Margarete Streisand | Stolpersteine in Berlin
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Verlegeort: Eislebener Str. 4
Bezirk/Ortsteil: Charlottenburg
Verlegedatum: 23. April 2013
Geboren: 05. August 1882 in Grätz / Grodzisk Wielkopolski
Deportation: am 29. Oktober 1941 nach Łódź / Litzmannstadt
Später deportiert am 06. Mai 1942 nach Chełmno / Kulmhof
Ermordet 06. Mai 1942 in Chełmno / Kulmhof
Margarete Streisand wurde am 5. August 1882 in Grätz (Grodzisk) im Raum Posen (Poznan) geboren. Der Vater war der Druckereibesitzer Louis Streisand, die Mutter hieß Clara. Margarete hatte drei Geschwister: Hugo, Willi (gestorben 1919 an Lungentuberkulose) und Bianka (geboren am 7. September 1881 in Grätz, nach Theresienstadt deportiert). Als sie am 17. Mai 1939 bei der Volkszählung in Berlin registriert wurde, war sie unverheiratet und von Beruf Buchhändlerin.
„Mein Großvater Hugo Streisand“, so berichtete seine Enkelin Renate, “gründete 1901 eine erfolgreiche wissenschaftliche Buchhandlung, später wurde sie ein Antiquariat. Er wohnte zuerst in einer kleinen Wohnung in der Eislebener Straße 6 und zog dann 1905 in die Eislebener Straße 4, dorthin zogen auch seine Mutter und seine Schwester Margarete.“ Die Wohnung lag im 2. Stock links, ein Zimmer war untervermietet an Elisabeth Behrend (geboren am 14. Februar 1863 in Kolberg, ermordet am 13. September 1942 in Theresienstadt), die Buchhandlung befand sich in der Nähe an der Augsburger Straße 38.
Margarete muss ihren Neffen Joachim Streisand (1920-1980), den Vater von Renate Streisand, wie sie sich weiter erinnerte, „geliebt haben. Das zeigen Urlaubsansichtskarten aus den 1920er Jahren.“ Margarete hat demnach Reisen in Europa gemacht, die eine gewisse finanzielle Kraft voraussetzten.
Die Streisands wären „eine normale bürgerliche Familie gewesen“, schätzt Renate, wenn es die Judenverfolgung nicht gegeben hätte. „Ich erinnere mich an meine Kindheit in der Eislebener Straße 4, wenn meine Großmutter Erna-Maria Streisand mir vor bestimmten familiären Anlässen sagte, es sei nicht nötig, den Tisch im Wohnzimmer ganz auszuziehen, es kämen nicht so viele Verwandte. … Die Familie Streisand war klein geworden, Ermordung und Exil hatten nur noch eine kleine Gruppe der Streisands in Deutschland leben lassen.“
Der Buchhändler Hugo Streisand lebte in „privilegierter Mischehe“, wie es bei den Nationalsozialisten hieß, er war verheiratet mit Erna-Maria geb. Dunst. Seine Schwester Bianka, verheiratete und geschiedene Hassel, wurde am 9. Februar 1944 aus der Joachimsthaler Straße 24 mit der Nummer 97 nach Theresienstadt deportiert. Sie überlebte die Grauen des Ghettos, starb aber am 6. Juli 1945 an Herzschwäche, was sicherlich eine Folge der Haft war.
Ergänzung 2022:
Margaretes Bruder Hugo Streisand überlebte den Krieg und betrieb wieder seinen Buchhandel. Er starb 1955 und seine Witwe Erna führte das Antiquariat weiter.
Eine Großnichte Ernas, Dr. Irina Metzler, schreibt uns:
“Ich selber habe Tante Erna noch kennengelernt, als ich ein kleines Mädchen war und Erna ihr Antiquariat in einer für mich damals fürchterlich dunklen, staubigen und mit Büchern regelrecht zugestopften Wohnung hatte. Nach Ernas Tod Mitte der 80er-Jahre hatte meine Mutter den damals noch durch die Mauer getrennten Erben von Streisand die Buchexporthandlung abgekauft. Als “Buchexport Hugo Streisand Nachfolge Ursula Zilli” konnte die Firma 2001 noch das 100. Firmenjubiläum feiern, bevor sie von Berlin in die Nähe von Nürnberg umgezogen ist.”
