#jebensstraße

  • „Modekönigin von Berlin“: Wie Regina Friedländer die Modeindustrie aufwühlte
    https://www.berliner-zeitung.de/open-source/regina-friedlaender-wie-eine-berlinerin-die-modeindustrie-aufwuehlt


    Zwei Hutmodelle von Regina Friedländer in der Berliner Modezeitschrift Styl, 1922

    A propos de la plus célèbre créatrice de mode féminine dans le Berlin de l’empire allemand et la république de Weimar

    13.03.2024 von Bettina Müller - Vor 120 Jahren gründete Regina Friedländer ihre Modefirma in Berlin. Damit trotzte sie alten Rollenbildern. Das ist ihre Geschichte.

    Extravagante Entwürfe und zeitlose Eleganz. Die fantastischen Hut-Kreationen der Regina Friedländer, im Berlin der 1920er-Jahre von Becker & Maass fotografiert, kann man heute bequem in einer Online-Ausstellung der Kunstbibliothek der Staatlichen Museen Berlin besichtigen. Es ist eine visuelle Reise in die frühe Weimarer Zeit, als noch Aufbruchstimmung in der Stadt herrschte, sodass auch die Hüte manchmal so aussahen, als hätten sie Flügel, und somit der Trägerin auch eine gewisse Leichtigkeit verliehen.

    Kaum eine Lifestyle-Zeitschrift, in denen die Kopfbedeckungen, aber auch die Pelze und Roben aus dem Hause Regina Friedländer damals nicht zu finden waren. Sie hüllte die legendäre Anita Berber und andere Schauspielerinnen in elegante Gewänder, Aristokratinnen und Ehefrauen von Diplomaten gingen in ihrem Modesalon ein und aus. Jahrelang war ihr Name ein absoluter Garant für höchste Qualität, doch heute kennt so gut wie niemand mehr ihren Namen.

    Wer war Regina Friedländer, die die Berliner Presse damals zur „Modekönigin von Berlin“ krönte? Wer war die Frau, die damals die wohlhabenden Berlinerinnen mit ihren ausgefallenen Kunstwerken des Hutmacher- und Schneiderhandwerks beglückte? Die zudem als berufstätige Frau eine unkonventionelle Ehe mit dem zehn Jahre jüngeren Schriftsteller und Lyriker Leo Heller führte, aber auch – mit zwei Kindern aus erster Ehe – Familie und Beruf vereinbaren konnte?

    Es ist bis heute unklar, wo die 1866 als Tochter des (jüdischen) Kaufmanns David Oppler geborene Regina ihren Beruf erlernt hat. Im Sommer 1894 annonciert sie im Berliner Tageblatt und bietet „jungen Damen“ einen „Lehrkurs für feinen Damenputz“ an. Noch im selben Jahr heiratet sie den Kaufmann Hugo Friedländer. Als Putzmacherin ist sie in einem Teilbereich eines aufstrebenden Wirtschaftszweiges tätig, der sich mit der Herstellung von aller Art von Hüten und Kopfbedeckungen von Frauen und Mädchen befasst.

    Friedländer bleibt berufstätig

    Und so denkt sie nach ihrer Hochzeit, während sie ihr Korsett lockert, gar nicht daran, ihren Beruf aufzugeben und an Heim und Herd verbannt zu werden, im Gegenteil. Die Geburt ihrer Kinder Rosalie (1896) und Emanuel Werner (1900) können ihre Kreativität nicht im Keim ersticken. Wie sie die darauf folgenden Jahre die Vereinbarkeit von Familie und Beruf gemeistert hat, bleibt ihr Geheimnis, die Quellen sind rar, Eigen-Aussagen fehlen.

    Am 15. April 1904 wird sie Unternehmerin und lässt ihre Firma „Regina Friedländer“ in das Firmenregister eintragen. Das ist kurios, sie darf eine Firma gründen, aber an die Wahlurne lässt man sie noch nicht.


    Frau mit Hut von Regina Friedländer; Kunstbibliothek/Staatliche Museen zu Berlin

    In diesem Jahr ist Berlin längst das Epizentrum der deutschen Modeindustrie und der Konfektion, und beherrscht teilweise sogar den Weltmarkt. Vor allem rund um den Hausvogteiplatz haben sich große Häuser angesiedelt, die für allerhöchste Qualität bürgen, zumeist haben sie jüdische Namen wie Israel, Gerson oder Manheimer. Sie versprechen ein „Paradies der Frauen“, so der Werbeslogan von Nathan Israel.

    Zwei Jahre nach der Firmengründung wird die Ehe zwischen Regina und Hugo Friedländer durch das Königliche Landgericht aufgelöst. Der Hauptgrund für die Trennung ist ein österreichischer Poet und Schriftsteller namens Leo Heller, der seit 1901 in der Stadt ist. Er war dem Ruf Ernst von Wolzogens gefolgt, der ihn als Textdichter für sein literarisches Kabarett „Überbrettl“ nach Berlin verpflichtet hatte.

    Mode und Poesie

    Es ist ein ungleiches Paar, das in der Berliner Gesellschaft auffällt, die große und stattliche Regina und der zarte Poet Leo, der seiner Regina überaus schwärmerische Gedichte schreibt, so auch 1907 in seinem Gedichtband „Präludien der Liebe“: „Ich weiß nur eines: daß mein Sein/So nah verbunden mit dem deinen,/Daß meine Seele ewig dein/Und deine Seele in der meinen“.

    In den nächsten Jahren kann sich Regina durch Fleiß und Talent einen Namen in der Berliner Modewelt machen. Bei ihrer Arbeit hat sie einen hohen künstlerischen Anspruch, betrachtet ihre Mode, ihren Beruf, so wie ihr Ehemann, auch als Kunst, und daher ist es auch kein Zufall, dass sie im Frühjahr 1910 mit ihrem Geschäft namens „Modes“ in die Potsdamer Straße umzieht. Eine Straße wie ein Magnet, bereits seit Ende des 19. Jahrhunderts zieht sie verstärkt Künstler und Intellektuelle in ihren Bann.

    Mehrere Adressenwechsel und Einstellungsannoncen in einschlägigen Tageszeitungen, in denen sie immer wieder Laufmädchen, Buchhalterinnen, Zuarbeiterinnen und Verkäuferinnen sucht, zeugen von der stetigen Expansion ihrer Firma. 1918 gilt ihr Haus für eine Moderedakteurin bereits als „eines der führenden Berliner Modellhäuser“.

