• Verdrängung in Mitte: Diese Milieuschutzgebiete bleiben erhalten

    30.5.2025 von Katharina Thümler - Das Bezirksamt Mitte hat die aktuellen Milieuschutzgebiete prüfen lassen. In mindestens drei Gebiete werden die Mieterinnen und Mieter weiterhin geschützt.

    In mehreren Gebieten in Berlin-Mitte bleibt der Milieuschutz erhalten. Zu diesem Ergebnis kam ein von dem Bezirksamt Mitte beauftragtes Gutachterbüro. Demnach sollen die Mieterinnen und Mieter der Milieuschutzgebiete „Thomasiusstraße“, „Reinickendorfer Straße“ und „Soldiner Straße“ auch künftig vor Verdrängung geschützt werden. Wie das Bezirksamt mitteilte, überprüften die Gutachter, „ob die rechtlichen Voraussetzungen für den Fortbestand mehrerer Milieuschutzgebiete im Bezirk Mitte weiterhin vorliegen“.

    „Die Gutachten zeigen, dass der Milieuschutz wirksam ist“, teilte der Bezirksstadtrat für Stadtentwicklung, Ephraim Gothe (SPD), mit. Durch das soziale Erhaltungsrecht kann der Umfang der baulichen Maßnahmen reduziert und sozial verträglicher gestaltet werden.

    Die Ergebnisse zu den Milieuschutzgebieten „Kattegatstraße“, „Humboldthain Nord-West“, „Tiergarten-Süd“ und „Alexanderplatzviertel“ veröffentlicht das Bezirksamt nach eigenen Angaben in den kommenden Wochen auf seiner Webseite.

    #Berlin #Mitte #Moabit #Gesundbrunnen #Thomasiusstraße #Reinickendorfer_Straße #Soldiner_Straße

  • Senat beendet Kiezblocks im Bezirk Mitte – und damit auch im Rest der Stadt
    https://www.berliner-zeitung.de/mensch-metropole/senat-beendet-kiezblocks-im-bezirk-mitte-und-damit-auch-im-rest-der

    Was soll man dvin halten?/Immerhin führt das Ende der Kiezblocks dazu, dass wir besser zu unseren Fahrgâtdn kommen und die schneller an ihr Ziel als mit Kiezblocks.

    15.5.2025 von Jens Blankennagel, Peter Neumann - Kehrtwende in der Verkehrspolitik: Der Senat dreht dem Bezirk den Geldhahn zu. Die Finanzierung wird eingestellt – mit weitreichenden Folgen für Berlin.

    Poller, Verkehrszeichen, Blumenkübel, Fahrbahnmarkierungen: Das liegt im verkehrsplanerischen Werkzeugkasten, wenn ein Kiezblock eingerichtet werden soll. Was Autofahrer aufregt, freut manche Anwohner. Doch jetzt hat die Verwaltung von Verkehrssenatorin Ute Bonde (CDU) dem Bezirksamt Mitte mitgeteilt, dass es die Pläne für zwölf weitere Kiezblocks nicht weiter umsetzen darf. Das mit Mitteln des Senats vom Bezirk durchgeführte Modellprojekt Fußverkehr „Kiezblocks in Mitte“ sei zu beenden.

    Die diesbezüglichen Planungen seien einzustellen, es erfolge keine Finanzierung mehr. So steht es in einem Schreiben, das am Donnerstag versandt wurde. Christopher Schriner, der für die Straßen zuständige Stadtrat in Mitte, reagierte mit Unverständnis. „Der Senat hat Angst vor einer schönen Stadt“, sagte er der Berliner Zeitung.

    „Nein zu Kiezblocks, Pollern und Straßensperren!“ schreibt dagegen der Christdemokrat Lucas Schaal, Abgeordneter aus Mitte, bei X/ Twitter. „CDU wirkt!“ Die Anwohnerinitiative Kiezblockfree twittert: „Aus die Maus! Die CDU Berlin greift durch.“

    Anlieger klagen gegen Poller in Mitte: So hat das Gericht jetzt entschieden
    Bürger zogen gegen Poller in der Tucholskystraße vor Gericht

    Dass der Senat explizit Mitte abmahnt, hat einen Grund: Nirgendwo sonst in Berlin ist die Zahl der Kiezblocks so groß, soll die Zahl so stark zunehmen. Auf einer Internetseite ist von 29 Vorhaben die Rede. Manche Anlieger begrüßen die Kiezblocks, weil sie sich von durchfahrenden Autos gestört fühlen. Dank der Poller sei es in ihrer Straße ruhiger geworden, wird berichtet. Fahrräder, E-Scooter und Fußgänger könnten die Durchfahrtssperren passieren. Andere Anwohner laufen dagegen Sturm, weil Kraftfahrer Umwege in Kauf nehmen müssten und Gewerbebetriebe schwieriger zu erreichen sind.

    Besonders groß ist wie berichtet der Widerstand gegen die elf Poller auf der Kreuzung Tucholsky-/ Auguststraße, mit der das Bezirksamt die dortige Fahrradstraße sicherer machen wollten. Zweimal zogen Anwohner gegen den „Modalfilter“ vor Gericht – zu ihrem Leidwesen ohne Erfolg. Während des Hauptsacheverfahrens vor dem Verwaltungsgericht, das am 5. Mai zu Ungunsten der Bürger ausging, wurde deutlich, dass juristische Verfahren gegen Poller inzwischen wenig Aussicht auf Erfolg haben. Deutlich wurde, dass sich die Anstrengungen auf die Politik konzentrieren müssten.

    Diesen Weg ist die Senatsverwaltung nun gegangen. Zuvor hatte Dirk Stettner, Fraktionsvorsitzender der CDU im Abgeordnetenhaus, das Land aufgefordert, Bezirken bei solchen Projekten den Geldhahn abzudrehen. Danach lud die Fraktion Anti-Poller-Initiativen zu einem Fachgespräch ins Parlament ein.

    Bezirk dehnt Verkehrsberuhigung in Berlin-Mitte aus: „Für viele Menschen sind Poller und Kiezblocks eine Bereicherung“
    So begründet die Verkehrsverwaltung ihre Entscheidung

    Anlass für die Entscheidung gegen das Bezirksamt Mitte war, dass „in den vorgesehenen Planungen wichtige Aspekte des gesellschaftlichen Miteinanders sowie die Dienstleistungen des alltäglichen Bedarfs der betroffenen Anwohner nicht hinreichend berücksichtigt werden“, heißt es in der Mitteilung der Verkehrsverwaltung.

    „In der Folge werden notwendige Wirtschafts- und Lieferverkehre, aber auch die Belange der Müllabfuhr und allen voran die Erreichbarkeit durch Rettungsdienste von Polizei, Feuerwehr und medizinischer Nothilfe nur unzureichend beachtet.

    Unterstützung kommt von der Gewerkschaft der Polizei (GdP). „Wir reden seit Jahren darüber, welche Sicherheitsrisiken diese rein ideologischen Alleingänge einzelner Bezirke mit sich bringen und freuen uns, dass sich Verkehrssenatorin Ute Bonde der Sache entschlossen annimmt“, teilte GdP-Sprecher Benjamin Jendro mit. „Es ist gut, dass unsere Gespräche mit ihr, Iris Spranger und anderen Senatoren sowie dem Regierenden endlich Früchte tragen.“ Wichtig sei, Polizei und Feuerwehr bei allen baulichen Veränderungen verpflichtend zu beteilgen.

    Die Verkehrssenatorin sieht noch einen weiteren Aspekt und teilt mit: „Auch die wesentliche Frage der Verdrängung von Verkehren in angrenzende Gebiete und die Beachtung der Bedürfnisse des öffentlichen Nahverkehrs werden räumlich zu kleinteilig betrachtet und damit in ihrer Gesamtwirkung vernachlässigt.“

    Noch mehr Poller für Mitte: Initiative hält Bürgerbeteiligung für eine Farce
    Eine halbe Million Euro wurde vom Land für die Kiezblocks bereitgestellt

    Stadtrat Schriner teilte mit, dass das Land rund 500.000 Euro bereitgestellt hat, von denen ein Teil schon ausgegeben worden sei., um erste Planungen anzustoßen und mit der (umstrittenen) Bürgerbeteiligung zu beginnen. So konnten sich Bürger im Internet zu einzelnen Fragen äußern. Es gab erste „Kiezspaziergänge“, bei denen die Verwaltung weitere Einschätzungen sammelte. Der nächste Termin steht am 12. Mai im Gartenstraßenkiez an. „Wir bekommen das Feedback, dass viele Bürger die Projekte sehr positiv sehen“, so Schriner. Die CDU versuche, Bürgerbeteiligung zu verbieten.

    „Es ist verwunderlich, mit welchen sachfremden Begründungen gesetzlich vorgeschriebene Projekte aus dem Fußverkehrsplan aus offensichtlich ideologischen Gründen gestoppt werden sollen“, kritisierte der Bezirkspolitiker. „Die in der Pressemitteilung angeführten Gründe sind gegenstandslos – eine Beteiligung der genannten Behörden hat natürlich stattgefunden.“

    Neuer Dachverband gegen Poller: In Berlin formiert sich immer mehr Widerstand
    Bezirk: Senat hat das Kiezblock-Projekt gestartet und in Auftrag gegeben

    Er wundere sich auch, warum die Senatsverwaltung ein Projekt, das sie selbst gestartet, ausgeschrieben und beauftragt habe, jetzt plötzlich beenden will. „Das ist mitnichten ein Alleingang von uns“, rief der Stadtrat in Erinnerung. Schließlich seien die zwölf neuen Kiezbocks für Mitte eines der Modellvorhaben, die im Entwurf des Berliner Fußverkehrsplans vorgesehen sind. Unter Grünen-Ägide hatte der Senat die Bezirksämter aufgefordert, Ideen für solche Pilotprojekte vorzulegen.

    „Die Aufforderung zum Stopp des Projektes stellt die an vielen Stellen notwendige Kooperation von Bezirk und Land in Art und Verlässlichkeit grundsätzlich infrage“, bemängelte Schriner. „Wir werden prüfen, ob es überhaupt möglich ist, das Projekt zu stoppen, ohne gegen die Landeshaushaltsordnung zu verstoßen.“

    Das Ende der Kiezblocks in Mitte ist ein klarer Schnitt mit der bisherigen Politik und hat Auswirkungen auf ähnliche Projekte im Rest von Berlin. Wörtlich heißt es in der Mitteilung der Verkehrsverwaltung: „Die Entscheidung zur Einstellung dieses konkreten Projektes stellt zugleich eine grundsätzliche Entscheidung für zukünftige Projekte dieser Art im gesamten Stadtgebiet dar.“

    Berlins erster Fußverkehrsplan: Das kommt jetzt auf die Fußgänger zu
    Grüne kritisieren „skandalöse Entscheidung“ des Senats

    Die Grünen-Verkehrspolitikerinnen Antje Kapek und Oda Hassepaß fordern, den Kiezblock-Stopp rückgängig zu machen. Die Maßnahme sei ein „massiver Rückschlag für die Verkehrswende – und ein Angriff auf die Sicherheit der schwächsten Verkehrsteilnehmenden: Kinder, ältere Menschen und Zu-Fuß-Gehende“, so die Abgeordneten. „Mit dieser skandalösen Entscheidung ignoriert Senatorin Bonde die berechtigten Anliegen vieler Berlinerinnen und Berliner nach sauberer Luft, weniger Lärm und sicheren Straßen.“ Zudem stelle der Eingriff einen eklatanten Eingriff in die Planungshoheit der Bezirke dar. „Nach Radwege-Stopp, Blitzer-Absage und ÖPNV-Kahlschlag zeigt die CDU wieder einmal, dass sie an einem sicheren und zukunftsfähigen Verkehrssystem in Berlin kein Interesse hat“, so Kapek und Hassepaß.

    #Berlin #Mitte #Verkehr #Politik

  • Darf der Senat Mitte-Grundstücke verschenken? Klage gegen Finanzsenator Evers
    https://www.berliner-zeitung.de/mensch-metropole/darf-der-senat-mitte-grundstuecke-verschenken-klage-gegen-finanzsen

    Erbpacht wäre auch eine Möglichkeit

    13.5.2025 von Maritta Adam-Tkalec - Eine Stiftung will das Berlinische Gymnasium zum Grauen Kloster wiederbeleben und hat Aussicht auf Immobilien. Kritiker klagen wegen Veruntreuung öffentlicher Gelder.

    Der Streit um die Frage, wem das Gelände um die Ruine des Franziskanerklosters im ältesten Teil Berlins gehört, gewinnt an Schärfe: Die Bundestagsabgeordnete Katalin Gennburg (Linke) und der Architekturpublizist Philipp Oswalt haben gegen Finanzsenator Stefan Evers (CDU) Strafanzeige wegen Veruntreuung öffentlichen Vermögens gestellt. Die Anzeige richtet sich auch gegen den ehemaligen Finanzsenator Thilo Sarrazin (SPD) und den ehemaligen Senatsbaudirektor Hans Stimmann (SPD).

    Hintergrund ist, so geht aus der Klageschrift hervor, eine offenbar bevorstehende außergerichtliche Einigung zwischen dem Land Berlin und der Stiftung Berlinisches Gymnasium zum Grauen Kloster. In der Klageschrift berufen sich Gennburg und Oswalt auf einen Bericht des Tagesspiegels, wonach das Land Berlin beabsichtige, „der Stiftung eine Million Euro zu zahlen sowie bestimmte Grundstücksflächen der Liegenschaft Klosterstraße 73, 73a und 74 zu übertragen“. Die Stiftung setzt sich dafür ein, am historischen Standort wieder ein Gymnasium in humanistischer Tradition zu errichten.

    Die Grundstücke im Klosterviertel gehören seit Jahrhunderten dem Land Berlin, auf dem Gelände bildete von 1574 bis zur Zerstörung 1945 das Berlinische Gymnasium zum Grauen Kloster talentierten Nachwuchs für die Stadt aus. In der ältesten und bedeutendsten Schule Berlins lernten unter anderem Karl Friedrich Schinkel, Otto von Bismarck und Lothar de Maizière. Nach den Zerstörungen des Zweiten Weltkriegs arbeitete das Gymnasium unter seinem alten Namen zunächst an neuer Adresse weiter – bis der Name 1958 der DDR-Geschichtssäuberung zum Opfer fiel.

    Er wurde aufgegriffen in West-Berlin, wo 1963 das Evangelische Gymnasium die Tradition aus Berlin-Mitte übernahm. In Wilmersdorf nimmt das Evangelische Gymnasium zum Grauen Kloster diese Geschichtslinie ernst.

    Der Förderverein Evangelisches Gymnasium zum Grauen Kloster – Berlinisches Gymnasium in Berlin-Mitte e.V. strebt gemeinsam mit der Stiftung eine Wiederbelebung des historischen Standorts in der Stadtmitte an. Dieses Ziel im Blick forderte die Stiftung 1999 die Herausgabe der Grundstücke in der alten Mitte Berlins. Das Landesamt zur Regelung offener Vermögensfragen lehnte ab.

    Ende des 16. Jahrhunderts hatte Kurfürst Johann Georg von Brandenburg Grundstück und Gebäude des im Zuge der Reformation aufgelösten Franziskanerklosters der Stadt Berlin geschenkt. Dieses öffentliche Eigentum bestand fort, Nationalsozialisten wie auch die DDR ließen die Verhältnisse unangetastet. Niemand wurde enteignet. In der Pressemitteilung der Kläger Oswalt und Gennburg heißt es dazu: „Hier gibt es nichts zu restituieren oder wiedergutzumachen.“ Der Anspruch der Stiftung Berlinisches Gymnasium zum Grauen Kloster, Rechtsnachfolgerin des städtischen Berlinischen Gymnasiums zum Grauen Kloster in Berlin-Mitte zu sein, wird von den beiden Klägern bestritten.
    Der lange Klageweg

    Die Stiftung hatte dem 1999 ergangenen Bescheid widersprochen und im selben Jahr auf dem Verwaltungsweg gegen das Land Berlin geklagt. Das Verfahren blieb in der Schwebe. 2019 reichte die Stiftung schließlich eine druckvollere Klage im Zivilrechtsweg ein, mit dem Ziel einer „Grundbuchberichtigung“.

    Das Landgericht Berlin hat den Gerichtstermin bereits mehrfach verschoben. Parallel verhandelten das Land und die Stiftung über eine außergerichtliche Einigung. Im vergangenen Jahr belief sich die Forderung der Stiftung auf eine Zahlung von elf Millionen Euro verbunden mit dem Verzicht auf das Grundstückseigentum.

    In der jetzt von Oswalt und Gennburg eingereichten Klageschrift werden auch gegen Dr. Georg Dybe Vorwürfe erhoben. Der Vertreter der Stiftung Berlinisches Gymnasium zum Grauen Kloster, die von dem in Aussicht stehenden Vergleich begünstigt würde, wird indirekt der Kungelei bezichtigt. Dabei geht es vor allem um seine Tätigkeit als Sozialdemokrat in der Lokalpolitik in Wilmersdorf sowie als Referatsleiter in der Staatskanzlei Brandenburgs. Zugleich sei er Vorsitzender des Vereins ehemaliger Klosteraner.

    Auf Anfrage schreibt Dr. Georg Dybe: „Die in der Strafanzeige gegen die Stiftung Berlinisches Gymnasium zum Grauen Kloster sowie gegen meine Person erhobenen Vorwürfe entbehren jeder Grundlage.“

    Ein Sprecher der Senatsverwaltung für Finanzen wies auf Anfrage darauf hin, dass der Finanzverwaltung die Strafanzeige noch nicht vorliege. Die erhobenen Vorwürfe kenne man bislang nur aus den Medien, weshalb eine inhaltliche Stellungnahme dazu nicht möglich sei.

    Das Land Berlin strebe Rechtssicherheit an, das Vergleichsverfahren diene dem primären Ziel, einen Rechtsstreit zu beenden: „Das Land Berlin möchte lösungsorientiert Klarheit in dieser Vermögensfrage schaffen.“ Priorität habe bei dem Interessensausgleich „ein zweckmäßiges und wirtschaftliches Ergebnis“. Dies wäre „nicht nur im Interesse aller beteiligten Akteure, sondern auch im Sinne der Landeshaushaltsordnung (§58)“.

    #Berlin #Mitte #Klosterstraße #Grunerstraße #Littenstraße #Geschichte #Bildung #Privatisierumg

  • Schüsse vorm Hilton in Mitte: Mann verletzt, Polizei ermittelt
    https://www.berliner-zeitung.de/news/schuesse-vorm-hilton-in-mitte-mann-verletzt-polizei-ermittelt-li.23

    Scheißgegend ist mittlerweile überall. Da steckt System hinter. Alles Vorbereitung. Mit Absicht. Kommt der Tag, wenn der Putin kommt. Hyperschallraketen. Die stecken alle unter einer Decke. Holzauge bleib wachsam.

    20.4.2025 von Eva Maria Braungart / Morris Pudwell - Unbekannte schießen der Nacht zu Sonntag auf einen 22-Jährigen. Anschließend flüchten sie. Die Polizei ermittelt zu den Hintergründen.

    Ein Mann ist in der Nacht zu Sonntag in der Mohrenstraße/Charlottenstraße in Berlin-Mitte durch Schüsse an einer Hand verletzt worden. Wie die Berliner Polizei mitteilte, befand sich der 22-Jährige gegen 4.45 Uhr an der Straßenecke, als ein bislang unbekannter Mann eine Schusswaffe gezogen und mehrmals auf ihn geschossen haben soll.

    Daraufhin soll der mutmaßliche Schütze die Waffe an seinen Begleiter übergeben haben. Auch dieser soll mehrfach auf den 22-Jährigen geschossen haben. Anschließend flüchteten die beiden Tatverdächtigen. Durch die Schüsse wurde ein geparkter Carsharing-Wagen beschädigt.

    Vor den Schüssen soll es zu einem Streit in einem Club in der Mohrenstraße gekommen sein, an dem der 22-Jährige und die Tatverdächtigen beteiligt gewesen sein sollen. In der Straße, in der sich die Schüsse ereigneten, befindet sich der Club Bricks und das Hilton-Hotel. Der Verletzte wurde in ein Krankenhaus gebracht und wird dort operiert. Die Kriminalpolizei hat die Ermittlungen zu den Tatverdächtigen und Hintergründen der schweren Körperverletzung übernommen.

    Heute früh wurde gegen 4:45 Uhr in der Mohrenstr./Charlottenstr. in #Mitte ein Mann durch Schüsse an einer Hand verletzt. Zuvor soll es zwischen weiteren Personen und ihm einen Streit gegeben haben. Der Verletzte wurde in ein Krankenhaus gebracht und wird dort operiert. Zu den… pic.twitter.com/exnNtquZEI
    — Polizei Berlin (@polizeiberlin) April 20, 2025

    #Mohrenstraße #Charlottenstraße #Berlin #Mitte #Gendarmenmarkt #Schießerei #Kriminalität #wtf

  • Bestes Steak der Stadt“: Das sind die Lieblingsrestaurants der Berliner Promis
    https://www.berliner-zeitung.de/panorama/bestes-steak-der-stadt-das-sind-die-lieblingsrestaurants-der-berlin

    Basiswissen aus dem Zentrum. Die Geheimtipps in ganz Berlin kennt der kundige Taxifahrer.

    Unter uns gessgt sind die Promiläden einer wie der andere stinklangweilig, und was sich da so an Leuten rumtreibt, braucht man nach Feierabend nun wirklich nicht.auch noch.

    „11.4.2025 von Anne Vorbringer - Fast 150 Berliner Prominente haben der Berliner Zeitung ihre Lieblingsrestaurants verraten. Einige Adressen wurden dabei besonders häufig genannt.

    Seit drei Jahren quetschen wir in unseren Berlin-Fragebögen jede Woche prominente Berlinerinnen und Berliner über die Stadt aus – über ihre Lieblingsorte, ihre No-Go-Areas und Dinge, die sie am Leben hier nerven.

    Iris Berben, Heike Makatsch, Clemens Schick, Anna Maria Mühe, Friedrich Mücke, Sabin Tambrea, Dagmar Manzel, Marie Nasemann, Jella Haase – sie alle und viele mehr waren schon dabei und haben erzählt, wie es sie nach Berlin verschlagen hat, welche Stadtteile ihnen am Herzen liegen und wo sie gern shoppen gehen.

    Nicht fehlen darf auch die Frage nach dem Lieblingsrestaurant, in dem man für einen geselligen Abend immer wieder gern einen Tisch reservieren würde. Die Antworten darauf sind vielfältig, vom Geheimtipp im eigenen Kiez bis zur allseits bekannten Adresse. Häufig wird als Gastro-Hotspot die Kantstraße genannt. Und einige Lokalitäten tauchen immer wieder auf, wie unsere Liste der beliebtesten Promi-Restaurants zeigt.

    1. Borchardt

    Es mag wenig überraschend sein, aber das meistgenannte Restaurant in unserem Fragebogen ist Roland Marys Borchardt. Berlins bekannteste Schnitzeladresse zieht die Promis an: Jakob Diehl liebt es, der Schauspieler Max Bretschneider und Comedian Oliver Polak sowieso. Der 48-Jährige schwärmt: „Das Borchardt vereint New York und Paris an einem Ort. Hohe Decken, mit weißen Tischtüchern eingedeckte Festtafeln, akkurat schwarz-weiß gekleidete Kellner, schummriges Licht, gutes Essen und interessante Menschen. Dort möchte ich mich mit der Panade des Borchardt-Schnitzels zudecken.“

    Nicht nur Kreuzberger Nächte sind lang, Abende im Borchardt sind es auch.

    Nicht nur Kreuzberger Nächte sind lang, Abende im Borchardt sind es auch.Imago

    Schauspielerin Anna Maria Mühe mag das Restaurant am Gendarmenmarkt, weil es viele Facetten von Berlin zeigt: „Es gibt wilde und ruhige Abende dort.“ Und Tarantino-Star Sylvester Groth hat dem Borchardt in unserer Zeitung eine wunderbare Lobhudelei gewidmet: „Ich mag das Borchardt, schon von Anfang an, als es noch nicht so ein Promilokal war. Dieser Raum ist so außergewöhnlich schön, die Kellner sind sehr nett, es gibt gutes Essen, gute Drinks, man kann draußen sitzen, ein Zigarettchen rauchen. Das Borchardt ist für mich das Lokal in Berlin, das einen internationalen Standard hat. Man trifft dort viele Leute: Musiker, Schauspieler, Leute, die man aus dem Fernsehen kennt, mit denen man sonst nicht in Berührung kommt. Dann kommt man ins Gespräch und lernt sich kennen. Das mag ich sehr.“

    Restaurant Borchardt. Französische Straße 47, Mitte, borchardt-restaurant.de

    2. Grill Royal

    Dem Borchardt verdammt dicht auf den Fersen ist der Steak- und Seafoodklassiker Grill Royal an der Friedrichstraße. Hier speisen der Schauspieler Clemens Schick und Bestsellerautor Jan Becker, der konstatiert: „Bestes Steak der Stadt, super Menschen, die dort arbeiten, wunderbarer Champagner und es geht immer bis tief in die Nacht. Kann manchmal auch sehr seltsam werden...“

    Auch Katja Eichinger reserviert im Grill, dabei isst sie eigentlich gar kein Steak. Aber: „Die Menschen, die dort arbeiten, die Mischung der Gäste, die Stimmung hat immer etwas schwirrend Wuschiges – ich gehe ins Restaurant, um mich zu amüsieren, mich wohl zu fühlen und gute Unterhaltungen zu führen. Das kann ich dort.“

    Der Schauspieler Thomas Heinze hat seinen Geburtstag im Grill Royal gefeiert, und alle waren happy damit: „Gutes Essen, guter Wein, gute Atmosphäre plus die nette Terrasse mit Blick auf die Spree, da fühlt man sich ein bisschen wie in Paris. Das geht aber natürlich nur ab und zu.“ Modeunternehmerin Anita Tillmann schwärmt ebenfalls: „Das beste Filet und den besten Vibe gibt’s definitiv im Grill Royal – und im Crackers.“

    Grill Royal. Friedrichstraße 105b, Mitte, grillroyal.com

    3. 893 Ryōtei

    Kommen wir nun zu Adressen, die einem vielleicht nicht sofort einfallen, die aber ebenfalls mehrfach genannt wurden als Favoriten in unseren Berlin-Befragungen. Da wäre zum Beispiel das angesagte japanische Sushi-Restaurant 893 Ryōtei, das nicht nur Anita Tillmann liebt, sondern auch Filmproduzentin Regina Ziegler und Schauspieler Constantin von Jascheroff.

    Im Restaurant hinter der verspiegelten, mit Graffiti besprühten Fassade geht es lebhaft zu, Berlins Gastro-Star The Duc Ngo bietet eine breit ausgelegte japanische Küche, gespickt mit anderen asiatischen, aber auch südamerikanischen und europäischen Einflüssen. Sushi, Sashimi, Tempura und Tataki überzeugen auch den Berliner DJ Alle Farben: „Sollte der Kühlschrank mal nichts hergeben, gehe ich einfach ins 893 Ryōtei.“

    Restaurant 893 Ryōtei. Kantstraße 135/136, Charlottenburg, 893ryotei.de

    4. Lon Men’s Noodle House

    Bleiben wir noch ein wenig auf Berlins bester asiatischer Gastromeile, wo das Lon Men’s Noodle House ebenfalls viele Promis anzieht. Seit 2003 gibt es das Restaurant, das für authentische Speisen aus Taiwan steht, wo Nudelsuppen, Chili-Wan-Tans und Nudeln mit Erdnuss-Sesampaste serviert werden.

    Bestsellerautor Mohamed Amjahid schwärmt: „Vor kurzer Zeit war ich in Lon Men’s Noodle House auf der Kantstraße. Das war köstlich.“ Auch der Schauspieler Constantin von Jascheroff mag die scharfen Speisen, Theaterstar Samuel Finzi zählt das Restaurant ebenfalls zu seinen Favoriten und bekannte 2022, er möge nicht nur das Kimchi Princess und die Long March Canteen, sondern eben auch das Lon Men’s Noodle House. Denn: „Eigentlich kann ich jeden Tag Wan-Tan-Suppe essen – unbedingt scharf. Ich mag im Noodle House die präzise Geschwindigkeit und die unglaubliche Arbeitsorganisation des Familienbetriebs auf dem kleinen Platz.“

    Lon Men’s Noodle House. Kantstraße 33, Charlottenburg, lonmen.eatbu.com

    5. Sale e Tabacchi

    Das Sale e Tabacchi ist ein Klassiker der Berliner Gastro-Landschaft, unter den hohen Restaurantdecken schmeckt es nicht nur Hollywoodstars wie George Clooney und Willem Dafoe. Bei Minestrone, Ravioli oder Tagliatelle langen auch deutsche Promis gern zu.

    Zuletzt hat Clemens Schick, der seit seinem Auftritt im James-Bond-Film „Casino Royale“ selbst Hollywood-Vibes atmet, das Sale e Tabacchi zu einem seiner Lieblinge gekürt. „Tatort“-Star Fabian Hinrichs tut sich zwar schwer mit Berliner Lieblingsorten – der Schauspieler ist mit seiner Familie der Hauptstadt entflohen und lebt mittlerweile in Potsdam –, doch mit dem Jolesch, dem Goldenen Hahn und dem Sale e Tabacchi kann er sich immer noch super verbinden. Und Architekt Max Dudler weiß: „Das beste Ragù für die Tagliatelle machen sie bei Sale e Tabacchi, weil der macht es mit Lamm.“

    Ristorante Sale e Tabacchi. Rudi-Dutschke-Straße 25, Kreuzberg, sale-e-tabacchi.de

    6. Bocca Felice

    Natürlich verrät nicht jeder Promi sein Lieblingsrestaurant, schließlich will man ja in Ruhe essen und seine wirklichen Geheimtipps gern für sich behalten. Und so erhalten wir im Fragebogen oft ausweichende Antworten à la „ich koche gern zu Hause“ oder „ich geh mit Freunden einfach in den Park um die Ecke zum Picknick“.

    Eine interessante Antwort gab auch Wolfgang Kubicki: „Ich habe nach einiger Zeit hier in Berlin ein feines italienisches Restaurant gefunden, das ich wirklich gerne besuche. Da ich um die Reichweite Ihrer Zeitung weiß, werde ich hierzu nichts weiter sagen, damit es ein geheimer Tipp bleibt. Ich habe mich selbst zur Verschwiegenheit verpflichtet.“

    Nun, das akzeptieren wir natürlich, und vielleicht liegen wir auch falsch. Aber es gibt einen Hotspot in der unscheinbaren Seydelstraße in Mitte, auf dessen Instagram-Account immer wieder bekannte Gesichter aus dem politisch-prominenten Berlin auftauchen: Von Nancy Faeser über Waldemar Hartmann, Jeremy Fragrance, Jens Spahn, Franca Lehfeldt, Paul Ronzheimer, Til Schweiger, Arthur Abraham bis eben Wolfgang Kubicki ist dort eigentlich jeder zu sehen, den das Who’s Who der Hauptstadt so hergibt. Kein Wunder: Das Essen im Bocca Felice ist ausgezeichnet, der Service grandios. Ein Pairing, das in Berlin nicht eben häufig anzutreffen ist.

    Ristorante Bocca Felice. Seydelstraße 16, Mitte, bocca-felice.de*

    #Berkin #Mitte #Charlottenburg #Kreuzberg #Gastronomie

  • SS-Himmler über Alexander Schmorell: Täter wegen „russischen Blutsanteils“
    https://www.berliner-zeitung.de/mensch-metropole/ss-himmler-ueber-alexander-schmorell-taeter-wegen-russischen-blutsa

    Friedrichstraße 176-179, 10117 Berlin, une exposition qui vaut le déplacement.

    31.3.2025 von Michael Maier - Eine Ausstellung erinnert an einen Deutsch-Russen, der wegen seiner Mitwirkung an Aktionen der Weißen Rose von den Nationalsozialisten hingerichtet wurde.

    Zum 80. Jahrestag des Endes des Zweiten Weltkriegs und der Befreiung Deutschland zeigt das Russische Haus in der Friedrichstraße in Mitte eine Ausstellung über das Leben eines besonderen Deutsch-Russen. Alexander Schmorell war Mitglied der Münchener Widerstandsgruppe „Weiße Rose“. Er schloss sich der Gruppe 1941 an, verfasste Teile der legendären Flugblätter gegen die nationalsozialistische Herrschaft. Die Verteilung im Hauptgebäude der Münchner Universität wurde den Widerständlern am 18. Februar 1943 schließlich zum Verhängnis. Der Hausmeister Jakob Schmid entdeckte die Geschwister Scholl, hielt sie fest und denunzierte sie bei der Gestapo.

    In den darauffolgenden Tagen wurden weitere Mitglieder der Gruppe verhaftet. Alexander Schmorell versuchte, mit dem bulgarischen Pass seines Freundes Nikolai Nikolaeff-Hamazaspian in die Schweiz zu fliehen. Doch Schneestürme zwangen ihn zur Rückkehr nach München. Er wurde steckbrieflich gesucht. Am 24. Februar 1943 wurde er während eines Bombenangriffs in einem Luftschutzkeller in München erkannt, festgehalten und an die Gestapo ausgeliefert. Er hatte neben seiner Mitwirkung an den Flugblättern nach der Niederlage der Wehrmacht bei Stalingrad gemeinsam mit Willi Graf nachts Parolen wie „Nieder mit Hitler!“ und „Freiheit!“ auf Münchens Hausfassaden geschrieben.

