Le cerveau vit et bouge. En bref c’est le résultat des études menés par les chaires de psychologie biologique. Au dépens des soins cliniques on dépense des milliards pour une science qui depuis des décennies ne produit pas de résultats. On et tenté de placer sa qulité au niveau des expériences du fameux Docteur Mengele, sauf que probablement sa "science" a été plus sanglante.
6.9.2025 von Stephan Schleim
Laut einer Studie an der Universität Halle-Wittenberg ist die Wirkung von Psychotherapie nun „medizinisch-naturwissenschaftlich“ belegt.Depressionen entwickeln sich mehr und mehr zur Volkskrankheit. Trotz anhaltender Kritik an der Wirksamkeit sogenannter Antidepressiva werden davon inzwischen in Deutschland genug verschrieben, um täglich fünf Millionen Menschen zu behandeln. Viele Personen suchen psychotherapeutische Hilfe. Für gesetzlich Krankenversicherte sind die Wartezeiten schmerzhaft lang, während Psychologieverbände mehr Behandlungsplätze fordern und seit der Reform der Ausbildung zum*zur Psychotherapeut*in die Finanzierung weiterhin unklar ist. Allein davon könnte man schon depressiv werden.
Jetzt hat eine Forschungsgruppe unter der Leitung von Ronny Redlich, Professor für biologische und klinische Psychologie an der Universität Halle-Wittenberg, die möglichen Auswirkungen von Psychotherapie auf das Gehirn näher untersucht. „Mehr graue Zellen durch Psychotherapie“, kommentierte das die Pressemitteilung der Uni vom 27. August. Es klingt wie ein Durchbruch: „Jetzt haben wir erstmals einen validen Biomarker für den Effekt von Psychotherapie auf die Hirnstruktur“, erklärt der Professor. „Einfacher ausgedrückt: Psychotherapie verändert das Gehirn.“
Na ja. Das Lesen dieses Artikels verändert Ihr Gehirn (hoffentlich auf positive Weise). Spaziergänge in der Natur verändern das Gehirn. Unser ganzes Leben lang verändert alles, was wir tun und wahrnehmen, das Gehirn. Es ist ein plastisches Organ, das mit seinen rund 86 Milliarden Nervenzellen noch viele Geheimnisse seiner Funktionsweise vor uns verbirgt. Schauen wir uns die neue Studie einmal näher an.
Die Studie
Für die jetzt in der Fachzeitschrift Translational Psychiatry publizierte Studie wurden 30 Personen im Alter von durchschnittlich 28 Jahren mit der Diagnose Depressionen untersucht. Ihre Hirnstruktur wurde zweimal mit dem Magnetresonanztomografen (MRT) untersucht: einmal kurz vor dem Beginn einer kognitiven Verhaltenstherapie und dann nach rund 22 Therapiesitzungen beziehungsweise 40 Wochen später. Laut den Forschenden lag der Schwerpunkt bei den Gehirnuntersuchungen auf Strukturen des limbischen Systems wie den Mandelkernen (Amygdalae) oder Hippocampi. Diese werden oft mit Emotionsverarbeitung in Verbindung gebracht.
Am Rande: Was genau zum „limbischen System“ gehört ist gar nicht so klar, lateinisch limbus bedeutet einfach „Saum“. Außerdem hat die Erklärungskraft des Gehirnmodells, das psychische Vorgänge bestimmten Gehirnregionen zuordnet, in den letzten Jahren verstärkt Gegenwind bekommen. Doch mit der alternativen Sichtweise, dass das Gehirn ein holistisches Netzwerk ist, kann man nun auch nicht gerade viel erklären – und vor allem nicht den Einsatz der millionenteuren Scanner rechtfertigen. Wie so oft in der Wissenschaft: „Es ist komplex!“
Zunächst einmal ergab die Studie, dass die Psychotherapie half: Verschiedene Fragebögen zur Messung depressiver Symptome zeigten eine Abnahme. Diese Effekte waren stark und statistisch sehr signifikant. Bei 19 der 30 Personen waren die Depressionen nach den 40 Wochen teils oder vollständig gebessert. Und was zeigte nun das Gehirn?
Sowohl in beiden Mandelkernen als auch im rechten Hippocampus hatte das Volumen der grauen Substanz zugenommen. Das zeigte sich aber nur bei einer gezielten Suche in diesen Regionen und nicht, wenn man das ganze Gehirn betrachtete. Mit den sogenannten „region of interest“-Analysen kann man das Problem umschiffen, stärker für Zufallstreffer kontrollieren zu müssen.
