• Lieferdienst Wolt: Im Nebel der Subunternehmerketten
    https://www.nd-aktuell.de/artikel/1178185.arbeitsverhaeltnisse-lieferdienst-wolt-im-nebel-der-subunternehme


    Nach der Verhandlung am 30.11. bringen Unterstützer*innen ihre Kritik am Lieferdienst Wolt zum Ausdruck.

    Die Kläger waren schlecht vorbereitet. Den Nachweis dafür, davon überzeugt gewesen zu sein nicht für einen Subunternehmer zu arbeiten hätten sie substatiieren können. Davon abgesehen hätten sie auf einem schriftlichen Arbeitsvertrag bestehen müssen.

    39.11.2023 von Christian Lelek - Zunächst fühlt es sich nach einer Niederlage an, die zwei ehemalige Lieferkuriere am Donnerstagmittag einstecken müssen. Sie hatten Klage vor dem Landesarbeitsgericht Berlin eingereicht, um feststellen zu lassen, dass ein Arbeitsvertrag zwischen ihnen und dem Unternehmen Wolt bestanden hatte. Darauf aufbauend forderten sie von Wolt Löhne ein, die ihnen mutmaßlich vorenthalten wurden.

    Die Firma Wolt, die sich durch eine Anwältin vertreten ließ, argumentierte, dass keine Anstellung der sogenannten Rider erfolgt sei. Aber man habe im fraglichen Zeitraum mit dem Subunternehmen GW Trans zusammengearbeitet. Etwaige Schulden aus einem Arbeitsverhältnis hätten die Rider gegenüber GW Trans geltend zu machen.

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    Vor Gericht geben die beiden Kläger an, von GW Trans nie etwas gehört zu haben. Stattdessen hätten sie sich über Anzeigen im Internet beworben, die damit geworben hätten, für Wolt einzustellen. Das Einstellungsverfahren sei dann über einen Handyladen in Neukölln gelaufen. Dort hätten sie Arbeitskleidung und Zugang zur Wolt-App bekommen. Für sie sei nicht erkennbar gewesen, dass sie nicht für Wolt direkt arbeiteten.

    Die Verhandlung dauert zwei Stunden lang. Die Kläger hätten versuchen müssen, das Gericht davon zu überzeugen, dass tatsächlich ein Arbeitsverhältnis mit Wolt und nicht mit einem Subunternehmen bestanden habe. Am Ende seien hierfür aber keine Beweise vorgebracht worden, konstatiert der Richter.

    Die klagenden Kuriere und ihr Anwalt plädieren darauf, dass es nicht zum Schaden der Arbeitnehmer sein dürfe, wenn Wolt ein Umfeld schaffe, in dem nicht zu unterscheiden sei, ob die Fahrer für Wolt oder ein Subunternehmen arbeiteten.

    Trotz aller Mühen: Der Richter lässt durchblicken, dass er Wolt keine Teilschuld zuweisen würde. Daher bietet Klägeranwalt Martin Bechert am Ende einen Vergleich an: 1000 Euro statt der geforderten 3000. Die Gegenseite willigt ein. Der Vergleich beinhaltet die bemerkenswerte Feststellung, dass beide Parteien anerkennen, dass für 2022 und 2023 zwischen Wolt und dem Kläger kein Arbeitsverhältnis bestand. »Wir hätten verloren, deshalb ist der Vergleich ein Erfolg«, sagt Bechert.

    Ein richtungsweisendes Urteil bleibt am Donnerstag also aus. Arbeiter*innen werden sich weiterhin nebulösen Subunternehmerketten gegenübersehen, deren System sie nicht verstehen. Im Zweifel bleiben sie die Leidtragenden, die Lohngeprellten, die die Schuld der Unternehmen beweisen müssen.

    Die ehemaligen Rider und ihre Unterstützer*innen ziehen dennoch keine negative Bilanz. »Nach acht Monaten kommt endlich ein Verfahren zu Ende, in dem wir von Wolt 1000 Euro erkämpft haben«, sagt einer, »und das obwohl die nie zahlen wollten.« Es sei ein erster Schritt, um nachzuweisen, dass Wolt für fehlende Löhne und Diskriminierung Verantwortung übernehmen müsse. Man hoffe, dass sich mehr Rider aus der Deckung trauten.

    Der Unterstützerkreis behauptet zudem, dass Wolt gezielt junge, ausländische Studierende mit kurzen oder unsicheren Aufenthalten rekrutiere. »Es geht dabei nicht allein um Wolt«, sagt ein unterstützender Lieferando-Fahrer. »Es ist das deutsche Wirtschaftssystem, das den Unternehmen die Bedingungen für derlei Machenschaften zur Verfügung stellt.«

    Wolt sieht sich durch das Verfahren in seiner Auffassung bestätigt. »Aus unserer Sicht sind pragmatische, endgültige Klärungen langen und teuren Gerichtsverfahren stets vorzuziehen«, sagt eine Sprecherin zu »nd«. Man habe daher den Vergleich angenommen.

    Aus Wettbewerbsgründen wollte sich das Unternehmen nicht dazu äußern, in welchem Ausmaß Subunternehmen zum Einsatz kommen. »Wolt überprüft seine Partner vor und während der Zusammenarbeit regelmäßig und gründlich«. Im Zweifelsfall würden die Beziehungen beendet. »Wolt verhält sich zu jedem Zeitpunkt – auch im Kontext des angesprochenen Verfahrens – rechtskonform«, teilte Wolt »nd« mit.

