#hinter_der_katholischen_kirche

  • 01.08.2018: Kapitale Kirche (Tageszeitung junge Welt)
    https://www.jungewelt.de/artikel/337084.kapitale-kirche.html

    »Die Religionen müssen alle tolerieret werden, und muss der Fiscal nur das Auge drauf haben, dass keine der andern Abbruch tue, denn hier muss ein jeder nach seiner Fasson selig werden«, äußerte Preußenkönig Friedrich II. 1740, kurz nach seinem Regierungsantritt.¹ Er selbst fühlte sich an keine Religion gebunden, schätzte den Gottesglauben aber als pädagogisches Instrument zur Erziehung und Disziplinierung seiner Untertanen. So plante er in Berlin einen Kirchbau nach dem Modell des antiken römischen Pantheons, das, wie der Name sagt, allen Göttern gewidmet war – eine Idee, die dem König sicherlich näherlag als die Schaffung eines Sakralbaues ausschließlich für eine Glaubensgemeinschaft.

    In Berlin herrschte der Protestantismus. Die sehr kleine Zahl der Katholiken wuchs durch schlesische Einwanderer, die ihr Zuhause während der schlesischen Kriege verlassen hatten oder verlassen mussten. So wurde das »Pantheon« der erste katholische Kirchenneubau in Berlin nach der Reformation: ein Rundbau mit Kuppel. Im Unterschied zu den vielfältigen und überschwenglichen Formen des damals ausgehenden Barocks liegen dem Gebäude einfache geometrische Figuren zugrunde: Kreis, Quadrat, Würfel, Kugel, Pyramide, Kreuz. 1773 wurde die Kathedrale als katholische Gemeindekirche geweiht und erhielt den Namen der schlesischen Schutzpatronin »Hedwig«. Damit handelte Friedrich ganz im Sinne des französischen Philosophen Voltaire, seines langjährigen Gesprächspartners, der Herrschern empfiehlt: »Ihr sollt die Herzen nicht verunsichern – und alle Herzen werden Euch zufliegen.«² Friedrich brauchte vor allem die Herzen der katholischen Soldaten.

    Zerstörung und Wiederaufbau

    Im März 1943 wurde die Kirche von einer Brandbombe bis auf die Außenmauern zerstört. Seit dem Jahr 1930 war St. Hedwig Bischofskirche. Der Wiederaufbau betraf nicht nur die Deutsche Demokratische Republik – auf ihrem Gebiet lag ja die Kirche; die Diözese umfasste auch das damalige Westberlin. Schließlich einigten sich Bundesrepublik und DDR über die Finanzierung der Bautätigkeiten und weitere organisatorische Fragen. 1952 begann der Wiederaufbau, 1963 wurde er abgeschlossen. Baufachleute und Künstler aus der BRD und der DDR haben an ihm mitgewirkt. Der Innenraum, der eigentliche Kirchenraum, wurde von dem Düsseldorfer Architekten Hans Schwippert gestaltet. Zu diesem gehört, mit breiter, deutlich sichtbarer Treppe, die Öffnung zur darunterliegenden Krypta, so dass der Kirchraum als Doppelraum gestaltet ist.

    In der Krypta befindet sich eine Reihe von kleinen Seitenkapellen, die unterschiedlich genutzt werden. Einige sind Orte des Gedenkens, Grabstätten von Bischöfen. Einen besonderen Platz nimmt die Grabstätte von Dompropst Bernhard Lichtenberg (1875–1943) ein, der offen gegen die sogenannte Euthanasie und die Verfolgung der Juden protestiert hatte, deshalb von den Nazis inhaftiert wurde und auf dem Transport ins Konzentrationslager Dachau starb. Die vierzehn eindrücklichen Pinsel- und Federzeichnungen des Dresdener Künstlers Josef Hegenbarth stellen die Stationen des Kreuzweges Jesu dar und erinnern gleichzeitig an das Leid unter der Naziherrschaft. Bis ins kleinste ist die Gestaltung des Innenraumes durchdacht: Material, Farben, Formen, Größe der einzelnen Elemente, der beweglichen Gegenstände und der unbeweglichen Elemente wie Fenster, Treppengeländer, Wände und Boden, ihr Platz im gesamten Innenraum – alles ist aufeinander abgestimmt.