Wenn man das gesamte Gehirn untersucht, berechnet man nämlich Zehntausende statistische Tests, die alle eine gewisse Fehlerwahrscheinlichkeit haben. In der Regel deutet das alternative Vorgehen aber auf kleinere Effekte hin. Und tatsächlich war das Gehirn-Ergebnis auch schwächer als die Auswertung der Fragebögen.
Gehirnbefund
Werfen wir den Blick daher auf den Hirn-Befund:
Abbildung 1: Die Abbildung zeigt rechts einen positiven statistischen Fund für die beiden Amygdalae. Links sieht man eine Korrelation der Veränderung der rechten Amygdala (y-Achse) und eines Messwerts für die Identifikation von Gefühlen (x-Achse). Diese Korrelation war auf dem p < 0,05-Niveau gerade so signifikant. Quelle: Zwiky et al., 2025; Lizenz: CC BY 4.0Ein direkter Zusammenhang zwischen den Messwerten für die depressiven Symptome und der Gehirnveränderung zeigte sich allerdings nicht. Nur bei der Auswertung eines Fragebogens für Alexithymie – ein Fachbegriff für Probleme beim Wahrnehmen und Beschreiben von Gefühlen – gab es den Treffer. Und dann auch nur für den Unterpunkt „Schwierigkeiten, Gefühle zu beschreiben“.
Die Publikation wurde um dieses Thema herum aufgebaut, wie die Forschenden es in ihrer zweiten Hypothese formulierten: „Wir gehen außerdem davon aus, dass regionale volumetrische Veränderungen eher mit einer Verbesserung der Alexithymie als mit einer Abnahme der Schwere der depressiven Symptome insgesamt zusammenhängen“ (S. 2, dt. Übers.).
Hier ist es schade, dass die Forschenden ihre Studie nicht im Voraus registrieren ließen. Bei der Medikamentenforschung, mit der sie ihre Ergebnisse in der Pressemitteilung verglichen, ist das üblich. Und auch im Zuge der Krise der Psychologie der letzten zehn bis 15 Jahre wurde die Bedeutung dieses Vorgehens immer wieder hervorgehoben: Ohne eine Registrierung können Forschende hinterher zu einem zufälligen Fund eine Geschichte stricken, als ob sie genau das gesucht hätten.
Ich will dieser Forschungsgruppe nichts unterstellen. Ich kann nur sagen, dass mir das nicht einleuchtet: Wenn man den positiven Effekt von kognitiver Verhaltenstherapie auf depressive Symptome kennt und diesem im Gehirn festmachen will, warum verengt man dann den Blick auf Alexithymie? Und warum dann nur auf den Teilaspekt, Gefühle zu beschreiben?
An dieser Stelle möchte ich aber vor allem auf zwei wichtige Kritikpunkte eingehen, die auch für Laien verständlich sein sollten.
Fehlende Kontrollen
Wir erinnern uns an die Kernbotschaft: Psychotherapie verändert die Gehirnstruktur. Ich fürchte aber, dass die Studie dieses Ergebnis gar nicht tragen kann – und zwar aufgrund prinzipieller Fehler im Studiendesign:
Laut der Studie war die graue Substanz – im Durchschnitt der 30 Personen – nach 40 Wochen beziehungsweise 22 Therapiesitzungen in einigen Gehirnregionen etwas stärker ausgeprägt. Das ist erst einmal nur eine Korrelation. Woher wissen wir, dass hier auch wirklich ein ursächlicher Zusammenhang besteht, dass es also wirklich die Psychotherapie war, die die Gehirnveränderung bewirkte?
Um diesen Schluss zumindest plausibel zu machen, hätten die Forschenden diese 30 Personen unbedingt mit einer Kontrollgruppe vergleichen müssen, die sich in nichts von der Zielgruppe unterscheidet – außer in der Therapie. Idealerweise hätte man zwei zusätzliche Gruppen mit der Diagnose Depression gehabt: Eine, die zum Beispiel regelmäßig Spaziergänge in der Natur machte; und eine, die gar nichts tat, während sie auf einen Therapieplatz wartete. Davon gibt es (leider) mehr als genug. Das wäre wichtig gewesen, denn erstens verändern zum Beispiel auch Spaziergänge das Gehirn und zweitens geht eine depressive Episode sogar ohne Behandlung oft nach vier bis neun Monaten von selbst wieder vorbei.
