• Der Sozialismus und die Seele des Menschen
    https://de.wikisource.org/wiki/Der_Sozialismus_und_die_Seele_des_Menschen

    Der grösste Nutzen, den die Einführung des Sozialismus brächte, liegt ohne Zweifel darin, dass der Sozialismus uns von der schmutzigen Notwendigkeit, für andere zu leben, befreite, die beim jetzigen Stand der Dinge so schwer auf fast allen Menschen lastet. Es entgeht ihr in der Tat fast niemand.

    The Fortnightly Review/Volume 49/The Soul of Man Under Socialism
    https://en.wikisource.org/wiki/The_Fortnightly_Review/Volume_49/The_Soul_of_Man_Under_Socialism

    Vol. 49 (Old Series: Volume 55), No. 290, February 1891, pp. 292-319

    The chief advantage that would result from the establishment of Socialism is, undoubtedly, the fact that Socialism would relieve us from that sordid necessity of living for others which, in the present condition of things, presses so hardly upon almost everybody. In fact, scarcely any one at all escapes.

    Man or the State?/The Soul of Man Under Socialism
    https://en.wikisource.org/wiki/Man_or_the_State%3F/The_Soul_of_Man_Under_Socialism

    Man or the State?/The Soul of Man Under Socialism - Wikisource, the free online library
    https://en.wikisource.org/wiki/Man_or_the_State%3F/The_Soul_of_Man_Under_Socialism

    in Man or the State? (pp. 118−141), (ed.) by Waldo Ralph Browne, New York: B. W. Huebsch (1919)

    Socialism, Communism, or whatever one chooses to call it, by converting private property into public wealth, and substituting co-operation for competition, will restore society to its proper condition of a thoroughly healthy organism, and insure the material well-being of each member of the community. It will, in fact, give Life its proper basis and its proper environment. But, for the full development of Life to its highest mode of perfection, something more is needed. What is needed is Individualism.

    #anarchisme #socialisme #lettres

  • Die Entmenschlichung der Juliette Martens in Klaus Manns Roman «Mephisto». Eine Buchkritik nach 81 Jahren
    https://web.archive.org/web/20190117171618/https://www.huffingtonpost.de/john-eichler/die-entmenschlichung-der-juliette-martens_b_18658592.html

    2.12.2017 von John Eichler - Juliette Martens ist die erste afrodeutsche Romanfigur in der deutschen Literatur; erschaffen 1936 von Klaus Mann in seinem Schlüsselroman Mephisto 2, der, um das gleich vorab zu sagen, schon immer - nur nicht deshalb, sondern trotzdem - zu meinen persönlichen Favoriten gehörte.

    Ami: „Hast du Karin Boyd in István Szabós Film «Mephisto» gesehen?"

    Issa: „Ja, Juliette Martens, die schwarze Geliebte. Ich fand die Tanzszene im Film eklig. Sie war übrigens die erste Afrodeutsche in der deutschen Literatur. Im Buch von Klaus Mann ist sie noch viel vulgärer, fast wie ein Tier, beschrieben und außerdem nur eine Metapher für die schwulen Neigungen der historischen Vorlage des Protagonisten. Darauf muss man erst einmal kommen."

    Ami: „Wirklich? Da fühlt man sich ja fast doppelt missbraucht ..." 1

    Juliette Martens ist die erste afrodeutsche Romanfigur in der deutschen Literatur; erschaffen 1936 von Klaus Mann in seinem Schlüsselroman Mephisto2, der, um das gleich vorab zu sagen, schon immer - nur nicht deshalb, sondern trotzdem - zu meinen persönlichen Favoriten gehörte. Obwohl das gerade den besonderen Reiz des mit wunderbar leichter und spitzer, wenngleich etwas zu schneller Feder geschriebenen Romans ausmacht, hatte Mann sich stets mit Vehemenz, jedoch schwachen Argumenten gegen die Einordnung seines Werks als Schlüsselroman, also einer vom Leben abgeschriebenen, mit etwas Fiktion versehenen Geschichte, gewehrt. Aber selbst seine Anmerkung am Schluss («Alle Personen dieses Buches stellen Typen dar, nicht Portraits.»), die bereits damals von Freunden und Bekannten belächelt worden war, verhinderte nicht, dass sämtliche Figuren, quasi bis zur letzten Randfigur, in kürzester Zeit entschlüsselt werden konnten. Alle, bis auf eine ... Juliette Martens.

    Man vermutete Parallelen zu der Tänzerin Josephine Baker oder eine Replik auf die Eltern von Tonio Kröger in Thomas Manns gleichnamigem Roman. Schließlich enthüllte Klaus Manns Schwester Erika in einem erst 1981 aufgefundenen Brief 3, dass ihr Bruder bei der Figur der Juliette Martens von Andrea Manga Bell inspiriert worden sei, die das Geschwisterpaar als langjährige Freundin des Schriftstellers Joseph Roth gekannt hatte.

    Die Behauptung von Erika Mann blieb jedoch rätselhaft. Denn Manga Bell hatte, bis auf den Umstand, dass sie nicht weiß, sondern afrodeutsch war, weder äußerlich noch von ihrer Herkunft oder ihrem Lebensweg her irgendwelche Gemeinsamkeiten mit Manns vulgär-animalischer Hure Juliette Martens, die vielmehr ein rein fiktiver Fremdkörper in dem Schlüsselroman war und nichts mit den realen, der Handlung zugrunde liegenden Ereignissen zu tun hatte, sondern Mann lediglich als eine Metapher für die schwulen Neigungen des von ihm zugleich gehassten und geliebten Gustaf Gründgens (der realen Vorlage für die Hauptfigur des Romans Hendrik Höfgens) diente, mit dem seine lesbische Schwester Erika pro forma kurzzeitig verheiratet war und Mann selbst wohl eine intensive emotionale Beziehung unterhalten hatte. Es läge vor diesem Hintergrund nicht fern, die Figur der Juliette Martens und insbesondere ihr dominantes sexuelles Verhältnis zu Hendrik Höfgen als Kompensation für Manns eigene auffällige Abwesenheit im Roman zu erachten; versteckt er sich doch ansonsten lediglich in einer Randfigur. Bei Juliette Martens hingegen lässt Mann seiner insofern nahezu ausnahmslos boshaften Fantasie völlig freien Lauf.

    Weshalb Erika Mann dennoch Manga Bell als Referenz für die Figur der Juliette Martens benannte, blieb ihr Geheimnis. Wenn es so war, wie sie behauptete; warum hatte sie nicht einfach geschwiegen, um der ihr bekannten Manga Bell diese quasioffizielle Herabwürdigung aus der Feder von Deutschlands angesehenster Literatenfamilie zu ersparen?

    Andrea Manga Bell (1902-1985) was the daughter of afro-Cuban classical pianist and composer José Manuel Jiménez-Berroa (1851-1917) and his German wife. They lived in Hamburg. She was the first wife of Alexandre Douala Manga Bell, later King of the Douala people (Cameroon) pic.twitter.com/xzPEHjKfNc
    — John-E Matip Eichler (@John_Eichler) November 29, 2017

    Über das Verhältnis der Mann-Geschwister, Erika und Klaus, zu Manga Bell, und ob es ein solches überhaupt gab, ist nichts bekannt; lediglich, dass sie sich kannten. Bloße Indifferenz gegenüber Manga Bell als Erklärung für das Outing erscheint angesichts der herabwürdigenden, größtenteils tierhaften Darstellung von Juliette Martens wenig plausibel; bei Erika Mann selbst wie auch bei ihrem Bruder, der als Autor all seine schriftstellerischen Fähigkeiten aufgebracht hatte, um seine afrodeutsche Romanfigur zu entmenschlichen, aus ihr einen Affen zu machen; und zwar im wörtlichen Sinne.

    «Wenn sie grinsend kaut und sich dazwischen behaglich am Hinterkopf kratzt, sieht sie einem großen Affen zum Verwechseln ähnlich.» [Seite 204; s. Anm. 2]

    Ursprünglich war es der Schriftsteller Hermann Kesten gewesen, der Mann im Amsterdamer Exil vorgeschlagen hatte, einen Roman über einen im Geheimen schwulen Karrieristen des dritten Reichs zu schreiben. Mann hatte zunächst gezögert, bis ihn der Verleger Fritz H. Landshoff mit einem Brief doch überzeugen konnte:

    «Ich finde - trotz allem den Kestenschen Vorschlag gut. Lass den Mann nicht schwul sein - es muss ja kein Gründgens werden - sondern irgendein «Karrierist»; das gäbe einen guten Zeitroman.» 4

    So ersetzte Mann die verbotene sexuelle Ausrichtung mit dem, was - seit 1935 gleichfalls untersagt - als „Rassenschande" bezeichnet worden war und entwickelte, vom Konflikt mit der offenen Inklusion seiner eigenen Homosexualität befreit (wobei das aus seiner Sicht, ähnlich wie im Stefan-George-Kreis, wohl keinen Makel, sondern im Gegenteil eher eine elitäre Erhöhung dargestellt hätte), die Nebenfigur der afrodeutschen Juliette Martens - Hure und Geliebte des (jetzt heterosexuellen) Karrieristen Hendrik Höfgen.

    Wunderbar möchte man meinen. Vor allem beim Gedanken an die meisterliche, Oscar-prämierte Verfilmung von István Szabó aus dem Jahr 1981; mit der wunderbaren und -schönen Karin Boyd in der Rolle der Juliette Martens, mit Klaus Maria Brandauer als Hendrik Höfgen sowie Rolf Hoppe als Ministerpräsident (Hermann Göring).

    Karin Boyd als ’Juliette Martens’ in der meisterlichen, Oscar-prämierten Verfilmung des Klaus-Mann-Romans ’Mephisto’ von István Szabó aus dem Jahr 1981 mit Klaus Maria Brandauer als ’Hendrik Höfgens’ und Rolf Hoppe als ’Ministerpräsident’ (Hermann Göring) https://t.co/55TWWaV2DSpic.twitter.com/Xba7iyBMaa
    — John-E Matip Eichler (@John_Eichler) November 28, 2017

    Doch die Juliette Martens Szabós hatte bis auf die Handlung rein gar nichts mit Manns Romanfigur zu tun; wie diese wiederum keinerlei Bezug zu der von Erika Mann ins Spiel gebrachten angeblichen realen Vorlage, Manga Bell, hatte. Ohne Szabós Film und Boyds Interpretation der Juliette Martens zuvor gesehen zu haben, hätte ich Manns Roman aber spätestens im zweiten Kapitel zur Seite gelegt (oder in den Müll geschmissen) und mir seine fantasiereichen Auslassungen mit all den Boshaftigkeiten erspart, die bei jedem Rassisten zu Schenkelklopfern geführt haben müssen. Und ohne den Verweis von Erika Mann auf Manga Bell wäre dieser Text, der als eine Verteidigung Letzterer zu verstehen ist, niemals entstanden, sondern Klaus Manns Juliette Martens hätte meinetwegen das bleiben können, was sie letztlich war ... eine dieser wüsten exotisch-erotischen Fantasien.

    War es der Zeitgeist in dieser kolonialen Endphase Europas, der Klaus Mann animierte und seine sicher progressive Leserschaft keinen Anstoß an der Entmenschlichung der Romanfigur Juliette Martens nehmen ließ ... auch nicht Jahrzehnte nach der ersten Veröffentlichung 1936 ... im Grunde bis heute nicht?

    «Negerin war sie nur von der Mutter her - ihr Vater war ein Hamburger Ingenieur gewesen -; aber die dunkle Rasse hatte sich stärker erwiesen als die helle (...) Die Farbe ihrer rauhen, stellenweise etwas rissigen Haut war dunkelbraun, an manchen Partien - zum Beispiel auf der niedrigen, gewölbten Stirne und auf den schmalen, sehnigen Handrücken - fast schwarz. (...) über den starken, brutal geformten Backenknochen lag das künstliche Hellrot wie ein hektischer Schimmer. (...) Hingegen hatte sie den wulstigen Lippen die natürliche Farbe gelassen. (...) In ihrem Gesicht, das von den blitzenden Zähnen beherrscht war, bemerkte man zunächst gar nicht die Nase; wie flach und eingedrückt sie war, erkannte man erst bei genauerem Hinschauen. Diese Nase schien in der Tat so gut wie nicht vorhanden; sie wirkte nicht wie eine Erhöhung inmitten der wüsten und auf schlimme Art attraktiven Maske; eher wie eine Vertiefung. Für Juliettes höchst barbarisches Haupt hätte man sich als Hintergrund eine Urwaldlandschaft gewünscht (...) Es war keineswegs die krause schwarze Mähne, die man zu dieser Stirne, diesen Lippen passend gefunden hätte (...)» [Seiten 70f.]

    «(...) so war ihre verstorbene Mutter (...) von rein fürstlichem Blute gewesen: Tochter eines (...) von seinen Feinden verspeisten Negerkönigs.» [Seite 72]

    «Wenn sie grinsend kaut und sich dazwischen behaglich am Hinterkopf kratzt, sieht sie einem großen Affen zum Verwechseln ähnlich.» [Seite 204]

    «Auf ihrer niedrigen Stirne, die zu zwei kleinen Buckeln gewölbt war, lag drohender Ernst.» [Seite 282]

    Manga Bell, die vermeintliche reale Vorlage für die Romanfigur Juliette Martens, wurde als Andrea Mina Emma Jiménez-Berroa am 27. Januar 1902 in Hamburg geboren und wuchs dort auf. Ihr Vater war der afro-kubanische klassische Pianist und Komponist José Manuel Jiménez-Berroa (1855-1917), Sohn von José Julián Jiménez (1833-1890), der 1849 am Konservatorium Leipzig (heute: Hochschule für Musik und Theater „Felix Mendelssohn Bartholdy") Violine, Klavier und Komposition studiert hatte und anschließend für einige Zeit Mitglied des Leipziger Gewandhausorchesters gewesen war. Im Alter von achtzehn Jahren hatte auch Jiménez-Berroa 1869 begonnen, wie zwanzig Jahre zuvor sein Vater, am Konservatorium in Leipzig Piano bei Ignaz Moscheles, einem Freund Felix Mendelssohn Bartholdys, und Komposition bei Carl Reinicke, dem Leiter des Leipziger Gewandhausorchesters, zu studieren. Nach weiteren Studien in Paris und einer zwischenzeitlichen Rückkehr nach Kuba ließ er sich schließlich in Hamburg nieder und heiratete. Gemeinsam mit Manga Bells deutscher Mutter Emma Mina (geb. Filter) hatte Jiménez-Berroa neben Andrea zwei weitere Kinder (Manuela und Adolpho). Der Vater verstarb 1917.

    José Manuel Jiménez-Berroa (1851-1917), afro-Cuban classical pianist and composer. At age 18 he came to Europa, studied in Leipzig and Paris, lived later in Hamburg with his wife Emma Mina (Filter) and his three children Manuela, Adolpho and Andrea. https://t.co/7K7OTyGn1lpic.twitter.com/EDjTKE7Mvg
    — John-E Matip Eichler (@John_Eichler) November 28, 2017

    Kurz nach dem ersten Weltkrieg im Alter von siebzehn Jahren lernte Andrea den fünf Jahre älteren Alexandre Douala Manga Bell kennen, der zu dieser Zeit Medizin in Kiel studierte. Dessen Vater Rudolf Duala Manga Bell war König der Douala, einer Volksgruppe in der damaligen deutschen Kolonie Kamerun, gewesen, aber 1914 von den Deutschen wegen vermeintlichen Hochverrats erhängt worden. Alexandre, der bereits 1901 im Alter von vier Jahren nach Deutschland gekommen war und am Kaiserhof eine klassisch preußische Erziehung genossen hatte, sprach Deutsch, Französisch, Englisch, Spanisch und Russisch, wie auch Lateinisch, Altgriechisch und Hebräisch. Nach einer umfassenden militärischen Ausbildung, im Rahmen derer er wegen „Rassenfragen" einmal mit Pistole und das andere Mal mit dem Säbel zwei Soldaten im Duell getötet hatte, war er Offizier des Ulmer Ulanen-Regiments gewesen und hatte im ersten Weltkrieg trotz der Exekution seines Vaters freiwillig für Deutschland gekämpft. Nach Kriegsende fiel ihm als erstgeborenem Sohn seines Vaters in Kamerun, das seit 1916 keine deutsche Kolonie, sondern ein dem Völkerbund unterstelltes französisches und britisches Mandatsgebiet war, eine besondere Bedeutung in den kolonialen Planungen Frankreichs zu.

    Das junge Paar lebte nach der Hochzeit 1920, Andrea trug nun den Namen ihres Mannes Manga Bell, in Frankreich, wo die beiden Kinder, José-Emmanuel und Andrea, geboren wurden. Die Ehe zerbrach schnell; wurde aber nie geschieden.

    Andrea Manga Bell kehrte mit ihren Kindern, die dann bei der verwitweten deutschen Großmutter in Hamburg lebten, nach Deutschland zurück und arbeitete in Berlin u.a. als Redakteurin für die Kunstzeitschrift Gebrauchsgraphik, wo sie Ende der 1920er Jahre den österreichisch-jüdischen Journalisten und Schriftsteller Joseph Roth kennenlernte, mit dem sie 1933 ins Ausland emigrierte und später u.a. in Nizza gemeinsam mit den beiden Kindern lebte. Die familiäre Verantwortung überforderte Roth vor allem in finanzieller Hinsicht, worüber er sich im Freundes- und Bekanntenkreis regelmäßig beschwerte. Von der Tochter Andrea Manga Bell, später verheiratete Andrea Rebuffé, ist Roths Aussage überliefert:

    «Ich muss einen Negerstamm von neun Personen ernähren!» 5

    Die Beziehung endete 1936; Roth starb alkoholkrank drei Jahre später in Paris. Von da an war Manga Bell mit ihren Kindern auf sich allein gestellt.

    Alexandre Douala Manga Bell (1897-1966), Sohn des Douala-Königs Rudolf kam mit 4 Jahren nach Deutschland und erhielt eine klassisch preußische Erziehung am Kaiserhof. Nach dem 1. WK studierte er in Kiel Medizin. Später war er Abgeordneter im Parlament der 4. Französischen Republik pic.twitter.com/OiJzXMjbrF
    — John-E Matip Eichler (@John_Eichler) November 28, 2017

    Manga Bells Ehemann Alexandre, der in dieser Zeit kaum Unterhalt zahlte, musste lange Zeit um sein Erbe und seine Position in Kamerun vor französischen Gerichten kämpfen. Seine persönliche Situation verbesserte sich nach dem Ende des zweiten Weltkriegs wesentlich. Denn er war, unter Mitwirkung Frankreichs, zu einem der beiden Vertreter Kameruns als Abgeordneter ins französische Parlament der Vierten Republik gewählt worden. Das Verhältnis zu seiner Ehefrau und ihren Kindern blieb gleichwohl zeitlebens gestört und gipfelte, einer griechischen Tragödie gleichend, darin, dass Alexandre seinen Sohn und offiziellen Nachfolger José-Emmanuel, der ihn in Kamerun besucht hatte, am 15. September 1947 im Prinzenpark von Bali, einem Stadtteil von Douala, eigenhändig erschoss. Hintergrund dieser niemals aufgeklärten Tat waren höchstwahrscheinlich Fragen der Erbfolge gewesen. Bereits bei seinem Vater Rudolf Duala Manga Bell hatte es mehr als zwei Jahre gedauert, bis er als Oberhaupt von seiner Volksgruppe anerkannt worden war. Und bei Alexandre kam hinzu, dass Gerüchte kursierten, er sei während der Zeit der deutschen Besetzung Frankreichs ein Unterstützer von Pétain und des Vichy-Regimes gewesen, was in der Nachkriegsfrankophonie mit Hochverrat gleichzusetzen gewesen wäre. Jedoch waren die Prioritäten im zusammenbrechenden französischen Kolonialreich andere, weshalb Alexandre Douala Manga Bell seinen Abgeordnetensitz nicht verlor und während der gesamten Dauer der Vierten Republik bis 1958 im französischen Parlament verblieb.

    Andrea Manga Bell kam niemals über den Verlust ihres Sohnes hinweg, versuchte über Jahre, ihren Ehemann zur Rechenschaft zu ziehen und beging später den Fehler, dem Spiegel ein Interview zu geben, der bzw. dessen Autor dann in dem Artikel «Weißer Mann immer schlecht» vom 24. August 1950 6, wie zuvor Klaus Mann mit seiner Romanfigur Juliette Martens, nichts unversucht ließ, sie erneut zynischer Lächerlichkeit preiszugeben:

    «Den letzten Knick bekam ihr lädiertes Königinnen-Dasein vor einigen Monaten, als zwei Gewehrkugeln aus Manga Bells Scharfschützengewehr ihren Lieblingssohn töteten. Leise tröpfelte von ihren faltigen Lippen die ganze Unglücksgeschichte.»