    Zwei Tage nach seiner Festnahme erklärte Schmorell im Verhör: „Was ich getan habe, habe ich nicht unbewusst getan, sondern ich habe sogar damit gerechnet, dass ich im Ermittlungsfalle mein Leben verlieren könnte. Über das alles habe ich mich einfach hinweggesetzt, weil mir meine innere Verpflichtung gegen den nationalsozialistischen Staat höher gestanden hat.“ Vor der Gestapo sagte Schmorell: „Meine Liebe zu Russland gestehe ich unumwunden ein. Meine Mutter war Russin, ich bin dort geboren – wie könnte ich diesem Land nicht verbunden sein?“

    Am 19. April 1943 wurde sein Fall vor dem Volksgerichtshof verhandelt. Zusammen mit Willi Graf und Kurt Huber wurde er zum Tode verurteilt. Sein Stiefonkel Rudolf Hoffmann und dessen Brüder richteten ein Gnadengesuch an Heinrich Himmler, doch dieser lehnte die Begnadigung schroff ab. Himmler schrieb an die Familie: „Ich gebe Ihnen sehr gern einmal Einblick in die Untersuchungsakten, damit Sie feststellen können, dass die verwerfliche Tat des Alexander Schmorell, die sicherlich zum großen Teil auf seinen russischen Blutsanteil zurückzuführen ist, auch ihre gerechte Strafe verdient. Während Tausende wertvoller deutscher Menschen ihr Leben für ihr Vaterland einsetzen, wäre es unverantwortlich, hier den Vollzug der Todesstrafe auszusetzen. Es kann in einer Familie einmal ein Unwürdiger vorkommen – aber es ist notwendig, dass dieser dann von der Volks- und Sippengemeinschaft ausgeschaltet wird. Heil Hitler! H. Himmler.“
    Von München bis Moskau – Schmorells Wurzeln und sein Erbe

    Schmorell entstammte der Familie des ostpreußischen Pelzhändlers Karl-August Schmorell. Diese war seit 1855 in der Stadt Orenburg am südlichen Ural ansässig, bekleidete dort Ämter in der Stadtverwaltung und besaß Industriebetriebe wie Brauereien sowie Fabriken für chirurgisches Material. Alexanders Vater, Hugo Schmorell, war Arzt und arbeitete an der Universitätsklinik in Moskau. Der Erste Weltkrieg löste eine Welle der Feindseligkeit gegenüber ethnische Deutschen in Russland aus, es gab Schikanen, viele wurde ins Exil geschickt. Alexander Schmorells Mutter Natalia Wwedenskaja hatte in Moskau Wirtschaftswissenschaften studierte. Sie stammte aus einer frommen Familie, ihr Vater war orthodoxer Priester. Als Alexander zwei Jahre alt war, verstarb seine Mutter an Typhus. Sein Vater heiratete ein weiteres Mal, nämlich die deutschstämmige Elisabeth Hoffmann. Ihr Vater, der Erbbrauer Georg Hoffmann, stammte aus Bayern geboren und war Mitte des 19. Jahrhunderts nach Russland ausgewandert.

    Im Chaos des Bürgerkriegs verließ die Familie Schmorell Orenburg 1921 mit dem letzten Zug für deutsche Auswanderer. Feodossija Lapschina, die Kinderfrau von Alexander, hätte als Russin nicht ausreisen dürfen. Doch die Familie schmuggelte das Kindermädchen unter der falschen Identität „Franziska Schmorell, Witwe des Bruders von Dr. Schmorell“ aus dem Land.

    In München wuchs Alexander in einem zweisprachigen Umfeld auf. Die Familie pflegte auch in Deutschland weiter die russischen Traditionen. Alexander nahm Russisch-Unterricht bei einem orthodoxen Priester. Die Familie wurde zum Zentrum für andere Intellektuelle russischer Herkunft, wie etwa die Familie Pasternak oder die Moskauer Pianistin Rosalia Kaufman.

    Nach dem Abitur wurde Schmorell zur Wehrmacht eingezogen. Im Frühjahr 1939 begann er in München ein Medizinstudium. 1940 lernte er während des Frankreichfeldzugs im Juni 1941 Hans Scholl und Willi Graf kennen. Sie wurden Freunde. Schmorell brachte in die Gruppe die Literatur, Musik und Kultur Russlands ein.

    Am 23. Juli 1942 wurden Hans Scholl, Alexander Schmorell und Willi Graf für drei Monate als Sanitäter an die Ostfront geschickt. In ihrer Rolle als „Hilfsärzte“ wurden die jungen Medizinstudenten unmittelbar mit den Schrecken des Krieges konfrontiert. Am 30. Oktober 1942 endete die Zeit in Russland. Zurück in München beschlossen die Freunde, ihren Kampf gegen Hitlers Regime fortzusetzen. Am 13. Juli 1943 wurde Alexander Schmorell im Alter von 25 Jahren im Gefängnis München-Stadelheim guillotiniert. Alexander Schmorell wurde 2012 von der orthodoxen Kirche heiliggesprochen, wegen seiner Treue zum christlichen Glauben und wegen seines Kampfes gegen den Nationalsozialismus.

    Die Ausstellung: „Die russische Seele der ,Weißen Rose‘ – die Geschichte des selbstlosen Lebens von Alexander Schmorell“ zeichnet in zahlreichen Fotos und Dokumenten das Bild einer europäischen Tragödie. Die Ausstellung läuft von 29. März bis zum 31. Oktober im Russischen Haus, Friedrichstraße 176-179, 10117 Berlin.

    #Berlin #Mitte #Friedrichstraße #histoire #événement #exposition #résistance #antifscisme

  • Kritik am neuen Gendarmenmarkt in Mitte: „Was für Menschenfeinde waren hier am Werk?“
    https://www.berliner-zeitung.de/mensch-metropole/kritik-am-neuen-gendarmenmarkt-in-mitte-was-fuer-menschenfeinde-war

    Das heilige Raster: der Gendarmenmarkt in Mitte nach seiner Wiedereröffnung Hannes P. Albert/dpa

    They paved paradise, put up a parking lot .
    Joni Mitchell, Big Yellow Taxi
    https://www.youtube.com/watch?v=ratQlft_G5c

    16.3.2025 von Peter Neumann - Ein Grauen aus Stein und Beton, ökologischer Irrsinn, Stadtglatze: Der Platz ohne Schatten erntet Wut und Spott. Wer trug zu der Misere bei? Nazis, die DDR und ein Linker.

    Anfangs gab es auch Lob. Aber inzwischen ist die Ablehnung einhellig: Der neue, zwei Jahre lang für 21 Millionen Euro sanierte Gendarmenmarkt in Mitte ist ein Desaster. Darin sind sich Politiker, Klimaschützer und alle anderen, die sich in sozialen Medien geäußert haben, einig. Am Sonntag setzte der CDU-Politiker Armin Laschet einen drauf: An der Steinwüste sei eine Politikerin der Grünen schuld, schrieb der Rheinländer bei X (ehemals Twitter). Auch wenn man die Einschätzung teilt, dass eine kahle steinerne Fläche entstanden ist: Die anderen Fakten sollten ebenfalls stimmen. Und da liegen die Dinge im Falle des sanierten Gendarmenmarkts anders, als die Kritiker dies darstellen.

    „Der Tagesspiegel schreibt, dass eine Ex-Senatorin der Grünen diese neue Steinwüste zu verantworten hat“, twitterte Laschet. Er meinte offenbar Regine Günther, während deren Amtszeit als Berliner Verkehrssenatorin angeblich die Planung begonnen hat.

    Festakt zur Wiedereröffnung des Gendarmenmarkts am 13. März 2025: Kai Wegner (CDU), Regierender Bürgermeister, Franziska Giffey (SPD), Senatorin für Wirtschaft, Energie und Betriebe, und Ute Bonde (CDU), Senatorin für Mobilität, Verkehr, Klimaschutz und Umwelt, vor der Kulisse des Konzerthauses. Hannes Albert/dpa

    Großzügig schrieb der Landesvorsitzende der CDU Nordrhein-Westfalen, er wolle gar nicht erst versuchen, die Berliner Kommunalpolitik zu verstehen. „Aber: Warum hat man zur Kaiserzeit im Jahr 1900 mehr Grün geplant als Grüne 2025?“ Frühere Bilder zeigen Rasen, Blumen und mehr Bäume als heute. Was dort passiert ist, sei „weder aus ästhetischen, denkmalpflegerischen noch aus klimaresilienten Gründen zu begreifen“.

    In zwei Jahren Sanierungszeit habe das der Senat in „beeindruckender Weise geschafft, den historischen Gendarmenmarkt durch Umbauten dermaßen zu verschlimmbessern, dass wir uns jetzt über einen Parkplatz im Herzen Berlins freuen dürfen. Bäume waren aus. Stadtplanung als Trauerspiel“, bemängelt Cord C. Schulz bei X. Er leitet das Büro der FDP-Politikerin Marie-Agnes Strack-Zimmermann im Europäischen Parlament.

    „Ich sehe eine hässliche Betonwüste im Stil der 70er-Jahre“

    Auch am anderen Ende des politischen Spektrums erntet der Gendarmenmarkt, den der Regierende Bürgermeister Kai Wegner (CDU), Wirtschaftssenatorin Franziska Giffey (SPD) und Verkehrssenatorin Ute Bonde (CDU) am Donnerstag wiedereröffneten, schlechte Rezensionen. Wegner nennt den Platz nach dem Umbau „einen der schönste Platz Berlins und einen der schönsten Plätze Europas“, so Niema Movassat, bis 2021 Bundestagsabgeordneter der Linken. Aber: „Ich sehe nur eine hässliche Betonwüste im Stil der 70er-Jahre. Für paar Bäume war offenbar kein Platz. Ökologischer Irrsinn.“

    „Der umgestaltete Gendarmenmarkt ist ein Grauen aus Stein und Beton. Kein einziger Baum, der Schatten spendet. Was für Menschenfeinde waren hier am Werk?“, fragt Sascha Müller-Kraenner, Bundesgeschäftsführer der Deutschen Umwelthilfe. Fridays for Future Berlin fragt Kai Wegner, ebenfalls bei X: „Am Gendarmenmarkt sind noch Bäume zu sehen!! Sagt mal, hackt’s bei ihnen?? Da könnte man gleich ZWEI PARKPLÄTZE stattdessen bauen. Autofahrer werden diskriminiert!“ Berlin zeige mit der „Stadtglatze Gendarmenmarkt“ vor allem eines: Wünsche nach Grün und Bäumen zu missachten, meint das Grünen-Mitglied Heinrich Strößenreuther, Organisator des Baumentscheids in Berlin: „Bäume statt Beton. Bäume statt Asphalt. Bäume statt Pflaster.“

    Und so weiter, und so fort. Es sieht so aus, als ob das Projekt gründlich danebengegangen ist.

    Die landeseigene Grün Berlin hatte das Vorhaben, zunächst 1,4 der 1,9 Hektar großen Platzfläche am Konzerthaus, dem Deutschen und dem Französischen Dom zu sanieren, unter seine Fittiche genommen. Der Entwurf stammt vom Büro Rehwaldt Landschaftsarchitekten Dresden und PST GmbH, Werder/Havel.

    Vieles, was entstand, ist von oben nicht sichtbar. So wurden sechs Wasserspeicher („Rigolen“) gebaut, die bei Starkregen Feuchtigkeit sammeln und langsam in den Boden sickern lassen. Weil auf dem Gendarmenmarkt wie bisher wieder viele Veranstaltungen stattfinden sollen, wurde im Untergrund jede Menge neue Infrastruktur geschaffen: 850 Meter Wasserrohre, 265 Meter Fernwärmeleitungen, drei Kilometer Stromkabel. Auf dem Platz gibt es je 27 Anschlüsse für Schmutz- und Trinkwasser sowie 29 für Strom.

    Die Kritiker stören sich eher daran, wie die Platzoberfläche aussieht. 14.000 Quadratmeter präsentieren sich wie vorher wieder als fast durchgehend gepflasterte, steinerne Fläche. Platten und Steine aus schlesischem Granit, Kleinpflaster aus Basalt wohin man schaut – dazu Sitzgelegenheiten, Poller und anderes Betonmobiliar. Die Planer haben ein Stück des zu DDR-Zeiten verlegten Pflasters erhalten: Kleinpflaster aus Natur- und Betonstein. Viele Bäume blieben stehen, aber es wurden auch welche gefällt.

    So sind die Kugelahornbäume, die einst die Südostecke verschatteten, nicht mehr da. Drei neue Bäume wurden dort gepflanzt: große Japanische Schnurbäume (Sophora japonica), die gegenüber Hitze, Trockenheit und Abgasen extrem tolerant seien, wie die landeseigene Grün Berlin betont. Mit einer ausladenden Krone von zwölf bis 18 Metern sind sie gute Schattenspender.

    Der Tagesspiegel schreibt, dass eine Ex-Senatorin der Grünen diese neue Steinwüste zu verantworten hat. Will gar nicht erst den Versuch machen, Berliner Kommunalpolitik zu verstehen, aber: Warum hat man zur Kaiserzeit im Jahr 1900 mehr Grün geplant als Grüne 2025? Es ist weder… https://t.co/6QbKymAeKL pic.twitter.com/hutmsUrTqF
    — Armin Laschet (@ArminLaschet) March 16, 2025

    Viel Stein, wenig Bäume: Was soll man davon halten? Viele Städte, auch Berlin, entsiegeln Straßen- und Platzbereiche. Bäume werden gepflanzt, damit sich die Städte in den heißen Sommern, die im Zeichen der Erderhitzung erwartet werden, nicht noch stärker aufheizen. Und dann entsteht so ein Platz wie der Gendarmenmarkt neu? Obwohl: Die steinerne Umrahmung des Schlosses wirkt ebenfalls unwirtlich.

    Ja, es ist irgendwie peinlich! Ja, es ist eine Diskussion, die geführt werden muss. Aber dann richtig! Auf dem Gendarmenmarkt entstanden keine Parkplätze, er ist weiterhin den Fußgängern gewidmet. Schuld an der Gestaltung sind auch nicht die Grünen.

    Stattdessen haben die Nazis, die DDR und ein Kultursenator der Linken Aktien darin, dass der Platz wieder so aussieht, wie er vorher schon aussah. Die Vorplanungen begannen unter dem rot-roten Senat, den Klaus Wowereit zwischen 2006 und 2011 anführte. In diese Zeit fiel auch das Bürgerforum, bei dem 2011 die wichtigsten Grundentscheidungen festgezurrt wurden. Selbst Kai Wegner hätte das alles nicht rückgängig machen können.

    Blumenbepflanzungen ausgestatteter Schmuckplatz

    Aber eines nach dem anderen: In der Tat hatte der Gendarmenmarkt, der in einigen Abschnitten bis 1886 noch als Marktfläche diente, jahrzehntelang grüne Elemente – Rasen, Blumenrabatten, Springbrunnen, mehr Bäume als heute. „Ab 1871 erfolgte eine erste gärtnerische Ausgestaltung des 1684 entstandenen, bis dahin gepflasterten Platzes im Zusammenhang mit der Aufstellung des von Reinhold Begas geschaffenen Schiller-Denkmals vor dem Schauspielhaus“, heißt es in einem Bericht des Landesdenkmalamts. „1893/94 erstellte der damalige Stadtgartendirektor Hermann Mächtig erstmals einen Entwurf für die gärtnerische Ausgestaltung des gesamten Platzes.“

    Vor dem Schauspielhaus, dem heutigen Konzerthaus, entstand ein auf die großzügige Freitreppe ausgerichteter Zugangsbereich mit dem Schillerdenkmal in der Mitte, der von einem ornamentierten Pflasterband gerahmt und von zwei lang gestreckten Rasenspiegeln gefasst wurde. „Dieser repräsentative Vorplatz wurde ergänzt durch die Einbindung der Kirchen in jeweils auf allseits und zügige Durchwegung abgestimmte Grünanlagen. Lang gestreckte linsenförmige Rasenteppiche mit höhenmäßig abgestuften Gehölzgruppen umgaben die Dome. Nach der Ausgestaltung präsentierte sich der Platz als typischer, mit reichen Blumenbepflanzungen ausgestatteter Schmuckplatz des ausgehenden 19. Jahrhunderts, der die repräsentative Wirkung der Baulichkeiten steigerte“, fassten die obersten Berliner Denkmalpfleger zusammen.

    Die Nazis machten den Gendarmenmarkt zum Aufmarsch- und Parkplatz

    Das änderte sich nach der Machtübernahme der Nationalsozialisten. „1936 wurde anlässlich der Olympiade die Beseitigung der Vegetationsflächen vor dem Schauspielhaus sowie des Schillerdenkmals veranlasst, um eine einheitliche gerasterte Fläche anzulegen, die fortan als Aufmarsch- und Parkplatz diente“, so der Bericht.

    Dieses Raster tauchte auch in den Planungen zu DDR-Zeiten auf, als die im Zweiten Weltkrieg größtenteils zerstörte Platzanlage neu entstand. So ist in den Unterlagen zu einer Studie von 1976 eine quadratische Rasterstruktur des Platzes wieder deutlich erkennbar. „Interessanterweise zieht sich das Gestaltungsmittel des Quadratrasters, das für den Gendarmenmarkt zunächst in einer Planung der 1930er-Jahre aufkommt und 1935/36 nur auf der Fläche vor dem Schauspielhaus als Aufmarschplatz realisiert wurde, durch alle Planungsdokumente der Nachkriegszeit“, stellt das Landesdenkmalamt fest.

    Linken-Politiker wollte das postmoderne Erbe der DDR erhalten

    Genau dieses Raster ist nun mehr oder weniger sakrosankt – genauso wie die großräumige Pflasterung und der Verzicht auf Entsiegelung. Denn 2021 vollzog der damalige Kultursenator Klaus Lederer, was schon lange absehbar war. „Aufgrund ihrer geschichtlichen, künstlerischen sowie städtebaulichen Bedeutung hat das Landesdenkmalamt Berlin die Bauten und die Platzgestaltung der 1980er-Jahre des Gendarmenmarkts unter Denkmalschutz gestellt“, teilte die Kulturverwaltung mit. Der Gendarmenmarkt, wie er sich heute präsentiert, sei „mit all seinen Elementen ein hervorragend überliefertes Zeugnis eines städtebaulichen Großprojektes der DDR“.

    Die 1976 begonnenen und bis in die 1980er-Jahre ausgeführten Planungen umfassten den Wiederaufbau des Konzerthauses und der beiden Dome, die Neugestaltung der gesamten Freifläche und die Rückgewinnung des Platzraumes durch hochwertig gestaltete Neubauten. Der Platz und seine bauliche Einfassung bildeten das umfangreichste Bauprogramm zur Wiedergewinnung und Neuinterpretation eines historisch bedeutsamen Platzes in der Hauptstadt der DDR. „Auch dieses Erbe muss bewahrt werden“, sagte Lederer. „Der Gendarmenmarkt ist schließlich der bedeutendste Platzraum der Postmoderne in der DDR!“ Er muss in dieser Form erhalten bleiben.

    Stadtrat: Ein Platz, viele Nutzungen – das erfordert Kompromisse

    Die Planer hatten es schon kommen sehen und sich stets am DDR-Status-Quo orientiert. Die Vorbereitungen für das Sanierungsprojekt begannen, als die Grünen in Berlin noch in der Opposition waren. „Die Vorarbeiten für die heutige Gestaltung laufen seit 2009, damals noch unter der Senatsverwaltung für Stadtentwicklung“, ruft Christopher Schriner, Bezirksstadtrat für öffentlichen Raum in Mitte, in Erinnerung. Damals war Ingeborg Junge-Reyer (SPD) Senatorin. Auch das Bürgerforum fiel in ihre Amtszeit, dann übernahm Michael Müller den wichtigen Posten in der Landesregierung. Die Grünen kamen erst 2016 in den Senat. Da waren die Vorbereitungen größtenteils abgeschlossen.

    Die Notwendigkeit, Bäume zu fällen, ist auf technische Anforderungen zurückzuführen, heißt es bei Grün Berlin. „Der Platz wird, zur Herstellung der Barrierefreiheit, abgesenkt, unter den Bäumen liegt teilweise ein U-Bahn-Tunnel.“ Stadtrat Schriner erinnerte daran, dass der Gendarmenmarkt viele Funktionen hat – und dazu gehöre auch, als eine der wenigen weitläufigen Flächen im historischen Zentrum für Großveranstaltungen wie Classic Open Air oder den Weihnachtsmarkt zu dienen. „Nicht jeder Platz kann alles leisten. Die Entscheidung, hier bestimmte Veranstaltungen möglich zu machen, schließt andere Funktionen aus – wie zum Beispiel eine aktive Kühlung durch Entsiegelung und Begrünung. Denkmalschutz kommt dann auch noch mit rein.“

    Werden wir hier eine hohe Aufenthaltsqualität bei hohen Temperaturen haben? „Ja“, antwortet der Grünen-Politiker. „Aber nicht für einen langen Aufenthalt und zu jeder Tageszeit.“ Das entspräche auch nicht der bisherigen Nutzung. „Der Gendarmenmarkt ist keine Grünanlage für die tägliche Naherholung der angrenzenden Bevölkerung. Dafür gibt es andere und bessere Orte – wie den nahen Lustgarten, den WBM-Jugendpark oder den Monbijoupark. Abends wird es aber auch am Gendarmenmarkt sehr schön und angenehm sein. Und im Norden haben wir noch einen unsanierten Teil, der wesentlich mehr Grün hat und auch in Zukunft haben wird, wenn wir die Neugestaltung angehen.“

    Dort stehen die Kugelahornbäume aus DDR-Zeiten noch.

    #Berlin #Mitte #Gendarmenmarkt #Architektur #Stadtentwicklung

  • Viele liegen an der U8: Die 5 schlimmsten U-Bahnhöfe Berlins
    https://www.berliner-zeitung.de/panorama/von-kotti-bis-alexanderplatz-die-5-schlimmsten-u-bahnhoefe-berlins-
    https://www.youtube.com/watch?v=-mq1rG84uhs

    13.3.2025 von Anne Vorbringer, Marcus Weingärtner - Der Streik der BVG hatte auch ein Gutes – man konnte die U-Bahnhöfe meiden. Wir sagen, an welchen sich die Hauptstadt von ihrer besonders unangenehmen Seite zeigt.

    Die Frage nach dem schlimmsten U-Bahnhof Berlins, sie füllt ganze Reddit-Foren und Instagram-Kommentarspalten. Mit ihr beschäftigt sich die Kriminalstatistik und jeden Tag, wenn auch unbewusst, der zahlende BVG-Kunde.

    Gefahren für Leib und Leben sind das eine – und geht es nach den blanken Zahlen, so liegen die drei U-Bahnhöfe Berlins mit den meisten Straftaten im Jahr 2023, Kottbusser Tor, Alexanderplatz und Hermannplatz, allesamt an der Linie U8. Etwa 35 Prozent aller Straftaten an Berliner U-Bahnhöfen ereigneten sich auf der Strecke der U8.

    Bedrohung, Freiheitsberaubung, Körperverletzung, Raub, Nötigung, Sexualdelikte, Mord und Totschlag, es ist alles dabei. Und wie um die Statistik zu unterstreichen, ist auch das Look and Feel an vielen Stationen im mehrfachen Sinne unterirdisch. Hier unsere Top 5 der schlimmsten Berliner U-Bahnhöfe.

    1. Alexanderplatz – Come in and never find out

    Auch nach vielen Jahren in Berlin ist das unterirdische Gewirr an Treppen, Bahnsteigen, Zugängen und Abgängen am U-Bahnhof Alexanderplatz ein Mysterium. Niemals wird sich einem Menschen erschließen, wo der kürzeste Weg zum Gleis der U5 liegt – erst recht keinem ortsunkundigen Touristen. Vom Ditschbrezelduft umfangen, irren die Fahrgäste hilflos Stufen auf und ab, geraten schlimmstenfalls in die Fänge der U8 und landen am Kottbusser Tor, obwohl sie doch eigentlich nur nach Hellersdorf wollten.

    Bei Reddit wird der Alexanderplatz regelmäßig heruntergerankt, wegen der weiten Wege und der Unübersichtlichkeit sei er einfach nur furchtbar, schreiben User auf der Plattform: „Ich habe zum Beispiel jahrelang gebraucht, um herauszufinden, wo der Aufzug ist, mit dem man von draußen direkt zur U5 kommt.“

    2. Hermannplatz – Lasst alle Hoffnung weiterfahren

    Was gibt es noch zu sagen, außer: Berlin hat den Hermannplatz irgendwie aufgegeben. Tagtäglich eine saure Melange aus Armut, Drogensucht, Geschrei und Irrsinn. Eine Zeit lang gar galt das als typisch Berlin: Der Hermannplatz war eine roughe Ecke, an der man sich seiner eigenen Großstadt-Credibility versichern konnte, wenn man erst vor kurzem aus einem Dorf in Mittelfranken nach Berlin gekommen war.

    Mittlerweile ist auch dieses Portiönchen Metropolen-Charme verbraucht, der Hermannplatz nur noch ein Ort, den man meiden sollte und der höchstens noch von sich reden macht durch Pro-Palästina-Demos, Obdachlosencamps und Kaufhauskrisen.

    3. Kottbusser Tor – Berliner Unterwelten

    Sie fanden den BVG-Streik eine Zumutung? Dann empfehlen wir ein halbes Stündchen am Kottbusser Tor, jenem Ort, an dem sich mehrere U-Bahn-Linien kreuzen und der dank seiner bizarren Mischung aus Drogenkonsumenten, Alkoholikern, Hipstern, Touristen und Nachtschwärmern in seinen besten Momenten internationales Großstadtflair verströmt.

    Allerdings nur, wenn man sich vorher selbst ein ordentliches Beruhigungsmittel reingepfiffen hat. Allen anderen wünschen wir gute Fahrt und eine zügige Anbindung.

    4. Moritzplatz – Tor zur Hölle

    Hat sich der Moritzplatz oberirdisch mittlerweile neu erfunden mit dem wunderbaren Kreativ-Geschäft Modulor und einer ordentlichen Auswahl gastronomischer Betriebe, so ist der U-Bahnhof Moritzplatz gemäß seiner Lage und seiner Anmutung das Tor zur Hölle: Ein so abweisender wie zugiger Durchgang, dessen uringeschwängerter Duft selbst die hartgesottene BVG-Kundschaft schwindelig werden lässt. Wer kann, der meidet den Moritzplatz.

    Hier hat man die Stadt wahrlich sich selbst überlassen, mit dem Ergebnis, dass der U-Bahnhof Moritzplatz zu einem florierenden Umschlagplatz für Drogen aller Art heruntergekommen ist.

    5. Gesundbrunnen – Gesund ist das nicht

    „Hallöchen“, leitet eine junge Frau etwas unbedarft in einem Online-Forum ihre Frage ein. Sie sei für eine Veranstaltung auf den Zug angewiesen und habe viereinhalb Stunden Aufenthalt am Bahnhof Berlin-Gesundbrunnen. Ob sie sich denn zu vorgerückter Stunde so ganz allein dort unwohl fühlen müsste? Die Antworten wollen wir hier in ihrer bestürzenden Vielzahl nicht wiedergeben, nur so viel: Die Reisende hätte auch fragen können, ob sie mal ohne Bungee-Seil von einer Brücke springen könne.

    Der zugige Umsteigebahnhof im Norden Berlins ist nicht nur voll und wuselig, er ist auch regelmäßig auf den vorderen Rängen zu finden, wenn es um Sachbeschädigungen und andere Delikte geht. Immerhin: Es gibt einen Biomarkt und McDonald’s. Gesünder wird’s nicht.

    #Berlin #BVG #U-Bahn #Gesundbrunnen #Kreizberg #Moritzplatz #Kottbusser_Tor #Neukölln #Hermannplatz #Mitte #Alexanderplatz

  • Touristen in Berlin: Diese 5 Orte sollten Besucher meiden
    https://www.berliner-zeitung.de/panorama/tourismus-in-berlin-diese-5-orte-sollten-besucher-meiden-li.2304095

    Naja, was den nicht-ganz-so-Urberlinern aus der Redaktion so einfällt sind eigentlich total interessante, teils sogar mit echtem Charm und Schönheit ausgestattete Orte.

    Dafür ist vom Besuch der folgenden Orte ernsthaft abzuraten.

    Kategorie Touristenfalle

    – Alle Berliner Shopping Malls inklusive ehemaliges Bikini Haus und Kadewe. Wir haben über 60 davon.
    – Mauerpark und RAW sind nur etwas für drogenversessene Krawalltouristen mit Hang zum eigenen Messer.

    Kategorie Lebensgefahr durch Lamgeweile

    – Tempelhof südlich der Ringbahn
    – Reinickendorf
    – Spandau

    Kategorie „muss echt nicht sein“

    – Der neue Potsdamer Platz. Hier ist in der Tat off limit, no go zone, wirklich nicht zu empfehlen, es sei denn, man muss da durch auf dem Weg zum #Taxifilmfest oder zur #Berlinale.

    – Kaiser-Wilhelm-Platz (der verbliebene), fahr besser gleich nach Potsdam.

    5.3.2025 von Anne Vorbringer, Marcus Weingärtner, Manuel Almeida Vergara, Enno Kramer - Wo die Stadt sich selbst überlassen wurde, schickt man keinen Gast hin. Auch die Einheimischen meiden diese Orte, soweit es geht.

    Während die ITB aktuell die schönsten Urlaubs-Destinationen bewirbt, tut die deutsche Hauptstadt wenig bis gar nichts dafür, sich für den Tourismus der Zukunft fit zu machen. Im Gegenteil: Viele Gegenden wirken, als ob sich die Stadt selbst überlassen wäre.

    Wir haben fünf Orte in Berlin herausgesucht, die an zentraler Stelle exemplarisch für das Versagen der Stadt stehen. Hier würden wir keine Freunde hinschicken.

    1. Mehringplatz in Kreuzberg: verwahrloste Innenstadt

    Der Beginn der teilverwahrlosten Friedrichstraße ist zugleich ihr soziales Ende: Der Kreuzberger Teil mündet im Mehringplatz, einem Ort, der dank sämtlicher fehlgeschlagener Versuche der Aufwertung immer noch ein sozialer Brennpunkt ist und von Menschen in der Regel höchstens als Durchgang zwischen Halleschem Tor und Friedrichstraße passiert wird.

    Touristen verlaufen sich höchstens an den Mehringplatz, wenn sie die U-Bahn-Station zum Checkpoint Charlie verpasst haben und reiben sich verwundert die Augen ob der Tatsache, dass sich eine europäische Metropole in ihrem Zentrum ein derart heruntergekommenes Gebiet gönnt, das unter Milieuschutz steht, „um die Gentrifizierung infolge von aufwertenden Sanierungen zu bremsen“. Da kann man nur sagen: Glückwunsch! Damit ist trotz einiger Sanierungsarbeiten ein Zustand der Konservierung erreicht und wer sich den Mehringplatz ansieht, kann darüber sicher nur den Kopf schütteln.

    2. Hermannplatz in Neukölln: Obdachlosigkeit, Drogenkonsum, Kriminalität

    Der Klassiker. Strenggenommen ist der Hermannplatz gar kein Platz, sondern eine große Kreuzung mit Betondeckel auf dem U-Bahnhof. Und überhaupt würde niemand auf die Idee kommen, hier länger als nötig zu verweilen: Obdachlosigkeit, Drogenkonsum, Kriminalität und ein abweisendes Erscheinungsbild haben den Hermannplatz so sehr in Verruf geraten lassen, dass der Slogan „Du hast Angst vorm Hermannplatz“ auch in der deutschen Provinz noch ein Begriff ist.

    Zwar hat die Gentrifizierung auch diese Ecke im Guten wie Schlechten im Griff, angenehmer ist der Hermannplatz trotzdem nicht geworden. Wer kann, der flüchtet in die umliegenden Straßen wie die ex-hippe Weserstraße, die Karl-Marx-Straße oder die Sonnenallee, die den Hermannplatz im Gruselranking mittlerweile eindeutig abgelöst hat.

    3. Eberswalder Straße in Prenzlauer Berg: Burn-out garantiert

    Bars, Clubs und jede Menge Restaurants – eigentlich ist die Eberswalder Straße der ideale Ort für einen Freitagabend. Könnte man meinen. Doch wer öfter hier vorbeikommt, lernt die wohl unübersichtlichste Kreuzung der Stadt zu hassen. Von rechts schreien einen die Radfahrer an, von links bimmelt die Straßenbahn, aus allen Richtungen hupen Autos im Sekundentakt und von oben rattert die U2 über die Gleise.

    Wer nicht gerade auf der Suche nach einem Burn-out pünktlich zum Wochenendbeginn ist, sollte die Eberswalder nicht nur unter der Woche meiden. Denn auch wenn die Ausgehmöglichkeiten in Prenzlauer Berg hier wohl am vielfältigsten sind – spätestens, wenn man auf der Suche nach einem Späti unter der U-Bahn-Station in Richtung Norden unterwegs ist, vergeht einem der Spaß. Stichwort Taubentoilette: Nirgendwo ist der Gehweg so flächendeckend mit Kot bedeckt wie hier.

    Auch auf den Bürgersteigen entlang der Kulturbrauerei oder in Richtung Kastanienallee geht es mit der Lebensqualität steil bergab. Altes Fett, Glutamat und schlechtes Parfüm liegen in der Luft, 15-Jährige in voller Adidas-Montur, von denen man angerempelt wird. Wer hier als Touri vorbeikommt, sollte besser zusehen, dass er Land gewinnt.

