WunderCar - mitgefahren, mitgehangen
▻http://www.wundercar.org/de
Da haben wir den nächsten Schlaumeier, der mit einem disruptiven Geschäftsmodell reich werden will. Wie immer kommt alles nett-locker-flockig-jugendlich-cool-entspannt daher, entpuppt sich aber bei genauem Hinschauen als knallharte Ausbeutungsmaschine.
Wieder einmal sollen Fahrer mit eigenem Auto zu Dumpingpreisen Taxi spielen. Das funktioniert nur, wenn das Personenbeförderungsgesetz konsequent gebrochen und die Entlohnung auf Taschengeldniveau reduziert wird.
Bei WunderCar ist das noch besser. Hier soll der Fahrgast den Preis bestimmen, dafür wird dann keine Quittung nicht ausgestellt.
Das erinnert irgendwie an Schwarzarbeit. Förderung der Prostitution ist wohl immer noch strafbar. Wie sieht es mit Förderung der Schwarzarbeit aus ?
Nette Menschen kennenlernen.
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Bei WunderCar fahren Köche und Segelmeister, Jurastudenten und Obstbauern. Entdecke die Geschichten in Deiner eigenen Stadt!
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Stell Dir vor es wäre immer ein Freund in der Nähe, bei dem Du einfach mitfahren kannst!
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So funktioniert WunderCar
Fahrt anfragen
Mit nur einem Klick ...
Mitfahren
Du steigst vorne ein und lernst einen netten Menschen kennen
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Jetzt kommt’s :
Trinkgeld geben
Nach sicherer Fahrt verlässt Du das Auto an Deinem Ziel. Mit Hilfe unserer App kannst Du den Fahrer bewerten und – wenn es Dir gefallen hat – ein Trinkgeld geben.
Unser Trinkgeldvorschlag basiert auf einem Community-Durchschnitt. Unser System zieht dazu vergleichbare Fahrten in seine Kalkulation mit ein und errechnet dadurch einen Durchschnittswert. In der Regel liegt unser Vorschlag ca. 50% unter dem gängigen Preis von Taxen. Selbstverständlich kannst Du Dein Trinkgeld jederzeit anpassen.
Soweit so schön, aber warum machen die das oder, genauer, wie wollen die damit Geld verdienen ?
Der Betreiber einer anderen „sharing“ Plattform erklärt es in einem Bericht von einer USA-Reise so:
▻http://whyownit.com/blog/usa-land-des-unbegrenzten-teilens-in-den-staaten-ist-das-sharing-im-mainst
Interessant war vor allem, dass diese Plattformen Privatleuten Möglichkeiten bieten mit wenig Aufwand Geld zu verdienen. Es handelt sich deshalb auch nicht um Sharing im eigentlichen Sinne, sondern um das Verfügbarmachen von Dienstleistungen. In einer Welt, in der immer mehr Menschen immer weniger Nettoeinkommen zur Verfügung haben, wird sich dieser Trend sicherlich noch weiter durchsetzen
Zur Vereinfachung übersetze ich das mal in ideologiefreie Fakten: Immer mehr Menschen kommen mit ihrem immer weiter schrumpfenden Einkommen nicht klar. Solange sie noch Freizeit haben, werden sie versuchen mit noch einem Job das Nötigste zusammenzubekommen.
Hier setzt WunderCar an : „Du bist ein netter Mensch mit Auto, wir vermitteln dir Fahraufträge und du kassierst den halben Taxipreis mins 20 Prozent. Die behalten wir. Wenn das nicht schiefgeht, dann können wir dir irgendwann noch mehr als 20 Prozent abknöpfen, denn du bist von uns abhängig. Das sagen wir dir jetzt noch nicht, denn sonst würdest du ja nicht mitmachen. Du trägst auch das volle unternehmerische und juristische Risiko, denn wir von WunderCar zahlen dir keine Reparaturen und arbeiten nicht schwarz. Wir haben alle richtige Verträge.“
Unter uns gesagt, das rechnet sich nicht für die Wundercar-Fahrer. Bei Taxis geht ungefähr die Hälfte des Preises an die Fahrer, und die verdienen nicht gut. Der Wundercar-Fahrer zahlt vom halben Geld 20 Prozent an Wundercar und muß zusätzlich die Kosten für Auto, Sprit und alles andere übernehmen, was beim Taxi der Chef zahlt. Steuern werden auch fällig, ohne Gewerbeanmeldung wäre das Schwarzarbeit.
Auszahlung
Wir überweisen Dir als Fahrer 1x wöchentlich 80% der Trinkgelder, die Dir Mitfahrer durch unsere Smartphone App geben, direkt auf Dein Bankkonto.