    «Nach Rudolf Bells Strangulierung am 8. August 1914 hatte es sich ausgebellt.»

    «An der europäischen Zivilisation indessen stießen sich Andreas Kinder bei ihrer Großmutter in Hamburg.»

    «Das Buschmannsblut war oft stärker als die zivilisatorische Tünche.»

    Es ist beklemmend, in diesen Dokumenten nach Angaben zu suchen und dabei den Ungeist ertragen zu müssen, um eine Geschichte von der entwürdigenden Perzeption zu befreien, die schlicht so lautete:

    Andrea Manga Bell war eine berufstätige alleinerziehende afrodeutsche Frau. Ihre Mutter war Ostfriesin und ihr Vater afro-kubanischer klassischer Pianist und Komponist. Andrea wuchs mit ihren beiden Geschwistern in Hamburg auf, führte ein kurze unglückliche Ehe in Frankreich, kehrte nach Deutschland zurück, um dann wegen der Machtergreifung der Nazis endgültig zu emigrieren. Sie brachte ihre Kinder durch die Wirren der Nazizeit und des zweiten Weltkrieges, verlor kurz danach jedoch ihren Sohn José-Emmanuel auf tragische Weise. Am 10. Oktober 1985 starb sie im Alter von 83 Jahren in Paris.

    _______

    1 Dialog aus dem Roman «Verbotenes Land», John Eichler, ISBN: 978-3-9819325-0-8 | 2 Alle nachfolgenden [Seitenangaben] der Buchzitate beziehen sich auf: Klaus Mann, Mephisto. Roman einer Karriere, Rowohlt-Taschenbuch 11. Auflage (2006), ISBN: 978-3499227487 | 3 Vgl. Eberhard Spangenberg, Karriere eines Romans - Mephisto, Klaus Mann und Gustaf Gründgens / Ein dokumentarischer Bericht aus Deutschland und dem Exil 1925-1981 (1982), Seite 108 | 4 Unveröffentlichter Brief von Fritz H. Landshoff an Klaus Mann vom 28.11.1935, Handschriftensammlung der Monacensia, Stadtbibliothek München | 5 David Bronsen, Joseph Roth. Eine Biographie, 1. Auflage (1974), Seite 466 | 6 Der Spiegel, Artikel «Weißer Mann immer schlecht» vom 24. August 1950, Seiten 19-22

    #Allemagne #France #Cameroun #histoire #journalisme #lettres

  • Weißer Mann immer schlecht
    https://www.spiegel.de/politik/weisser-mann-immer-schlecht-a-f8ca9ce2-0002-0001-0000-000044449496
    Cet article est un exemple pour l’écriture nazie dans le contexte de la revue Der Spiegel. Son éditeur revendiquait pour sa publication le titre honorifique « Sturmgeschütz der Demokratie » (canon d’assaut de la démocratie) mais un bon nombre de ses journalistes étaient d’anciens nazis. L’auteur inconnu raconte sur un ton présomtueux l’histoire de l’épouse du roi du #Cameroun Andrea Manga Bell.

    https://de.wikipedia.org/wiki/Andrea_Manga_Bell

    23.8.1950, aus DER SPIEGEL 34/1950

    Andrea Manga Bell, ins proletarische Elend gesunkene braune Königin von Duala, bemüht in Paris jede Woche erneut die Gerichte, um den Mörder ihres Sohnes Manga Manga Bell vor den Kadi zu bringen.

    Zum Mörder wurde ihr ehelich angetrauter Königsgatte Manga Bell, Erzeuger des José Emanuel Manga Manga, heute Abgeordneter der französischen Nationalversammlung und UN-Delegierter für Kamerun. Verstoßene Königin Andrea, in Hamburg geborene Jeminez, Tochter eines Mulatten aus Kuba und einer deutschen Mutter, lebt seit 30 Jahren von ihm getrennt. Die exotische Mischehe hielt nicht, obwohl sie ein Geistlicher in Hamburg 1920 würdevoll eingesegnet hat.

    Den letzten Knick bekam ihr lädiertes Königinnen-Dasein vor einigen Monaten, als zwei Gewehrkugeln aus Manga Bells Scharfschützengewehr ihren Lieblingssohn töteten. Leise tröpfelte von ihren faltigen Lippen die ganze Unglücksgeschichte.

    1919 war der heutige UN-Delegierte Manga Bell zum erstenmal ins bürgerliche Jeminezhaus in Hamburg geschneit. Onkel Adolpho Jeminez, der heute in Hamburgs Sierichstraße mit Kakao handelt, erinnert sich noch dunkel daran, wie der schwarze Kavalier mit guten Manieren seine Aufwartung machte. Der Dualafürst hatte nach Kriegsende sein Medizinstudium in Kiel wieder aufgenommen und machte nun der braunen Schönheit Andrea die Cour.

    »Wie ich später erfuhr, hatte er einen Empfehlungsbrief gefälscht, um in unsere Familie einzudringen und mit mir Bekanntschaft zu machen«, weiß Andrea heute. Die guten Manieren hatte er vor dem Krieg auf der Fürstenschule in Putbus auf Rügen gelernt, wo er zusammen mit Söhnen anderer gekrönter Häupter auf hoffähigen Benimm gedrillt wurde. Sein Debut gab Manga Bell bereits 1904 bei Hof, wo ihn Wilhelms II. Hofdamen verzärtelten. Der »Simplizissimus« widmete dem Negerlein eine ganze Nummer.

    Das war zu Beginn der deutschen Kolonialpolitik in Afrika, zwei Jahrzehnte nachdem Gustav Nachtigal, damals Generalkonsul in Tunis, auf dem deutschen Kanonenboot »Möve« nach Kamerun gestartet war - im Konkurrenzkampf mit den Engländern, die schon an mehreren Küstenplätzen Westafrikas den Union-Jack aufgepflanzt hatten.

    Am 12. Juli 1884 landete Gustav Nachtigal mit Staatsrechtler Dr. Buchner in Bimbra, wo Handelspionier C. Woermann bereits eine Faktorei eingerichtet hatte. Dort beugte sich Oberhäuptling King Bell, Großvater des UN-Delegierten Manga Bell, samt seinen 600 Frauen, 998 Kindern und 15000 wehrhaften Dualas unter die deutsche Oberhoheit, die ihm Gustav Nachtigal angetragen hatte.

    Sein Thronfolgersohn Rudolf Bell wurde Rebell. Der deutsche Gouverneur von Kamerun ließ ihn 1914 am Hanfstrick aufhängen, weil er eine Verschwörung angezettelt hatte. Er hatte eine Geheimbotschaft an den »Großen Graslandhäuptling« Njoja von Banum gesandt und ihn aufgefordert, die deutsche Kolonialherrschaft abzuschütteln.

    Nach Rudolf Bells Strangulierung am 8. August 1914 hatte es sich ausgebellt. Die trauernde Witwe tröstete der Gouverneur: »Wer sich wohlverhält, braucht sich nicht zu fürchten.«

    Wohlverhielt sich der zu dieser Zeit in Deutschland studierende Sohn des Aufrührers, Manga Bell. Er ließ sich von deutschen Unteroffizieren auf dem Kasernenhof der Rendsburger Ulanen das Laden und Sichern beibringen und kämpfte als Kriegsfreiwilliger treu für Kaiser und Reich. Seine Heimat am 8 km breiten Wurifluß hatten Ende September schon die Engländer besetzt. Nach Versailles kamen Wuri und Dualas unter die französische Kolonialherrschaft.

    Aber die Franzosen legten großen Wert darauf, zur Befriedung des unruhigen schwarzen Stammes Manga Bell wenigstens der Form nach in die Rechte eines »Königs von Duala« einzusetzen, obwohl Manga Bell auf der deutschen Seite gekämpft hatte.

    So bekam denn der schwarze Medizin-Student, kurz nachdem die 17jährige Andrea Jeminez seinem stürmischen Liebeswerben nachgegeben und in die Ehe eingewilligt hatte, eines Tages vom Pariser Kolonialministerium die offizielle Offerte, nach Frankreich zu kommen und seine Dualas regieren zu helfen.

    »Nach unserer Reise nach Paris wohnten wir zunächst in Sèvres, wo ich am 11. Januar 1920 José Emanuel Manga Manga das Leben schenkte«, erzählt die verstoßene Andrea. »Der Junge wurde fortan als künftiger Thronfolger Manga Manga genannt. Ein Jahr später folgte ein Töchterlein, das, wie ich selbst, Andrea getauft wurde. Wir nannten es aber im Familienkreis Tüke. Kaum war meine Tochter auf die Welt gekommen, als mich mein Gatte verließ und nach Kamerun fuhr, wo er den größten Teil seiner Erbschaft den neuen Herren des Protektorates verpfändete, um die Mittel zu haben, sein schon in Paris begonnenes ausschweifendes Leben mit anderen Frauen, schwarzen und weißen, fortzusetzen.

    »Ich aber hatte oft nicht das Geld, um meinen Kindern Milch zu kaufen. Der Königin-Traum war eine Farce - ich konnte diese Illusion höchstens auf der Bühne dann und wann fortsetzen - als Schauspielerin. Angeborene und fortgebildete künstlerische Talente verschafften mir Brot. Nicht nur auf der Bühne, sondern auch in Reklamebüros. Zeitweise war ich eine gefragte Gebrauchsgraphikerin. Dann lernte ich den in Paris lebenden Schriftsteller Joseph Roth kennen und wurde seine Sekretärin und Begleiterin.«

    Roth, der, wie sein großes Idol Heinrich Heine, Esprit mit Sarkasmus verband, hat der Mulattin offenbar sehr nahe gestanden. Acht Jahre war sie seine Gefährtin und tippte ihm das Maschinenskript seines zwielichtigen Romans »Hiob«, die Schicksalsgeschichte einer jüdischen Familie bei ihrem Zusammentreffen mit der amerikanischen Zivilisation.

    An der europäischen Zivilisation indessen stießen sich Andreas Kinder bei ihrer Großmutter in Hamburg. Dorthin hatte Andrea den Manga Manga und Tüke gebracht, als sie Roth auf Reisen nach Nizza und anderen Orten der Cête d’azur begleitete. Die beiden Sprößlinge des Afrikaners machten es der alten Frau nicht leicht. Ihretwegen mußte sie in die Außenbezirke am Glindweg ziehen, aber auch dort pflegten José und Tüke die Reste ihrer Mahlzeit ohne besondere Umstände geradewegs aus dem Fenster zu werfen.

    Das Buschmannsblut war oft stärker als die zivilisatorische Tünche. Großmutter Jeminez prügelte sie den mehr schwarzen als braunen Enkeln immer wieder ein. Noch heute erinnert sich Tüke, daß die jähzornige Grandmère sie mit dem ersten besten Gegenstand verbläute - sogar mehrmals mit dem auf dem Tisch liegenden Schwarzbrot.

    Aber in der Schule waren die beiden Rangen sehr aufgeweckt und wissensdurstig. Manga Manga besuchte die von der Hamburger Universität aufgezogene Fortschrittsschule »Thielo-Süd«, auf der außer Fremdsprachen auch Schach- und Schauspiel-Unterricht gegeben wurde. Nach der Art der sowjetischen Musterschulen gab es hier keinen festen Lehrplan, keine Zeugnisse, kein Sitzenbleiben. Die Lehrer wurden von den Schülern geduzt. Der gesamte Unterricht wurde frei gestaltet.

    »Hier in einer Klasse zusammen mit Manga Manga wurde ich Zeuge seiner verblüffenden Intelligenz und seiner spielenden Auffassungsgabe. Groß war sein schauspielerisches Talent in Schüleraufführungen wie Erich Kästners: ’Emil und die Detektive’«, attestiert noch heute ein Mitschüler und Freund des verblichenen Duala-Prinzen.

    Beim »Nerother Wandervogel« waren Manga Manga und seinesgleichen gut aufgehoben. Hamburger Jugendführer Werner Hellwig, Mitglied der Landstreicherorganisation »Toddy« und Schriftsteller (Bücher: »Im Dickicht des Pelion«, »Raubfische in Hellas« u.a.m.), brachte die beiden Königskinder dann bei Bürgersleuten unter, als die alte Großmutter nur noch prügelte.

    Die bündische Jugendgruppe ersetzte ihnen oft Vater und Mutter. Oberste Wandervögel waren die Gebrüder Robert und Karl Olbermann. Karl hatte ein Holzbein, mit dem er sich sogar bis ins Vorgebirge des Kaukasus wagte.

    Andrea aber wagte sich nur selten nach Hause zu ihrer Mutter und zu den Kindern. Wenn sie einmal kam und Schriftsteller Roth sich selbst und der Trinkleidenschaft überließ, dann verfehlte sie nicht, vor allem Manga Manga darauf aufmerksam zu machen, wie schändlich sein Vater an ihnen allen handele.

    Der schwarze Gentleman war mehr am Montmartre als in Bimbra am Wuri-Fluß, schickte keinen Unterhaltspfennig, weigerte sich aber auch, in die Scheidung einzuwilligen, falls Frau Andrea ihm nicht vorher beide Kinder freiwillig überlasse.

    Die Anklagen der Mutter fraßen sich fest in den Kinderseelen, vor allem bei dem Jungen. Sie verhärteten sich in ihm zu einem Komplex der Abneigung gegen seinen leiblichen Vater, den er mit Bewußtsein nie kennengelernt hatte, von dem er nur immer hörte, daß er ein Unmensch, Ladykiller, Herumtreiber und Saufaus sei. »Ich stelle ihn mir immer wie einen rucksacktragenden Affen vor«, sagte er einmal zu seinen Freunden vom Wandervogel.

    Er mußte sie und das altvertraute Hamburg verlassen, als Andrea (die Kinder sagten nie Mutter zu ihr, sondern nannten sie immer nur mit Vornamen) gleich nach Neujahr 1933 aus Josef Roths Schweizer Bungalo drahtete: »Sofort abreisen!« Dann folgten Treffpunkt, Verabredung und Geld.

    In kluger Witterung der mit dem bevorstehenden NS-Regime ausbrechenden Rassenverfolgung holte die Mutter ihre Kinder zu sich und verließ bald darauf den inzwischen völlig dem Alkoholexzeß verfallenen Literaten Roth. Es sei schließlich so schlimm mit ihm gewesen, daß er trotz seiner jüdischen Herkunft »Antisemit« geworden sei und nur noch mit Aristokraten und Nationalisten verkehren wollte. Mit 44 Jahren starb der begabte Autor des Romans »Radetzky-Marsch« an Delirium tremens.

    Andrea drückte ihm nicht die Augen zu. Sie hatte die Auflösung nicht mehr mit ansehen können, war mit ihren Kindern nach Paris gezogen und lebte dort in ärmlichsten Verhältnissen.

    Aus dem Nerother Wandervogel Manga Manga wurde bald ein vagabundierender Zugvogel. In einem Brief an seinen deutschen Freund schreibt er am 7. 9. 46 selbst über diese Zeit:

    »Mit 16 bin ich aus der Schule raus, und fast sofort fing ich an zu bummeln. Dabei arbeitete ich zeitweise in einer Fabrik. Dann machte ich nichts, überhaupt nichts, und daraus ist inzwischen ein großes Nichts geworden. Im Sommer 39 habe ich mich mit Andrea verzankt und habe sie und Tüke allein gelassen. Lebte erst bei einer Freundin, und als diese mit ihren Kindern nach Kriegsausbruch abgeschoben wurde, neun Monate mit einer anderen und arbeitete während dieser Zeit in einer Rüstungsfabrik.

    »Dann kamen die Deutschen, und ich flüchtete zusammen mit meinem Unternehmer nach Südfrankreich. Dort machte ich mich im Sommer 40 mit dem Fahrrad auf Tour. Es war sehr schön. Schließlich strandete ich an der Schweizer Grenze, wo ich den Winter über blieb und ging dann mit drei Freunden schwarz über die Grenze. Wir wollten versuchen, übers englische Konsulat nach England zu kommen. Leider klappte es nicht. Wir wurden ausgewiesen.

    »Wieder in Frankreich lebte ich in einem kleinen Hafen am Mittelmeer, wo dann unerwarteterweise mein Vater nach mir suchen ließ. Er war im Senegal, konnte anscheinend nicht nach Kamerun zurück, wo die Gaullisten waren.)

    ) Frau Andrea behauptet, daß Manga Bell während der deutschen Okkupation Pétain die Stange gehalten habe und vichytreu gewesen sei. Deshalb konnte und wollte er wohl auch nicht zu de Gaulle. »Ich lebte also eine Zeitlang mit meinem bis dahin mir unbekannten Vater mitten im Busch, wurde dann, als ganz Afrika mit den Angelsachsen stand, eingezogen und kam mit der französischen Armee wieder nach Frankreich. Bei meinem ersten Besuch bei Andrea und Tüke wurde ich krank. Blinddarm mit schwerer Bauchfell-Entzündung. Zurück blieb ein Abzeß auf der Lunge. Nach einem Jahr Krankenhaus desertierte ich dann. Da mein Vater aber als Deputierter (Du weißt doch, was das ist? Ungefähr Reichstagsabgeordneter) nach Paris kam, wurde die Sache beigelegt.

    »Mein Vater ist ziemlich reich, er häufte alles über mich und ließ mich bummeln, wie ich wollte. Bis ich jetzt in Davos im Sanatorium gelandet bin. Ich bin mit meinen 26 Jahren ein alter Verlebter - un viveur. Augenblicklich bin ich Prinz und lebe von meinem Vater und da sehe ich so richtig, von wem ich alle meine Fehler erbte ...

    »Als ich 33 Deutschland verließ, hatte ich alle Möglichkeiten vor mir. Ich habe sie nutzlos vertan. Vielleicht hätte ich doch ein bißchen länger von Grandmère in Hamburg erzogen werden müssen, wenn sie uns auch oft genug mit dem Kommißbrot verhauen hat. Erinnerst Du Dich an ihre Strenge? Sie ist 1940 - glaube ich - gestorben ...«

    Als der seinen Vater um drei Haupteslängen überragende Manga Manga, von vielen Mädchen geliebter Dauphin von Duala, endlich geheilt das Sanatorium Schatzalp bei Davos verlassen konnte, faßte er den festen Entschluß, seinen väterlichen Blutserbteil mit männlicher Selbstbeherrschung zu unterdrücken. Gesund und geläutert schloß er Mutter und Schwester in die Arme.

    Die beiden hatten inzwischen Schweres durchgemacht. Andrea wurde während des Krieges wegen ihrer Gestapo-bekannten Freundschaft zu Roth und anderen Emigranten vom SD gesucht. Sie tauchte in den Wäldern Nordfrankreichs unter, wo sie an einem Meiler arbeitete und Holzkohlen schwelte. Tüke war einige Monate als Offizierin in einem französischen Armeeverwaltungsstab gen Deutschland gezogen. Als sie dann nach Paris zurückkehrte, genoß sie die schönsten Tage ihres Lebens.

    »Ich gebe zu, daß mein Mann Manga Bell nicht ganz zurechnungsfähig ist,« urteilt Mutter Andrea heute über diese Tage. »Als er sich damals nach 25 Jahren zum ersten Male wieder bei uns sehen ließ, hat er ein Riesenfest veranstaltet - anläßlich der Hochzeit von Tüke. Zahlreiche Minister und Abgeordnete der MRP (Mouvement Républicain Populaire = Republikanische Volkspartei, der auch Robert Schuman und Georges Bidault angehören) nahmen daran teil, obwohl Tükes Gatte, Jaques Rebuffé, nur ein einfacher Mann ist.

    »Manga Bell ließ alle Gäste im Ueberfluß schwelgen. Allein der Empfang nach der Hochzeitszeremonie kostete 350000 Francs, die Fotos, die von dem jungen Paar gemacht wurden, 60000 Francs.

    »Während des Festessens sagte er zu mir, wir müßten wieder unsere Lebensgemeinschaft aufnehmen. Ich habe ihn ausgelacht. Mir imponieren weder sein Reichtum, noch seine drei großen Luxusautos. Jetzt hat er eine ältliche Senatorin zur Freundin, die nicht einmal die französische Orthographie beherrscht. Aber sie beherrscht ihn ...