    4. Alexanderplatz in Mitte: Bausünden und Dreck

    Ein Kaufhaus mit ungewisser Zukunft, eine Dauerbaustelle mit Bauzäunen und provisorischen Fußgängerpassagen, eine versiegelte, fleckige Plattenfläche, bespielt mit peinlichen, jahreszeitlich wechselnden Ramschmärkten: Der Alexanderplatz ist gerade wahrlich nicht in seiner besten Verfassung.

    Dabei könnte und müsste er das Aushängeschild dieser Stadt sein. Er atmet Geschichte, ist einer der belebtesten Orte Berlins, Ausgangs- und Umsteigepunkt, voller touristischer Highlights in unmittelbarer Nähe. Man kommt nicht um ihn herum – und würde es dennoch gern. Nicht wenige Berliner steigen lieber eine Station früher aus, um sich die U-Bahn-Labyrinthe, das Gewusel, die musizierenden Laien und den Geruch der Champignonpfanne zu ersparen.

    „Normalerweise wird ein großer Bogen um diesen Ort gemacht“, heißt es bei Tripadvisor selbst von Berlin-Besuchern. „Mal von den fiesen Bausünden und Umgestaltungen der letzten 25 Jahre, die dem Alexanderplatz das Gesicht genommen haben, abgesehen, ist es hier einfach nur der reinste Horror. Dreckig, versifft und an vielen Stellen einfach nur verkommen“, so das knallharte Touri-Urteil. Das Schlimme ist: Man kann dem kaum widersprechen.

    5. Flohmarkt im Mauerpark: Karaoke und Nepp seit ewigen Zeiten

    Wollten Sie für einen ausrangierten H&M-Pulli auch schon mal das Doppelte des Originalpreises zahlen? Haben Sie tierisch Lust, eine Dreiviertelstunde für ein Hotdog anzustehen? Interessieren Sie sich wahnsinnig für die dürftigen Sangeskünste Ihnen völlig fremder Menschen?

    Dann sind Sie im Mauerpark goldrichtig, diesem staubig-braunen Flecken Berlin, der am Wochenende zum Eldorado für Schnäppchenjäger wird – oder zumindest für solche, die sich für Schnäppchenjäger halten. Denn günstig sind die Preise auf dem Flohmarkt im Mauerpark schon lang nicht mehr; weder die für Secondhand-Klamotten und Vintage-Möbel noch jene für die begleitenden Snacks und Getränke.

    Dabei rechtfertigt das Angebot – anders als zum Beispiel auf dem wirklich gut sortierten, mit hochwertigen Antiquitäten ausgestatteten Flohmarkt am Arkonaplatz – die mitunter horrenden Preise keineswegs. Und dann auch noch das: Will man sich vom Preisschock kurz mal erholen, setzt sich also auf eine nahe Wiese oder – schlimmer noch – direkt ins Amphitheater, muss man zwangsläufig dem Freiluft-Karaoke folgen, das aus völlig unerklärlichen Gründen seit Jahren Hunderte Besucherinnen und Besucher an jedem sonnigen Sonntag anzieht. Wem’s gefällt …

    Überhaupt wird’s auf dem Flohmarkt im Mauerpark gerne mal übervoll; ein einziges Drängeln und Schieben, ein hastiges Gegrabsche nach überteuerten H&M-Pullis und dürftigen Hotdogs. Genau Ihr Ding? Dann nichts wie hin! Doch eher Lust auf einen entspannten Berlin-Aufenthalt? Dann machen Sie am Sonntag lieber einen großen Bogen um den Mauermeiden

    #Berlin
    #Mehringplatz #Kreuzberg
    #Hermannplatz #Neukölln
    #Eberswalder_Straße #Oderberger_Straße #Prenzlauer_Berg
    #Alexanderplatz #Mitte
    #Mauerpark #Bernauer_Straße

  • Boutiquen, Galerien und Wohnblocks: Die Potsdamer Straße „ist all das, was Berlin ausmacht“
    https://www.berliner-zeitung.de/mensch-metropole/boutiquen-galerien-und-wohnblocks-die-potsdamer-strasse-ist-all-das

    Designerin Fiona Bennett in ihrem Laden auf der Potsdamer Straße Thomas Meyer/Ostkreuz

    4.3.2025 von Johann Voigt - Die besten Galerien, Concept-Stores und ein mehrstöckiger Sexshop verkaufen hier Ideen für ein besseres Morgen – oder das Ende der Welt. Ein Besuch.

    „Ich bin vor über einem Jahrzehnt aus Berlin-Mitte weggegangen, weil es mir dort zu kommerziell geworden ist“, sagt Andreas Murkudis an diesem Morgen in seinem Concept-Store auf der Potsdamer Straße. Er trägt schlichte, dunkle Kleidung und strahlt eine Ruhe aus, die mit dem Lärm von draußen bricht.

    Baustellen machen es einem teilweise unmöglich, sich als Fußgänger sicher fortzubewegen. Das Hupen der Autos im stockenden Verkehr verklebt die Gedanken. Die Potsdamer Straße ist ein Ort der Widersprüche Berlins. Diese Straße ist nicht zum Flanieren gemacht und trotzdem reihen sich hier Galerien und Concept-Stores aneinander, kauft eine Frau einen Hut für 600 Euro bei Fiona Bennett, der besten Hut-Designerin der Stadt. Und einige Meter weiter besorgt sich jemand illegale Substanzen für den nächsten Schuss.

    In den 1980er-Jahren kamen die Hausbesetzer, dann kamen Kriminalität und Prostitution, dann die Galerien. Zweieinhalb Kilometer der Gegensätze. Schöneberg und Tiergarten, das alte Westberlin mit seiner verwinkelten Staatsbibliothek und der Potsdamer Platz im Osten als Versuch eines urbanen Zentrums voller Glas.

    Wegen dieser Gegensätze ist auch Andreas Murkudis hierhergekommen. Wenn man in Berlin etwas Besonderes kaufen will, ein rosafarbenes Designer-Kuscheltier-Schwein, ein paar knallbunte Schuhe des belgischen Designers Dries van Noten, etwas Hochwertiges also, das kein anderer besitzt, dann geht man zu ihm.

    Murkudis Laden befindet sich in einem Hinterhof. Der Concept-Store, angesiedelt in einer kargen Halle mit weißen Wänden, ist ein Hort der schönen Dinge. „Ich bin auf diesen Hof gekommen, alles stand leer, es war recht ungastlich.“ Einige Kunden hätten gesagt: „Wir kommen nicht hierher“. Murkudis dachte nur: „Ist mir egal.“ Er kennt die Gegend, besuchte die in einer Nebenstraße gelegene Sophie-Scholl-Schule.

    „Es ist eine hässliche Straße, eine Durchgangsstraße, nach wie vor“

    Ob sich hier viel verändert hat, im Vergleich zu früher? Nein, sagt Murkudis. Der Fleischer, der Bäcker und der Schreibwarenhandel von früher sind noch da. Und auch die Joseph-Roth-Diele, ein uriges Restaurant, benannt nach dem jüdischen österreichischen Schriftsteller. Passend zur Potsdamer Straße heißt eine Novelle von ihm: „Triumph der Schönheit“, ein anderer Roman „Rechts und links“.

    „Es ist eine hässliche Straße, eine Durchgangsstraße, nach wie vor“, sagt Murkudis. Direkt an der Straße befindet sich der zweite Raum seines Ladens. Blickt man nach draußen, dann sieht man Müll und das Wintergartenvarieté. Drinnen stehen Plattenspieler. Bleistiftzeichnungen von eigenartigen Räumen, die aussehen wie Büros in toten Fabriken, hängen an der Wand. Sie stammen von dem Künstler Carsten Nicolai. Als Alva Noto macht er geisterhafte Experimentalmusik.

    Am Wochenende steht er in diesem Raum, den ihm sein Freund Andreas Murkudis zur Verfügung gestellt hat. Man kann hier mit ihm zusammen seine Musik hören, wenn man das will. Wieder so ein Ruhepol. Im März wird all das verschwunden sein. Ein Ort so fluide wie die Potsdamer Straße selbst. Murkudis bespielt den Raum ständig neu. „Man muss seine Kunden hierherholen“, sagt er noch und meint damit die Potsdamer Straße im Allgemeinen. „Einige, vor allem internationale Kunden, finden den Laden nicht, irren umher.“

    Umherirrende erblicken dann vielleicht den Slogan „This Will Not End Well“, der am Gebäude der Neuen Nationalgalerie zu lesen ist. Dort läuft gerade die Nan Goldin-Retrospektive. Oder LSD, Love, Sex and Dreams, in roten Lettern an einem mehrstöckigen Sexkaufhaus einige hundert Meter entfernt, in dem sich Sexarbeiterinnen Zimmer mieten können. Oder sie sehen in einem Café namens Need a break?! Autor:in Hengameh Yaghoobifarah sitzen und teilnahmslos aus dem Fenster schauen.

    Entlang der Potsdamer Straße versprechen Zeichen und Sätze die Zukunft und verkünden gleichzeitig das Ende. Diese beiden Extreme passen ganz gut zur wachsenden Metropole Berlin. Nirgendwo werden die Gegensätze so gut abgebildet, wie hier zwischen den Wohnblocks, dem Acne-Store und all der Kunst. Denn in den letzten zehn, fünfzehn Jahren sind unzählige Galerien auf die Potsdamer Straße gezogen. Man sieht sie nicht sofort. Sie sind in den Hinterhöfen angesiedelt, in Altbauwohnungen versteckt.

    Einige Meter entfernt von Murkudis Store befindet sich die Galerie Esther Schipper. Man fährt mit einem Fahrstuhl hinauf und steht gewissermaßen über den schönen Dingen. Auch sie ist vor ein paar Jahren auf die Potsdamer übergesiedelt. Ein Mitarbeiter schwärmt von der experimentierfreudigen Szene in der Gegend, von junger Kunst, die hier gezeigt wird. Im Hintergrund hört man düstere Musik. Es ist gerade die Show „Road Runner“ von der Künstlerin und Autorin Cemile Sahin zu sehen. Sahins Arbeiten spiegeln indirekt auch die Ambivalenzen der Potsdamer Straße. Das Schöne, das Rohe, die Gewalt, die Sinnlichkeit.

    „Road Runner“ ist ein dystopisches Video, das auch mit den Ästhetiken von TikToks spielt, mit Action und AI. Die Dialoge hat Sahin geschrieben, sie beschreiben den Kampf einer Heldin. Sie schießt und springt. An den Wänden hängen dazu Abbildungen von Patronen und pinken Bentleys, von Waffen und Wüstensand. Darauf gesetzt sind mit künstlicher Intelligenz generierte Textfetzen. „The future is hot and dry“, steht da unter anderem. Die Zukunft ist heiß und trocken.

    Auf der Potsdamer Straße passiert Diskurs – sie lockt eine internationale Szene an

    In der Galerie Esther Schipper wird klar: Auf der Potsdamer Straße passiert Diskurs. Man kann das zynisch finden, weil es nicht unbedingt ein Angebot für Menschen ist, die auch wirklich dort leben. Man kann es aber auch spannend finden, weil die Concept-Stores, die Designer, die Galerien sich gegenseitig befruchten und eine internationale Szene auf die Potsdamer Straße treiben.

    So denkt auch Fiona Bennett, die um die Ecke den renommiertesten Hutladen Berlins betreibt. „Ich habe immer die Galerie-Nähe gesucht“, sagt Bennett. „Galeristen, Sammler, Künstler waren immer meine Kunden. Hier fühlt man sich gut eingebettet.“ In ihrem Laden gibt es Hüte, in die Kaschmir-Schals integriert sind. Bunte Hüte, edle Hüte, Hüte für Pferderennen und Hochzeiten. Viele sehr teure Hüte. Bennett hat ihre eigene Manufaktur in Berlin, war auch für die Hüte der Schauspieler in „Babylon Berlin“ verantwortlich.

    Genau wie Andreas Murkudis ist auch sie von Mitte auf die Potsdamer Straße gezogen. „Ich bin vor 14 Jahren mit meinem Geschäftspartner hier hergekommen“, sagt sie. „Murkudis war schon im Hof. Wir haben zur Straße hin geöffnet – damals gab es noch den Straßenstrich fast vor der Tür, das Haus stand weitestgehend leer. In den letzten Jahren hat sich alles zu einem spannenden Ort entwickelt.“ Gerade ist deswegen auch noch das junge Berliner Modelabel Working Title mit eingezogen. Björn Kubeja, ein Architekt und neben Designerin Antonia Goy einer der beiden Betreiber, sitzt neben Fiona Bennett und sagt: „Die Kunden hier sind Individualisten. Leute aus Asien, aus Amerika – sie wissen genau, dass hier der Spot für sie ist.“

    Was Kubeja und Bennett eint, ist ihr Sinn für Nachhaltigkeit. Ihre Mode ist entschleunigt, sie soll lange überdauern können. Ein Gegenentwurf zum Ausstellungstitel der Show in der Neuen Nationalgalerie also, der besagt, dass das hier alles nicht gut enden wird. Die Sachen von Working Title sind schlicht, sleek, unisex. Kubeja sagt: „Wenn man unsere Stücke gar nicht mehr restaurieren kann, dann kann man sie guten Gewissens gehen lassen. Sie bestehen nur aus Naturmaterialien.“

    Laut, aber nicht ekelhaft laut

    „Ich finde, die Straße hat was sehr Urbanes, ist sehr laut, aber nicht ekelhaft laut, hat ein gutes Grundtempo, einen urbanen Beat, ist multikulturell“, sagt Kubeja. Wenn er spricht, klingt es jetzt auch wie ein Beat. Er macht eine kurze Denkpause und fügt hinzu. „Es ist all das, was Berlin ausmacht.“

    Nur das Nachtleben fehlt hier weitestgehend. Es gibt die Stripclubs und die Kaschemmen auf der einen Seite und die Victoria Bar und das Kumpelnest für die Szene-Leute auf der anderen Seite. Sonst sieht es mau aus. Das Studio 1111 von Nachtleben-Urgestein Till Harter versucht parallel dazu Marken und Partys zusammenzubringen und die Leute, die hier arbeiten, auch am Abend auf der Straße zu halten. Keine einfache Aufgabe. Die meisten gehen dann doch lieber zurück nach Neukölln oder Kreuzberg.

    „In der Nacht verändert sich das Publikum auf der Potsdamer Straße“, sagt auch Hannes Schmidt. „Die Menschen, die hier in den Agenturen und Galerien arbeiten, gehen in ihre Viertel zurück.“ Er steht in einer Altbauwohnung auf der Potsdamer Straße und ist in Eile. Schmidt ist Künstler, hat kleine Projekt-Spaces geleitet und betreibt hier nun seine Galerie Schiefe Zähne. Sie ist ein Bindeglied zwischen Orten wie der Esther Schipper Galerie, den Läden von Murkudis oder Bennett und der Gegenkultur der 80er-Jahre. An diesem Tag Ende Februar läuft eine Gruppenausstellung, die sich kritisch mit dem Konzept Gruppenausstellung auseinandersetzt: „Ten thousand ugly inkblots | Part 3/3.“

    Schiefe Zähne ist ein ursprünglicher Ort, der mit der Sterilität anderer Galerien bricht. Die Kunst, die dort gezeigt wird, ist hoch-diskursiv, kritisch gegenüber dem Kunstmarkt, kritisch gegenüber Kunst selbst. „Man profitiert von der Galeriendichte“, sagt Schmidt noch, während er sich einen Kaffee holt und dann schnell weiter hastet.

    Die Potsdamer Straße ist kein Ort des Innehaltens. Wer sie besucht, muss in ständiger Bewegung bleiben, kann kurz in den Läden, in der Mode, in der Kunst abtauchen, aber landet am Ende doch wieder auf dem Gehsteig dieser launigen und dreckigen Hauptverkehrsader. Das erdet.

    #Berlin #Schöneberg #Tiergarten #Mitte #Potsdamer_Straße #Kultur #Wirtschaft #wohnen

  • Gegen die Ubernahme der Stadt
    https://jungle.world/artikel/2025/08/taxi-filmfest-gegen-die-ubernahme-der-stadt

    29.2.2025 von Holger Heiland - Das Taxifilmfest ist nicht einfach nur ein weiteres Filmfest, sondern ein Protest für gute Arbeitsbedingungen und Arbeitsrechte von Personenbeförderern.

    Zwei Tage vor der Eröffnung der 75. Internationalen Filmfestspiele von Berlin steht Klaus Meier in der Kälte vor dem Berlinale-Palast und wartet auf seine Mitstreiter. Er ist einer der Veranstalter des 2. Taxifilmfests; bei dessen Erst­auf­lage waren während der vorigen Berlinale in Taxis Filme mit Taxibezug gezeigt worden. Nicht nur seine Mitstreiter, sondern auch die für die Filmvorführungen aufgerüsteten Großraumtaxen lassen auf sich warten.

    »Improvisation gehört dazu«, erklärt Meier der Jungle World. »Noch ist nicht alles ausdiskutiert. Etwa, ob wir Filme wieder nur in den Taxen zeigen. Das hieße, dass immer je acht Menschen eine Vorstellung besuchen können. Wir könnten die Wagen aber auch als Shuttles nutzen, um unser Publikum in einen komfortabel geheizten Kinosaal zu befördern.«

    Das Taxikultur-Team, dem neben Meier die Taxiunternehmer:innen Stephan Berndt und Irene Jaxtheimer angehören, stellt sich an den Festival­tagen bis zur Dämmerung den Fragen von Interessierten, informiert über das Programm und ihren Protest »gegen die Übernahme der Stadt durch Plattformkapitalisten und Ausbeuter«.

    »Eine angekündigte Fachkunde­prüfung als Voraussetzung für die Erteilung einer Beförderungslizenz lässt bis heute auf sich warten.« Klaus Meier, Veranstalter des Taxifilmfests

    Veranstaltungen wie die Berlinale – mit 2024 nach eigenen Angaben 329.502 verkauften Tickets eines der größten Publikumsfilmfestivals auf der Welt – sind seit langem wichtiger Teil des Stadtmarketings. Sie sollen helfen, Investoren und damit Steuereinnahmen anzulocken. Gerade deshalb stellte es für den Filmenthusiasten Meier, der neben seinem Beruf schon für das Videofilmfest (seit 1988) und die daraus entstandene Transmediale gearbeitet hat, einen Skandal dar, dass der Haupt­sponsor der Berlinale in den beiden vergangenen Jahren ausgerechnet der Vermittlungsdienstleister Uber war.

    »Das war kein gutes Zeichen, weder für das Festival noch für die Stadt. Zumal sich die Berlinale ja als dezidiert politisches Festival versteht.« Uber selbst beschäftigt keine Fahrer, sondern betreibt nur die Plattform, auf der diese ihre Dienste anbieten können. Das Geschäftsmodell führt Meier zufolge zu »Schwarzarbeit, Lohndumping und Steuerhinterziehung«. Das Unternehmen ziehe sich aus der Verantwortung und argumentiere damit, dass es nur als Vermittler auftrete, das lediglich seine App zur Verfügung stelle.

    Der RBB titelte bereits 2023 nach einer Recherche zum Uber-System: »Fahrer sind Opfer organisierter Schwarzarbeit«. Der Fachgebietsleiter der Finanzkontrolle Schwarzarbeit beim Hauptzollamt Berlin berichtete der Zeitung von Firmen, die gegründet würden, um »in großem Umfang Arbeitnehmer« als Fahrer zu beschäftigen, die dann nicht sozialversichert seien.
    Illegale Taxifahrten über Uber und Bolt

    Mitte Januar gab es in einem solchen Fall Hausdurchsuchungen in mehreren Bundesländern wegen des Verdachts der besonders schweren illegalen Beschäftigung, der besonders schweren Steuerhinterziehung und der bandenmäßigen Urkundenfälschung. Die Staatsanwaltschaft Frankfurt am Main wirft insgesamt 30 Personen vor, seit 2022 illegale Taxifahrten über Uber und Bolt angeboten zu haben.

    »Den Fahrer:innen bringt das in der Summe Unsicherheit und den Zwang, ständig zu arbeiten, um überhaupt etwas zu verdienen. Das führt oft in biographisch ausweglose Lagen«, weiß Meier aus seiner langjährigen Erfahrung als hauptberuflicher Taxifahrer. Seit er nicht mehr selbst hinterm Steuer sitzt, berät er ehemalige Kolleg:in­nen in prekären Arbeitsverhältnissen als Taxi-Soziallotse für das vom Senat geförderte Berliner Arbeitslosenzen­trum (Balz). Seit Jahren engagiert er sich zudem in der AG Taxi, einer gewerkschaftlichen Gruppe im Rahmen von Verdi Berlin, und setzt sich dafür ein, die Anliegen der gewerkschaftlich kaum organisierbaren Angestellten im Taxigewerbe zu Gehör zu bringen.

    Von den politisch Verantwortlichen fordert er beispielsweise, sich den Hamburger Senat zum Vorbild zu nehmen und durch angemessene Ordnungs- und Kontrolltätigkeit die wirtschaftliche Situation der Beschäftigten zu verbessern. In Hamburg werden kaum Uber-Fahrzeuge zugelassen. Der Senat bezweifelt die zumindest kostendeckende Betriebsführung des durch Apps vermittelten Mietwagenverkehrs. Um zugelassen zu werden, sind die Unternehmen dazu verpflichtet, einen Geschäftsplan vorzulegen.

    Mit seinen Protestaktionen war Meier bereits erfolgreich. Aus einer Plakataktion gegen Uber 2023 entstand 2024 das Taxifilmfest mit Filmen aus privaten DVD-Sammlungen. Das Festival erhielt weltweit Aufmerksamkeit. Das trug sicher mit dazu bei, dass Uber sich in diesem Jahr als Sponsor der Berlinale zurückgezogen hat.
    »Gegen-Kartographie«

    Das Taxifilmfest hat sich mittlerweile etabliert. 1.640 Filme von Filme­macher:innen aus aller Welt wurden in diesem Jahr eingereicht. Gezeigt werden davon fünf Spiel- und 59 Kurzfilme. Von grell bis experimentell dreht sich alles ums Taxifahren und seinen Beitrag zur urbanen Kultur. Einst auf Super 8 gedrehte Einblicke in die Berliner Gegenkultur der siebziger und achtziger Jahre gibt es auch – in Erstaufführung.

    Besonders stolz ist Meier auf den Workshop »Besser als die App«. Da gehe es um die Besinnung auf eigenes Wissen und Stärken, um auf Navigationssysteme bauende Beförderungsmodelle alt aussehen zu lassen. »Unter Verkehrsminister Scheuer wurde die Ortskundeprüfung abgeschafft. Dadurch sind die Fahrer:in­nen enteignet worden und die Qualität der individuellen Personenbeförderung wurde schlagartig schlechter. Eine angekündigte Fachkundeprüfung als Voraussetzung für die Erteilung einer Beförderungslizenz lässt bis heute auf sich warten.«

    Das Werkzeug, das der Workshop an die Hand gibt, heißt »Gegen-Kartographie«. Kartieren wird dabei als Praxis verstanden. In Karten, so die Überlegung, sind immer schon Interessen und damit Herrschaftsstrukturen eingeflossen und werden dadurch verfestigt. Die Gegen-Kartographie ist hingegen auf die Perspektive der Akteure ausgerichtet. Am Beispiel von Taxifahrer wären also Fragen wie die entscheidend, wie ein konkreter Platz aussieht, wo man abbiegen, sich einordnen oder parken kann. Taxifahrer:innen bietet das die Möglichkeit, ihre Interessen klar zu formulieren und ihre Rechte durchzusetzen. Eine Preisverleihung für die beim Taxifilmfest ausgezeichneten Filme gibt es natürlich auch.

    #Berlin #Mitte #Friedrichshain #Moabit #Potsdamer_Straße #Potsdamer_Platz #Alt_Stralau #Markgrafendamm #Beusselstraße #Wiclefstraße #Kultur #Kino #Film #Taxifilmfest

  • Berlin Fashion Week: Als der Potsdamer Platz noch nach Paris aussah
    https://www.berliner-zeitung.de/stil-individualitaet/berlin-fashion-week-als-der-potsdamer-platz-noch-nach-paris-aussah-

    Gesa Kessemeier nebst einer Illustration, die eine Modenschau im Hotel Esplanade 1924 zeigt. Sport im Bild/Kunstbibliothek, Lipperheidesche Kostümbibliothek/Charlotte Hansel

    2.2.2025 von Diana Weis - Gesa Kessemeier forscht an der Kunstbibliothek zur Modegeschichte der Stadt. Wir werfen mit der Modehistorikerin einen Blick zurück in die glanzvollsten Zeiten Berlins.

    Ein eisiger Wind fegt durch die Gebäudeschluchten am Potsdamer Platz. Der Spruch, jeder große Architekt würde in Berlin sein hässlichstes Haus bauen, scheint nirgendwo so wahr zu sein wie hier. „Der Potsdamer Platz ist heute ein Unort“, sagt Gesa Kessemeier. „Es ist kaum noch vorstellbar, dass hier vor hundert Jahren das Zentrum für Kunst und Mode in Berlin war.“

    Die Historikerin erforscht im Rahmen des Projekts „Kunstgeschichte(n) des Tiergartenviertels“ die modische Vergangenheit der Stadt. Viele kennen das Denkzeichen Modezentrum Hausvogteiplatz, eine Skulptur aus drei spiegelnden Stahlplatten am östlichen U-Bahn-Ausgang. „Dabei saß am Hausvogteiplatz nur der textile Großhandel“, erklärt Gesa Kessemeier.

    Echte Mode wurde dagegen im Tiergartenviertel rund um den Potsdamer Platz gemacht. Das Café, in dem wir uns verabredet haben, liegt im Erdgeschoss eines der vielen Neubauten, die hier um die Jahrtausendwende hochgezogen wurden. Das waren aufregenden Zeiten in Berlin: die Baukran-Jahre.

    Wegen des unwirtlichen Wetters, im Volksmund „Russenpeitsche“ genannt, haben wir uns gegen einen Spaziergang entschieden. „Eigentlich“, so Gesa Kessemeier, „gibt es sowieso nichts mehr zu sehen. Die ehemaligen Modeorte Berlins sind fast alle verschwunden.“ Stattdessen holt die Wissenschaftlerin historische Stadtpläne hervor. „Alleine hier im Lenné-Dreieck befanden sich in den Zwanzigerjahren 17 Couture-Salons.“

    Muster: Gesa Kessemeier sitzt im historischen Kaisersaal.Charlotte Hansel_

    Sie erzählt von exklusiven Modellhäusern, prächtig ausgestattet mit Stuck, Seidentapeten und Kronleuchtern, in denen sich eine kunstsinnige Kundschaft die neuesten Entwürfe auf den Leib schneidern ließ. Von Modeschöpferinnen, die einen ganz eigenen, modernen Stil prägten, und denen es eine Zeitlang fast gelang, der Modestadt Paris ernsthaft Konkurrenz zu machen.

    Es ist eine Detektivarbeit, ich muss in historischen Adressbüchern, Zeitungen und Zeitschriften nach kleinsten Informationsschnipseln suchen. Gesa Kessemeier

    Die weitgehende Zerstörung Berlins und die folgende topografische Umgestaltung der Stadt sind nur zwei der Schwierigkeiten, mit denen Gesa Kessemeier bei ihrer Forschungsarbeit zu kämpfen hat. Es gibt kein Archiv, das die Arbeit der Berliner Modeschaffenden der Weimarer Republik systematisch dokumentiert. „Es ist eine Detektivarbeit“, sagt Gesa Kessemeier, „ich muss in historischen Adressbüchern, Zeitungen und Zeitschriften nach kleinsten Informationsschnipseln suchen.“

    Auch in den Akten der Entschädigungsbehörde des Landes Berlin wurde sie fündig, wo die Angehörigen von Opfern nationalsozialistischer Verfolgung bis 1969 Anträge auf die Rückgabe enteigneter Besitztümer stellen konnten.

    So sah’s früher aus: Der Wintergartensaal des Hotels Esplanade war Schauplatz zahlreicher Defilées.Sammlung Kessemeier

    Auf den Fotos, die Gesa Kessemeier zeigt, sind elegant geschwungene Häuserfronten zu sehen, an denen in großen goldenen Lettern Namen prangen: Johanna Marbach, Regina Friedländer, Clara Schulz. Wie kann es ein, dass wir diese Namen heute nicht mehr kennen? „Niemand kann eine Berliner Designerin der 1920er-Jahre nennen“, sagt Gesa Kessemeier, „aber Coco Chanel kennen alle.“

    Frankreich hat eine andere Geschichte als Deutschland, eine andere Erinnerungskultur. „Die Modeschaffenden, die hier arbeiteten, wurden nach 1933 beraubt, auf das Schlimmste verfolgt und danach bewusst dem Vergessen übergeben.“ Dabei machte die Berliner Mode einst auch international Furore.

    Als Marlene Dietrich 1930 das erste Mal in die USA reiste, hatte sie Hosenanzüge des Modellhauses Becker im Gepäck, das in einem eigenen Modepalais in der Tiergartenstraße residierte. Gesa Kessemeier weiß das, weil sie im Marlene-Dietrich-Nachlass in der deutschen Kinemathek die Quittungen über 23.000 Reichsmark fand.

    Das luxuriöse Couture-Atelier wurde von dem Ehepaar Max und Erna Becker betrieben. „Damals war es üblich, dass Geschäfte den Namen des Mannes trugen“, erklärt Gesa Kessemeier, „aber das kreative Genie war eigentlich Erna Becker.“ Die berühmten Hosenanzüge, die sie für Marlene Dietrich entwarf, bilden einen Schlüssel zum Verständnis des Berliner Stils. „Eine gewisse Strenge in der Linienführung“ habe diesen laut Gesa Kessemeier ausgezeichnet. „Reduktion und eine Eleganz der Einfachheit, wie man sie später auch bei Jil Sander fand.“

    Schlips stand ihr: Marlene Dietrich, 1933 Kunstbibliothek SMB/bpk/Photothek W. Römer

    Die Berliner Modeszene war damals selbstbewusst genug, Paris etwas Eigenes entgegenzusetzen. Der Verband deutscher Modeindustrie gründete sich aus dem deutschen Werkbund und war stark von dessen Ideen geprägt: Neue Sachlichkeit, eine klare und funktionale Formgebung, die Verbindung von Kunst, Handwerk und Industrie. Gesa Kessemeier zeigt ein Couture-Kleid von Clara Schulz, das die Modejournalistin Julie Elias 1923 als „Perlmutter-Pailletten, mit Stahlringen aneinandergeheftet“ beschrieben hatte. „Das sieht doch aus wie von Paco Rabanne!“, sagt die Wissenschaftlerin.

    Dass Berlin heute noch das Zeug dazu hat, den großen europäischen Modezentren den Rang abzulaufen, würden viele bezweifeln. Allein der unglücklich frühe Termin der Berliner Fashion Week, ausgerechnet zur grauesten Zeit des für seine Gräue berüchtigten Berliner Winters, hat schließlich viele Jahre bewiesen, dass Berlin im internationalen Modekalender nur eine Nebenrolle spielt. Zwar gibt es nun einen etwas späteren Berliner Termin, doch der internationale Fokus liegt nach wie vor auf London, Mailand und Paris, wo die neuen Kollektionen erst ein paar Wochen später gezeigt werden.

    Die Nationalsozialisten drängten die Begabtesten aus der Mode und glaubten, sie ersetzen zu können. Gesa Kessemeier

    Wenn eines heute noch genauso wahr ist wie vor hundert Jahren, dann das: Mode kann nicht in einem Vakuum existieren. Aber Modehäuser brauchen ein nahrhaftes Umfeld, um gedeihen zu können. Das ehemalige Tiergartenviertel, das Gesa Kessemeier aus tausend kleinsten Puzzleteile zu rekonstruieren versucht, war nicht nur ein elegantes Geschäfts-, sondern auch ein aufregendes Wohnviertel. Hier kamen Künstlerinnen, Kunstsammler, Filmstars und Intellektuelle zusammen. Die Mode war selbstverständlich mit dabei, als wichtiger Teil des visuellen Diskurses.

    Gesa Kessemeier erzählt anschaulich und bildhaft. Wenn sie redet und dabei alte Fotos und Zeitungsausschnitte zeigt, fühlt es sich an, als lege das alte Berlin sich für einen kurzen Moment über das gegenwärtige, als könne man sich noch ein bisschen an dem vergangenen Glanz wärmen. „Berlin hat sich seiner eigenen Talente beraubt“, klagt sie. Talente wie etwa Joe Strassner, der in Berlin elegante Abendkleider mit Cut-Outs entwarf, wie man sie heute wieder auf allen roten Teppichen sieht.

    Schick in Chanel: Zum Termin im historischen Kaisersaal trägt Kessemeier eine aussagekräftige Brosche. Charlotte Hansel

    Noch vor der Machtergreifung der Nazis ging Strassner nach Hollywood, wo er Stars wie Lilian Harvey und Anna Mae Wong einkleidete, später emigrierte er nach London, wo er als Kostümbildner mit Alfred Hitchcock zusammenarbeitete. Anderen erging es weitaus schlechter, die einflussreiche Modejournalistin Julie Elias starb 1943 im Exil in Norwegen, ihr Sohn Ludwig wurde nach Auschwitz deportiert und ermordet. Ebenso wie Joe Strassners Bruder Alfred.

    Die Bezeichnung „jüdische Modehäuser“ findet Gesa Kessemeier irreführend. Sie sagt: „Man muss aufpassen, dass man sich nicht das Denken der Täter zu eigen macht.“ Die Modesalons waren multinationale, multiethnische und multireligiöse Betriebe, deren Weltoffenheit und demokratische Ausrichtung den Nationalsozialisten ein Dorn im Auge waren.

