Ce n’est pas avec un reportage de télé privée qu’on changera quoi que ce soit aux problèmes dans les cliniques d’Allemagne. Les mesures néolibérales de privatisation y ont établi une peinurie qui empêche l’accès aux soins adéquats pour tous, sauf pour les patients privés et profitables.
15.9.2024 von Ricardo Lange - Nach der Veröffentlichung einer Stern-Recherche ist die Empörung über Berlins bekannteste Klinik groß. Unser Kolumnist arbeitete selbst einmal dort und übt Kritik – an den Autoren.
„Stern Investigativ – Inside Charité“, so heißt die erste Folge der neuen RTL-Dokureihe, die in den vergangenen Tagen für Aufregung und Empörung gesorgt hat. Der Aufschrei in den Medien und vor allem in den sozialen Netzwerken ist groß: „Boykottiert die Charité ... Schämt euch!“ oder „Unter aller Sau! Die Klinik sollte sofort geschlossen werden!“ sind noch die harmloseren Kommentare, die man unter den Beiträgen der Charité lesen kann.
Ich kenne die Charité nicht nur vom Hörensagen oder von Kollegen, sondern habe dort selbst mehrere Jahre auf der Intensivstation gearbeitet und dabei auch ein speziell von der Charité entwickeltes 15-monatiges Traineeprogramm absolviert. Schon deshalb habe ich mir die Reportage angeschaut und bleibe, ehrlich gesagt, mit einem Stirnrunzeln zurück und frage mich, ob dafür jetzt eine Undercover-Mission nötig war.
Fakten werden ignoriert: Missstände im Gesundheitswesen bestehen seit Jahren
Seit Jahrzehnten weisen Experten auf die Missstände im Gesundheitswesen hin, auf den Personalmangel, der nicht nur das Personal ausbrennt und über die Grenzen der Belastbarkeit treibt, sondern auch die Sicherheit der Patienten massiv gefährdet. Immer wieder gehen Pflegekräfte teilweise wochen- und monatelang für eine bessere Patientenversorgung und einen Entlastungstarifvertrag deutschlandweit auf die Straße, und auch ich rede mir seit Ewigkeiten den Mund fusselig.
Das Problem: Viel zu oft interessiert es keine Sau! Das Medieninteresse geht gegen null. Aber wenn man jemanden mit der Mistgabel durchs Dorf treiben kann, wie in diesem Fall die Charité, dann ist das Geschrei groß und alle reiben sich verwundert die Augen. Ich frage mich inzwischen ernsthaft, woran das liegt. Ist es pure Ignoranz oder einfach nur Dummheit? Wer heute noch nicht gemerkt hat, dass die Missstände im Gesundheitswesen ihre Opfer fordern, hat entweder die letzten Jahre in einer Höhle verbracht oder alle Fakten ignoriert.
Die Charité ist international bekannt, sie wird zu den zehn besten Kliniken der Welt gezählt. Sie hat eine eigene Fernsehsendung, eine jahrhundertealte Geschichte und Tradition. Das weckt Erwartungen und lässt das Bild einer perfekten Hochglanzklinik entstehen.
Doch wer glaubt, dass die Charité deshalb von Missständen und Personalmangel verschont bleibt, der glaubt auch an den Weihnachtsmann. Auch sie hat mit Personalmangel zu kämpfen, auch sie kann sich keine neuen Mitarbeiter aus den Rippen schneiden, und auch die Charité steht – wie in der Reportage mehrfach betont – unter finanziellem Druck. Ob man das wahrhaben will oder nicht.
Missstände und Personaldruck in Kliniken sind in ganz Deutschland Realität
Trotzdem versucht die Charité, den Personalmangel durch gut bezahlte Prämien für eigene Mitarbeiter, die aus dem Frei einspringen, abzufedern und ist auch eine der wenigen Kliniken, die nicht um jeden Cent feilschen, um im Notfall mit Leasingpersonal eine unterbesetzte Station zu unterstützen.
Die einzelnen Fälle in der Reportage sind natürlich ausschnitthaft und verkürzt dargestellt, und da ich nicht vor Ort war, kann und will ich kein abschließendes Urteil abgeben. Die Bewertung und die Aufarbeitung der Vorfälle sind Aufgabe der Charité.
Man muss sich aber auch vor Augen führen, dass die investigativen Journalisten laut Berichterstattung ein ganzes Dreivierteljahr vor Ort recherchiert haben und nur eine Handvoll Situationen zusammengekommen sind, in denen scheinbar Missstände dokumentiert wurden, die man selbstverständlich beleuchten muss.
Auf der anderen Seite – und das gehört zur Wahrheit dazu – behandelt die Charité fast eine Million Patienten im Jahr. Darunter sind viele komplizierte Fälle, die extra aus dem Ausland eingeflogen oder aus anderen Kliniken hierher verlegt werden, weil diese mit ihren Behandlungsmöglichkeiten am Ende sind. Für viele Patienten ist die Charité die letzte Hoffnung. Fakt ist, dass die gleichen Probleme, die in der investigativen Reportage „Inside Charité“ thematisiert werden, in vielen, vielen anderen Kliniken in ganz Deutschland Realität sind.
Der eigentliche Skandal: Die Politik kennt die Probleme, handelt aber nicht
Man macht es sich also ziemlich einfach damit, mit dem Finger abwertend auf die Charité zu zeigen. Die Ursachen liegen zu einem großen Teil ganz woanders: angefangen bei den Ländern, die seit Jahren ihrer Finanzierungspflicht aus dem Krankenhausfinanzierungsgesetz nicht nachkommen, um die Krankenhäuser zum Beispiel bei der Anschaffung neuer Geräte oder bei notwendigen Sanierungen zu unterstützen, über die Politik, die die Probleme genau kennt, es aber bis heute nicht auf die Kette bekommt, etwas daran zu ändern. Das ist der eigentliche Skandal.
In meinen Augen gibt es eine gewisse Unausgewogenheit in der Berichterstattung. Man hat sich den großen Player herausgepickt, um Quote zu machen, und hat es versäumt, den Blick nach rechts und links zu wagen und das große Ganze in den Fokus zu rücken. Investigativer Journalismus hat auch Schattenseiten und hinterlässt in vielen Fällen verbrannte Erde.
Hier ist es das zerstörte Vertrauen der Kollegen untereinander. Der künftig misstrauische Seitenblick auf jeden Neuen. Die Patienten und Angehörigen, die sich nun ohne Einwilligung in ihren verletzlichsten Momenten trotz Verpixelung auf jeder medialen Plattform wiedererkennen. Und nicht zuletzt ein Imageschaden, der viele Patienten verunsichert zurücklässt. Hätte man die Hoffnung, dass sich durch die Reportage tatsächlich etwas im Gesundheitswesen zum Besseren wenden würde, könnte man das alles vielleicht mit halbem Herzen hinnehmen. So bleibt nur ein bitterer Nachgeschmack.