    »Manga Bell ist nicht nur ein großer Lebemann, sondern auch ein hervorragender Reiter. Er renommiert oft mit seinem Vollbluthengst, auf dem er in die Bars hineinreitet. Tüke bekam eine fürstliche Mitgift von ihm. Davon gab sie ihrem Bruder 200000 Francs, um ihm einige Jahre später die verhängnisvolle Reise nach Duala zu ermöglichen ...«

    Bald nach der Ankunft des Erbprinzen in Duala krachten die tödlichen Schüsse aus dem väterlichen Gewehr. Manga hatte Manga Manga getötet. Die amtliche Nachrichtenagentur L’agence francaise meldete darüber in lakonischer Kürze:

    »Aus gut unterrichteter Quelle wird gemeldet, daß der Sohn des MRP-Deputierten aus Kamerun in der Nationalversammlung durch Gewehrschüsse getötet worden ist. Die Waffe war noch in den Händen des Vaters des Opfers. Man weiß nicht recht, ob es sich um einen Unglücksfall oder um einen Mord handelt.«

    »Es war ein Mord!« klagt die untröstliche Mutter Manga Bell an. »Ich fühle es, daß Manga Manga seinem Vater Vorhaltungen gemacht hat, weil er uns so schmählich behandelte. Bei seiner Abreise ließ er durchblicken, daß er manches mit ihm ins Reine bringen wolle. Als ich ihn bat, sein Vorhaben aufzugeben, hatte er nur eine verächtliche Geste: ’Hab keine Angst, es kann mir nichts geschehen, ich bin doch ein Sonntagskind.’ Nun ist er an einem Sonntag abgeknallt worden wie ein räudiger Schakal, von seinem eigenen Vater.

    »Bei Manga Bell saß immer das Schießeisen sehr locker. Schon in Deutschland hatte er zwei tödliche Duelle. Sein erstes Opfer war ein deutscher Hauptmann namens Kessler, den er wegen einer Rassenfrage forderte und der dann einem Bauchschuß erlegen ist. Den anderen hat er mit seinem Säbel zu Tode verletzt. Sein Gewehr trägt wie alle seine persönlichen Utensilien - von der Zigarettendose bis zur Unterhose - die Herrscherkrone über seinem Monogamm.«

    Die unglückliche Mutter fordert Sühne für den Tod ihres Sohnes, und auch das Rassemblement Démocratique Africain (linksgerichtete afrikanische Sammlungsbewegung) verlangte nach einem Gerichtsurteil und ließ Plakate drucken: »Maurice Thorez wurde von der Sitzung der Kammer ausgeschlossen, weil er einen jungen Burschen geohrfeigt hatte. Hingegen bleibt Manga Bell, der seinen Sohn kaltblütig ermordete, weiterhin Abgeordneter und Mitglied der MRP.!«

    »Die Erklärung dafür ist die, daß Frankreich unbedingt Ruhe in Kamerun braucht, Kamerun birgt reiche Schätze an Uran,« glaubt Andrea zu wissen. »Man will die Eingeborenen, die Manga Bell auf seiner Seite hat, nicht gerade jetzt aufrührerisch machen. Deshalb hat auch das Kolonial-Ministerium den Mord als Bagatelle behandelt.«

    Dennoch blieb er nicht der großen Sippe des alten King Bell, die heute in zahlreichen europäischen Ländern verstreut lebt, verborgen, auch die in der deutschen Diaspora lebenden Nachkommen der 600 Bell-Frauen, bekamen Witterung von dem Prinzenmord. Sie sind auf Manga Bell nicht gut zu sprechen, weil er die Schätze der alten Heimat am Wuri restlos den Weißen auslieferte, um sich ein vergnügtes Leben zu machen, während sie sich in der Fremde durchschlagen müssen.

    So auch Mangas Vetter Tom Bell. Musikstar der Westberliner »Pinguin«-Bar (siehe Titel), die zur Zeit auf Westerland gastiert. Nach Mitternacht, wenn keiner der sambamüden Badegäste ein Bein mehr aufs Parkett bekommt, springt Tom auf seinen Musikantenstuhl und trommelt mit krausen Jazzrhythmen die schwitzenden Paare wieder wach.

    Dann läßt Tom seine in zehn Semestern TH-Studium in München wohlerworbenen zivilisatorischen Hemmungen fahren und entlockt der Jazztrommel die alten kriegerischen Signale der Dualas, wie er sie von seinem Vater gelernt hat. Der war ein Halbbruder des hingerichteten Rudolf Bell.

    Erinnert man Tom an Duala, wird er böse. »Wenn ich wollte, könnte ich nach Hause fahren. Ich verstehe mehr von Kolonialpolitik als mancher Kolonial-Minister. Ich bin weder Deutscher, noch Franzose, sondern Kameruner.«

    Aber nur nach Mitternacht spricht Tom von Politik. Tagsüber ist er verschlossen und knurrig, selbst gegenüber seinen schwarzen Kollegen von der Pinguin-Bar, die sich aus den 45 schwarzen und braunen Mitgliedern der Berliner afrikanischen Kolonie rekrutieren. Mit dem vollbusigen schwarzen Star Sylvia im Präsidial-Ausschuß.

    Die meisten von ihnen wohnen im Ostsektor und stehen auch ideologisch auf seiten des Ostens, wenn auch nicht alle eingeschriebene Mitglieder der SED sind, wie Toms entfernter Verwandter Gijm Bell, der in der Bar in grellrotem Kaftan den stärksten Nachtbar-Kaffee braut und den bakschischgeizigen Nachtfaltern nachruft: »Weiße Mann waren zu Neger immer schlecht. Deshalb müssen Neger ja alle Kommunisten sein ...«

    Bleigießen nennen Kenner die feierliche Prozedur, mit der Gijm seinen Mokka auf Holzkohlenfeuer zubereitet. Er hat sich als Filmstatist letztens in »Nächte am Nil« und als Preisringer in Wien und Berlin durch die mitteleuropäischen Emigrantengefilde geschlagen.

    Lesen und schreiben hat er dabei nicht gelernt, deshalb mußte ihm Tom Bell vortrommeln, was in Duala geschah und was die Briefe aus Paris und Bimbra meldeten, daß Manga Bell den Manga Manga Bell erschossen hat.

    Voici ce que DeepL sait en faire.

    Homme blanc toujours mauvais
    23.8.1950, DER SPIEGEL 34/1950

    Andrea Manga Bell, reine brune de Duala tombée dans la misère prolétarienne, saisit à nouveau chaque semaine les tribunaux parisiens pour faire comparaître devant le cadi l’assassin de son fils Manga Manga Bell.

    C’est son époux légitime, Manga Bell, géniteur de José Emanuel Manga Manga, aujourd’hui député à l’Assemblée nationale française et délégué des Nations unies pour le Cameroun, qui est devenu son meurtrier. Reine répudiée Andrea, née Jeminez à Hambourg, fille d’un mulâtre de Cuba et d’une mère allemande, vit séparée de lui depuis 30 ans. Le mariage mixte exotique n’a pas duré, bien qu’un ecclésiastique de Hambourg l’ait dignement béni en 1920.

    La dernière entorse à son existence de reine abîmée a eu lieu il y a quelques mois, lorsque deux balles du fusil de sniper de Manga Bell ont tué son fils préféré. Ses lèvres ridées se sont mises à dégouliner doucement de toute cette histoire de malheur.

    En 1919, l’actuel délégué de l’ONU Manga Bell s’est rendu pour la première fois dans la maison bourgeoise de Jeminez à Hambourg. L’oncle Adolpho Jeminez, qui fait aujourd’hui le commerce de cacao dans la Sierichstrasse à Hambourg, se souvient encore obscurément de la façon dont le cavalier noir aux bonnes manières lui avait présenté ses respects. Le prince duala avait repris ses études de médecine à Kiel à la fin de la guerre et faisait maintenant la cour à la beauté brune Andrea.

    "Comme je l’ai appris plus tard, il avait falsifié une lettre de recommandation pour s’introduire dans notre famille et faire ma connaissance", sait Andrea aujourd’hui. Avant la guerre, il avait appris les bonnes manières à l’école princière de Putbus sur l’île de Rügen, où il avait été formé aux bonnes manières avec les fils d’autres têtes couronnées. Manga Bell a fait ses débuts à la cour dès 1904, où les dames de la cour de Guillaume II l’ont taquiné. Le "Simplizissimus" a consacré un numéro entier au petit nègre.

    C’était au début de la politique coloniale allemande en Afrique, deux décennies après que Gustav Nachtigal, alors consul général à Tunis, se soit envolé pour le Cameroun sur la canonnière allemande "Möve" - en concurrence avec les Anglais, qui avaient déjà planté l’Union Jack sur plusieurs côtes d’Afrique de l’Ouest.

    Am 12. Juli 1884 landete Gustav Nachtigal mit Staatsrechtler Dr. Buchner in Bimbra, wo Handelspionier C. Woermann bereits eine Faktorei eingerichtet hatte. Dort beugte sich Oberhäuptling King Bell, Großvater des UN-Delegierten Manga Bell, samt seinen 600 Frauen, 998 Kindern und 15000 wehrhaften Dualas unter die deutsche Oberhoheit, die ihm Gustav Nachtigal angetragen hatte.

    Son fils héritier du trône, Rudolf Bell, devint un rebelle. En 1914, le gouverneur allemand du Cameroun le fit pendre à la corde de chanvre pour avoir fomenté un complot. Il avait envoyé un message secret au "Grand chef des prairies" Njoja von Banum, lui demandant de se débarrasser de la domination coloniale allemande.

    Après l’étranglement de Rudolf Bell le 8 août 1914, il avait aboyé. Le gouverneur a consolé la veuve éplorée : "Celui qui se comporte bien n’a rien à craindre".

    Le fils de l’insurgé, Manga Bell, qui étudiait à l’époque en Allemagne, s’est bien comporté. Il s’est fait enseigner par des sous-officiers allemands dans la cour de la caserne des Ulans de Rendsburg comment charger et sécuriser et s’est battu fidèlement pour l’empereur et l’empire en tant que volontaire de guerre. Fin septembre, les Anglais occupaient déjà sa région natale, située au bord de la rivière Wuri, large de 8 km. Après Versailles, Wuri et Dualas passèrent sous la domination coloniale française.

    Mais les Français tenaient beaucoup, pour pacifier la tribu noire turbulente, à placer Manga Bell, au moins dans la forme, dans les droits d’un "roi de Duala", bien que Manga Bell ait combattu du côté allemand.

    C’est ainsi que peu de temps après que la jeune Andrea Jeminez, âgée de 17 ans, eut cédé à son amour fou et consenti à son mariage, l’étudiant en médecine noir reçut un jour une offre officielle du ministère des colonies parisien pour venir en France et aider à gouverner ses dualas.

    "Après notre voyage à Paris, nous avons d’abord habité à Sèvres où, le 11 janvier 1920, j’ai donné la vie à José Emanuel Manga Manga", raconte la répudiée Andrea. "Le garçon, futur héritier du trône, fut dès lors appelé Manga Manga. Un an plus tard, une petite fille suivit, qui, comme moi, fut baptisée Andrea. Mais dans le cercle familial, nous l’appelions Tüke. A peine ma fille était-elle née que mon époux me quitta pour le Cameroun, où il mit en gage la plus grande partie de son héritage aux nouveaux maîtres du protectorat, afin d’avoir les moyens de poursuivre sa vie de débauche, déjà commencée à Paris, avec d’autres femmes, noires et blanches.

    "Mais souvent, je n’avais pas l’argent pour acheter du lait à mes enfants. Le rêve de la reine n’était qu’une farce - je pouvais tout au plus prolonger cette illusion de temps en temps sur scène - en tant qu’actrice. Des talents artistiques innés et développés m’ont permis de gagner ma vie. Pas seulement sur scène, mais aussi dans des agences de publicité. J’ai parfois été une graphiste utilitaire très demandée. Puis j’ai fait la connaissance de l’écrivain Joseph Roth, qui vivait à Paris, et je suis devenue sa secrétaire et sa compagne".

    Roth, qui, comme sa grande idole Heinrich Heine, alliait l’esprit au sarcasme, a manifestement été très proche de la mulâtresse. Elle a été sa compagne pendant huit ans et lui a tapé le script automatique de son roman louche "Job", l’histoire du destin d’une famille juive lors de sa rencontre avec la civilisation américaine.

    En revanche, les enfants d’Andrea se sont heurtés à la civilisation européenne chez leur grand-mère à Hambourg. C’est là qu’Andrea avait emmené Manga Manga et Tüke lorsqu’elle accompagnait Roth en voyage à Nice et dans d’autres endroits de la Côte d’azur. Les deux rejetons de l’Africain n’ont pas facilité la tâche de la vieille femme. A cause d’eux, elle a dû déménager dans les quartiers périphériques du Glindweg, mais même là, José et Tüke avaient l’habitude de jeter les restes de leur repas directement par la fenêtre, sans circonstances particulières.

    Le sang bushman était souvent plus fort que le badigeon civilisateur. Grand-mère Jeminez ne cessait de les asséner à ses petits-enfants plus noirs que bruns. Aujourd’hui encore, Tüke se souvient que l’irascible Grandmère lui a fait perdre la tête avec le premier objet le mieux placé - et même plusieurs fois avec le pain noir qui se trouvait sur la table.

    Mais à l’école, les deux béliers étaient très éveillés et avaient soif de connaissances. Manga Manga a fréquenté l’école de progrès "Thielo-Süd", créée par l’université de Hambourg, où l’on enseignait, outre les langues étrangères, les échecs et l’art dramatique. A la manière des écoles modèles soviétiques, il n’y avait pas de programme scolaire fixe, pas de bulletins de notes, pas de redoublement. Les professeurs étaient tutoyés par les élèves. L’enseignement était libre.

    "Ici, dans une classe avec Manga Manga, j’ai été témoin de son intelligence stupéfiante et de sa capacité de compréhension ludique. Son talent d’acteur était grand dans les spectacles d’élèves comme ’Emil und die Detektive’ d’Erich Kästner", atteste encore aujourd’hui un camarade de classe et ami du défunt prince Duala.

    Chez le "Nerother Wandervogel", Manga Manga et ses semblables étaient bien entourés. Le leader de la jeunesse hambourgeoise Werner Hellwig, membre de l’organisation de vagabonds "Toddy" et écrivain (livres : "Im Dickicht des Pelion", "Raubfische in Hellas", etc.), a ensuite placé les deux enfants royaux chez des bourgeois, alors que la vieille grand-mère ne faisait que se battre.

    Le groupe de jeunes bündisch remplaçait souvent leur père et leur mère. Les plus grands randonneurs étaient les frères Robert et Karl Olbermann. Karl avait une jambe de bois, avec laquelle il s’est même aventuré jusqu’aux contreforts du Caucase.

    Andrea aber wagte sich nur selten nach Hause zu ihrer Mutter und zu den Kindern. Wenn sie einmal kam und Schriftsteller Roth sich selbst und der Trinkleidenschaft überließ, dann verfehlte sie nicht, vor allem Manga Manga darauf aufmerksam zu machen, wie schändlich sein Vater an ihnen allen handele.

    Der schwarze Gentleman war mehr am Montmartre als in Bimbra am Wuri-Fluß, schickte keinen Unterhaltspfennig, weigerte sich aber auch, in die Scheidung einzuwilligen, falls Frau Andrea ihm nicht vorher beide Kinder freiwillig überlasse.

    Les accusations de la mère rongeaient l’âme des enfants, surtout celle du garçon. Elles se sont durcies en lui en un complexe d’aversion contre son père biologique, qu’il n’avait jamais connu consciemment et dont il entendait seulement dire qu’il était un monstre, un tueur de dames, un vagabond et un ivrogne. "Je l’imagine toujours comme un singe portant un sac à dos", dit-il un jour à ses amis du Wandervogel.

    Il dut la quitter, elle et son Hambourg familier, quand Andrea (les enfants ne l’appelaient jamais mère, mais toujours par son prénom), juste après le Nouvel An 1933, fila du Bungalo suisse de Josef Roth : "Partez immédiatement !" Suivirent le lieu de rendez-vous, la date et l’argent.

    Sentant venir la persécution raciale avec l’avènement du régime nazi, la mère prit ses enfants auprès d’elle et quitta bientôt l’homme de lettres Roth, qui avait entre-temps complètement sombré dans l’alcoolisme. Les choses allaient finalement si mal avec lui que, malgré ses origines juives, il était devenu "antisémite" et ne voulait plus fréquenter que des aristocrates et des nationalistes. L’auteur talentueux du roman "La marche de Radetzky" mourut à 44 ans d’un delirium tremens.

    Andrea ne lui a pas fermé les yeux. Elle n’avait pas pu assister à la dissolution, avait déménagé à Paris avec ses enfants et y vivait dans des conditions très pauvres.

    L’oiseau migrateur de Nerother Manga Manga est rapidement devenu un oiseau migrateur vagabond. Dans une lettre adressée à son ami allemand le 7.9.46, il parle lui-même de cette période :

    "A 16 ans, j’ai quitté l’école et j’ai presque immédiatement commencé à flâner. J’ai travaillé de temps en temps dans une usine. Ensuite, je n’ai rien fait, rien du tout, et c’est devenu entre-temps un grand rien. En été 39, je me suis fâché avec Andrea et je l’ai laissée seule avec Tüke. J’ai d’abord vécu chez une amie, puis, lorsque celle-ci a été expulsée avec ses enfants après le début de la guerre, j’ai vécu neuf mois avec une autre, et pendant ce temps, j’ai travaillé dans une usine d’armement.

    "Puis les Allemands sont arrivés et j’ai fui dans le sud de la France avec mon entrepreneur. Là-bas, j’ai fait du vélo pendant l’été 40. C’était très beau. J’ai fini par échouer à la frontière suisse, où je suis resté l’hiver, puis j’ai passé la frontière au noir avec trois amis. Nous voulions essayer de passer par le consulat anglais pour aller en Angleterre. Malheureusement, ça n’a pas marché. Nous avons été expulsés.

    "De retour en France, j’ai vécu dans un petit port au bord de la Méditerranée, où, de manière inattendue, mon père m’a fait rechercher. Il était au Sénégal et ne pouvait apparemment pas retourner au Cameroun, où se trouvaient les gaullistes*).

    *) Madame Andrea affirme que Manga Bell a soutenu Pétain pendant l’occupation allemande et qu’il était vichyssois. C’est sans doute pour cela qu’il ne pouvait et ne voulait pas aller voir de Gaulle. "J’ai donc vécu un certain temps avec mon père, que je ne connaissais pas jusque-là, au milieu de la brousse, puis j’ai été mobilisé lorsque toute l’Afrique était aux côtés des Anglo-Saxons et je suis revenu en France avec l’armée française. Lors de ma première visite chez Andrea et Tüke, je suis tombé malade. Appendicite avec une grave inflammation du péritoine. Il restait un abcès sur le poumon. Après un an d’hospitalisation, j’ai déserté. Mais comme mon père était venu à Paris en tant que député (tu sais ce que c’est ? environ un député du Reichstag), l’affaire a été réglée.

    "Mon père est assez riche, il accumulait tout sur moi et me laissait flâner comme je voulais. Jusqu’à ce que je me retrouve au sanatorium de Davos. A 26 ans, je suis un vieux vivant - un viveur. En ce moment, je suis prince et je vis de mon père, et là je vois vraiment de qui j’ai hérité tous mes défauts...

    "Quand j’ai quitté l’Allemagne en 33, j’avais toutes les possibilités devant moi. Je les ai gâchées inutilement. Peut-être aurais-je dû être éduqué un peu plus longtemps par Grandmère à Hambourg, même si elle nous a souvent donné une raclée avec le Kommißbrot. Tu te souviens de sa sévérité ? Elle est morte en 1940 - je crois - ...".

    Lorsque Manga Manga, le dauphin de Duala aimé par de nombreuses jeunes filles et dépassant son père de trois longueurs de tête, put enfin quitter le sanatorium de Schatzalp près de Davos en étant guéri, il prit la ferme décision de réprimer son héritage de sang paternel avec une maîtrise de soi virile. En bonne santé et purifié, il prit sa mère et sa sœur dans ses bras.

    Entre-temps, ils avaient traversé des épreuves difficiles. Pendant la guerre, Andrea était recherchée par le SD en raison de son amitié avec Roth et d’autres émigrés, connue de la Gestapo. Elle s’est réfugiée dans les forêts du nord de la France, où elle travaillait sur une meule et carbonisait du charbon de bois. Tüke s’était rendue en Allemagne pendant quelques mois en tant qu’officier dans un état-major administratif de l’armée française. De retour à Paris, elle a vécu les plus beaux jours de sa vie.

     »Ich gebe zu, daß mein Mann Manga Bell nicht ganz zurechnungsfähig ist,« urteilt Mutter Andrea heute über diese Tage. »Als er sich damals nach 25 Jahren zum ersten Male wieder bei uns sehen ließ, hat er ein Riesenfest veranstaltet - anläßlich der Hochzeit von Tüke. Zahlreiche Minister und Abgeordnete der MRP (Mouvement Républicain Populaire = Republikanische Volkspartei, der auch Robert Schuman und Georges Bidault angehören) nahmen daran teil, obwohl Tükes Gatte, Jaques Rebuffé, nur ein einfacher Mann ist.