    Der Verband deutscher Modeindustrie wurde aufgelöst und durch das deutsche Modeamt ersetzt, das fortan versuchte, regimekonforme Modeschaffende zu fördern. „Sie drängten die Begabtesten aus der Mode und glaubten, sie ersetzen zu können“, formuliert es Gesa Kessemeier. Der Versuch misslang gründlich – ein Ort, an dem die Mode blüht, lässt sich nicht am Reißbrett entwerfen, er muss wachsen.

    Immer noch schmiegt sich die Lennéstraße südlich an den Tiergarten und bildet zusammen mit Bellevuestraße und Ebertstraße ein Dreieck, an dessen südlicher Spitze heute ein Kubus aus Glas und Stahl den Zugang zum ebenfalls zugigen und düsteren Bahnhof Potsdamer Platz bewacht. Aber wohnen tut hier niemand mehr, die Infrastruktur richtet sich an Durchreisende: ein Luxus-Hotel, ein Hotdog-Laden, ein indisches Restaurant. Von Mode keine Spur, es sei denn, man möchte die Filialen der Fast-Fashion-Ketten im nahegelegenen Einkaufszentrum dazuzählen.

    Großer Auftritt: Mannequins im Salon de Bayer, 1928 Sammlung Kessemeier

    Beheimatet ist das Forschungsprojekt „Kunstgeschichte(n) des Tiergartenviertels“ in der Kunstbibliothek, die nur wenige Schritte entfernt Richtung Landwehrkanal im Kulturforum liegt. Nach dem Krieg sollte hier das neue kulturelle Zentrum von West-Berlin entstehen. Das moderne Gebäudeensemble, das neben der Kunstbibliothek auch die Gemäldegalerie und das Kupferstichkabinett beherbergt, wurde Ende der Neunzigerjahre fertiggestellt. Das weitläufige, abfallend gestufte Areal davor ist heute bei Skatern beliebt. In den warmen Monaten beleben sie den Platz und verströmen ein angenehm urbanes Flair. Jetzt im Januar herrscht allerdings auch hier tristes Sibirien-Feeling.

    Ähnliches ließe sich in diesen Tagen auch über die kulturelle Szene der Stadt sagen. Von den schmerzhaften Kürzungen des Kulturetats ist die Berlin Fashion Week zwar nicht betroffen. Das Geld, mit dem spektakuläre Modenschauen ausgerichtet und internationale Gäste in die Stadt geholt werden, kommt von der Senatsverwaltung für Wirtschaft, Energie und Betriebe. „Typisch“, sagt Gesa Kessemeier, „in Frankreich ist Mode Kultur, in Deutschland Wirtschaft.“

    Das Esplanade ist einer der ganz wenigen historischen Berliner Modeorte, die noch erhalten geblieben sind. Gesa Kessemeier

    Momentan ist das allerdings ein klarer Vorteil: Senatorin Franziska Giffey und Staatssekretär Michael Biel investieren viel, um Berlin als Modestandort konkurrenzfähig zu machen. Aber ohne die Kultur kann die Rechnung nicht aufgehen. Das international gefeierte Label Namilia, eines der Zugpferde der Berlin Fashion Week, wurde von fünf Alumni der Universität der Künste gegründet. Eine weitere Absolventin, Kasia Kucharska, zeigt am 2. Februar erstmals eine eigene Kollektion bei der Berlin Fashion Week.

    Im November wurden der Hochschule einschneidende Kürzungen mitgeteilt. UdK-Präsident Norbert Palz sprach im Interview mit Radio Eins von einer „dramatischen Situation“, die eine „direkte Verringerung der Lehrqualität“ zur Folge habe. Dazu kommt, dass viele Modeschaffende Zweit- und Drittjobs im Kulturbereich haben, die nun ebenfalls wegbrechen könnten.

    Doch zurück zum Potsdamer Platz, wo die Glaskuppel des ehemaligen Sony-Centers wenigstens etwas Schutz vor dem schneidenden Wind bietet. Versteckt im östlichen Zipfel der Plaza stehen die Überreste des ehemaligen Grand Hotel Esplanade. „Das Esplanade ist einer der ganz wenigen historischen Berliner Modeorte, die noch erhalten geblieben sind“, sagt Gesa Kessemeier.

    Ein Zeitungsartikel aus dem Dezember 1921 berichtet, dass hier mit großem Aufwand eine „moderne Modefigurine“ des Bildhauers Rudolf Belling der Öffentlichkeit präsentiert wurde. Ein Stück der puderblauen, stuckverzierte Wand des ehemaligen Esplanade-Speisesaals wurde in die moderne Architektur des Centers integriert. Von außen kann man sie hinter Glas bestaunen wie einen seltenen Schmetterling. Im Inneren befindet sich heute das Restaurant „Fredericks“, das auf geschmackvolles Art-Deco-Ambiente mit wohlplatzierten Popart-Einsprengseln setzt.

    Gesa Kessemeiers Blick fällt auf die weiße Marmortreppe in der Mitte des Raums: „Da ist sie ja!“, ruft sie begeistert aus. Genau hier, auf dieser Treppe, standen einst Vorführdamen, die die neuesten Entwürfe der Berliner Häuser zeigten. Sogar die blutjunge Marlene Dietrich war dabei. Die Marmortreppe war in den Zwanzigerjahren Teil der neuen Festhalle des Grand Hotel Esplanade, in der rauschende Partys gefeiert wurden und in der sich heute zwei Treppen über dem Restaurant befinden.

    Während der Baumaßnahmen, die Teile des historischen Hotels konservieren sollten, wurde der hintere Teil des Saals transloziert, also im Ganzen um etwa 80 Meter verschoben. Dabei ging leider der große Spiegel über dem Kamin zu Bruch. Darunter kam zum Vorschein: ein Ganzkörperporträt von Wilhelm Zwo mit strengem Blick. Seitdem heißt die immer noch prachtvolle Halle „Kaisersaal“.

    Glanzvoll: Elegante Abendmode aus dem Modellhaus Kuhnen Sammlung Kessemeier

    Enteignet, zerbombt, zugebaut, wieder freigelegt, kostspielig restauriert, transloziert und auf einen anderen Platz gestellt: Vielleicht kann die Beschaffenheit des Unorts Potsdamer Platz doch dabei helfen, die Geschichte dieser Modestadt besser zu verstehen.

    Dass Berlin Talent hat, würde wohl niemand bezweifeln – die Zukunft wird zeigen, ob hier auch weiterhin ein fruchtbares Umfeld geboten werden kann. Dafür, dass die Stadt ihre eigene Geschichte nicht vergisst, sorgt jedenfalls Gesa Kessemeier. Im Sommer erscheint ihr Buch „Modestadt Berlin – Geschichte der Berliner Konfektion und Modesalons 1836–1936“.

    #Berlin #Tiergarten #Mitte Potsfamer_Platz #Bellevuestraße #Ebertstraße #Lennéstraße #Lennédreieck #Hausvogtriplatz #Geschichte #Mode #Nazis

  • Stuttgart ist nicht Berlin - Es geht um Luis - Der Untergang der Mittelschicht
    https://www.txsl.de/filmkritik_es_geht_um_luis.html

    22.1.2015 - Gestern waren wir im Kino. Ein Taxifilm spielt in Stuttgart. Da lebt man im Luxus, aber es ist auch nicht besser als in Berlin.

    Es geht um Luis [1] heißt der neue Film von Lucia Chiarla [2] . Der ist so sehenswert wie außergewöhnlich. Dem Ensemble gelingt es, einen abstrakten, menschlich schwierigen Stoff fassbar zu machen. Das ist berührend und anregend.

    Alle Eltern kennen das mittlerweile: Ein Kind wird gemobbt, andere sind Täter und die Schule verhindert eine Lösung. Aber sehen wir uns die Konstellation vom Beginn her an.

    Eine minimalistische Konstellation

    Wir lernen drei Familienmitglieder kennen, die sich um den zehnjährigen Luis kümmern. Mutter ist Architektin in prekärer Stellung, Vater Taxifahrer, die Schwiegermutter und Oma pensionierte Lehrerin.

    Alle sind abhängig von Herrschern, denen sie sich freiwillig unterordnen, [3] dem Taxiboss, dem Chef des Architekturbüros und der Schule, die weiterhin Gedanken- und Gefühlswelt der Oma beherrscht.

    Luis bleibt abstrakt, wir hören von ihm ein Gedicht, sehen Schularbeiten und amtliche Dokumente. Manchmal telefoniert er oder textet mit seinen Eltern.

    Luis Problem ist zunächst ein Rucksack, für den ihn Mitschüler hänseln und verprügeln, bis er zurückschlägt. Nach und nach entdecken wir, wie Überlastung und Überforderung die Figuren dazu bringen, einander zu vernachlässigen, Verantwortung zurückzuweisen, sich zu bekriegen und so ihre Lage immer weiter zu verschlimmern. Anläufe zu Lösungen, sogar ein Über seinen Schatten springen und alle Liebe der Welt kommen zu spät und vermögen nichts gegen die Verhältnisse.

    Antagonisten

    Luis Schulleiter setzt sich nicht für ihn ein sondern versucht den Problemfall an eine andere Schule abzuschieben. Die Lehrer-Oma hat dem nur Worthülsen aus der achtundsechziger Studentenzeit entgegenzusetzen. Sie ist so tief in das Schulsystem verstrickt, dass sie an den Verhältnissen verzweifelt, unfähig den folgenden Generationen praktische Hinweise zum Meistern der Institution zu geben.

    Der Taxichef bedroht seine Angestellten mit Entlassung, „wer nicht fährt fliegt raus“, und nötigt sie zu überlangen Wochenendschichten. Ihn selber bedrücken die sinkenden Umsätze verursacht durch eine „Taxiapp“ in der man unschwer den Uber-Konzern erkennt. Im Grunde menschlich begibt er sich mit der Mutter auf die Suche nach seinem verschollenen Angestellten, unfähig zu mehr als dieser symbolischen Geste.

    Der Leiter des Architekturbüros nötigt die Mutter zu endlosen Überstunden. Sein Projekt muss fertig werden. Die junge Architektin lässt sich in der Hoffnung auf eine feste Anstellung als Projektleiterin darauf ein. Luis ist bei der Großmutter und hält per Telefon Kontakt zu seinen immerzu arbeitende Eltern.

    Das Grauen

    Keine Figur ist zu selbst erdachten Entscheidungen fähig, alle lassen sich von den übermächtigen Verhältnissen antreiben. [4]

    Der Film und seine Figuren fühlen sich an wie ein Anti-Theorem. [5] Die prekarisierte Mittelschicht Stuttgarts kennt keine Atempause, nicht einmal an einem einzigen besonderen Tag [6] .

    Wir sind so

    Die Schicksale sind uns vertraut. Wir kennen das. Selten jedoch werden sie so klar gezeigt, menschlich und mit den wesentlichen Hintergründen. Die Lösungen? Der Film schlägt keine vor, denn sie liegen auf der Hand. Wo scheinbar übermächtige Kräfte wirken helfen nur Unabhängigkeit [7] und Entschlusskraft. Einmal erlangt verjagen sie die Furcht. [8]
    Was ist nun mit Stuttgart und Berlin ?

    Im FIlm beobachten wir die Stuttgarter Mittelschicht beim Kampf um ihre Existenz. In Berlin gedreht bliebe dem Film davon allein der Kampf ums nackte Überleben. Lang ist es her, dass typische Berliner Taxi- und MIetwagenfahrerinnen oder -fahrer zur Mittelschicht gehörten.

    Seit uns die Aufsichtsbehörde genaue Zahlen vorenthält können wir den Anteil der Taxifahrer mit eigenem Wagen nur vermuten, er bewegte sich zuletzt bei etwas über 1000, also 20 Prozent von knapp über 5000 Taxis. Das ist unsere „Mittelschicht“, die oft für weniger als den gesetzlichen Mindestlohn arbeitet. Den abhängig beschäftigten Fahrerinnen und Fahrer geht es nicht besser. Sie akzeptieren das durch unbeschränkte Vergabe von Konzessionen und den Einbruch von Uber erzwungene Lohndumping, weil sie um ihren Arbeitsplatz fürchten.

    Taxizukunft ?

    Das ist ein riesiges Problem, weil kultivierte, humorvolle Taxifahrer wie im Film nicht mehr nachwachsen. Wenn jeder andere Job besser bezahlt ist als die anstrengende, verantwortungsvolle und gefährliche Arbeit des Taxifahrers, bewerben sich nur noch orientierungslose Menschen ohne jede „gesellschaftliche Teilhabe“, wie es im Behördensprech heisst.

    Die Folge sind schlechte Behandlung der Fahrgäste, sinkende Qualität der Taxis und abgrundtief frustrierte Menschen am Lenkrad. Die fühlen sich von allen verlassen, von den Kollegen, vielleicht sogar von Freunden, die ihnen nicht helfen können, vom Chef und von Staat sowieso. Über Gewerkschaften, Solidarität wissen sie nichts. Man nennt es Verelendung. Stuttgart ist noch weit davon entfernt, eine im Vergleich heile Welt.

    Fazit

    Deshalb lohnt es sich, „Es geht um Luis“ anzusehen. Der Film macht keine Hoffnung. Dann wäre er verlogen. Er bringt einen auf Gedanken. Gut so.

    Ab morgen, Donnerstag 23.1.2025 im Kino. Hingehen oder bei Taxifilmfest ansehen !

    –-----

    [1] Team und Besetzung bei Wikipedia
    https://de.m.wikipedia.org/wiki/Es_gRegisseurin
    https://www.luciachiarla.com

    [2] Lucia Chiarla Autorin, Schauspielerin, Regisseurin

    [3] Étienne de La Boétie hat bereits 1574 in seinem Discours de la servitude volontaire (Von der freiwilligen Knechtschaft) gezeigt, dass Unterwerfung und Knechtschaft nie vollständig erzwungen sind sondern letzten Endes auf eigenen Entscheidungen der Unterjochten beruhen.
    https://www.projekt-gutenberg.org/boetie/knechtsc/knechtsc.html

    [4] Es geht um Luis ist auch eine Reise in die Abgründe der Seele, wo das Grauen herrscht, das Joseph Conrad in Heart of Darkness und Francis Ford Coopla in Apocalypse Now beschreiben. Es ist uns nur alles viel näher und nicht so riesig wie in den Klassikern.
    https://de.wikipedia.org/wiki/Herz_der_Finsternis
    https://de.wikipedia.org/wiki/Apocalypse_Now#Kurtz_oder:_Das_Grauen

    [5] Teorema – Geometrie der Liebe von Pier Paolo Pasolini aus dem Jahr 1968. Als Pasolini vor 57 Jahren die Bourgeoisie grandios an ihrer sexuellen Befreiung scheitern ließ, blieb zumindest die Arbeiterklasse als Träger der Hoffnung.
    https://de.wikipedia.org/wiki/Teorema_%E2%80%93_Geometrie_der_Liebe

    [6] Ein besonderer Tag von Ettore Scola aus dem Jahr 1977
    Der Film spielt in der italienischen Hauptstadt Rom. Es ist der 6. Mai 1938, Staatsbesuch Hitlers bei Mussolini in Rom . In einem Appartementkomplex lebt das Ehepaar Emanuele und Antonietta mit seinen sechs Kindern. Emanuele, der wie seine Frau ein Anhänger der Faschisten ist, geht mit den Kindern in die Stadt, um der Parade beizuwohnen. Antonietta bleibt zu Hause, um den Haushalt zu machen; ihr entfliegt der von der Familie geliebte Beo. Antonietta bemerkt, dass in der Wohnung gegenüber, vor der sich der Vogel niedergelassen hat, ein Mann sitzt, und klingelt dort. Gabriele – der kurz davor war, sich eine Kugel in den Kopf zu schießen – hilft Antonietta, den Beo wieder einzufangen.
    https://de.wikipedia.org/wiki/Ein_besonderer_Tag

    [7] Zum Begriff der Verlassenheit im Sinne von Unabhängigkeit siehe Der Existenzialismus ist ein Humanismus von Jean-Paul Sartre, 1946
    https://de.wikipedia.org/wiki/L%E2%80%99existentialisme_est_un_humanisme#5._Der_Mensch_ist_Verlassen

    [8] Noch einmal Étienne de La Boétie : „Man stelle fünfzigtausend bewaffnete Männer auf eine Seite und ebenso viele auf die andere; man ordne sie zur Schlacht; sie sollen handgemein werden: die einen sollen freie Männer sein, die für ihre Freiheit kämpfen, die andern sollen ausziehen, um sie ihnen zu rauben: welchen von beiden wird vermutungsweise der Sieg in Aussicht zu stellen sein?

    Welche, meint man, werden tapferer in den Kampf gehen? Diejenigen, die zum Lohne für Ihre Mühen die Aufrechterhaltung ihrer Freiheit erhoffen, oder diejenigen, die für die Streiche, die sie versetzen oder empfangen, keinen andern Preis erwarten können, als die Knechtschaft der andern? Die einen haben immer das Glück ihres bisherigen Lebens, die Erwartung ähnlichen Wohlstands in der Zukunft vor Augen; es kommt ihnen nicht so sehr zu Sinn, was sie in der kurzen Spanne einer Schlacht durchzumachen, wie was sie, ihre Kinder und all ihre Nachkommenschaft für immer zu ertragen haben.

    Die andern haben zu ihrer Erkühnung nur ein kleines Quentchen Begehrlichkeit, das sich gegen die Gefahr verblendet, das aber nicht so gar glühend sein kann, vielmehr mit dem kleinsten Blutstropfen, der aus ihren Wunden fließt, erlöschen muß.“

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    #Taxi #Uber #Plattformkapitalismus #Stuttgart #Film #Kapitalkomzentration #Behördenversanen #Kleinbürgertum #Mittelschicht

  • #Emmanuel_Macron, l’#art du #secret
    https://www.lemonde.fr/politique/article/2024/12/21/emmanuel-macron-l-art-du-secret_6461505_823448.html

    Emmanuel Macron, l’#art_du_secret
    Par #Raphaëlle_Bacqué, #Ariane_Chemin et #Ivanne_Trippenbach
    Publié le 21 décembre 2024 à 20h02, modifié le 28 décembre 2024 à 11h52

    ENQUÊTE« Le président et son double » (4/4). Dans le dernier volet de la série sur l’évolution du président de la République depuis son arrivée à l’Elysée, « Le Monde » décrypte la façon dont il gère les questions de sécurité personnelle et de protection de son image.

    « #Brûle_tout ! » En 2017, pendant sa première campagne présidentielle, entre deux meetings et rendez-vous, Emmanuel Macron tendait parfois à son garde du corps des chemises cartonnées et, pour celles de couleur rouge, lui intimait de faire disparaître leur contenu. #Alexandre_Benalla, qui veille alors sur la sécurité du candidat, s’en souvient bien : il jetait lui-même les feuilles de papier dans un fût en métal, au sous-sol du QG de campagne, rue de l’Abbé-Groult, dans le 15e arrondissement de Paris, et y mettait le feu. Parfois, un brasero improvisé était allumé au bord de la route, sur le chemin d’un aéroport d’où le futur président décollait pour rejoindre une réunion publique. A l’intérieur, des notes, des idées griffonnées, des documents de campagne variés… Emmanuel Macron n’était pas encore élu que déjà le secret était une obsession.

    « Hypercloisonné », « superparano », « énigmatique »… Voilà comment ses très proches collaborateurs décrivent aujourd’hui le président de la République. C’est le lot des chefs d’Etat. Mais la méfiance et la précaution sont des réflexes qu’Emmanuel Macron a appris très tôt. Une partie de son adolescence et de sa vingtaine s’est en effet déroulée dans une forme de clandestinité. « Quinze ans (…) à être largement incompris », a-t-il confié à la journaliste du Figaro Anne Fulda, dans Emmanuel Macron, un jeune homme si parfait (Plon, 2017), le livre qu’elle lui a consacré. Parce que Brigitte Trogneux était de vingt-quatre ans son aînée, il a passé des années à cacher aux autres leur histoire d’amour. « Emmanuel a besoin de tout le monde et de personne, a résumé un jour Brigitte Macron devant la biographe de son époux. On ne rentre jamais dans son périmètre. » D’Amiens, le président a gardé une certaine habitude de la solitude et du cloisonnement.

    Emmanuel Macron fonctionne en silos. Avec les « boucles » de messagerie téléphonique, lui seul sait à qui il parle, la nuit, puisque cet insomniaque travaille souvent jusqu’à 2 heures du matin, témoigne son compte Telegram. « Il faut cogiter », « Tu vois comment les choses ? », écrit-il sur WhatsApp à ses petites communautés d’anciens ministres, amis, élus, préfets, maires rencontrés en déplacement, ou, en pleine pandémie de Covid-19, de médecins, dans des messages dont Le Monde a eu connaissance. Mais aussi des « Tu me manques », « Je suis fier de toi », « Tu m’as fait de la peine », « La famille, c’est vous », ou, avant les ruptures politiques, « Nos routes se séparent ». Lui d’ordinaire si impénétrable se montre parfois imprudent dans ses messages écrits (sollicité à plusieurs reprises au cours des dernières semaines par l’intermédiaire des services de l’Elysée mais aussi par courrier personnel, Emmanuel Macron n’a pas donné suite).

    L’espionnage a toujours existé, mais les moyens ont changé. L’époque est aux #cyberoffensives. Dès 2017, les boîtes e-mails des équipes d’En marche ! font l’objet d’opérations de piratage par des hackeurs russes, et 20 000 courriels sont rendus publics juste avant le second tour de la présidentielle – les « MacronLeaks ». Pour déstabiliser le finaliste, d’authentiques e-mails ont été mélangés à des documents falsifiés. Mais il y a autre chose : la singularité du couple formé avec Brigitte, rencontrée quand il avait 14 ans, et cette « vie qui ne correspond en rien à celle qu’ont les autres », comme l’a résumé un jour Emmanuel Macron lui-même, ont suscité de sordides attaques contre lui et son épouse, notamment de la part de l’agence pro-Kremlin Spoutnik et du tabloïd russe Komsomolskaïa Pravda.

    Un autre épisode, antérieur, a marqué le président français. En janvier 2014, il était aux premières loges lorsque François Hollande a été photographié en scooter rue du Cirque, dans le 8e arrondissement de Paris, s’apprêtant à rejoindre clandestinement l’actrice Julie Gayet. Alors secrétaire général adjoint de l’Elysée, Emmanuel Macron avait suivi cette déflagration de l’intérieur. La leçon qu’il en a retenue, c’est que François Hollande n’était pas assez prudent, ou pas assez protégé. « Je ne ferai jamais comme lui », en a-t-il conclu. Un an après cette « paparazzade », il théorisait ainsi sa pratique du pouvoir devant Le Monde : « Quand on est aux manettes, il faut une distance, des moments de secret. » Depuis, il comprend chaque jour davantage cette réalité de l’économie des médias qui s’est imposée : aujourd’hui passés aux mains des Vincent Bolloré et autres grands patrons, les magazines people sont devenus de redoutables armes politiques.

    Avare de confidences
    « Maintenant nous sommes seuls. C’est l’Elysée qui veut cela : nous ne pouvons avoir confiance en personne. C’est une solitude à deux, mais une solitude totale », a confié Brigitte Macron aux journalistes Jean-Michel Décugis, Pauline Guéna et Marc Leplongeon dans leur livre Mimi (Grasset, 2018), consacré à #Michèle_Marchand, la « #première_dame des #paparazzis ».

    Rarement la vie au palais a été aussi verrouillée que sous Emmanuel Macron, à l’abri des regards. « Vous passerez par-derrière, côté grille du Coq, direct », recommande Valérie Brilland-Lelonge, la secrétaire particulière du président de la République (« SPPR », son nom de code dans le répertoire téléphonique des initiés), de sa voix douce aux « visiteurs du soir » conviés à l’Elysée hors des circuits protocolaires. Parfois, après 22 heures, c’est le chef de l’Etat en personne qui appelle : « Passe. »

    Avec le souvenir de l’« épisode Hollande », le président de la République évite de se rendre chez des particuliers. Lorsqu’il sort à Paris, il choisit des restaurants du 6e, du 7e ou du 15e arrondissement, où il a ses habitudes, en fond de salle et dos au mur, avec ses gardes du corps à proximité. Dans son téléphone, les noms de ses contacts sont souvent notés par leurs initiales. Et, même en comité restreint, il reste avare de confidences. Du chiraquien #Pierre_Charon, 73 ans, qui lui raconte à sa façon la Ve République, Emmanuel Macron a retenu ce mot prononcé par un autre président, Georges Pompidou (1911-1974) : « Si vous ne voulez pas que cela se sache, n’en parlez pas. » Pour le coup de la dissolution de l’Assemblée nationale, il a fait sien ce conseil.

    Lire aussi le portrait | Pierre Charon, « baron noir » de la Macronie

    Mais le maître ès secrets, c’était François #Mitterrand (1916-1996). « Le vrai taulier », a confié le même Pierre Charon à Emmanuel Macron. En 1983, deux ans après son arrivée à l’Elysée, le président socialiste avait créé le groupe de sécurité de la présidence de la République (#GSPR) et privilégié les gendarmes – des militaires, des taiseux – aux policiers, jugés trop bavards. Macron, lui, s’est attaqué à la refonte de la protection présidentielle, six mois à peine après l’élection de 2017. Il ne veut plus que le détail de ses allées et venues, sous la protection du GSPR, atterrisse sur le bureau du ministre de l’intérieur.

    Avant l’« affaire » du 1er mai 2018, où il avait tabassé un manifestant sous un uniforme de policier, Alexandre #Benalla devait piloter cette réforme. Il a été écarté de l’Elysée – et condamné par la justice – mais a toujours la confiance du chef de l’Etat, laissant dans la place des hommes à lui. Au sein de la garde d’élite, cinq de « ses » policiers entourent toujours le #président – nom de code « F1 », pour « formule 1 ». Ces fonctionnaires de police permettent au couple présidentiel de s’offrir quelques marches dans Paris et des échappées, au théâtre notamment. Comme cette représentation du Cercle des poètes disparus, en mai 2024, sur l’une des scènes parisiennes de leur ami le producteur Jean-Marc Dumontet, avant de dîner au foyer avec les comédiens.

    Lire aussi l’enquête (2023) | Jean-Marc Dumontet, producteur influent du théâtre privé, connaît ses premiers déboires

    Mais protéger son image, c’est une autre affaire. A l’Elysée, le directeur de cabinet, #Patrice_Faure, en est chargé, en plus de ses autres dossiers. Cet ancien de la direction générale de la sécurité extérieure réunit régulièrement le commandement militaire de l’Elysée et la direction de la sécurité de la présidence de la République pour surveiller les rumeurs et menaces touchant Emmanuel Macron et sa famille. Ni énarque ni profil grandes écoles, mais de longues années dans les #forces_spéciales : Patrice Faure, lui aussi proche d’Alexandre Benalla et passé par la #Nouvelle-Calédonie et la #Guyane, a l’habitude des situations difficiles. C’est sur son bureau que remontent les alertes des #préfets et des services de #gendarmerie.

    « Gérer le #risque_réputationnel »
    Tous les chefs d’Etat ont été la proie de campagnes calomnieuses. Pendant l’affaire Stevan Markovic, cet employé d’Alain Delon (1935-2024) dont l’assassinat avait défrayé la chronique à la fin des années 1960, l’épouse de Georges Pompidou, Claude Pompidou (1912-2007), avait été victime d’un montage photographique visant à faire croire à sa participation à des soirées échangistes. Mais jamais un président et son épouse n’ont suscité autant d’attaques qu’Emmanuel et Brigitte Macron. C’est le problème des êtres secrets : ils suscitent tous les fantasmes. Patrice Faure appelle cela « gérer le risque réputationnel ». Et c’est contre cela qu’il doit bâtir un rempart.

    Depuis 2021, une intox insensée circule dans les sphères complotistes et les réseaux d’extrême droite, qui affirme que « Brigitte Macron est un homme ». La première dame est rebaptisée #Jean-Michel_Trogneux, le nom de son frère, comme si l’un et l’autre ne faisaient qu’un ! Si extravagante soit-elle, l’affaire est suivie de près par l’Elysée : Emmanuel Macron sait que son épouse en souffre. Il sait aussi que l’infox est relayée par les télévisions nationales turque, russe et jusqu’aux Etats-Unis par une figure de la droite alternative trumpiste et négationniste, Candace Owens, que Marion Maréchal et Eric Zemmour avaient invitée à un meeting, en 2019. Bref, à nouveau, des réseaux étrangers s’en mêlent. Dans le jargon de la sécurité élyséenne, on parle de « menaces projetées ».

    Cette fausse information est l’œuvre de « #fadas », soupire Emmanuel Macron au micro de TF1, en mars 2024, de « gens qui finissent par y croire et vous bousculent dans votre intimité ». A rebours de ses prédécesseurs, qui n’avaient recours qu’avec parcimonie à la justice, le chef de l’Etat engage une demi-douzaine de plaintes devant les tribunaux – contre un #afficheur qui l’avait dépeint en nazi et en maréchal #Pétain, contre un photographe de Saint-Tropez (Var) qui planquait devant son lieu de vacances à #Marseille (classée sans suite), contre X pour « faux, usage de faux et propagation de fausse nouvelle destinée à influencer le scrutin » présidentiel, après que Marine Le Pen a insinué à tort qu’il possédait « un compte offshore aux Bahamas »… « Ne rien laisser passer », dit-il, pour mettre fin aux attaques. Le 12 septembre, les deux femmes à l’origine de l’infox ciblant Brigitte Macron – qui se disent l’une « médium », l’autre « journaliste indépendante autodidacte » – ont été condamnées pour diffamation.

    Le cas « #Zoé_Sagan » s’est également invité aux réunions présidées par Patrice Faure, chargé de coordonner les actions en justice. Ce pseudonyme cache un #publicitaire d’Arles (Bouches-du-Rhône), #Aurélien_Poirson-Atlan, qui sous prétexte de raconter la comédie du pouvoir, diffuse fausses informations et accusations crapoteuses contre les élites. Il semble obsédé par le couple présidentiel. Le 27 août 2024, Brigitte Macron dépose plainte pour cyberharcèlement ; le 10 décembre, quatre hommes sont interpellés, dont le fameux « Zoé Sagan », placé trente-six heures en #garde_à_vue. En cause, « de nombreux propos malveillants portant sur le genre, la sexualité de Brigitte Macron ainsi que la différence d’âge avec son conjoint selon un angle l’assimilant à la pédophilie », résume le parquet de Paris.

    Eléments de langage
    Le plus sensible, en matière de « risque réputationnel », ce sont les photos. Dès le printemps 2016, Brigitte Macron a remarqué autour d’eux des paparazzis, y compris au Touquet (Pas-de-Calais), là où la #famille_Trogneux a l’habitude de se retrouver pour le week-end. Emmanuel Macron sait qu’une simple légende peut faire dire n’importe quoi à une image. Il devine qu’il lui faut un coup de main pour protéger sa vie personnelle.

    Le patron de Free, #Xavier_Niel (actionnaire à titre personnel du Monde), recommande aux #époux_Macron une professionnelle de la presse people, la fameuse Michèle Marchand. C’est ainsi que la sulfureuse « #Mimi » entre dans l’intimité du futur couple présidentiel. A 77 ans, elle a du métier et un sacré CV : elle a connu la prison, comme deux de ses ex-maris, et a longtemps frayé dans les arrière-salles de boîtes de nuit pour glaner des infos. Elle est à la fois la meilleure connaissance du milieu des paparazzis, dont elle négocie les photos, et la conseillère en image de personnalités dont elle détient les secrets.

    Beaucoup la craignent, car ils la savent capable, d’un simple coup de fil, de vendre la vie privée d’une célébrité. Elle sait vérifier que rien ne traîne, mais aussi… faire commerce des photos. C’est au moyen de clichés volés que la justice la soupçonne d’avoir voulu soutirer de l’argent à l’animatrice de télévision Karine Le Marchand – en avril 2024, elle a été renvoyée en correctionnelle pour extorsion de fonds. En 2021, elle avait été mise en examen dans l’un des volets de l’affaire du financement libyen de la campagne de Nicolas Sarkozy. C’est elle qui est suspectée d’avoir joué les intermédiaires et organisé la fausse rétractation de l’homme d’affaires Ziad Takieddine pour aider l’ancien président.

    Une des spécialités de « Mimi » Marchand est d’orchestrer des « paparazzades » factices qui donnent un air de naturel à des clichés en réalité très maîtrisés. Après sa rencontre avec les époux Macron, au printemps 2016, les unes glamour se succèdent pour eux et les frayeurs du président sur d’éventuelles photos volées semblent oubliées. La victoire d’Emmanuel Macron, espère Michèle Marchand, doit être aussi un peu la sienne : en mai 2017, c’est bien elle, sur cette image prise avec son téléphone portable, levant les deux bras en V de la victoire, derrière le bureau présidentiel, comme si elle était chez elle.

    Après avoir connu quelques années de disgrâce liée à l’affaire Benalla (elle avait hébergé le garde du corps puis l’avait exfiltré dans l’un de ses « sous-marins », ces véhicules qui servent aux photographes à planquer), elle est revenue en cour cet été. Le 14 septembre, place de l’Etoile, pour la cérémonie en l’honneur des médaillés olympiques et paralympiques, qui attend pour les accueillir le président et son épouse, debout devant les barrières ? « Mimi ».