    Regina Friedländer hat mittlerweile einen Salon in der Königgrätzer Straße (heute Ebertstraße) eröffnet, den der Künstler Ludwig Kainer konzipiert hat. Und der ist für ihre Kundinnen ein Traum, der sogar in einer Kunstzeitung abgebildet wird: Man sieht Licht durchflutete Räumen, Fresko-Malereien an Wänden und Decken, eine geschmackvoll-harmonische Einrichtung. Alles strahlt eine ungeheure Leichtigkeit aus, sorgt für eine ganz besondere Atmosphäre für ihre Kundinnen, die nicht nur einen simplen Hut kaufen wollen, sondern ein Gesamt-Kunstwerk. Das „Paradies der Frauen“ ist dort für sie Wirklichkeit geworden, doch nur, wenn die Damen das nötige Kleingeld dafür haben.

    Während Regina also die Reichen und Schönen der Stadt einkleidet und behütet, treibt sich ihr Ehemann derweil in ganz anderen Kreisen herum. Er hat sich in der Zwischenzeit unter anderem vom Poeten zum Kriminalberichterstatter entwickelt, pflegt beste Beziehungen zum Berliner Polizeipräsidium, ist mit mehreren Kriminalkommissaren befreundet. Mit Kriminalkommissar Ernst Engelbrecht verfasst er mehrere Bücher über die Berliner Unterwelt. Es ist ein Unterschied wie Tag und Nacht, was der Berliner Presse nicht verborgen blieb.

    Da konnte sich ein Verriss der Texte Hellers schon mal auf seine prominente Ehefrau beziehen, ohne dabei ihren Namen zu nennen: „Er kann seine Verwandtschaft zur Konfektion nicht bemänteln“.


    Frau in Kleid mit Hut von Regina FriedländerKunstbibliothek/Staatliche Museen zu Berlin

    Die 1920er-Jahre werden für das Ehepaar Heller die erfolgreichsten ihres Lebens. Leo Heller wird nicht nur zum „Kenner“ der Berliner Unterwelt, sondern auch zum Milieu-Chanson-Texter. Regina verfolgt weiterhin konsequent die Verbindung von Mode und Kunst. Vor allem 1921 wird dieser Anspruch auch durch eine neuartige Modeausstellung im Kunstgewerbemuseum von Berlin manifestiert. Und das ist kein „Mode-Tee“, wie sie zu dieser Zeit modern sind, es laufen auch keine Mannequins über den Laufsteg, sondern es werden komplett ausgestattete Salons von diversen Modefirmen ausgestellt, ebenso die schönsten Modelle der besten Hutateliers.

    Regina Friedländer zeigt einen grauen Krepphut mit Früchten und einen Florentiner Basthut mit Blumengewinde. Die Ausstellung ist ein wahres Feuerwerk an Farben und Formen, kongenial an die Räumlichkeiten angepasst, in denen Mode tatsächlich zur Poesie wird, und umgekehrt.

    Auch bei Modellhut-Ausstellungen in anderen Städten wie zum Beispiel Hamburg werden Reginas originelle Entwürfe gezeigt. Lifestyle-Zeitschriften wie Styl (Blätter für Mode und die angenehmen Dinge des Lebens), die vom Verband der deutschen Modeindustrie herausgegeben wird, zeigen Fotos ihrer Modelle. Arbeitsreiche Jahre in einer turbulenten und flirrenden Zeit, inmitten von Crepe Georgette, Plauener Spitze, Samt, Velours und anderer Geschmeide. Bei Modeschauen, Galas, Modetees und Messen wie die Berliner Durchreise oder die Berliner Woche.

    Abschwung und Krise

    In der Mitte der 1920er-Jahre hat Regina ihren Status als Modekönigin endgültig gefestigt, bietet in ihrem exklusiven Salon in der Budapester Straße Hüte, Kleider und Pelze an. 1928 wird Deutschland von einem wirtschaftlichen Abschwung erfasst, der das darauf folgende Jahr in der Weltwirtschaftskrise und auch im Niedergang der Berliner Modeindustrie enden wird.

    Und so meldet der Deutsche Reichsanzeiger am 7. Juni 1928, dass über das Vermögen der Regina Heller geb. Oppler, Inhaberin der Firma Regina Friedländer, das Konkursverfahren eröffnet worden sei. Doch sie will nicht kampflos aufgeben, und schafft auch das zunächst. Am Ende des Jahres wird die „GmbH für die Herstellung und den Vertrieb von Damenmoden und Damenputz Regina Friedländer“ gegründet, mit Regina und einem Kaufmann namens Fritz Dix, der das Stammkapital von 25.000 Reichsmark mit einbringt, als gemeinsame Geschäftsführer.

    Am 29. November 1928 wird das Konkursverfahren aufgehoben, doch dann tobt zehn Monate später im Land die Weltwirtschaftskrise. Die Zeit für Luxus ist nun endgültig vorbei. Und auch Regina schwächelt, und während das ganze Land schon bald am Boden liegt, reicht auch die Kraft der mittlerweile Anfang 60-Jährigen nicht mehr aus. Die „Modekönigin von Berlin“ erliegt am 7. März 1932 einem unbekannten Leiden. „Des Todes Dunkel Weicht des Lebens Helle. Und auch der größte Schmerz ebbt ab“, dichtet Leo Heller und verlässt Berlin für immer in Richtung Teplitz und anschließend Prag, wo er neun Jahre später verstirbt.

    Rosalie Friedländer verheiratete Voß wird 1943 im Vernichtungslager Sobibor ermordet. Der Facharzt Dr. Emanuel Werner Friedländer, der in erster Ehe mit Lotte Ury, einer Cousine des Malers Lesser Ury verheiratet war, stirbt 1948 in Montevideo/Uruguay. Die Blütezeit der jüdischen Modesalons und Konfektionshäuser von Berlin war da schon lange vorbei, so wie luftig-leichte Verbindung von Mode und Poesie in Berlin.