▻https://www.stolpersteine-berlin.de/sites/default/files/stolpersteine-media/dateien/dokumente-streisand.pdf
Stolperstein Eislebener Straße 4 - Berlin.de
▻https://www.berlin.de/ba-charlottenburg-wilmersdorf/ueber-den-bezirk/geschichte/stolpersteine/artikel.179820.php
▻https://www.berlin.de/imgscaler/r4z4rDVUY5O_3HGAdUuSVO9JVVCo0mztkdqHl9FAspE/r3zu4/L3N5czExLXByb2QvYmEtY2hhcmxvdHRlbmJ1cmctd2lsbWVyc2RvcmYvdWViZXItZGVuLWJlemlya
Hauseingang Eislebener Str. 4, Bild: Stolpersteine-Initiative CW, Bukschat&Flegel
Der Stolperstein für Elisabeth Behrend wurde am 24.7.2012 auf Wunsch ihrer Nachkommen Christiane von Alten und Jens-Peter Behrend (Berlin) verlegt.
Der Stolperstein für Margarete Streisand wurde am 23.4.2013 auf Initiative von Renate Iwainsky-Streisand (Berlin) verlegt.
▻https://www.berlin.de/imgscaler/kQzqxPXEQ7HHrF6ztfhia6TQhE0Gw475DjX-TAZDSag/r4zu3/L3N5czExLXByb2QvYmEtY2hhcmxvdHRlbmJ1cmctd2lsbWVyc2RvcmYvdWViZXItZGVuLWJlemlya Stolperstein Elisabeth Behrend Bild: Stolpersteine-Initiative CW, Bukschat&Flegel
HIER WOHNTE
ELISABETH BEHREND
JG. 1863
DEPORTIERT 28.8.1942
THERESIENSTADT
ERMORDET 13.9.1943
Elisabeth Behrend wurde am 14. Februar 1863 in Kolberg in Pommern geboren. Sie war Tochter des Arztes Moses Behrend und Ulrike geb. Gronau und hatte vier, möglicherweise fünf Geschwister. Ihr Vater Moses (Moritz) Behrend war Begründer des Behrendschen Solebads in Kolberg, das maßgeblich dazu beitrug, aus Kolberg einen Kurort zu machen. Über drei Generationen hinweg sollten die Behrends in Kolberg medizinische Heilbäder betreiben. Auch als ihr Bruder Felix als Medizinalrat die Aufsicht und Direktion über das Heilbad übernommen hatte, lebte die unverheiratete Elisabeth bei der Familie. Erst später, womöglich im Zuge der Deportationen, ging sie nach Berlin.
Im Jahr 1938 , unmittelbar nach den Pogromen der sogenannten Reichskristallnacht, versuchte sie vergeblich, sich vor der Verfolgung zu retten, indem sie der Polizei folgende Mitteilung machte: „Ich versichere an Eides statt…, dass mein Großvater nach Angaben meiner Eltern als Wachtmeister eines Husarenregiments an den Freiheitskriegen 1813/14 teilnahm, Kriegsauszeichnungen erhielt und als Posthalter in Neustettin gelebt hat. Ich bin seine einzige heute noch lebende Enkelin und die Schwester des Geheimen Medizinalrats Dr. Felix Behrend. Kolberg, den 12. November 1938, Elisabeth Behrend“
Deportiert wurde Elisabeth Behrend, die in der Eislebener Straße 4 im 2. Stock links als Untermieterin der Familie Streisand wohnte, am 28. August 1942 nach Theresienstadt, wo der fast 80-jährigen ein geruhsamer Lebensabend versprochen worden war. Sie wurde in ein verplombtes Abteil gesetzt, um sie herum 100 Jüdinnen und Juden, von denen fast alle älter als 70 waren. Die letzte Strecke bis zur Einfahrt des Ghettos mussten sie zu Fuß gehen. Ihnen war erlaubt, wenig Gepäck mitzunehmen. Diesen Transport überlebten nur drei. In Theresienstadt wurde fälschlich registriert, ihr „letzter Wohnort“ sei das Ostseebad Kolberg gewesen.
