#gretchenfrage

  • Robert Gernhardt: Gott. Das Das Elfte Gebot
    https://m.soundcloud.com/iso-summ/robert-gernhardt-gott-das-das-elfte-gebot

    Als nun der Herr herabgefahren war auf dem Feldberg, oben auf seinem Gipfel, berief er seinen Knecht Gernhardt hinauf auf den Gipfel des Berges, und Gernhardt stieg hinauf.
    Da sprach der Herr: Ich bin der Herr, dein Gott, und habe seinerzeit vollkommen verschwitzt, meinem Knecht Moses das Elfte Gebot mitzugeben, als er vom Berge Sinal hinunter zum Volke stieg.
    So nimm du es und geh hin und steig hinab und verkündige allem Volke das Elfte Gebot.
    Und Gott redete nur diese Worte:
    „Du sollst nicht lärmen.“

    Und Gernhardt tat wie ihm geheißen und stieg hinab und sprach also zum Volk: Dies sind die Lärmvorschriften, die der Herr euch auferlegt hat:
    Gesetze über reine und unreine Instrumente

    Und der HERR redete mit Gernhardt und sprach zu ihm: Rede mit den Musikern und sprich: Das sind die Instrumente, die ihr spielen dürft in euren Wohnungen.
    Alles, was Löcher hat oder Saiten unter den Instrumenten, das dürft ihr spielen, sofern ihr deutlich im Rahmen der Zimmerlautstärke bleibt.
    Alle Instrumente aber, die geschlagen werden oder bei denen sich eure Backen blähen oder solche mit elektrischen Verstärkern, sollen euch unrein sein, und ihr sollt sie nicht spielen in euren Wohnungen. Und diese sollt ihr verabscheuen unter den Instrumenten, daß ihr sie nicht spielet in euren Wohnungen, denn ein Greuel sind sie mir: das Waldhorn, der Brummbaß und die Quetschkommode.

    Vergehen gegen Ohr und Seele:
    So du in geschlossenen Ortschaften dein Autoradio einschaltest, so sollst du die Fenster und das Verdeck deines Wagens fest verschlossen halten.
    Parkt jemand seinen Wagen, so soll er den Motor im Leerlauf nicht brummen lassen.
    Ihr sollt nicht hupen.
    Wer seinen Rasenmäher anwirft, der soll dies nur an Werktagen zwischen elf und dreizehn Uhr tun. Und er soll danach unrein sein bis an den Abend und weder eine Motorsäge anrühren noch einen Elektrobohrer noch eine Häckselmaschine, noch einen Laubsauger, noch alles was Lärm macht.

    Ihr sollt eure Bahnhöfe nicht mit Musik bedudeln. Unter Bahnhof aber verstehe ich jedwede Anlage zur Abwicklung des Personen und Güterverkehrs der Eisenbahn, an der Züge beginnen, enden, halten, sich kreuzen, sich überholen oder mit Gleiswechsel wenden können.
    Dasselbe soll gelten für U Bahnhöfe, für S Bahnhöfe sowie für alle anderen Bahnhöfe, die Gleise haben. Bahnhöfe aber keine Gleise haben, sind Bus-Bahnhöfe, und die sollen ebenfalls nicht bedudelt werden.

    Bedudelt keine Flughäfen.

    So jemand Tiere hält, welchen die Natur die Gabe verliehen hat zu lärmen, so soll er sie so halten, daß sie keinen Grund haben zu lärmen, oder so, daß ihr Lärmen nicht zu hören ist. Das gilt für Hunde und alles Getier, das den Mond anbellt oder auf Erden winselt, sowie für Papageien und alles gefiederte Volk, das da pfeift, wenn es tagt.
    Ihr sollt die Hunde und die Papageien nicht bedrücken.
    Wirst du sie bedrücken, und werden sie zu mir schreien, so werde ich ihr Schreien erhören.
    Dann wird mein Zorn entbrennen, daß ich euch züchtige, und ihr werdet um Gnade winseln und aus dem letzten Loch pfeifen.