    #Berlin #Justiz #Arbeit #Ausbeutung #Lieferdienste #Vergleich

  • Ein Job für höchstens drei Jahre
    https://www.nd-aktuell.de/artikel/1162708.arbeitsbedingungen-bei-lieferdiensten-ein-job-fuer-hoechstens-dre

    3.4.2022 von Patrick Volknant - Die einen kommen nicht vom Sofa hoch, die anderen treten auch bei strömendem Regen in die Pedale. Täglich eilen unzählige Essenskuriere auf dem Fahrrad oder mit dem Auto durch die Hauptstadt – die meisten von ihnen in neon-orangener Montur. Ihr Arbeitgeber, der milliardenschwere Branchenriese Lieferando, hat in Zeiten von Pandemie und Abstand halten weiter die Kassen füllen können. Doch für den Geschmack der Fahrerinnen und Fahrer in Berlin kommt davon zu wenig in ihren eigenen Geldbeuteln an.

    Einer von ihnen ist Leo. Seit rund eineinhalb Jahren ist er mit dem Fahrrad für Lieferando unterwegs, 30 Stunden die Woche. Seinen eigenen Worten zufolge biegt der 27-Jährige damit bereits auf die Zielgerade ein: »Wenn du krass drauf bist, kannst du den Job vielleicht zwei, drei Jahre machen – länger nicht.« Obwohl er auch neben dem Job versuche, sich fit zu halten und auf die eigene Ernährung zu achten, mache sich die physische Belastung der Arbeit schnell bemerkbar. »Rückenschmerzen sind bei uns allen ein Dauerthema.«

    Auch an der Psyche der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter hinterlasse der Job Spuren, sagt Leo: »Ich habe Kollegen, die nachts aufwachen, weil sie geträumt haben, dass sie ein Laster überfährt.« Das komme nicht von ungefähr. Der Essenskurier erzählt von katastrophalen Zuständen auf den Berliner Straßen, von nicht vorhandenen Fahrradwegen und Rasern, die »mehr oder weniger besinnungslos« mit dem Auto durch die Gegend jagen. »Die Arbeit ist schon gefährlich, besonders wenn starker Wind weht oder wenn es glatt ist«, sagt Leo. Er selbst sei schon mehrfach gestürzt, es gebe auch Kolleginnen und Kollegen, die sich den Arm oder die Schulter gebrochen hätten.

    »An den Straßen kann Lieferando natürlich nichts ändern«, sagt Leo. Durchaus möglich sei es aber, zuverlässige Räder mit intelligenter Lastenverteilung zur Verfügung zu stellen. »Bei DHL fährt ja auch niemand mit einem Rucksack herum wie wir.« Dabei startete Lieferando Anfang des Jahres das, was von mancher Seite als Charmeoffensive interpretiert wurde, stellte Diensträder sowie Smartphones zur Verfügung. Allerdings leistete das Unternehmen lediglich einem vorausgegangenen Urteil des Bundesarbeitsgerichts Folge, das den Anspruch für Fahrradkuriere zuvor festgelegt hatte.

    Von den versprochenen Diensthandys sei bis heute nichts zu sehen, erzählt Leo. Auch auf die Diensträder verzichte er lieber und nehme stattdessen weiter sein eigenes. »Viele der Räder sind einfach in einem Scheiß-Zustand«, sagt er. »Bei meinem eigenen Rad weiß ich wenigstens, dass es in Ordnung ist.« Wenn früher ein Fahrrad abhanden gekommen oder kaputt gegangen sei, habe Lieferando dazu aufgefordert, Leihräder von öffentlichen Anbietern auf eigene Kosten zu benutzen. An dieser Geisteshaltung hat sich laut Leo bis heute nichts geändert: »Es gibt bei Lieferando das Grundprinzip, dass Angestellte mit ihren Problemen und Nöten alleine gelassen werden.«

    Berliner Kolleginnen und Kollegen von Leo sehen es ähnlich. Immer wieder kommt es zu Demonstrationen vor dem Lieferando-Hauptquartier in Kreuzberg. Erst kürzlich forderten diejenigen, die mit dem Auto für das Unternehmen durch die Stadt fahren, eine Erhöhung der Kilometerpauschale von 30 auf 50 Cent, um den gestiegenen Spritpreisen gerecht zu werden. Auch Leo war dort. »Ich will mich hier solidarisch zeigen«, sagt er. Es gehe ihm dabei einfach ums Prinzip.

    Den Protest mit auf die Beine gestellt hat Sarah, alleinerziehende Mutter von drei Kindern. »Versicherung, Steuern, Werkstattbesuche – das müssen wir alles selbst tragen«, sagt die 32-Jährige, die wie alle anderen auch ihr Privatauto für den Job bei Lieferando einsetzt. Schon bei normalen Benzinpreisen reiche die Kilometerpauschale »vorne und hinten nicht«, mittlerweile aber sei es vollkommen unmöglich geworden. »Das ist ein ganz, ganz großes Problem für uns gerade«, sagt sie. »Wir bezahlen den Sprit aus eigener Tasche.«

    Es ist auch die Anrechnung der Strecken, die für Kopfschütteln unter den Fahrerinnen und Fahrern sorgt. Die Rede ist von »gestohlenen Kilometern«: zusätzlichen Wegen, die durch Lieferando nicht anerkannt und gezahlt werden. Schuld soll das nicht funktionierende Zusammenspiel zwischen der unternehmenseigenen App und dem von Lieferando zur Verfügung gestellten Navigationssystem sein. Sarah erklärt, die App berechne ständig kürzere Wege als die Strecken, die tatsächlich angezeigt und gefahren würden. Außerdem werde man regelmäßig an falsche Adressen geleitet. Die zusätzlichen Kosten übernehme Lieferando in keinem der Fälle.