    Vielfältig ist die Symbolik der gesamten Architektur. Die zahlreichen symbolischen Bezüge der eher abstrakten Architektur springen nicht sofort ins Auge. Wer sich aber auf sie einlässt, wird bald von ihr getragen werden. Die Einzigartigkeit des Innenraumes fasst Sabine Schulte, Referentin für Sakraldenkmale beim Berliner Landesdenkmalamt, so zusammen: »Der Innenraum von St. Hedwig gehört zu den bedeutenden Leistungen kirchlichen Wiederaufbaus nach 1945. Seine Gestaltung durch Hans Schwippert stellt die einzige moderne Raumschöpfung einer im Zweiten Weltkrieg zerstörten Bischofskirche in Deutschland dar. Raum und Ausstattung sind ohne Parallele – auch als gesamtdeutsches Werk. In einem dichten Beziehungsgeflecht kommen hier geschichtliche – liturgie- und kirchengeschichtliche, zeithistorische, architektur- und ingenieurtechnikgeschichtliche –, wissenschaftliche und künstlerische Bedeutungen zusammen (…). Herzstück (ist) die Einheit von Ober- und Unterkirche mit ihrem Konzept der ›freien Mitte‹ sowie der Verbindung von Memorialebene und Kathedralraum.«³ Der Innenraum steht unter Denkmalschutz.

    »Komplett verhunzt«

    Doch das alles scheint die Kirchenleitung nicht zu beeindrucken. Sie will St. Hedwig unbedingt umbauen und damit die jüngere Geschichte des Bauwerks, die mit der DDR verbunden ist, zum Verschwinden bringen. Im November 2013, am 50. Jahrestag des vollendeten Wiederaufbaus, informierte das Erzbistum – diesen Rang hatte es 1994 erhalten – zum ersten Mal über seine Pläne. Erzbischof Rainer Maria Woelki verkündete die beabsichtigten Maßnahmen theatralisch von der Kanzel aus, also im wörtlichen Sinne »ex cathedra«. Transparenz oder gar Einbeziehung der Gemeinde gab es nicht. Noch am selben Tag begann der Architekturwettbewerb zur Umgestaltung. 2015 trat Heiner Koch die Nachfolge von Erzbischof Woelki an. Beide kommen aus Köln und hatten dort mit Barbara Schock-Werner zu tun gehabt, die vierzehn Jahre lang Dombaumeisterin gewesen ist. In einem Interview wurde sie gefragt, ob der Umbau der St.-Hedwigs-Kathedrale eine Aufgabe für sie sei: »Reizen würde mich das. Das klassizistische Gebäude ist durch den Wiederaufbau nach dem Krieg komplett verhunzt worden. Inzwischen steht aber der Wiederaufbau selbst – mit einem völlig hanebüchenen Loch in der Mitte – schon wieder unter Denkmalschutz. Also, das ist ein richtig heißes Eisen.«⁴

    Als Ursprungsort des großangelegten Berliner Projekts ist also unschwer Köln auszumachen. Unterstützt wird das Kölner Trio durch Kulturstaatsministerin Monika Grütters, Mitglied des Zentralkomitees der deutschen Katholiken (ZdK), die eine steile Karriere in der CDU durchlaufen hat und seit Dezember 2016 den Berliner Landesvorsitz der Partei innehat. Bei der nächsten Wahl im Jahr 2021 wird sie wohl für das Amt des Regierenden Bürgermeisters kandidieren. Erfahrungsgemäß können hauptstadtwürdige Prestigebauten mit ihrer Unterstützung rechnen. Neben Grütters engagiert sich noch eine bekannte Bundespolitikerin für die Pläne des Erzbistums: Barbara Hendricks (SPD). Bis Ende 2017 war sie Umweltministerin, zu ihrem Ressort gehörte auch das Bauwesen. Sie ist ebenfalls Mitglied des ZdK.

    Das Ergebnis des Wettbewerbs zum Umbau der Kathedrale wurde 2014 veröffentlicht. Änderungen waren nicht möglich, da das Erzbistum einen Realisierungswettbewerb ausgeschrieben hatte. Den Siegerentwurf ermittelte eine Jury, der – wen wundert es – Barbara Schock-Werner angehörte. Außer der Schließung der Öffnung zur Unterkirche sehen die Pläne viele weitere Umbauten vor, an Türen und Fenstern, dem Dach, der Außenfassade sowie der gesamten Innenausstattung.

    Auch das in den 1980er Jahren errichtete Bernhard-Lichtenberg-Haus – ein Mehrzweckbau in Skelettbauweise, also leicht für neue Zwecke änderbar – soll abgerissen und im großen Stil neu gebaut werden; geplant ist u. a. ein Wissenschaftszentrum, auch der Bischofssitz soll hierhin verlegt werden. Unter der Hoffläche zwischen Kathedrale und Nebengebäuden ist ein unterirdischer Bau vorgesehen – mitten im Grundwasser.

