• Christiane Paul über Berlin: „An manchen Ecken gerät etwas aus der Balance“
    https://www.berliner-zeitung.de/panorama/christiane-paul-ueber-berlin-an-manchen-ecken-geraet-etwas-aus-der-

    26.2.2024 von Anne Vorbringer - Berlin hat rund 3,8 Millionen Einwohner, und jeder hat seinen eigenen Blick auf die Stadt. Was macht Berlin aus, wieso lebt man hier – und tut man es überhaupt gern?

    In unserer Rubrik „Fragebogen Berlin“ fragen wir bekannte Hauptstädterinnen und Hauptstädter nach ihren Lieblingsorten und nach Plätzen, die sie eher meiden. Sie verraten, wo sie gern essen, einkaufen oder spazieren gehen. Aber auch, was sie an Berlin nervt und was man hier auf keinen Fall tun sollte.

    Diesmal hat mit Christiane Paul eine der bekanntesten deutschen Film- und Fernsehschauspielerinnen geantwortet – und überdies eine echte Berliner Pflanze. Wie sie auf ihre Heimatstadt blickt, auf das Früher und das Heute, das hat sie uns ausführlich am Telefon erzählt.

    1. Frau Paul, seit wann sind Sie schon in der Stadt?

    Schon immer. Ich bin 1974 in Pankow zur Welt gekommen, in der Maria Heimsuchung. Gebürtige Berlinerin, das gibt es ja hier nicht so oft, höre ich. So wie in New York, wo man selten wirkliche New Yorker trifft.

    Ich kenne Berlin schon gut, bin irgendwie mit dem Rhythmus der Stadt verbunden. Viele, die hierherziehen, haben Probleme mit dem Charakter Berlins, der sehr rau sein kann. Der Berliner ist nicht der charmanteste Mitbürger, in Hamburg zum Beispiel sind die Leute nicht so direkt und kaltschnäuzig. Hinzu kommt, dass die Stadt eher schnell unterwegs ist. Das merke ich immer, wenn ich woanders bin, zum Beispiel in der Schweiz, in Zürich oder Bern. Dort ist alles so viel langsamer getaktet.

    Aber mir gefällt der Vibe in Berlin. Das, was Berlin ausmacht, ist auch in mir. Liegt sicher auch daran, dass ich die Stadt nie länger verlassen habe. In Pankow bin ich aufgewachsen und hab da sehr lange gelebt, dann zog ich nach Schöneberg während des Studiums, und da wohne ich heute noch. Ein Jahr war ich mal in Hamburg, sonst immer nur auf Reisen oder für Dreharbeiten woanders.

    2. Welcher ist Ihr Lieblingsort in Berlin?

    Meine Wohnung und mein Bett. Für Leute, die viel reisen, hat so ein Rückzugsort noch mal eine besondere Bedeutung. Es ist wichtig, dass man sich zu Hause wohlfühlt, und ich würde auch nicht wegziehen wollen, wenn es nicht unbedingt nötig ist.

    Zumal Umziehen nicht mehr so einfach ist wie in den Achtzigern, wo zumindest in West-Berlin als uncool galt, wer nicht alle paar Monate eine andere Bude bewohnte. Heute wäre man verrückt, seine Wohnung aufzugeben. Mein Kollege Devid Striesow ist gerade nach Wien gezogen, weil er hier keine passende Wohnung für sich und seine Familie gefunden hat. Viele andere Leute in meinem Umfeld sind in der gleichen Situation. Das ist ein Riesenproblem.

    3. Wo zieht es Sie hin, wenn Sie entspannen wollen?

    Mittlerweile an den Schlachtensee. Am liebsten bei schlechtem Wetter, dann ist es dort schön leer. Ich bin zwar ein Stadtmensch, aber hin und wieder muss ich raus in die Natur. Früher, in meiner Pankower Zeit, war es die Schönholzer Heide. Da war ich als Kind immer rodeln.

    4. Welche Ecken der Stadt meiden Sie?

    Tatsächlich keine, und das meine ich zunächst einmal als Kompliment an die Stadt. Ich bin viel mit den Öffentlichen und dem Fahrrad unterwegs und fühle mich nirgends unsicher oder unwohl. Allerdings muss ich die Einschränkung machen, dass ich keine 20 mehr bin und nicht ständig nachts unterwegs.

    Denn es gibt ja schon spezielle Ecken wie den Görlitzer Park oder das Kottbusser Tor. Ich will das gar nicht bewerten, das gehört wohl irgendwie zu einer Großstadt, dass es gemischte Communitys gibt, dass Dealer und Familien aufeinandertreffen. Aber ich hätte schon Sorge, wenn meine Kinder da nachts rumturnen. Es darf halt nicht kippen, und an manchen Ecken hat man schon das Gefühl, da gerät etwas aus der Balance.

    5. Ihr ultimativer Gastro-Geheimtipp?

    Mein Italiener um die Ecke: Bar Tolucci. Die machen super gutes Essen, sind entspannt, tolle Leute einfach, die das Restaurant schon seit langer, langer Zeit führen.