    »Weil das Navi generell einfach immer spinnt, habe ich mir ein eigenes besorgt«, sagt Sarah. Jetzt werde sie zwar seltener an falsche Adressen geleitet, an der fehlerhaften Kilometerberechnung in der App ändere das aber nichts. Theoretisch gebe es für sie zwar die Möglichkeit, die zusätzliche Strecke manuell nachzuweisen, aber: »Es ist einfach nicht meine Aufgabe als Fahrerin, da noch ein Fahrtenbuch parallel zur Arbeit zu führen.«

    So gefährlich wie Leos Alltag ist der von Sarah nicht. Von Stress weiß aber auch sie zu berichten. »Man hat natürlich viele Tage, an denen man kaum hinterherkommt«, sagt sie. »Wenn eine Lieferung vor einer Stunde hätte abgeholt werden müssen, sind wir diejenigen, die den ganzen Stress vom Restaurant und von den Kunden abbekommen.« Zu Verspätungen komme es zwangsläufig: Parkplätze und Wohnungseingänge seien schwer zu finden, oft müsse telefoniert werden, weil auf das Klingeln niemand reagiert.

    Bei der Frage danach, ob sie mit der Bezahlung zufrieden sei, muss Sarah lachen. »Natürlich ist das nicht in Ordnung und könnte viel mehr sein.« Neben dem Stundenlohn, den Lieferando Anfang des Jahres von zehn auf elf Euro erhöht hat, erhalten Fahrerinnen und Fahrer ab der 26. Lieferung im Monat nach einem Staffelsystem zusätzlich 25 Cent pro Zustellung. Ab der 101. Lieferung gibt es einen, aber der 201. zwei Euro pro Zustellung oben drauf. »Letztlich macht es eigentlich das Trinkgeld«, sagt Sarah.

    Seit kurzem ist die Fahrerin Mitglied der Gewerkschaft Nahrung-Genuss-Gaststätten. Diese fordert schon seit längerem einen Stundenlohn von 15 Euro für die Lieferando-Beschäftigten. Sie versuche auch, andere dazu bewegen, sich zu engagieren, sagt Sarah, doch das sei nicht so einfach: »Viele hier haben Probleme mit Lieferando, bleiben aber lieber ruhig, weil sie Angst haben, den Job zu verlieren.« Für einige hänge auch der Aufenthaltstitel an der Anstellung. Aufgeben wollen Sarah und Leo aber nicht. Die erstmalige Wahl eines Betriebsrats für die Berliner Beschäftigten ist bereits in Vorbereitung.

    Lieferando selbst ließ eine Anfrage von »nd« unbeantwortet. Am Mittwoch startet vor dem Arbeitsgericht in Berlin ein Prozess gegen den Lieferdienst Gorillas. Drei ehemalige Angestellte des Unternehmens klagen, nachdem sie zusammen mit über 50 Kolleginnen und Kollegen fristlos entlassen wurden.

    #Berlin #Arbeitsgericht #Fahrradkurier #Lieferdienst #Arbeit #Klassenkampf

  • Solidarität mit den Gorillas Riders - AG Taxi Berlin
    http://ag-taxi.de/gorillas-soli.html

    13. November 2021 - Widerstand gegen moderne Sklaverei !

    Wir, die AG Taxi bei ver.di Berlin solidarisieren uns mit dem Kampf der Gorillas-Riders.

    Wir unterstützen Eure legitimen Forderungen.

    Aus unserer eigenen Erfahrung kennen wir prekäre Arbeitsbedingungen zu genüge. Nur wenige KollegInnen erhalten den gesetzlichen Mindestlohn. Auch wir erhalten Fahrtaufträge per App der Funkzentrale, die nach oft intransparenten Kriterien vergeben werden. Auch wir kennen den Zeitdruck, in wenigen Minuten oft unter Umgehung der Verkehrsregeln beim Kunden sein zu müssen.

    – Arbeitsmittel müssen vom Arbeitgeber gestellt werden.
    – Ausfallzeiten durch Reparaturen und die Reparaturkosten müssen vom Arbeitgeber getragen werden.
    – Ausführungsbedingungen für Aufträge müssen realistisch sein.
    – Willkür bei der Lohnzahlung und -kürzungen sind Illegal
    – Akkordlohn ist illegal.

    Klassenkapmf im Winter

    Ein derartiges Verhalten des Arbeitgebers bedeutet Frohn-Dienst bzw. moderne Sklaverei!
    Weder Smart-Phone noch Fahrrad, Moped, Auto, etc. sind vom Arbeitnehmer zu stellen und selbst zu erhalten. Betriebsbedingte Ausfallzeiten unterliegen der Lohnfortzahlung und dürfen nicht willkürlich reduziert oder gar gestrichen werden. Auch muß der Lohn nach Stunden abgerechnet werden. Nach Stückzahl abrechnen bedeutet Akkordlohn und der fördert Gefahren bei der Auftragserfüllung.


    Euer Kampf ist unserer !


    Bühne

    Solidarität mit allen, die sich gegen Arbeitsunrecht zur Wehr setzen!