    Insgesamt ist das ein riesiges Projekt, für dessen Realisierung das Erzbistum 60 Millionen Euro veranschlagt hat. Ein Drittel dieser Summe will es selbst aufbringen, für ein weiteres Drittel nimmt es die anderen deutschen Diözesen in die Pflicht und bittet um private Spenden; das letzte Drittel soll aus Steuergeldern kommen: zwölf Millionen Euro vom Bund und acht Millionen aus dem Berliner Haushalt. Der Bundestag hat die zwölf Millionen kurzfristig bewilligt, was wohl nur durch eifrige Lobbyarbeit zu erklären ist.

    Ein Sanierungsbedarf besteht ohne Zweifel. Dass aber auch ein Umbau nötig sei, der den denkmalgeschützten Innenraum zerstört, begründet das Erzbistum mit »liturgischen und gottesdienstlichen Belangen« und verweist auf Ausführungen des Bildhauers Leo Zogmayer: Bibelzitate und eine Aneinanderreihung von Fremdwörtern wie Katabase, Anabase, diabatischer Grundgestus und Diachronizität sollen Gelehrtheit suggerieren und Nachfragen verhindern.⁵

    Die Konferenz der deutschen Bischöfe lässt die eigentliche Motivation für den Umbau durchblicken: Sie hat eine Arbeitsgruppe zur »Stärkung der Präsenz von Kirche in der Hauptstadt« gebildet, die auch das Thema »Bedeutung der St.-Hedwigs-Kathedrale für die Hauptstadt« behandeln soll. Erinnert das nicht an das alte Bündnis von Thron und Altar?

    Fragwürdigkeiten und Widersprüche

    Da der Innenraum denkmalgeschützt ist, musste das Erzbistum die Aufhebung des Denkmalschutzes beantragen. Das tat es in selbstgewisser Sprache, als sei das Ergebnis selbstverständlich. Die bezirkliche Denkmalbehörde, die von Berlin-Mitte, hatte als erste Behörde abzuwägen, in welchem Maße die partikularen Wünsche der Kirche die Interessen der Allgemeinheit am Erhalt des Baudenkmals einschränken dürfen. Die Denkmalbehörde entschied im Sinne des Erzbistums – allerdings mit Einschränkungen. Die nächste Instanz, das Landesdenkmalamt, wollte den weitgehenden Verlust des denkmalgeschützten Innenraumes nicht hinnehmen und lehnte die Pläne ab. »Die in der vorliegenden Darstellung suggerierte Behauptung, die katholische Kirche sei in den Fragen des geplanten Umbaus (…) autark, trifft nicht zu. Denn der Erhalt von Sakralbauten als kulturelles Erbe ist gemeinsame kirchliche und staatliche Aufgabe. Artikel 140 Grundgesetz in Verbindung mit Artikel 137 Absatz 3 Weimarer Reichsverfassung, welcher das kirchliche Selbstbestimmungsrecht postuliert, garantiert dies ausdrücklich nur innerhalb der Schranken des für alle geltenden Gesetzes. (…) Die Rechtsprechung hat bereits entschieden, dass die Denkmalschutzgesetze der Länder solche Schranken der Kirchenautonomie darstellen.« Nach der Darstellung der juristischen Situation führt das Landesdenkmalamt inhaltliche Argumente historischer, kunsthistorischer, bautechnischer und theologischer Art an. Schließlich heißt es in der Stellungnahme des Landesdenkmalamtes: »Nicht nur die herausragende Bedeutung dieser Raumschöpfung für die Geschichte der Baukunst und der katholischen Kirche, sondern auch die nationale und internationale Bedeutung dieses Ausnahmebaus begründen ein Erhaltungsinteresse der Allgemeinheit.«⁶

    Wenn die bezirkliche Denkmalbehörde und das Landesdenkmalamt unterschiedlich votieren, muss der Kultursenat durch die Oberste Denkmalschutzbehörde entscheiden, deren Chef Kultursenator Klaus Lederer (Die Linke) ist.

    Am 16. Februar gab der Kultursenat schließlich in einer Pressemitteilung bekannt: »Die geplante Um- und Neugestaltung des Innenraums der St.-Hedwigs-Kathedrale ist denkmalrechtlich weitgehend zulässig, weil das denkmalrechtliche Erhaltungsinteresse gegenüber dem kirchlichen Selbstorganisationsrecht zurücktreten muss.« Mehrmals weist der Text auf das Selbstbestimmungsrecht der Kirche hin und betont, »dass den Denkmalbehörden lediglich die Kompetenz zukommt, (…) die beabsichtigten baulichen Maßnahmen in bezug auf die geltend gemachten liturgischen Belange auf Plausibilität zu überprüfen«.