    Todeswürdiger Lärm:
    So ein Mann seinen fahrbaren Untersatz frisiert, auf daß der mehr Lärm mache, so ist er unrein. Auch der Sattel, auf dem er reitet, wird unrein. Und er und seine Maschine sollen dem Bann verfallen.
    Fährt er aber fort, auf ihr herumzudüsen, so soll er des Todes sterben.
    Die Moto Cross Fahrer sollst du nicht am Leben lassen.
    So einer auf dem Wasser mit einem Motorfahrzeug herumdüst, und es erhebt auch nur ein Gestörter seine Stimme und saget: Ruhe dahinten!, so soll er sein Düsen unverzüglich und zu jeder Tageszeit einstellen.
    In der Nacht aber sollt ihr überhaupt nicht herumdüsen, und schon gar nicht auf dem Wasser.
    Auch sollt ihr nicht am Himmel herumdüsen, denn ein Greuel sind mir das Sportflugzeug, die Ultraleichtmaschine und der Hubschrauber.
    Und ich will sie alle abstürzen lassen, sobald auch ein Gestörter ausruft: Ruhe da oben!, und es kehrt keine Ruhe da oben ein.

    Rettungshubschrauber aber will ich nicht abstürzen lassen.
    Transportiert aber der Rettungshubschrauber jemanden, den ich habe abstürzen lassen, weil er gelärmt hat, so will ich auch den Rettungshubschrauber abstürzen lassen.

    Von den Geräten:
    Und der Herr sprach mit Gernhardt und sprach also zu ihm: Rede mit deinen Leuten, aber schön ruhig, und sprich: Das sind die Gebote, die euch der Herr gibt für alles, was Knöpfe hat und Lärm erzeugt:
    Ihr sollt bei der Aufstellung eurer Hi Fi Anlagen für eine gute Dämmung sorgen.
    Ihr sollt nicht am Lautsprecher sparen, auf daß ihr eure Anlage schön leise stellen könnt.
    Ihr sollt sie nie lauter aufdrehen als ihr eure Stimmen erheben könntet.
    Ihr sollt keine Radios mit euch tragen, so ihr den Fuß aus dem Hause setzt.
    Ich aber sage euch: Und ob der was davon hört!
    Du sollst nicht tönen.
    Macht euch nicht selbst zum Greuel an dem kleinen Gerät, das wummert, zirpt und dudelt, und macht euch nicht unrein an ihm, so daß ihr dadurch nicht unrein werdet.
    Diese sollen euch in Bahnen und Bussen ebenfalls unrein sein unter den Piepsgeräten, welche Knöpfe haben und die man in die Tasche stecken kann: das Computerspiel, das Handy und der Laptop. Denn alles, was ihr Pieps beschallt, das wird unrein.
    Und alles Gerät, das gepiepst hat, soll man ins Wasser tun, es ist unrein bis zum Abend und danach unbrauchbar.
    In euren Wohnungen aber sollen euch diese Geräte nicht unrein sein.

    Ersatzleistungen:
    Entsteht durch Lärm ein dauernder Schaden, so sollst du geben Lärmen um Lärmen, Ohr um Ohr, Ton um Ton, Krach um Krach.
    Wer aber fortfährt zu lärmen, der soll des Todes sterben, und seine Lärmquelle soll man steinigen.
    Das ist das Elfte Gebot, das der Herr dem Gernhardt gebot für alles Volk auf dem Feldberg.

    –Robert Gernhardt-
    Aus „In Zungen reden - Stimmenimitationen von Gott bis Jandl“

    #bruit #bible #ancien_testament #parodie #Frankfurter_Schule #Gretchenfrage

  • Joseph Roth, Die Rebellion, Vorwärts, Berlin, 1924
    https://revolte.de/#!index.md


    Deux extrais, début et fin

    Die Baracken des Kriegsspitals Numero XXIV lagen am Rande der Stadt. Von der Endstation der Straßenbahn bis zum Krankenhaus hätte ein Gesunder eine halbe Stunde rüstig wandern müssen. Die Straßenbahn führte in die Welt, in die große Stadt, in das Leben. Aber die Insassen des Kriegsspitals Numero XXIV konnten die Endstation der Straßenbahn nicht erreichen.

    Sie waren blind oder lahm. Sie hinkten. Sie hatten ein zerschossenes Rückgrat. Sie erwarteten eine Amputation oder waren bereits amputiert. Weit hinter ihnen lag der Krieg. Vergessen hatten sie die Abrichtung; den Feldwebel; den Herrn Hauptmann; die Marschkompanie; den Feldprediger; Kaisers Geburtstag; die Menage; den Schützengraben; den Sturm. Ihr Frieden mit dem Feind war besiegelt. Sie rüsteten schon zu einem neuen Krieg; gegen die Schmerzen; gegen die Prothesen; gegen die lahmen Gliedmaßen; gegen die krummen Rücken; gegen die Nächte ohne Schlaf; und gegen die Gesunden.