    Kunstbibliothek am Kulturforum:
    #Matthäikirchplatz 6
    10785 Berlin

    Kunstbibliothek im Archäologischen Zentrum:
    #Geschwister-Scholl-Straße 6
    10117 Berlin

    Kunstbibliothek im Museum für Fotografie:
    #Jebensstraße 2
    10623 Berlin

    #Berlin #Mitte #Tiergarten #Hausvogteiplatz #Potsdamer_Straße #Königgrätzer_Straße #Budapester_Straße

    #Mode #culture #histoire #économie #vie_juive

  • Alice Springs Retrospektive
    https://www.rbb-online.de/rbbkultur-magazin/archiv/20230603_1830/springs-alice-newton-fotografin-ausstellung-museum-fuer-fotografie-retros

    J’ai vu l’expo. Vous n’avez rien manqué. Voire https://seenthis.net/messages/1034120

    Sa 03.06.2023 | 18:30 | rbbKultur - Das Magazin

    Sie lernten sich 1947 in seinem Atelier in Melbourne kennen: Der 27-jährige Fotograf Helmut Newton und die 26-jährige Schauspielerin June Browne. 22 Jahre lange fotografierte June, die inzwischen Newton hieß, nur privat. Aber 1970 wurde Newton, inzwischen weltberühmt, vor einem Fotoauftrag krank - seine Frau sprang für ihn ein. Von diesem Tag an begann ihre öffentliche Karriere als Fotografin. Sie nannte sich nun Alice Springs. Und begann eigene Wege zu gehen. Vor 2 Jahren starb Alice Springs 98jährig und 17 Jahre nach ihrem Mann. Jetzt wurde ihr fotografischer Nachlass und der Hausstand der beiden aus Monte Carlo nach Berlin in die Helmut Newton Stiftung gebracht.

    Es ist Liebe auf den ersten Blick als Helmut Newton seine June 1947 zum ersten Mal fotografiert. Ein Jahr später heiraten sie. June Newton ist seine Muse und kuratiert seine Ausstellungen. Erst über 20 Jahre später wird sie eine renommierte Fotografin. Sie nennt sich Alice Springs. 2021 starb sie 98-jährig. Jetzt zeigt die Helmut Newton Stiftung die Retrospektive „Alice Springs“. Ihre Karriere als Fotografin begann per Zufall: Als Helmut Newton 1970 wegen einer Grippe nicht fotografieren kann, springt sie ein und macht ihr erstes Werbebild für die Zigarettenmarke „Gitanes“.

    June Newton alias Alice Springs, 2009

    „I will gehen, habe ich gesagt, ich habe eine Kamera, wenn es nicht funktioniert, kannst Du es nächste Woche nachholen, aber zumindest kann ich es dem Jungen, dem Fotomodell sagen. Er akzeptierte von mir fotografiert zu werden. Die Bilder gingen zum Kunden, und der Scheck kam zu Helmut Newton zurück, und dann hatte ich eine neue Karriere, ein neues Geschäft.“

    June Newton wird 1923 in Melbourne geboren. Sie feiert erste Erfolge als Schauspielerin, während Helmut Newton noch unbekannt ist. Er fotografiert sie in der Rolle der „Salomé“. Als Schauspielerin sensibilisiert sie Newton für das Rollenspiel bei der Inszenierung seiner Akt-Modelle. Sie gibt ihm viele Tipps für das Model-Shooting. Nacktheit ist für beide etwas ganz Natürliches. Im Alltag fotografieren sie sich gegenseitig.

    June Newton alias Alice Springs, 2009

    "Wir waren gerade beim Abendessen in der Küche, wie immer in Paris. Und ich habe eine Zigarette geraucht, und ich habe mich eben entspannt und Helmut hatte wie immer eine Kamera in der Hand, und er sagte: „Mach so Juni“, „Do that Juni“, und ich machte es."

    Matthias Harder, Kurator, „Alice Springs Retrospektive“

    „Ich glaube, das war ein tolles Wechselspiel der beiden. Also sie haben sich ja seit den 50er-Jahren eigentlich gegenseitig porträtiert, also lange bevor June Newton als Fotografin richtig reüssierte und dieses Bild im Hintergrund ist aus den Achtzigern. Man sieht Helmut Newton mit ihrem Hut, mit ihren Pumps. Und es ist dieses Rollenspiel, was zwischen den beiden schon unglaublich früh begann.“

    June Newton nennt sich in den 1970er Jahren Alice Springs, macht Modefotos für die Titelseiten internationaler Frauenmagazine. Im Gegensatz zu Newton, der seine Models aufwendig inszeniert, fotografiert sie ihre spontan, zeigt sie in ihrer Natürlichkeit. Bekannt wird sie mit einer großen Kampagne: Hier eines der Werbebilder für den legendären Pariser Friseur Jean Louis David. Sie macht auch Porträts: Zum Beispiel vom Schriftsteller William S. Bouroughs, Maler Gerhard Richter oder Modeschöpfer Karl Lagerfeld. Alice Springs öffnet sie emotional, fängt intensiv deren Blicke ein. Auch noch nie gezeigte Fotos von Alice Springs sind in der Ausstellung zu entdecken: Zum Beispiel ein Porträt des Philosophen Michel Foucault. Ihm entlockt sie ein herzliches Lachen. Alice Springs Schauspielerfahrung vor und hinter der Kamera kommt ihr dabei zugute. In der Ausstellung sehen wir Porträtbilder von Alice Springs und Helmut Newton nebeneinander. Hier ein Bild von Schauspielerin Catharine Deneuve. Alice Springs fotografiert sie privater und intimer als ihr Mann Helmut Newton - der inszeniert sie lasziv und mit geschickter Lichtregie.

    Matthias Hader, Kurator

    „Helmut Newton hat in den drei Fällen in den gleichen drei Feldern gearbeitet wie June Newton und tun hat es insbesondere im Porträt zu einer Meisterschaft gebracht. Ja, wenn wir die Bilder in Gegenüberstellung sehen, da hat vielleicht Helmut Newton gar nicht herangereicht. Es sind wirklich Menschenbilder voller Seele, die June Newton alias Alice Springs geschaffen hat. Und das ist ihre ganz große Leistung, auch in der Fotogeschichte.“

    In der Ausstellung ist auch der sogenannte „Living Room“, das Wohnzimmer des Künstlerpaares zusehen. An den Wänden: Ein Bild von Andy Warhol, Roy Lichtenstein und auch der verhüllte Berliner Reichstag.

    Matthias Harder, Kurator

    „Helmut Newton hatte ja immer ein Heimweh auch an seine Geburtsstadt Berlin und Helmut und June waren ja sehr, sehr häufig hier. Und das ist im Grunde auch dieses Porträt, was June von ihm gemacht hat vor dem Reichstag, was hier rein collagiert ist. Und so treffen sich die beiden in ihrem Werk immer wieder, und die eine ist ohne den anderen nicht denkbar und umgekehrt.“

    Ein unzertrennliches Ehepaar mit einem großen Werk, das unterschiedlicher nicht sein kann.