    6. Ihr ultimativer Shopping-Geheimtipp?

    Es gibt die Akazienbuchhandlung in Schöneberg, die ich sehr liebe. Und direkt daneben das Fidelio, ein Geschäft für Klassik- und Jazz-CDs. Da gehe ich zwar nie rein, weil ich nicht so ein Musikliebhaber bin, aber ich finde es toll, dass es noch solche Läden gibt. Das verschafft mir beim Vorbeilaufen Glücksgefühle. Genauso wie der alteingesessene Fleischer Albrecht in der Akazienstraße, bei dem ich jedes Jahr meine Weihnachtsgans hole – und jedes Mal wieder nach der Zubereitung fragen muss, weil ich es immer wieder vergesse. Dass man die Ladeninhaber noch kennt, das mag ich sehr an meinem Stadtteil.

    7. Der beste Stadtteil Berlins ist …

    Das kann man so gar nicht entscheiden, weil jeder was für sich hat. An Pankow zum Beispiel hängt mein Herz noch irgendwie. Aber es ist ein Ort, der für mich mit kindlichen Emotionen verbunden ist. Den gibt es nicht mehr, man lässt ihn zurück. Zwar bin ich mit meinen Kindern oft da, weil meine Eltern dort wohnen, und dann zeige ich ihnen auch schon mal die Schönholzer Heide und das Sowjetische Ehrenmal. Aber meine alten Wege dort abzulaufen, das wäre nicht einfach. Ich glaube, das möchte ich nicht.

    Pankow hat sich ja auch sehr verändert, es wurde viel gebaut. Als ich damals wegging, wollte ich eigentlich nur nach Prenzlauer Berg ziehen und nicht nach Schöneberg, aber Anfang der 2000er fand man dort keine Wohnung. Mittlerweile bin ich ganz froh, dieser Prenzlberg-Hype, das wäre nicht mein Lebensgefühl gewesen. Da bin ich im etwas verschlafenen, gewachseneren Schöneberg schon besser aufgehoben.

    In Ost und West denke ich ohnehin nicht mehr. Berlin ist für mich eine Stadt, und fertig. Zu mir hat mal jemand gesagt, dass es ja furchtbar gewesen sein muss, in Ost-Berlin aufzuwachsen. Und ich sagte, nee, war es nicht, es war meine Kindheit. Das ist ein eigenes Universum, das man auch später irgendwie behüten und behalten möchte. Ich war oft im SEZ schwimmen und Schlittschuh fahren. Insofern weiß ich schon, woher ich komme, aber ich habe mich mit Gesamtberlin verbunden. Eine Teilung wie diese hat keine andere Stadt so erlebt, und das macht Berlin einzigartig. Diese Identität zu erhalten und gleichzeitig einen Weg in die Moderne zu finden, ist schon eine schwierige Sache. Aber wie heißt es im Film „Spur der Steine“ selbstironisch: Man sollte immer „nach vorne“ diskutieren.

    8. Das nervt mich am meisten an der Stadt:

    Die vielen Baustellen, der Dreck und fehlende Ladestellen für Elektrofahrzeuge. Ich habe schon lange ein E-Auto, aber in den vergangenen zwei Jahren ist die Infrastruktur immer schlechter geworden, weil nicht entsprechend nachgerüstet wurde. Was absurd ist, schließlich brauchen wir doch andere Mobilitätskonzepte.

    9. Was muss sich dringend ändern, damit Berlin lebenswert bleibt?

    Es braucht eine politische Lösung für die Wohnungskrise. Eine Möglichkeit, die Mieten wirksam zu begrenzen. Man sieht die sozialen Verwerfungen mittlerweile überall in Berlin. Die zunehmende Obdachlosigkeit – erschütternd, wie das in die Stadt reindrückt und dass es kein Konzept dagegen gibt.

    So wie in Finnland, wo mit Housing First möglichst jedem Obdachlosen bedingungslos eine Wohnung plus Unterstützung durch Sozialhelfer zur Verfügung gestellt wird, um ihn in die Gesellschaft zu reintegrieren.

    Solch ein gesamtgesellschaftliches Konzept ist hier auch nötig. Es bedrückt mich ehrlich, was in dieser Hinsicht aus Berlin geworden ist. Dass die Mittelschicht aufgebraucht ist, die Stützen der Gesellschaft immer weiter abrutschen. Busfahrer, Krankenpfleger, deren Lohneinkünfte die Mieten nicht mehr decken können. Wie viel Geld mittlerweile fürs Wohnen draufgeht, das verursacht große Verzweiflung bei immer mehr Menschen.

    10. Ihr Tipp an Unentschlossene: Nach Berlin ziehen oder es lieber bleiben lassen?

    Klar kann man hierherziehen – wenn man eine Wohnung findet. Berlin ist die aufregendste Stadt in Deutschland, man kann hier aber auch noch ein Stück Ruhe finden, was zum Beispiel in London nicht mehr geht. Also ich kann jeden verstehen, der hierherziehen will.

    11. Cooler als Berlin ist nur noch …Ich war zuletzt häufiger in London. Dort ist es vielleicht nicht cooler, aber schon irgendwie anders. London ist am Puls der Zeit, auch kulturell. Ich würde da zwar nicht leben wollen, finde es aber wahnsinnig lebendig dort.