    Schon bald nach Bekanntwerden der Umbaupläne gab es Nachfragen und Proteste inner- und außerhalb der katholischen Kirche. 2015 bildete sich die Initiative »Freunde der St.-Hedwigs-Kathedrale«, deren Sprecher Werner J. Kohl ist, Mitglied der Domgemeinde und Architekt von Beruf. Die Initiative wandte sich zunächst an das Erzbistum, forderte Transparenz und eine Einbeziehung der Gemeinde. Aber ein Dialog mit dem Erzbistum war zu keiner Zeit möglich. Die Initiative legte eine detaillierte und fundierte Kritik vor, die sie auf den jeweils veröffentlichten Stand der Pläne bezog. Das Erzbistum hielt die Fragesteller hin, oft mit dem Hinweis, dass noch nichts entschieden sei. Manche Informationen über den Stand der bischöflichen Pläne waren nur auf Umwegen zu erlangen.

    Die Initiative wies u. a. darauf hin, dass der geplante unterirdische Neubau, der eine Untergrabung der Gründungssohle um vier Meter vorsieht, eine aufwendige und kostspielige Verfestigung des Baugrundes erfordere, da er sonst die Stabilität der Kathedrale und benachbarter Gebäude gefährde. Beim Pergamon-Museum hatte ein solches Versäumnis zu einer Kostensteigerung um 200 Millionen Euro geführt.

    Eine respektvolle Sanierung – so die »Freunde der St.-Hedwigs-Kathedrale« – würde mit etwa fünf Millionen Euro etwa ein Zehntel des geplanten Umbaus kosten. Vor allem aber geht es Kohl und seinen Mitstreitern um inhaltliche Kritik, nämlich um die Frage, ob »ohne dringliche Not ein herausragendes Gesamtkunstwerk der Nachkriegsmoderne, das aus der Kooperation namhafter westdeutscher und ostdeutscher Künstler erwuchs, auf Beschluss der derzeitigen Amtsträger in seiner zentralen Konzeption eines Doppelraumes zerstört werden darf«.⁷

    Außer der Initiative haben Gruppen und Einzelpersönlichkeiten aus dem In- und Ausland für den Erhalt des denkmalgeschützten Innenraumes plädiert. 140 Persönlichkeiten verschiedener Fachrichtungen schlossen sich einem offenen Brief an, den Adrian von Buttlar, emeritierter Professor und langjähriger Vorsitzender des Berliner Denkmalrates, 2016 an Erzbischof Koch schrieb. Buttlar wandte sich im Januar 2018 auch an den Kultursenator: »Sie können sich vorstellen, welches fatale Signal eine offizielle Entscheidung für den Abriss und Umbau bedeuten würde: Berliner Denkmalschutz und der Landeskonservator wären dann wohl kaum noch ernst zu nehmen. Denkmalschutz würde vielmehr – wie vielerorts bereits zu beobachten – über kurz oder lang zum reinen Erfüllungsgehilfen eines politisch entkernten Stadtmarketings für den Feierabend und den Tourismus.«

    Abwägung und Plausibilität

    Aufgabe der Obersten Denkmalschutzbehörde war die Abwägung der erzbischöflichen Interessen einerseits und der gesellschaftlichen Interessen an der Erhaltung des Kulturgutes andererseits. Am 19. Dezember 2017 fand eine ganz kurzfristig angesetzte Begehung der Kathedrale statt, an der sieben Vertreter des Erzbistums und zwei von der Obersten Denkmalschutzbehörde teilnahmen. Das entsprechende Dokument der Behörde, das 18 Doppelseiten umfasst, beschreibt zunächst die beabsichtigten Baumaßnahmen. Ihm ist zu entnehmen, dass auch die jetzigen Fenster, die Teil des Denkmals sind, zerstört werden sollen, ebenso fast die ganze Innenausstattung in ihren festen und beweglichen Teilen. Warum angeblich neue Kirchenfenster erforderlich sind, erklärt das Erzbistum so: »Farbliche Reduzierung und Darstellung des Sternbildes zum Zeitpunkt der Geburt Jesu Christi als wesentlicher Ausdruck zur Darstellung des zentralen Grundgedankens der Vereinigung von Menschheit und Gottheit sind wichtige Teilaspekte im Konzept der am Communiogedanken orientierten gesamtheitlichen Neugestaltung zur Umsetzung der vom Erzbischof formulierten gottesdienstlichen Belange.« Das Landesdenkmalamt stellt zu dieser Maßnahme »Totalverlust« fest, und zwar in künstlerischer, städtebaulicher und zeitgeschichtlicher, religions- und kirchengeschichtlicher Hinsicht, und verweist auf seine ausführliche Darstellung.