    Depuis que Xavier Niel, également propriétaire du Groupe #Nice-Matin, a racheté sa société de paparazzis #Bestimage, en juin, ses photographes ont leurs entrées partout à l’Elysée. Une position en or pour s’offrir l’exclusivité des images d’invités de marque aux dîners d’Etat ; des photos vendues ensuite très cher. Dans le même temps, la reine des #paparazzis veille sur les clichés du couple présidentiel. Elle possède de nombreuses photos des Macron dans l’intimité, whisky du soir à l’#Elysée et dîners privés.

    Autour d’Emmanuel Macron, des conseillers en poste ou d’#anciens_collaborateurs ayant officié à l’Elysée, mais toujours au service du président, cherchent à discréditer les médias ou les journalistes enquêtant sur le chef de l’Etat. Ils organisent des ripostes concertées sur les réseaux sociaux. Mais ces tenants du « nouveau monde » appellent aussi directement les patrons de presse comme autrefois. Ils distribuent des éléments de langage aux médias qui, sous les sept années d’Emmanuel Macron au pouvoir, se sont polarisés de manière spectaculaire : ils jouent des uns contre les autres, suivant les occasions, s’efforçant d’imposer un discours officiel. « Si ce n’est pas dans le communiqué, a lancé en octobre Emmanuel Macron lors d’une #conférence_de_presse, ça n’existe pas. »

    Marseille, sa « ville de cœur »
    Comme pour trouver une autre manière d’écrire la geste présidentielle, le chef de l’Etat a autorisé, depuis 2021, une équipe de #Mediawan, la société de production dirigée par l’un de ses amis, #Pierre-Antoine_Capton, à le filmer. Pas encore de diffuseur, mais des cameramen qui se relayent pour suivre les voyages officiels, les entraînements de boxe du président, les journées harassantes passées à diriger un pays dans le tourbillon mondial. Et la violence du pouvoir. L’équipe de tournage a ainsi vécu la surprise de la dissolution en avant-première. Le 9 juin, Emmanuel Macron lui avait ouvert la porte de la salle du conseil et les caméras ont saisi le moment historique de son annonce à son premier ministre, Gabriel Attal, à la présidente (Renaissance) de l’Assemblée nationale, Yaël Braun-Pivet, et à ses fidèles, effondrés. Le film existera-t-il un jour ?

    Parfois, tout haut, Brigitte Macron s’interroge sur l’avenir : « Il faut que je sois utile, que je trouve un travail pour aider les gens. » Son mari, lui, n’en parle guère. « Je ferai quelques conférences, comme Obama », a-t-il glissé devant son épouse et des témoins, comme pour éloigner l’inquiétude du lendemain.

    D’autres, autour de lui, l’imaginent rejoindre un jour le groupe #LVMH de Bernard Arnault – après tout, ce dernier rêvait déjà de s’offrir les services de l’ex-premier ministre britannique Tony Blair. Présider une organisation internationale, une fondation ou même la #FIFA, la puissante instance dirigeante du football mondial. Prendre le temps d’écrire des romans et des poèmes, comme il le rêvait à 16 ans. Ou tenter de se faire réélire en 2032…

    Emmanuel Macron n’a pas l’habitude de prévoir de point de chute. En août 2016, au lendemain de sa démission du ministère de l’économie, il avait logé un temps avec son épouse dans un Airbnb. Restera-t-il en France, à Paris, au #Touquet, ou à Marseille, sa « ville de cœur », où il s’est rendu dix-sept fois depuis sa réélection ? Ses premières vacances d’été de président, c’est au-dessus de la corniche Kennedy qu’il avait choisi de les passer avec sa femme, dans la villa du préfet des Bouches-du-Rhône. Etrange, ce coup de foudre avec cette ville. Au maire socialiste, Benoît Payan, Emmanuel Macron a tenté de faire croire que l’idylle datait de 1993 et « de la tête de Basile Boli et du sacre de l’#OM en finale de la Ligue des champions ». Le patron de la région Provence-Alpes-Côte d’Azur, #Renaud_Muselier, pourtant désormais macroniste de choc, croit pour sa part, mais sans avoir vraiment la clé, à un « truc de bourgeois qui viennent s’encanailler chez [eux] ». A Marseille, plusieurs élus le savent : le président se cherche discrètement une future résidence, pour « après ». Les pieds dans l’eau, face à la #Méditerranée.

    Retrouvez tous les épisodes de la série « Le président et son double »
    Emmanuel Macron, une certaine idée du pouvoir (1/4)
    Emmanuel Macron, le double état permanent (2/4)
    Emmanuel Macron, la diplomatie à lui seul (3/4)
    Emmanuel Macron, l’art du secret (4/4)

  • Fernmeldeamt
    https://de.wikipedia.org/wiki/Fernmeldeamt

    Fernmeldeamt (FA) war der Name der Ortsbehörden des Fernmeldewesens der Reichspost und später auch der:

    Deutschen Bundespost (siehe Fernmeldeamt (Deutsche Bundespost)) und der
    https://de.wikipedia.org/wiki/Fernmeldeamt_(Deutsche_Bundespost)

    Deutschen Post in der DDR (siehe Fernmeldeamt (Deutsche Post der DDR)).
    https://de.wikipedia.org/wiki/Fernmeldeamt_(Deutsche_Post_der_DDR)

    Die Bezeichnung Fernmeldeamt geht auf Heinrich von Stephan zurück, der lateinische und griechische Begriffe bewusst aus der Behördensprache verdrängen wollte.

    https://de.wikipedia.org/wiki/Fernmeldeamt_(Deutsche_Bundespost)

    ...
    Fernmeldeamt 1 Berlin (Fernamt)
    Fernmeldeamt 2 Berlin
    Fernmeldeamt 3 Berlin
    Fernmeldeamt 4 Berlin
    Fernmeldeamt 5 Berlin
    Fernmeldeamt 6 Berlin (ab 1990 in Berlin [Ost])
    ...

    Es gab 108 Fernmeldeämter (FA) der Deutschen Bundespost. Sie waren für die Bereitstellung von Telekommunikations-Dienstleistungen im jeweiligen Amtsbereich zuständig (Fernsprech-, Telegrafen- und Funkdienst, Fernmeldebau und Verwaltungsaufgaben, teilweise wurden auch der Telegrammdienst und die Annahme von Fernmeldegebühren von den Postämtern wahrgenommen). Im Allgemeinen waren alle erforderlichen Dienststellen in einem Fernmeldeamt vorhanden. Nur in den Großstädten teilten sich mehrere Fernmeldeämter die Arbeit. Die Technik der Datenübertragung war in Frankfurt und in Hamburg besonderen Fernmeldeämtern (früher Telegrafenamt genannt) zugeordnet.

    Geschichte

    Bei der Vereinigung des Post- und Telegraphenwesens 1875 blieben in größeren Städten selbständige Telegraphenämter erhalten. Die Mehrzahl der Telegraphenstationen waren in den örtlichen Postanstalten eingebunden. Mit der Einführung des Fernsprechers 1877 und der ersten Vermittlungsstellen 1881 waren diese noch bei den Telegraphenämtern eingegliedert, durch den rasanten Erfolg des neuen Kommunikationsmittels entstanden in großen Städten bald eigene Fernsprechämter. Die Reichspost richtete ab 1920 nach dem Vorbild Württembergs Telegraphenbauämter ein. Nach 1945 testete die Oberpostdirektion die Ausgliederung der Fernmeldedienste auf dem Lande aus den Postanstalten mittels Fernmeldebetriebsämter. Bei der Neuordnung der Ämter des Fernmeldewesens wurden alle Betriebsaufgaben zusammengefasst und alle Ämter erhielten 1952 die Bezeichnung Fernmeldeamt. Mit der Umwandlung der Deutschen Bundespost Telekom in Deutsche Telekom AG am 1. Januar 1995 erfolgte die Umbenennung der mittlerweile 121 bestehenden Fernmeldeämter in Niederlassungen (NL). In Städten mit mehreren Niederlassungen wurden diese wie vorher durch arabische Ziffern voneinander unterschieden.

    Aufgaben

    Ein Fernmeldeamt gliederte sich in sechs Aufgabenbereiche:

    Aufgabenbereich 1 – Verwaltung
    Aufgabenbereich 2 – Haushalt
    Aufgabenbereich 3 – Teilnehmerdienste
    Aufgabenbereich 4 – Fernsprechdienst (Hand) und Telegrammdienst
    Aufgabenbereich 5 – Vermittlungs- und Übertragungstechnik
    Aufgabenbereich 6 – Linientechnik

    Bei Bedarf wurden die Aufgabenbereiche 5 und 6 wegen des großen Umfangs unterteilt:

    Aufgabenbereich 5 A – Planung und Bauführung für Vermittlungs- und Übertragungstechnik
    Aufgabenbereich 5 B – Technischer Fernsprechbetrieb
    Aufgabenbereich 5 C – Technischer Telegrafenbetrieb
    Aufgabenbereich 5 D – Übertragungsbetrieb
    Aufgabenbereich 6 A – Planung und Bauführung für Linientechnik
    Aufgabenbereich 6 B – Fernmeldebau und Unterhaltung von Linien

    Aufbau

    Die Amtsleitung eines Fernmeldeamtes setzte sich aus dem Amtsvorsteher (AV) und den Abteilungsleitern (AbtL) zusammen. Der AV war für die ordnungsgemäße Ausführung aller dem Amt zugewiesene Aufgaben zuständig. Die AbtL leiteten selbständig den Dienst der ihnen unterstellten Abteilungen nach den gültigen Bestimmungen bzw. Richtlinien.

    Der Personalrat vertrat die Interessen des Personals auf der Ebene der Amtsleitung.

    Die verwaltungstechnischen Gliederungen eines Fernmeldeamtes waren

    Abteilungen (Abt)

    Aufgabe: Die Zusammenfassung eines oder mehrerer Aufgabenbereiche.
    Leitung: Abteilungsleiter (AbtL)

    Dienststellen (Dst)

    Aufgabe: Zuständig für Fachaufgaben innerhalb einer Abteilung.
    Leitung: Stellenvorsteher (StV)

    Kräftegruppe (KrGr)

    Aufgabe: Bezeichnung für Dienstkräfte mit der gleichen Einzelaufgabe innerhalb einer Dienststelle.
    Leitung: Oberaufsicht, Aufsicht

    Fernmeldebezirk (FBz)

    Aufgabe: Zusammengefasste Dienststelle für den Anmeldedienst, die Fernsprechentstörung, die Unterhaltung von Fernsprechvermittlungsstellen in weiter entfernten Bereichen des Amtsbezirkes. Abhängig vom FA.
    Leitung: Fernmeldebezirksleiter (FBzL)

    Fernmeldebaubezirke, Technische Baubezirke (FBBz, TBz)

    Aufgabe: Besondere Dienststellen, die nicht unbedingt ihren Sitz am Standort des FA hatten. Sie waren für fernmeldetechnische Arbeiten (FBBz) bzw. fernmeldetechnische Sonderaufgaben (TBz) zuständig. Dies umfasst z. B. Unterhaltung der Ortsnetze, Schaltungen in den Ortsnetzen, Bauvorhaben etc.
    Leitung: Bezirksbauführer (BzBf)

    FA 1 - WInterfeldstraße 28–30
    https://de.wikipedia.org/wiki/Fernamt_Berlin

    Das ehemalige Fernamt Berlin, postintern: Fernsprechamt W 57, in der Winterfeldtstraße 19/21/23 im Berliner Ortsteil Schöneberg ist ein gelistetes Baudenkmal. Der 1929 fertiggestellte Gebäudekomplex war von der Deutschen Reichspost als zentrale Handvermittlung für die Telefon-Fernverbindungen errichtet worden.

    Das Fernamt wurde Mitte 1958 zum Fernmeldeamt 1 Berlin und beherbergt heute u. a. die Telekom Innovation Arena mit Start-up-Unternehmen, die von der Deutschen Telekom gefördert werden.

    FA 2 - Europahaus
    https://de.wikipedia.org/wiki/Europahaus_(Berlin)

    Das Europahaus ist ein Bürogebäude im Berliner Ortsteil Kreuzberg, Stresemannstraße 92–94. Zusammen mit dem Nachbargebäude Deutschlandhaus wurde es von 1926 bis 1931 errichtet.
    ...
    Nach veränderter Wiederherstellung von 1959 bis 1966 bis nach der deutschen Wiedervereinigung war das Europahaus Standort des Fernmeldeamtes 2 Berlin (später: Fernmeldeamt 3 Berlin) der Deutschen Bundespost.

    Das Gebäude, das sich in unmittelbarer Nähe des ehemaligen Anhalter Bahnhofs befindet, beherbergt unter anderem in vier Etagen die Hauptverwaltung des Bundesministeriums für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung,[4] eine Kontaktstelle des Robert Koch-Instituts sowie die Wasser- und Schifffahrtsdirektion Ost und die Geschäftsstelle des Bündnisses für Demokratie und Toleranz.

    FA 3 - Tucholskystraße
    https://de.wikipedia.org/wiki/Fernsprechamt_Berlin_Nord
    Eigentlich gab es nie ein Fermeldeamt 3, aber es wird hier aufgrund ähnlicher Bezeichnungen so geführt.

    In der zweiten Etage befinden sich die Büros und die Dienstwohnung des Vorstehers, während im dritten Geschoss das Hauptfernsprechamt und das Stadtfernsprechamt 3, im Dachgeschoß die Fernsprechvermittlungs-Anstalt III untergebracht wurde. ... Ein zehnseitiger Kuppelunterbau mit eisernem Fernsprech-Abspanngerüst zur Aufnahme von 800 Fernsprech-Isolatoren ist dabei errichtet worden. Nach dem Ersten Weltkrieg stieg der Bedarf an Telefonverbindungen für die schnell wachsende Hauptstadt des Deutschen Reiches drastisch an. So entstand in einer Rekordbauzeit von 1926 bis 1927 auf dem Gelände des ehemaligen Paketpostamt das für Berlin dringend benötigte Fernsprechamt Nord.
    ...
    Mit Ende des Krieges erfolgte die Wiederaufnahme des Betriebes durch Weisungen der Alliierten, hier die sowjetische Militäradministration. Ab April 1949 wurden sämtliche Verbindungen vom Fernamt der Westsektoren, also der Winterfeldtstraße, in die Sowjetische Besatzungszone (SBZ) unterbrochen. Gespräche von West-Berlin in die SBZ konnten nur noch über Ämter in Westdeutschland hergestellt werden. Ab Mai 1952 unterbrach die DDR-Post alle Fernsprechleitungen zwischen den Westsektoren und Ost-Berlin, sodass keine direkten Anrufe mehr vom West- in den Ostteil der Stadt möglich waren.

    FA 4 - Ringbanstraße, Tempelhof
    https://de.wikipedia.org/wiki/Dienstgeb%C3%A4ude_des_Reichspostzentralamts

    Reichspostzentralamt (Fernmeldeamt 4 Tempelhof)
    Das Gebäude steht in der Ringbahnstraße 130 südlich der Stadtautobahn A 100 zwischen Schöneberger Straße und Manteuffelstraße. Bis Ende August 2018 waren verschiedene Abteilungen der Deutschen Telekom AG in dem Gebäude untergebracht, danach wurde es beräumt und für die Unterbringung des Anti-Terror-Zentrums der Berliner Polizei umgebaut. ...

    Tempelhof Reichspostzentralamt Ringbahnstraße
    https://www.fotowiesel.de/berlin/2023-tempelhof-parks/DSC00619
    Tempelhof Reichspostzentralamt Ringbahnstraße
    https://www.fotowiesel.de/berlin/2023-tempelhof-parks/DSC00624
    Tempelhof Garde-Train-Bataillon Ringbahnstraße
    https://www.fotowiesel.de/berlin/2023-tempelhof-parks/DSC00627
    Tempelhof Lorenzweg Lorenz AG
    https://www.fotowiesel.de/berlin/2019-teltowkanal/PICT9032

    Lorenzweg mit dem Fabrikgebäude von 1918 der C. Lorenz AG von 1880.... Seit 1991 Gewerbehof.
    In einer Karte von 1994 als Fernmeldeamt 4 B.D. beschriftet.

    1990 - Umsetzer und Baken, WAS FUNKT WO UND WIE IN BERLIN AUF V H F – U H F – S H F
    https://www.dl0bn.de/chronik/Umsetzer.pdf

    Relaisfunkstelle DBØKK
    Die Relaisfunkstelle DBØKK ist Berlins jüngstes Relais. Es steht in Tempelhof im Fernmeldeamt 4 in der Ringbahnstraße. Dieses Relais arbeitet als AM-ATV-Umsetzer. AM wurde gewählt, weil durch die Nähe zum Flughafen reichlich Radarstörungen eingefangen werden. Diese machen sich in FM, wie es jetzt bei ATV der Trend ist, jedoch sehr störend bemerkbar. Steht auf der Eingabe eine bestimmte Zeit ein sauberes ATV-Signal, schaltet DBØKK den Relaisbetrieb ein und überträgt das Bild- und Tonsignal auf die Ausgabe (Ton natürlich in FM). Eine andere Betriebsvariante ist der Bakenbetrieb des Relaissenders. Auf dem 2-m-ATV-Komandokanal kann man durch Rufton das Testbild des Relais abfordern. So besteht die Möglichkeit, den eigenen Empfänger zu optimieren, denn bei 23 cm fängt die kritische Technik so langsam an. Der Standort des Relais ist zwar gut, doch könnten die Antennen bei dieser Frequenz etwas höher stehen oder besser sein, denn die kleinen Hügel, wie Insulaner und Marienhöhe, verursachen reichliche Abschattungen.

    B-RS 25/87 (26.06.1987)
    ATV-RELAIS
    Am 04.06. wurde von der LPD Berlin die Genehmigung für das Berliner ATV-Relais erteilt. Das Rufzeichen ist DBØKK, Standort ist die Tempelhofer Ringbahnstraße, JO62QL. Die Eingabe im 24-cm-Band ist 1.252,500 MHz in FM, die Ausgabe auf 1.285,000 MHz Bild und 1.290,500 MHz Ton in AM. Das Relais wurde von der Berliner ATV-Aktivgruppe errichtet. Verwendet und ausgebaut wird die vorhandene und leider nicht genehmigte ATV-Bake. Man hofft, noch in diesem Jahr den Versuchsbetrieb aufnehmen zu können.

    B-RS 34/89 (20.10.1989)
    ATV-RELAIS
    Seit Kurzem hat Berlin ein weiteres Relais. Es ist das 23-cm-ATV-Relais DBØKK. Der Standort ist in der Tempelhofer Ringbahnstraße. Die Eingabe ist 1.252,5 MHz in AM und die Ausgabe liegt bei 1.285,5 MHz ebenfalls in AM. Nähere Einzelheiten werden auf dem nächsten ATV-Treffen am Mitt-
    woch, dem 15.11., um 19:30 Uhr, im Jugendfreizeitheim Hessenring 47 in Berlin 42 bekannt gegeben.
    73 von Horst, DL7AKE, ATV-Referent

    B-RS 25/90 (29.06.1990)
    ATV-RELAIS
    Das ATV-Relais DBØKK ist für einige Wochen abgeschaltet. Die Anlage wird überarbeitet und nach den Sommer-Ferien wieder in Betrieb genommen. Einen schönen Urlaub wünscht Horst, DL7AKE, ATV-Referent

    B-RS 4/96 (25.01.1996)
    BERLINER ATV-RELAIS DBØKK
    Das erste Berliner ATV-Relais, DBØKK, das im
    Oktober 89, in Tempelhof in Betrieb ging, hat mit sei-
    nem Standortwechsel im März 93, folgende techni-
    schen Einzelheiten:
    Standort: Berlin-Lichtenberg, Weissenseer Weg 1,
    Locator JO62RM, ca. 80 m über Grund und 130 m
    über NN auf einem Hochhaus.
    Eingabe: 2.336,0 MHz Bild FM, Subträger Ton 6,5
    MHz; 434,25 MHz, Bild, auf 2 MHz reduzierte Band-
    breite, ohne Farbe und Ton. Die ursprünglich erste
    Eingabe, 1.252,5 MHz, wurde im Januar 96 aufge-
    geben.
    Ausgabe: 1.285,250 MHz Bild AM, 1.290,750 MHz
    Ton FM.
    Sendeleistung: Bildträger, Farbtestbild moduliert: 12
    W, Tonträger -11 dB abgesenkt.
    Sendeantenne: Hohlleiterschlitzstraher, rund, hori-
    zontal, +6 dB/D
    2. Ausgabe: 10,200 GHz, 5 W, Subträger Ton 1: 6,5
    MHz, Ton 2: 7,2 MHz; Hohlleitetschlitzantenne, rund, horizontal.
    Empfangsantenne: 13 cm: Hohlleiterschlitzantenne,
    rund, horizontal, besser +6 dB/D;
    70 cm: 5 El. Yagi, 6 dB, horizontal, West; 2 m: Win-
    keldipol, horizontal, Ost/West.
    Auftastung: Nur über Bildsignal, 5 Sekunden nach
    Auswertung der Synchronimpulse. Haltezeit nach
    Eingabe Ende, 10 Sekunden.
    Kennung: Am Anfang, am Ende und alle 10 Minuten
    während einer Sendung. Farbtestbild mit Lauftitel
    und F2-Tontastung für 10 Sekunden.
    Betriebsbereit: ganzjährig 24 Stunden.
    Optionen: Mit einem 2 Sekunden langen Ton von
    1.750 Hz auf der ATV-Anruffrequenz 144,750 MHz
    kann für 10 Minuten ein Farbtestbild aufgetastet
    werden. Diese Option ist sekundär. Wird während
    einer Testbildsendung eine der Eingaben aktiviert,
    hat diese sofort Vorrang. Die Bildeingaben sind
    gleichberechtigt.
    Verantwortlich: Horst Schurig, DL7AKE, 10779 Ber-
    lin-Schöneberg,......
    An dieser Stelle möchte Horst, DL7AKE, bei den
    Relaisbenutzern um Verständnis werben und sich
    gleichzeitig bei allen Verantwortlichen der 70-cm-
    Relaisfunkstellen im Bereich von 434-440 MHz, für
    die Abschaltung während der Wettbewerbe, im Namen aller ATVer recht herzlich bedanken. Leider
    wurde nicht immer und von allen abgeschaltet. In
    der Hoffnung, daß die Zusammenarbeit 96 wieder
    klappt.
    73 von Horst, DL7AKE, ATV Referent

    BERLIN-RUNDSPRUCH NR. 36/88 VOM 21.10.1988
    https://www.dl0bn.de/archiv/1988/d3688.htm

    VFDB BEZIRKSVERBAND Z20
    Am Dienstag, dem 25.10., um 17:00 Uhr, treffen sich die Mitglieder des VFDB. Treffpunkt ist das Fernmeldeamt 4, Raum F 25, Ringbahnstr. 130 in Berlin 42.
    73 von Gerhard, DL7ACG

    FA 5 - Berliner Straße 66, 13507 Berlin
    https://collectprime.com/item/fernmeldeamt-5-berlin-a-serie-folders-covers-user-guides-germany-feder

    Nordberliner Lauffreunde / Lauftreff Bernd Hübner - marathon-knackpunkts Webseite!
    https://marathon-knackpunkt.jimdofree.com/unsere-gruppe

    Den Berlin-Marathon gibt es seit 1974 - und seit mindestens 1982 auch unsere Helfer- und Helferinnen-Gruppe! So lange nämlich (bis 2013) hat mein Vorgänger im Amt als Teamleiter, Manfred Templin, diese Gruppe geleitet und organisiert. Sie bestand ursprünglich aus Mitgliedern des SCC-Lauftreffs sowie aus Kolleginnen und Kollegen vom ehemaligen Fernmeldeamt 5 , jeweils unterstützt durch fleißige Familienangehörige.

    FA 6 - Buchberger Straße oder Tucholskystraße?

    Bauakustik - KSZ Akustik Ingenieurbüro
    http://www.ksz-akustik.de/bauakustik

    Referenzen:
    ...
    Telecom, Fernmeldeamt 6 Berlin, Buchberger Straße...

    Brandenburg HELLERSDORF - Wo kann man Telefone mieten
    https://www.nd-aktuell.de/artikel/325216.wo-kann-man-telefone-mieten.html

    20.09.1991 (ND). Im Zusammenhang mit der Zunahme der Telefonanschlüsse in Hellersdorf bietet das Fernmeldeamt 6 Berlin seinen alten und neuen Kunden die Gelegenheit, Telefonapparate in unmittelbarer Wohnnähe zu kaufen

    oder zu mieten. Dazu ist in der Wilhelm-Koenen-StraBe ’19 ein Telekom-Laden eingerichtet worden. Montags bis freitags ist dort von 8 bis 16 Uhr geöffnet. Der provisorische Laden wird im November wieder geschlossen. Zusätzlich ist zeitweise das Telefonmobil am Standort Quedlinger Straße (nahe der Kaufhalle) eingesetzt.

    Postgewerkschaft für Stasi-Leute - Allein in Berlin sind 600 Stasi-Leute bei der Post untergekomen/ DPG gibt Rechtsschutz
    https://taz.de/!1734404

    2.2.1991...
    Im Fernmeldeamt 6 in der Berliner Tucholskystraße war per 31. Januar über 100 ehemaligen Stasi-Leuten die Kündigung ausgesprochen worden. „Bei uns brennt die Luft“, meinte der Vorsitzende des Personalrates, Klaus Korcz, angesichts der nun entstehenden Arbeitskräftesituation. Die Entlassenen hätten sich überwiegend engagiert eingearbeitet, und sie wären auch von ihren Kollegen im wesentlichen akzeptiert worden. Schließlich seien sie auch angesichts der vor allem in den letzten Wochen äußerst komplizierten Situation bei der Post zu jeder Überstunde bereit gewesen.

    Es sei auch nicht vorstellbar, so der Personalratschef, welche Schäden ein Heizer oder Pförtner, der früher beim MfS war, für den Postdienst anstellen könnte. Viel größer sei seiner Meinung nach jene Gefahr, die entstehe, wenn diese Leute ins totale Aus gedrängt würden. Der Personalrat habe den Kündigungen im Fernmeldeamt 6 in keinem Falle zugestimmt, sondern sie lediglich zur Kenntnis nehmen müssen.
    ...

    Samir Bouaissa - Fachgebietsleiter IT-Support und Smart City - Amt für Informationstechnik und Digitalisierung der Stadt Wuppertal
    https://de.linkedin.com/in/samir-bouaissa-b53a18180

    Telekom AG
    Feb 1993 - Feb 1993 1 month, Berlin Ost Fernmeldeamt 6

    System- und Messtechniker
    Schwerpunkte:
    Messung von DUWA-Leitungen in Vorbereitung auf die Digitalisierung der Vermittlungsstellen

    Auszubildender zum Kommunikationselektroniker
    Sep 1989 - Feb 1993 3 years 6 months, Wuppertal

    Zur Adresse des potentiellen Standorts Buchberger Straße in Lichtenberg wissen Kaupert und Berlingeschichte mehr.

    Kaupert - Buchberger Straße
    https://berlin.kauperts.de/Strassen/Buchberger-Strasse-10365-Berlin

    Alte Namen: Eckertstraße (um 1900-1933)
    Name seit: 8.4.1933
    1975 wurde der Oberweg (früher Wiesenweg) in die Buchberger Straße einbezogen.

    https://berlingeschichte.de/strassen/bez17h/e23.htm

    Name ab um 1900
    Name bis 8.4.1933
    Namen
    (früher/später) Buchberger Straße (1933)
    Namens-
    erläuterung Eckert, Heinrich Ferdinand, * 7.2.1819 Schwiebus, † 9.12.1875 Berlin, Unternehmer.
    Er kam 1840 nach Berlin und arbeitete als Schlosser. Nach der Meisterprüfung gründete er 1846 in Berlin eine Schlosserwerkstatt und erwarb das Bürgerrecht. Aus ihr gingen die Eckertwerke (Landmaschinenfabrik H. F. Eckert) in der Frankfurter Straße hervor, die in den siebziger Jahren des 19. Jahrhunderts nach Lichtenberg verlegt wurden. Er konzentrierte sich auf die Entwicklung und Herstellung landwirtschaftlicher Maschinen und gehörte zu den Vätern des deutschen Pflugbaus. 1860 wandte er sich dem Wagenbau und dem Bau von Dampfmaschinen zu. Eckert gehörte zu den Pionieren der Berliner Maschinenbauindustrie. Sein Unternehmen beschäftigte bald mehr als 1000 Arbeiter, es produzierte 1903 in Lichtenberg alle Arten von landwirtschaftlichen Geräten und Maschinen. 1871 wandelte er seine Fabrik in eine AG um, deren Generaldirektor er bis 1873 blieb.
    Der Name ergab sich daraus, daß an der Straße eine Fabrik, die Eckertwerke, lag.
    aktueller Name Buchberger Straße

    https://www.openstreetmap.org/way/188033360

    #Berlin
    #Mitte
    #Tucholskystraße
    #Schöneberg
    #Winterfeldstraße
    #Tempelhof
    #Ringbahnstraße
    #Lichtenberg
    #Buchberger_Straße

  • Berliner Promi-Herberge: Regent Hotel am Gendarmenmarkt schließt
    https://www.berliner-zeitung.de/news/berliner-promi-herberge-regent-hotel-am-gendarmenmarkt-schliesst-li


    Naja, genau am Gendarmenmarkt liegt das Regent nicht sonden in der Charlotten zwischen Französischer und Behren. Und so ein dolle Überraschung ist die Schließung auch nicht.

    Bislang hat es noch kein Hotelbetreiber geschafft, mit dem Laden schwarze Zahlen zu schreiben. Das ist nicht anders als bei der abgelegenen Ex-Kneipe neben der Autobahnauffahrt an der Grenze von Wilmersdorf und Friedenau, die immer nur ein pasr Monate auf hatte, bevor der nächste Kneipier das Handtuch warf. Jetzt wird da Parkett gelagert.

    Manche Ecken Berlins sind einfach so. Kann man nur nen großen Bogen drum machen.

    20.12.2024 BLZ - Nur noch bis zum Nachmittag sind die Türen des Regent Hotels am Gendarmenmarkt geöffnet. Dann stellt die Luxusherberge den Betrieb ein.

    Das Regent Hotel am Berliner Gendarmenmarkt schließt heute endgültig seine Türen. Wie das Unternehmen mitteilte, wird der Betrieb am Nachmittag vollständig eingestellt, da der Pachtvertrag für das Gebäude ausläuft.

    Das Hotel mit über 150 Zimmern zählt zu den renommiertesten Luxusadressen der Stadt. In der Vergangenheit war es nicht nur ein beliebter Aufenthaltsort für Prominente und Fußballmannschaften, sondern beherbergte zeitweise auch das Restaurant Fischers Fritz, das mit zwei Michelin-Sternen ausgezeichnet war.

    Zuletzt wurde das Regent von der Intercontinental Hotels Group (IHG) betrieben. Diese Unternehmensgruppe betreibt nach eigenen Angaben mehr als zehn weitere Hotels in Berlin, darunter das InterContinental, Holiday Inn, Crowne Plaza und Hotel Indigo.

    The Regent Berlin – Wikipedia
    https://de.m.wikipedia.org/wiki/The_Regent_Berlin

    Das Gebäude wurde von 1993 bis 1996 mit der Four Seasons Gruppe als Bauherr erstellt; Architekten war das Büro Josef Paul Kleihues. Der Bau gilt als Paradebeispiel für die Architekturauffassung Hans Stimmanns, des ehemaligen Direktors für Bauangelegenheiten des Berliner Senats.

    Das Hotel hat 156 Zimmer mit französischem Balkon, davon 39 Suiten; Die Nutzfläche beträgt 28.000 m². Für die Fassade wurde Travertin verwendet. Die Traufhöhe orientiert sich an den umliegenden Gebäuden. Die Baukosten betrugen 150 Millionen Euro.

    Ab 2004 wurde das Hotel von der Rezidor Hotel Gruppe unter dem Namen The Regent Berlin betrieben. Seit 2011 gehört das Regent Berlin zur Formosa Hotel Gruppe.

    Das Restaurant Fischers Fritz wurde 2007–2017 unter Christian Lohse mit zwei Michelinsternen ausgezeichnet.

    Im März 2016 strahlte das rbb Fernsehen über das Regent Berlin die zweiteilige Dokumentation Fünf Sterne für Berlin – Ein Jahr im Luxushotel aus.

    2022 wurde es mit dem World Travel Award ausgezeichnet.

    Ende 2024 wird das Regent Berlin geschlossen, wenn der Mietvertrag nach 20 Jahren abläuft. Der US-Investor Blackstone, dem die Immobilie gehört, prüfe die Optionen für eine Renovierung nach der Schließung.

    #Berlin #Mitte #Charlottenstraße #Hotel #Pleite #Tourismus

  • Wolfgang Zimmer: Nobel-Friseur in Berlin-Mitte gibt auf und erklärt schonungslos warum
    https://www.berliner-zeitung.de/wirtschaft-verantwortung/wolfgang-zimmer-nobel-friseur-in-berlin-mitte-gibt-auf-und-erklaert

    Bei diesem Mann konntest du wochenlang zwölf Stunden am Tag malochen. Arbeitszeitgesetz? Für Looser. Jetzt macht er dicht. Ausbeutung von Menschen lohnt sich nicht mehr. Immobilien- und Finanzkapital sind die Bringer.

    Mittelständlers Beschreibung von ungeliebten Bewerbern gibt Auskunft zur Frage, wie man heute als Handwerker, als Arbeiter über die Runden kommt. Ein Mix aus mies bezahltem Job für die Krankenversicherung kombiniert mit Stütze und Schwarzarbeit sind nötig, um von einfachen Tätigkeiten leben zu können.