    Zur Person

    Christiane Paul wurde 1974 als Tochter zweier Ärzte geboren. Nach dem Abitur absolvierte sie ein Medizinstudium an der Humboldt-Uni und promovierte 2002. Parallel dazu betrieb sie ihre Schauspieltätigkeit und lernte am Lee Strasberg Institute in New York. Den Arztberuf gab sie 2004 auf, um sich neben der Betreuung ihrer Tochter stärker der Schauspielerei zu widmen.

    Bereits in jungen Jahren arbeitete die Berlinerin als Model, mit 17 erhielt sie ihre erste Hauptrolle in Niklaus Schillings Kinofilm „Deutschfieber“. Zu ihren bekanntesten Filmen gehören „Das Leben ist eine Baustelle“, „Im Juli“ und „Die Welle“.

    2016 wurde Christiane Paul der International Emmy Award als beste Hauptdarstellerin für Elmar Fischers Fernsehthriller „Unterm Radar“ verliehen. Seit 2017 spielt sie vermehrt in internationalen Produktionen. In diesem Jahr wird sie im Kinofilm „Die Ermittlung“ und in der Serie „Concordia“ zu sehen sein.

    #Hamburg #Berlin #Pankow #Prenzlauer_Berg #Schöneberg #Schönholzer_Heide #Görlitzer_Park #Kottbusser_Tor
    #Schauspieler

  • KOLLEKTIV TURMSTRASSE - Sorry I Am Late (Official Video)
    https://www.youtube.com/watch?v=wwZbonjAlPc

    Kollektiv Turmstrasse – Wikipedia
    https://de.wikipedia.org/wiki/Kollektiv_Turmstrasse

    Kollektiv Turmstrasse ist ein Musiker-Duo bestehend aus den Musikproduzenten Nico Plagemann und Christian Hilscher, die in Wismar an der Ostsee aufgewachsen sind und nun in Hamburg wohnen. Ihr Sound lässt sich in den Bereich des melodischen Minimal #Techno einordnen.

    Kollektiv Turmstrasse | Free Listening on SoundCloud
    https://soundcloud.com/kollektivturmstrasse

    There are few artists operating in the house/techno milieu who offer much beyond functionality in their music. Those who bring more than this to the table always stand out from the crowd. Hamburg/Berlin duo Kollektiv Turmstrasse (Christian Hilscher and Nico Plagemann) are one of those rare acts whose music caters for both body and soul.

    #Hamburg #Berlin #Kottbusser_Tor #Kreuzberg #Polizei #Musik #Hip_Hop

  • Wo es in Berlin nachts am gefährlichsten ist – B.Z. Berlin
    https://www.bz-berlin.de/berlin/wo-es-in-berlin-nachts-am-gefaehrlichsten-ist


    Hier isset dunkel, hier hat och de Polizei Angst. Liest man. Is aber Kwatsch.

    Aktuell stuft die Polizei neun Orte als kriminalitätsbelastet ein: Alexanderplatz, Leopoldplatz, Schöneberg-Nord (im Bereich Nollendorfplatz und Teile des Regenbogenkiezes), Görlitzer Park, Warschauer Brücke, Kottbusser Tor (siehe unten), Teile der Hermannstraße, Hermannplatz sowie ein kleiner Bereich der Rigaer Straße.

    Natürlich, die B.Z. muss mal wieda mit die Sicherheitströte tuten. Tut tut sie immer schon besonders schön. Warum ooch nich, klappern jehört zum Handwerk. Aber wennickma uff die valassen würde, wennick nachts arbeete, dann würdick vahungern. Allet so jefääährlich hier!

    Jetzt ma im Ernst, wat heisst den schon kriminalitätsbelastet ? Machen wa dit mal konkret.

    #Alexanderplatz
    Tagsüber Hütchenspieler und Taschendiebe, nachts Klopperei. Ja nun, Großstadtdisko eben. Kann man sich eijentlich janz normal bewejen, aussa man fängt falsche Diskussionen falsch an, so mit „Heij Du Arsch“ oder so. Dann jibbet schonmal uffe Fresse.

    #Leopoldplatz
    Äh, is doch eijentlich janz nett jeworden jetzt, mit der Bezirkssäufer-Bank jejenüba vonne Sparkasse. Drogen jips reichlich, aba juckt mich dit?

    #Schöneberg-Nord (im Bereich #Nollendorfplatz und Teile des Regenbogenkiezes)
    Is schon seit Jahren ’ne komische Nachbarschaft mit den Jastarbeetakindan, wo de Familien nach Jahrzehnten inne Stadt noch imma keen richtijet Deutsch quatschen und wo der Imam Sozialarbeit machen muss. Wenn die mies druff sind, und denen abands een schwuler Eijentumswohnungsbesitza mit Stuckornamente im Schritt bejejnet, dann jibs eben Klassenkampf uff islamisch. Nich schön abba wahr. Sollte uffhörn. Für alle andern jilt, wer zum Bezahlweibe oder zu sowat wie Heiko Maas in Jung jeht, wird schon mal abjezogen. Wer süße Araberjungs im Tierjarten vögelt weeß ooch watta tut. Dafür jibt’s die Notuffnahme.
    Also macht nich son Jewese, Nolli kriminalitätsbelastet, dassick nich lache.