    Nur Andreas Pum war mit dem Lauf der Dinge zufrieden. Er hatte ein Bein verloren und eine Auszeichnung bekommen. Viele besaßen keine Auszeichnung, obwohl sie mehr als nur ein Bein verloren hatten. Sie waren arm- und beinlos. Oder sie mußten immer im Bett liegen, weil ihr Rückenmark kaputt war. Andreas Pum freute sich, wenn er die anderen leiden sah.
    ...
    Indessen wurden die Apriltage warm, regenschwanger und wie süße Versprechungen. In den Nächten fühlte Andreas einen fernen Duft mit dem Winde daherkommen, seine Glieder wurden mehr müde als sonst. Er verlor das Interesse für viele Dinge. Sogar die Wiederaufnahme seines Verfahrens bekümmerte ihn nicht mehr. Er war alt, er war älter, als er selbst wußte. Schon ragte er hinüber ins andere Leben, während er noch die Pflastersteine dieser Erde trat. Seine Seele träumte sich ins Jenseits, wo sie heimisch war. Fremd kehrte sie in den Tag zurück.

    Seine Schmerzen verstärkten sich, sein Husten wurde noch trockener, die Anfälle dauerten länger. Er vergaß heute, was gestern geschehen war. Er sprach mit sich selbst. Er vergaß manchmal den Papagei und schrak auf, wenn dessen Stimme unvermutet krächzte. Der Tod warf einen großen blauen Schatten über Andreas.

    Da kam eines Tages eine gerichtliche Vorladung. Sie war genau wie die erste mit einem würdigen Amtssiegel versehen, ein weißer Adler erhob seine Schwingen auf blutrotem Grunde, und obwohl die Adresse von flüchtiger Hand geschrieben war und der Gerichte vielbeschäftigte Eile bewies, strömte das Schriftstück doch jene Würde aus, welche den portofreien und amtlichen Briefen innewohnt. Andreas las. Er wurde noch einmal für zehn Uhr vormittags bestellt.

    Er erinnerte sich wieder an seine Leiden, er arbeitete an einer Rede, er bereitete sich zu einer großen Anklage vor. »Hoher Gerichtshof«, wollte er sagen. »Ich bin ein Opfer dieser Verhältnisse, die Sie selbst geschaffen haben. Verurteilen Sie mich. Ich gestehe, daß ich ein Rebell bin. Ich bin alt, ich habe nicht lange mehr zu leben. Ich aber würde mich auch nicht fürchten, selbst, wenn ich jung wäre.« Noch viele tausend schöne und mutige Worte fielen Andreas ein. Er saß auf seinem Stuhl neben der blauen Personenwaage und flüsterte vor sich hin. Ein Herr verlangte Seife, und er hörte es nicht. Ignatz flatterte auf seine Schulter und bat um Zucker. Andreas fühlte ihn nicht.

    Kapitel 19

    Von einer Turmuhr schlug die zehnte Vormittagsstunde. Eine zweite Uhr wiederholte die zehn Schläge. Mit langgezogenen, wehklagenden Tönen fiel eine dritte ein. Viele Türme, alle Türme der großen Stadt warfen Glockenschläge hinunter auf die kupfernen Dächer.

    Andreas stand vor dem Richter. Die Vorladung hatte er soeben dem Gerichtsdiener übergeben. Der trug sie mit weihevoller Gebärde zum Schreiber, er schritt auf den Zehenspitzen, um die andächtige Stille des Gerichtssaals nicht durch den schweren Tritt seiner offenbar genagelten Stiefel zu unterbrechen, und dennoch war in seinem Gang etwas Gewichtiges, wie in dem Parademarsch eines lautlosen Gespenstes. Der Schreiber war uralt und hatte eine schiefe Schulter. Auch kurzsichtig schien er zu sein. Denn seine Nase berührte fast den Tisch, auf dem er schrieb, und die Spitze seines Federhalters ragte dünn und drohend, wie ein geschliffener Speer, über den Rand seines Kopfes. Noch hatte die Verhandlung nicht begonnen, und dennoch lief die Feder mit schnellen, raschelnden Lauten über das Papier, als gälte es, die Aussagen der Jahrhunderte abzuschreiben.