     »Manga Bell ließ alle Gäste im Ueberfluß schwelgen. Allein der Empfang nach der Hochzeitszeremonie kostete 350000 Francs, die Fotos, die von dem jungen Paar gemacht wurden, 60000 Francs.

    "Pendant le repas de fête, il m’a dit que nous devions reprendre notre vie commune. Je me suis moquée de lui. Je ne suis pas impressionné par sa richesse, ni par ses trois grosses voitures de luxe. Maintenant, il a pour amie une sénatrice âgée qui ne maîtrise même pas l’orthographe française. Mais elle le domine ...

    "Manga Bell n’est pas seulement un grand bon vivant, c’est aussi un excellent cavalier. Il est souvent renommé avec son étalon pur-sang, sur lequel il monte dans les bars. Tüke a reçu de lui une dot princière. Elle en donna 200000 francs à son frère pour lui permettre, quelques années plus tard, de faire le voyage fatal à Duala ...".

    Peu après l’arrivée du prince héritier à Duala, les coups de feu mortels du fusil paternel ont retenti. Manga avait tué Manga Manga. L’agence de presse officielle L’agence française l’a annoncé de manière laconique :

    "De source bien informée, le fils du député MRP du Cameroun a été tué par des coups de fusil à l’Assemblée nationale. L’arme était encore entre les mains du père de la victime. On ne sait pas vraiment s’il s’agit d’un accident ou d’un meurtre".

    "C’était un meurtre !" accuse la mère inconsolable de Manga Bell. "Je sens que Manga Manga a reproché à son père de nous avoir traités avec tant de mépris. Lors de son départ, il a laissé entendre qu’il souhaitait mettre certaines choses au clair avec lui. Lorsque je lui ai demandé de renoncer à son projet, il n’a eu qu’un geste de mépris : ’N’aie pas peur, il ne peut rien m’arriver, je suis un enfant du dimanche’. Maintenant, il a été abattu un dimanche comme un chacal galeux, par son propre père.

    "Manga Bell a toujours eu la gâchette facile. Déjà en Allemagne, il a eu deux duels mortels. Sa première victime était un capitaine allemand du nom de Kessler, qu’il a défié pour une question raciale et qui a ensuite succombé à une balle dans le ventre. Quant à l’autre, il l’a blessé à mort avec son sabre. Son fusil, comme tous ses ustensiles personnels - de la boîte de cigarettes au slip - porte la couronne du souverain au-dessus de son monogame".

    La malheureuse mère demande réparation pour la mort de son fils, et le Rassemblement Démocratique Africain (mouvement de rassemblement africain de gauche) a également demandé une décision de justice et fait imprimer des affiches : "Maurice Thorez a été exclu de la séance de la Chambre pour avoir giflé un jeune garçon. En revanche, Manga Bell, qui a froidement assassiné son fils, reste député et membre du MRP." !

    "L’explication est que la France a absolument besoin de calme au Cameroun, le Cameroun recèle de riches trésors d’uranium", croit savoir Andrea. "On ne veut pas que les indigènes, que Manga Bell a de son côté, se révoltent en ce moment. C’est pourquoi le ministère des Colonies a aussi traité le meurtre comme une bagatelle".

    Pourtant, il n’est pas resté caché à la grande tribu du vieux roi Bell, qui vit aujourd’hui dispersée dans de nombreux pays européens, et les descendants des 600 femmes Bell vivant dans la diaspora allemande ont également eu vent du meurtre du prince. Ils ne sont pas en bons termes avec Manga Bell, car il a livré aux Blancs tous les trésors de leur ancienne patrie sur le Wuri, pour se faire une vie agréable, tandis qu’ils doivent se débrouiller à l’étranger.

    C’est le cas du cousin de Manga, Tom Bell. Star de la musique du bar "Pinguin" de Berlin-Ouest (voir titre), qui fait actuellement escale à Westerland. Après minuit, quand aucun des baigneurs fatigués de la samba ne peut plus mettre un pied sur le parquet, Tom saute sur sa chaise de musicien et réveille les couples en sueur avec des rythmes de jazz frisés.

    Puis Tom laisse tomber ses inhibitions civilisationnelles, acquises au cours de dix semestres d’études techniques à Munich, et tire du tambour de jazz les anciens signaux guerriers des dualas, tels qu’il les a appris de son père. Ce dernier était le demi-frère de Rudolf Bell, qui a été exécuté.

    Quand on rappelle à Tom le nom de Duala, il se met en colère. "Si je le voulais, je pourrais rentrer chez moi. Je connais mieux la politique coloniale que certains ministres des colonies. Je ne suis ni allemand, ni français, mais camerounais".

    Mais ce n’est qu’après minuit que Tom parle de politique. Le jour, il est fermé et hargneux, même avec ses collègues noirs du Pinguin-Bar, qui se recrutent parmi les 45 membres noirs et bruns de la colonie africaine de Berlin. Avec Sylvia, la star noire à la poitrine généreuse, au sein de la commission présidentielle.

    La plupart d’entre eux habitent dans le secteur est et sont aussi idéologiquement du côté de l’est, même s’ils ne sont pas tous membres inscrits du SED, comme le parent éloigné de Tom, Gijm Bell, qui prépare le café de bar de nuit le plus fort dans un caftan rouge vif et crie aux papillons de nuit ambitieux : "Les hommes blancs ont toujours été mauvais avec les nègres. C’est pourquoi les nègres doivent tous être communistes ...".

    Les connaisseurs appellent "coulée de plomb" la procédure solennelle par laquelle Gijm prépare son moka sur un feu de charbon de bois. Il a fait ses preuves en tant que statisticien de cinéma dans le récent "Nuits sur le Nil" et en tant que lutteur de prix à Vienne et à Berlin dans les milieux d’émigrés d’Europe centrale.

    Il n’a pas appris à lire et à écrire, c’est pourquoi Tom Bell a dû lui raconter ce qui s’est passé à Duala et ce que les lettres de Paris et de Bimbra annonçaient, à savoir que Manga Bell avait tué Manga Bell.

    anglais by DeepL

    COLONIES / CAMEROON
    White man always bad
    23 August 1950, 1 p.m.-from DER SPIEGEL 34/1950

    Andrea Manga Bell, the brown queen of Duala, who has sunk into proletarian misery, takes to the courts in Paris every week to bring the murderer of her son Manga Manga Bell to justice.

    Her husband Manga Bell, the father of José Emanuel Manga Manga, now a member of the French National Assembly and UN delegate for Cameroon, became the murderer. Queen Andrea, born Jeminez in Hamburg, daughter of a mulatto from Cuba and a German mother, has been separated from him for 30 years. The exotic mixed marriage did not last, although a clergyman in Hamburg gracefully blessed her in 1920.

    The final twist in her damaged queenly existence came a few months ago when two bullets from Manga Bell’s sniper rifle killed her favourite son. The whole tale of misfortune trickled quietly from her wrinkled lips.

    In 1919, the current UN delegate Manga Bell snowed into the middle-class Jeminez house in Hamburg for the first time. Uncle Adolpho Jeminez, who now trades in cocoa in Hamburg’s Sierichstraße, still remembers darkly how the black gentleman with good manners paid his respects. The dual prince had resumed his medical studies in Kiel after the end of the war and was now courting the brown beauty Andrea.

    “I later learnt that he had forged a letter of recommendation in order to infiltrate our family and make my acquaintance,” Andrea remembers today. Before the war, he had learnt good manners at the princely school in Putbus on the island of Rügen, where he was drilled in good manners along with the sons of other crowned heads. Manga Bell made his debut at court in 1904, where he was pampered by the ladies-in-waiting of Wilhelm II. Simplizissimus" devoted an entire issue to the little nigger.

    This was at the beginning of German colonial policy in Africa, two decades after Gustav Nachtigal, then Consul General in Tunis, had set off for Cameroon on the German gunboat “Möve” - in competition with the British, who had already planted the Union Jack at several coastal locations in West Africa.

    On 12 July 1884, Gustav Nachtigal and constitutional lawyer Dr Buchner landed in Bimbra, where trading pioneer C. Woermann had already set up a factories. There, Chief King Bell, grandfather of UN delegate Manga Bell, together with his 600 wives, 998 children and 15,000 defencible Dualas, submitted to the German sovereignty that Gustav Nachtigal had offered him.

    His heir to the throne, Rudolf Bell, became a rebel. The German governor of Cameroon had him hanged by a hemp rope in 1914 because he had instigated a conspiracy. He had sent a secret message to the “Great Grassland Chief” Njoja von Banum, calling on him to shake off German colonial rule.

    After Rudolf Bell’s strangulation on 8 August 1914, it barked out. The governor comforted the grieving widow: “Those who behave well need not fear.”

    The rebel’s son, Manga Bell, who was studying in Germany at the time, behaved well. He was taught how to load and secure by German non-commissioned officers in the barracks of the Rendsburg Uhlans and fought loyally for the Kaiser and the Reich as a war volunteer. By the end of September, the British had already occupied his home on the 8 km wide Wuri River. After Versailles, Wuri and Dualas came under French colonial rule.

    However, the French attached great importance to the pacification of the restless black tribe by giving Manga Bell the rights of a “King of Duala”, at least in form, even though Manga Bell had fought on the German side.

    So one day, shortly after the 17-year-old Andrea Jeminez had given in to his tempestuous courtship and agreed to marry him, the black medical student received an official offer from the Paris Colonial Ministry to come to France and help govern his Dualas.

    “After our trip to Paris, we first lived in Sèvres, where I gave birth to José Emanuel Manga Manga on 11 January 1920,” says the outcast Andrea. "From then on, the boy was called Manga Manga as the future heir to the throne. A year later, a little daughter followed, who, like myself, was baptised Andrea. But we called her Tüke in the family circle. My daughter had barely been born when my husband left me and travelled to Cameroon, where he pledged most of his inheritance to the new masters of the protectorate in order to have the means to continue the dissolute life he had already begun in Paris with other women, black and white.

    “But I often didn’t have the money to buy my children milk. The Queen’s dream was a farce - the best I could do was continue this illusion on stage from time to time - as an actress. Innate and advanced artistic talents provided me with bread. Not only on stage, but also in advertising agencies. At times I was a sought-after commercial artist. Then I met the writer Joseph Roth, who was living in Paris, and became his secretary and companion.”

    Roth, who, like his great idol Heinrich Heine, combined wit with sarcasm, was obviously very close to the mulatto woman. She was his companion for eight years and typed the typescript of his dubious novel “Job”, the story of a Jewish family’s encounter with American civilisation.

    Meanwhile, Andrea’s children encountered European civilisation at their grandmother’s house in Hamburg. Andrea had brought Manga Manga and Tüke there when she accompanied Roth on trips to Nice and other places on the Cête d’Azur. The two offspring of the African did not make it easy for the old woman. Because of them, she had to move to the outskirts of Glindweg, but even there José and Tüke used to throw the remains of their meal straight out of the window without any special circumstances.

    The Bushman blood was often stronger than the civilising whitewash. Grandmother Jeminez beat her more black than brown grandchildren over and over again. Even today, Tüke remembers that the irascible grandmère bludgeoned her with the first best object - even several times with the brown bread lying on the table.

    But at school, the two rangers were very bright and thirsty for knowledge. Manga Manga attended the progressive school “Thielo-Süd”, which was run by Hamburg University and offered chess and drama lessons as well as foreign languages. In the style of the Soviet model schools, there was no fixed curriculum, no report cards, and no sitting-outs. The teachers were on first-name terms with the pupils. All lessons were organised freely.

    “Here in a class together with Manga Manga, I witnessed his astounding intelligence and his playful perceptiveness. His acting talent was great in school plays such as Erich Kästner’s ’Emil and the Detectives’,” a classmate and friend of the deceased Duala prince still attests today.

    Manga Manga and his peers were in good hands at the “Nerother Wandervogel”. Hamburg youth leader Werner Hellwig, a member of the hobo organisation “Toddy” and writer (books: “Im Dickicht des Pelion”, “Raubfische in Hellas” etc.), then placed the two royal children with burghers when the old grandmother was just beating around the bush.

    The youth group often replaced their father and mother. The brothers Robert and Karl Olbermann were the foremost hikers. Karl had a wooden leg, with which he even ventured into the foothills of the Caucasus.

    Andrea, however, rarely ventured home to her mother and children. When she did come home and left writer Roth to himself and his passion for drink, she never failed to point out to Manga Manga in particular how shamefully his father was treating them all.

    The black gentleman was more at Montmartre than in Bimbra on the Wuri River, did not send a penny for alimony, but also refused to agree to a divorce unless Mrs Andrea voluntarily gave him both children first.

    The mother’s accusations took root in the children’s souls, especially in the boy. They hardened in him into a complex of aversion towards his biological father, whom he had never consciously met, and of whom he had only ever heard that he was a monster, a lady-killer, a drifter and a drunkard. “I always imagine him as a backpack-carrying monkey,” he once said to his friends from the Wandervogel.

    He had to leave her and the familiarity of Hamburg when Andrea (the children never called her mum, but always called her by her first name) wrote from Josef Roth’s Swiss bungalo just after New Year 1933: “Leave immediately!” Then came the meeting point, the date and the money.

    Wisely sensing the racial persecution that was about to break out with the impending Nazi regime, the mother took her children in and soon afterwards left Roth, a man of letters who had become completely addicted to alcohol. In the end, things were so bad with him that he had become an “anti-Semite” despite his Jewish origins and only wanted to socialise with aristocrats and nationalists. At the age of 44, the talented author of the novel “Radetzky March” died of delirium tremens.

    Andrea did not turn a blind eye to him. She had been unable to watch the break-up, had moved to Paris with her children and lived there in the poorest of circumstances.

    The Nerother Wandervogel Manga Manga soon became a vagabond migratory bird. In a letter to his German friend on 7 September 46, he writes about this time himself:

    "I left school when I was 16 and almost immediately I started to go shopping. I worked in a factory for a while. Then I did nothing, nothing at all, and it became a big nothing. In the summer of ’39, I fell out with Andrea and left her and Tüke alone. I first lived with a friend, and when she and her children were deported after the war broke out, I lived with another friend for nine months and worked in an armaments factory during this time.

    "Then the Germans came and I fled to the south of France with my entrepreneur. I set off there by bike in the summer of ’40. It was very nice. I ended up stranded at the Swiss border, where I stayed for the winter and then crossed the border in black with three friends. We wanted to try to get to England via the English consulate. Unfortunately it didn’t work. We were deported.

    "Back in France, I was living in a small harbour on the Mediterranean, where my father unexpectedly sent out a search for me. He was in Senegal and apparently couldn’t go back to Cameroon, where the Gaullists were.)

    ) Mrs Andrea claims that Manga Bell was loyal to Pétain during the German occupation. That’s probably why he couldn’t and wouldn’t go to de Gaulle. "So I lived in the middle of the bush for a while with my father, who was unknown to me until then, and then, when the whole of Africa was standing with the Anglo-Saxons, I was called up and returned to France with the French army. On my first visit to Andrea and Tüke, I fell ill. Appendicitis with severe peritonitis. I was left with an abscess on my lung. After a year in hospital, I deserted. But as my father came to Paris as a deputy (you know what that is, don’t you? About a member of the Reichstag), the matter was settled.

    "My father is quite rich, he heaped everything on me and let me go as I pleased. Until I ended up in a sanatorium in Davos. At the age of 26, I’m an old man - un viveur. At the moment I’m a prince and live off my father, and I can really see from whom I inherited all my faults ...

    “When I left Germany in 33, I had all the opportunities in front of me. I wasted them uselessly. Perhaps I should have been brought up a little longer by Grandmère in Hamburg, even though she spanked us often enough with the commissary bread. Do you remember her strictness? I think she died in 1940 ...”

    When Manga Manga, the Dauphin of Duala, who towered over his father by three head lengths and was loved by many girls, was finally able to leave the Schatzalp sanatorium near Davos cured, he made the firm decision to suppress his paternal blood inheritance with masculine self-control. Healthy and purified, he embraced his mother and sister.

    In the meantime, the two had been through a difficult time. Andrea was wanted by the SD during the war because of her friendship with Roth and other emigrants, which was known to the Gestapo. She went into hiding in the forests of northern France, where she worked on a pile and smouldered charcoal. Tüke had travelled to Germany for a few months as an officer in a French army administrative staff. When she returned to Paris, she enjoyed the best days of her life.

    “I admit that my husband Manga Bell isn’t quite sane,” says mum Andrea today about those days. "When he visited us for the first time in 25 years, he organised a huge party to celebrate Tüke’s wedding. Numerous ministers and MPs from the MRP (Mouvement Républicain Populaire = Republican People’s Party, to which Robert Schuman and Georges Bidault also belong) attended, even though Tüke’s husband, Jaques Rebuffé, is only a simple man.

    "Manga Bell let all the guests indulge in opulence. The reception after the wedding ceremony alone cost 350000 francs, the photos taken of the young couple 60000 francs.

    "During the banquet, he said to me that we had to resume our life together. I laughed at him. I’m not impressed by his wealth or his three big luxury cars. Now he has an elderly senator as a girlfriend who doesn’t even know how to spell French. But she dominates him ...

    “Manga Bell is not only a great bon vivant, but also an excellent rider. He is often renowned with his thoroughbred stallion, on which he rides into the bars. Tüke received a princely dowry from him. She gave her brother 200,000 francs from it to enable him to make the fateful journey to Duala a few years later ...”

    Soon after the arrival of the hereditary prince in Duala, the fatal shots rang out from his father’s rifle. Manga had killed Manga Manga. The official news agency L’agence francaise reported the news in laconic brevity:

    “It is reported from well-informed sources that the son of the MRP deputy from Cameroon was killed by gunshots in the National Assembly. The gun was still in the hands of the victim’s father. It is not quite clear whether it was an accident or a murder.”

    “It was murder!” the inconsolable mother accuses Manga Bell. "I feel that Manga Manga reproached his father for treating us so shamefully. When he left, he let it be known that he wanted to make things right with him. When I asked him to give up his plan, he only made a contemptuous gesture: ’Don’t be afraid, nothing can happen to me, I’m a Sunday child. Now he’s been shot down like a mangy jackal on a Sunday, by his own father.

    “Manga Bell’s shooting iron was always very loose. He had two fatal duels in Germany. His first victim was a German captain called Kessler, whom he challenged over a racial issue and who then succumbed to a shot to the stomach. He wounded the other to death with his sabre. His rifle, like all his personal paraphernalia - from his cigarette tin to his pants - bears the ruler’s crown above his monogamy.”

    The unhappy mother demanded atonement for the death of her son, and the Rassemblement Démocratique Africain (left-wing African Rally) also called for a court judgement and had posters printed: “Maurice Thorez was excluded from the chamber session because he had slapped a young boy. On the other hand, Manga Bell, who murdered his son in cold blood, remains a member of parliament and a member of the MRP!”

    “The explanation for this is that France absolutely needs peace in Cameroon, Cameroon harbours rich treasures of uranium,” Andrea believes she knows. “They don’t want the natives, whom Manga Bell has on his side, to rebel right now. That’s why the colonial ministry treated the murder as a trivial matter.”

    Nevertheless, it did not remain hidden from the large clan of the old King Bell, who today live scattered in numerous European countries, and the descendants of the 600 Bell women living in the German diaspora also got a whiff of the prince’s murder. They are not on good terms with Manga Bell because he completely handed over the treasures of the old homeland on the Wuri to the whites in order to make a happy life for himself while they have to eke out a living in a foreign country.

    Manga’s cousin Tom Bell is no exception. Music star of the West Berlin “Penguin” bar (see title), which is currently making a guest appearance on Westerland. After midnight, when none of the Samba-weary bathers can get a leg up, Tom jumps onto his musician’s chair and drums the sweaty couples awake again with ruffly jazz rhythms.

    Then Tom lets go of the civilisational inhibitions he has acquired in ten semesters of technical studies in Munich and elicits the old warlike signals of the Dualas from the jazz drum, as he learnt them from his father. He was a half-brother of the executed Rudolf Bell.

    If you remind Tom of Duala, he gets angry. “If I wanted to, I could go home. I know more about colonial politics than some colonial ministers. I’m neither German nor French, but Cameroonian.”

    But Tom only talks politics after midnight. During the day, he is secretive and grumpy, even towards his black colleagues from the Penguin Bar, who are recruited from the 45 black and brown members of the Berlin African colony. With the busty black star Sylvia in the presidential committee.

    Most of them live in the eastern sector and are also ideologically on the side of the East, even if not all of them are registered members of the SED, like Tom’s distant relative Gijm Bell, who brews the strongest night bar coffee in the bar in a bright red caftan and calls out to the bakshi-obsessed moths: “White men were always bad to Negroes. That’s why Negroes must all be communists ...”