    #Görlitzer_Park
    Ein Glück is der Tunnel dicht. Der war übel. Nachts im Park Drogen koofen? Dafür jibts nen schönen Ausdruck: Musste für mittem Klammabeutel jepudert sein. Och hier sind einfach ville Leute. Passt nich imma allet zusamm, und dann wird sich jekloppt. Ansonsten nette Jejend. Viel zu reich jeworden.

    #Warschauer_Brücke
    Touristen sind einfach Opfa. Kommen ausm Dorf und bilden sich ein, se können hier ihren Kram einfach rumliejen lassen, und ein paar Stunden späta issa nochh da. Ick sachs euch mal janz deutlich: Jeklaut wird allet, wat nich anjeschaubt is. Manchmal willet eena janz besonders dringend ham euern Kram, dann jebt ihm det Zeug einfach, wenna nich jrade selba ne Kreuzung aus Chuck Norris und Jackie Chan seid. Benehmt euch, dann passiert euch nix.

    #Kottbusser_Tor
    Wie #Warschauer_Brücke. Watt wollt ihr denn eijentlich alle da?

    Teile der #Hermannstraße
    Ja. Verkehrskriminelle. Jibts hier reichlich. Unter Nachbarn wird sich ehrlich beharkt. Manchmal jeht dit bis zum Ehrenmord. Alle andern läßt man eher in Ruhe. Ich kannte aba ooch nen armen reichen Jungen aus Lichterfelden, der den Besuch im Rollbergkino nicht überlebt hat. Der wusste einfach nich, wie et hier läuft. Deeskalation is anjesacht. Siehe auch #Warschauer_Brücke.

    #Hermannplatz
    Wie #Hermannstraße

    ein kleiner Bereich der #Rigaer_Straße
    Tja, dit is wohl’n Witz. In Friedrichshain ist einfach viel los, und wo viel los is wird viel getrunken, und da passiert dann auch was. Ansonsten leben hier alle friedlich zusammen. Die Ordnungsliebhaber in der Politik aus Zehlendorf und Köpenick, die sind sind der Meinung, dass die letzten Reste der Hausbesetzerbewegung aus den Neunzigerjahren endlich weg müssen. Dann stellt man dem kleinen bunten Völkchen provokativ ne Wanne vor die Nase, dit heisst Liebig Ecke Rigaer uffn Dorfplatz , damit man anschliessen schön laut über gewalttätige Chaoten jammern kann. Watnscheiss.

    So, dit war der aktuele Bericht zur Sicherheitslage, viel Spass am Wochenende, und fallt ma nich im Vollsuff vonne Warschauer Brücke. Letztet Jahr jab dit mehr Tote als die paar Messerstechereien inne jejend.

    Warum ich dit so sehe? Na janz einfach, bei Bolle war dit ooch schon so. Schönholzer Heite. Ewijet Berlin, sozusajen.

    https://www.youtube.com/watch?v=qvCGuuRPzSY

    #Berlin #Friedrichshain #Polizei #Kriminalität #Gewalt

  • Veranstaltungshinweis: Miete essen Seele auf
    https://www.weltfilm.com/de/filme/in-produktion/miete-essen-seele-auf

    Vorführung des Dokumentarfilms „Miete essen Seele auf“ von Angelika Levi und Christoph Dreher über die Mieter*inneninitiative Kotti & Co.

    https://www.youtube.com/watch?v=nn638lqeAZ8

    Im Rahmen von 48 Stunden Neukölln beginnt eine Kooperation des Refugio mit dem Menschenrechtsfilmfestival One World Berlin, das in loser Folge in den Räumlichkeiten des Sharehauses Filmprogramme zeigt.

    Der Film dokumentiert 2 Jahre nachbarschaftliche Organisierung und Protest am südlichen Kottbusser Tor. Der Film verknüpft die Wohnungsfrage mit der Geschichte der Migration und betont eine Verbindung von Rassismus und urbaner Verdrängung.

    Mit dieser Besetzung eines öffentlichen Platzes im Zentrum von Kreuzberg, begann die Mieterinitiative Kotti & Co einen bis heute täglich sichtbaren Widerstand, und holte das Thema des sozialen Wohnungsbaus und die massive Verdrängung von langjährigen BewohnerInnen aus der Innenstadt auf die politische Agenda.

    Menschen mit sehr verschiedenen Biografien und politisch unterschiedlichen Ansichten begannen miteinander zu reden und ihre Geschichten zu teilen. Die Abgrenzungen und Vorurteile wichen einer positiven Verunsicherung, aus Nachbarschaft entstand Freundschaft.

    Im Film spielt der „Cottbusser Chor“ mit, ein radikal postideologischer Chor, arrangiert und musikalisch komponiert von Nicholas Bussmann. Er versteht sich in Tradition linker Laienchöre, doch die sonst hierarchische Struktur des Chors wird durchbrochen und eine musikalische Fährte gelegt, die das Thema des Films spiegelt: das Verhältnis von Kollektiv und Individuum.

    Am Freitag, 23.06.2017, 20:00 wird der Film gezeigt. Im Anschluss findet ein Gespräch mit Co-Regisseurin Angelika Levi statt.