Zugegeben, Leute in der Kontrollgruppe auf einen Therapieplatz warten zu lassen, ist auch keine gute Lösung. Trotzdem gibt es in der guten Psychotherapieforschung immer Kontrollgruppen. Ohne diese kann man ein Ergebnis unmöglich kausal interpretieren. Zum Vergleich: Man kann gute Gründe dafür haben, kein Geld dabei zu haben, wenn man vom Sport kommt und noch eine Apfelschorle kaufen will; darum ist es aber trotzdem nicht richtig, diese ohne Bezahlung mitzunehmen. Ebenso kann man auf die Kontrollgruppe nicht verzichten, wenn man spezifisch den Effekt von Psychotherapie untersuchen will, selbst wenn man dafür gute Gründe haben mag.
Doch selbst das wäre noch nicht einmal das größte Problem. Auf dieses kommen wir jetzt zu sprechen.
Medikamente
Ein zweites Problem ist aber noch gravierender: Von den 30 Personen nahmen nämlich neun, also fast ein Drittel, sogenannte Antidepressiva; sieben dieser neun sogar eine hohe Dosis. Nun ist aber schon lange bekannt, dass bei Personen mit Depressionen aber ohne Medikamente kleinere und bei denjenigen mit Medikamenten größere Amygdalae gemessen wurden. Das zeigte zum Beispiel schon eine viel zitierte Meta-Analyse aus dem Jahr 2008. Schauen wir uns unter diesem Gesichtspunkt noch einmal die Korrelation aus Abbildung 1 genauer an:
Abbildung 2: Die Abbildung zeigt wieder die Veränderung des Volumens der rechten Amygdala (y-Achse) im Zusammenhang mit dem Messwert für die Identifikation von Gefühlen (x-Achse). Im blauen Kreis in der Mitte sieht man neun Personen, für die sich im Prinzip nichts geändert hat und im orangefarbenen Rechteck rechts oben sechs Personen, die das Ergebnis – die gestrichelte Gerade darunter – gewissermaßen „nach oben ziehen“. Quelle: Angepasst nach Zwiky et al., 2025; Lizenz: CC BY 4.0Wir sehen auf der Abbildung, dass sich für einige Personen in der Studie – die im blauen Kreis – weder das Volumen in der rechten Amygdala noch die Identifikation von Gefühlen nennenswert geändert hat. Der ohnehin schon kleine Effekt wird vor allem von den sechs Personen im orangefarbenen Rechteck nach oben gezogen.
Wenn von diesen einige Medikamente genommen haben, könnte das die Veränderung des Gehirnvolumens besser erklären, während die Forscherinnen und Forscher das Ergebnis der Psychotherapie zuschreiben. Das wäre ein grober Fehler. Darum sollten sie meiner Meinung nach die Analyse unbedingt noch einmal ohne die Antidepressiva-Gruppe wiederholen.
Alter Wein
Wir erinnern uns, dass die Pressemitteilung das Ergebnis als neu darstellte: „Erstmals haben die Forschenden auch konkrete anatomische Veränderungen dokumentiert.“ Und der Studienleiter Redlich ergänzte: „Jetzt haben wir erstmals einen validen Biomarker für den Effekt von Psychotherapie auf die Hirnstruktur. Einfacher ausgedrückt: Psychotherapie verändert das Gehirn.“
Diese Darstellung ist aus zwei Gründen sehr merkwürdig: Erstens bezweifelte niemand ernsthaft, dass Psychotherapie das Gehirn verändert. Schon wenn man irgendetwas lernt, sagen wir die Melodie von „Alle meine Entchen“ auf dem Klavier, ändert sich etwas im Körper und insbesondere im Gehirn. Zweitens wurden im Zusammenhang mit Psychotherapie schon oft Gehirnveränderungen berichtet.
Zum Beispiel hat schon 2012 die Bremer „Hanse-Neuropsychoanalysestudie“ von Anna Buchheim und unter Beteiligung des inzwischen verstorbenen deutschen „Gehirn-Gurus“ Gerhard Roth (1942-2023) Gehirnveränderungen im Verlauf von 15 Monaten psychoanalytischer Psychotherapie nachvollzogen. Auch damals ging es vor allem um das limbische System und Unterschiede in der rechten Amygdala. Diese Studie wird von den Forscher*innen aus Halle-Wittenberg noch nicht einmal erwähnt.
