Die Bundesregierung will die Vorrangprüfung bei der Beschäftigung von Asylbewerbern und geduldeten Flüchtlingen dauerhaft abschaffen. „Das Bundesministerium für Arbeit und Soziales hat die Absicht, im Einvernehmen mit den Ländern die Aussetzung der Vorrangprüfung durch Ministerverordnung in allen Agenturbezirken zu entfristen“, teilte eine Ministeriumssprecherin auf Anfrage des Handelsblatts mit. Dazu habe das Ministerium die Länder um Stellungnahme gebeten. Die Abstimmung mit den anderen Ressorts solle „zeitnah“ eingeleitet werden.
Asylbewerber, deren Verfahren noch nicht abgeschlossen ist, und Geduldete dürfen nach bestimmten Aufenthaltsfristen in Deutschland arbeiten. Ursprünglich musste in den ersten 15 Monaten aber die Bundesagentur für Arbeit (BA) prüfen, ob es für die Stelle nicht auch einen geeigneten deutschen Bewerber oder EU-Bürger gibt.
Diese Pflicht zur sogenannten Vorrangprüfung hatte die Bundesregierung im August 2016 per Verordnung aufgehoben. Sie stellte den Ländern damals aber frei, einzelne Regionen auszunehmen – etwa, weil die Arbeitslosigkeit dort weiter hoch ist. 23 der insgesamt 156 Agenturbezirke der BA hielten an der Vorrangprüfung fest, sie liegen in Bayern, im Ruhrgebiet und in Mecklenburg-Vorpommern.
Allerdings hatte die Bundesregierung die Aussetzung bis zum August dieses Jahres befristet. Diese Befristung soll nun aufgehoben werden. Das Ministerium weist aber darauf hin, dass die Vorrangprüfung „jederzeit per Verordnung ganz oder teilweise wieder eingeführt werden“ könne, etwa wenn die Arbeitsmarktlage dies geboten erscheinen lasse.
In den 23 Agenturbezirken der BA, in denen die Vorrangprüfung noch gilt, wurden im vergangenen Jahr nur 110 Asylbewerber und 24 Geduldete auf Jobsuche abgelehnt, weil sich für die betreffende Stelle auch Deutsche oder EU-Bürger beworben hatten. In gut 80 Fällen wurden Anträge abgelehnt, weil es andere Bewerber gab und zusätzlich die Arbeitskonditionen nicht stimmten.
Die Arbeitsagentur muss nämlich – unabhängig von der Vorrangprüfung – in jedem Fall sicherstellen, dass Flüchtlinge nicht zu ungünstigeren Bedingungen eingestellt werden als vergleichbare deutsche Arbeitnehmer. Hier hat die Behörde im vergangenen Jahr in insgesamt knapp 8.000 Fällen ihr Veto eingelegt. In knapp 121.000 Fällen hat die BA ihr Okay gegeben, dass Asylbewerber oder Geduldete eine Beschäftigung aufnehmen dürfen.
An diesem Mittwoch will das Bundeskabinett einen Gesetzentwurf von Arbeitsminister Hubertus Heil (SPD) verabschieden, der Flüchtlingen und generell Ausländern besseren Zugang zur Ausbildungsförderung verschaffen soll. Sozialverbände wie der Paritätische Gesamtverband hatten darauf hingewiesen, dass diese Förderung wenig bringe, wenn gleichzeitig der Zugang zum Arbeitsmarkt durch Wiedereinführung der Vorrangprüfung erschwert würde.
Auch Seehofer mit einem Gesetzesentwurf
Neben dem Ausländerbeschäftigungsförderungsgesetz wird das Kabinett auch über eine Anpassung der Asylbewerberleistungen entscheiden. Die Geldleistung wird leicht angehoben, weil die Lebenshaltungskosten seit der letzten Anpassung gestiegen sind. Diese Maßnahme soll aber „kostenneutral“ umgesetzt werden, und zwar indem Geflüchtete, die in Gemeinschaftsunterkünften leben, künftig so behandelt werden, als lebten sie in einer Partnerschaft. Das heißt, für sie gilt ein niedrigerer Regelsatz.
Von Bundesinnenminister Horst Seehofer (CSU) steht das sogenannte Geordnete-Rückkehr-Gesetz auf der Tagesordnung der Ministerrunde. Es sieht eine Art „Duldung light“ und niedrigere Sozialleistungen für Flüchtlinge vor, die bei der Klärung ihrer Identität oder bei der Beschaffung von Ausweisdokumenten nicht kooperieren.
Außerdem soll das Gesetz für eine verbesserte Durchsetzung der Ausreisepflicht von abgelehnten Asylbewerbern sorgen, etwa durch eine Absenkung der Ausweisungsschwellen oder erleichterte Möglichkeiten, Ausreisepflichtige in Haft zu nehmen.
Besonders umstritten ist das Vorhaben, den Ländern zeitlich befristet zu erlauben, Abschiebehäftlinge in regulären Haftanstalten unterzubringen. Damit würde das geltende Trennungsgebot ausgehebelt. Alle Justizminister der Bundesländer mit Ausnahme Bayerns lehnen dies ab. Hierüber wird es sicher noch kontroverse Debatten im Bundesrat geben. Allerdings ist das Geordnete-Rückkehr-Gesetz nicht zustimmungspflichtig.
Mit der Verabschiedung von Seehofers Gesetz im Bundeskabinett wird auch der Weg frei, die schon im Dezember vom Kabinett verabschiedeten Gesetze zur Fachkräfteeinwanderung und zur Duldung von gut in den Arbeitsmarkt integrierten Flüchtlingen im Bundestag zu behandeln. Die Union hatte die Verabschiedung des Geordnete-Rückkehr-Gesetzes zur Bedingung dafür gemacht, dass das parlamentarische Verfahren zum Fachkräfteeinwanderungsgesetz eingeleitet wird.