    Am Samstag, 24.06.2017 und Sonntag, 25.06.2017, ist die ständige Installation „Miete essen Seele auf“ zu sehen im

    Café Refugio | Lenaustr. 3-4, 12047 Berlin-Neukölln (am Kottbusser Damm, nahe U-Bahnhof Hermannplatz)

    MIETE ESSEN SEELE AUF
    Ein Gespräch mit Sandy Kaltenborn von der Kreuzberger Mietergemeinschaft Kotti & Co
    http://www.99prozenturban.de/miete-essen-seele-auf

    Umringt von den mächtigen Hochhäusern am Kottbusser Tor, erinnert das Hauptquartier von Kotti & Co, eine zusammengezimmerte Holzhütte, an das von römischen Festungen belagerte widerständige Gallier-Dorf. Allerdings ist dieser Eindruck ein wenig irreführend: Nicht etwa die Holzhütte, sondern die Bewohner_innen der umliegenden Betonburgen sind gefährdet. Die Bedrohung geht nicht von einer feindlichen Großmacht aus, sondern von Immobiliengesellschaften und der Politik des Berliner Senats.

    Die Hochhaussiedlung am Kottbusser Tor mit ihren überwiegend migrantischen Mieter_innen war lange ein stabiler Riegel gegen die „Aufwertung“ des Viertels, die andere Teile Kreuzbergs schon früher erfasste. Das änderte sich aber zuletzt immer mehr: Alljährliche Mieterhöhungen machen das Wohnen zunehmend unerschwinglich und schüren Existenzängste.

    2011 taten sich Anwohner_innen unter dem Namen Kotti & Co gegen Mieterhöhungen und Verdrängung zusammen. Im Frühling 2012 folgte die Errichtung der Holzhütte, genannt Gecekondu (aus dem Türkischen: „über Nacht gebaut“). Auch heute noch steht sie am gleichen Ort. Kotti & Co wird sogar über Berlin hinaus wahrgenommen. Wie haben sie das geschafft? Die Mittel der Aktivist_innen sind auf jeden Fall andere als die der dickköpfigen Gallier: sie schlagen zwar auch, aber nur auf Kochtöpfe – bei ihren Lärmdemonstrationen.

    Mit Sandy Kaltenborn von Kotti & Co sprachen wir im Gecekondu zum ersten Geburtstag über ihre Ängste, den Berliner Wohnungsmarkt und die Ermächtigung der Menschen, denen sonst niemand zuhört.

    I. ÜBER KOTTI & CO

    Hannes Obens: Gab es eine Art Initialzündung für eure Gründung?

    Sandy Kaltenborn: Ja. Wir haben uns im März 2011 gegründet. Das ist kein beliebiges Datum, weil zum 1. April immer die Mieterhöhung im sozialen Wohnungsbau kommt. Die Häuser am Kotti gehören primär zwei Wohnungsbaugesellschaften. Zu einem Teil der GSW, der 2004 privatisierten, ehemals städtischen Wohnungsbaugesellschaft. Ein anderer Teil ist im Besitz der Hermes Hausverwaltung, die ein Immobilienfonds ist. Jährlich wird die Miete um 13 Cent pro Quadratmeter angehoben. Zusätzlich kamen bei den Hermes-Wohnungen, die so genannten Instandhaltungspauschalen dazu. Das hat dann eine Mieterhöhung von oftmals mehr als 80 Euro auf einen Schlag bedeutet. Das hat das Fass zum Überlaufen gebracht.

    Auf eurer Webseite wird die soziale Brisanz der jährlichen Mieterhöhungen durch eine Zahl drastisch veranschaulicht. Fast 50% der Mieter_innen leben – nach Abzug der Miete – von nicht mehr als 200 Euro im Monat. Wie habt ihr diese Zahl ermittelt und wie ist das möglich?

    Wir haben eine Umfrage mit einem detaillierten Fragebogen unter 130 Nachbar_innen gemacht. Diese ergab, dass viele 50 bis 60% ihres Monatseinkommens für ihre Miete aufwenden müssen. Da bleiben dann häufig nur 200 Euro im Monat für einen Menschen zum Leben übrig. Ich kann mir diese Zahl, immer wenn ich sie ausspreche, selbst gar nicht vorstellen. Aber sie erklärt sich sehr leicht: sehr viele Menschen beziehen hier Transferleistungen wie Hartz IV oder Rente. Der Regelsatz für die Kosten der Unterkunft – also der Teil, den das Jobcenter bezahlt – liegt bei 4,91 Euro pro Quadratmeter netto kalt. Die Mieten liegen hier aber bei bis zu sechs Euro. Diese Differenz muss aus dem Regelsatz (derzeit 382 Euro) bezahlt werden. Zudem sind auch die Nebenkosten zu niedrig angesetzt. Daraus ergibt sich, dass die Leute so wenig haben. Vor kurzem hat auch erst das Berliner Sozialgericht entschieden, dass die Kosten für die Unterkunft zu niedrig angesetzt sind.

    Und was macht der Senat jetzt?

    Sozialsenator Czaja sträubt sich gegen dieses Urteil und will vor die nächste Gerichtsinstanz ziehen. Ein Skandal! Das bedeutet nichts anderes als dass sich Berlin strukturell der Armen entledigt. Die Leute sparen am Essen und ziehen noch enger zusammen, weil es keinen bezahlbaren Wohnraum mehr gibt. Teenager haben keine Rückzugsmöglichkeiten, teilen sich ihr Zimmer mit den Geschwistern. Wegziehen aus dem Kiez ist aber keine Option für die meisten Menschen hier. Die Mobilität, die von stadtplanerischer Seite und der Politik imaginiert wird, existiert hier nicht. Viele Familien sind hier sehr verankert, gerade ältere Menschen sind darauf angewiesen, dass Familienmitglieder in der Umgebung wohnen und ihnen helfen.