    Das Ergebnis von fünfzig Jahren Liberalismus, zunächst noch rheinisch dann mit Neo-Präfix ist niederschmetternd. Eine zerstörte Gesellschaft. Top oder Flop, kämpf dich nach oben oder geh unter bei dem Versuch. So sieht es aus für alle, die nicht mit dem berühmten goldenen Löffel im Mund geboren wurden.

    Das muss sich ändern, das müssen wir ändern, noch bevor das Menetekel VW die restlichen guten Jobs bei Industrie und Verwaltung trifft. Gelingt das nicht, wird das Kapital in Krieg und Faschismus flüchten. Es hat schon angefangen.

    14.12.2024 von Michael Maier - Die Kunden rennen ihm die Tür ein. Trotzdem schließt Wolfgang Zimmer seinen Friseur-Salon. Immer neue Hürden und Fehler der Politik machen das Arbeiten sinnlos.

    Wir treffen Wolfgang Zimmer in seinem hellen Friseursalon in einem Dachgeschoss in den Rosenhöfen. Die Räume haben noch das Flair der großen Aufbruchszeit in Berlin-Mitte. Alle wollten hier sein, es war eine Mischung aus Unfertigem und individuellen Visionen. Das ist heute alles vorbei, die Ernüchterung ist groß. Denn die verheerende politische und wirtschaftliche Entwicklung hat gerade die engagierten und erfolgreichen mittelständischen Unternehmen schwer getroffen. In einem Land, in dem der Bundeswirtschaftsminister nicht weiß, was eine Insolvenz ist, geben immer mehr Unternehmen auf.

    Wolfgang Zimmer ist einer der international anerkanntesten Friseure. Er hat prominente Namen in seiner Kundenkartei: Politiker, Schauspieler, Filmstars und Topmodels wie Sharon Stone, Eva Padberg, Claudia Schiffer und Linda Evangelista. Vor einigen Jahren gewann er den von L’Oreal gestifteten „Friseur-Oscar“. Neben seiner Arbeit für die Promis ist Zimmer immer mit beiden Füßen auf dem Boden geblieben: Über tausend ganz normale Kunden und Kundinnen bedient er, jede und jeden mit demselben Respekt, als kämen sie alle aus Hollywood. Doch nun ist Schluss. In ungewöhnlich klaren Worten analysiert Zimmer, warum er seinen Laden dichtmacht. „Eine Ära geht zu Ende“, sagt eine Kundin am Tresen. Im Hintergrund läuft Wellness-Musik. Es gibt Espresso und einen Kuchen, der nach Wehmut schmeckt.

    Herr Zimmer, wie lange sind Sie in Ihrem Gewerbe tätig?

    Ich bin seit 48 Jahren immer im Beruf, davon über 36 Jahre selbstständig. Viele Kunden sagen, jetzt geht eine Ära zu Ende. Aber das ist nicht ganz richtig. Ich gebe einen Teil meines Berufes ab. Ich werde kein Geschäft mehr haben, wo ich Kunden bediene. Es geht für mich im artistischen Bereich weiter, wo ich schon vorher gearbeitet habe. Ich arbeite für Fotoproduktionen, mache Haarkonzepte für die Fashion Week oder Filmproduktionen. Ich darf seit über 22 Jahren die Berlinale begleiten und bin für das Styling vieler ausländischer Gäste verantwortlich. Ich betreue einige Designer in Mailand und gebe Seminare für Friseure und habe an der Universität der Künste Kurse für Mode- und Trendentwicklung gegeben. Es wird mir also nicht langweilig.

    Sie haben hier in den Berliner Rosenhöfen bei den Hackeschen Höfen sehr erfolgreich gearbeitet. Mit welchen Erwartungen waren Sie nach Mitte gekommen, und wie stellt es sich heute dar?

    Ich bin vor 22 Jahren von der West-City nach Mitte gegangen, weil ich am Puls der Zeit sein wollte. Für mich war Mitte wie SoHo in New York. Ich habe es nie bereut, es war eine tolle Zeit! Viele Einzelkämpfer haben die Ärmel hochgekrempelt, es war nicht alles perfekt, aber jeder hat angepackt. Heute werden die Einzelkämpfer rausgedrängt. Wir sehen nur noch Ketten, wie überall.

    Warum geben Sie das Geschäft auf?

    Zuerst: Die Miete wird sich drastisch erhöhen. Mein Mietvertrag läuft Ende des Jahres aus. Man kann die geforderte Miete nicht mehr mit Haareschneiden erwirtschaften. Der Staat macht es uns Mittelständlern und Kleinhandwerkern nicht sehr einfach. Es werden uns immer weitere Kosten aufgedrückt, die wir nicht ohne weiteres an unsere Kunden weitergeben können. Wenn ich „nur“ Haare schneiden dürfte und mich darauf konzentrieren könnte, wäre die Welt in Ordnung. Aber wir werden heute über bürokratische Hürden gejagt und müssen uns an Datenschutzverordnungen, geänderten Gesetzgebungen, Feuerschutz, Gesundheitsschutzmaßnahmen, Berufsgenossenschaft, Innung, Handwerkskammer abarbeiten. Die ganzen Betriebskosten wie zum Beispiel Energiekosten oder Beiträge zu Krankenkassen sind gewaltig gestiegen.

    Durch den demografischen Wandel und die Lustlosigkeit vieler Menschen, sich nicht durch Arbeit und persönliches Engagement in die Gesellschaft einzubringen, steigt der Druck auf die noch arbeitende Bevölkerung immer weiter. Ich habe mich nie gefragt, was kann der Staat für mich tun, sondern hatte immer die Einstellung: Was kann ich für dieses Land tun? Diese Grundeinstellung scheint immer mehr verloren zu gehen. Der Mittelstand ist in der Defensive und kann das irgendwann nicht mehr tragen.

    Einzelkämpfer wie ich in Berlin-Mitte werden es immer schwerer haben. Ich bin jetzt in Berlin-Mitte, vorher war ich 15 Jahre im Westen, in einer Altbauetage. Ich bin sehr dankbar für die Zeit, ich habe immer meinen persönlichen und beruflichen Traum leben dürfen. Ich habe immer gemacht, was ich wollte. Ich jammere nie, packe Sachen an, sage mir oft: Jetzt erst recht! Heute habe ich mit meiner Lebenserfahrung den Entschluss gefasst, so nicht mehr weiterarbeiten zu wollen. Das hat keinen Sinn. Ich möchte allen meinen Kunden danke sagen, für die jahrelange Treue und für das mir und meinem Team entgegengebrachte Vertrauen.

    Ein großer Dank gilt meinen Mitarbeitern, die mir immer zur Seite gestanden haben. Der Weg hin zu der Entscheidung aufzuhören ist mir sehr schwergefallen. Aber jetzt fühle ich mich frei und wohl damit.

    Sie geben das Geschäft auf, weil die Kosten so gestiegen sind, dass Sie es trotz der massiven Nachfrage bei den Kunden nicht mehr wirtschaftlich führen können?

    Ja. Bisher waren die Rahmenbedingungen für mich in Ordnung. Jetzt steigt die Miete aber unverhältnismäßig hoch an. Im Gewerbebereich kann jeder Vermieter das nehmen, was er haben möchte. Kleine, mittelständische Geschäfte werden so aus den Zentren der Stadt verdrängt. Ich habe das Gefühl, dass es vielen Vermietern egal ist, ob Ladenflächen leer stehen oder nicht. Wenn die Läden dann leer stehen, wird es als Verlust abgeschrieben, es zahlt also der Steuerzahler. Dazu kommen alle anderen Kosten, die drastisch gestiegen sind: Lebensmittel, Energie, Handwerker.

    Wenn die Politik die Leute nicht mitnimmt und ihnen erklärt, wie es weitergeht, dann verlieren die Menschen das Vertrauen in den Staat. Es wird nicht erklärt, wofür Geld ausgegeben wird oder wofür auch nicht. Wir haben einen riesengroßen Vertrauensbruch. Arbeit muss sich wieder lohnen.

    Welche Erfahrungen haben Sie im Personalbereich?

    Ich habe in den vergangenen Jahren sehr viele Bewerbungsgespräche geführt mit Leuten, die bei mir anfangen wollten. Es gibt Bewerber, die Power haben und arbeiten wollen. Aber es gibt auch Menschen, die sagen mir im Bewerbungsgespräch: „Herr Zimmer, eines muss ich Ihnen sagen: Im Monat bin ich zwei Tage im Durchschnitt krank.“ Ich frage dann, haben Sie eine chronische Krankheit, dann sagte mir der Bewerber: „Nein, das steht mir doch zu, ich zahle ja Krankenkassenbeiträge.“ Oder ein anderer sagte: „Ich möchte nur ein Jahr arbeiten, weil danach möchte ich mich gerne wieder ein halbes Jahr arbeitslos melden.“ Das wird einfach so gesagt!

    Wie oft haben Sie das erlebt?

    Das habe ich öfter erlebt. Bewerber sagen auch, dass ihnen die Öffnungszeiten nicht gefallen. Ein Friseur sagte zu mir: „Ich habe nur Lust, zwischen 11 und 17 Uhr zu arbeiten.“ Oder: „Ich will nur zwei, drei Tage arbeiten, den Rest mache ich schwarz und habe dann mehr Geld, als würde ich normal arbeiten.“ Die Hürde, das auch ganz offen zu sagen, ist heute sehr niedrig. Und es gibt auch viele, die den Staat ausnutzen. Es wird ihnen so leicht gemacht, dass sie sagen: „Es steht mir doch zu.“ Immer weniger Leute wollen Verantwortung für sich selbst tragen. Immer mehr Menschen wollen für weniger Arbeit mehr Geld bekommen. Das funktioniert nicht. Es gibt aber zum Glück noch viele, die nehmen die Herausforderungen an.

    Haben Sie diese Veränderung über Jahre beobachtet?

    Ja. Ich habe in den ersten 20 Jahren meiner Friseurlaufbahn mit vielen Mitarbeitern zusammenarbeiten dürfen, von denen keiner das Unternehmen verlassen hat. Die Gesellschaft hat sich sehr stark verändert. Es ist gut, dass die Menschen mehr Freizeit haben wollen – wenn es finanzierbar ist. Auch Freizeit kostet Geld. Es ist toll, wenn ein Staat solidarisch ist. Wir alle arbeiten gerne für Menschen mit, die geistig und körperlich beeinträchtigt sind oder in Not geraten. Aber ich habe keinen Bock, für Leute mitzuarbeiten, die unser Sozialsystem ausnutzen. Der Staat macht das schon. Wer ist der Staat? Wir alle sind der Staat.

    Sie haben viele Leute im Lauf der Jahre ausgebildet. Hat sich die Einstellung zum Arbeiten an sich, zum Beruf geändert?

    Ich würde es nicht verallgemeinern. Ich habe sehr viele Friseure ausbilden dürfen. Einige von ihnen zählen heute zu den besten der Stadt. Aber man kann sehen, wie es sich verändert hat: In früheren Jahren hatten wir sechs bis acht Berufsschulklassen jedes Semester. Heute sind es nur noch halb so viele. Die jungen Menschen haben zum Teil keine Lust mehr, eine Ausbildung anzufangen, wo sie acht Stunden oder mehr arbeiten müssen, vielleicht sogar samstags, wenn andere freihaben. Ich hatte das Glück, mit Menschen zu arbeiten, die zuverlässig sind und Spaß an ihrem Job haben und deshalb von anderen Kollegen gerne genommen wurden. Einige machen sich jetzt selbstständig. Keiner wird auf der Straße stehen.

    Auch über meinen großen Kundenstamm habe ich mir viele Gedanken gemacht. Ich habe meine ehemaligen Mitarbeiter, die heute selbstständig sind, angerufen. Alle haben gesagt, das finden wir toll. Aber einige haben gesagt, wir würden deine Kunden gerne übernehmen, aber wir haben nicht das Personal dazu. So ist es mir auch gegangen: Ich hätte auf einen Schlag fünf, sechs Friseure einstellen können. Aber man bekommt kein Personal. Viele meiner Kollegen sagen: Wir könnten viel mehr Kunden annehmen, aber es fehlen die Mitarbeiter. Und das sind Chefs, die rund um die Uhr arbeiten.

    War Corona ein Einschnitt?

    Der Staat hat geholfen. Dafür möchte ich danken. Das Problem: Mein Geschäft war einmal sechs Wochen, einmal sieben Wochen geschlossen. Wir wussten nicht, wann wir wieder öffnen können. Da war ein furchtbares Gefühl. Wir konnten dem Personal nicht sagen, wie es weitergeht. Ich habe den Mitarbeitern das Kurzarbeitergeld auf 100 Prozent aufgestockt. Die Ungewissheit, wie lange können wir finanziell durchhalten – das war das Schlimmste.

    Sie mussten auf Ihre Reserven zurückgreifen?

    Ja klar. Ich habe den Vermieter gefragt, ob er mir entgegenkommen kann. Er hat gesagt, er kann mir die Miete zwei oder drei Wochen stunden. Das hilft natürlich gar nicht. Ich glaube, in dieser Zeit hat ein Umdenken begonnen. Ich weiß es nicht, aber plötzlich haben die Leute gesagt, ich möchte mehr Zeit für mich haben. Das war auch in der Gastronomie so: Wo sind die Menschen, die vor Corona dort gearbeitet haben?

    Sie mussten Kredite aufnehmen?

    Die IBB hat uns geholfen, das war positiv. Wir haben einen zinslosen Kredit bekommen. Aber den mussten wir natürlich zurückzahlen. Das ist kein geschenktes Geld. Wir mussten hart arbeiten. Meine Mitarbeiter, die immer hinter mir gestanden haben, haben sechs Tage die Woche, zwölf Stunden am Tag gearbeitet – da sage ich: Hut ab! Viele Unternehmer konnten die Kredite nicht zurückzahlen.

    Sie sind ja eher ein 1968er, ein Linksliberaler. Als Selbstständiger haben Sie gelernt, dass das Geld irgendwo herkommen muss. Glauben zu viele Leute, dass das Geld auf den Bäumen wächst?

    Ich finde, es soll allen gutgehen – aber jemand, der viel tut, soll auch viel profitieren. Wir brauchen weniger Steuern und gute Rahmenbedingungen, um erfolgreich wirtschaften zu können. Der Staat ist außerdem ein schlechtes Vorbild. Er lebt zum großen Teil von Schulden. Wir leisten uns ein System, das nicht mehr tragbar ist.

    Sie haben einen super Laden, es gibt genug Kunden, die gerne für Ihre Arbeit zahlen – also eigentlich der wirtschaftliche Idealfall. Trotzdem machen Sie Schluss.

    Mir fehlt die Kraft, um mich auf die veränderten gesellschaftlichen und wirtschaftlichen Rahmenbedingungen einzustellen. Ich habe das Glück, diese Entscheidung aus freien Stücken treffen zu können, und freue mich auf die neuen Herausforderungen.

    So spricht der von Ereignissen Getriebene. Ein Kleinbürgee versteht nicht, was die Stunde geschlagen hat. Er ist wie ein Frosch im Brunnen, der sich mit Wasser füllt. Er sieht nicht die Quelle und versteht nur, dass er bald keinen Dreckklumpen zum Ausruhen mehr haben wird. Seine Perspektive beschrânkt sich auf einen winzigen Ausschnitt des Himmels. Dafür kennt er alle Mitbewiohner des Schlamms, in dem er sitzt, nur zu genau.

    Wählt der Mann AfD? Vermutlich noch nicht, denn die ganz Rechten sind im hippen Fashion-Business noch nicht en vogue , zu konservativ, zu viel Provinz, zu unkultiviert. Aber was nicht ist, kann ja noch werden bei den Gottbegnadeten.

    #Berlin #Mitte #Rosenthaler_Straße #Gentrifizierung #Ausbeutung #Arbeit #Handwerk #Kapitalismus #Kleinbürgertum #Berlinale

  • Berliner Arsenal vor dem Umzug: Kino ist nicht bloß ein Ort
    https://taz.de/Berliner-Arsenal-vor-dem-Umzug/!6055366

    13.12.2024 vin Andreas Hartmann - Das Kino Arsenal beendet am Sonntag seinen Spielbetrieb am sterilen Potsdamer Platz. Anfang 2026 soll er in Wedding wiederaufgenommen werden.
    Das Bild zeigt Stefanie Schulte Strathaus, die künstlerische Leiterin des Arsenals
    Herrscherin über die Filmrollen – und vieles mehr: Stefanie Schulte Strathaus, die künstlerische Leiterin des Arsenals   Foto: Imago/Funke Foto Services

    Berlin taz | „Bitte Ruhe“ steht an der Tür des Raumes, der in gut einem Jahr als Kinosaal genutzt werden soll. Aktuell ist er noch eine Baustelle. Die Betreiber des Silent Green Kulturquartiers in Wedding lassen die Räumlichkeiten gerade umbauen für den neuen Mieter: das Kino Arsenal, das an diesem Sonntag nach 25 Jahren am Potsdamer Platz ebendort seinen Spielbetrieb beenden wird.

    Im Silent Green an der Gerichtstraße ist ein ehemaliges Krematorium. Seit 2015 finden hier Kulturveranstaltungen statt, in die Büros ist die Kreativszene eingezogen. Anfang 2026 soll auch der Kinosaal des Arsenals dazustoßen – und zwar in der denkmalgeschützten Trauerhalle. Deshalb auch die Aufforderung am Eingang, sich ruhig zu verhalten. „Die kann man eigentlich genau so da stehen lassen“, sagt Stefanie Schulte Strathaus, die künstlerische Leiterin des Arsenals.

    Das Arsenal ist freilich nicht irgendein beliebiges Berliner Kino, sondern eine ziemlich einmalige Institution, deren guter Ruf in Sachen Filmkultur weit über Berlin hinaus strahlt. Der volle Name lautet dann auch Arsenal – Institut für Film und Videokunst.

    Und Stefanie Schulte Strathaus ist verantwortlich für alles, was zu diesem Institut gehört: das Kino, die Berlinale-Sektionen „Forum“ und „Forum Expanded“, wo die eher experimentellen Filme des Festivals laufen, den Verleih und das Archiv. Letzteres befindet sich bereits seit 2015 in Räumlichkeiten des Silent Green. Schulte Strathaus zeigt es mit einigem Stolz. 10.000 analoge Filme aus aller Welt werden hier gelagert, viele davon Unikate. Ein „weltweit einmaliger Schatz“, sagt sie.
    Alles unter einem Dach

    Im Februar kommenden Jahres läuft der Mietvertrag des Arsenals am Potsdamer Platz aus. Bis dahin werden die etwa 35 Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen ihre Büros verlassen und in ein Haus gegenüber des Silent Greens einziehen, das ebenfalls den Betreibern des Kulturstandorts in Wedding gehört.

    „Alle und alles wird dann an einem Ort vereint sein, das macht die Arbeit einfacher und interessanter“, sagt Schulte Strathaus. Am Potsdamer Platz sei immer irgendein Teil ausgelagert gewesen. Damit sei in Wedding Schluss.

    Das Kino Arsenal ging 1970 aus einer Initiative des Vereins Freunde der Deutschen Kinemathek hervor. 30 Jahre befand es sich in Schöneberg, bevor es an den Potsdamer Platz zog. Dabei prägten Filmverrückte mit Neugier auf ein Kino aus aller Welt und allen Epochen von Beginn an das Arsenal. Bis heute haben sie nicht damit aufgehört, überraschende Filmreihen zu kuratieren und Werke weit abseits der Norm zu präsentieren.

    „Das kann Kino“, heißt folgerichtig auch das Abschiedsprogramm des Arsenals, das noch bis Sonntag läuft. Dabei soll mit Hollywood-Kultfilmen bis zu Erstlingswerken weitgehend unbekannter Filmemacher noch einmal der Beweis erbracht werden, dass Kino, so wie es sich das Arsenal vorstellt, wirklich sehr viel kann.
    Zeitlich begrenzter Mietvertrag

    Dass es das Arsenal am Potsdamer Platz nicht ewig geben würde, war von Anfang an klar, sagt Schulte Strathaus. Der Mietvertrag war auf 25 Jahre begrenzt. Eine Zeit lang habe es Überlegungen gegeben, in ein von der Deutschen Kinemathek immer noch geplantes Filmhaus zu ziehen, das auf dem Parkplatz des Gropius-Baus in Kreuzberg entstehen soll. Als sich herausstellte, dass sich die Realisierung noch Jahre hinziehen wird, sei man mit dem Silent Green ins Gespräch gekommen.

    Dieser Ort ist „aus mehreren Gründen sehr geeignet“, sagt Schulte Strathaus. Nicht nur, weil eben erstmalig Verleih, Archiv, Berlinale-Forum und Kino unter einem Dach zusammengeführt werden. Auch befinde sich das Arsenal nun in guter kultureller Nachbarschaft. So forscht das Harun-Farocki-Institut zum Werk des namensgebenden Filmemachers und das Sinema Transtopia widmet sich dem postkolonialen Kino.

    Kurzum: Es gebe dort bereits eine lebendige Filmkultur. Während der Potsdamer Platz eben doch ein sehr steriler Ort ist, an dem das Arsenal immer wie ein Fremdkörper wirkte. Andererseits heißt das auch: Der Potsdamer Platz wird durch den Auszug noch einmal ein Stück steriler.

    Als Segen erweist sich angesichts der aktuellen Berliner Sparpläne, dass das Institut seit 22 Jahren nicht mehr vom Senat, sondern vom Bund gefördert wird. Schulte Strathaus sagt, sie mache sich dennoch Sorgen. Das Silent Green wird zwar privatwirtschaftlich betrieben, hat jedoch ein eigenes Kulturprogramm und vermietet an kulturelle Einrichtungen. Die Leiterin befürchtet, dass es schon bald aus ökonomischen Gründen weniger Angebote geben könnte.
    Kino auf Reisen

    Verleih, Archiv, Berlinale-Organisation – damit wird es beim Arsenal im kommenden Jahr ganz normal weitergehen. Nur ein Kino wird es vorerst nicht mehr geben. Auch deshalb will das Arsenal auf Tournee gehen. In Berlin und anderen deutschen Städten, aber selbst in New York wird man als „Arsenal on Location“ mit Partnerorganisationen vor Ort Filmabende und -reihen kuratieren.

    „Wir wollen damit zeigen, dass Kino nicht bloß ein Ort ist, sondern auch ein Netzwerk, eine Community, eine Solidargemeinschaft von Menschen“, sagt Schulte Strathaus. Nebenbei wolle man dabei auch recherchieren, wie andere ein Kino der Gegenwart machen.

    So ganz ist das Kapitel Arsenal-Kino am Potsdamer Platz mit dem 15. Dezember ohnehin noch nicht beendet. Zur nächsten Berlinale, die Mitte Februar stattfinden wird, ist der Mietvertrag offiziell zwar bereits beendet. Man habe sich aber mit dem Vermieter geeinigt, den Saal für das Festival noch einmal anzumieten. Zum letzten Mal als Berlinale-Kino am Potsdamer Platz.

    Silent Green
    https://www.openstreetmap.org/way/645006822

    #Berlin #Mitte #Potsdamer_Straße #Wedding #Gerichtstraße #Kino

  • Deutschland: Gebaute Zeitenwende
    https://www.jungewelt.de/artikel/489552.deutschland-gebaute-zeitenwende.html


    Am Vorabend des Weltkriegs: Wilhelm zwo und seine Söhne vorm Berliner Schloss (13.1.1913)

    Heinz Emigholz - Schlachthäuser der Moderne (2022)
    https://rbbmediapmdp-a.akamaihd.net/content-de/83/bf/83bfd6bb-9d5e-4c7a-993a-d430fbfc63ca/83bfd6bb-9d5e-4c7a-993a-d430fbfc63ca_hd1080-avc720.mp4


    https://www.ardmediathek.de/video/dokumentation-und-reportage/schlachthaeuser-der-moderne/rbb/Y3JpZDovL3JiYl9hM2Q0NWY3Ni0wYWZjLTQzNmEtYjA2Yi0wOWJiMjBhY2FlNDdfcHVibGl

    Video verfügbar : bis 26.05.2025 ∙ 23:59 Uhr

    Video download :
    https://mediathekviewweb.de/#query=Schlachth%C3%A4user%20der%20Moderne

    11.12.2024 von Stefan Ripplinger - Wie kein anderes Gebäude in Deutschland steht das Berliner Stadtschloss für den Willen des Bürgertums, imperialistische Kriege zu führen

    Bevor sich das deutsche Bürgertum »kriegstüchtig« meldete, errichtete es sich ein Denkmal der Kriegstüchtigkeit: das als »Humboldt-Forum« rekonstruierte Berliner Stadtschloss. Bereits im Sommer 1990, die DDR bestand de iure noch, brachte ein Wendehals namens Günter Stahn, damals Leiter des Ostberliner Büros für Städtebau, die Idee ins Spiel, das 1950 auf Befehl von Walter Ulbricht gesprengte Gebäude neu zu errichten. Die Presse – neben den Springer-Blättern seien Spiegel (3.9.1990), Taz (26.10.) und FAZ (30.11.) genannt – zeigte sich von dieser politischen Regression entzückt, und am 4. Juli 2002 beschloss der Bundestag mit fast Zweidrittelmehrheit den Wiederaufbau. Der Beschluss habe, wie Rainer Haubrich (»Das neue Berliner Schloss«, 2012) feststellt, einer »Zeitströmung« entsprochen. Was genau das für eine Strömung ist, wissen wir allerdings erst seit zwei Jahren mit letzter Sicherheit. Bereits zwei Jahre zuvor, 2020, war das Schloss zurückgekehrt, wenn auch in postmodernem Gewand. Diesem ideologischen Zentrum der Hauptstadt sich zu nähern, gibt es zwei Wege: einen verdrießlichen und einen vergnüglichen.

    Den vergnüglichen Weg ins Schloss bietet der Essayfilm »Schlachthäuser der Moderne« (2022; derzeit in der ARD-Mediathek) von Heinz Emigholz. Mit den »Schlachthäusern« meint Emigholz sowohl Orte, an denen die Moderne schlachtet, als auch solche, an denen sie geschlachtet wird. Das Stadtschloss ist beides. Es ist zunächst der Ort, von dem aus Kaiser Wilhelm II. seine Politik des neuen, mitleidlosen Menschen praktizierte: »Pardon wird nicht gegeben.«

    Wir sehen in dem Film einen Darsteller (Stefan Kolosko), der im noch nicht eröffneten Schloss steht und Wilhelms Völkermorde (Genozid an den Herero und Nama, 1904–1908; 70.000 Tote) beziehungsweise Massenmorde (Einsatz von Chlorgas bei Ypern, 1915; 90.000 Tote) rekapituliert. Das ist also die schlachtende Industriemoderne. Emigholz nennt das wiedererrichtete Stadtschloss »eines der in seinen Intentionen und in seiner Ausführung widerlichsten Gebäude der Welt«. Geschlachtet wurde aber auch die Moderne, nämlich die sozialistische. Der Abriss des Palasts der Republik zeuge von »restaurativer Siegermentalität«. Mehr ist dazu nicht zu sagen, es sei denn, es will ein Neugieriger, eine Neugierige wissen, wie das alles gekommen ist. Dafür müssen wir nun doch den verdrießlichen Weg beschreiten.

    Eisenzahn

    Der verdrießliche Weg ins Schloss verläuft über die Geschichte dieses Renommierwerks. Es gab zwei Vorgängerbauten. Den Grundstein des ersten legte am 31. Juli 1443 der Markgraf Friedrich II. von Brandenburg, der nicht umsonst »Eisenzahn« genannt wurde. Ihm folgten in der Linie der Hohenzollern eine eindrucksvolle Schar von Sadisten und Scheusalen. Das sollte aber nicht genetisch, sondern geopolitisch interpretiert werden. Warum also legte Eisenzahn den Grundstein?

    Dieses erste Schloss war eine Zwingburg. Es manifestierte und sicherte den Sieg der Hohenzollern über die Patrizier des Doppelstädtchens Berlin und Cölln. Ziel war eine Schwächung des zuvor relativ autonomen städtischen Marktes und eine Begünstigung der Leibeigenschaft. Der Feudal­herr wollte mehr oder weniger alleine von der Wirtschaft profitieren. Das Schloss sollte deshalb nicht nur die Stadt gegen Feinde, sondern auch den Herrn gegen die Stadt sichern. Deshalb wurde es genau in der Mitte, auf der Spreeinsel neben dem alten Dominikanerkloster, plaziert und drohte finster den Bürgerinnen und Bürgern der einen und der anderen Stadthälfte. Dafür wurde die Cöllner Stadtmauer mit Ausnahme eines »Grüner Hut« genannten Rundturms abgerissen. Es trifft also nicht zu, dass, wie Wolf Jobst Siedler (Merian Extra, 1991) behauptet hat, in Berlin das Schloss zeitlich vor der Stadt kam. Tatsächlich gab es erst die Doppelstadt, dann kam der Usurpator und pflanzte das Schloss in die Mitte, um seine Herrschaft zu erzwingen.

    Nach der Grundsteinlegung passierte erst mal vier Jahre gar nichts. Als aber die Bauarbeiten begannen, begriffen die Städter die üble Absicht des Fürsten, es regte sich der »Berliner Unwille«. Sie zogen das untere Wehr auf, fluteten so die Fundamente, bedrängten die Büttel Friedrichs, der nun mit harter Hand durchgriff, das Vermögen der Rädelsführer einzog und im Ratskollegium ihm gefügige Untertanen einsetzte.

    Damit war ein Muster etabliert: In Berlin wird nicht um Zustimmung gebuhlt, sondern mit dem Knüppel gedroht und zugeschlagen. Die Bevölkerung lenkte man fortan mit Befehlen, Erlassen und Strafen. Mit Steuern und Zwangsrekrutierungen beutete man sie aus. Die autoritäre Politik ergab sich aus dem östlichen Absolutismus, als dessen Kennzeichen Erich Konter (»Das Berliner Schloß im Zeitalter des Absolutismus«, 1991) territoriale Zersplitterung, Eigenmächtigkeit der Grundherren, Macht der ständischen Organe und zurückgeblie­bene Entwicklung des Bürgertums erkennt.

    Typisch war von Anfang auch die Tendenz der Hohenzollern zur Expansion. Je mehr Krieg geführt, je mehr Land hinzugewonnen wurde, um so mehr veränderte sich auch das Schloss. Den entscheidenden Umbau verfügte Joachim II., nach dem mythischen Heerführer auch »Hector« genannt. Er nahm aus taktischen Gründen 1539 den lutheranischen Glauben an und verdoppelte damit fast die von ihm beherrschte Domäne, aber führte noch ein echt katholisches Leben in Saus und Braus.

    Das in der Zeit seines Konfessionswechsels (1538–1542) umgebaute Schloss hatte nichts Trutziges und Kompaktes mehr wie unter Eisenzahn, sondern war asymmetrisch und offen angelegt. Souveräne Herrschaft drückte sich von nun an darin aus, dass Wälle und Wehre an den Stadtrand rückten. In den Schlossturm hängte Joachim neun Glocken, von denen in eine das Porträt seiner selbst und seiner Gattin gegossen war. Die restlichen acht hatte er in brandenburgischen Städten rauben lassen.

    Da er vom Vater einen Schuldenberg geerbt hatte, fielen die architektonischen Ambitionen von Joachims Sohn Johann Georg bescheidener aus. Immerhin ließ er von Baumeister Rochus von Lynar ab 1579 einige Gebäude dem Ensemble angliedern: einen »drittes Haus« genannten Eckbau, ein Herzoginnenhaus, einen Querbau, der erstmals über Innentoiletten verfügte, und eine »Hofapotheke«, in der der Alchemist Michael Aschenbrenner wirkte. Eisenzahns Kanonen- wurde zum Wasserturm für den Lustgarten.

    Eine perverse Logik will es, dass Herrscher, die für besonders blutige Perioden stehen, von der Nachwelt die »Großen« genannt werden. Es mag sich darin das volkstümliche Wissen verbergen, dass je größer der Herr ist, desto größer das Unglück ausfällt, das er über die Knechte bringt. Ein besonders rabiates Regime verbindet sich mit dem Namen des »Großen Kurfürsten«, Friedrich Wilhelm, der ab 1643 regierte. Eine seiner ersten Maßnahmen war die Auflösung des Hofstaates und dessen Ersetzung durch eine nach militärischen und ökonomischen Maßgaben bestimmte Hierarchie.

    Schiefer Fritz

    Er griff seiner Zeit voraus: Der Kurfürst eroberte eine bis 1717 bestehende Kolonie in Westafrika, »Groß Friedrichsburg«, womit die heutige Nutzung des Schlosses, das unter anderem eine ethnologische Sammlung beherbergt, gerechtfertigt scheint. Außerdem stand er für eine »rücksichtslose Umwandlung der Residenzstädte in Festungen« (Michael Malliaris, Matthias Wemhoff, »Das Berliner Schloss«, 2016). Bauliche Veränderungen nahm er deshalb weniger am Schloss selbst als an den Stadtgrenzen vor, die er von dem Ingenieur Johann Georg Memhardt mit Bastionen umschließen ließ.