    Connoisseurs call the ceremonial procedure with which Gijm prepares his mocha over a charcoal fire “lead pouring”. He recently worked as a film extra in “Nights on the Nile” and as a prize wrestler in Vienna and Berlin, making his way through the Central European émigré scene.

    He didn’t learn to read or write, so Tom Bell had to tell him what happened in Duala and what the letters from Paris and Bimbra said, that Manga Bell had shot Manga Manga Bell.

    #Allemagne #Cameroun #histoire #lettres #journalisme

  • ChatGPT Replicates Gender Bias in Recommendation Letters | Scientific American
    https://www.scientificamerican.com/article/chatgpt-replicates-gender-bias-in-recommendation-letters

    Generative artificial intelligence has been touted as a valuable tool in the workplace. Estimates suggest it could increase productivity growth by 1.5 percent in the coming decade and boost global gross domestic product by 7 percent during the same period. But a new study advises that it should only be used with careful scrutiny—because its output discriminates against women.

    The researchers asked two large language model (LLM) chatbots—ChatGPT and Alpaca, a model developed by Stanford University—to produce recommendation letters for hypothetical employees. In a paper shared on the preprint server arXiv.org, the authors analyzed how the LLMs used very different language to describe imaginary male and female workers.

    “We observed significant gender biases in the recommendation letters,” says paper co-author Yixin Wan, a computer scientist at the University of California, Los Angeles. While ChatGPT deployed nouns such as “expert” and “integrity” for men, it was more likely to call women a “beauty” or “delight.” Alpaca had similar problems: men were “listeners” and “thinkers,” while women had “grace” and “beauty.” Adjectives proved similarly polarized. Men were “respectful,” “reputable” and “authentic,” according to ChatGPT, while women were “stunning,” “warm” and “emotional.” Neither OpenAI nor Stanford immediately responded to requests for comment from Scientific American.

    The issues encountered when artificial intelligence is used in a professional context echo similar situations with previous generations of AI. In 2018 Reuters reported that Amazon had disbanded a team that had worked since 2014 to try and develop an AI-powered résumé review tool. The company scrapped this project after realizing that any mention of “women” in a document would cause the AI program to penalize that applicant. The discrimination arose because the system was trained on data from the company, which had, historically, employed mostly men.

    The new study results are “not super surprising to me,” says Alex Hanna, director of research at the Distributed AI Research Institute, an independent research group analyzing the harms of AI. The training data used to develop LLMs are often biased because they’re based on humanity’s past written records—many of which have historically depicted men as active workers and women as passive objects. The situation is compounded by LLMs being trained on data from the Internet, where more men than women spend time: globally, 69 percent of men use the Internet, compared with 63 percent of women, according to the United Nations’ International Telecommunication Union.

    Fixing the problem isn’t simple. “I don’t think it’s likely that you can really debias the data set,” Hanna says. “You need to acknowledge what these biases are and then have some kind of mechanism to capture that.” One option, Hanna suggests, is to train the model to de-emphasize biased outputs through an intervention called reinforcement learning. OpenAI has worked to rein in the biased tendencies of ChatGPT, Hanna says, but “one needs to know that these are going to be perennial problems.”

    This all matters because women have already long faced inherent biases in business and the workplace. For instance, women often have to tiptoe around workplace communication because their words are judged more harshly than those of their male colleagues, according to a 2022 study. And of course, women earn 83 cents for every dollar a man makes. Generative AI platforms are “propagating those biases,” Wan says. So as this technology becomes more ubiquitous throughout the working world, there’s a chance that the problem will become even more firmly entrenched.

    “I welcome research like this that is exploring how these systems operate and their risks and fallacies,” says Gem Dale, a lecturer in human resources at Liverpool John Moores University in England. “It is through this understanding we will learn the issues and then can start to tackle them.”

    Dale says anyone thinking of using generative AI chatbots in the workplace should be wary of such problems. “If people use these systems without rigor—as in letters of recommendation in this research—we are just sending the issue back out into the world and perpetuating it,” she says. “It is an issue I would like to see the tech firms address in the LLMs. Whether they will or not will be interesting to find out.”
    Rights & Permissions
    Chris Stokel-Walker is a freelance journalist in Newcastle, UK.

    #Intelligence_artificielle #discrimination #Lettres_de_recommandation #genre

  • XYZ : Heine in Kinshasa
    https://www.jungewelt.de/artikel/463466.xyz-heine-in-kinshasa.html

    18.11.2023 von Enno Stahl - Die Entscheidung hatte ich mir nicht leichtgemacht. Kinshasa wirkte auf mich zunächst wie meine »eigene Frage als Gestalt«. Dunkel, bildlos, irgendwie sehr problematisch vom ersten Moment an: Man trifft dort ein, wird am Flughafen tatsächlich jemand warten und mich abholen, wie vereinbart? Was, wenn nicht? Das Handy geht erst mal nicht, ohne kongolesische SIM-Karte kann man nicht einmal jemanden anrufen. Dann steht man dort mit all dem Bargeld, das man mitschleppt, mitschleppen muss, da unklar ist, ob die Karten dort überhaupt funktionieren. Was dann, wie weiter? Es ist kompliziert.

    Nun, ich habe es gewagt. Denn es geht um die Literatur, einen Roman, der sich nur fortsetzen lässt, wenn ich die Stadt einmal leibhaftig gesehen habe. Und Kinshasa musste es sein, nicht Accra, nicht Dakar, nicht Nairobi. Viele Monate Arbeit hatte ich im vorhinein investiert, um ein Netzwerk zu flechten, denn das ist an solchen Orten alles. Sonst ist man aufgeschmissen, buchstäblich verloren. Ich fand tolle Leute, die mir die Ängste nahmen und die Gestalt der Frage veränderten. Kinshasa bekam nach und nach eigene Konturen, wurde anschaulich, beinahe real. So ist es letztlich recht einfach gewesen. Dass alle Sorge umsonst gewesen wäre, kann man allerdings nicht sagen: Die Mühe musste schon sein, und die Karten, zum Beispiel, funktionierten tatsächlich nicht.

    Jedenfalls bin ich nun hier. Mein Guide und Fahrer Cedrick kümmert sich zuverlässig um mich. Er ist weltgewandt, kennt sich aus, sogar mit der aktuellen deutschen Politik. Aus Kinshasa weg will er nicht. Er sagt: Ich bin jung, ich bin stark, ich will hier etwas bewegen! Neben einem Studium des Umweltingenieurwesens betreibt er in Eigenregie das freie Kulturzentrum »Mokili na Poche« (Die Welt in der Tasche) als Anlaufstelle für Straßenkinder, die dort mit Unterkunft und Nahrung versorgt werden, aber auch kulturpädagogische Angebote erhalten. Sie kreieren etwa Recyclingrucksäcke aus dem allgegenwärtigen Kunststoffmüll. Ein paar Jungs versuchen sich als Rapper, das nötige Equipment finden sie hier. Unlängst haben die Nachrichtenagentur Reuters, TV 5 und France 24 über sie berichtet. Cedrick finanziert das alles aus seiner eigenen Tasche, 800 Dollar monatlich, allein für die Miete, mit dem Geld, das er von Leuten wie mir bekommt. Darüber hinaus sind Spenden hoch willkommen.

    Die allgemeine Infrastruktur ist unvorstellbar heruntergerockt. Im Viertel Bandal, in dem ich wohne, ist andauernd Stromausfall, manchmal nur kurz, manchmal für Stunden. Auch das Wasser bleibt weg. Zur Sicherheit füllt man große Eimer auf Vorrat. Wenn die Dusche nicht funktioniert, gießt man daraus kellenweise Wasser über sich, das geht auch. Im Verkehr sieht es nicht anders aus. Nur die großen Straßen sind asphaltiert. Sobald man sie verlässt, gerät man in ein Labyrinth aus unwegsamen Pisten. Deutsche Feldwege sind bequem dagegen. Schlaglöcher, kopfgroße Steine, Pfützen, die Autos rumpeln da durch, mit nie mehr als fünf oder zehn Kilometern pro Stunde. Der Verkehr auf den Magistralen ist wahnsinnig, alle fahren durcheinander, überall, wo gerade Platz ist, Millimeterarbeit, kaum ein Wagen ohne Blechschaden. Dazwischen wimmeln kreuz und quer Motorradtaxis, meist mit drei Personen, die sich von den Kühlern der Autos abstoßen. Auch hier kommt man nur langsam voran mit 20, 30 Kilometern pro Stunde. Das Fahren erfordert immense Geschicklichkeit, ich würde es mir im Leben nicht zutrauen. Cedrick beherrscht es mit gelassener Souveränität.
    Legendäre Dandys

    Besonders heiß ist es nicht, 27 Grad. Kaum mehr als in Deutschland zur selben Zeit. Die Luftfeuchtigkeit ist allerdings hoch. Jetzt in der Trockenzeit lässt sich die Sonne nicht allzu oft sehen, meist ist es diesig, leicht bewölkt. Richtigen Sonnenschein gibt es in der Regenzeit, lerne ich, da wird es unter der Äquatorialsonne sehr heiß, worauf sturzflutartige Regenfälle folgen.

    Die Menschen stehen in einem unsagbar harten Existenzkampf. Kinshasa ist nicht billig, nicht einmal für Europäer. Bezahlt werden muss in harten Dollars. Die erarbeiten sich Myriaden von fliegenden Händlern, Männer, Frauen und Kinder, indem sie tagein, tagaus Waren durch die Stadt schleppen, auf dem Kopf oder den Schultern. Wasserflaschen, Taschentücher, Kunsthandwerk, Baguettes, Obst, Snacks, Zigaretten. Andere schieben schwere Karren, Männer mit Handwagen, mitten im Verkehr. Die meisten Polizisten sind korrupt. Niemand hält an roten Ampeln, aus Angst, von ihnen ausgeraubt zu werden. Die Fenster von Massentaxis sind stark vergittert – aus demselben Grund. Das ist schlimm und dennoch nicht völlig unverständlich, weil die Staatsbediensteten unregelmäßig oder gar nicht bezahlt werden.

    Das, was ich in Kinshasa erledigen will, ist in wenigen Tagen getan. Ich treffe mich mit einer Gruppe von Sapeurs, diesen inzwischen schon legendären Dandys, die sich trotz Armut mit exquisiter Kleidung hervortun. Unter dem Diktator Mobutu, der afrikanische Dresscodes gesetzlich vorschrieb, waren sie so etwas wie die Punks in der westlichen Welt – nur unter umgekehrten Vorzeichen. Ich spreche mit dem Vertreter einer traditionell-afrikanischen Kirche, der mir deren kosmologische Vorstellungen näherbringt, wir sitzen zweieinhalb Stunden mitten in der Sonne, ohne Wasser, er redet ein Gemisch aus Lingala und Französisch, es ist sehr anstrengend.

    Daneben tausche ich mich mit vielen Kongolesen über mein Projekt aus, jeder hat etwas zu ergänzen und zu korrigieren, es nimmt immer genauere Formen an. Die Leiterin des Goethe-Instituts, Astrid Matron, hat mir dankenswerterweise einen Auftritt in der sehr gut eingeführten Lesungsreihe »Café littéraire de Missy« im Bistro des Institut français vermittelt. Missy ist eine freundliche Mittvierzigerin, die diese Veranstaltung blendend organisiert hat. Es ist viel Publikum da, weil ein Auszug aus einem Roman namens »Lumumba« angekündigt wurde. Ganz so ist der Arbeitstitel nicht, und das Buch handelt auch nicht unmittelbar von Lumumba, aber eine gewisse Rolle spielt er schon. Für die Kongolesen besitzt sein Name weiterhin große Strahlkraft, daher der rege Besuch. Nicht alle sehen ihn positiv. Manche denken, dass Lumumba die Unabhängigkeit zu schnell, zu planlos eingeführt habe, ähnlich, wie das auch der belgische Historiker David Van Reybrouck in seinem großen Buch »Kongo. Eine Geschichte« analysiert. Die Diskussion ist lang und heftig. Auch ich werde attackiert, manch einer fragt sich, warum ausgerechnet ich denn ein Buch über Lumumba schreiben sollte. Andere wiederum begrüßen das ausdrücklich. Die Moderatorin eilt mir ein ums andere Mal eloquent zur Hilfe; als ich ihr nachher dafür danke, sagt sie nonchalant, das sei für sie normal, im Hauptberuf sei sie Anwältin, und Leute zu verteidigen sei nun mal ihr Job.

    Auch diese Diskussion, von der ich im nachhinein sogar noch eine schriftliche Zusammenfassung erhalte, ist sehr nützlich, sie erlaubt Einblicke in die historische Selbstwahrnehmung der Kongolesen. Damit aber sind sämtliche Verpflichtungen abgegolten, die ich mir zur Beförderung des Romanprojekts auferlegt hatte. Doch es gab noch etwas anderes in Kinshasa zu tun.

    Zu Hause arbeite ich im Heinrich-Heine-Institut Düsseldorf. Als sich die Reisepläne konkretisierten, fragte man mich, ob ich meinen Aufenthalt dort nicht nutzen könnte, um in geeigneter Form auf das Heinrich-Heine-Stipendium hinzuweisen. Diese Förderung für internationale Studierende wird von der Heinrich-Heine-Universität angeboten, finanziert von der Stadt Düsseldorf, betreut unter anderem durch das Heine-Institut. Junge Forscherinnen und Forscher aus aller Welt, die eine Qualifizierungsarbeit über Heine schreiben, können sich dafür bewerben. Der oder die ausgewählte Glückliche erhält für fünf Monate eine großzügige Projektförderung. Bislang stammten die Stipendiaten aus China, Holland oder Kanada, noch nie aus Afrika. Daher würden Bewerbungen von dort besonders begrüßt.
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    Michael Runkel/IMAGO/robertharding

    Ein solches Angebot im Gepäck zu haben gefiel mir. Es war eine Chance, etwas zurückzugeben, wenigstens einer Person, wenn es denn jemandem aus Kinshasa gelänge, in den Genuss dieses Stipendiums zu gelangen. Monatelange bemühte ich mich vergeblich um Kontakt zu interessierten Hochschullehrern. Keiner meiner Gewährsleute konnte mir jemanden empfehlen. Auf der Webseite der Université de Kinshasa war ausgerechnet der Link zu den Belles Lettres tot, weder Kontaktdaten noch die Struktur entsprechender Studienseminare waren zu eruieren.

    Doch zwei Wochen bevor ich fuhr, klappte doch etwas. Man empfahl mir, mich an Professor André Yoka vom ­Institut National des Arts (INA) zu wenden, einer über den Kongo hinaus bekannten Hochschule für darstellende Künste. Yoka war Rektor der INA, inzwischen emeritiert, doch weiterhin dort aktiv. Er antwortete sofort. In Kinshasa kommt es zum Treffen mit ihm und dem Professor Yoris Ngaki. Beide sind neben ihrer Lehrtätigkeit selbst als Autoren tätig und zeigen sich sehr interessiert an dem Stipendienprogramm. Von Heine allerdings haben sie noch nie etwas gehört. Das ist seltsam, da dieser doch der frankophile deutsche Autor par excellence ist, als »Henri Heine« geradezu Teil der französischen Literaturgeschichte! Bereits zu Lebzeiten, als er noch nicht einmal 40 war, erschien eine erste französische Werkausgabe.
    Warum nicht Heine?

    Ich erzähle viel über ihn, seine Biographie, seinen Humanismus, sein Stück »Almansor«, das für Religionsfreiheit eintritt, in dem der berühmte Satz sich findet: »Dort wo man Bücher verbrennt, verbrennt man auch am Ende Menschen.« Das gefällt ihnen. In zwei Tagen soll es soweit sein – eine kleine Präsentation des Heinrich-Heine-Stipendiums in der INA. Das ist ein Samstag. Ich denke, dass dies eigentlich kein guter Tag für eine Veranstaltung mit Studierenden ist, und äußere das auch. Doch die Professoren wiegeln ab, nein, das sei kein Problem.

    Tatsächlich ist die Theateruni sehr belebt am Samstag morgen, offensichtlich ein normaler Studientag. Die INA ist ein wenig rumpelig, aus grobem Beton, aber nicht ohne Charme. Aktuell wird ein großzügiger Neubau erstellt – von chinesischen Bauherren. Chinesen investieren bekanntlich seit einigen Jahren in großem Maßstab im Kongo. Die einen sichern sich seltene Erden mit Waffen oder Intrigen, der chinesische Weg geht eben so.

    Die INA-Studierenden sind lässig, oft ungewöhnlich gekleidet, sie stechen heraus unter den Jugendlichen, die man hier auf den Straßen sieht. Ein smarter Bohemientyp mit Pepitahut, Professor Nzey van Musala, empfängt uns und sagt, dass es bald anfangen werde. Auch er ist Dramatiker. Mit Heine hat er sich vertraut gemacht. Es gibt einen sehr umfangreichen französischen Wikipedia-Artikel, nicht viel kürzer als der deutsche Eintrag. Nzey ist ziemlich angetan und versteht gar nicht, wieso ihn im Kongo keiner kennt: Goethe, Büchner, ja – aber warum nicht Heine? Besonders gefällt ihm, dass Heine viele politische Gedichte geschrieben hat, das sei ihm persönlich auch sehr wichtig. Er fragt, ob ich ihm eine Auswahl davon schicken könne – er würde gerne eine Revue mit dessen politischen Texten realisieren. Das sage ich gerne zu.

    Rund 50 Studierende finden sich ein, um meinen Ausführungen über das Heine-Institut, Heine selbst sowie das Stipendium zu lauschen. Professor Ngaki, der zu uns gestoßen ist, übersetzt alles, was ich sage – wegen »meines europäischen Dialekts«, der es den Zuhörern schwermache, mich zu verstehen. Ich hoffe, dass das keine Umschreibung dafür ist, wie schlecht meine französische Aussprache ist. Manche der Studierenden scheinen ohnehin nicht recht zu wissen, was das mit ihnen zu tun haben soll, andere sind sehr aufmerksam und schreiben alles mit. Das Stipendium ist sehr hoch dotiert. Allerdings muss man sich in seriöser und profunder Weise mit Heine beschäftigen.

    Die Stimmung ist sehr gut. Die beiden Professoren bestätigen die Studierenden, wo sie können. Ich habe die Bewerbungsformulare ins Französische übersetzt, biete mich zur Betreuung von potentiellen Interessenten an, auch von Deutschland aus. Wir werden sehen. Zum Abschluss werden Gruppenfotos geschossen, ein Teil der Studierenden und die Professoren. Danach lädt uns Nzey van Musala auf ein Bier am Stand um die Ecke ein. Wir sitzen unter einem Sonnenschirm im Sand, und Professor Nzey sinniert: Ja, so habe es einst mit Goethe in Kinshasa angefangen. Nun sei Heine an der Reihe, die Rezeption werde jetzt starten. Ich finde es nett, dass er das sagt, glaube aber natürlich nicht daran. Wir verabschieden uns freundlich. »Bis zum nächsten Mal.« Ich habe keine Ahnung, ob ich jemals wieder nach Kinshasa komme, obwohl sich hier so vieles aufgetan hat. Mein Versprechen, Nzey van Musala mit Texten zu versorgen, bekräftige ich und halte es auch.
    Französische Übersetzungen

    Bücher – per Post oder so – kann man leider nicht schicken, sie kämen nie an. Also suche ich verstärkt nach Internetquellen. Französische Übersetzungen gibt es in Hülle und Fülle. Ich beschaffe Professor Nzey einigen Lesestoff, scanne zudem Auszüge aus der Düsseldorfer Heine-Ausgabe. Er ist besonders interessiert an Theaterstücken. Viele hat Heine nicht geschrieben, zu seinen Lebzeiten wurde nur »Almansor« ein einziges Mal aufgeführt, es war ein Riesenmisserfolg. Aber die INA ist nun mal eine Theateruni, so gesehen.

    Wir bleiben in Kontakt. Er berichtet vom Plan, ein »Centre Heinrich Heine« in Kinshasa zu eröffnen. Dann von weiteren Fortschritten auf dem Weg dorthin. Ich kann es nicht fassen, es ist erst einen Monat her, dass ich Kinshasa verlassen habe, da hat er bereits ein Büro im Vorort Kinkolé aufgetan, wo er in Kürze mit jungen Studierenden dieses wahrscheinlich erste afrikanische Heine-Zentrum betreiben möchte. Soviel zu meinen Vorurteilen.