    Hintergrundinfo zum sozialen Wohnungsbau in Berlin: Die Absurdität der Praxis des sozialen Wohnungsbaus in Berlin lässt sich gut anhand der Begriffe „Kostenmiete“ und „Sozialmiete“ darstellen. Die Kostenmiete ist der Betrag, der den Immobiliengesellschaften von der Stadt vertraglich als Festeinnahme zugesichert worden ist. Sie liegt bei bis zu 18 Euro pro Quadratmeter in diesem Viertel. Die Sozialmiete, also der Anteil, den die Bewohner_innen der Sozialwohnungen selbst berappen müssen, liegt am Kottbusser Tor derzeit bei sechs Euro pro Quadratmeter. Die Differenz zwischen diesen beiden Summen – zwölf Euro – begleicht die Stadt und überweist sie Monat für Monat an die längst privatisierten Immobiliengesellschaften! 18 Euro pro Quadratmeter ist ein astronomisch hoher Preis, den man höchstens für Top-Immobilien am Markt erzielen könnte.
    Wie kommt es denn zu den krassen Mietsteigerungen? Unter dem ehemaligen Finanzsenator Thilo Sarrazin wurde 2003 beschlossen die Subventionen für den sozialen Wohnungsbau schrittweise zu senken. Die Reduktion wurde auf jährlich 13 Cent pro Quadratmeter festgelegt und auf die Mieter_innen umgelegt. Im Jahr 2004 verkaufte die Stadt dann die kommunale Wohnungsbaugesellschaft GSW an private Investoren.

    Fortsetzung des Interviews:

    Was macht das Wohnen am Kotti unverzichtbar für dich?

    Also, ich kann nur für mich reden und dann versuch ich es zu verallgemeinern. Kreuzberg ist einer der wenigen Orte in Deutschland, die sich durch ein starkes Maß an Diversität, Interkultur, auszeichnen. Es ist ein Ort, an dem ich beruhigt atmen kann. Aus zweierlei Gründen: Der eine ist die Geschichte der Alternativkultur, die ganz unterschiedliche Lebensentwürfe zulässt. Hier wird man nicht schräg angeguckt, wenn man „anders“ ist. Hier ist das Anderssein ein Stück Normalität. Und das zweite, was diesen Stadtteil prägt, ist die Geschichte der Migration. Das ist für mich und viele meiner Nachbarinnen und Nachbarn der wesentliche Grund, dass sich ein Lebensumfeld über Jahrzehnte herausgebildet hat, was mit Community zu bezeichnen ist. Die Leute wohnen über Generationen am Kotti, haben ihre Kinder hier großgezogen. Es sind vor allem die sozialen Netzwerke, die diesen Ort hier lebenswert machen. Alternative Ökonomien sind entstanden und die daher existierende dichte Gewerbestruktur wird den Ansprüchen vieler Menschen gerecht. Zudem ist die Anbindung an den öffentlichen Nahverkehr sehr gut. Im positiven Sinn existieren hier viele Parallelwelten, die sich tolerieren. Es gibt hier natürlich auch viele Schnittstellenakteure, die dazu beitragen, dass sich diese Welten überlappen.

    Ihr ermahnt die Medien nachdrücklich zu einer sensiblen Berichterstattung: „Wir sind keine Zootiere“ und „Wir lassen uns nicht ausstellen!“ ist auf eurer Webseite zu lesen. Habt ihr denn so miese Erfahrungen mit der Presse gemacht?

    Diese Ansprache an die Presse resultiert eher aus dem Sensationsjournalismus. Standard ist, dass dir Journalisten sagen, ich kann das meinen Redakteuren nicht verkaufen, wenn ich nicht ein Subjekt habe, wo ich eine Geschichte dran aufhängen kann. Du brauchst immer solche Opfergeschichten. Ich habe eine ganze Sammlung von Journalistenanfragen wie z.B.: „Ich bin auf der Suche nach Menschen, die schon verdrängt worden sind. Können Sie mir einen Kontakt herstellen?“ Oft werden ganz konkrete Vorstellungen der Personen genannt. Zum Beispiel sollten sie alt, gebildet und mit Migrationshintergrund sein und am besten noch ein Kopftuch tragen. Wir weisen das aber zurück: Wir sind keine Einzelfälle.

    Was macht ihr konkret und was sind eure Protestformen? Was hat es beispielweise mit den Lärmdemonstrationen auf sich?