    – Museum für Fotografie
    Ausstellung: Alice Springs. Retrospektive, 03.06.2023 bis 19.11.2023

    Anlässlich des 100. Geburtstag von June Newton alias Alice Springs werden über 200 Fotografien auf der gesamten Ausstellungsfläche im ersten Stock des Museums für Fotografie gezeigt.

    #Berlin #Charlottenburg #Jebensstraße #photographie

  • Museum für überflüssige Fotografie Berlin
    https://www.smb.museum/museen-einrichtungen/museum-fuer-fotografie/home


    Si vous vous trouvez à Berlin, n’y allez pas, profitez des autres musées, des parcs et lieux culturels à votre portée. Si par contre vous êtes toujours attirés par l’érotisme en noir et blanc des années 1960 - 1990, si vous avez envie de rencontrer la perspective male gaze d’un vieux résidant blanc de Monaco, ce musée est pour vous.

    Il se trouve que le musée de photographie est l’appendice de la fondation Helmut Newton Stiftung . Le riche photographe de mode originaire de Berlin a profité du besoin des politiciens de la capitale allemande de faire encore preuve de philosemitisme pour récupérer l’énorme bâtiment d’un ancien casino militaire dont on ne savait pas trop que faire au tournant du siècle.

    Le musée propose outre la collection Helmut Newton / Alice Springs des expositions changeantes, mais là encore, n’y allez pas tant qu’on y présente Flashes of Memory. Fotografie im Holocaust Je ne sais pas si on doit qualifier ce type d’assemblage de holocaust porn , mais il n’y a rien à apprendre. Quand on connaît le sujet c’est superflu et pour les non initiés la mise en scène des objets empêche la familiarisation avec et la découverte d’informations supplémentaires.

    A Berlin il y a plusieurs musées et collections de qualité sur le judaisme, le régime nazi et l’holocauste. Il y a les musées des arrondissements, les Stolpersteine et plein d’autres voies accès à l’histoire pour tout le monde. Ce n’est pas dans la Jebensstraße que vous allez découvrir quelque chose de nouveau.

    Rezension zu : Flashes of Memory. Fotografie im Holocaust
    https://www.hsozkult.de/exhibitionreview/id/reex-135894?title=flashes-of-memory-fotografie-im-holocaust&recno=11&q=&sor

    Ulrich Prehn, Zentrum für Antisemitismusforschung, Technische Universität Berlin - Ein improvisiert wirkender dreirädriger Wagen, darauf ein Kamerateam. Der Wagen – im Filmjargon ein „Dolly“ – wird von einem Wehrmachtssoldaten an mehreren Reihen von Näherinnen, die an ihren Maschinen sitzen, vorbeigeschoben, um Aufnahmen von ihrer Arbeit anzufertigen. Die in dieser Szene an der Bildproduktion beteiligten Akteure gehörten der Propagandakompanie 689 der Wehrmacht an, Ort der Dreharbeiten im Mai 1941 war eine Näherei im Warschauer Ghetto.[1] Dies zeigt das groß gezogene Eingangsfoto zu Flashes of Memory. Fotografie im Holocaust, der deutschen Version einer Ausstellung, die bereits 2018 in Jerusalem zu sehen war. Klug und anschaulich legt sie mit diesem Beispiel einen Teil der Produktionszusammenhänge und damit die Gemachtheit von Fotografien und filmischen Bewegtbildern offen – und zwar keineswegs nur von Propagandabildern, wie sie für Diktaturen des 20. Jahrhunderts typisch waren.

    Erarbeitet wurde die Ausstellung von der Direktorin des Yad Vashem Museums in Jerusalem, Vivian Uria, und ihrer Stellvertreterin Maayan Zamir-Ohana. Als historischer Berater stand ihnen mit Daniel Uziel ein ausgewiesener Kenner der Film- und Fotoquellen zum Zweiten Weltkrieg und zur Shoah an der Seite. Zu der nun in Berlin präsentierten Adaption der Ausstellung, für die die Internationale Gedenkstätte Yad Vashem und der Freundeskreis Yad Vashem mit der Kunstbibliothek – Staatliche Museen zu Berlin (Co-Kurator: Ludger Derenthal) kooperiert haben, ist ein aufwendig produzierter, die Abbildungen in überzeugender Reproduktionstechnik wiedergebender Katalogband erschienen, der leider keine vertiefende Bibliographie enthält. Das Bildmaterial stammt überwiegend aus den Yad Vashem Archives, zum Teil aber auch aus deutschen, US-amerikanischen und einigen weiteren Archiven, darunter das zentrale staatliche Film- und Fotoarchiv der Ukraine.

    An den eingangs beschriebenen Opener schließt sich – ähnlich klug auf den (technischen) „Apparat“ wie auf erinnerungskulturell relevante Aspekte bezogen – ein einführender Abschnitt an, welcher der technik- und mediengeschichtlichen Entwicklung optischer Aufzeichnungsapparate von der Camera obscura bis zur Fotografie im digitalen Zeitalter gewidmet ist. Überdies eröffnet dieser Abschnitt im Zusammenhang des eigentlichen Themas der Ausstellung, „Fotografie im Holocaust“, anhand von Objektgeschichten ausgesprochen anschaulich ein weites Spannungsfeld von Aufzeichnung, Zeugenschaft und materieller Überlieferung: Gezeigt werden konkrete Fotoapparate, deren ursprüngliche Besitzer:innen und Wanderungen der Kameras von Hand zu Hand. So ist der „Korona Tankette“, der Kleinbildkamera eines polnischen Amateurfotografen aus Rypin namens Jacob Konskowolski, der nach Majdanek deportiert und dort ermordet wurde, mit der im Vergleich riesig wirkenden Studio-Plattenkamera der Neuen Kamera Werke Görlitz (Modell „Stella“) eine Akteursgeschichte aus dem Bereich der Berufsfotografie an die Seite gestellt: die Geschichte der erfolgreichen (Foto-)Künstlerin Františka Grubnerová, die in der Tschechoslowakei ein eigenes Studio betrieb, wo sie von der deutschen Besatzungsmacht unter dem Vorwand, sich antifaschistisch betätigt zu haben, verhaftet und 1942 zusammen mit ihrem Ehemann und ihren zwei Söhnen ins Ghetto Theresienstadt deportiert wurde.

