcams auf dem Mannheimer Markt – dem späteren Tatort – gegeben, um ein Livebild zu haben“, berichtet das ZDF.
Steven Broschart wird von Michael Renz mit der Einschätzung zitiert: „Wir finden tatsächlich zum Täter im Vorfeld Suchanfragen aus Russland, zum Täternamen, und das ist schon sehr, sehr ungewöhnlich“. Genutzt wurde für diese Recherchen ein Werkzeug der Suchmaschine Google namens Trends. „Bei #Google Trends findet man zu jeder denkbaren Kombination von Suchbegriffen an jedem Ort der Welt in jedem denkbaren Zeitraum scheinbare ‚Suchanfragen‘, wenn man ein paarmal auf Reload drückt“, schätzt der Nürnberger Informatik-Professor Florian Gallwitz die Aussagekraft der von ZDF und Broschart angewandten Methode ein.
Artefakte statt Fakten
Gallwitz begründet die massive Ungenauigkeit der Suchmethode mit #Datenschutz-iInteressen: „Das ist höchstwahrscheinlich ein Artefakt des verwendeten Differential-Privacy-Verfahrens, mit dem die #Privatsphäre von Google-Nutzern geschützt werden soll.“ Selbst der Bundesnachrichtendienst soll dem ZDF im Vorfeld der Sendung davon abgeraten haben, sich auf die Ergebnisse von Google Trends zu verlassen. Die eingesetzte #Analysemethode sei nicht geeignet, die Auswertung nicht valide.
Die Kritik an der #Recherchemethode ist berechtigt. Google Trends greift nämlich nicht direkt auf die tatsächlichen Suchanfragen zu, sondern auf Stichproben, und errechnet daraus relative Häufigkeiten auf einer Wahrscheinlichkeitsbasis. Für Marketingzwecke ist das vollkommen ausreichend. Um damit Indizien für eine – wie auch immer geartete – Beteiligung am Mannheimer Messerattentat digitalforensisch zu belegen, ist die Methode hingegen gänzlich ungeeignet.
Eine beim ZDF-Fernsehrat eingereichte Programmbeschwerde zu dieser #Fake-News-Berichterstattung versucht der Intendant des ZDF, Norbert Himmler, zu relativieren. „Die von der ZDF-Redaktion identifizierten Auffälligkeiten sind, wie in der Berichterstattung dargestellt, keine Beweise, sondern Hinweise, die laut verschiedener Experten und Sicherheitsbehörden Anlass dazu geben, weitere Prüfungen beziehungsweise Ermittlungen hierzu anzustellen“, schreibt Himmler dem Beschwerdeführer.
Durch die Art der Präsentation in der „Terra X History“-Sendung, im Online-Beitrag, aber auch durch das Interview mit einem ehemaligen #BND-Mitarbeiter in der Nachrichtensendung „heute journal“ erzeugt das ZDF den Eindruck, dass diese Suchanfragen ein überzeugendes digitalforensisches Indiz für die Beteiligung Russlands an Anschlägen in Deutschland seien. Auch Kritik von ausgewiesenen Fachleuten wie dem Informatik-Professor Florian Gallwitz ignorieren die Programmverantwortlichen. So entstehen weitere wirkmächtige Fake News. „Der Google-Trends-Rohrkrepierer des ZDF spielt journalistisch in einer Liga mit den pflanzenförmigen Sprengstoffen und dem stromerzeugenden Fernseher der #ARD“, spielt Florian Gallwitz auf zwei andere üble #Falschberichterstattungen im #ÖRR an.
Das sind klassische Muster für das #Belehrungsfernsehen. Mit seriösem Journalismus hat das nichts mehr zu tun. Deshalb reagieren auch immer mehr Beitragszahler und frühere Nutzer von ARD und ZDF ungehalten. Sie wollen sauber recherchierte Beiträge und keine unseriöse Meinungsmache ohne Quellen.