    Die nach dem Dreißigjährigen Krieg leere Kasse besserte er durch Profite aus in Zucht- und Waisenhäusern geleistete Zwangsarbeit auf. Er betrieb außerdem eine geschickte »Peuplierungspolitik« und zog 20.000 hugenottische Handwerker ins Land. Sein Volk vermietete er als Söldner an andere Herrscher, unter anderem Ludwig XIV. Auch zu diesem Behuf stellte er ein stehendes Heer (im Krieg 45.000, im Frieden 30.000 Mann) auf, von dem der Königsberger Immanuel Kant in einer der interessantesten Volten des preußischen Untertanengeistes schrieb, nur wer »ein wohldisciplinirtes zahlreiches Heer zum Bürgen der öffentlichen Ruhe zur Hand hat«, dürfe »das sagen, was ein Freistaat nicht wagen darf: räsonnirt, so viel ihr wollt, und worüber ihr wollt; nur gehorcht!« (»Beantwortung der Frage: Was ist Aufklärung?«, 1784)

    Friedrich Wilhelm hätte das Schloss nicht unbedingt gebraucht. Gebraucht, dringend gebraucht wurde es erst wieder von seinem Sohn, Friedrich III., der, weil er bucklig war, »der schiefe Fritz« genannt wurde. Dieser Fritz ließ sich am 18. Januar 1701 in Königsberg (nomen est omen) krönen. Als König nannte er sich Friedrich I.

    Um sich von eigener Hand krönen zu können, bedurfte er der Zustimmung des Habsburgers Leopold I., des Kaisers des Heiligen Römischen Reiches Deutscher Nation. Friedrich erkaufte sie sich mit der Zusage, seine Truppen an den Kaiser zu vermieten. Frankreich und Spanien erkannten erst 1713, im Todesjahr Friedrichs, seine Selbstherrlichkeit offiziell an, die er mit Backsteinen hinterlegte. Es bestand, wie Dieter Hildebrandt (»Das Berliner Schloss«, 2011) formuliert, für ihn geradezu ein »Geltungszwang«. Also wurde das Schloss aufgepeppt, um den falschen König zu legitimieren. Diese Geschichte wird immer wiederkehren.

    »Babilonischer Thurm«

    Baumeister war der unglückliche Andreas Schlüter, der den Auftrag 1698, also über zwei Jahre vor der Selbstermächtigung des Schiefen Fritz, erhalten hatte. Schlüter, der zuvor schon den Bau des Zeughauses, also des Waffenlagers, geleitet hatte, baute ungewöhnlich wuchtig, was etwa an dem Risalit vor dem Portal I zu erkennen ist. Die Monumentalität spiegelte den imperialen Anspruch des neuen Königreichs, doch Schlüter brach unter diesem Anspruch zusammen. Grund dafür war, dass Friedrich für 12.000 Gulden ein Glockenspiel gekauft hatte, das im Münzturm aufgehängt werden sollte. Deshalb wurde verfügt, ihn auf 94 Meter zu erhöhen, womit er dreimal so hoch wie das Schloss selbst gewesen wäre.

    Schlüter bemühte sich wacker, diesen Auftrag zu erfüllen, der tatsächlich ein Himmelfahrtskommando war. Denn der nachgiebige Baugrund konnte die enorme Last des erhöhten Turms nicht tragen und je mehr Stützen und Streben, Mauerblöcke und Widerlager Schlüter einfügte, um so wackliger wurde das Ganze. Bald zeigten sich Risse im Turm, Steine brachen heraus, der verzweifelte Schlüter ließ ihn teilweise abtragen, wurde deshalb 1706 als Schlossbaumeister abberufen. Der schwedische Architekt Eosander von Göthe, der zuvor über Schlüters »babilonischen Thurm« gewitzelt hatte, durfte die Baustelle übernehmen.

    Aus dem gehetzten Höfling machten die Nazis in ihrem Film »Andreas Schlüter« (1942, Regie: Herbert Maisch) einen urdeutschen »Querkopf«, der, unbeirrt von allem Geziert-Französelnden, unbeirrt auch von Speichelleckern wie Eosander, in der Kunst immer »nur das Größte« anstrebt und nicht nur das Schloss, sondern gleich auch die halbe Stadt umbauen will. Sein »gigantischer Plan« erinnert ein wenig an Albert Speers Stadt »Germania«. In der letzten Einstellung schreitet nach seinem Ausruf »Ewig ist das Werk!« Heinrich George als Schlüter ins Licht.

    Tatsächlich verfolgte nicht Schlüter, sondern Eosander gigantomanische Pläne. Er verlängerte die Fassaden im Süden und Norden um mehr als das Doppelte, errichtete auch ein gewaltiges Portal, das später den gewünschten Turm tragen sollte (statt dessen setzte Friedrich August Stüler 150 Jahre später eine Kuppel darauf). Das Eosander-Portal ist nicht ohne Grund eine vergrößerte Kopie des Triumphbogens für Septimius Severus auf dem Forum Romanum.

    Kaiser Septimius Severus darf als der große Bruder des Schiefen Fritz angesehen werden. Auch Septimius war durch Anmaßung zur Macht gelangt, auch er stützte sich auf Knute und Militär. Allerdings gelang es ihm, sich zu einem Gott zu erheben, was dem kläglichen Friedrich versagt blieb, dem das Glockenspiel gar nicht hoch genug hängen konnte und der wie der Fuchs in der Fabel am Ende nicht mehr an die ersehnten Trauben herankam. Als nächster gelangte Friedrich Wilhelm I., der »Soldatenkönig«, an die Macht. Ihm war sogar das bisschen Kunst zu viel. Er ließ Eosander schassen und den Lustgarten »rasieren«, nämlich in einen Exerzierplatz verwandeln.

    Mütze herab!

    Der Soldatenkönig und sein von ihm persönlich zurechtgestutzter Sohn Friedrich II., genannt »der Große«, waren die beiden preußischen Herrscher, die die bereits vom Großen Kurfürsten ins Werk gesetzte Militarisierung vollendeten. Sie machten aus dem Schloss als ideellem Zentrum ihres Staats ein Schlachthaus der Moderne. Verändert haben sie an den Baulichkeiten selbst wenig. Der zum Calvinismus übergetretene Soldatenkönig, der stets einen Buchenstock bei sich trug, um jeden, der nicht sogleich parierte, durchzuprügeln, ließ Martin Heinrich Böhme einige Projekte Eosanders notdürftig abschließen. Unter Friedrich dem Großen, dem Alten Fritz, wurde die alte Domkirche abgerissen. Tatsächlich regierte er selbst fast durchweg von Potsdam aus.

    »Wir sind Herr und König und thun, was wir wollen«, hatte der Soldatenkönig geprahlt. In der östlichen Version des Absolutismus, die er und sein Sohn verfochten, sollte, wie Otto Hintze (»Die Hohenzollern und ihr Werk«, 1915) formulierte, die »Staatsraison das ganze Wirtschafts- und Kulturleben vollkommen beherrschen«. Und die »Staatsraison« bestand eben in der Bereicherung der Obrigkeit und einer Oligarchie von Krautjunkern an den zum Dienst gepressten Untertanen, die Friedrich »das erbärmliche Getier« nannte. Doch bis zu seiner Herrschaft trug diese Despotie kaum Früchte. Preußen blieb sogar in militärischer Hinsicht drittklassig. Das änderte sich dank Friedrichs brutaler Eroberungspolitik, die Preußen enorme Gebietsgewinne bescherte, den Staat aber auch mehrfach, insbesondere nach dem Siebenjährigen Krieg (1756–1763), an den Rand des Ruins führte.

    Friedrichs Siege veränderten Preußen. Der vorher isolierte Feudalstaat war nun unwiderruflich ein Teil Europas geworden. Die Staatseinnahmen verdreifachten sich. Die verspätet auch hier einsetzenden Prozesse der Industrialisierung und Kapitalisierung veränderten die Gesellschaft grundlegend. Das über Jahrhunderte an seinem Hochkommen gehinderte Bürgertum bildete sich nach und nach heraus und musste von der Machtclique gewaltsam an seiner Emanzipation gehindert werden. Auch in dieser Geschichte spielte das Schloss eine Rolle.

    Am 26. Juli 1844 schoss der ehemalige Bürgermeister von Storkow, Heinrich Ludwig Tschech, im Schlosshof auf Friedrich Wilhelm II. sowie dessen Gemahlin und verfehlte sie beide. Wie Tschechs der Linken nahestehende Tochter Elisabeth (»Leben und Tod des Bürgermeisters Tschech«, 1849) schreibt, habe Friedrich Wilhelm IV. in seiner Thronbesteigungsrede gesagt: »Meine Krone habe ich von Gott, und wehe dem, der sie antastet.« Ihr Vater habe »ob dieser vermessenen Rede« mehrfach erklärt: »Ich will sie ihm zerdrücken.« Tschech wurde im Dezember 1844 geköpft, nachdem der König gnädig davon abgesehen hatte, ihn rädern zu lassen.

    Enger wurde es für Friedrich Wilhelm 1848. Als er seine Dragoner den Schlossplatz, auf dem sich eine große Menge versammelt hatte, räumen ließ, wurde auf die unbewaffneten Menschen geschossen. Nun brach ein Aufstand los, mit dem die preußische Kamarilla nicht gerechnet hatte. Er forderte Hunderte Tote und erschütterte den Militärstaat in seinen Grundfesten. Die Aufständischen, die vorübergehend die Kontrolle über das Geschehen erlangten, forderten vom König, die ins Schloss gekarrten Opfer zu ehren. Karl August Varnhagen von Ense (»Betrachtungen und Bekenntnisse«, 1980) berichtet über den 19. März 1848: »Alles hatte den Kopf entblößt, nur der König die Mütze auf; da hieß es gebieterisch: ›Die Mütze herab!‹, und er nahm sie ab. Die Leichen wurden dann durch das Schloß durch nach dem Dom gefahren.«

    Typ »Taurus«

    Wie schon nach dem Berliner Unwillen stabilisierte sich der Staat vermittels Einschüchterung und Unterdrückung. Mit Wilhelm II. bereitete sich dann die endgültige Katastrophe vor. Der schon seit dem Großen Kurfürsten bekannte imperiale Drang und die schon dem Schiefen Fritz eigene Gigantomanie potenzierten sich in der Gestalt des Kaisers und schlugen sich auch im Schlossbau nieder. Um seine Auftritte noch majestätischer zu gestalten, ließ er ab 1891 den Weißen Saal im Eosander-Flügel erweitern. Dafür musste die westliche Innenfront des Hofs abgetragen und um acht Meter versetzt werden. Nachdem das Projekt 1905 bereits sechs Millionen Reichsmark (knapp 50 Millionen Euro) verschlungen hatte, wurde es halb fertig abgebrochen.

    Die endgültige Entweihung des im Schloss versteinerten Preußentums verdanken wir Karl Liebknecht, der am 9. November 1918 vom Portal IV aus rief: »Die Herrschaft des Kapitalismus, der Europa in ein Leichenfeld verwandelt hat, ist gebrochen.« Das stimmte leider nicht, aber beflügelte viele. In Peter Voigts Film »Novemberrevolution« (1968) erinnert sich die spätere Widerstandskämpferin Charlotte Bischoff: »Wenn ich heute daran zurückdenke, dann war’s eigentlich so, dass ich weniger gegangen, als durch die Straßen getanzt bin.«

    Das Schloss, das nach dem Krieg als Museum gedient hatte, wurde am 3. Februar 1945 von Bomben zum größeren Teil zerstört. Zwar konnte eine Abteilung des Gebäudes noch genutzt werden, doch Walter Ulbricht und die Parteiführung entschlossen sich dazu, die Ruine zu sprengen. Die Niederlegung überwachte Kurt Liebknecht, ein Neffe Karls. Der Wertewesten heulte im Innersten getroffen auf. So schrieb der Berliner Tagesspiegel (1.10.1950): »Mit der Beseitigung des Schlosses wird der Baumeister Schlüter ausgelöscht sein und mit ihm die große moralische Kraft, die von seinem Werk ausgeht.« Anders als von den Nazis gedacht, schien das Werk doch nicht ewig zu sein. Zunächst.

    Denn schon seit dem Jugoslawien-Einsatz der Bundeswehr winken neue Kriege, Deutschland ist ein Preußen mit Interkontinentalraketen, Typ »Taurus«, geworden. Glücklicherweise wurde dem zuvor unbekannten Architekten des Neualtbaus, Franco Stella, gar nicht erst bewusst, in die Dienste welcher Kriegsherren er sich gestellt hatte, denn er schrieb: »Das Schloss kehrt als Lehrer der Stadtgeschichte in die Stadt zurück, deren Regisseur es war.« (»Berliner Schloss – Humboldt Forum«, 2022) In Wahrheit wird seither nicht eine Stadt-, sondern eine Staatsgeschichte inszeniert. Es ist die Geschichte Preußens.

    Unter https://schlossaneignung.de finden sich seit Oktober 2024 architektonische Vorschläge zur Umgestaltung des neuen preußischen Protzbaus. Die Website listet auch die rechten Spenderinnen und Spender des Bauprojektes auf und thematisiert dessen Entstehungsgeschichte sowie den Abriss des Palastes der Republik.

    #Berlin #Mitte #Geschichte #Architektur

  • Jetzt geht’s los: Warum der Senat in Berlin-Mitte diese wichtige Brücke abreißt
    https://www.berliner-zeitung.de/mensch-metropole/jetzt-gehts-los-warum-der-senat-in-mitte-eine-wichtige-bruecke-abre

    Eine von zehntausenden Brücken aus den sechziger Jahren mit Betonkrebs erhält den Gnadenstoß bevor sie Autos und Menschen mit in den Tod reißt. Ab heute iat die Mühlendammbrücke „weiträumig“ zu umfahren. Viel Spaß dabei !

    3.12.2024 von Peter Neumann - In der Mühlendammbrücke schlagen Sensoren immer wieder Alarm. Nun gibt Verkehrssenatorin Bonde den Startschuss zum Abbruch. Was gibt es dort zu sehen?

    An diesem Mittwoch ist es so weit: Berlins Verkehrssenatorin Ute Bonde (CDU) gibt in Mitte den Startschuss für eines der größten Verkehrsprojekte in der Stadt. Die Mühlendammbrücke, die im östlichen Stadtzentrum zwischen dem Nikolaiviertel und der Fischerinsel die Bundesstraße 1 über die Spree führt, wird in zwei Etappen abgetragen und neu errichtet. Am Vormittag wird der offizielle Baubeginn gefeiert. Schon zu Beginn des nächsten Jahres werden Interessierte einiges zu sehen bekommen.

    Damit nicht genug: An diesem Donnerstag ab 18 Uhr können sich die Anwohner und alle anderen Berliner über das Bauvorhaben Mühlendammbrücke informieren. Die Senatsverwaltung lädt ein in die Alte Münze am Molkenmarkt. „Diese Veranstaltung richtet sich an interessierte Bürgerinnen und Bürger, die sich über den Planungsstand und die bevorstehenden Maßnahmen informieren möchten“, teilte sie mit.
    Planer können keine klare Prognose abgeben, wie lange die Brücke durchhält

    So viel steht fest: Autofahrer, die auf dem Ost-West-Straßenzug zwischen dem Alexander- und dem Potsdamer Platz heute schon fast täglich im Stau stehen, werden auch in den kommenden fünf Jahren mehr Zeit einplanen müssen – wenn alles gut läuft. Auf der Mühlendammbrücke, wo es einst drei Fahrstreifen pro Richtung gab, steht für Kraftfahrzeuge bis auf Weiteres nur noch jeweils eine Fahrspur zur Verfügung.


    Der tägliche Stau auf der Mühlendammbrücke. Auf der Spreequerung steht dem Autoverkehr auf absehbare Zeit nur noch ein Fahrstreifen pro Richtung zur Verfügung. Pech für den, der auf dieser Ost-West-Route unterwegs ist.
    Emanuele Contini/Berliner Zeitung

    Doch wie berichtet, sehen die Planer keine Alternative zum Ersatzneubau. Das 116 Meter breite und 45,2 Meter lange Bauwerk, das zu DDR-Zeiten 1968 entstand, kann als tickende Zeitbombe angesehen werden. Sensoren, die es engmaschig und rund um die Uhr überwachen, haben bereits mehrmals angeschlagen. „Das bedeutet, dass Spanndrähte gerissen sind“, sagte Arne Huhn, Brückenbauchef der Senatsverwaltung, der Berliner Zeitung. Die Stahllitzen sollen der Spannbetonbrücke Stabilität verleihen. Wenn immer mehr Drähte reißen, nimmt die Standfestigkeit immer weiter ab. Bereits 2021 war ein 4,60 Meter langer Riss im Beton entdeckt worden. Heute ist die Lage so ernst, dass Senatsplaner keine klare Prognose abgeben können, wie lang die Brücke noch durchhält. Eine Sperrung aus Sicherheitsgründen könnte jederzeit nötig werden.

    Fast hundert Sensoren überwachen die Brücke über der Spree

    Dass die Mühlendammbrücke unter besondere Beobachtung gestellt werden muss, war seit dem 30. August 2018 klar. Damals entdeckten Prüfer, die ihre Routineuntersuchung an der Elsenbrücke zwischen Friedrichshain und Treptow fortsetzten, einen 28-Meter-Riss im östlichen Überbau des ebenfalls 1968 fertiggestellten Bauwerks. Er war bis zu 1,8 Millimeter breit und bis zu 14 Zentimeter tief, einer der größten Schäden dieser Art. Experten sprachen von „Totalversagen“. Der Spannstahl stammte aus dem VEB Stahl- und Walzwerk Wilhelm Florin Hennigsdorf und war offenbar nicht fachgemäß verbaut worden. Der zweite Vertreter dieses speziellen Typs ist die Mühlendammbrücke.

    Marode Mühlendammbrücke in Berlin-Mitte: Warum Sensoren immer wieder Alarm schlagen

    Wie die Spreequerung in Mitte (und die teilweise eingestürzte Carolabrücke in Dresden) besteht sie aus Stahlhohlkästen. In diesem Fall befinden sich jeweils 448 Spanndrähte aus Hennigsdorfer Spannstahl darin. 2022 ließ der Senat 96 Sensoren installieren, die das Bauwerk akustisch überwachen. Nachdem sie mehrmals im nordwestlichen Überbau angeschlagen hatten, auf dem heute der Verkehr konzentriert ist, gab es zuletzt im südöstlichen Brückenteil Alarm. Dieser bereits gesperrte Überbau wird nun als erstes abgetragen.

    https://berliner-zeitung.imgix.net/2024/11/21/c5306b71-0c30-47c6-bb71-e9c057d45d2f.avif?auto=format&fit=ma
    Die Simulation zeigt, wie die neue Mühlendammbrücke in Mitte aussehen wird. Sie wird mit 38,3 Metern rund sieben Meter schmaler ausfallen als die alte. Geplant sind geschützte Radfahrstreifen sowie breite Gehwege.Visualisierung: Arup/COBE

    Anfang Januar 2025 soll nun der eigentliche Abbruch beginnen, hieß es. Unter der Mühlendammbrücke werden Stützen in der Spree aufgestellt – ihre Zahl wird jetzt mit 48 beziffert. Auf diese Pfeilerreihe wird der südöstliche Überbau als Ganzes abgesenkt. Anschließend beginnt das beauftragte Unternehmen damit, die Spannbetonkonstruktion in große Stücke zu zerteilen. Schuten bringen sie auf dem Wasserweg in Richtung Osten, wo sie abgeladen, am Ufer weiter zerkleinert und schließlich abgefahren werden.
    In fünf Jahren soll die neue Mühlendammbrücke fertig sein

    Die Senatsverwaltung hat den bisherigen Zeitplan jetzt noch einmal bestätigt. Danach soll die südöstliche Hälfte der alten Brücke Mitte des kommenden Jahres verschwunden sein. An ihrer Stelle entsteht ein neues Bauwerk, dessen Fertigstellung für 2027 vorgesehen ist. Dann kann der Straßenverkehr auf diesem Überbau konzentriert und die andere Hälfte abgetragen werden. Der Plan sieht weiterhin vor, dass die Mühlendammbrücke der nächsten Generation 2029 komplett ist.

    Um die neue Brücke hatte es vor einigen Jahren heftigen Streit gegeben. Der Architekten- und Ingenieurverein, die Planungsgruppe Stadtkern im Bürgerforum Berlin sowie der Bund für Umwelt- und Naturschutz Deutschland äußerten Bedenken. Kritiker sprachen 2021 von einem „höchst fragwürdigen Verkehrsprojekt“, bei dem die Bürger bisher nicht mitreden durften, und von einem „Betonbrett“, das viel zu breit ausfalle. Die Chance, diesen Bereich des historischen Zentrums stadt- und klimaverträglich umzubauen, werde vertan, so die Kritik am Senat. Gefordert wurde ein Planfeststellungsverfahren mit Bürgerbeteiligung. Schließlich werde die Brücke nicht 1:1 neu errichtet, die Breite der neuen Brücke soll 87 Prozent der alten betragen – was aber immer noch zu viel sei.

    Die damalige Verkehrssenatorin Regine Günther (Grünen) hielt dagegen. Bislang passierten im Schnitt an Werktagen rund 72.800 Autos sowie über 2500 Lastwagen auf dem Mühlendamm die Spree. Das sei eine große Verkehrsmenge, hieß es. Zwar erwartet der Senat, dass die Belastung nach dem Umbau des benachbarten Molkenmarktes sinkt – aber nur um zehntausend Kraftfahrzeuge pro Tag. Dem müsse man Rechnung tragen.
    In der Regel wird montags bis freitags von früh bis abends gearbeitet

    Deshalb sieht der Entwurf der Büros Cobe und Arup (Kopenhagen/ Berlin) eine neue Brücke vor, die „verkehrswendetauglich“ sein soll. Je nach Wunsch und Bedarf können die Verkehrsflächen umverteilt werden, hieß es. So werde es für den Kraftfahrzeugverkehr zunächst zwei Fahrstreifen pro Richtung geben. Wenn der Verkehr zurückgehe, könne der Raum für Autos auf jeweils eine Fahrspur verengt werden.

    Die Brücke wird so ausgelegt, dass in der Mitte zwei Straßenbahngleise verlegt werden können. Allerdings sehen die Sparbeschlüsse der CDU/SPD-Koalition vor, dass die Planungen für die Verlängerung der M4 vom Alexanderplatz zum Potsdamer Platz und weiter zum Kulturforum gestoppt werden. Auf jeden Fall verwirklicht werden die geplanten geschützten Radfahrstreifen an den Fahrbahnrändern sowie die Einfassung der geplanten breiten Gehwege mit Bänken und Pflanzkübeln. Anders als die alte Mühlendammbrücke soll die neue ein Ort werden, an dem man sich gern aufhält, hieß es.

    Womit müssen die Anwohner während der Bauarbeiten rechnen? „Wenn betoniert oder montiert wird, müssen wir ohne Pause arbeiten. Dann kann es sein, dass die Firmen auch nachts ans Werk gehen müssen. Aber grundsätzlich beschränkt sich die Arbeitszeit auf montags bis sonnabends von 7 bis 20 Uhr“, so Brückenbauchef Arne Huhn im November.


    Auch die Neue Gertraudenbrücke in Mitte, nicht weit von der Mühlendammbrücke entfernt, soll neu gebaut werden. Die Visualisierung zeigt, dass die Uferwege künftig nicht mehr unter der Brücke hindurchgeführt werden.Visualisierung: sbp - schlaich bergermann partner

    Weitere Belastungen sind in Sicht, denn auch die benachbarte Neue Gertraudenbrücke von 1977 wird abgerissen und neu gebaut – wobei in diesem Fall noch kein Terminplan steht. Die 35 Meter lange Stahlträgerrostbrücke über den Spreekanal weist ebenfalls Defizite bei der Tragfähigkeit auf, so der Senat. Für eine Straßenbahntrasse wäre sie nicht ausgelegt. Wenn sie neu errichtet wird, sollen auch die Uferwege neu geführt werden, sagte Boris Reyher von Schlaich Bergermann Partner. Sie sollen nicht mehr unter der Straße hindurchgeführt werden, hieß es. Stattdessen ist vorgesehen, dass die Fußgänger die Fahrbahn künftig auf Überwegen ebenerdig kreuzen.
    Auch in vielen anderen Brücken droht Spannungsrisskorrosion

    In seiner Antwort auf eine Anfrage des AfD-Abgeordneten Frank Scholtysek hat die Senatsverwaltung 2018 bekräftigt, dass die Elsenbrücke hinsichtlich des Spannverfahrens und des verwendeten Spannstahls eine Ausnahme darstellt. Abgesehen davon gebe es in Berlin aber viele Brücken, in denen Spannstahl verbaut wurde und Spannungsrisskorrosion möglich sei. Es handele sich um nicht weniger als 138 Bauwerke, so Scholtysek. Drei Arten von Spannstahl wurden genannt, auch Stahl aus Hennigsdorf. Experten haben Hennigsdorfer Stähle, die bis zum Produktionsende 1993 hergestellt wurden, als „stark gefährdet“ eingeschätzt, erklärte der Senat damals.

    Berlin ist eine Stadt der Brücken. Experten schätzen, dass es in dieser Stadt rund 2000 solcher Bauten gibt. Davon befinden sich 867 im Eigentum des Landes Berlin, bilanzierte Brückenbauchef Arne Huhn. Die kürzeste Brücke des Landes ist etwas mehr als zwei Meter lang und befindet sich im Schlosspark Buch. Mit 420 Metern ist die Minna-Todenhagen-Brücke, die im Südosten die Spree überspannt, das längste Bauwerk dieser Art in Landeshoheit. Die Jungfernbrücke in Mitte von 1798 wiederum ist die älteste.

    Nur noch ein Fünftel der Berliner Brücken sind „gut“ oder „sehr gut“

    Es gibt „dringenden Handlungsbedarf“, sagte der Ingenieur während eines Vortrags beim Architekten- und Ingenieurverein. „Brücken mit gutem oder sehr gutem Zustand machen in Berlin nur noch rund 21 Prozent des Bestands aus“, bilanzierte er. Noch vor wenigen Jahren betrug der Anteil 24 Prozent. „Der Abbau des Investitionsrückstaus ist zwingend erforderlich.“ Für die nächsten zehn Jahre bearbeiten Huhn und sein Team rund 120 Brückenbauprojekte in Berlin mit einem Volumen von insgesamt rund einer Milliarde Euro. Sicherheit geht vor, bekräftigte Huhn. Wenn es aus Sicherheitsgründen nötig ist, würden Brücken und Tunnel „konsequent“ gesperrt, kündigte er an.

    OSM
    https://www.openstreetmap.org/way/339201208

    #Berlin #Mitte #Friedrichswerder #Mühlendammbrücke #Mühlendamm #Gertraudenstraße #Rolandufer #Spreeufer #Spree #Verkehr #Stau

  • Barrie Kosky zum Baustopp: „Die CDU bestraft die Komische Oper auch für ihre DDR-Geschichte“
    https://www.berliner-zeitung.de/kultur-vergnuegen/barrie-kosky-zum-baustopp-die-cdu-bestraft-die-komische-oper-auch-f

    Die Sanierungsarbeiten in der Komischen Oper haben bereits begonnen, doch nun droht der Baustopp.Collage mit Fotos von Jan Windszus und Imago

    Kennt ja jetzt schon keena mehr, liegt aber nicht an die Opa.

    30.11.2024 von Susanne Lenz - Inkompetenz, Ignoranz, Lügen – all das wird Politikern der CDU vorgeworfen, wenn man nach dem drohenden Baustopp für die Komische Oper fragt.

    Es geht um zehn Millionen, und das Geld ist knapp. Zehn Millionen, die über Leben und Tod eines Theaterhauses in Mitte entscheiden könnten, die Komische Oper in der Behrenstraße, die 2023 ins Schillertheater in Charlottenburg umgezogen ist. Vorübergehend, damit das Haus in Mitte saniert werden kann. Dort fiel bereits der Stuck von der Decke. Zehn Millionen aus dem Bauetat des Landes Berlin. Zehn Millionen, die der einstige Intendant der Komischen Oper Barrie Kosky als Krümel bezeichnet.

    „Es sind Krümel!“ Barrie Kosky ruft diesen Satz ins Telefon. „Diese zehn Millionen Euro für die Vorbereitung des Weiterbaus sind im Drei-Milliarden Sparmaßnahmenpaket nur Krümel!“ Doch diese zehn Millionen bedeuten den Baustopp.

    Nur vorläufig, nur zwei Jahre, wie der Kultursenator Joe Chialo (CDU) versichert, nachdem er sich vor ein paar Wochen noch, nach einer Premiere der Komischen Oper, für seine Ankündigung bejubeln ließ, es werde keinen Baustopp geben. Ein Versprechen, dem sich auch der Regierende Bürgermeister Kai Wegner anschloss. Ein Versprechen, das null und nichtig sein könnte, wenn das Abgeordnetenhaus den Sparetat bestätigt. Vor Weihnachten soll das noch passieren.

    Der aus Australien kommende Barrie Kosky war zehn Jahre lang Intendant und Chefregisseur der Komischen Oper, er hat das Haus weltweit noch bekannter gemacht. Unter seiner Leitung wurde es mehrfach ausgezeichnet, als Opernhaus des Jahres und mit dem International Opera Award. Bis heute ist Kosky eng mit der Komischen Oper verbunden, mit zwei Inszenierungen pro Spielzeit.

    Barrie Kosky: „Ich habe noch nie so eine entsetzliche Wut gefühlt“

    Wir erwischen ihn in Amsterdam, in einer Probenpause. Die Niederländische Nationaloper hat seine „Fledermaus“ von der Bayerischen Staatsoper in München übernommen, Anfang Dezember ist Premiere. Barrie Kosky ist in Rage: „Meine Grundstimmung im Moment ist brennende Wut über die dilettantische, unverantwortliche Unprofessionalität dieser Regierung. Ich habe noch nie in meinem Leben so eine entsetzliche Wut gefühlt, und ich mag dieses Gefühl nicht.“

    Barrie Kosky: „Die CDU träumt schon lange davon, nur zwei Opernhäuser in Berlin zu haben.“ Paulus Ponizak/Berliner Zeiimago

    Denn es geht nicht einfach um zwei Jahre, in denen die Bauarbeiten in der Behrenstraße ruhen. Seit das Gerücht mit dem Baustopp im Sommer aufkam, werden Susanne Moser und Philip Bröking, die Co-Intendanz der Komischen Oper, nicht müde zu erklären, was das Problem damit ist: Es ist die Kostenexplosion, die durch die Verzögerung verursacht wird, durch steigende Baukosten, die Kosten für die Interimslösung. „Ein Baustopp von zwei Jahren führt zu einer Verzögerung der Fertigstellung um mindestens vier Jahre! 10 Millionen Euro werden gespart, es werden Mehrkosten von etwa 250 Millionen Euro verursacht. Das ist ein Skandal!“ Man könnte es auch einen Schildbürgerstreich nennen, wird sich doch das kleine Loch, das man jetzt zu stopfen meint, in ein paar Jahren vergrößert haben. Und womöglich bedeutet es den Tod der Komischen Oper auf Raten. Denn wo soll das Geld in zwei Jahren herkommen, mit dem die inzwischen viel teurer gewordene Sanierung weitergehen kann? Und auf Dauer im Schillertheater bleiben? „Dann bluten wir aus, künstlerisch, finanziell.“ Es wäre das Ende.

    Für Barrie Kosky ist die Sache glasklar: „Die CDU will die Komische Oper schließen. Das muss auf den Tisch. Sie lügen, wenn sie sagen, dass sie das Haus in der Behrenstraße erhalten wollen! Ich denke, dass der Finanzsenator Evers und auch andere in der CDU schon lange davon träumen, nur zwei Opernhäuser in Berlin zu haben. Die Deutsche Oper im Westen und die Staatsoper Unter den Linden im Osten. Und die Komische Oper wird bestraft: für ihren Erfolg, für ihre DDR-Geschichte, dafür, dass dieses kleine Haus für Diversität und Vielfalt sorgt. Dass sie jetzt sagen, die Komische Oper sei ihnen wichtig, das ist Bullshit.“

    _Zwei Jahre Baustopp würden zu viel höheren Sanierungskosten führen.C ollage mit Fotos von Benjamin Pritzkuleit/Berliner Zeitung und Jan Windszus

    Vor einer Woche hat sich Kosky mit einem Brandbrief an die Öffentlichkeit gewandt. Er schrieb von der jüdischen Geschichte des Gebäudes, an dem die jüdischen Operettenkomponisten und Operettenstars des 20. Jahrhunderts wirkten. Eine Geschichte, die mit den Nazis 1933 endete und die er mit seinen Inszenierungen wieder zum Leben erweckt hat. „Niemand glaubt daran, dass am Ende eines vorläufigen zwei- oder dreijährigen Baustopps die Sanierung der Komischen Oper tatsächlich noch abgeschlossen wird.“ Seitdem bekomme er Anrufe aus der ganzen Welt: „Die ganze Opernwelt ist empört. Und alle fragen: Was können wir tun?“ Momentan nicht viel, sage er ihnen.

    Die Komische Oper in Mitte ist ein Juwel der Ost-Berliner Nachkriegsmoderne

    Das Haus in der Behrenstraße, es wurde 1882 eröffnet. Ein paar Jahre später zog das Metropoltheater ein, dieses von jüdischen Künstlern geprägte Operettentheater. Nachdem die Nazis das Haus geschlossen hatten, wurde es im Krieg schwer beschädigt und war dann eines der ersten Häuser, die in Ost-Berlin wieder aufgebaut wurden. 1947, zwei Jahre vor Gründung der DDR, begann mit dem österreichischen Regisseur Walter Felsenstein die Geschichte des Gebäudes als Komische Oper.