    Abb. 1: Františka Grubnerovás wuchtige Studio-Plattenkamera verweist hier auf die Biographie der Fotografin, erhält aber auch selbst Protagonisten-Status.
    (Foto: © Ulrich Prehn)

    Abb. 2: Ausstellungsansicht Museum für Fotografie 2023, mit Grubnerovás Kamera rechts im Bild. An der Wand ist eine Zeitleiste zur Geschichte fotografischer Abbildungstechniken und Apparate zu sehen, im Vordergrund einer der Leuchttische mit ganz unterschiedlichen Fotos aus der NS-Zeit.
    (Foto: © Staatliche Museen zu Berlin / David von Becker)

    Das erste inhaltliche Kapitel trägt die Überschrift „Politische Fotografie und politischer Film im nationalsozialistischen Deutschland“. Es fängt leider schlimm an: Die Kurator:innen haben sich nicht gescheut, den Besucher:innen ein „Best of“ – oder treffender: ein „Worst of“ – der bekanntesten visuellen Propagandist:innen des NS-Regimes um Augen und Ohren zu hauen. Heinrich Hoffmann, Walter Frentz und Leni Riefenstahl sind, unterstützt von Auszügen aus Hitlers „Mein Kampf“ und Goebbels-Zitaten sowie garniert mit einem knipsenden „Reichsleiter“ Martin Bormann, die mehr als erwartbaren Protagonist:innen der ersten drei großflächigen Wände. Originelle oder intelligente Zugänge finden sich hier nicht. Vielmehr behält Riefenstahl, flankiert von ihren beiden Reichsparteitags- und „Olympia“-Kameramännern Frentz und Ertl, in viel zu lang präsentierten Ausschnitten aus Ray Müllers schon 1993 wenig überzeugendem Filmporträt Die Macht der Bilder: Leni Riefenstahl das letzte Wort. Wird in der Forschungsliteratur wie im Feuilleton gerade mit Blick auf Riefenstahl immer gern auf die bequeme Suggestiv-Formel von der „Macht der Bilder“ zurückgegriffen, so erweist sich in diesem Abschnitt der Ausstellung, mit welchem Unheil auch die häufig unterschätzte Macht der offenen Töne in Ausstellungsräumen verbunden sein kann. Der Rezensent war perplex und leicht verärgert, starrten die neben ihm stehenden Besucher:innen doch wie gebannt vor allem auf diesen Bildschirm – so als stünden sie unfreiwillig als lebender Beweis dafür, mit welch billigen Mitteln (audio-)visuelle Überwältigung und Überforderung noch immer leicht zu erzeugen ist. Riefenstahl darf munter, immer wieder unterschnitten mit den von ihr geschaffenen Inszenierungen muskulöser Körper beim Diskuswurf oder beim Fackellauf, ihr krudes Gemisch aus Anekdoten und Apologetik daherquatschen: ein beinahe ungebrochener, in die Jetztzeit wirkender unseliger „Triumph des Willens“.

    Abb. 3 und 4: Ufa-Filmplakat von Erich Ludwig Stahl zum NSDAP-Parteitagsfilm „Triumph des Willens“ (1934/35), daneben Sequenzen aus Ray Müllers Film „Die Macht der Bilder: Leni Riefenstahl“ (1993). Eine kritische Kontextualisierung dieses Films und selbst ein klarer Exponat-Nachweis fehlen hier leider.
    (Fotos: © Ulrich Prehn)

    Und „düster“ geht es weiter, allerdings rein auf der inhaltlich verhandelten Ebene, auf der verschiedene Beispiele für „Fotografie als Spiegel des Antisemitismus“ präsentiert und beleuchtet werden. Dabei ist es ausgesprochen schwer, etwa die Botschaft eines von Polizisten kompilierten „Typen“-Albums über „Jüdische Verbrecher“, das der Polizeipräsident von Nürnberg und Fürth im Februar 1938 dem fränkischen Gauleiter und Herausgeber des antisemitischen Hetzblattes Der Stürmer schenkte, „einzufangen“, was die Wirkung jener konstruierten „Verbrecher“-Porträts auch auf heutige Betrachter:innen angeht. Denn natürlich bewegt man sich auf Glatteis, wenn man sich als Kurator:in ausdrücklich für das extensive Zeigen solcher Exponate entscheidet (im Katalog erstrecken sich die Abbildungen aus dem Album immerhin über vier Seiten), zumal wenn es an den entsprechenden Stellen bei nur vorsichtigen Versuchen des „Einfangens“ mit konventionellen Mitteln bleibt, die aus skeptischer Sicht wohl lediglich auf „Schadensbegrenzung“ hinauslaufen können.[2]

    Gestalterisch auf den ersten Blick etwas altbacken wirkt eine Wand zur antisemitischen Propaganda des Stürmer, die sich – ein großes Verdienst – aber nicht nur auf die reine Präsentation der in besagtem Hetzblatt abgedruckten Quellen beschränkt, sondern sich auch aus dem Fundus des sogenannten Stürmer-Archivs bedient, zu dessen Beständen unzählige „Volksgenossinnen“ und „Volksgenossen“ in Form von Zuschriften, Amateurfotografien und -karikaturen beitrugen und damit den deutschen (und österreichischen) Antisemitismus „von unten“ dokumentierten. Ähnlich einer Zeitung im Kaffeehaus sind die einzelnen von der Wand „klappbaren“ Tafeln montiert, beidseitig mit Abbildungen und dazwischen mit kurzen Exponattexten versehen. Die Besucher:innen dürfen also „blättern“ und damit einsteigen in eine gelungene kritische Analyse der Gemachtheit der jeweiligen antisemitischen Feindbild-Konstruktionen. Denn im Vergleich zwischen den an die Stürmer-Redaktion eingesandten Fotos mit den tatsächlich gedruckten, neu betexteten Bildern offenbaren sich die vielfältigen Bearbeitungen, etwa durch Beschnitt oder Retuschen der jeweiligen Aufnahmen. Dieser Zugriff offenbart gelungenes Ausstellungs-„Handwerk“, wird hierdurch doch die (visuelle) „Lesefähigkeit“ der Betrachter:innen unterstützt, das Auge an konkreten, für viele Nutzer:innengruppen (etwa Schulklassen) auch überschaubaren Einzelbeispielen geschult.