Todestag von Elisabeth Behrend war der 13. September 1942. Auf dem Totenschein gaben die Ärzte als Todesursache „Darmkatarrh“ an, was eine Umschreibung für die Folgen der katastrophalen Ernährungs-, Gesundheits- und Hygieneumstände im Ghetto Theresienstadt war.
▻http://www.holocaust.cz/de/opferdatenbank/opfer/5427-elisabeth-behrend
Text: Jens-Peter Behrend mit Hilfe von Aufzeichnungen und Dokumenten von Christiane von Alten sowie des Archivs Theresienstadt, ergänzt von Helmut Lölhöffel
▻https://www.berlin.de/imgscaler/srpG2YvfemsdvpGz9sUoc6XSXXTw-RlSZVfs6cAh1_w/r4zu3/L3N5czExLXByb2QvYmEtY2hhcmxvdHRlbmJ1cmctd2lsbWVyc2RvcmYvdWViZXItZGVuLWJlemlya Stolperstein Margarete Streisand Bild: Stolpersteine-Initiative CW, Bukschat&Flegel
HIER WOHNTE
MARGARETE
STREISAND
JG. 1882
DEPORTIERT 29.10.1941
ERMORDET IN
LODZ / LITZMANNSTADT
Margarete Streisand wurde am 5. August 1882 in Grätz (Grodzisk) im Raum Posen (Poznan) geboren. Der Vater war der Druckereibesitzer Louis Streisand, die Mutter hieß Clara. Margarete hatte drei Geschwister: Hugo, Willi (gestorben 1919 an Lungentuberkulose) und Bianka (geboren am 7. September 1881 in Grätz, nach Theresienstadt deportiert). Als sie am 17. Mai 1939 bei der Volkszählung in Berlin registriert wurde, war sie unverheiratet und von Beruf Buchhändlerin.
„Mein Großvater Hugo Streisand“, so berichtete seine Enkelin Renate, “gründete 1901 eine erfolgreiche wissenschaftliche Buchhandlung, später wurde sie ein Antiquariat. Er wohnte zuerst in einer kleinen Wohnung in der Eislebener Straße 6 und zog dann 1905 in die Eislebener Straße 4, dorthin zogen auch seine Mutter und seine Schwester Margarete.“ Die Wohnung lag im 2. Stock links, ein Zimmer war untervermietet an Elisabeth Behrend (geboren am 14. Februar 1863 in Kolberg, ermordet am 13. September 1942 in Theresienstadt), die Buchhandlung befand sich in der Nähe an der Augsburger Straße 38.
Margarete muss ihren Neffen Joachim Streisand (1920-1980), den Vater von Renate Streisand, wie sie sich weiter erinnerte, „geliebt haben. Das zeigen Urlaubsansichtskarten aus den 1920er Jahren.“ Margarete hat demnach Reisen in Europa gemacht, die eine gewisse finanzielle Kraft voraussetzten.
Die Streisands wären „eine normale bürgerliche Familie gewesen“, schätzt Renate, wenn es die Judenverfolgung nicht gegeben hätte. „Ich erinnere mich an meine Kindheit in der Eislebener Straße 4, wenn meine Großmutter Erna-Maria Streisand mir vor bestimmten familiären Anlässen sagte, es sei nicht nötig, den Tisch im Wohnzimmer ganz auszuziehen, es kämen nicht so viele Verwandte. … Die Familie Streisand war klein geworden, Ermordung und Exil hatten nur noch eine kleine Gruppe der Streisands in Deutschland leben lassen.“
Der Buchhändler Hugo Streisand lebte in „privilegierter Mischehe“, wie es bei den Nationalsozialisten hieß, er war verheiratet mit Erna-Maria geb. Dunst. Seine Schwester Bianka, verheiratete und geschiedene Hassel, wurde am 9. Februar 1944 aus der Joachimsthaler Straße 24 mit der Nummer 97 nach Theresienstadt deportiert. Sie überlebte die Grauen des Ghettos, starb aber am 6. Juli 1945 an Herzschwäche, was sicherlich eine Folge der Haft war.
Text: Stolpersteine-Initiative Charlottenburg-Wilmersdorf auf Grund Aufzeichnungen von Renate Iwainsky-Streisand (Berlin), Großnichte von Margarete Streisand.