    Der Richter saß in der Mitte zwischen zwei blonden, wohlgenährten Männern mit blanken Glatzen. Andreas hätte gerne gewußt, was die beiden Männer dachten. Sie sahen aus wie Zwillinge und unterschieden sich lediglich dadurch, daß der eine die Enden seines Schnurrbarts emporgezwirbelt, der andere sie nach beiden Seiten, links und rechts, waagrecht ausgezogen hatte. Der Richter war bartlos. Er hatte ein unbewegliches Antlitz voll steinerner Majestät wie ein toter Kaiser. Seine Gesichtsfarbe war grau wie verwitterter Sandstein. Seine großen grauen Augen waren alt wie die Welt und schienen durch die Wände in ferne Jahrtausende zu blicken. Nicht bogenförmig gekrümmt, wie bei anderen Menschen, sondern waagrecht, wie zwei lange, schwarze Kohlenstriche standen die Brauen am unteren Rande der scharfen, kantigen Stirn. Die dünnen Lippen waren fest geschlossen, breit und blutigrot. So hätte dieses Angesicht wohl den Eindruck einer herzlosen Unerbittlichkeit hervorgerufen, wenn in der Mitte des männlichen starken Kinns nicht eine versöhnende, fast kindliche Mulde gewesen wäre. Der Richter trug einen schwarzen Talar mit einem kleinen, noch schwärzeren Samtkragen.

    Auf dem erhöhten Tisch, zwischen zwei weißen und dicken, aber nicht gleich großen Kerzen stand ein Kreuz, gelb und wuchtig, wie aus Würfeln aufgebaut. Es schien Andreas, daß dieses Kreuz aus den Seifenwürfeln bestand, die ihm Willi zum Verkauf übergeben hatte. Aber das war nur der Irrtum eines Augenblicks. Andreas sah ein, daß ein Kreuz niemals aus Seife sein könne und daß es sündhaft wäre, so etwas zu denken.

    Er war gespannt auf den Gang der Verhandlung. Manchmal ging die Tür auf. Dann sah Andreas auf einer Bank im Korridor seine Frau Katharina, die kleine Anni, den Herrn von der Plattform der Straßenbahn und seltsamerweise auch den rotbackigen Händler, der den Esel gekauft hatte. Das waren die Zeugen. Wo aber blieben der Polizist und der Schaffner?

    Der Richter verlas den Namen: Andreas Pum, er murmelte die Daten, die Konfession, den Geburtsort, den Beruf. Dann erhob er seine Stimme, die tief und weich war, und sagte ein paar Worte, die wie in Samt gehüllt waren. Andreas hatte nur den Klang der Stimme gehört und nicht, was der Richter sagte. Dennoch wußte er, daß man ihn aufforderte zu erzählen.

    Plötzlich entsann er sich, daß er noch die bunten Orden an seiner Brust trug, die ihm Willi gekauft hatte. Er riß sie schnell herunter und behielt sie in der Faust. Gleichzeitig bemerkte er, daß die Wände des Gerichtssaales aus blaßblauen Kacheln bestanden, nämlich denen der Toilette im Café Halali. Von der Decke, die unendlich hoch sein mußte, zu der er aber nicht emporzublicken wagte, wehte es kühl und duftend, wie im Sommer aus einem verdunkelten Friseurladen.

    Er hustete einmal kurz und begann zu sprechen. Er fing mit der Schilderung der Szene auf der Plattform an. Aber der Richter streckte seine lange, schöne Hand aus, die aus den weiten Ärmeln der Toga weiß und edel herauswuchs, und machte eine abwehrende Bewegung. Zugleich ertönte seine Stimme, weich und dunkel, obwohl er die Lippen gar nicht bewegte. Das schien Andreas sehr wunderbar. Er hatte einmal als Knabe einen Bauchredner gehört. Aber dessen Stimme hatte grölend geklungen. Außerdem war ein Richter bestimmt kein Bauchredner. Wie aber war es dennoch möglich, daß er mit geschlossenen Lippen klar und rein die Worte sprach:

    »Andreas, was hast du auf dem Herzen?«

    Andreas wunderte sich noch mehr über das »Du«. Aber plötzlich fiel ihm ein, daß er ja ein kleiner Junge war. Er trug kurze Hosen. Er hatte beide Beine und war barfuß. Seine Knie waren vom letzten Fall auf die Kieselsteine des Schotterhaufens am Flußufer zerschunden, rot und brennend.