    Abb. 5: Über den Tafeln ist ein Zitat aus den 1995 erstmals veröffentlichten Tagebüchern Victor Klemperers zu lesen. Am 17. August 1937 kommentierte der Literaturwissenschaftler ein im „Stürmer“ mit antisemitischer Botschaft abgedrucktes Foto und die Wirkung auf ihn.
    (Foto: © Ulrich Prehn)

    Das zweite Kapitel offenbart bereits in der Überschrift den kuratorischen Zugriff der Gegenüberstellung: „Fotografie aus dem Ghetto – zwei verschiedene Blickwinkel“. Dieser Abschnitt stieß am Tag meines Ausstellungsbesuchs auf das stärkste Publikumsinteresse, und dabei wiederum besonders die Aufnahmen, die jüdische Fotografen in den Ghettos von Lodz und Kaunas oft unter Lebensgefahr gemacht hatten. Kommt einigen der Fotos von Mendel Grossman und Henryk Ross mittlerweile beinahe der Status von Bildikonen zu[3], ist es ein Verdienst der Ausstellung, dem Publikum auch das Werk weniger bekannter „Ghetto-Fotografen“ näherzubringen: so etwa die 1943 heimlich im Ghetto Lodz angefertigten Aufnahmen des Assistenten Grossmans, Aryeh Ben-Menachem, die, in einem Album überliefert, die verheerenden Existenzbedingungen der Menschen dokumentieren, sowie die Bilder des Untergrundfotografen Zvi Hirsch Kadushin, der mit einer ins Ghetto Kaunas geschmuggelten Kamera ebenfalls heimlich fotografierte.

    In diesem Kapitel treten uns die vielfältigen Funktionen sowie die zum Teil komplizierten Entstehungs- und Rahmenbedingungen von Fotografie und Film vor Augen, die für beide Medien im nationalsozialistischen Regime und besonders unter der deutschen Besatzungsherrschaft in Ostmitteleuropa charakteristisch waren. So stehen den Aufnahmen, die die erwähnten jüdischen Fotografen im Ghetto Lodz teils im Auftrag des „Judenrats“ und teils heimlich, entgegen dem ausdrücklichen Verbot durch den „Judenrats“-Vorsitzenden Chaim Rumkowski, zu Dokumentationszwecken und gewissermaßen als Überlebensstrategie machten, viele Fotos und Filme gegenüber, die deutsche Fotografen in offizieller Funktion als Angehörige verschiedener NS-Organisationen zu Propagandazwecken anfertigten, bisweilen aber auch aus „privatem“ Interesse. Vor allem die Propagandafotos und -filme verfehlen – so steht zu vermuten – auch heute ihre (problematische) Wirkung auf die Betrachter:innen nicht, zumal wenn sie wie in Flashes of Memory so geballt, in so erheblicher Dichte präsentiert werden. Denn es ist wohl nur schwer möglich, sich der Reproduktion der in die fotografische Inszenierung eingeschriebenen Erniedrigung im Akt des erneuten Betrachtens zu entziehen. Denkt und fühlt man heute als Betrachter:in den Umstand, dass die Fotografierten kaum bzw. nur sehr begrenzt die Möglichkeit hatten, sich dem Fotografiert-Werden zu entziehen oder gar zu widersetzen, immer mit – oder wird man tendenziell zum Komplizen oder zur Komplizin der Täter und ihres Blicks?

    Die Ausstellungsmacher:innen haben in diesem Zusammenhang auf das bewährte Rezept zurückgegriffen, der ungeheuerlichen Täter-(Bild-)Sprache zeitgenössische Aussagen derer entgegenzusetzen, auf die sich die infame Hetze bezog: Ausschnitten aus dem fragmentarisch gebliebenen Film Asien in Mitteleuropa, den ein deutsches Kamerateam im Frühjahr 1942 im Warschauer Ghetto drehte[4], werden zum Beispiel Auszüge aus zwei Tagebüchern polnischer Jüd:innen gegenübergestellt. In der Ausstellung nehmen Exzerpte und Beispielseiten aus dem 1942 verfassten Tagebuch der damals in Warschau lebenden Journalistin Rachel Auerbach zwar einen gewissen Raum ein.[5] Doch bleibt fraglich, ob sie gegenüber der antisemitischen visuellen NS-Propaganda und den nicht in offizieller Funktion fotografisch festgehaltenen Täter-Blicken auch nur annähernd als „Gegengift“ zu wirken vermögen.

    Insgesamt wird das Ausstellungskapitel der Komplexität der „Ghetto-Fotografie“ durchaus gerecht, doch dominieren in der gewählten Präsentationsstrategie und dem entsprechenden Ausstellungsdesign an einigen Stellen die Video-Screens mit Bewegtbildern (also die Filmausschnitte, die in unablässigen Schleifen laufen) die Fotoabbildungen, wie der Wand-Ausschnitt in Abb. 6 verdeutlicht. Zwar ist die Anzahl der Foto- und Dokument-Exponate deutlich größer als die Anzahl der Stationen, die Filmausschnitte präsentieren. Dennoch ergibt sich ein Ungleichgewicht, wenn für die Bewegtbilder nicht eigene „Orte“ (oder Präsentationsformen) gewählt werden, die den unbewegten Bildern genug Raum zur Wirkung und „Selbstentfaltung“ lassen.

    Abb. 6: Diese im Ausschnitt abgebildete Wand, aus der die beiden blaustichig reproduzierten Screen-Stills hervortreten, ist überschrieben mit einem Zitat von Zvi Kadushin: „Ich machte tausende, ja abertausende [Fotos]. […] Ich habe immer weiter fotografiert, für später, für die Ewigkeit.“
    (Foto: © Ulrich Prehn)

    Außerdem ist mit Blick auf dieses Kapitel kritisch zu fragen, ob an den betreffenden Stellen das Übermaß antisemitischen Bildmaterials (mit einem hohen Anteil von zu Propagandazwecken angefertigten Bewegtbildern) in seiner Wirkung durch „Gegen-Zitate“, hier erneut aus dem Tagebuch von Rachel Auerbach (siehe Abb. 7) sowie aus dem Tagebuch von Chaim A. Kaplan, auch nur annähernd gekontert werden kann.