    Aufruf zur Demonstration am 16.11.2021

    Die AG- Taxi erklärt sich solidarisch mit den Forderungen der Angestellten von Gorillas.

    #Berlin #Lieferdienste #Arbeitskampf

  • Lieferdienst Gorillas : Mini-Gorillas vs. vs. Rider-Rechte
    https://taz.de/Lieferdienst-Gorillas/!5812179

    16.11.20021, Erik Peter - Der Lieferdienst führt ein Franchise-Modell für seine Lagerhäuser ein. Der Schritt dient wohl dazu, die Gründung eines Betriebsrats zu verhindern.
    Protest mit Stinkefingern und Maske von Gorillas-Gründer Kagan Sumer

    Gruß des Ober-Gorillas

    Als „Herzstück unseres Unternehmens“ bezeichnet der Lebensmittellieferdienst Gorillas in einer aktuellen Mitteilung seine Fahrer:innen. Das Start-up lobt sich darin selbst für ein neues „Bonussystem“, das derzeit erprobt werde. Die Rider erhalten demnach weiterhin einen garantierten Stundenlohn von 10,50 Euro, können ihren Verdienst aber steigern, wenn sie drei oder mehr Auslieferungen pro Stunde schaffen, da jede Fahrt mit 4 Euro entlohnt werde. Im Konkurrenzkampf um Fah­re­r:in­nen setzt Gorillas damit auf dasselbe Modell wie andere Lieferdienste.

    Weniger offensiv verkauft Gorillas eine zweite Neuerung, über die zuerst der Spiegel berichtet hatte. Bereits ab diesen Dienstag, parallel zum groß mobilisierten Protest der Beschäftigten am Nachmittag in Kreuzberg, soll das Unternehmen in viele eigenständige Einheiten aufgeteilt werden. Die Warehouses genannten Lager, in denen die Fah­re­r:in­nen die Lebensmittel abholen, sollen künftig per Franchise-Modell geführt werden.

    Auf Anfrage der taz bestätigt Gorillas, dass „alle klassischen Unternehmeraufgaben an die neuen Betriebseinheiten übertragen“ werden sollen, zumindest testweise. Eigenständige Warehouse-Manager seien dann verantwortlich für „Schichtplanungsthemen, Weiterbildungsmöglichkeiten und Einstellungen“.

    Gorillas spricht von mehr „Eigenständigkeit, Gestaltungsspielraum und Flexibilität“ für die einzelnen „Teams“ – hat aber womöglich ganz anderes im Sinn. Die Zerschlagung der Zentralstruktur dürfte auch die Bemühungen der Angestellten unterlaufen, einen Betriebsrat zu gründen. Gegen die für Ende des Monats geplante Wahl war Gorillas Anfang November gerichtlich vorgegangen.

    Am Mittwoch entscheidet das Berliner Arbeitsgericht über die beantragte einstweilige Verfügung auf Abbruch der Wahl. Der Arbeitsrechtler Martin Bechert, der auch eine Vielzahl gekündigter Gorillas-Fahrer vertritt, bezeichnet die Zerstückelung des Unternehmens im Spiegel als „Union Busting“ und „systematische Vereinzelung der Arbeitnehmer“. An eine Betriebsratswahl glaubt er nicht mehr.

    Goldgräberstimmung

    Für Gorillas geht die Expansion weiter. Als neues Dach dient der Firma eine niederländische Holding. Dieser wohl auch steuersparende Schritt solle die „nächste Wachstumsphase optimal unterstützen“. Jüngst war der Berliner DAX-Konzern Delivery Hero, der mit seiner Marke Foodpanda sowohl Restaurantessen als auch Lebensmittel liefert, bei Gorillas eingestiegen und hatte 8 Prozent der Anteile für 235 Millionen Dollar erworben.

    Der US-Konzern Doordash hat nach erfolglosen Verhandlungen mit Gorillas Wolt übernommen und sich eine Beteiligung an Flink gesichert, dem größten Gorillas-Konkurrenten in der Lebensmittellieferung. Der Umsatz im Online-Lebensmittelhandel ist im vergangenen Jahr um 58 Prozent auf 4,5 Milliarden Euro gestiegen.

    #Berlin #Lieferdienste #Arbeitskampf

  • Berliner Radkuriere protestieren: „Hört auf, Essen zu bestellen!“
    https://taz.de/Berliner-Radkuriere-protestieren/!5746305

    11. 2. 2021, Timm Kühn, Plutonia Plarre - Lieferdienste erzielen bei Schnee und Lockdown Rekordumsätze. Deren Fah­re­rIn­nen beklagen nun „menschenunwürdige Bedingungen“.

    Von allen Seiten kommen sie angeradelt und lassen ihre quadratischen blauen oder orangenen Rucksäcke in den Schneematsch fallen. Darauf steht „Lieferando“ oder „Wolt“. Rund zehn Frauen und Männer, allesamt Fahrradkuriere bei Essens-Lieferdiensten, haben sich am Donnerstag auf der Kreuzberger Admiralbrücke versammelt, um gegen die Arbeitsbedingungen bei den derzeitigen Witterungsverhältnissen zu protestieren. Aus Infektionsschutzgründen ist die Kundgebung nur klein. „To cold to ride“, steht auf Pappschildern, die sie hochhalten. Und: „Stop order food“.