    Erstens: Wir bilden Bündnisse mit anderen Mietergruppen und wir reden mit allen, auch mit Politikern, die für den Salat verantwortlich sind. Zweitens: Wir organisieren Veranstaltungen, wie vor kurzem im Abgeordnetenhaus, aber auch Events bei uns, in Theatern oder auch an Unis. Drittens: Politik auf der Straße. Wir organisieren die Lärmdemonstrationen. Wir wollen keine klassischen Demonstrationen machen, sondern versuchen ein niedrigschwelliges Format zu finden. Es ist wichtig, dass die Routen sehr kurz sind und dass man immer wieder an den Ausgangsort zurückzukommt. Nicht alle Menschen hier sind so mobil und können überall hinfahren. Wir wollen hier im Kiez vor Ort sein. Zur Form der Lärmdemonstration: Das mit den Kochtöpfen haben wir ja nicht erfunden. Das ist ein Ausdruck von Existenz, Essen und Reproduktion. Es ist ein universelles Format, das z.B. in Argentinien und Spanien zu finden ist. Die Lärmdemonstrationen sind eine Form der Artikulation, gerade für diejenigen, denen eine gesellschaftliche Teilhabe verweigert wird. Im letzten Jahr haben wir anfangs jede Woche demonstriert, im Winter dann aber etwas seltener.

    Wie lauten eure Kernforderungen?

    Erstens: eine temporäre Deckelung der Miete im sozialen Wohnungsbau auf max. vier Euro netto kalt pro Quadratmeter.
    Zweitens: eine Rekommunalisierung des sozialen Wohnungsbaus. Ein Konzept dazu sollte nach dem Beschluss zur Deckelung der Miete erarbeitet werden.

    II. MENSCHEN UND MÄRKTE

    Das Wohnen soll also nicht mehr dem Markt überlassen werden. Wie wirkt sich die Marktlogik auf euch und euer Ansinnen aus?

    Der Witz ist ja, dass bei uns die Marktlogik nur indirekt greift. Wir heißen ja Kotti & Co, weil wir auf der einen Seite im Kotti – also im sozialen Wohnungsbau – leben. Auf der anderen Seite steht das „Co“ für unsere Freundinnen und Freunden aus der Nachbarschaft, die auf dem freien Markt von den Mietsteigerungen, der Gentrifizierung, direkt betroffen sind. Im größeren Maßstab, auf der europäischen Ebene, reihen wir uns ein in die Auseinandersetzung über die Frage, welche Form die sogrannte Marktwirtschaft, der Kapitalismus in den nächsten zwanzig Jahren haben wird.

    Das musst du jetzt nochmal ausführen!

    Gern. Auf der einen Seite sehen wir, dass Deutschland auf europäischer Ebene seine Vorstellung auf breiter Front durchsetzt. Auf der anderen Seite haben wir in Berlin einen Diskurs über Rekommunalisierung – Stichwort Wasserbetriebe und Energie – und Bürgerbeteiligung, wie im Fall von Stuttgart 21. Die große Frage bei uns in Berlin ist, ob man trotz der hohen Verschuldung von über 60 Milliarden Euro weg von der Austeritätspolitik kommt. Und ob man wegkommt von der neoliberalen Stadtpolitik, die auf die Selbstregulierung des Marktes und reine Privatisierung setzt. Dies ist nicht nur eine Frage des Wohnens und der Stadtentwicklung, sondern auch eine der Grundversorgung und des Demokratieverständnisses. Wenn man Demokratie nicht nur als eine Form der politischen Vertretung über den Parlamentarismus, sondern auch als eine Form der sozialen Gerechtigkeit und des sozialen Ausgleichs begreift, dann muss man auch über soziale Rechte und Umverteilung reden.

    Auf eurer Webseite ist vom Rassismus der Verdrängung die Rede: Inwiefern kann aber Verdrängung, die Teil der Marktlogik ist, rassistisch sein?

    Man kann sicherlich nicht sagen, dass aus einem rassistischen Interesse versucht wird Migrant_innen aus diesem Stadtteil zu vertreiben. Zumindest nicht im großen Stil. Aber: es bewegt sich auf unterschiedlichen Ebenen. Wir haben es in dieser Gesellschaft mit einem strukturellen Rassismus zu tun, der sich sowohl in den verschiedenen gesellschaftlichen Institutionen als auch auf dem Markt niederschlägt. Das einfachste Beispiel hierfür ist, du rufst mit dem Nachnamen an und fragst nach einer Wohnung oder du tust das Gleiche mit einem anderen Nachnamen. Ich kann ein Beispiel geben: Hier im Block stehen sehr viele GSW-Wohnungen leer. Unsere Kids haben festgestellt, dass auf den Klingelschildern der leerstehenden Wohnungen nur typisch deutsch klingende Namen angebracht wurden. So will man nach außen suggerieren, dass dieses „Ghetto“ mittlerweile „durchmischt“ ist. Die Häuser sollen „aufgeknackt“ werden. Und den Hintergrund für solche Strategien er Hausverwaltungen bilden oftmals rassistische Stereotypen.

    Der Tourismus in Berlin, und gerade in Kreuzberg, boomt. Ein neuer Markt ist entstanden. Wie beeinflusst diese Entwicklung euer Viertel?