    Abb. 7: Über dem Exponat – der Bildstrecke „Juden unter sich“ aus der „Berliner Illustrierten Zeitung“ vom 24. Juli 1941 – ist ein Zitat aus dem Tagebuch von Rachel Auerbach zu lesen, das mit dem Plädoyer „Lasst sie filmen!“ beginnt. „Diese Gesichter, diese Augen, werden in der Zukunft lautlos aufschreien…“
    (Foto: © Ulrich Prehn)

    Das dritte und letzte Kapitel ist den Bildern von der Befreiung der Lager durch die alliierten Kriegsgegner Nazi-Deutschlands gewidmet. Auf den ersten Blick könnte man denken, hier werde lediglich der Pflicht nachgekommen, die „Geschichte zu Ende zu erzählen“ – ähnlich wie beim Einstieg zum ersten Kapitel über visuelle politische Propaganda des NS-Regimes. Zwar zeigen viele Exponate durchaus Erwartbares und „Bewährtes“, doch verweist der Untertitel dieses Abschnitts, „Zweck und Verbreitung“ (der Bilder von der Befreiung), auf den interessanten Aspekt der Vielfalt der Bilder und der mit ihrer Zirkulation verbundenen Interessen und Intentionen. Allerdings könnten Strategien und Rahmungen der Nutzung von Fotografien und Filmaufnahmen der Befreiung der Konzentrationslager sowie des Nürnberger Hauptkriegsverbrecherprozesses seitens der westlichen Alliierten und der sowjetischen Befreier sicher noch weit präziser herausgearbeitet werden, als die Ausstellung es tut.[6]

    Die drei inhaltlichen Kapitel werden, was Ausstellungskonzeption und -architektur angeht, gestützt von einer Art „Mittelgräte“. Diese besteht aus vier Leuchttischen, die im Raum angeordnet auf ein (wechselndes) „Schlussbild“ zulaufen: Auf historisches Filmmaterial von Deportationen wird ein Zitat des französischen Philosophen und Fotografietheoretikers Roland Barthes über das „spectrum der Photographie“ projiziert. Auf den unterschiedlich langen Leuchttischen sind, wie zufällig hingeworfen, alle möglichen visuellen Zeugnisse dessen zu sehen, was die Ausstellung verhandelt. Das wirkt „irgendwie“ symbolisch aufgeladen – ist aber letzten Endes leider ziemlich inhaltsleer. Denn den Betrachtenden erschließt sich nicht: Soll hier die Vielfalt der „Fotografie im Holocaust“ in einer Überforderung (gleich Über-„Macht der Bilder“) qua Masse versinnbildlicht werden? Oder sollen sich die Betrachter:innen doch in einzelne Fotos vertiefen können – steht dahinter der kuratorische Versuch, sowohl die Individualität als auch die Masse der Fotografierten zum Ausdruck zu bringen? Zielt die Präsentation des den jeweiligen Kontexten entrissenen „Rohmaterials“ darauf ab, die Besucher:innen anzuregen, selbst nach Indizien zur Einordnung der Fotos zu suchen? All das ist denkbar. Und doch verfestigte sich mein Eindruck im Laufe des mehrstündigen Besuchs der Ausstellung zunehmend: Die Leuchttisch-Idee funktioniert nicht gut. Die durchschnittliche Verweildauer der Besucher:innen am ersten der Tische ist schon vergleichsweise kurz, ein zweiter wird im Zweifelsfall gar nicht mehr groß beachtet.

    Abb. 8: Ausstellungsansicht mit Leuchttischen, Museum für Fotografie 2023
    (Foto: © Staatliche Museen zu Berlin / David von Becker)

    Besser gelungen ist demgegenüber der baulich-konzeptionelle Übergang des letzten Leuchttisches in das bereits erwähnte Schlusszitat, das die Besucher:innen aus dem Diffus-Ubiquitären der Fotomassen in die Klugheit, Reduktion und literarische Befähigung des Autors Roland Barthes hinüberrettet: „Und was photographiert wird, […] [möchte ich] das spectrum der Photographie nennen […], weil dieses Wort durch seine Wurzel eine Beziehung zum ‚Spektakel‘ bewahrt und ihm überdies den etwas unheimlichen Beigeschmack gibt, der jeder Photographie eigen ist: die Wiederkehr des Toten.“ Nachdem am Beginn der Ausstellung schon ein anderes kurzes Barthes-Zitat zu lesen war, markiert dieses nun einen Abschluss.

    Abb. 9: Letzter Leuchttisch und Schluss-Zitat
    (Foto: © Ulrich Prehn)

    Festzuhalten bleibt: Die „Zeige-Strategien“ der Kurator:innen (in meiner Interpretation: „Im Zweifelsfall alles – auch bis an die Schmerzgrenze – zeigen, denn das alles hat es gegeben“) sind zwar in gewissem Sinne nicht nur schwer auszuhalten. Sie sind auch problematisch hinsichtlich einer „Ethik des Zeigens und Nicht-Zeigens“ – und, auf die Besucher:innen der Ausstellung zurückgeworfen, einer „Ethik des Sehens“, nicht zuletzt vor dem bereits erläuterten Hintergrund des fehlenden Einverständnisses der fotografierten bzw. gefilmten Personen. Dies mag beispielhaft eine letzte Abbildung verdeutlichen.

    Abb. 10: Auf dem Screen oben ist ein Ausschnitt aus dem um 1940 produzierten Propagandafilm „Der Jude im Regierungsbezirk Zichenau“ zu sehen. Von einigen der gefilmten Jüdinnen und Juden wurden auch Fotografien angefertigt, die in einem Album mit dem Titel „Typy Zydowskie“ (bzw. auf Deutsch: „Der jüdische Typ“) veröffentlicht wurden (unten: eine Beispielseite).
    (Foto: © Ulrich Prehn)

    Trotz der genannten Einwände sei aber betont: Die Ausstellung ist definitiv einen Besuch wert, bietet sie doch Einblicke in eine noch immer kaum zu überschauende Bandbreite fotografischen und filmischen Schaffens. Darüber hinaus lassen sich die einzelnen visuellen Zeugnisse und Inszenierungen, welche die Vorstufen des „Zivilisationsbruchs“ markieren, in den gelungenen Teilen der Ausstellung unter anderem daraufhin befragen, welchen Beitrag (audio-)visuelle Täter-Quellen zur Vorbereitung und Ermöglichung der Shoah leisteten.