    Tobias Schülke ist einer von ihnen. „Menschenunwürdig“ seien die derzeitigen Arbeitsbedingungen, sagt er. Die Forderungen der Protestierenden fasst er so zusammen: Lieferdienste wie Wolt und Lieferando müssten eine richtige Winterausrüstung zur Verfügung stellen. Jede FahrerIn müsse selbst entscheiden können, ob er oder sie bei diesen Bedingungen zur Arbeit erscheine. Auch einen Kältebonus müsse es geben. Von der Politik erwartet Schülke, dass „den Lieferdienstfirmen klare Vorschriften gemacht werden, die zum Beispiel die Arbeitszeiten bei diesen Witterungsbedingungen beschränken“.

    Manche seiner KollegInnen würden trotz Minusgraden „bis zu zehn Stunden am Tag“ fahren, erzählt Schülke. Viele könnten aus ihren regulären Jobs derzeit keine Einkünfte erzielen. Dazu komme, dass viele FahrerInnen kein Deutsch sprächen. „Da ist die Gefahr groß, nur aus der Angst heraus zu funktionieren.“

    Erst kürzlich hatte der Lieferando-Mutterkonzern Just Eat Takeaway verkündet, dass sich der Umsatz im Pandemiejahr 2020 auf rund 2,4 Milliarden Euro belaufe – verglichen mit dem Vorjahr ist das eine Steigerung um mehr als die Hälfte. Nun wollen die Fah­re­rIn­nen einen Teil vom Kuchen abhaben.

    Noch besäße man aber nicht die nötigen Strukturen, um selbst ausreichend Druck zu erzeugen, erzählt Schülke. Sie seien deshalb auf die Öffentlichkeit angewiesen: „Wir wollen, dass die Leute aufhören zu bestellen!“, fordert er. Nur so könne ein Umdenken der Lieferkonzerne erreicht werden.

    „Uns geht es darum, ein gesellschaftliches Bewusstsein dafür zu schaffen, dass die Lieferdienste Menschen auf die Straße zwingen“, sagt Schülke. Gleichzeitig werde öffentlich kommuniziert, dass je­de Fah­re­rIn freiwillig unterwegs sei. Tatsächlich schreibt Wolt im Blog des Konzerns, niemand müsse sich bei Verspätungen oder dem Fernbleiben von der Arbeit aus Sicherheitsbedenken Gedanken machen.

    Schülke hat in der Kommunikation mit Wolt andere Erfahrungen gemacht: „Da heißt es zum Beispiel, wenn Ihr nicht fahren wollt, dann lauft doch stattdessen. Wie kann man jemanden anbieten, für 10 Stunden bei Minusgraden durch den Schnee zu laufen?“, fragt er wütend. Als er Bedenken bekundete, habe er ein blaues Smilyherz aufs Handy und einen aufbauenden Spruch erhalten. Das sei, so Schülke, „absurd“: „Ich bin Arbeitnehmer und damit weisungsgebunden. Da sind die Nettigkeiten doch völlig egal.“

    Bisher bestünde aber nur eine Telegram-Gruppe, in der die Fah­re­rIn­nen zudem anonym blieben. „Man weiß ja nie, ob der Arbeitgeber mithört“, sagt Schülke, der nur mit Klarnamen auftritt, da er sich bereits öffentlich ausgesprochen habe. Er ist dennoch besorgt: „Beim letzten großen Aufstand der Fah­re­rIn­nen haben ja alle, die namentlich bekannt geworden sind, ihre Arbeit verloren“, sagt er.

    Beim Fototermin verstecken sich Fahrradkuriere deshalb hinter Schals und den Pappschildern, um nicht erkannt zu werden. Eine Lieferantin erzählt, dass es den KundInnen völlig egal sei, ob es regnet oder schneit. Hauptsache sie bekämen ihr Essen rechtzeitig. „Das ist euer Job“, sei die Haltung. Auch was Trinkgeld angehe, seien die Leute mehr als knauserig. Einer habe ihr in diesen Kältetagen ganze 28 Cent gegeben.

    „Mama, was wollen die?“, fragt ein kleiner Junge seine Mutter, die auf einem Poller auf der Admiralbrücke sitzt und die Kundgebung beobachtet. „Die wollen, dass die Leute selber kochen“, lautet die Antwort.

    #Berlin #Lieferdienste #Arbeit

  • Mehr Rechtssicherheit für Spaniens „Rider“ | Telepolis
    https://www.heise.de/tp/features/Mehr-Rechtssicherheit-fuer-Spaniens-Rider-6052684.html


    Bravo !

    Amazon, Glovo, Deliveroo & Co.: Spanien beendet die Scheinselbständigkeit für Fahrer von Lieferdiensten. Doch eine umfassende Regulierung steht weiter aus

    Die Online-Handelsplattformen und Lieferdienste zählen eindeutig zu den Krisengewinnern der Corona-Pandemie: Die „Plattformisierung“ der Ökonomie wurde über die Krise auf eine völlig neue Stufe gehoben. Dass der Online-Gigant Amazon, auch bekannt für sein Vorgehen gegen Gewerkschaften und für ungesunde Arbeitsbedingungen, seinen Gewinn im ersten Quartal 2021 gegenüber dem Vorjahreszeitraum mehr als verdreifacht und somit auf 8,1 Milliarden Dollar erhöht hat, spricht eine deutliche Sprache.

    Ein Grund dafür, dass der Umsatz nur um 44 Prozent auf 108,5 Milliarden Dollar (rund 89,5 Milliarden Euro) zugelegt hat, sind natürlich auch die längst bekannten Strategien der Steuervermeidung, die sogar US-Präsident Joe Biden kritisiert, der deshalb eine weltweite Mindeststeuer für Konzerne durchsetzen will.