Anna Buchheim, Gerhard Roth und zwei Kolleg*innen veröffentlichten darüber 2012 einen Kommentar in Gehirn&Geist mit dem Titel „Das Hirn heilt mit„. Darin schrieben sie, es habe 2005 rund 15 und 2012 schon 40 neurowissenschaftliche Studien zur Wirksamkeit von Psychotherapie gegeben. Wie kann man solche Ergebnisse dann im Jahr 2025 noch als neu bezeichnen?
Zurückhaltung
Die genannten und einige weitere Probleme sollten einen bei der Interpretation der Ergebnisse zur Zurückhaltung anhalten. In der Fachpublikation verwiesen die Forscher*innen selbst auf die nur kleine Gruppengröße. Dass es keine Kontrollgruppe ohne Behandlung gab, wurde dort ebenfalls als limitierender Faktoren eingeräumt. Und insbesondere: „Da die Korrelationen zwischen den Erhöhungen des Volumens der grauen Substanz und Verbesserungen bestimmter psychologischer Funktionen … nur gering waren, müssen sie mit Vorsicht interpretiert werden“ (S. 5; dt. Übers.).
Wie passt das dazu, die Studie gegenüber den Medien als großen Durchbruch darzustellen? Die Behauptung, die Entstehung neuer „grauer Zellen“ durch Psychotherapie nachgewiesen zu haben, ist übrigens Unsinn: Das kann man mit so einer groben MRT-Messung im lebenden Gehirn gar nicht feststellen.
Ob nach dem Alter von ca. 14 Jahren überhaupt noch neue Neuronen im Gehirn entstehen, ist in der Fachwelt umstritten. Hierfür müsste man eigentlich eine Biopsie vornehmen und auch dann ist es nicht trivial, unter Milliarden von Zellen neue von alten Neuronen zu unterscheiden. Aus ethischen Gründen verbietet sich das natürlich bei lebenden Personen und über die Interpretation der Ergebnisse an Toten streitet man sich noch. Vor Kurzem schlussfolgerte eine Forschungsgruppe, dass man die Bedeutung dieses Phänomens nicht überbewerten sollte, selbst wenn es bei Erwachsenen vorkommt.
Für besonders problematisch halte ich diese Schlussfolgerung des Studienleiters Redlich: „Umso erfreulicher ist, dass wir durch unsere Studie zeigen konnten, dass Psychotherapie auch aus medizinisch-naturwissenschaftlicher Sicht eine gleichwertige Alternative ist.“ Damit kommt das alte Trauma von Psychologie und Psychiatrie zum Ausdruck: Etwas kann nur wahr sein, wenn es neurologisch nachgewiesen ist. Machen Sie das auch so, wenn jemand sagt, „Ich bin dein Freund“ oder „Ich liebe dich“, dass Sie dann einen Hirnscan als Beweis verlangen, anstatt sich das Verhalten der Person anzusehen?
Aber natürlich sind Übertreibungen, bei denen jede Kritik, Einschränkungen und Zurückhaltungen vergessen sind, ein gefundenes Fressen für die Medien. So raschelte es in Lichtgeschwindigkeit durch den Blätterwald: „Depressionen – Mehr graue Zellen durch Psychotherapie“ (Deutschlandfunk), „Depression: Psychotherapie baut graue Zellen auf“ (Scinexx), „Psychotherapie verändert das Gehirn“ (wissenschaft.de), „Mehr graue Zellen durch Psychotherapie“ (Ärztenachrichtendienst) oder „Depressionen: Wie Psychotherapie das Gehirn stärkt“ (MDR) – um hier nur die ersten paar Online-Treffer zu nennen.
Biologische Psychiatrie
Ich spanne den Bogen noch etwas weiter auf. Erinnern wir uns, was der statistische stärkste Fund der Studie war: Von den 30 Personen hatten nach 22 Psychotherapiesitzungen 19 eine mäßige oder starke Besserung erfahren. Worauf die Medien aber anspringen, das ist der weder neue noch überraschende, doch in dieser Studie sehr spekulative Gehirnbefund.