    Nach mündlicher Aussage des Staatssekretärs wurde das Fazit, das dann unter der Rubrik »Vororttermin« erscheint, von den Vertretern der Obersten Denkmalschutzbehörde formuliert: »Die heutigen Fenster mit ihrer quadratischen Ornamentik als Symbol der Endlichkeit widersprechen inhaltlich wie formal dem Grundgedanken des liturgisch-theologischen Konzepts (Communio). Die derzeitige Farbigkeit der Fenster, die das Quadrat in vielfältiger Art zum Ausdruck bringt, steht dem zuvor dargelegten Grundgedanken der Rücknahme des Bauwerks zur Unterstützung der liturgischen Handlungen komplett entgegen.« Dies ist nur ein Beispiel von vielen, die zeigen, wie die Oberste Denkmalschutzbehörde sich bis in die Formulierungen hinein die Darlegungen des Erzbistums zu eigen macht. Übrigens ist »Communio« ein dehnbarer Begriff, der für alle möglichen theologischen Sachverhalte passend gemacht werden kann; und »Rücknahme« ist ein freundlicher Ausdruck für »Zerstörung«.

    In einem umfangreichen Schreiben vom 5. Februar 2018 legt die Oberste Denkmalschutzbehörde ihre beabsichtigte Entscheidung dar: Ein Ersatz der Fenster sei zwar denkmalpflegerisch nicht wünschenswert, aber aus verfassungsrechtlichen Gründen hinzunehmen. Ansonsten wiederholt sie weitgehend die Formulierungen des Bistums.

    Ist es möglich, Baupläne »plausibel« zu finden, aber die theologische Konzeption, die sie umsetzen sollen, außen vor zu lassen mit der Begründung, die Konzeption betreffe ausschließlich das Selbstbestimmungsrecht der Kirchen?

    Am Innenraum, der mit seiner Verbindung zur Unterkirche das Herzstück der vorhandenen Gestaltung ausmacht, wird besonders deutlich, dass das ganze Vorhaben ein Politikum ist – erinnert doch die Hedwigs-Kathedrale an die deutsche Kriegsschuld und die DDR. Dass die Unterkirche vom eigentlichen Kirchraum abgetrennt werden soll, bedeutet eine Marginalisierung der Vergangenheit, des Andenkens an Lichtenberg und der eindrücklichen Zeichnungen von Hegenbarth. Übrigens ist die vorgelegte Planung des zu engen und zu steilen Zugangs zur Unterkirche wohl kaum aufrechtzuerhalten, wie die »Freunde der Hedwigs-Kathedrale« gezeigt haben.

    Nachlässigkeiten, Vertuschungen, Irreführungen, Halbwahrheiten gibt es von seiten des Erzbistums in großer Zahl. Und nun handelt es ohne Rücksicht auf die fristgemäß eingegangenen Widersprüche: Ende August wird u. a. die Verbindung zur Unterkirche geschlossen, provisorisch, wie es heißt. Und in dem schon mal neugestalteten Kirchraum wird zu Weihnachten ein Fernsehfestgottesdienst zur Erbauung der ganzen Nation stattfinden. Wir dürfen raten, wer dann telegen in der ersten Reihe sitzt.

    Anmerkungen:

    1 Randbemerkung Friedrichs II. zum Bericht des Geistlichen Departements über Schulen für die Kinder von katholischen Soldaten.

    2 Voltaire: Traité sur la tolérance, Paris 1975 (1763), S. 105

    3 Sabine Schulte: Kreis, Kreuz und Kosmos. Hans Schwipperts Innenraum für die Berliner Hedwigs-Kathedrale, Berlin 2016, S. 54 f.

    4 Kölner Stadtanzeiger, 28.8.2012

    5 Schreiben des Dompropstes Tobias Przytarski vom 20.6.2017 an den Berliner Kultursenator Klaus Lederer

    6 Stellungnahme des Landesdenkmalamts zur »Darstellung der formalen und inhaltlichen Prozesse zur Entscheidung des Erzbischofs für einen Umbau der St.-Hedwigs-Kathedrale« vom 20.6.2017, abgegeben am 6.10.2017.

    7 freunde-hedwigskathedrale.de. Hier sind viele Dokumente zu den Umbauplänen zusammengestellt und teilweise ausgewertet.

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