    Das Vorhaben nimmt Formen an. Die offizielle Eröffnung findet am 13. Dezember 2023 statt, Heines Geburtstag. Am 17. Februar 2024, Heines Todestag, will Nzey van Muzala mit der Compagnie Marabout Théâtre, als französischsprachige Uraufführung, Heines Stück »William Ratcliff« auf die Bühne bringen. Es wurde, lange nach Heines Tod, nur sehr vereinzelt in kleineren deutschen Theatern gespielt. Und jetzt das: Heine in Kinshasa, es ist zu verrückt! Ein winziger Stein, große Wellen.

    #Allemagne #Congo #RDC #lettres #culture #bourse

  • Chunqiu : Frühling und Herbst des Lü Buwei (呂氏春秋 / 吕氏春秋, . Lüshi chūnqiū) 2. Kapitel Anpassung an das Leben
    http://www.zeno.org/Philosophie/M/L%C3%BC+Bu+Wei/Chunqiu+-+Fr%C3%BChling+und+Herbst+des+L%C3%BC+Bu+We/Erster+Teil/Buch+I+-+Mong+Tschun+Gi/2.+Kapitel


    La première encyclopédie du monde, texte de 239 avant notre ère, Traduction de Richard Wilhelm >= 1900 à Quingdao

    A propos de l’armement, au moment de la publication du receuil son directeur Lǚ Bùwéi (呂不韋 / 吕不韦) avait déjà subi le même sort que Walter Benjamin.

    Die Weltleute, die den Reichtum wichtig nehmen, sind in Beziehung auf die Genüsse der Sinne ganz verblendet. Wenn man Tag und Nacht nach Glück strebt und es erlangt, so wird man zügellos. Aber wie will ein zügelloser Mensch es machen, daß sein Leben nicht verdirbt? Wenn 10000 Leute den Bogen ergreifen und gemeinsam nach einem Ziel schießen, so wird das Ziel sicher getroffen. Wenn 10000 Dinge gleißen und scheinen, um ein Leben zu verderben, so wird dieses Leben sicher verderben. Wenn aber alles dazu mithilft, dieses eine Leben zu fördern, so wird dieses Leben sicher lange dauern. Darum richtet der Weise den Gebrauch aller Dinge so ein, daß sie sein vom Himmel gegebenes Leben vollenden. Wer dieses Leben vollendet, dessen Geist kommt in Harmonie, sein Auge wird klar, sein Ohr verständig, sein Geruch fein, sein Geschmack scharf, und alle seine Glieder werden gewandt und frei. Ein solcher Mann findet Glauben, ohne zu reden, trifft das Rechte, ohne sich vorher zu überlegen, findet sein Ziel, ohne sich vorher zu besinnen. Denn sein Geist durchdringt Himmel und Erde, und sein Verstand umfaßt das Weltall. Er steht den Dingen so gegenüber, daß alle zu seiner Verfügung stehen und ihm dienen müssen; er gleicht darin Himmel und Erde. Ist er hoch droben auf dem Königsthron, so wird er nicht stolz; ist er tief drunten als gemeiner Mann, so wird er nicht traurig darüber. Von einem solchen Mann kann man sagen, daß er seinen Charakter vollkommen gemacht hat. Ehre und Reichtum ohne die Erkenntnis, daß Wohlhabenheit ins Elend führt, ist schlimmer als Armut und Niedrigkeit. Denn wer arm und niedrig ist, dem fällt es schwer, die Dinge an sich zu raffen. Selbst wenn er Luxus treiben wollte, wie könnte[5] er’s denn? Auf der Straße der Wagen und im Hause der Fahrstuhl, man sucht sie, um es sich selbst bequem zu machen, aber sie heißen Maschinen zur Herbeiführung der Lähmung. Fettes Fleisch und alter Wein, man sucht sie, um sich selbst zu stärken, aber man heißt sie Gifte, die die Eingeweide faulen machen. Zarte Wangen und weiße Zähne und die verführerischen Töne von Tschong und We, man sucht sie, um sich selbst zu ergötzen, aber sie heißen die Axt, die das Leben fällt. Aber diese drei Übel sind die Folgen von Ehre und Reichtum. Darum gab es unter den Menschen des Altertums solche, die sich weigerten, geehrt und reich zu werden, weil sie das Leben wichtig nahmen. Wer sich nicht durch eitle Namen betören lassen will, sondern die Wirklichkeit wichtig nimmt, der darf diese Mahnung nicht unbeachtet lassen.

    https://zh.m.wikipedia.org/wiki/%E5%90%95%E6%B0%8F%E6%98%A5%E7%A7%8B

    #Chine #lettres #encyclopédie #armement

  • Über die allmähliche Verfertigung
    der Gedanken beim Reden
    Heinrich von Kleist an R[ühle] v. L[ilienstern]
    http://www.zeno.org/Literatur/M/Kleist,+Heinrich+von/%C3%84sthetische,+philosophische+und+politische+Schriften/%C3%9Cber+die+allm%C3%A4hliche+Verfertigung+der+Gedanken+beim+Reden?hl=kleist+

    A propos de la relation de la pensée et du discours public, avec des références à Honoré-Gabriel Riqueti de Mirabeau et Jean de La Fontaine

    Wenn du etwas wissen willst und es durch Meditation nicht finden kannst, so rate ich dir, mein lieber, sinnreicher Freund, mit dem nächsten Bekannten, der dir aufstößt, darüber zu sprechen. Es braucht nicht eben ein scharfdenkender Kopf zu sein, auch meine ich es nicht so, als ob du ihn darum befragen solltest: nein! Vielmehr sollst du es ihm selber allererst erzählen. Ich sehe dich zwar große Augen machen, und mir antworten, man habe dir in frühern Jahren den Rat gegeben, von nichts zu sprechen, als nur von Dingen, die du bereits verstehst. Damals aber sprachst du wahrscheinlich mit dem Vorwitz, andere, ich will, daß du aus der verständigen Absicht sprechest, dich zu belehren, und so könnten, für verschiedene Fälle verschieden, beide Klugheitsregeln vielleicht gut nebeneinander bestehen. Der Franzose sagt, l’appétit vient en mangeant, und dieser Erfahrungssatz bleibt wahr, wenn man ihn parodiert, und sagt, l’idée vient en parlant. Oft sitze ich an meinem Geschäftstisch über den Akten, und erforsche, in einer verwickelten Streitsache, den Gesichtspunkt, aus welchem sie wohl zu beurteilen sein möchte. Ich pflege dann gewöhnlich ins Licht zu sehen, als in den hellsten Punkt, bei dem Bestreben, in welchem mein innerstes Wesen begriffen ist, sich aufzuklären. Oder ich suche, wenn mir eine algebraische Aufgabe vorkommt, den ersten Ansatz, die Gleichung, die die gegebenen Verhältnisse ausdrückt, und aus welcher sich die Auflösung nachher durch Rechnung leicht ergibt. Und siehe da, wenn ich mit meiner Schwester davon rede, welche hinter mir sitzt, und arbeitet, so erfahre ich, was ich durch ein vielleicht stundenlanges Brüten nicht herausgebracht haben würde. Nicht, als ob sie es mir, im eigentlichen Sinne sagte; denn sie kennt weder das Gesetzbuch, noch hat sie den Euler, oder den Kästner studiert. Auch nicht, als ob sie mich durch geschickte Fragen auf den Punkt hinführte, auf[453] welchen es ankommt, wenn schon dies letzte häufig der Fall sein mag. Aber weil ich doch irgendeine dunkle Vorstellung habe, die mit dem, was ich suche, von fern her in einiger Verbindung steht, so prägt, wenn ich nur dreist damit den Anfang mache, das Gemüt, während die Rede fortschreitet, in der Notwendigkeit, dem Anfang nun auch ein Ende zu finden, jene verworrene Vorstellung zur völligen Deutlichkeit aus, dergestalt, daß die Erkenntnis, zu meinem Erstaunen, mit der Periode fertig ist. Ich mische unartikulierte Töne ein, ziehe die Verbindungswörter in die Länge, gebrauche auch wohl eine Apposition, wo sie nicht nötig wäre, und bediene mich anderer, die Rede ausdehnender, Kunstgriffe, zur Fabrikation meiner Idee auf der Werkstätte der Vernunft, die gehörige Zeit zu gewinnen. Dabei ist mir nichts heilsamer, als eine Bewegung meiner Schwester, als ob sie mich unterbrechen wollte; denn mein ohnehin schon angestrengtes Gemüt wird durch diesen Versuch von außen, ihm die Rede, in deren Besitz es sich befindet, zu entreißen, nur noch mehr erregt, und in seiner Fähigkeit, wie ein großer General, wenn die Umstände drängen, noch um einen Grad höher gespannt. In diesem Sinne begreife ich, von welchem Nutzen Molière seine Magd sein konnte; denn wenn er derselben, wie er vorgibt, ein Urteil zutraute, das das seinige berichten konnte, so ist dies eine Bescheidenheit, an deren Dasein in seiner Brust ich nicht glaube. Es liegt ein sonderbarer Quell der Begeisterung für denjenigen, der spricht, in einem menschlichen Antlitz, das ihm gegenübersteht; und ein Blick, der uns einen halbausgedrückten Gedanken schon als begriffen ankündigt, schenkt uns oft den Ausdruck für die ganze andere Hälfte desselben. Ich glaube, daß mancher große Redner, in dem Augenblick, da er den Mund aufmachte, noch nicht wußte, was er sagen würde. Aber die Überzeugung, daß er die ihm nötige Gedankenfülle schon aus den Umständen, und der daraus resultierenden Erregung seines Gemüts schöpfen würde, machte ihn dreist genug, den Anfang, auf gutes Glück hin, zu setzen.

    Mir fällt jener »Donnerkeil« des Mirabeau ein, mit welchem er den Zeremonienmeister abfertigte, der nach Aufhebung der letzten monarchischen Sitzung des Königs am 23. Juni, in welcher dieser den Ständen auseinanderzugehen anbefohlen hatte, in den Sitzungssaal, in welchem die Stände noch verweilten, zurückkehrte, und sie befragte, ob sie den Befehl des Königs vernommen hätten? »Ja«, antwortete Mirabeau, »wir haben des Königs Befehl vernommen« – ich bin gewiß, daß er bei diesem humanen Anfang, noch nicht an die Bajonette dachte, mit welchen er schloß: »ja, mein Herr«, wiederholte er, »wir haben ihn vernommen« – man sieht, daß er noch gar nicht recht weiß, was er will. »Doch was berechtigt Sie« – fuhr er fort, und nun plötzlich geht ihm ein Quell ungeheurer Vorstellungen auf – »uns hier Befehle anzudeuten? Wir sind die Repräsentanten der Nation.« – Das war es was er brauchte! »Die Nation gibt Befehle und empfängt keine« – um sich gleich auf den Gipfel der Vermessenheit zu schwingen. »Und damit ich mich Ihnen ganz deutlich erkläre« – und erst jetzo findet er, was den ganzen Widerstand, zu welchem seine Seele gerüstet dasteht, ausdrückt: »so sagen Sie Ihrem Könige, daß wir unsre Plätze anders nicht, als auf die Gewalt der Bajonette verlassen werden.« – Worauf er sich, selbst zufrieden, auf einen Stuhl niedersetzte. – Wenn man an den Zeremonienmeister denkt, so kann man sich ihn bei diesem Auftritt nicht anders, als in einem völligen Geistesbankrott vorstellen; nach einem ähnlichen Gesetz, nach welchem in einem Körper, der von dem elektrischen Zustand Null ist, wenn er in eines elektrisierten Körpers Atmosphäre kommt, plötzlich die entgegengesetzte Elektrizität erweckt wird. Und wie in dem elektrisierten dadurch, nach einer Wechselwirkung, der ihm inwohnende Elektrizitätsgrad wieder verstärkt wird, so ging unseres Redners Mut, bei der Vernichtung seines Gegners, zur verwegensten Begeisterung über.

    Vielleicht, daß es auf diese Art zuletzt das Zucken einer Oberlippe war, oder ein zweideutiges Spiel an der Manschette, was in Frankreich den Umsturz der Ordnung der Dinge bewirkte. Man liest, daß Mirabeau, sobald der Zeremonienmeister sich entfernt hatte, aufstand, und[455] vorschlug: 1) sich sogleich als Nationalversammlung, und 2) als unverletzlich, zu konstituieren. Denn dadurch, daß er sich, einer Kleistischen Flasche gleich, entladen hatte, war er nun wieder neutral geworden, und gab, von der Verwegenheit zurückgekehrt, plötzlich der Furcht vor dem Chatelet, und der Vorsicht, Raum. – Dies ist eine merkwürdige Übereinstimmung zwischen den Erscheinungen der physischen und moralischen Welt, welche sich, wenn man sie verfolgen wollte, auch noch in den Nebenumständen bewähren würde. Doch ich verlasse mein Gleichnis, und kehre zur Sache zurück. Auch Lafontaine gibt, in seiner Fabel: Les animaux malades de la peste, wo der Fuchs dem Löwen eine Apologie zu halten gezwungen ist, ohne zu wissen, wo er den Stoff dazu hernehmen soll, ein merkwürdiges Beispiel von einer allmählichen Verfertigung des Gedankens aus einem in der Not hingesetzten Anfang. Man kennt diese Fabel. Die Pest herrscht im Tierreich, der Löwe versammelt die Großen desselben, und eröffnet ihnen, daß dem Himmel, wenn er besänftigt werden solle, ein Opfer fallen müsse. Viele Sünder seien im Volke, der Tod des größesten müsse die übrigen vom Untergang retten. Sie möchten ihm daher ihre Vergehungen aufrichtig bekennen. Er, für sein Teil gestehe, daß er, im Drange des Hungers, manchem Schafe den Garaus gemacht; auch dem Hunde, wenn er ihm zu nahe gekommen; ja, es sei ihm in leckerhaften Augenblicken zugestoßen, daß er den Schäfer gefressen. Wenn niemand sich größerer Schwachheiten schuldig gemacht habe, so sei er bereit zu sterben. »Sire«, sagt der Fuchs, der das Ungewitter von sich ableiten will, »Sie sind zu großmütig. Ihr edler Eifer führt Sie zu weit. Was ist es, ein Schaf erwürgen? Oder einen Hund, diese nichtswürdige Bestie?« Und: »quant au berger«, fährt er fort, denn dies ist der Hauptpunkt: »on peut dire«, obschon er noch nicht weiß was? »qu’il méritoit tout mal«, auf gut Glück; und somit ist er verwickelt; »étant«, eine schlechte Phrase, die ihm aber Zeit verschafft: »de ces genslà«, und nun erst findet er den Gedanken, der ihn aus der Not reißt: »qui sur les animaux se font un chimérique empire.« –[456] Und jetzt beweist er, daß der Esel, der blutdürstige! (der alle Kräuter auffrißt) das zweckmäßigste Opfer sei, worauf alle über ihn herfallen, und ihn zerreißen. – Ein solches Reden ist ein wahrhaftes lautes Denken. Die Reihen der Vorstellungen und ihrer Bezeichnungen gehen nebeneinander fort, und die Gemütsakten für eins und das andere, kongruieren. Die Sprache ist alsdann keine Fessel, etwa wie ein Hemmschuh an dem Rade des Geistes, sondern wie ein zweites, mit ihm parallel fortlaufendes, Rad an seiner Achse. Etwas ganz anderes ist es wenn der Geist schon, vor aller Rede, mit dem Gedanken fertig ist. Denn dann muß er bei seiner bloßen Ausdrückung zurückbleiben, und dies Geschäft, weit entfernt ihn zu erregen, hat vielmehr keine andere Wirkung, als ihn von seiner Erregung abzuspannen. Wenn daher eine Vorstellung verworren ausgedrückt wird, so folgt der Schluß noch gar nicht, daß sie auch verworren gedacht worden sei; vielmehr könnte es leicht sein, daß die verworrenst ausgedrückten grade am deutlichsten gedacht werden. Man sieht oft in einer Gesellschaft, wo durch ein lebhaftes Gespräch, eine kontinuierliche Befruchtung der Gemüter mit Ideen im Werk ist, Leute, die sich, weil sie sich der Sprache nicht mächtig fühlen, sonst in der Regel zurückgezogen halten, plötzlich mit einer zuckenden Bewegung, aufflammen, die Sprache an sich reißen und etwas Unverständliches zur Welt bringen. Ja, sie scheinen, wenn sie nun die Aufmerksamkeit aller auf sich gezogen haben, durch ein verlegnes Gebärdenspiel anzudeuten, daß sie selbst nicht mehr recht wissen, was sie haben sagen wollen. Es ist wahrscheinlich, daß diese Leute etwas recht Treffendes, und sehr deutlich, gedacht haben. Aber der plötzliche Geschäftswechsel, der Übergang ihres Geistes vom Denken zum Ausdrücken, schlug die ganze Erregung desselben, die zur Festhaltung des Gedankens notwendig, wie zum Hervorbringen erforderlich war, wieder nieder. In solchen Fällen ist es um so unerläßlicher, daß uns die Sprache mit Leichtigkeit zur Hand sei, um dasjenige, was wir gleichzeitig gedacht haben, und doch nicht gleichzeitig von uns geben können, wenigstens so[457] schnell, als möglich, aufeinander folgen zu lassen. Und überhaupt wird jeder, der, bei gleicher Deutlichkeit, geschwinder als sein Gegner spricht, einen Vorteil über ihn haben, weil er gleichsam mehr Truppen als er ins Feld führt. Wie notwendig eine gewisse Erregung des Gemüts ist, auch selbst nur, um Vorstellungen, die wir schon gehabt haben, wieder zu erzeugen, sieht man oft, wenn offene, und unterrichtete Köpfe examiniert werden, und man ihnen ohne vorhergegangene Einleitung, Fragen vorlegt, wie diese: was ist der Staat? Oder: was ist das Eigentum? Oder dergleichen. Wenn diese jungen Leute sich in einer Gesellschaft befunden hätten, wo man sich vom Staat, oder vom Eigentum, schon eine Zeitlang unterhalten hätte, so würden sie vielleicht mit Leichtigkeit durch Vergleichung, Absonderung, und Zusammenfassung der Begriffe, die Definition gefunden haben. Hier aber, wo diese Vorbereitung des Gemüts gänzlich fehlt, sieht man sie stocken, und nur ein unverständiger Examinator wird daraus schließen daß sie nicht wissen. Denn nicht wir wissen, es ist allererst ein gewisser Zustand unsrer, welcher weiß. Nur ganz gemeine Geister, Leute, die, was der Staat sei, gestern auswendig gelernt, und morgen schon wieder vergessen haben, werden hier mit der Antwort bei der Hand sein. Vielleicht gibt es überhaupt keine schlechtere Gelegenheit, sich von einer vorteilhaften Seite zu zeigen, als grade ein öffentliches Examen. Abgerechnet, daß es schon widerwärtig und das Zartgefühl verletzend ist, und daß es reizt, sich stetig zu zeigen, wenn solch ein gelehrter Roßkamm uns nach den Kenntnissen sieht, um uns, je nachdem es fünf oder sechs sind, zu kaufen oder wieder abtreten zu lassen: es ist so schwer, auf ein menschliches Gemüt zu spielen und ihm seinen eigentümlichen Laut abzulocken, es verstimmt sich so leicht unter ungeschickten Händen, daß selbst der geübteste Menschenkenner, der in der Hebeammenkunst der Gedanken, wie Kant sie nennt, auf das meisterhafteste bewandert wäre, hier noch, wegen der Unbekanntschaft mit sei nem Sechswöchner, Mißgriffe tun könnte. Was übrigens solchen jungen Leuten, auch selbst den[458] unwissendsten noch, in den meisten Fällen ein gutes Zeugnis verschafft, ist der Umstand, daß die Gemüter der Examinatoren, wenn die Prüfung öffentlich geschieht, selbst zu sehr befangen sind, um ein freies Urteil fällen zu können. Denn nicht nur fühlen sie häufig die Unanständigkeit dieses ganzen Verfahrens: man würde sich schon schämen, von jemandem, daß er seine Geldbörse vor uns ausschütte, zu fordern, viel weniger, seine Seele: sondern ihr eigener Verstand muß hier eine gefährliche Musterung passieren, und sie mögen oft ihrem Gott danken, wenn sie selbst aus dem Examen gehen können, ohne sich Blößen, schmachvoller vielleicht, als der, eben von der Universität kommende, Jüngling gegeben zu haben, den sie examinierten.

    (Die Fortsetzung folgt.)

    Quelle: Heinrich von Kleist: Werke und Briefe in vier Bänden. Band3, Berlin und Weimar 1978, S. 385,460.
    Permalink: http://www.zeno.org/nid/20005169518
    Lizenz: Gemeinfrei #CC0
    Kategorien: #Deutsche_Literatur #Theoretische_Schrift

    Honoré-Gabriel Riqueti de Mirabeau
    https://fr.wikipedia.org/wiki/Honor%C3%A9-Gabriel_Riqueti_de_Mirabeau

    #Germanistik #Sprachwissenschaft #lettres #réthorique #pensée #révolution

  • Lu Xun’s “Medicine”: the triple meaning of medicine
    https://min.news/en/culture/45fe36455a2a4aff55a9247c8d2c423d.html

    We all know that Lu Xun, as a young man, used to pawn goods in a pawnshop every day for more than four years, and then bought medicine from the pharmacy and fried it. At that time, the medicinal primers were strange, like reed roots in winter, sugarcane that had been frosted for three years, and crickets. Even so, his sick father died after all.