Der Studienleiter, Ronny Redlich, wirkte auch an einer neueren Studie mit, die tief in die Seele der biologischen Psychiatrie blicken lässt. Darin suchten Dutzende Autor*innen, darunter viele große Namen der heutigen psychiatrischen Forschung in Deutschland, nach einem Biomarker für Depressionen. Dass man allem Gehirn-Gerede zum Trotz weder Depressionen noch irgendeine der anderen Hunderten psychologisch-psychiatrischen Störungen neurowissenschaftlich diagnostizieren kann, wissen viele Laien gar nicht. In der neuen Untersuchung probierten die Fachleute es mit künstlicher Intelligenz.
Das ernüchternde Ergebnis überraschte sie: „Trotz der verbesserten Vorhersagefähigkeit … konnte kein informativer Biomarker für Depressionen auf individueller Ebene identifiziert werden – selbst bei umfassender Optimierung mit Maschinenlernen in einer großen Stichprobe diagnostizierter Patienten“ (Winter et al., 2024, E1; dt. Übers.). Schon mindestens seit den frühen 1800er-Jahren – ich habe es gerade in meinem Buch über die Depressions-Epidemie wieder dargestellt – haben biologische Psychiater mit allen Tricks versucht, die organische Ursache von Depressionen und anderen Störungen zu finden. Mit seltenen Ausnahmen, die alle längst in die Neurologie abgewandert sind – man denke an Neurosyphilis, Epilepsie, Multiple Sklerose, Parkinson, Alzheimer-Demenz ist noch ein Grenzfall –, waren diese Versuche seit über 200 Jahren erfolglos.
Gebt uns mehr Geld!
Doch anstatt nach so vielen Falsifikationen endlich die Gehirn-Ideologie mit ihren Molekülen, Genen, neuronalen Schaltkreisen und Versuchstieren aufzugeben und wieder hauptsächlich am und mit Menschen zu arbeiten, wählt man die Flucht nach vorne: „Für Forscher, Fachzeitschriften und Fördereinrichtungen ist es unerlässlich, über die nächsten Schritte zur Weiterentwicklung der biologischen Psychiatrie nachzudenken“ (ebenda, S. E8, dt. Übers.).
Diesen logischen Kurzschluss muss man sich auf der Zunge zergehen lassen: Unser Ansatz ist wieder gescheitert, ihr müsst uns noch mehr Geld geben! Im Interesse der Patient*innen und der Gesellschaft sollte man dieses Forschungsprojekt aber nicht weiterentwickeln, sondern es endlich aufgeben.
Psychiatrie sollte zu 80 Prozent psychosozial und zu maximal 20 Prozent biologisch sein. Übrigens hat auch diese neue Studie mit künstlicher Intelligenz gezeigt, was man seit Jahrzehnten immer wieder bestätigt hat: Den größten Einfluss auf Depressionen hat die Umwelt, hier ausgedrückt als soziale Unterstützung und erfahrene Kindesmisshandlung. Interessiert hat das keinen, denn man ja echte „medizinisch-naturwissenschaftliche“ Forschung machen. Das Soziale verschwindet dann vom Radar, obwohl es viel wichtiger ist.
Im zweiten Teil geht es ausführlicher um die Geschichte der Psychiatrie und das Dogma seiner biologischen Seite.
Der Artikel wurde zuerst auf dem Blog „Menschen-Bilder“ des Autors veröffentlicht.
Als eBook ist von Stephan Schleim erschienen: „Perspektiven aus der Depressions-Epidemie: Depressionen verstehen, vorbeugen und heilen“.
Referenzen
Ball, T., Derix, J., Wentlandt, J., Wieckhorst, B., Speck, O., Schulze-Bonhage, A., & Mutschler, I. (2009). Anatomical specificity of functional amygdala imaging of responses to stimuli with positive and negative emotional valence. Journal of Neuroscience Methods, 180(1), 57-70.
Böge, K., Jüttner, J., Stratmann, D., Leucht, S., Moritz, S., Schomerus, G., … & Hahn, E. (2025). Psychiatrische Begriffe im Wandel–Warum eine Umbenennung der Schizophrenie im 21. Jahrhundert nötig ist. Psychiatrische Praxis, 52(03), 125-128.
Brabec, J., Rulseh, A., Hoyt, B., Vizek, M., Horinek, D., Hort, J., & Petrovicky, P. (2010). Volumetry of the human amygdala—an anatomical study. Psychiatry Research: Neuroimaging, 182(1), 67-72.
Brosch, K., Stein, F., Schmitt, S., Pfarr, J. K., Ringwald, K. G., Thomas-Odenthal, F., … & Kircher, T. (2022). Reduced hippocampal gray matter volume is a common feature of patients with major depression, bipolar disorder, and schizophrenia spectrum disorders. Molecular Psychiatry, 27(10), 4234-4243.