Es ist ja ganz toll, wenn man als Privatmensch Geld dazuverdienen kann. Nur muß man, wenn regelmäßig Geld im Spiel ist, dem Finanzamt, dem Wohnungsamt oder Jobcenter mitteilen wann man wieviel eingenommen hat - und schon ist man eine kleine Firma, die sich an bestimmte Regeln zu halten hat.
Wenn man dann in Deutschland Menschen gegen Geld transportieren will, muß man noch bestimmte Voraussetzungen erfüllen und eine behördliche Erlaubnis, für gewöhnlich Konzession genannt, sein Eigen nennen. Nur so ist für ausreichende Sicherheit der Fahrgäste gesorgt. Bei WunderCar liest sich das so :
Alle Fahrer müssen unseren Anforderungen entsprechen.
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“Sense of Community”.
– 4 Sitzer als Auto
– Mindestens 2 Jahre Fahrerfahrung
– Maximal 3 Punkte in “Flensburg“
– Keine Vorstrafen oder laufende Strafverfahren.
Da maßt sich die Firma an, den Job der Aufsichtsbehörde zu übernehmen. Ob die das wohl gut findet ? Die Kriterien sind jedenfalls nicht so streng wie bei zugelassenen Mietwagen, so daß alleine deshalb die Legalität des Unternehmens fraglich ist.
Ob das Ganze wirklich innovativ ist, kann man noch nicht sagen, ein Kriterium für ein disruptives Geschäftsmodell, wie es die US-Venture-Kapitalisten so lieben, ist in jedem Fall reichlich übererfüllt : Bestehende Regelwerke werden bewußt ignoriert, um mit illegalen Methoden einen vorhandenen Markt anzugreifen.
§ 181a StGB Zuhälterei Absatz 2
Mit Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren oder mit Geldstrafe wird bestraft, wer die persönliche oder wirtschaftliche Unabhängigkeit einer anderen Person dadurch beeinträchtigt, dass er gewerbsmäßig die Prostitutionsausübung der anderen Person durch Vermittlung sexuellen Verkehrs fördert und im Hinblick darauf Beziehungen zu ihr unterhält, die über den Einzelfall hinausgehen.
Dieser Passus fehlt im Schwarzarbeitsbekämpfungsgesetz, und erlaubt den Machern von WunderCar, oberflächlich betrachtet, ihren Kopf aus der Schwarzarbeitsschlinge zu ziehen. Die Fahrer hingegen trifft das Gesetz mit voller Wucht.
Gesetz zur Bekämpfung der Schwarzarbeit und illegalen Beschäftigung (SchwarzArbG)
§ 1 Zweck des Gesetzes
(1) Zweck des Gesetzes ist die Intensivierung der Bekämpfung der Schwarzarbeit.
(2) Schwarzarbeit leistet, wer Dienst- oder Werkleistungen erbringt oder ausführen lässt
Was dann folgt passt genau auf die WunderCar-Fahrer.
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2. als Steuerpflichtiger seine sich auf Grund der Dienst- oder Werkleistungen ergebenden steuerlichen Pflichten nicht erfüllt
3. als Empfänger von Sozialleistungen seine sich auf Grund der Dienst- oder Werkleistungen ergebenden Mitteilungspflichten gegenüber dem Sozialleistungsträger nicht erfüllt,
4. als Erbringer von Dienst- oder Werkleistungen seiner sich daraus ergebenden Verpflichtung zur Anzeige vom Beginn des selbstständigen Betriebes eines stehenden Gewerbes ... nicht nachgekommen ist
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Was nicht passt, sind die Ausnahmen :
1. von Angehörigen im Sinne des § 15 der Abgabenordnung oder Lebenspartnern,
2. aus Gefälligkeit,
3. im Wege der Nachbarschaftshilfe
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Wer als Fahrer bei diesem Experiment mitspielt, könnte genauso gut als Geldwäscher für Internetkriminelle antreten und darf sich auf den Besuch der freundlichen Herren und Damen von Zoll und Kripo freuen.
Nun bin ich kein Jurist, aber das Gesetz ist eindeutig genug um zu einer Schlußfolgerung zu kommen: Entweder die Geschäftsleitung von WunderCar und ihre Anwälte kennen das SchwarzArbG nicht, dann sind sie dümmer als die Polizei erlaubt, oder sie vertreten ohne Not bewußt und mit Absicht ein kriminelles Geschäftsmodell mit Hintertürchen für sich selber.
Aber ein schönes Logo haben sie.
#disruption #legal_illegal_scheissegal #konkurrenz #schwarztaxi