    Er dachte gerade über diese seltsame Verwandlung nach, als Musik ertönte. Im ersten Augenblick erinnerte sie an den Leierkasten. Dann aber schwollen die Klänge an, sie rauschten, fluteten, sanken wieder in sich zusammen, begannen zu flüstern, entfernten sich und kehrten zurück. Viele Menschen waren im Saal. Sie knieten nieder. Die Kerzen zu beiden Seiten des Kreuzes brannten golden und verbreiteten einen Duft von Weihrauch und Stearin.

    Da begriff Andreas, daß er tot war und vor dem himmlischen Richter. Auch war er kein Knabe mehr. Er allein stand im ganzen Saal unter tausend Knienden. Er trat einen Schritt vor und stieß die Krücke auf, aber sie verursachte kein Geräusch. Andreas merkte, daß er auf weichen Wolken stand. Er erinnerte sich an die Rede, die er für die irdische Gerichtsverhandlung präpariert hatte. Ein starker Zorn wuchs in ihm, sein Angesicht flammte, und seine Seele gebar Worte, zornige, purpurne Worte, tausend, zehntausend, Millionen Worte. Nie hatte er sie gehört, gedacht oder gelesen. Tief in ihm hatten sie geschlafen, gebändigt von dem armseligen Verstand, verkümmert unter der grausamen Hülle des Lebens. Jetzt sprossen sie auf und fielen von ihm ab wie Blüten von einem Baum. Im Hintergrund klang leise und in feierlicher Wehmut die Musik. Andreas hörte sie zugleich mit dem Rauschen seiner eigenen Rede:

    Aus meiner frommen Demut bin ich erwacht zu rotem, rebellischem Trotz. Ich möchte Dich leugnen, Gott, wenn ich lebendig wäre und nicht vor Dir stünde. Da ich Dich aber mit meinen Augen sehe und mit meinen Ohren höre, muß ich Böseres tun als Dich leugnen: ich muß Dich schmähen! Millionen meinesgleichen zeugst Du in Deiner fruchtbaren Sinnlosigkeit, sie wachsen auf, gläubig und geduckt, sie leiden Schläge in Deinem Namen, sie grüßen Kaiser, Könige und Regierungen in Deinem Namen, sie lassen sich von Kugeln eiternde Wunden in die Leiber bohren und von dreikantigen Bajonetten in die Herzen stechen, oder sie schleichen unter dem Joch Deiner arbeitsreichen Tage, sonntägliche, saure Feste umrahmen mit billigem Glanz ihre grausamen Wochen, sie hungern und schweigen, ihre Kinder verdorren, ihre Weiber werden falsch und häßlich, Gesetze wuchern wie tückische Schlingpflanzen auf ihren Wegen, ihre Füße verwickeln sich im Gestrüpp Deiner Gebote, sie fallen und flehen zu Dir, und Du hebst sie nicht auf. Deine weißen Hände müßten rot sein, Dein steinernes Angesicht verzerrt, Dein gerader Leib gekrümmt, wie die Leiber meiner Kameraden mit Rückenmarkschüssen. Andere, die Du liebst und nährst, dürfen uns züchtigen und müssen Dich nicht einmal preisen. Ihnen erläßt Du Gebete und Opfer, Rechtschaffenheit und Demut, damit sie uns betrügen. Wir schleppen die Lasten ihres Reichtums und ihrer Körper, ihrer Sünden und ihrer Strafen, wir nehmen ihnen den Schmerz und die Sühne ab, ihre Schuld und ihre Verbrechen, wir morden uns selbst, sie brauchen es nur zu wünschen; sie wollen Krüppel sehen, und wir gehen hin und verlieren unsere Beine aus den Gelenken; sie wollen Blinde sehen, und wir lassen uns blenden; sie wollen nicht gehört werden, also werden wir taub; sie allein wollen schmecken und riechen, und wir schleudern Granaten gegen unsere Nasen und Münder; sie allein wollen essen, und wir mahlen das Mehl. Du aber bist vorhanden und rührst Dich nicht? Gegen Dich rebelliere ich, nicht gegen jene. Du bist schuldig, nicht Deine Schergen. Hast Du Millionen Welten und weißt Dir keinen Rat? Wie ohnmächtig ist Deine Allmacht! Hast Du Milliarden Geschäfte und irrst Dich in den einzelnen? Was bist Du für ein Gott! Ist Deine Grausamkeit Weisheit, die wir nicht verstehen – wie mangelhaft hast Du uns geschaffen! Müssen wir leiden, weshalb leiden wir nicht alle gleich? Hast Du nicht genug Segen für alle, so verteile ihn gerecht! Bin ich ein Sünder – ich wollte Gutes tun! Weshalb ließest Du mich die kleinen Vögel nicht füttern? Nährst Du sie selbst, dann nährst Du sie schlecht. Ach, ich wollte, ich könnte Dich noch leugnen. Du aber bist da. Einzig, allmächtig, unerbittlich, die höchste Instanz, ewig – und es ist keine Hoffnung, daß Dich Strafe trifft, daß Dich der Tod zu einer Wolke zerbläst, daß Dein Herz erwacht. Ich will Deine Gnade nicht! Schick mich in die Hölle!