Buchheim, A., Viviani, R., Kessler, H., Kächele, H., Cierpka, M., Roth, G., … & Taubner, S. (2012). Changes in prefrontal-limbic function in major depression after 15 months of long-term psychotherapy. PloS One, 7(3), e33745.
Cuijpers, P., Miguel, C., Harrer, M., Plessen, C. Y., Ciharova, M., Ebert, D., & Karyotaki, E. (2023). Cognitive behavior therapy vs. control conditions, other psychotherapies, pharmacotherapies and combined treatment for depression: A comprehensive meta‐analysis including 409 trials with 52,702 patients. World Psychiatry, 22(1), 105-115.
Duque, A., Arellano, J. I., & Rakic, P. (2022). An assessment of the existence of adult neurogenesis in humans and value of its rodent models for neuropsychiatric diseases. Molecular Psychiatry, 27(1), 377-382.
Hamilton, J. P., Siemer, M., & Gotlib, I. H. (2008). Amygdala volume in major depressive disorder: a meta-analysis of magnetic resonance imaging studies. Molecular Psychiatry, 13(11), 993-1000.
Helle, M. (2019). Psychotherapie. Berlin: Springer.
Insel, T. R. (2010). Faulty circuits. Scientific American, 302(4), 44-52.
Insel, T. (2022). Healing: Our Path from Mental Illness to Mental Health. Penguin.
Jäger, M. (2025). Das Soziale in der Psychiatrie. Psychiatrische Praxis, 52(05), 245-247.
Leshner, A. I. (1997). Addiction is a Brain Disease, and it Matters. Science, 278(5335), 45-47.
Lewis-Fernández, R., Rotheram-Borus, M. J., Betts, V. T., Greenman, L., Essock, S. M., Escobar, J. I., … & Iversen, P. (2016). Rethinking funding priorities in mental health research. The British Journal of Psychiatry, 208(6), 507-509.
Noble, S., Curtiss, J., Pessoa, L., & Scheinost, D. (2024). The tip of the iceberg: A call to embrace anti-localizationism in human neuroscience research. Imaging Neuroscience, 2, 1-10.
Satel, S., & Lilienfeld, S. O. (2014). Addiction and the brain-disease fallacy. Frontiers in Psychiatry, 4, 141.
Stone, M. B., Yaseen, Z. S., Miller, B. J., Richardville, K., Kalaria, S. N., & Kirsch, I. (2022). Response to acute monotherapy for major depressive disorder in randomized, placebo controlled trials submitted to the US Food and Drug Administration: individual participant data analysis. BMJ, 378.
Winter, N. R., Blanke, J., Leenings, R., Ernsting, J., Fisch, L., Sarink, K., … & Hahn, T. (2024). A systematic evaluation of machine learning–based biomarkers for major depressive disorder. JAMA Psychiatry, 81(4), 386-395.
Xu, C., Naudet, F., Kim, T. T., Hengartner, M. P., Horowitz, M. A., Kirsch, I., … & Plöderl, M. (2025). Large responses to antidepressants or methodological artifacts? A secondary analysis of STAR* D, a single-arm, open-label, non-industry antidepressant trial. Journal of Clinical Epidemiology, 111943.
Zilberstein, K., Galves, A., Cole, M., Foreman, W., Hahn, P., & Michaels, L. (2025). Off Balance: National Institute of Mental Health Funding Priorities in 2012 and 2020. Ethical Human Psychology & Psychiatry, 27(1).
Zwiky, E., Borgers, T., Klug, M., König, P., Schöniger, K., Selle, J., … & Redlich, R. (2025). Limbic gray matter increases in response to cognitive-behavioral therapy in major depressive disorder. Translational Psychiatry, 15(1), 301.
Stephan Schleim
Stephan Schleim ist studierter Philosoph und promovierter Kognitionswissenschaftler. Seit 2009 ist er an der Universität Groningen in den Niederlanden tätig, zurzeit als Assoziierter Professor für Theorie und Geschichte der Psychologie. Sein Schwerpunkt liegt in der Erforschung von Wissenschaftsproduktion und –kommunikation. Schleim ist Autor mehrerer Bücher zu Neurowissenschaften, Psychologie und Philosophie.
Bild: Elsbeth Hoekstra