▻https://www.berlin.de/imgscaler/hYa_zE_b-Obb0UODQee5Kj5AvRMYD8kV91MJQRgyx34/r3zu4/L3N5czExLXByb2QvYmEtY2hhcmxvdHRlbmJ1cmctd2lsbWVyc2RvcmYvdWViZXItZGVuLWJlemlya Hugo und Erna Streisand Bild: Privat
Ergänzung 2022: Margaretes Bruder Hugo Streisand überlebte den Krieg und betrieb wieder seinen Buchhandel. Er starb 1955 und seine Witwe Erna führte das Antiquariat weiter.
Eine Großnichte Ernas, Dr. Irina Metzler, schreibt uns:
“Ich selber habe Tante Erna noch kennengelernt, als ich ein kleines Mädchen war und Erna ihr Antiquariat in einer für mich damals fürchterlich dunklen, staubigen und mit Büchern regelrecht zugestopften Wohnung hatte. Nach Ernas Tod Mitte der 80er-Jahre hatte meine Mutter den damals noch durch die Mauer getrennten Erben von Streisand die Buchexporthandlung abgekauft. Als “Buchexport Hugo Streisand Nachfolge Ursula Zilli” konnte die Firma 2001 noch das 100. Firmenjubiläum feiern, bevor sie von Berlin in die Nähe von Nürnberg umgezogen ist.”
Dokumente Maegarete Streisand ▻https://www.berlin.de/ba-charlottenburg-wilmersdorf/ueber-den-bezirk/geschichte/stolpersteine/assets/dokumente-streisand.pdf?ts=1646829302 PDF-Dokument (1.8 MB)
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Über Streisand Hugo Buchhandlung und Antiquariat Nachfolgerin Ursula Zilli im Berlin
Unser Unternehmen Streisand Hugo Buchhandlung und Antiquariat Nachfolgerin Ursula Zilli befindet sich in der Stadt Berlin, Region Berlin. Die Rechtsanschrift des Unternehmens lautet KÖNIGSTR. 61A. Der Umfang des Unternehmens Einzelhandel, Grosshandel. Bei anderen Fragen rufen Sie 030/8053679 an.
Joachim Streisand
▻https://de.wikipedia.org/wiki/Joachim_Streisand
Joachim Streisand (* 18. Oktober 1920 in Berlin; † 6. Januar 1980 in Ost-Berlin) war ein deutscher Historiker.
Sein Vater Hugo Streisand betrieb im Westen Berlins eine Buchhandlung, die von bekannten Persönlichkeiten aus der Kunst, den Naturwissenschaften und der Schriftstellerei aufgesucht wurde. Sein Vater stand vor 1945 der Sozialdemokratie nahe und kannte u. a. Karl Kautsky, Eduard Fuchs und Dawid Borissowitsch Rjasanow (Dawid Borissowitsch Goldendach). Im Laufe der Jahre wandelte er seine Buchhandlung in ein wissenschaftliches Antiquariat um. Sein Vater verfasste auch Aufsätze wie über Ludwig Gall und die Gestalten der Geschichte der utopischen sozialen Konzeptionen. In diesem Umfeld wurde Joachim Streisand früh durch die Ansichten seines Vaters beeinflusst. Seine Schwester ist die Kirchenhistorikerin Rosemarie Müller-Streisand.[1]
1938 erlangte Streisand das Abitur. Danach nahm er hauptsächlich ein Studium der Philosophie und Germanistik auf: von 1938 bis 1939 in Rostock,[2] danach von 1939 bis 1942 in Berlin. Daneben hörte er auch noch Vorlesungen in den Fächern Romanistik, Anglistik, Psychologie, Kunstgeschichte und Geschichte. Weiterhin entwickelte er ein Interesse für Mathematik, Physik und absolvierte zusätzliche Prüfungen in der lateinischen und griechischen Sprache. Auch moderne Sprachen interessierten ihn, so dass er die englische und französische Sprache fließend sprechen konnte. Zudem eignete er sich Kenntnisse der schwedischen, italienischen und spanischen Sprache an. Später lernte er die russische Schriftsprache, um russische Texte selbständig lesen zu können.