    In Deutschland hat die Partei Die Linke kürzlich eine Studie über die „Methode Amazon“ vorgestellt. Martin Schirdewan, Mitglied im Finanz- und Währungsausschuss sowie im Sonderausschuss für Steuerfragen der Linken im Europäischen Parlament, hatte die Untersuchung in Auftrag gegeben. Zusammenfassend erklärte er: „Amazon hat wohl in den vergangenen Jahren durch Steuerumschichtung und Bilanztricks weltweit so gut wie keine Steuern gezahlt. Amazon hat aus Steuervermeidung ein Geschäftsmodell erschaffen. So haben sie sich einen Wettbewerbsvorteil gegenüber ihrer Konkurrenz aufgebaut.“

    Körperschaftssteuer? Doch nicht Amazon!
    Trotz des Rekordumsatzes hat Amazon in Europa 2020 keinen Euro Körperschaftssteuer bezahlt, nicht einmal einen Cent. Dabei erwirtschaftet der von Jeff Bezos gegründete Multi, dessen Wurzeln in Spanien liegen, einen guten Teil seiner Gewinne in Europa, wo er 2020 einen Umsatz von 44 Milliarden Euro gemacht hat. In Deutschland stieg der Umsatz um etwa 33 Prozent auf etwa 24,7 Milliarden Euro. Mehr Umsätze generierte der Multi nur in den USA. Doch Körperschaftssteuer hat der Online-Riese trotz der Mega-Gewinne nicht gezahlt, berichtete Anfang Mai der britische Guardian.

    Offiziell macht das US-Unternehmen, dass seinen Sitz im Steuerparadies und EU-Mitgliedsland Luxemburg hat, sogar Verluste in Europa. Jedem normalen Unternehmer in Europa müsste diese unlautere Konkurrenz die Zornesfalten ins Gesicht treiben, da man mit Amazon praktisch nicht konkurrieren kann. Sie müssten sich eigentlich in dieser Frage auch mit den Gewerkschaften in ein Boot setzen und die Arbeitsbedingungen und Tarife für die Beschäftigten auf digitalen Plattformen regeln, die ebenfalls erheblich zu den real enormen Gewinnen von Firmen wie Amazon beitragen.

    Denn die Firma geht auch rabiat gegen Mitarbeiter vor, die sich organisieren und für bessere Bedingungen kämpfen. In Spanien sollen sogar Spitzel für „Union Busting“ eingesetzt worden sein.

    Arbeitsministerin stolz auf Regulierung
    In dem Land tut sich, wenn auch sehr zaghaft, etwas, wenn es darum geht, die digitalen Plattformen endlich zu regulieren. Erstaunlicherweise sitzen ziehen dabei sogar die Gewerkschaften und Unternehmen einmal an einem Strang mit der Regierung. „Spanien ist zum Vorreiter internationaler Gesetzgebung geworden“, erklärte die spanische Arbeitsministerin Yolanda Díaz vergangene Woche, nachdem das Kabinett das sogenannte „Rider-Gesetz“ als Dekret verabschiedet hatte. Es soll am 12. August in Kraft treten. Den Firmen wird bis dahin Zeit gegeben, sich darauf einzustellen.

    Nach dem Rider-Gesetz soll es selbstständige Fahrer von Internetplattformen wie Glovo, Deliveroo, Uber Eats nicht mehr geben: Sie sollen in der Zukunft normale Beschäftigte sein. Díaz merkte dazu an, dass es sonst „kein Land auf der Welt gibt, das es gewagt hat“, digitale Plattformen zu regulieren. „Erstmals schaut die Welt auf Spanien“, meint sie sogar etwas großspurig. Das hat natürlich mit der sehr schwierigen Lage ihres Linksbündnisses Unidas Podemos (UP) zu tun.

    Die Formation ist dringend auf Erfolge angewiesen. In der Koalition mit den Sozialdemokraten (PSOE) als Seniorpartner hat Ministerpräsident Pedro Sánchez Podemos bisher am langen Arm verhungern lassen. Das Bündnis hat bisher praktisch kaum etwas von seinen Vorstellungen umsetzen können, was zu massiven Spannungen führt. Die „Empörten-Bewegung“, aus der Podemos stammt, ist nach zehn Jahren am Ende. Und die Lage in der Linkskoalition ist nach dem Abgang des Podemos-Chef Pablo Iglesias nun so prekär wie die Arbeitsbedingungen vieler Beschäftigter im Land. So ist dies für die Arbeitsministerin, die auch von Iglesias als Nachfolgerin genannt wurde, der richtige Zeitpunkt, auch mal eine positive Nachricht verkünden zu können.

    Beim Rider-Gesetz handelt es sich um einen Kompromiss, den Díaz mit Gewerkschaften und dem Unternehmerverband CEOE ausgehandelt hat. Aus der Nähe betrachtet ist dies aber bestenfalls ein halber Sieg. Das Gesetz kommt nämlich viel zu spät. Denn über die Frage ist höchstrichterlich längst entschieden worden. Wie Telepolis schon berichtete, waren es „Rider“ wie Isaac Cuende, die in langen Jahren über Proteste, Streiks und über die Justiz bis zum Obersten Gerichthof erkämpft hatten, dass die Fahrer auf Fahrrädern, Motorrädern oder Elektrorollern keine „Selbstständigen“ mehr sind.