    Viele Freundinnen und Freunde freuen sich erst einmal über die Touristen. Plötzlich kommt die Welt zu ihnen. Das ist eine Bereicherung für viele – man kann Menschen aus aller Welt treffen. Von den Imbissbesitzerinnen konnte vor ein paar Jahren wenige Englisch und jetzt haben alle mindestens Grundkenntnisse. Einige lernen auch Spanisch und andere Sprachen. Natürlich profitieren die Imbissbesitzerinnen auch von der erhöhten Nachfrage. Wir haben auch schon mal ein Flugblatt geschrieben, in dem wir Touristen auffordern mit uns zu demonstrieren. Aber natürlich gibt es auch eine Kehrseite. Das Problem sind weniger, auch wenn sie mal nerven können, einzelne randalierende Tourigruppen, sondern die Ausrichtung dieses Stadtteils und der ganzen Stadt auf eine Tourismusökonomie. Die Gewerbestruktur verändert sich. Alles verliert ein wenig die Seele, in vielen Kneipen wird man nur noch als Portemonnaie gesehen. Auch die Preise in der gastronomischen Infrastruktur ziehen immer weiter an.

    III. PERSPEKTIVEN

    Gab es Versuche seitens der Stadt bzw. der Wohnungsgesellschaften, euch ruhigzustellen oder zu Tode zu umarmen?

    Eine komplexe Frage. Aber, ja, die gab’s. Seit dem Einzug von Senator Müller ist ein neuer Politikstil festzustellen. Während zuvor das Wohnungsproblem völlig ignoriert wurde, gibt Müller sich betont dialogisch. Wir werden gerade andauernd zu Veranstaltungen, z.B. von parteinahen Stiftungen, eingeladen. Alle wollen uns dabei haben. Das ist eine Art zu Tode umarmt werden. Das ist ja auch schwierig. Man kann ja einerseits froh sein, dass man ins vermeintliche Zentrum der Macht vorstößt. Wir wollen unsere Veranstaltungen ja auch nicht im stillen Kämmerchen oder immer nur im Stadtteilzentrum machen, sondern z.B. auch im Abgeordnetenhaus. Das ist der Ort, weil wir über ein städtisches Problem reden. Andererseits ist klar, dass wir als Mieterinnengruppe den Politiker_innen nicht so gegenübertreten können wie Lobbyverbände und große Firmen, die ihnen ganz andere Dinge anbieten können. Aber wir sind auch nicht die einzige Gruppe, die diesen Weg geht und der Austausch hilft einen klaren Kopf zu behalten.

    Seit einem Jahr campiert ihr an der Kreuzung. Haben sich der lange Winter und die Beschwichtigungsversuche der Politik bemerkbar gemacht?

    In der Kerngruppe sind wir geschlossen geblieben, wir sind eine starke Gemeinschaft. Während des Ramadans sind wir etwas ausgedünnt, weil die Hälfte von uns gefastet hat. Aber nein, alle sind sehr stolz auf das, was bisher erreicht wurde. Es ist vielleicht eher so, dass bei den Unterstützermilieus über den langen Winter das Interesse etwas nachgelassen hat. So nach dem Motto: Das ist nichts Neues, die sind ja auch nächste Woche da und so. Aber insgesamt sind wir trotzdem sogar gewachsen.

    Wie schätzt du die gegenwärtigen Entwicklungen und eure Perspektiven ein?

    Sandy leitet die Frage an Mehmet Kavlak weiter, einen neben uns sitzenden jungen Mann.
    Mehmet: Bis jetzt sehe ich die Entwicklung positiv. Es liegt an uns, je mehr wir werden, desto besser sind unsere Aussichten. Wenn man positiv auf etwas guckt, dann kommt etwas Gutes dabei heraus. Und wir haben jetzt sogar eine Jugendgruppe gegründet.

    Gibt es Netzwerke und Kooperationen mit anderen Mieterinitiativen in Berlin und andernorts? Etwa mit Aktivist_innen der spanischen Bewegung gegen Zwangsräumungen (PAH)?[i]

    Wir arbeiten mit vielen Berliner Mieterinitiativen zusammen. Es gibt auch internationale Kontakte, so auch zur spanischen Bewegung gegen Zwangsräumungen. Die Spanier haben hier auch schon eine Veranstaltung gemacht. Die Zusammenarbeit hat sich aber immer durch persönliche Kontakte ergeben. Vor kurzem haben wir auch eine Solidaritätsaktion für die Zwangsgeräumten in Spanien vor der spanischen Botschaft in Berlin unterstützt.

    Was habt ihr bisher schon erreicht?

    Wir haben zum einen sicher Öffentlichkeit für unsere Probleme geschaffen und die Nachbarschaft gestärkt. Aber ich denke, dass etwas anderes entscheidend ist. Nämlich die Organisierung der Menschen, die aus unterschiedlichen Gründen bisher meist passiv geblieben sind. Das ist eine große Ermächtigung, die hier stattfindet. Kotti & Co ist eine kleine feine Ermächtigungsmaschine.
    Viele Menschen, die bisher oft geschwiegen haben oder keine Stimme hatten, eignen sich an, wie die Stadt, wie die Gesellschaft mit ihren unterschiedlichen Institutionen und Interessengruppen, funktioniert. Wir lernen natürlich auch Demonstrationen und Veranstaltungen zu organisieren, Flugblätter zu verteilen. Es ist eine Aneignung des politischen Raums, die auch das Selbstwertgefühl steigert.

    Anmerkung: Dieser Beitrag ist auch in der Printausgabe der Zeitschrift „analyse & kritik“ vom 17.05.13 veröffentlicht worden

    Webseite von Kotti & Co:

    www.kottico.net

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