Gemäß der Nürnberger Rassegesetze wurde er 1942 von der Universität vertrieben. Bei der Opta Radio AG arbeitete er von 1942 bis 1944 anfangs in Berlin, dann in Goldberg in Schlesien in einem Labor. 1944 wurde er in ein Zwangsarbeitslager nach Jena deportiert. Von dort flüchtete er im März 1945 nach Berlin und hielt sich dort versteckt bis Mai 1945 auf.
Von Juni bis Dezember 1945 arbeitete er als stellvertretender Leiter des Schulamtes. Dann wechselte er an die Volkshochschule Berlin-Charlottenburg und hielt dort von 1946 bis 1948 Einführungsvorlesungen in den Fächern Philosophie, Soziologie und Probleme der Gesellschaftswissenschaften. Daneben leitete Streisand Arbeitskreise und -gemeinschaften über soziale und politische Bewegungen, die Französische Revolution, zu marxistischen Persönlichkeiten und zum dialektischen Materialismus. Seine eigenen Studien setzte er an der Universität Berlin fort und hörte Vorlesungen bei Alfred Meusel und Jürgen Kuczynski. Dabei wurde er Zeuge, wie es in Meusels Seminaren 1947 und 1948 zu großen politischen Disputen kam. Am Institut für Zeitgeschichte nahm er von September 1947 bis Juni 1948 eine Nebenbeschäftigung auf.
1946 wurde Streisand Mitglied im Kulturbund, im April 1948 trat er der SED bei, was zur Entlassung aus der Volkshochschule führte. 1950 konnte er eine Stellung als Lehrbeauftragter für Musikgeschichte am Staatlichen Konservatorium antreten, danach als Lehrer beim DEFA-Studio für Gegenwartskunde. 1951 konnte er an der Humboldt-Universität als wissenschaftlicher Hilfsassistent Vorlesungen der neueren deutschen Geschichte wie die deutschen Einigungsbestrebungen im 19. Jahrhundert und später zur deutschen Geschichte von 1789 bis 1871 abhalten.
1952 schrieb er seine Dissertation zum Thema Kritisches zur deutschen Soziologie, die sich hauptsächlich mit dem Soziologen Karl Mannheim beschäftigte. Die Gutachter dieser Arbeit waren Alfred Meusel und Heinz Kamnitzer. Die Arbeit und die mündlichen Prüfung konnte er mit der Bewertung summa cum laude abschließen. Da sein Betreuer Meusel zum Direktor des Museums für Deutsche Geschichte ernannt wurde, folgte Streisand ihm im Januar 1952 und übernahm als stellvertretender Leiter dort den historischen Zeitabschnitt von 1848 bis 1895. 1953 ernannte man ihn zum Abteilungsleiter. Weiterhin übernahm er Aufgaben im wissenschaftlichen Beirat der Wartburg. 1955 verließ er das Museum.
Von 1953 bis 1957 wirkte er in Zusammenarbeit mit Fritz Klein an der Redaktion der Zeitschrift für Geschichtswissenschaft (ZfG) mit, da er zu den Begründern dieser Fachzeitschrift gehörte. Dabei betreute er die Veröffentlichungen zur deutschen und westeuropäischen Geschichte bis zum Ende des 19. Jahrhunderts.
Von 1956 bis 1963 betätigte er sich als wissenschaftlicher Referent an der Akademie der Wissenschaften. Im Dezember 1962 hatte er seine Habilitationsschrift mit dem Thema Die deutsche Geschichtsschreibung in den politischen und ideologischen Auseinandersetzungen des 18. Jahrhunderts – Von der Frühaufklärung bis zur deutschen Klassik an der Martin-Luther-Universität Halle abgegeben. 1963 erhielt er an der Humboldt-Universität Berlin einen Lehrauftrag und wurde zum Direktor des Instituts für deutsche Geschichte ernannt. Von 1969 an lehrte er als ordentlicher Professor und übernahm als Direktor die neue Sektion Geschichte bis 1974. 1971/72 war er dort an der politisch motivierten Relegation und Maßregelung von 13 Studenten beteiligt.