    Lu Xun’s “Medicine”: the triple meaning of medicine

    So Lu Xun came to Japan to study medicine. In this regard, his thoughts are as follows:

    My dream is very happy. I am preparing to come back from graduation, to treat the sufferings of misguided patients like my father, and to become a military doctor during the war, which has promoted the people’s belief in the reform.

    His thoughts remained the same, until in a short film about current affairs in the classroom, he saw the numb scene of Chinese people watching the Chinese people beheaded. This scene dissipated the intimacy he had seen long-lost Chinese people in a foreign land, and what came out of it was a strong shock.

    From then on, Lu Xun abandoned medicine and went to literature because he felt

    Medicine is not an important matter. All the weak citizens, no matter how healthy they are and how strong they are, they can only serve as materials and spectators to show the public that are meaningless.

    He advocated the literary movement, and he ran a magazine called “Xinsheng” in Japan, but it failed after all. He felt the loneliness of being in the wasteland, with neither approval nor opposition, only endless silence.

    After returning to China, Lu Xun buried his head in ancient books all day long to numb himself. Later, he still picked up his pen and shouted in this boundless wasteland.

    “Medicine” is a classic novel included in “The Scream”. I think his own personal experience is the writing background of this novel.

    Yihua Xiaoshuan medicine
    What is the medicine?

    The medicine is a steamed bun with human blood wrapped in the mouth, and it is an absurd medicine that can cure small embolism.

    Lu Xun’s “Medicine”: the triple meaning of medicine

    This medicine is a bit like the strange drug primers used by Lu Xun when he was grabbing medicine for his father when he was young. It was mysterious and extremely difficult to obtain.

    Hua Laoshuan and his wife also spent a lifetime saving and bought them from their servants in a hurry.

    Of course, the final result can be imagined, Xiaoshuan is still dead.

    Tuberculosis is now called tuberculosis. Human blood steamed buns can cure tuberculosis, which is ridiculous to us today. But for the people at that time, it was going to the hospital in a hurry.

    Behind the human blood steamed buns are the souls who have been mistreated by quack doctors and feudal superstitions.

    This medicine is fake and harmful.

    Medicine for the people
    Numbness was the norm in society at that time.

    The execution ground is like this. When Hua Laoshuan was going to buy medicine, a group of young people walked by him and laughed at him “huh, old man”. It seems that decapitation is the exclusive pastime of young people, and old people are not worthy to come. Moreover, there are so many young people who can push him down like a tide.


    Lu Xun’s “Medicine”: the triple meaning of medicine

    The same is true in teahouses. When the people in the teahouse talked about the beheaded revolutionary, they were rather irrelevant and held up high. They don’t know who the revolutionaries are for, and they don’t care. When they heard the revolutionaries scold the army leader for being pitiful, they only realized it suddenly and returned to normal. It can be seen that the illness is extremely serious.

    Lu Xun’s pen has written all the ignorance of that era, and he used his writing to turn it into a good medicine in an attempt to heal the sick society.

    Medicine for medical revolutionaries
    In the article, the revolutionary Xia Yu did not appear, but in the article he was beheaded, talked about, and worshipped. He is everywhere.

    He was accused by his relative Xia Sanye for personal gain. He still advised the giants who wanted to squeeze the last profit in prison. After he was beheaded, he was still beheaded by Uncle Kang to sell people’s blood buns.

    Lu Xun’s “Medicine”: the triple meaning of medicine

    He is cute and pathetic. His experience was sympathetic, and it also sounded a kind of vigilance for the revolutionaries who followed suit.

    An impulsive and reckless revolution, a revolution that departs from the base of the people and the nuns, will eventually fail.

    The sad revolutionary died because of the ignorant people, but the ignorant people regarded this sacrifice as a personal gain.

    From Xia Yu’s neat wreaths, it can be seen that Lu Xun should have sympathy and admiration for such revolutionaries.

    This medicine is Lu Xun’s refreshing medicine for revolutionaries. Make a rational revolution and avoid unnecessary sacrifices.

    Concluding remarks
    At the end of the novel, the mothers of the two deceased Hua and Xia came to the grave and met unexpectedly. One is a revolutionary, and the other eats a bun with the blood of a revolutionary.

    Huaxia represents China, and Huaxia is originally a family.

    This can’t help but want to die the poem, “It was born from the same root, so why is it too anxious to worry about each other”.

    #Chine #lettres histoire #médecine

  • Auch ein Fall von Cancel-Culture: Die DDR-Literatur wird im Westen ignoriert
    https://www.freitag.de/autoren/markus-steinmayr/auch-ein-fall-von-cancel-culture-die-ddr-literatur-wird-im-westen-ignoriert

    Markus Steinmayr - Oschmann-Debatte Christa Wolf, Bruno Apitz, Heiner Müller: Auch die einst so gelobte DDR-Literatur wurde abgewickelt. Zeit für eine Anerkennung

    Dass etwas schief gelaufen ist mit der Überführung der DDR-Literatur in das gesamtdeutsche kulturelle Gedächtnis, merkt man, wenn man in Antiquariaten ist. Die Ost-Ausgabe der Werke Bertolt Brechts ist für wenig Geld zu haben, Anna Seghers wird verramscht. Nachdem die DDR-Germanistik als ideologisch abgestempelt und durch eine Art Gesinnungstreuhand abgewickelt worden ist, bekommt man heutzutage die äußerst verdienstvolle Geschichte der deutschen Literatur des „Autorenkollektivs“ fast geschenkt. Auch DDR-Ausgaben, wie die des Romantikers Joseph von Eichendorff oder des Aufklärers Gotthold Ephraim Lessing, bestechen durch philologische Genauigkeit und luzide Kommentare.

    Die großartigen Leistungen des Literaturbetriebs in der DDR und ihrer Wissenschaft sind heute größtenteils vergessen oder antiquarisch. Sie sind Nachrichten aus einem verschwundenen Land, aus einer scheinbar untergegangenen Kultur. Ich sage dies als Westdeutscher, der aufgrund eines großartigen Lehrers an einem westdeutschen Gymnasium recht früh mit Christa Wolf, Hermann Kant, Fritz Rudolf Fies, Bruno Apitz, Heiner Müller und vor allem mit den ostdeutschen Übersetzungen russischer Literatur in Berührung gekommen ist. Ostalgie ist bei mir daher rein literarisch und kulturell, manchmal auch ein bisschen politisch. Die Leipziger Buchmesse ist ein willkommener Anlass, an das Vergessene, Verdrängte, Gecancelte der DDR-Literatur und -kultur zu erinnern.

    Ordnung der Archive

    Dirk Oschmann hat von einer „Löschung des Textgedächtnisses“ der Deutschen Demokratischen Republik gesprochen. Dies ist ein Befund, keine Warnung. Oschmann hat vollkommen recht. Wer weiß heute noch, dass Bruno Apitz’ Nackt unter Wölfen genuine Literatur der DDR ist? Wer kennt noch Fritz Rudolf Fries’ Verlegung eines mittleren Reiches von 1984?

    Die apokalyptische Geschichte einer Welt nach dem Atomkrieg wird in Fragmenten und losen Aufzeichnungen erzählt, die Ebenen der Wirklichkeit ineinander verschachtelt, der Leser in Unruhe versetzt. Umbrüche sind eben auch Umbrüche in der Ordnung der Archive und der Rezeption. Ohne die Reverenz an Fries ist daher, um in der Gegenwart anzukommen, Uwe Tellkamps neues Buch, Der Schlaf in den Uhren, meines Erachtens nicht zu verstehen.

    Jüngst hat Clemens Meyer in seinem Buch über Christa Wolf noch einmal die DDR-Literatur als Referenzsystem seines Schreibens hervorgehoben. Es ist nicht nur ein Buch über Christa Wolf, sondern ein Buch über die vergessenen Autorinnen und Autoren der DDR-Literatur wie Werner Heiduczek, Erik Neutsch und andere. Meyer braucht dazu gar keinen Ost-West-Konflikt aufzumachen.

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    Nicht canceln

    Es wird sehr deutlich, dass sein Schreiben wesentlich mehr der Lektüre von Bräunig, Wolf, Schernikau, Fühmann und anderen verdankt, als westdeutsche Literaturwissenschaftler glauben, die ihn etwas vorschnell in klassistische Kategorien einordnen. Beide, Tellkamp und Meyer, machen in ihren Büchern deutlich, dass die Tradition „DDR-Literatur“ existiert, im Osten mehr als im Westen. Sie ist ein wesentlicher Bestandteil unserer gemeinsamen literarischen Tradition.

    Als solche muss sie anerkannt, sie darf nicht gecancelt werden. Sie verdient Respekt, vor allem von Westdeutschen, die sich in ihrer bildungsbürgerlichen oder identitätspolitischen Bubble eingerichtet haben. Ich wünsche mir für die zukünftige Auseinandersetzung mit der literarischen Tradition der DDR, dass ihr Eigenwert endlich anerkannt, dass der postkoloniale Status der ehemaligen DDR-Gebiete endlich gesehen wird.

    #Allemagne #DDR #littérature #lettres

  • I’m Not the Man I Used to Be | The Nation
    https://www.thenation.com/article/archive/im-not-man-i-used-be

    The reasons for Günter Grass’s silence about his membership in the Waffen SS remain safely hidden in his new memoir.

    July 26, 2007 by Andreas Huyssen

    The onion is not a refined vegetable. It is a cheap, humble staple used in cooking the world over. As a representative of German literature, Günter Grass has always been the onion to Thomas Mann’s artichoke–down-to-earth, exuberantly realistic, picaresque rather than sophisticated or Olympian. Peeling the Onion fulfills such expectations and more. In Grass’s literary memoir the onion is a metaphor for the complex and slippery layers of human memory: “The onion has many skins. A multitude of skins. Peeled, it renews itself; chopped, it brings tears; only during peeling does it speak the truth.”

    In The Tin Drum, the 1959 novel that made his reputation and won him the 1999 Nobel Prize, the onion brought both tears and truth, but there Grass was sending up the clammed-up world of early postwar Germany, which lacked the words–the conscience–to come to terms with its recent past. “In the Onion Cellar,” the title of a famous chapter in the novel, refers to a popular nightclub in Düsseldorf’s Altstadt (Old Town) run by a man whose hobby is shooting sparrows on the banks of the Rhine. At the club, he ceremoniously serves onions with cutting boards and knives to his guests–businessmen, doctors, lawyers, artists, government officials and their wives, mistresses or secretaries–who sit at scrubbed plank tables slicing the vegetable. The ritual produces a flood of bottled-up tears accompanied by confessions, revelations and self-accusations. The onion juice overcomes the post-Nazi inability to mourn, diagnosed by psychoanalysts Alexander and Margarete Mitscherlich some ten years later as the social pathology of the West German “economic miracle.” But there is something fundamentally suspect about this kind of “overcoming.” Grass’s satire laid bare the ambiguity of such self-serving confessions.

    Düsseldorfers always knew that the model for the Onion Cellar was the artists’ hangout Czikos in the Altstadt. When The Tin Drum was published, the Czikos was still famous for its piping hot, generously peppered goulash, which indeed brought people to tears, if not to confessions and revelations. In Grass’s memoir, the Onion Cellar acquires another dimension. It was at the Czikos in the 1950s that Grass and two friends performed their own version of jazz–a flute, a banjo and Grass’s washboard in lieu of Oskar Matzerath’s tin drum. Czikos, Grass informs us, was also the site of an encounter so typical of the mingling of things German with things American at the time. One evening, after a jam session in Düsseldorf, Louis Armstrong dropped in. Intrigued by the flute’s transformation of German folk songs into jazz rhythms and blues, Armstrong had someone pick up his horn at his hotel, and then sat in with Grass and his friends on a few tunes. Blues in the Onion Cellar: The scene richly suggests how American culture could nurture rebellious–though still apolitical–energies during the postwar restoration under West German Chancellor Konrad Adenauer.

    The Tin Drum, by contrast, was explicitly political, satirizing everyday life under Fascism and the postwar emotional hardening of the collective German mind (evoked by the Onion Cellar’s theater of repression and self-indulgent release). A landmark in postwar German literature, the novel confronted Germans with the legacies of the Third Reich in the ambiguous tale of Oskar Matzerath, the tin drummer. Matzerath’s story spans the war and immediate postwar years–roughly the same period of many of the events retold and transformed in Grass’s memoir. But where the novel creatively transformed life into literature, the reader now witnesses the process in reverse. Here, however, almost fifty years after the publication of The Tin Drum, it is Grass’s legacy as truth-teller that is in question.

    The “revelation” that caused such an uproar late last summer–that for a few months at the end of the war the author served as a drafted member of the Waffen SS–has not been dampened by the crocodile tears shed by the nouveaux riches and bohemian intellectuals gathered in the Onion Cellar. Contrition and self-accusation have never characterized Grass’s work or self-image, and the memoir is no exception. The onion’s “truth” is rather, perhaps, a final footnote to the all too well-known story of the last Hitler Youth generation, the 16- and 17-year-old boys drafted in the closing months of the war to stave off Germany’s inevitable military defeat; those who returned alive successfully established themselves as the first generation of a postwar democratic West Germany after the alleged Stunde Null–Zero Hour, the fall of the Reich, which was experienced as both defeat and liberation. Unlike some of his peers, Grass had never made a secret of the fact that as a member of the Hitler Youth he had believed in the Führer and volunteered for the submarines at 16. But he never made public his service in the Waffen SS, an elite Nazi fighting unit declared a criminal organization at the Nuremberg trials.

    The chorus of denunciations in Germany came from all sides–from those on the right who had always hated Grass’s social democratic politics and “immoral” writing, from those on the radical left who considered him a captive to reformist Social Democrats and from a younger German generation resentful that old-timers like Grass, Martin Walser and Hans Magnus Enzensberger are still stealing the limelight.

    I, too, felt betrayed by a literary idol of my youth when I first heard about Grass’s membership in the Waffen SS. I, too, was tempted to ride the moral high horse: How could Grass, famous since the 1960s for accusing high officials in the West German government of hiding their Nazi past and insisting on public penance, keep this secret for so long? How could he have left even his biographers with the assumption that, like so many other teenagers in 1944-45, he served only as a Flakhelfer, a youth conscript, rather than as a member of the Waffen SS? And why reveal it now, just as his memoir was hitting the market? Was it the need of a writer approaching his 80th birthday to come clean, or was it a clever marketing strategy? Or was it simply his wish, as he claims unapologetically in the memoir, to have the last word, denying his many opponents the pleasure of finding out first? For discovery was inevitable. The POW papers documenting his Waffen SS membership are unambiguous. It was just that nobody, not even his biographers, had bothered to check the details.

    The reasons for Grass’s silence lie safely hidden in the memoir. And in his public statements since Peeling the Onion was published in Germany late last summer, he has been no more forthcoming about his decision to remain silent about this aspect of his past, further fueling the outrage of his critics (not a few of them disappointed admirers). To many, his legacy not just as a public intellectual but as a writer has been seriously damaged. After my initial reaction, however, I felt increasingly reluctant to point the finger at someone whose self-righteous moralizing about German politics had annoyed me time and again over the past few decades–particularly his stubborn insistence on the division of Germany as permanent penance for the crimes of Nazism and his often shrill anti-Americanism. To moralize about Grass’s lack of candor just seemed too easy.

    And when I began to peel the onion by reading the memoir, I was further convinced that my sense of betrayal had overshot its mark. Grass comes down hard and unsentimentally on his inability as a young man to read the signs of the times–the nonconformist fellow student who one day disappeared from the classroom; the Catholic teacher who ended up in a nearby concentration camp; his mother’s hints about the persecution of the Jews. Indoctrinated as he was, he saw and looked away. Günter Grass’s éducation politique was slow in taking shape, and his memoir acknowledges it.

    Reading the skins of the onion, Grass provides a vivid account of his adolescence in the cramped, petit-bourgeois Danzig milieu that made the Nazi promises of heroism and adventure on the seas look like such an appealing escape. The reality was decidedly less romantic: Grass survived by the skin of his teeth and sheer luck in the chaos of the war’s last months, escaping through the woods after his tank unit was decimated in a surprise attack by the advancing Soviet army. Quite plausibly, he claims never to have fired a single shot. The new division of the Waffen SS into which he was drafted fell apart under the Soviet onslaught almost as soon as it was formed.

    This is not the story of an exceptional youth but of a 17-year-old German everyman, viewed unsparingly by the same man six decades later. Of course, there are lapses of memory, uncertainties about details. Grass acknowledges them head-on, if sometimes a bit too coyly. Not everything is written securely in the peels of the onion. But the fact that he describes his youthful self alternately in the first and third person is not evidence of evasion, or of some mendacious effort to blur the line between memoir and fiction, as some have charged. Rather, this oscillation in perspective marks the distance between the memoirist and his teenage self.

    As the narrative moves to the late 1940s and into the following decade, Grass remains true to his earlier self in his descriptions of young Günter’s three desires: real hunger, especially in the “hunger years” immediately following the end of the war; adolescent hunger for sex; and a budding hunger for art. Everything Grass writes about life in Düsseldorf and Berlin at the time resonates vividly, evoked in his signature picaresque tone and with his typical focus on the absurd in everyday life. Of public culture and political history, however, he has strikingly little to say: Neither his later vocal hostility toward the Adenauer restoration nor his engagement with the Social Democrats is evident yet. Like many Germans after the war, Grass shunned politics and found consolation (and, in his case, a vocation) in art, mostly in poetry, drawing and sculpture.

    The chapters on the late 1940s and ’50s revolve around personal reminiscences–his reunion with his parents, who were dislocated to the Rhineland; his apprenticeship as a stonemason, making tombstones; and his study at the Düsseldorf art academy, where Joseph Beuys was also a student. Later there is the Berlin art scene, with its cold war battles over abstraction; his courtship of Swiss dancer Anna Schwarz; and his first success as a literary upstart reading his poems at a meeting of the soon-to-be-famous Group 47. Particularly arresting, and notable for their lack of sentimentality, are his memories of the rather taciturn railroad station goodbye to his unloved father when he left for the war; the great tribute paid to his beloved mother, who died of cancer too early to witness her son’s success; and the account of rescuing his sister from an authoritarian Mother Superior and helping her become a midwife instead of a nun. By contrast, Grass’s tales of his sexual exploits are rather adolescent, without much detail about his sexual partners. The only relationship treated with the delicacy of long-term intimacy and love is the one with Anna, his first wife.

    Interesting though not revelatory are the brief accounts of his literary formation, his love for Cervantes, seventeenth-century novelist Hans Jakob Christoffel von Grimmelshausen and Alfred Döblin, author of Berlin Alexanderplatz. In the 1950s conflict between figuration in painting and Modernist abstraction, Grass sided with figuration, a position that reflected his own practice as a graphic artist. In the existentialist controversy of those years he sided with Camus and the absurd against Sartre’s Marxist politics, but otherwise he remained wary of fashionable existentialist posing. The few pages describing the years spent in Paris in the late 1950s are remarkably pale. Probably because of his limited French and an even more limited budget, he had minimal connections with the Parisian intellectual scene, and his work on The Tin Drum consumed ever more of his time. Even now, it seems that the novel drains energy from the memoir. We hear but don’t learn much about his Paris friendship with poet and Holocaust survivor Paul Celan. The Algerian war rumbles on in the background. In 1958 Grass wins first prize with the Group 47, and in 1959 The Tin Drum appears, to enthusiastic acclaim and public controversy. A year later he and Anna and their children are back in Berlin, and then, all of a sudden, Grass runs out of onions and concludes his memoir.

    Ending his account with the publication of The Tin Drum is, of course, rather convenient, for it allows Grass to evade the lingering and legitimate question of why he never discussed his membership in the Waffen SS until now. Had he done so during the controversy over Helmut Kohl and Ronald Reagan’s 1985 visit to the Bitburg cemetery, with its SS graves, or during the Historikerstreit, the German historians’ quarrel over the uniqueness of Nazi crimes, his voice could have added substantially to the debate. There is no little irony in the fact that the vociferous and inquisitional demand for contrition and breast-beating should now confront an author who never hesitated to make such demands of others. Still, the Grass affair doesn’t tell us much about the quality of his memoir. And his politics always had more bite in his literary writings than in his political pronouncements.