    Zuvor hatten auch untergeordnete Gerichte schon deren Scheinselbständigkeit festgestellt. Auch Arbeitsinspekteure kamen nicht selten zu diesem Schluss und verhängten Bußgelder gegen die betreffenden Unternehmen. So wurde nur noch in ein Dekret gegossen, was längst offizielle Rechtslage ist. Auch deshalb wollte sich die CEOE nicht querstellen.

    Positiv angesichts einer sehr unberechenbaren und politisierten Justiz ist aber, dass nun Rechtssicherheit für die Rider geschaffen wurde. Die Fahrer sind nicht mehr darauf angewiesen, ihre Rechte einzeln einzuklagen, sollte das Dekret tatsächlich innerhalb der nächsten drei Monate im Parlament bestätigt werden. Für die Gewerkschaften ist ein „wichtiger erster Schritt“ erreicht worden. Gonzalo Pino von der Arbeiterunion (UGT) erklärt aber auch, dass man eigentlich die Regulierung aller Plattformen angestrebt habe. Das Gesetz sei trotz allem „ein annehmbarer Kompromiss und ein bedeutender Etappensieg im Kampf gegen Scheinselbstständigkeit“, erklärte der Verantwortliche für Gewerkschaftspolitik. Doch damit sei nur ein Teilsieg erreicht:

    Das Rider-Gesetz beendet nicht den Betrug der Plattformen, es beendet die Debatte darüber, ob es ein Arbeitsverhältnis mit den Zustellfahrern gibt oder nicht, aber der Betrug wird weitergehen, und es ist jetzt der Zeitpunkt, an dem wir unsere gewerkschaftlichen Aktionen durchführen müssen, um den Betrug bei der Einstellung zu bekämpfen, bei der Verwendung von Scheinfirmen, um Tätigkeiten und damit das Geschäftsrisiko weiter auszulagern.

    (Gonzalo Pino, UGT)

    Im aktuellen Kampf geht es nicht mehr darum, ob die Rider überhaupt einen Arbeitsvertrag haben oder nicht, sondern welche Tarifvereinbarung auf sie anwendbar ist, wie man es auch schon aus den Amazon-Streiks kennt. Bei der Auslagerung der Beschäftigten in Scheinfirmen sollen Ansprüche wegfallen, die aus einer längeren Betriebszugehörigkeit rühren. „Das ist das neue Szenario mit den Plattformen, die einen Betrug durch einen anderen Betrug ersetzen werden“, meint Pino.

    Insgesamt zieht seine Gewerkschaft, die den regierenden Sozialdemokraten (PSOE) nahesteht, diesen genauso an den Ohren wie der linken Arbeitsministerin Díaz. Das Gesetz sei eine „verpasste Chance“ die digitale Ökonomie umfassend zu regulieren, meint die UGT in einem Kommuniqué zum Rider-Gesetz. Die Plattformen hätten massiv Druck ausgeübt - und das fällt bei der neoliberalen Truppe in der PSOE, allen voran bei der Wirtschaftsministerin Nadia Calviño, die bei allen progressiven Vorstößen massiv auf die Bremse tritt, auf fruchtbaren Boden.

    Druck auf Regierende von Unternehmen
    So ist das Gesetz nur ein Tropfen auf den heißen Stein. Aber es ist heute ja schon fast ein Fortschritt, dass es wenigstens diese Tropfen gibt. Arbeitsministerin Díaz und die Linkskoalition UP sind aber erneut wieder weit hinter ihren Versprechen zurückgeblieben. Versprochen worden war eine umfassende Regelung. Und die hatten auch Fahrer wie Cuende erwartet, schließlich sind Lieferdienste wie Deliveroo, Glovo, Uber Eats bestenfalls die Spitze des Eisbergs. Cuende hatte in seinem zähen Kampf stets auf „ein Modell“ wie das Uber-Modell verwiesen, dass immer breiter benutzt werde. Sogar sein Sohn werde schon als Scheinselbständiger in einem privaten Krankenhaus in Madrid beschäftigt.

    Der Lieferdienst Glovo hatte gehofft, dass die CEOE einen Kompromiss blockieren würde, um die Fahrer zu Einzelklagen zu zwingen. Der Lieferdienst hat deshalb angekündigt, den Unternehmerverband zu verlassen. Unter den bekannteren Lieferdiensten verteidigt nur die Firma Just Eat, die ohnehin längst über eigene Fahrer verfügt, aber bisher ein Mix-Modell angewendet hatte, die Regelung. Glovo wettert im Verband der Lieferdienste (APS) mit Deliveroo, Stuart und Uber Eats gegen das Gesetz, da es die Entwicklung des Sektors „gefährde“.

    Inszenierter Protest
    Der APS, in dem sich Firmen zusammengeschlossen haben, die schon zuvor von Arbeitsinspekteuren sanktioniert worden sind, beschwert sich auch darüber, dass ein Dekret ohne Debatte im Parlament verabschiedet worden sei. Entsetzt ist man auch darüber, dass die Unternehmen ihre Algorithmen offenlegen müssen, nach denen Fahrer ausgewählt werden. Und das, so die Gewerkschaften, soll nun insgesamt Teil der Tarifvereinbarungen werden.