Von 1968 an wirkte er als Präsident der Historiker-Gesellschaft der DDR, die vorher von Ernst Engelberg und Gerhard Schilfert geleitet wurde. Diese Stellung übernahm er für die nächsten zwölf Jahre bis zu seinem Ableben. Seit 1975 war Streisand Ordentliches Mitglied der Akademie der Pädagogischen Wissenschaften der DDR.
Seit 1945 war er mit der Schauspielerin Hildegard Lücke verheiratet, die später bei der Regie am Deutschen Theater zu Berlin mitarbeitete. Nach der Scheidung 1961 lebte er in einer Lebensgemeinschaft. 1969 wurde ihm der Nationalpreis der DDR verliehen.
Von 1958 bis 1980 war er als Inoffizieller Mitarbeiter mit Decknamen „Montag“ für das Ministerium für Staatssicherheit tätig.[3]
Die Schriftstellerin Lea Streisand ist Streisands Enkelin.
Um die Einheit Deutschlands – Die Revolution 1848/49. Berlin 1953.
Der Kampf von Marx und Engels für die demokratische Einigung Deutschlands. In: Zeitschrift für Geschichtswissenschaft (ZfG). Heft 2, 1953, S. 242.
Bismarck und die deutsche Einigungsbewegung des 19. Jahrhunderts in der westdeutschen Geschichtsschreibung. In: ZfG. Heft 3, 1954, S. 349.
Die Wartburg in der deutschen Geschichte. Berlin 1954.
mit Fritz Klein (Hrsg.): Beiträge zu einem neuen Geschichtsbild. Zum 60. Geburtstag von Alfred Meusel. Berlin 1956.
Deutschland von 1789 bis 1815. Von der Französischen Revolution bis zu den Befreiungskriegen und dem Wiener Kongreß. Berlin 1959; Neudruck 1981.
Deutschland und Frankreich am Ende des 19. Jahrhunderts. In: Historische Forschungen in der DDR. Analysen und Berichte (= ZfG. Sonderheft), Berlin 1960.
Deutschland 1789–1815 – Lehrbuch der deutschen Geschichte (Beiträge). Berlin 1961.
als Hrsg.: Studien über die deutsche Geschichtswissenschaft. Band I: Die deutsche Geschichtswissenschaft vom Beginn des 19. Jahrhunderts bis zur Reichseinigung von oben. Berlin 1963; 2. Auflage, Berlin 1969.
Geschichtliches Denken von der deutschen Frühaufklärung bis zur Klassik. Berlin 1964.
Deutsche Geschichte in 3 Bänden. Band I: Von den Anfängen bis 1789. Band II: Von 1789 bis 1917 (Leiter des Autorenkollektivs), Berlin 1965.
als Hrsg.: Die bürgerliche deutsche Geschichtsschreibung von der Reichseinigung von oben bis zur Befreiung Deutschlands vom Faschismus. Berlin 1965.
Geschichtliches Denken – Von Der Deutschen Frühaufklärung bis zur Klassik. Berlin 1967.
Lehrbuch der deutschen Geschichte (Beiträge). Band 6: Deutschland 1815–1849. Von der Gründung des Deutschen Bundes bis zur bürgerlich-demokratischen Revolution. Berlin 1967.
Deutsche Geschichte in einem Band. Ein Überblick. Berlin 1968.
als Hrsg.: Deutsche Geschichte. Band 3: Von 1917 bis zur Gegenwart. Berlin 1968.
Deutsche Geschichte von den Anfängen bis zur Gegenwart – Eine marxistische Einführung. Köln 1970, 4. Aufl. 1983, mit Beitrag von Georg Fülberth.
Geschichtsforschung und Geschichtsschreibung auf dem Wege zur sozialistischen Menschengemeinschaft. In: Helmut Meier, Walter Schmidt (Hrsg.): Geschichtsbewusstsein und sozialistische Gesellschaft. Berlin 1970.
Kritische Studien zum Erbe der deutschen Klassik. Frankfurt am Main 1971.
mit Jürgen Kuczynski: Parteilichkeit und Objektivität in der Geschichte. Berlin (West) 1972 (= Kategorien und Perspektiven der Geschichte. Reprint aus: Zeitschrift für Geschichtswissenschaft, Berlin 1956, 1957, 1958).