    Peeling the onion, slippery skin after slippery skin, is a surprisingly apt metaphor for delving into one’s memories. It captures the unreliability of all human memory, its layering and restructuring by partial forgetfulness and corrupted recollections. The other recurrent metaphor in the book is amber, evoking another kind of memory. Amber, tree sap hardened into a yellow-brown mineral, often encasing an insect and found plentifully on the Baltic beaches of Grass’s lost Heimat, stands for the unchanging, petrified memory image. To give but one example: Looking at a honey-colored translucent piece of amber later in life, Grass sees not the proverbial encased insect but himself in full-length outline at 14 and naked. The amber serves here as a projection screen of an image of the pubescent boy ingrained in the narrator’s mind, whereas the onion’s skins need to be read one after another. Reading and seeing, writing and projecting the past are the two modes governing Grass’s writing. The play between onion and amber thus brings a new literary dimension to that inevitable weaving together of Dichtung und Wahrheit, as Goethe had it–the mix of fiction and truth in all autobiography and memoir. The power of any memoir hinges on the right mix, and readers will part ways in assessing it. Critics who chide Grass for couching his Nazi past in literary metaphors, for questioning the reliability of his own memories, for admitting forgetfulness and for hiding behind some of the same complex narrative techniques we know from his novels may score political points, but they betray a simplistic understanding of the genre.

    Perhaps the most fascinating thing we learn from Grass’s memoir is how slowly he arrived at the character of Oskar Matzerath, and how hesitantly he moved from an apolitical understanding of art to writing perhaps the most powerful political novel of the postwar period. This section of the memoir reproduces in microcosm the history of the Federal Republic in those years–the initial confrontation with the political and cultural fallout from the Third Reich, culminating in the commemorative obsessions of more recent decades, when the politics of memory became a worldwide phenomenon. When Grass, who was living in Berlin at the time, witnessed the East German workers’ revolt on June 17, 1953, near Potsdamer Platz, he had no hunger for politics or memory, nor any desire to write the great postwar German novel. He kept working as an artist and poet. He first won recognition as a writer almost by default, when he read his poems with the Group 47 in 1955. Expressionist poet Gottfried Benn–himself burdened by his initial support for Hitler but still a major literary figure in the early ’50s–read Grass’s poetry at the time and predicted that he would one day write prose.

    Although Grass never gave up on poetry, he achieved fame for his novels, especially the Danzig trilogy. It is fascinating to read how the novel that ultimately won him the Nobel Prize emerged inchoately, indeed almost by accident. Toward the end of the memoir, Grass explains his shift from poetry to prose as a compulsion to abandon his earlier apolitical and aestheticist stance and to face the German past: “I could easily have engaged in productive time-wasting and made myself look interesting at Group 47 meetings with new artistic devices if the massive weight of the German past and hence my own could have somehow been ignored. But it stood in the way. It tripped me up. There was no getting around it. As if prescribed for me, it remained impenetrable: here was a lava flow that had barely cooled down, there a stretch of solid basalt, itself sitting on even older deposits. And layer upon layer had to be carried away, sorted, named. Words were needed. And a first sentence was still missing.”

    But then the compulsion to write, as he once put it in typically blunt fashion, hit him like diarrhea. The old Grass gave a political twist to the same idea when he wrote in his recent novel Crabwalk: “History, or, to be more precise, the history we Germans have repeatedly mucked up, is a clogged toilet. We flush and flush, but the shit keeps rising.” Indeed, this does sum up more than just the origins of The Tin Drum.

    The critic Hans Mayer once divided German artists into martyrs and representatives. If Mann was a representative of German culture in the traditional sense, Grass, who likes to claim persecution by the media, never was a martyr but always a representative of the democratic postwar Western republic, warts and all. Like his Danzig trilogy, the author nearing the age of 80, with his mustache, his pipe and his political pronouncements, stands like a block of lava in the midst of a cultural formation that has become history. In that sense, for better or worse, Grass remains who he was before: a major representative of German post-World War II literature. And he remains so in a perhaps even deeper sense than before the late revelation and continuing evasion in his memoir.

    Andreas HuyssenAndreas Huyssen, Villard Professor of German and Comparative Literature at Columbia, is a founding editor of New German Critique and the author, most recently, of Present Pasts: Urban Palimpsests and the Politics of Memory.

    #Allemagne #lettres #histoire #le_tambour #guerre #nazis

  • "On constate ainsi l’importance du rôle joué par l’institution scolaire dans la postérité des œuvres littéraires et donc dans le processus de leur « classicisation ».

    Or, ce processus même opère un détournement de leur valeur littéraire au profit de ce qu’Alain Viala nomme leur « valeur d’échange » dans l’article « Qu’est-ce qu’un classique ». Les Fables deviennent un bien symbolique particulièrement précieux, parce que reconnu par toute une nation, « en un temps d’incertitudes politiques, économiques, idéologiques, quand les grands systèmes de référence vacillent ou s’effondrent, eux qui pouvaient distribuer des labels de valeur, face auxquels on adhérait ou contestait, mais du moins ils fournissaient un cadre de référence"

    https://www.curieux.live/2021/09/03/pourquoi-autant-les-fables-de-la-fontaine-a-lecole

    #Lettres #Fables #LaFontaine #Lycée #Collège #Lecture

  • Les cas de délation en hausse : deux Ixelloises dénoncées par un voisin qui imaginait un salon de coiffure clandestin
    https://bx1.be/ixelles/les-cas-de-delation-en-hausse-deux-ixelloises-denoncees-par-un-voisin-qui-imaginait-un-salon-de-coiffure-clandestin/?theme=classic

    Une Ixelloise, en train de se faire tresser les cheveux par sa fille, a été dénoncée le 14 décembre dernier à la police par un voisin car ce dernier pensait qu’il s’agissait… d’un salon de coiffure clandestin.

    https://www.youtube.com/watch?v=pWJDmhA8iKQ

    L’histoire racontée par Didier est étonnante : cet Ixellois a été surpris par la police de Bruxelles Capitale-Ixelles le 14 décembre dernier. Une dizaine d’agents de police sont venus frapper à sa porte car un voisin affirmait qu’un salon de coiffure clandestin était installé chez lui… Le voisin avait en fait aperçu la fille de Didier en train de tresser les cheveux de sa maman aux abords de la fenêtre ouverte de la maison. Il avait pris une photo et crié à Didier et sa famille qu’il allait appeler la police, explique le père de famille.

    Finalement, Didier et sa famille n’ont pas été mis à l’amende vu qu’ils étaient… dans leur foyer, et sans salon de coiffure dans leur habitation.

    Ce cas est loin d’être isolé selon la police, qui confirme que les cas de délation suite aux mesures sanitaires sont en hausse. Le plus souvent pour des rassemblements de personnes ou pour du tapage nocturne.#

    #Covid #Délation #Police #Coronavirus #Ixelles une commune bruxellois a fort taux de #migrants_fiscaux Là bas, leur #petain se nomme #léon_degrelle

    • Coronavirus, restrictions et dénonciations : "On reçoit même des courriers anonymes réalisés avec lettres découpées dans les journaux
      https://www.rtbf.be/info/societe/detail_covid-19-et-restrictions-le-belge-denonce-ses-voisins?id=10659230

      « C’est une horreur, on en reçoit des dizaines par jour » . Au bout du téléphone, David Quinaux, porte-parole de la zone de police de Charleroi confie son étonnement et son désarroi. Depuis le premier confinement et les premières mesures sanitaires liées au coronavirus, au printemps 2020, le commissariat doit gérer une quantité invraisemblable de dénonciations : « Depuis le mois de mars, cela n’arrête pas. Les gens dénoncent tout et n’importe quoi. On reçoit même des courriers anonymes réalisés avec lettres découpées dans les journaux et collées sur une feuille de papier. C’est du genre : dans le studio du troisième étage, à côté de l’appartement d’une cousine, il y a une dame qui coiffe. Si en 40, on avait dénoncé comme ça, il ne resterait plus beaucoup de coiffeurs aujourd’hui ! ».
      . . . . . .

      Comme toujours, mais peut-être un peu plus souvent ces temps-ci, la police de Bruxelles-Capitale reçoit des courriers du genre : « Vous devriez aller voir à cette adresse… ». Les dénonciations pour des métiers de contact exercés dans la clandestinité ? Ce n’est pas le fait le plus marquant. Mais ce qui est certain, c’est que ce deuxième confinement est beaucoup moins calme que le premier. « Pendant les mois de mars et avril, les gens étaient un peu tétanisés, explique Olivier Slosse. Ils avaient très peur de contracter le virus. Cette fois-ci c’est différent. Je ne sais pas si c’est par habitude ou par lassitude, mais la population est moins prête à respecter les mesures sanitaires. A la rue Neuve ou à la Grand-Place, si nos stewards n’intervenaient pas, les gens seraient les uns contre les autres ».
      . . . . . .
      A la campagne aussi, on dénonce
      Dans la zone rurale de Libramont, la police est habituée aux conflits de voisinage. Mais depuis que le virus est entré chez nous, avec ses deux confinements, il y a plus d’appels. Combien ? « C’est difficile à quantifier, nous dit un inspecteur de police qui préfère rester anonyme, ça dépend des jours. Ce week-end, nous avons quatre appels. Ce sont souvent des voisins qui nous disent qu’il y a une fête de famille avec trop de monde, ou des personnes qui habitent près d’un gîte, où là aussi il y a du monde. Avec la fin de l’année, cela ne va pas s’arrêter, je pense que nous allons avoir de plus en plus d’appels ».

      A la police de Libramont, il y a du travail, beaucoup de travail depuis le Covid. « On n’arrête pas, ajoute cet inspecteur, on a trois patrouilles en permanence par jour et elles ne chôment pas. Beaucoup de gens dénoncent parce qu’ils sont frustrés quand ils voient ce que les autres se permettent. Les relations avec les citoyens sont aussi beaucoup plus tendues. D’un côté, il y a les gens qui dénoncent, de l’autre, il y a ceux qui nous disent lors des contrôles : vous n’avez rien d’autre à faire ? ».

      #dénonciations #lettres_anonymes

  • Je ne vous pardonnerai pas - Robert Bonamy

    https://vimeo.com/409446101

    Lettres de cinéma - La Cinémathèque française
    https://www.cinematheque.fr/article/1539.html

    Pour la première fois depuis 1895, le public se retrouve privé de projection, de faisceau lumineux sur un tissu blanc, donc d’émotion collective. Ce n’était jamais arrivé, même en temps de guerre : personne n’a le droit de sortir de chez soi pour aller voir un film. La projection publique, l’invention des Lumière, le rêve de Méliès, l’accomplissement qu’attendent tous les cinéastes du monde entier depuis toujours, est interrompue pour la première fois. Comme tout s’arrête, c’est la production même d’images et de sons du monde qui est touchée.

    Plus de tournages, plus de montage, plus rien. Restent les plateaux des chaînes d’information et le stock infini d’images cinématographiques et télévisuelles.

    Alors, depuis un mois, des artistes du monde entier nous ont envoyé des cartes postales, des bouteilles à la mer, des films brefs comme un message, des films courts, conçus et fabriqués avec les moyens du bord, avec trois fois rien. Des cinéastes chevronnés, des acteurs, des monteurs et producteurs, de jeunes étudiants de la Femis ou de Louis Lumière, aussi.

    Nous avons réuni les vingt-huit premiers films reçus, sur notre chaîne Viméo. Vingt-huit films comme autant de fenêtres ouvertes sur Beyrouth, la Creuse, la place de la République, La Rochelle, Grenoble ou Saint-Ouen. Vingt-huit films comme autant de promesses, de lendemains qui filment.

    Les vingt-huit premières contributions ont été rassemblées sur notre chaîne Vimeo.
    https://vimeo.com/showcase/6974393
    Nous vous informerons régulièrement des nouveautés, sur cette page et sur nos réseaux sociaux : #lettresdecinema.

    #cinémathèque #films

    • 6:00 « La voilà ma méditation métaphysique : Vous êtes des chiens aveugles qui piétinez nos âmes sur l’asphalte du progrès. Vous êtes les fantômes d’un monde mortifère détruisant nos songes. Vous avez presque le monopole radical de la mort, je ne vous laisserai pas celui de la vie. »

    • Et sinon …

      @colporteur @grommeleur je ne suis pas allée voir, mais ça ne m’étonne pas, c’est la digne continuité d’un système avec des grandes écoles élitistes dans lesquelles renforcer son réseau. Rien que la formation au cinéma dans la plus prestigieuse école (Femis) ne rassemble que des fils et filles de et un paquet de bourgeois friqués qui n’ont jamais eu d’autres horizons à questionner que les leurs. Le populo peut ainsi s’esbaudir de les voir raconter leur propre histoire du monde dans des films où vivre dans 200m2 est leur norme. Le cinéma français a du caca de riches patriarches blancs qui lui emplit les yeux depuis trop longtemps et qui forme malheureusement des répétiteurs du même monde.

      Woo, c’est intéressant de regarder leur choix, sacré progrès, il y a au moins 10 réalisatrices sur les 58 films … ça laisse donc 80% à l’expression de la vision du monde par des hommes. Il faudrait regarder aussi la place laissée aux « minorités » nan, parce que je rappelle incidemment que les femmes sont une minorité à 51% …
      #avant #pendant #après #sexisme

    • Il y a malgré tout certainement des choses visibles parmi les films proposées, ceux qui ont eu la chance d’en découvrir, dites s’il vous plait !
      Oui pour les critiques, redoublées ici même par des faits documentés. Il suffit de chercher le patron ! #Frédéric_Bonnaud le plus souvent sans # pour vérifier que les petites mains salariées et précaires sont maltraitées
      https://seenthis.net/messages/456399
      https://seenthis.net/messages/460858
      https://vacarme.org/article2893.html
      que la prog est particulièrement insoucieuse des femmes https://seenthis.net/messages/639672
      https://seenthis.net/messages/644779

      sauf à exhiber stars, jeunes « actrices prometteuses », réal consacrées, à l’occasion.

      Il y a aurait par ailleurs beaucoup à dire (et il doit exister des textes ce propos) sur ce que porte cette institution de prestige comme définition de la culture, du cinéma (la programmation, le musée façon small Disney is beautifull ou je sais pas quoi), du public. Les modalités d’accueil que caractérise le sort de la cafet’ sous-traitée et sa hausse des prix (si ça coûte,,c’est plus chic...) qui avait traditionnellement pu être un lieu de flânerie et d’échanges (reste la pelouse en face, si il pleut pas)...

      #Institution_culturelle #Patron #cinéma

    • Je fréquente avec assiduité mais c’est pas un lieu où je me sens super bien. Ça sent le vieux garçon, c’est le seul endroit dans ma vie où les gens font des conversations racistes, classistes et anti-écolos à voix haute, sans gêne. Et je confirme que la cafet’, sans être confortable, est assez chère, le tout dans un quartier avec des offres de restauration très standardisées, chères et sans âme...

  • Letters to the world from Moria hotspot

    The first letter :

    “Put yourself in our shoes! We are not safe in Moria. We didn’t escape from our homelands to stay hidden and trapped. We didn’t pass the borders and played with our lifes to live in fear and danger.

    Put yourself in our shoes! Can you live in a place , that you can not walk alone even when you just want to go the toilette. Can you live in a place, where there are hundreds of unaccompanied minors that no one can stop attempting suicides. That no one stops them from drinking.

    No one can go out after 9:00 pm because the thieves will steal anything you have and if you don’t give them what they want, they will hurt you. We should go to the police? We went alot and they just tell that we should find the thief by ourselves. They say: ‘We can not do anything for you.’ In a camp of 14.000 refugees you won’t see anyone to protect us anywhere even at midnight. Two days ago there was a big fight, but util it finished no one came for help. Many tents burned. When the people went to complain, no one cared and and even the police told us: ‘This is your own problem.’

    In this situation the first thing that comes to my mind to tell you is, we didn’t come here to Europe for money, and not for becoming a European citizen. It was just to breathe a day in peace.

    Instead, hundreds of minors here became addicted, but no one cares.

    Five human beings burned, but no one cares.

    Thousands of children didn’t undergo vaccination, but no one cares.

    I am writing to you to share and I am hoping for change…”

    http://infomobile.w2eu.net/2019/10/23/letter-to-the-world-1-from-moria-hotspot

    Les 3 autres sur le site infomobile :
    http://infomobile.w2eu.net/2019/10/27/letter-to-the-world-from-moria-no-2
    http://infomobile.w2eu.net/2019/10/27/letter-to-the-world-from-moria-no-3
    http://infomobile.w2eu.net/2019/10/27/letter-to-the-world-from-moria-no-4

    Et la traduction en italien des lettres sur le site Meltingpot :
    https://www.meltingpot.org/Lettera-al-mondo-dal-campo-profughi-di-Moria-sull-isola.html

    #Moria #lettre #lettres #asile #migrations #hotspot #réfugiés #Grèce #îles #témoignage

  • Centre National de Ressources Textuelles et Lexicales

    Créé en 2005 par le CNRS, le CNRTL fédère au sein d’un portail unique, un ensemble de ressources linguistiques informatisées et d’outils de traitement de la langue.
    Le CNRTL intègre le recensement, la documentation (métadonnées), la normalisation, l’archivage, l’enrichissement et la diffusion des ressources.
    La pérennité du service et des données est garantie par l’adossement à l’UMR ATILF (CNRS – Nancy Université), le soutien du CNRS ainsi que son intégration dans le projet d’équipement d’excellence ORTOLANG.

    https://www.cnrtl.fr

    #Lettres

  • Lettre à un ami à Gaza

    Les #mots peuvent-ils réparer le monde ? Inspirée de « #Lettres à un ami allemand » d’#Albert_Camus, une invitation poétique au #dialogue israélo-palestinien. Un #essai_littéraire_filmique, présenté hors compétition à la Mostra de Venise en 2018.

    « Quand tu mènes tes guerres, pense aux autres. (N’oublie pas ceux qui réclament la paix) », écrivait #Mahmoud_Darwich, figure de proue de la #poésie palestinienne dans Pense aux autres (2007). Dans la bouche de l’actrice arabe israélienne Clara Khoury (La fiancée syrienne), le texte résonne comme un puissant #cri_politique. Alors que la poésie jaillit, le mur de béton érigé le long de la frontière avec la bande de Gaza défile en toile de fond. Aux reportages d’actualité sur le conflit israélo-palestinien se mêlent de poignantes lectures, par #Amos_Gitaï lui-même et les comédiens Makram Khoury et Hilla Vidor, de textes en arabe et en hébreu signés S. Yizhar, Emile Habibi et #Amira_Hass. Fervent défenseur de la paix, le cinéaste israélien s’est entouré d’amis pour composer cet essai littéraire filmique, présenté hors compétition à la Mostra de Venise en 2018.

    https://www.arte.tv/fr/videos/087427-000-A/lettre-a-un-ami-a-gaza
    https://www.youtube.com/watch?v=bHC6GsQzVbA


    #Israël #Palestine #lettre #guerre #paix #violence

    #Faire_monde à travers des lettres et de la poésie ?
    ping @karine4 @cede
    @reka

  • Israel a tout à coup « libéré » 10 tonnes de courrier destiné aux Territoires Palestiniens Occupés depuis 1967 qu’il bloquait en Jordanie depuis 2010 ! Voir aussi les photos qui vont avec cet article...

    Ten Tons of Palestinian Mail Were Held in Jordan Since 2010. Israel Just Allowed Its Delivery
    Noa Landau, Haaretz, le 16 août 2018
    https://www.haaretz.com/israel-news/israel-oks-delivery-of-ten-tons-of-palestinian-mail-held-since-2010-1.63872

    Israel has allowed over ten tons of Palestinian mail that has been held in Jordan since 2010 to be transferred into the West Bank for delivery, the Coordinator of Government Activities in the Territories said Thursday.

    COGAT, Israel’s chief liaison office with the Palestinians, said the one-time transfer was a “gesture” that “went beyond the letter of the law” as negotiations to resolve the issue are underway..

    “About a year ago, an in-principle agreement was signed between Israel and the Palestinian Authority. The memorandum of understanding has not yet resulted in a direct transfer, and the subject is in the advanced stages of being worked through. There is therefore no direct mail transfer at this time,” COGAT said in a statement.

    “However, as a gesture, and in a step that went beyond the letter of the law, COGAT, with the assistance of the Ministry of Communications and the Customs Authority, allowed a one-time transfer of approximately ten and a half tons of mail that had been held in Jordan,” the statement concluded.

    Hussein Sawafta, director of the Palestinian postal service, said that Israel held up the mail because it was not properly addressed to the Israeli postal service. Sawafta said the mail was released last week and workers are now sorting through mounds of letters and packages.

    Israel collects service fees on Palestinian mail and forbids direct mail to the Palestinian postal service.

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