    Allerdings sind offenbar nicht alle Fahrer über ein eher starres Gesetz erfreut, das selbstständige Fahrer praktisch komplett verbietet. Einige fürchten um ihre Flexibilität, andere sogar um ihren - wenn auch prekären - Job, wie sie zum Beispiel gegenüber dem Deutschlandfunk erklärt haben. Die Firmen spielen in der schweren Wirtschaftskrise natürlich mit der Angst vieler in einem Land, in dem vor allem die Arbeitslosigkeit blüht und in dem man leicht durch die großen Maschen des Sozialsystems fallen kann.

    Betroffene verlieren oft schnell auch ihre Wohnung und können auf der Straße landen. So kam es in der vergangenen Woche auch zu Protesten von Fahrern. Und dann machte in einer Live-Sendung im öffentlich-rechtlichen Fernsehen der Rider Fernando García deutlich, dass kurz zuvor ein Glovo-Verantwortlicher als angeblicher Fahrer interviewt worden sei. Gustavo Gaviria, der Sprecher der „Vereinten Fahrer“ sei eingeschleust. Gaviria „tue nur so, als sei er Rider“, um seinen Diskurs gegen die Regelung führen zu können. Hinter ihm und den Protesten stünden Firmen wie Glovo, die sie auch finanzierten, erklärte García.

    Drohkulisse: Wegfall von Jobs und Arbeitsverdichtung
    Nach Umfragen bei den Firmen, die Rider beschäftigen, sollen von den geschätzt 30.000 Fahrern nur noch etwa 12.000 als sozialversicherungspflichtige Beschäftigte weiterbeschäftigt werden. Wie sie damit das steigende Aufkommen bewältigen wollen, bleibt dabei das Geheimnis der Unternehmen. All das klingt sehr nach Drohkulisse, um für Stimmen im Kongress gegen die Verabschiedung des Gesetzes zu werben. Besonders schwierig ist natürlich die Lage - auch dabei - für Einwanderer und Geflüchtete ohne gültige Papiere, die in diesem Sektor oft ein Einkommen finden konnten. Sie werden zum Teil auch von Ridern angeheuert, die dann ihre Schicht für einen noch geringeren Lohn übernehmen. Im Internet gibt es wiederum Plattformen dafür.

    Somit wäre es dringend nötig, wie es Portugal getan hat, diese Menschen zu „legalisieren“, damit sie nicht in noch schlechtere Arbeitsbedingungen unter totaler Ausbeutung abgedrängt werden. Von extremen Bedingungen hatte UNO-Sonderberichterstatter für extreme Armut schon vor der Corona-Pandemie in Spanien berichtet, wo „die Ärmsten in im Stich gelassen werden“. Der Australier Philip Alston stieß mitten in Europa auf Zustände, „die mit den schlechtesten konkurrieren, die ich je auf der Welt gesehen habe“, sagte er nach seinem Spanien-Besuch.

    #Spanien #Lieferdienste #Plattformwirtschaft #Arbeit #Justiz #Recht

  • Essen auf Rädern als Monopol - Berliner Zeitung vom 14.8.2019
    https://www.berliner-zeitung.de

    Seite 2, Tagesthema Lieferdienste, von Frank-Thomas Wenzel

    Nach dem Rückzug von Deliveroo ist Lieferando das einzige überregionale Unternehmen der Branche in Deutschland.
    ...
    Was passiert mit den Fahrern von Deliveroo?

    Rund 1100 Frauen und Männer verlieren ihren Job. Wobei es sich um „Freiberufliche“ handelt, darunter viele Studierende. Deliveroo hat angekündigt, Abfindungen zu zahlen, ohne Details zu nennen. Guido Zeitler, Chef der Gewerkschaft NahrungGenuss-Gaststätten, weint Deliveroo „keine Träne nach“. Die Geschäftspraktiken des Unternehmens beruhten „komplett auf Scheinselbstständigkeit“. Dem müsse die Politik einen Riegel vorschieben. Auch bei Lieferdiensten müsse es eine sozialversicherungspflichtige Beschäftigung geben.

    Warum diese heftige Expansion?

    Das Management von Takeaway hat immer wieder betont, dass man auf Skaleneffekte setze. Mit schierer Größe sollen Kosten gedrückt werden. Denn es ist enorm schwer, mit der modernen Variante von „Essen auf Rädern“ Geld zu verdienen, obwohl die Zahl der Bestellungen auf den meisten Märkten nach wie vor steigt. Das Takeaway-Management weist darauf hin, dass an vielen Standorten nur jeder Zehnte die Onlinedienste für Gekochtes und Gebratenes nutzt. Potenziale seien da. Um sie zu nutzen, sind unter anderem Investitionen in Informationstechnik wichtig – mit dem Ziel eines Mahlzeitenangebots, das für das jeweilige Stadtviertel und seine Bewohner maßgeschneidert ist.

    Was unterscheidet Lieferando und Deliveroo?

    Deliveroo ist der klassische Vertreter eines Premium-Dienstes. Im Fokus soll gehobene Gastronomie stehen. Dafür bietet das Unternehmen nicht nur eine Internet-Plattform mit einer großen Auswahl zum Bestellen der Mahlzeiten und die Infrastruktur zur Abwicklung der Bezahlung, sondern auch das Ausfahren der Mahlzeiten mit eigenen Fahrern. Vor allem deren Lohnkosten machen Deliveroo heftig zu schaffen. Lieferando ist vor allem ein sogenannter Aggregator, der sich auf das Betreiben der Plattform konzentriert. Nur bei fünf Prozent der Bestellungen sollen die Gerichte von eigenen Kurieren geliefert werden.

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