Alfred Meusels Weg vom bürgerlich-demokratischen Soziologen zum marxistisch-leninistischen Historiker. In: ZfG. Heft 9, 1975, S. 1029.
Über Begriffsbildung in den Geschichtswissenschaften. In: Wolfgang Küttler (Hrsg.): Probleme der geschichtswissenschaftlichen Erkenntnis. Berlin 1977.
mit Jürgen John u. a.: Historischer Führer, Stätten und Denkmale der Geschichte in den Bezirken Erfurt, Gera, Suhl. Leipzig 1978.
Frankreich im Geschichtsbild des deutschen Faschismus. In: Revue d’Allemagne. Heft 4, 1978, S. 528.
Herders Geschichtsdenken. In: Walter Dietze (Hrsg.): Herder-Kolloquium 1978. Weimar 1980.
Die historische Stellung von Johann Gottfried Herders Theorie menschlicher Kultur. In: ZfG. Heft 5, 1980, S. 415.
Kultur in der DDR. Studien zu ihren historischen Grundlagen und ihren Entwicklungsetappen. Berlin 1981.
mit Horst Bartel, Lothar Berthold, Helmut Bock, Ernst Diehl, Dieter Fricke, Heinz Heitzer, Joachim Hermann, Dieter Lange und Walter Schmidt: Deutsche Geschichte in zwölf Bänden. Berlin 1982.
Ilko-Sascha Kowalczuk: Streisand, Joachim. In: Wer war wer in der DDR? 5. Ausgabe. Band 2. Ch. Links, Berlin 2010, ISBN 978-3-86153-561-4.
Deutsche Biographische Enzyklopädie, Band 9, Saur, München 1998.
Hans Schleier: Joachim Streisand 1920 bis 1980. In: Heinz Heitzer, Karl-Heinz Noack, Walter Schmidt: Wegbereiter der DDR-Geschichtswissenschaft – Biographien. Dietz, Berlin 1989, ISBN 3-320-01055-7.
Lea Streisand: Im Sommer wieder Fahrrad, Ullstein Verlag, Berlin 2016, ISBN 978-3-5500-8130-9.
Literatur von und über Joachim Streisand im Katalog der Deutschen Nationalbibliothek
↑ Hanfried Müller: Erfahrungen – Erinnerungen – Gedanken. Zur Geschichte von Kirche und Gesellschaft in Deutschland seit 1945. GNN Verlag, Schkeuditz 2010, ISBN 978-3-89819-314-6, S. 40.
↑ Immatrikulation von Joachim Streisand im Rostocker Matrikelportal.
↑ Vgl. Kowalczuk: Streisand, Joachim.
Personendaten
NAME Streisand, Joachim
KURZBESCHREIBUNG deutscher Historiker
GEBURTSDATUM 18. Oktober 1920
GEBURTSORT Berlin
STERBEDATUM 6. Januar 1980
STERBEORT Ost-Berlin
Scherls Straßenführer durch Berlin Ausgabe 1930 (Public Domain) - Digitale Landesbibliothek Berlin
▻https://digital.zlb.de/viewer/image/34296031_1930/46-47
Das Haus Augsburger Straße 38 war das dritte Haus auf der Südseite ab Rankestraße Richtung Westen. Die Lage entspricht der heutigen Hausnummer 39 und ist Teil des Dorint-Hotelkomplex an der Joachimstaler Straße (seit 22.07.2014 Joachimsthaler Straße) und Ausgburger Straße. Im Jahr 1930 galt die Hufeisen-Zählweise, bei Neugestaltung des Viertels wurde der von der Südtangente (Lietzenburger Straße) abgetrennte östliche Teil der Augsburger Straße zwischen Eisenacher und Passauer Straße in Fuggestraße umbenannt und die Hausnummern der westlich verbleibenden Augsburger Straße in sich gegenüberliegende gerade/ungerade Paarungen ab Passauer Straße bis Joachimsthaler Straße, rechts gerade, links ungerade, umsortiert.
Der Kaupert zeigt die heutige, etwas verwirrende Nummerierung:
Ehemaliger Bezirk
Nr. 1-13 ungerade Wilmersdorf
Nr. 2-18 gerade Schöneberg
Nr. 19-43 ungerade, 20-44 gerade Charlottenburg
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