    Anmerkungen:
    [1] Das Foto ist über die Bilddatenbank des Bundesarchivs verfügbar; als Fotograf ist dort Ludwig Knobloch genannt (Bild 101I-134-0769-39A, https://www.bild.bundesarchiv.de, 17.07.2023).
    [2] Allerdings hat die Diskussion um angemessene Strategien des Zeigens (bzw. des Nicht-Zeigens) visueller Zeugnisse von Gewalt, Menschenverachtung und Hass gerade in Bezug auf NS-Quellen in Deutschland erst jüngst Fahrt aufgenommen, so etwa im Rahmen des gemeinsam vom Zentrum für Antisemitismusforschung der TU Berlin, dem Deutschen Historischen Museum sowie der Stiftung Topographie des Terrors veranstalteten Workshops „Vorzeigen, Verhüllen, Verschließen – Wie können antisemitische und rassistische Bilder und Objekte ausgestellt werden?“ (September 2022); vgl. den Programmflyer und Einladungstext:
    https://arthur-langerman-foundation.org/wp-content/uploads/2022/08/2022-09_Programm_Workshop_Vorzeigen_Verhu%CC%88llen_Ver (17.07.2023). Gute Überblicke sowie instruktive Überlegungen und Vorschläge bieten Felicitas Heimann-Jelinek, Kuratorische Überforderung? Zum Ausstellen von Zeugnissen des Holocaust, in: Anna-Maria Brandstetter / Vera Hierholzer (Hrsg.), Nicht nur Raubkunst! Sensible Dinge in Museen und universitären Sammlungen, Mainz 2017, S. 247–256, https://doi.org/10.14220/9783737008082.247 (17.07.2023); Maren Jung-Diestelmeier / Sylvia Necker / Susanne Wernsing, Antisemitische und rassistische Objekte und Bilder in Ausstellungen? Ein Gespräch über erprobte Strategien und offene Fragen, in: Jahrbuch für Antisemitismusforschung 29 (2020), S. 26–53. Siehe darüber hinaus das im Juli 2020 begonnene Themendossier „Bildethik. Zum Umgang mit Bildern im Internet“, hrsg. von Christine Bartlitz, Sarah Dellmann und Annette Vowinckel, https://visual-history.de/2020/07/20/themendossier-bildethik (17.07.2023).
    [3] Vgl. hierzu Tanja Kinzel, Im Fokus der Kamera. Fotografien aus dem Getto Lodz, Berlin 2021; rezensiert von Andreas Weinhold, in: H-Soz-Kult, 28.01.2022, https://www.hsozkult.de/publicationreview/id/reb-97007 (17.07.2023).
    [4] Zum Ghettofilm-Fragment vgl. Vicente Sánchez-Biosca, La muerte en los ojos. Qué perpetran las imágenes de perpetrador, Madrid 2021, S. 174–228.
    [5] Ergänzend zu den Schilderungen Rachel Auerbachs ist in der Ausstellung auch ein längeres Zitat aus dem (publizierten) Tagebuch von Adam Czerniakow platziert, das auf die perfiden Produktionsbedingungen des sog. Ghettofilm-Fragments verweist; vgl. Adam Czerniakow, Das Tagebuch des Adam Czerniakow. Im Warschauer Getto 1939–1942, München 2013, hier S. 256f. Die deutsche Erstausgabe war 1986 erschienen.
    [6] Vgl. hierzu Ulrike Weckel, Beschämende Bilder. Deutsche Reaktionen auf alliierte Dokumentarfilme über befreite Konzentrationslager, Stuttgart 2012; rezensiert von Sven Kramer, in: H-Soz-Kult, 23.11.2012, https://www.hsozkult.de/publicationreview/id/reb-18688 (17.07.2023); außerdem z.B. Lawrence Douglas, Film as Witness: Screening Nazi Concentration Camps before the Nuremberg Tribunal, in: Yale Law Journal 105 (1995), S. 449–481, http://hdl.handle.net/20.500.13051/8920 (17.07.2023).

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  • Bahnhof Zoo wird wieder Fernbahnhof
    https://www.berliner-zeitung.de/news/ice-sprinter-verbinden-berlin-und-koeln-mit-halt-am-bahnhof-zoo-li.

    7.10.2021 - Ab dem 12. Dezember ist der Bahnhof Zoo wieder ein Fernbahnhof. Fahrgäste kommen mit ICE-Sprintern von Berlin nach Köln in unter vier Stunden.

    Berlin-Charlottenburg: Der Bahnhof Zoo soll künftig auch für den Fernverkehr wiederbelebt werden. Fahrgäste, die mit dem ICE-Sprinter von Berlin nach Köln/Bonn reisen, können hier zusteigen.

    Berlin - Mit zusätzlichen Sprinter-Verbindungen nach Nordrhein-Westfalen macht die Deutsche Bahn den Berliner Bahnhof Zoo ab dem 12. Dezember zum Ausgangspunkt für Deutschlandreisen. Zwischen Berlin und Köln fahren dann Sprinter drei mal täglich in unter vier Stunden und damit bis zu eine halbe Stunde schneller als bisher. Morgens und abends sollen Sprinter-Züge nach beziehungsweise aus Köln/Bonn auch am Bahnhof Zoo halten.

    Neuer FahrplanHalten künftig wieder ICE-Züge im Bahnhof Zoo?

    Die traditionsreiche Station im Westen der Stadt wird damit nach 15 Jahren auch tagsüber wieder an den Fernverkehr angeschlossen. 2006 war die Fernzughalte am Zoo zugunsten des neuen Hauptbahnhofs am Spreebogen aufgegeben worden. Seit 2018 kann man dort in einen Nacht-ICE steigen.

    Neu im Bahn-Angebot sind auch Abend-Sprinter von und nach München mit Halt in Nürnberg, Erfurt und Halle. Zwischen Hamburg und Berlin soll es künftig wieder 60 Fahrten pro Tag geben, neu ist eine abendliche ICE-Verbindung Berlin-Dresden. Die IC-Linie aus Rostock gibt es weiterhin.

    Auf acht der zehn stärksten innerdeutschen Flugstrecken gebe es mit den Sprinterzügen eine schnelle und umweltfreundliche Alternative, warb die Bahn. Schneller geht es demnach etwa auch auf der Strecke Düsseldorf-Köln-München und morgens von Hamburg zum Frankfurter Flughafen.

    Ein ICE mit 13 Wagen könne fünfmal so viele Menschen befördern wie ein Mittelstreckenflugzeug, hieß es. Auf der Linie München-Stuttgart-Frankfurt Flughafen-Köln-Dortmund-Hamburg sollen nur noch diese extralangen Züge fahren; die Bahn erhält derzeit alle drei Wochen einen neuen davon.

    Neu im Fahrplan 2022, der ab 12. Dezember dieses Jahres gilt, ist die Fernverkehrslinie Dortmund/Münster-Siegen-Frankfurt/Main. Dort sollen doppelstöckige Intercity-Züge fahren. Auf anderen Verbindungen ersetzen ICE-Züge die Intercitys, etwa auf der Strecke Frankfurt/Karlsruhe-Stuttgart-Ulm-München.

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