    Die letzten Sätze hatte Andreas nach einer unbekannten fremden, wunderbaren Melodie gesungen. Immer noch klang die Musik wie ein Orchester aus tausend Seufzern.

    Da hob der Richter die Hand, und seine Stimme tönte: »Willst du ein Diener im Museum sein oder Wächter in einem grünen Park oder einen kleinen Tabakverschleiß an der Straßenecke haben?«

    »Ich will in die Hölle!« antwortete Andreas.

    Da war auf einmal Muli, der kleine Esel, neben Andreas und führte den Leierkasten, aus dem Töne drangen, obwohl die Kurbel nicht bewegt wurde. Der Papagei Ignatz stand auf Andreas’ Schulter. Der Richter erhob sich, er wurde groß und größer, sein graues Angesicht begann weiß zu leuchten, seine roten Lippen öffneten sich und lächelten. Andreas begann zu weinen. Er wußte nicht, ob er im Himmel oder in der Hölle war.

    Man sperrte die Herrentoilette im Café Halali und ließ die Herren in die Damenabteilung für diesen Abend. Nachdem sich alle Gäste entfernt hatten, schaffte man die Leiche Andreas Pums weg. Sie kam nach einigen Tagen, weil gerade Leichenmangel war und obwohl sie nur ein Bein hatte, ins Anatomische Institut und erhielt, dank einem geheimnisvollen Zufall, die Nummer 73, dieselbe, die der Häftling Andreas getragen hatte. Ehe man die Leiche in den Seziersaal trug, kam Willi, um Abschied zu nehmen. Er wollte gerade anfangen zu weinen. Da fiel ihm schnell das Lied ein, das er immer zu pfeifen pflegte.

    Und pfeifend ging er, einen Greis für die Toilette suchen.

    #guerre #victimes #catholicisme #Gretchenfrage

  • Olympia 2024 : Schwimmerin Leonie Beck übergibt sich neunmal nach Wettkampf in der Seine
    https://www.berliner-zeitung.de/news/nach-wettkampf-in-der-seine-schwimmerin-leonie-beck-uebergibt-sich-


    La décision d’exposer les athlètes au service de leurs nations à leau polluée de la Seine rappelle les origines du sport modene. C’est une préparation à la guerre et à la mort pour la. patrie.

    Le fondateur du Mouvement gymnique allemand Ludwig Jahn définit les raisons d’être du sport en quatre devises, les quatre F. Le dernier F pour « fromm » (pieux) appelle les gymnastes au devoir suprême. « Heimgang » le retour aux origines ne signifie rien d’autre que la mort.

    https://de.m.wikipedia.org/wiki/Friedrich_Ludwig_Jahn

    „fromm die Pflichten erfüllen, leutseelig und volklich, und zuletzt die letzte, den Heimgang. Dafür werden sie gesegnet sein, mit Gesundheit des Leibes und der Seele, mit Zufriedenheit so alle Reichthümer aufwiegt, mit erquickenden Schlummer nach des Tages Last, und bei des Lebens Müde durch sanftes Entschlafen.“


    Sur ce relief à Vienne la croix des gymnastes prend la forme d’une croix gammée

    Dans une lettre Jahn énumère les arch-ennemis de la nation. La riche noblesse (Junker), les juifs (Juden), les escrocs (Gauner, à savoir les marchands capitalistes), les idéologues réactionnaires (Gaukler) et l’occupant francais (Garden). L’idéologie du sport est l’apogée pré-industrielle de l’esprit fasciste qui a trouvée sa manifestation idéale ésthétique dans les JO de Berlin en 1936 et sa matérialisation conséquente dans les chambres à gaz d’Auschwitz.

    Brief Jahns vom 24. August 1816 an Theodor Müller:

    „Und darauf verlaß Dich: So wird die preußische Landwehr noch nie geklopft haben, als im Gottesgericht wider Junker, Juden, Gauner, Gaukler und Garden. Gott verläßt keinen Deutschen.“

    Par ses vomissement la nageuse allemande Leonie Beck a fait preuve de l’esprit du sacrifice de guerrière. Elle nous donnera des fils en pleine santé, forts, de futurs Hagen et Siegfried. Noch ist Deutschland nicht verloren ;-)

    10.8.2024 - Nach dem Freiwasserrennen in der Seine klagt Leonie Beck über Durchfall und Erbrechen. Es sei „wie eine Lebensmittelvergiftung“.

    Leonie Beck ist nach dem olympischen Freiwasserrennen in der verschmutzten Seine erkrankt. Auf Instagram berichtete die Doppel-Europameisterin am Samstag: „Habe mich gestern neunmal übergeben + Durchfall.“ Ironisch fügte die 27-Jährige, die am Donnerstag über zehn Kilometer Platz neun belegt hatte, hinzu: „Wasserqualität in der Seine ist genehmigt.“ Dazu postete Beck ein Bild, das sie etwas angeschlagen und mit erhobenem Daumen zeigt.

    Direkt nach dem Rennen hatte sich die Doppel-Weltmeisterin von 2023 und Mitfavoritin über die extremen Bedingungen im Pariser Stadtfluss beklagt. Wegen der starken Strömung sei es für sie „eine andere Sportart“ gewesen, die „nichts mit einem durchschnittlichen Freiwasserrennen zu tun“ hatte. Wegen der Bakterienbelastung, die laut Angaben des Veranstalters und des Weltverbandes World Aquatics unter den Grenzwerten lag, hatte Beck gesagt: „Ich hoffe, dass wir nichts davontragen. Das wäre dann noch das Highlight.“

    Beck nach Seine-Rennen erkrankt: „Wie Lebensmittelvergiftung“

    „An vielen Beispielen hat man gesehen, dass die Werte wohl doch nicht gut genug waren. Bei vielen Athleten war es derselbe Verlauf“, sagte Beck nun im Interview mit Münchner Merkur/TZ.

    „Es ist wie eine Lebensmittelvergiftung, der Körper kämpft mit heftigen Reaktionen dagegen an“, sagte die Würzburgerin, die in Italien lebt und trainiert, weiter: „Ich bin froh, dass ich wieder gesund bin. Ich habe mich neunmal übergeben, in dem Moment war mir alles andere scheißegal. Ich wollte einfach wieder gesund werden. Ich finde es schon schade, wie es gelaufen ist. Die Medaillengewinner sind natürlich glücklich nach Hause. Der Rest ist schon ein bisschen angefressen.“

    Am Morgen nach ihrem Rennen sei es ihr zunächst gut gegangen, berichtete Beck, die den Wettkampf der Männer vor Ort verfolgte. Dann habe sie sich im Hotel ihrer Eltern hinlegen wollen. „Leider habe ich es nicht bis ins Zimmer geschafft, ein bisschen meiner Körperflüssigkeit hat sich in der Hotellobby verteilt“, sagte sie: „Dann ging es irgendwann im Zehn-Minuten-Takt mit dem Erbrechen los. Mir war es dann wichtig, dass ich in ärztlicher Behandlung im Dorf war.“
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    Im Vorfeld der Rennen hatte es viele Diskussionen um die Wasserqualität der Seine gegeben. Nach starken Regenfällen waren mehrere Trainingseinheiten abgesagt worden, der Triathlonwettkampf der Männer wurde um einen Tag verschoben. Bei den Freiwasserrennen sollen die Grenzwerte laut Angaben des Veranstalters und des Weltverbandes World Aquatics nicht überschritten worden sein. Beck hatte ebenso mit den Medaillen nichts zu tun wie Tokio-Olympiasieger Florian Wellbrock, der Achter wurde. Überraschend Silber gewann dessen Trainingskollege Oliver Klemet.

    #sport #histoire #nationalisme #antisemitisme #militarisme #nazis #shoa #jeux_olympiques #Übermensch #Gretchenfrage