    In den Sechzigerjahren machte der Architekt Kunz Nierade aus dem Opernhaus das, was es heute ist: ein Juwel der Ost-Berliner Nachkriegsmoderne, mit dem historischen Opernsaal im Neorokokostil als Zentrum des Hauses. 60 Jahre wurde nichts daran gemacht. Nun sollte es nach jahrelanger Planung und einem Architektenwettbewerb saniert und erweitert werden, für knapp 500 Millionen Euro. Seit Monaten ist das Haus von einem Bauzaun umgeben, die Stufen hoch zum Eingang sind aufgehackt, Wandpaneele in der Fassade fehlen. Mit der Spardebatte im Hinterkopf wirkt es schon jetzt wie eine Bauruine.

    Zurück nach Amsterdam: Barrie Kosky ist noch nicht fertig. Er kommt auf die geplanten Kürzungen im Kulturetat zu sprechen: 130 Millionen ab 1. Januar. Niemand im Kulturbereich sei der Auffassung, dass die Kultur nicht sparen muss, wenn alle anderen Bereiche sparen müssen. „Wir sind alle Bürger dieser Stadt, Teil der Gesellschaft. Wir sagen nicht, spart bei den Schulen, den Krankenhäusern, aber nicht an der Kultur. Das ist nicht unsere Haltung. Wir sind nur schockiert, dass wir so eine massive Kürzung binnen so kurzer Zeit stemmen sollen. Es gab keine Vorwarnung, keine Zeit. Diese Kurzfristigkeit ist unverantwortlich, das schockiert uns alle. Diese Kürzungen sind zu hart und in vielen Fällen für die Kultureinrichtungen existenzbedrohend.“

    Und noch etwas. „Wenn andere Bundesländer sehen, wie einfach es ist, bei der Berliner Kultur zu sparen, dann machen sie es nach. Das ist Selbstzerstörung von Identität, von der Seele des Landes. Grotesk!“

    Blick ins Foyer der Komischen Oper in der Behrenstraße: ganz vorne die „Pusteblume-Lampe“. Collage mit Foto von Jan Windszus

    Angela Merkel erwähnt die Komische Oper bei der Vorstellung ihrer Memoiren

    Die Komische Oper spielt auch am Dienstagabend im Deutschen Theater eine Rolle, als Angela Merkel ihre Memoiren vorstellt. Dass die einstige Kanzlerin ausgerechnet eine Passage vorliest, in der sie die Komische Oper erwähnt, ist womöglich Zufall, aber frappierend: „Einmal im Jahr fuhr meine Familie nach Berlin ins Theater. Hilmar Thate als Richard III. im Deutschen Theater und die Aufführung von ‚Der Fiedler auf dem Dach‘ in der Inszenierung von Walter Felsenstein in der Komischen Oper werden mir immer in Erinnerung bleiben.“ Diese Theaterbesuche bedeuteten ihr viel: „Meine Eltern hatten alles darangesetzt, für mich und meine Geschwister Schutzräume zu schaffen, so habe ich es empfunden. Dafür werde ich ihnen immer dankbar sein. Ich hatte eine glückliche Kindheit.“ Einer der Schutzräume war die Komische Oper.

    Dagmar Manzel weiß genau, was Angela Merkel meint: „Absolut“, sagt sie. Die Schauspielerin tritt seit 20 Jahren in der Komischen Oper auf, sie ist einer der Stars des Hauses, hat hier eine zweite Karriere als Sängerin gemacht: „Ball im Savoy“, „Anatevka“, „Perlen der Cleopatra“, „Eine Frau, die weiß, was sie will!“. Auch Dagmar Manzel ist auf hundertachtzig angesichts von Baustopp und Kulturkürzungen.

    Am Telefon setzt sie zu einem Monolog an, der an das anknüpft, was Angela Merkel gesagt hat, denn: „Das wurde überhaupt noch nicht besprochen, und darüber rege ich mich maßlos auf: Es war das Haus, der Ort für Musiktheater zu DDR-Zeiten. Das war nicht nur Felsenstein, das war auch Harry Kupfer, der einen Jochen Kowalski zum Megastar gemacht hat. Da waren fantastische Regisseure, die einzigartigen Chorsolisten, das tolle Orchester, die mich in meiner Jugend geprägt haben. Kein Haus hatte zu DDR-Zeiten so eine weltweite Ausstrahlung. Es ist der Geburtsort des Musiktheaters. Felsenstein hat eine Revolution angezettelt, indem er dafür sorgte, dass die theatrale Seite einer Opernaufführung genauso wichtig genommen wird wie die musikalische. So wie damals von Felsenstein erfunden, wird heute in ganz Europa Oper gezeigt. Mit der Komischen Oper in der Behrenstraße würde nicht nur DDR-Geschichte, sondern auch Operngeschichte vernichtet.“

    Es geht Dagmar Manzel also nicht nur um die DDR-Vergangenheit, sie spricht auch davon, was in den letzten 20 Jahren alles erreicht wurde in den Intendanzen von Andreas Homoki und Barrie Kosky. „Die Komische Oper Berlin hat wieder eine Vorbildfunktion für die halbe Opernwelt in Europa. Kein Haus hat es so wie sie geschafft, alle Bevölkerungsschichten für Musiktheater zu interessieren. Nirgendwo ist das Publikum so bunt wie hier. Nirgendwo gibt es regelmäßig Kinderoper auf der großen Bühne. Zugänglicher geht Oper nicht. Alle beneiden Berlin darum. Das soll alles nicht mehr sein? Ich fasse es nicht.“

    Dagmar Manzel: „Kein Haus hatte zu DDR-Zeiten so eine weltweite Ausstrahlung wie die Komische Oper.“ Paulus Ponizak/Berliner Zeitung

    Dagmar Manzel ist sicher, dass Wegner und Chialo nicht wissen, was dieses Haus war und ist

    Wie alle, mit denen wir in diesen Tagen sprechen, empört auch Dagmar Manzel die Ignoranz der Politiker: „Die setzen einfach den Rotstift an und wissen nicht mal, um was es geht, die kennen das Haus nicht mal, weder der Kultursenator noch der Regierende Bürgermeister. Ich bin mir hundertprozentig sicher, dass die nicht wissen, was dieses Haus war und ist, wofür es stand und steht. Das macht mich sprachlos!“

    Manzel zitiert die Rechnung von der Kostenexplosion, die das Intendanten-Duo aufgemacht hat. „Wer soll in ein paar Jahren die Millionen aufbringen, dieses Haus nochmal auf die Beine zu bringen? Die Baukosten steigen durch das Verschieben auf den Sankt-Nimmerleins-Tag um 20 Millionen Euro pro Jahr. Woher soll das viele zusätzliche Geld kommen?“, fragt sie. Auch sie glaubt an einen Tod auf Raten: „Ein Opernhaus kann man nicht auf Dauer in ein Theater pferchen, das ist Schwachsinn. Die Kolleginnen versuchen, was geht, aber das geht nur mit Ach und Krach. Und vor allem: Es gibt dieses Haus in der Behrenstraße doch. Und es ist ein magischer Raum!“

    Die Empörung lässt ihre Stimme beben: „Mir platzt die Hutschnur. Es geht ja nicht nur um die Komische, Berlin ist Kulturstadt. Was hat die Stadt denn sonst zu bieten? Die Leute kommen nicht nach Berlin, um sich ein Kabelwerk anzuschauen. Jetzt kürzt die Politik den Etat mit dem Rasenmäher und macht alles kaputt, an allen Ecken und Enden. Ob das die Obdachlosenfürsorge ist oder die Jugendclubs, Museen, Theater, Opernhäuser.“ Sie wisse, dass gespart werden muss, aber: „Warum wurde sich nicht zusammen an einen Tisch gesetzt und überlegt: Was können wir machen, Kinder? Und es gab doch einen Riesenaufruf, da waren so viele Angebote, nicht nur von der Komischen Oper. Das ist einfach abgebügelt worden. Bumms aus. Das ist hochnäsig. Für Kultur wird zwei Prozent vom Gesamthaushalt ausgegeben. Das ist gut investiert, weil Kultur auch Zusammenhalt in einer Gesellschaft fördert. Hier zu sparen, macht mehr kaputt als alles andere.“

    An der Kasse der Komischen Oper Unter den Linden ist nicht viel los an diesem Nachmittag, nur klingelt ständig das Telefon. Der junge Mann hinterm Tresen erzählt, dass ältere Menschen ihn fragen, ob sie die Komische Oper jemals wieder sehen werden. Dass sie Angst haben, dass sie das Ende der Bauarbeiten nicht erleben, nun da sie verschoben sind. Dass sie befürchten, dass das Haus nie wieder aufmache. Eine Dame tritt ein, fragt nach Karten für „Echnaton“. Sie lebt in Wilmersdorf, hat es nun näher zur Komischen Oper im Schillertheater. „Aber dasselbe Klangerlebnis ist es nicht.“ Dass in zwei Jahren das Geld da ist, die Bauarbeiten fortzuführen, glaubt auch sie nicht: „Ich hab mich jedenfalls auch schon gefragt, wo sie diesen goldenen Topf versteckt haben.“

    Blick in den spektakulären Saal der Komischen Oper in der Behrenstraße.Collage mit Foto von Jan Windszus und Benjamin Pritzkuleit

    Katharine Mehrling: Der Geist der Komischen Oper ist in der Behrenstraße spürbar

    Katharine Mehrling schreibt uns kurz vor Mitternacht zurück: „Was für ein Wahnsinn, das alles!“

    Die Komische Oper sei ihre künstlerische Heimat geworden, schreibt die Sängerin, Musicaldarstellerin, Schauspielerin, die ein absoluter Publikumsliebling ist, eine geniale Brecht-Interpretin. Barrie Kosky holte sie zuerst für seinen „Ball im Savoy“. Derzeit kann man sie in seiner Inszenierung des Musicals „Chicago“ sehen, das seine Premiere schon nach dem Umzug der Komischen Oper ins Schillertheater feierte. Die beiden Häuser sind für Katharine Mehrling nicht zu vergleichen. „Die Behrenstraße war mein Zuhause, im Schillertheater bin ich eher zu Gast. Und so geht es fast allen Kolleginnen. Die Schönheit, der Glanz, der Geist, die Energie, die Geschichte und somit die Seele des Hauses sind spürbar in der Behrenstraße.“

    Sie schwärmt von der Institution: Musical, Operetten, Opernaufführungen und Konzerte, welches Haus in Berlin habe das zu bieten. „Das weiß vor allem das Berliner Publikum zu schätzen. Der Berliner Senat weiß es leider nicht. Joe Chialo habe ich vor der ‚Chicago‘-Premiere im Oktober 2023 noch nie in der Komischen Oper gesehen.“

    Der Schaden, den der Berliner Senat gerade anrichtet, sei nicht wiedergutzumachen. „Und er wird so viel größer sein, als das, was der Senat vermeintlich zu gewinnen versucht.“

    Den Spar-Etat für die Kultur nennt sie eine Katastrophe. Das Publikum werde erst nach einer gewissen Zeit begreifen, was ihm abhandengekommen sei. „Joe Chialo ist der derzeitige Senator für Kultur“, schreibt sie. KULTUR in Großbuchstaben. „Es ist seine Pflicht als Senator, die Kultur zu verteidigen und zu schützen.“

    Katharine Mehrling: „Joe Chialo gibt nicht alles“

    Sie schlägt den großen Bogen: „Kultur ist nicht nur ein Beruf oder Unterhaltung, sie hat eine Mission. Nämlich das Publikum zu bilden, zu inspirieren, zum Denken zu animieren, Herzen zu öffnen, Empathie auszulösen, eine Gesellschaft besser zu machen und auch die Demokratie zu stärken – gerade jetzt in dieser zerrissenen Zeit, wo alles erschreckend weit nach rechts rückt.“ Sie ist enttäuscht von Joe Chialo. „Weil er nicht alles gibt und nicht für das kämpft, was Berlin ausmacht: die Kultur.“

    Katharine Mehrling: „Joe Chialo habe ich vor der ‚Chicago‘-Premiere im Oktober 2023 noch nie in der Komischen Oper gesehen.“ Christian Behring/imago

    Berlin hat drei Opernhäuser, und wann immer die Stadt seit der Wiedervereinigung sparen musste, lag die Frage auf dem Tisch, ob sie sich das leisten kann oder will, ob man drei wirklich benötigt, oder sie eben nur „nice to have“ sind, wie der Finanzsenator Stefan Evers (CDU) all das betitelt, was Berlin nicht unbedingt brauche. Niemand weiß das besser als Thomas Flierl, der Ende der 80er-Jahre Mitarbeiter im Kulturministerium der DDR war, kurz nach der Wende das Kulturamt Prenzlauer Berg leitete und dann Berliner Kultursenator wurde, für seine Partei Die Linke.

    Das Amt hatte er von 2002 bis 2006 inne, als Berlin in einer schlimmen Haushaltsnotlage war, enorme Schulden hatte, und der damalige Regierende Bürgermeister Klaus Wowereit von der SPD sparte, „bis es quietscht“. Kostbares Landeseigentum wurde damals zu Geld gemacht, kommunale Wohnungen wurden verkauft, ein Fehler, wie man heute weiß. Wie hat er es geschafft, in einer solchen Lage drei Opernhäuser zu verteidigen?6

    Thomas Flierl ist in seinem Haus am Bodden in Mecklenburg-Vorpommern, als wir ihn anrufen. Hierher komme er, um den Kopf freizukriegen. „Aber Sie holen mich ja gerade wieder in die Hauptstadt zurück.“ Er erzählt, dass es ähnlich wie heute um zehn Prozent Einsparungen ging, der gesamte Kulturetat habe sich damals auf rund 300 Millionen Euro belaufen, ein Drittel des heutigen. Damals war es die Existenz der Deutschen Oper, die auf dem Spiel stand. „Die Deutsche Oper war im Grunde schon aufgegeben von der damaligen Koalition“, sagt Thomas Flierl. „Man war der Meinung, die Vereinigung Berlins finde in Mitte statt. Meine Position war: Wir können jetzt nicht den Westen abwickeln, wir brauchen eine Lösung, mit der alle drei Häuser erhalten werden.“ Diese Lösung hat er gefunden.

    Der einstige Kultursenator Thomas Flierl: Wo ist die Intelligenz?

    Flierl rettete alle drei Häuser mit seiner Opernstiftung: Die Staatsoper Unter den Linden, die Deutsche Oper und die Komische Oper blieben als wirtschaftlich selbstständige GmbH-Betriebe erhalten und bekamen durch fünfjährige Zuschussverträge Planungssicherheit. Als Gegenleistung opferten sie 220 Stellen. Damals half auch der Bund, der den Kulturetat mit 16,4 Millionen Euro entlastete.

    Auch Flierl kritisiert Joe Chialos Spar-Etat. „Natürlich waren damals wie heute die drei Opernhäuser und die Bühnen mit den großen Mitarbeiterstäben die Hauptkostenpunkte. Das liegt in der Natur der Sache. Und meine Antwort darauf war, Intelligenz anzuwenden, die Strukturen kritisch zu prüfen. Das sehe ich jetzt nicht.“

    Er ist bis heute der Meinung, dass es richtig war, alle drei Opernhäuser zu erhalten. „Obwohl es damals sogar Nachfrageprobleme gab, was heute ganz und gar nicht der Fall ist.“ Die Komische Oper verzeichnet eine Auslastung von 93 Prozent. Nur den späteren Ausbau der Staatsoper von einer Rokoko-Oper zu einer Wagner-tauglichen Oper, wie man sie mit der Deutschen Oper schon hatte, sieht er kritisch. „Das war eine Riesenfehlentscheidung, die 440 Millionen Euro gekostet hat.“

    Flierl sieht mit Staunen, dass sich der Kulturhaushalt in den vergangenen zwei Jahrzehnten verdreifacht hat. „Doch nachhaltige Strukturen hat man nicht gebaut.“ Das geht gegen Chialos Vorgänger Klaus Lederer von der Linken, der bis 2023 im Amt war. „Wenn man jetzt mit dem Rasenmäher kommt, geht viel mehr kaputt, als die zehn Prozent ahnen lassen. Das ist das eigentliche Problem. Man hat in gewisser Weise nicht krisenfest erweitert. Jetzt einfach kalt die Komische Oper abzuwickeln, bringt gar nichts“, sagt Flierl. „Was ist da der strukturelle Gedanke? Keiner!“

    Flierl denkt laut nach: „Wenn Chialo gesagt hätte, man könnte so etwas wie die Opernstiftung ja auch für die Theater machen, naja, man hätte sich ja mal unterhalten können.“ Doch der Kultursenator habe die Zeit mit Beruhigungsreden vertrödelt, anstatt mit diesem und jenem zu reden, wie man es denn anstellen könne. „Sparen erfordert Aufgabenkritik, sachgerechte Analyse und Konzept. Das alles fehlt. Jetzt hat er den Schlamassel.“ Flierl plädiert für ein Moratorium. Man müsse Zeit gewinnen. „Ich bin nicht der Meinung, dass man ein Budget nicht kürzen kann, aber das muss man natürlich durchdenken.“ Kurzum: Kürzungen sind möglich, aber man muss es intelligent machen und nicht mit der Rasenmähermethode.

    Thomas Flierl hat eine besondere Beziehung zur Komischen Oper

    Wie viele Ost-Berliner hat auch Thomas Flierl eine besondere Beziehung zur Komischen Oper. Aus der Ostgeschichte ist unter seiner Ägide dann eine Ost-West-Geschichte geworden – durch die Verbindung der Häuser in der Opernstiftung. Tags darauf schreibt er uns dazu in einer Mail: „Bei der Ost-West-Geschichte der Komischen Oper müssen Sie unbedingt Walter Felsenstein und Götz Friedrich erwähnen! Letzterer ging in den Westen und prägte und erneuerte die Deutsche Oper im Sinne von Felsenstein. Die Stadt war schon vor Maueröffnung Ost-West geprägt! Das darf man nicht zerschlagen.“

    Thomas Flierls Appell geht zum Schluss unseres Telefonats an das Abgeordnetenhaus: „Zu meinen, man könne sich den teuren Ausbau der Komischen Oper sparen und danach noch eine Komische Oper haben – das wird wohl nicht sein. Das ist so dramatisch gekoppelt, dass die Abgeordneten das hoffentlich vor Weihnachten noch einsehen. Meine Empfehlung: Die für den Interimsbetrieb notwendigen Mittel gewähren und für das Bauprojekt die Mittel zusagen – meinetwegen nach einer kritischen Bedarfsanalyse.“

    Donnerstagabend in der Komischen Oper im Schillertheater: Gegeben wird Stephen Sondheims Musical „Sweeney Todd“, Regie Barrie Kosky, auf der Bühne steht Dagmar Manzel als Pie-Bäckerin Nellie Lovett, die aus den Opfern des Serienmörders Sweeney die besten Fleischpasteten der Stadt macht.

    Im Foyer kann man fragen, wen man will, vom Baustopp wissen alle. „Warum hat Berlin nur Schulden, warum hat man nie Geld zurückgelegt“, fragt ein Mann, der mit seiner Frau vor dem Schillertheater steht. Er gehe seit seinem Umzug aus Thüringen 1964 in die Komische Oper, schwärmt von den Felsenstein-Inszenierungen. Dass der Baustopp das Ende bedeuten könnte, „das glauben wir auch“.

    . Die Komische Oper in Mitte ist von einem Bauzaun umgeben.Benjamin Pritzkuleit/Berliner Zeitung

    Besucher der Komischen Oper: „Wollen wir nur noch arm sein?“

    Ein Besucher mit Schiebermütze ist im Foyer mit dem Chef des Abenddienstes im Gespräch. Er fragt nach den Inszenierungen in der kommenden Spielzeit und outet sich dann als jemand, der mehrmals im Monat in die Komische Oper kommt. Er redet sich schnell in Rage: „Womit funkelt Berlin, wenn nicht mit der Kultur? Wollen wir nur noch arm sein, auch arm im Geiste?“ Er kommt extra nochmal zurück: Die CDU habe es immer gut gemeint mit der Kultur, ihr Agieren jetzt sei ein Zeichen für die Verwahrlosung dieser Generation von Politikern. „Und das ist parteiübergreifend.“ Und zuletzt: „Ich würde Chialo und Wegner gerne mal treffen und ihnen meine Worte in die Fresse hauen.“ Ein Besucher neben der Garderobe sagt: „So haben wir uns die Zeitenwende nicht vorgestellt.“

    Schaut man sich im Foyer um, scheint einem nichts abwegiger, als die Existenz dieses Hauses aufs Spiel zu setzen. Das Publikum ist gemischt, Junge, Alte, man hört Englisch, Schulklassen sind darunter, die Vorstellung ist auch an diesem Wochentag so gut wie ausverkauft, während der Vorstellung äußert sich die Begeisterung in Szenenapplaus. Das Messer, das der Barbier Sweeney Todd seinen Kunden an die Kehle setzt, hat in diesen Zeiten große Symbolkraft.

    Grafik: Berliner Zeitung. Quelle: Sparliste des Berliner Senats

    Bildstrecke

    Die Komische Oper, in der Behrenstraße 2023, kurz vor Beginn der Sanierung.Schoening/imago

    Das Intendanten-Team der Komischen Oper Susanne Moser und Philip BrökingBenjamin Pritzkuleit/Berliner Zeitung

    Die Komische Oper, Eingang Behrenstraße: Ein Bauzaun umgibt das Gebäude.Benjamin Pritzkuleit/Berliner Zeitung

    Das Schiller-Theater in Charlottenburg ist die Ausweichbühne für die Komische Oper. Fabian Sommer/dpa

    Blick in das Treppenhaus an einem Musiktheaterabend mit Katharine Mehrling. Jan Windszus/Komische Oper

    2022 Regula Lüscher, Senatsbaudirektorin, spricht zum Ergebnis des Realisierungswettbewerbs „Umbau und Erweiterung Komische Oper Berlin“ Britta Pedersen/dpa

    Barrie Kosky, 2017. Damals war er der Intendant und Chefregisseur der Komischen Oper. Paul Zinken/dpa

    Blick in den Zuschauerraum der Komischen Oper in Berlin im Jahr 2009. Tim Brakemeier/dpa

    Die Komische Oper Berlin im Jahr 2006. Soeren Stache/dpa

    Komische Oper Berlin: Szene aus der Inszenierung „Sommernachtstraum“, 1961 Arkiv/imago

    Berlin-Mitte, Blick auf die Friedrichstraße und das erste Gebäude der Komischen Oper, 1935 imago

    Eine Szene aus „Zieh Dich Aus“ an der Komischen Oper, Berlin, 1928 Gemini Collection/imago

    Theater Unter den Linden i.e. Metropol Theater, Komische Oper, Berlin in den 20er jahren piemags/imago

    #Berlin #Mitte #Behrenstraße #Unter_den_Linden #Glinkastraße #Kultur #Musik #Theater #Oper #Politik #CDU #Austerität #Geschichte

  • Die Ackerstraße als Loch
    http://www.zeno.org/Literatur/M/Tucholsky,+Kurt/Werke/1931/Zur+soziologischen+Psychologie+der+L%C3%B6cher Meyers Hof


    https://de.m.wikipedia.org/wiki/Meyers_Hof

    Das Loch ist der Grundpfeiler dieser Gesellschaftsordnung, und so ist sie auch. Die Arbeiter wohnen in einem finstern, stecken immer eins zurück, und wenn sie aufmucken, zeigt man ihnen, wo der Zimmermann es gelassen hat, sie werden hineingesteckt, und zum Schluß überblicken sie die Reihe dieser Löcher und pfeifen auf dem letzten. In der Ackerstraße ist Geburt Fluch; warum sind diese Kinder auch grade aus diesem gekommen? Ein paar Löcher weiter, und das Assessorexamen wäre ihnen sicher gewesen.
    ...
    Manche Gegenstände werden durch ein einziges Löchlein entwertet; weil an einer Stelle von ihnen etwas nicht ist, gilt nun das ganze übrige nichts mehr. Beispiele: ein Fahrschein, eine Jungfrau und ein Luftballon.

    Aus: Kaspar Hauser, Zur soziologischen Psychologie der Löcher, Die Weltbühne, 17.03.1931, Nr. 11, S. 389, in: Lerne Lachen.

    Quelle: Kurt Tucholsky: Gesammelte Werke in zehn Bänden. Band 9, Reinbek bei Hamburg 1975, S. 152-154.
    Permalink:
    http://www.zeno.org/nid/20005819199

    Bernauer Straße (Abschnitt Mietshäuser und Meyers Hof)
    https://de.m.wikipedia.org/wiki/Bernauer_Stra%C3%9Fe#Mietsh%C3%A4user_und_Meyers_Hof

    Entlang der Bernauer Straße wurden eine Reihe gründerzeitlicher Wohnhäuser errichtet. Direkt hinter dem Lazarus-Krankenhaus entstand ab den 1870er Jahren eine der bekanntesten Berliner Mietskasernen, der sogenannte Meyers Hof, ein hochverdichteter Wohn- und Arbeitskomplex mit 257 Wohnungen und 13 Gewerbebetrieben mit Eingang an der Ackerstraße. Bis zu 2000 Menschen lebten in dem fünfgeschossigen Bau mit sechs Hinterhöfen. Meyers Hof gilt als extremes Beispiel für die damals mitunter sehr engen und einfachen Lebensumstände des Proletariats rund um die Bernauer Straße und in ganz Berlin.

    1904: Kindermord in der Ackerstaße
    https://www.berlin-chronik.de/3995

    Die Ackerstraße im Wedding (heute: Gesundbrunnen) war Anfang des vergangenen Jahrhunderts eine berühmte und berüchtigte Gegend. Vor allem arme Arbeiter, Tagelöhner, Arbeitslose und Prostituierte wohnten in den Mietskasernen, die bis zu sechs Hinterhöfe hatten. Oft mussten ganz Familien in einem Zimmer leben, Wasser und Toiletten gab es oft nur auf dem Hof. In einem dieser Häuser wohnte auch die 8‑jährige Lucie Berlin mit ihren Geschwistern. Ihre Eltern lebten davon, in der Stube Zigarren zusammenzurollen.

    Am 9. Juni 1904 verschwand das Mädchen im Treppenhaus spurlos. Zwei Tage später fanden Fischer in der Spree den Rumpf des Mädchens. Bei der Befragung der Nachbarn kam schnell Theodor Berger, der vorbestrafte Zuhälter einer Frau ins Visier der Polizei, der gesehen wurde, wie er mit einem Mädchen an der Hand das Haus verlassen hatte. Die Frau wohnte im gleichen Haus, wie die Familie.

    In den folgenden Tagen fanden sich auch der Kopf und die restlichen Körperteile des Mädchens in der Spree. Der verdächtige Mann machte mehrmals sich widersprechende Aussagen, zahlreiche Indizien sprachen für ihn als Mörder. In der Presse, die jeden Schritt der Polizei sowie den Prozess teilweise seitenweise dokumentierte, wurden Forderungen nach der Todesstrafe gestellt. Am 23. Dezember 1904 wurde Berger wegen Vergewaltigung und Totschlags zu 15 Jahren Zuchthaus verurteilt.

    Lucie Berlin wurde auf dem St. Elisabeth-Friedhof beerdigt, ebenfalls in der Ackerstraße, nicht weit entfernt von ihrer Wohnung. Der Trauerzug mit offenem Leichenwagen und einer voranschreitenden Musikkapelle zog vom Gerichtsmedizinischen Institut in der Hannoverschen Straße zum Friedhof, rund 1.000 Menschen nahmen daran teil.

    Der Mordfall der kleinen Lucie ist nicht nur bemerkenswert, weil er viele Menschen und Medien in Berlin sehr beschäftigte. Im Prozess wurde auch das erste Mal in einem Kriminalfall in Berlin die Bestimmung von gefundenem Blut berücksichtigt. Zwar konnte noch nicht die Blutgruppe bestimmt werden, aber es wurde festgestellt, dass es sich um menschliches Blut handelt. Der Täter hatte behauptet, es wäre Blut von einem Tier.

    #Berlin #Mitte #Wedding #Ackerstraße

  • Johanna und Eduard Arnhold Platz: Piazetta am Kulturforum in Berlin-Mitte trägt nun neuen Namen
    https://www.berliner-zeitung.de/news/johanna-und-eduard-arnhold-platz-piazetta-am-kulturforum-in-berlin-

    Allet neu macht der November. Nur das Foto zur Illustration passt nicht undcwird deshalb weggelassen. Es zeigt die Neue Nationalgalerie, die nicht am jetzt neu benannten Kulturforumsplatz sondern an Reichpietschufer, Potsdamer umd Sigismundstraße liegt.

    Etwas absurd ist die Angelegenheit schon. Lautete die Adresse der Museen bislang Matthäikirchplatz und verlieh ihnen damit Rsng und Namen im historischen und stadtgeographischen Kontext, sind sie nun durch elitäre Sektierer Berlin entrückt und in eine Kunstblase verrückt worden.

    Vielleicht besser so. Welcher Stino geht schon ins Museum. Adressen sind heute sowieso egal, die kennt ausser Nawis und Briefschreibern niemand mehr.

    5.11.2024 von Jule Damaske - Das jüdische Ehepaar Arnhold führte vor über einem Jahrhundert die wertvollste Kunstsammlung Deutschlands. Nun wurde ein Platz nach ihnen benannt.

    Die Piazzetta am Kulturforum in Berlin-Tiergarten ist am Dienstag nach Johanna und Eduard Arnhold umbenannt worden. Das jüdische Ehepaar Arnhold unterstützte während der Kaiserzeit und der Weimarer Republik Kunst, Kultur und Wissenschaft. „Mit der Benennung des Platzes werden künftig die Museen am Kulturforum – #Gemäldegalerie, #Kunstbibliothek, #Kupferstichkabinett und #Kunstgewerbemuseum – diese Adresse für ihren Besuchereingang führen“, teilte die Stiftung Preußischer Kulturbesitz (SPK) mit.

    Die Umbenennung erfolgte auf Wunsch einer bürgerschaftlichen Initiative, die sich zum Ziel gemacht hat, an das zivilgesellschaftliche Engagement von Jüdinnen und Juden in Deutschland und Berlin zu erinnern. „Die Arnholds waren bedeutende Kunstmäzene und Stifter der Deutschen Akademie Rom Villa Massimo“, heißt es in der Mitteilung. So galt die Kunstsammlung der Arnholds zu Beginn des 20. Jahrhunderts als die „wertvollste Privatsammlung moderner Kunst in Deutschland“. Der Unternehmer Eduard Arnhold war zudem an der Gründung der Kaiser-Wilhelm-Gesellschaft zur Förderung der Wissenschaften, der heutigen Max-Planck-Gesellschaft, und des Kaiser-Friedrich-Museumsvereins beteiligt.

    „Arnhold-Stipendium“ soll Arbeiten im Tiergartenviertel ehren

    Nachdem der Verein zur Erinnerung an Johanna und Eduard Arnhold e.V. auf die SPK zugekommen war, stellte die Stiftung als Eigentümerin der Fläche die nötigen Anträge beim Bezirksamt #Mitte. Die Kosten trug der Verein selbst. Für die nächsten zwei Jahre stiftet der Verein außerdem im Zusammenwirken mit den Staatlichen Museen zu Berlin ein „Arnhold-Stipendium“ für eine von den Staatlichen Museen kuratierte kunstwissenschaftliche Arbeit im thematischen Umfeld von Kunst und Kultur im Tiergartenviertel.

    „Die Geschichte Deutschlands und Berlins als Standort für Kunst und Kultur ist ohne Mäzene wie das Ehepaar Arnhold nicht vorstellbar“, sagte Claudia Roth (Grüne), Staatsministerin für Kultur und Medien. Sie waren prägend für das öffentliche Leben in Berlin – und durch die Stiftung der Villa Massimo in Rom auch weit darüber hinaus. Wenn wir heute diese Piazzetta nach dem Ehepaar Arnhold benennen, dann benennen wir sie stellvertretend nach all den jüdischen Mäzenen, deren Lebensleistung und Wirken durch die Nationalsozialisten ausgelöscht wurden.“

    #Berlin #Tiergarten #Reichpietschufer #Potsdamer_Straße #Sigismundstraße #Matthäikirchplatz #Kulturforum #Johanna-und-Eduard-Arnhold-Platz #Straßenumbenennumg

  • Berlin-Mitte: Potsdamer Platz im Niedergang – Verlust eines filmischen Kulturorts
    https://www.berliner-zeitung.de/kultur-vergnuegen/kino-streaming/berlin-mitte-potsdamer-platz-im-niedergang-verlust-eines-filmischen

    12.10.2024 von Claus Löser - Unser Autor ist der Meinung, dass wir es hier mit der bekannten Berliner Melange aus politischem Desinteresse, Kompetenzgerangel und purem Zynismus zu tun haben.

    „Irgendwo war hier doch der Potsdamer Platz ...“ – so raunte der 1933 aus Deutschland geflohene Curt Bois in Wim Wenders’ emblematischen Werk „Der Himmel über Berlin“ (1987) und tapste dazu über eine anonyme Brache. Damals konnte niemand ahnen, dass schon zwei Jahre später die Mauer fallen würde. Als dann genau hier, am 26. September 2000, das Museum für Film und Fernsehen eröffnet wurde, war nicht nur in der cineastischen Welt der Jubel groß. Hatte Curt Bois’ Suche ein gutes Ende gefunden?

    In der alten und neuen Hauptstadt Deutschlands schienen endlich die Chancen gegeben, die Narben von Krieg und deutscher Teilung heilen zu können. Dies geschah mit dem Potsdamer Platz und seinem „Filmhaus“ einerseits symbolisch-architektonisch. Gleichzeitig realisierte sich der Traum aber mithilfe der Sehnsuchtsmaschine Film auch ganz konkret. Erstmals sollte es eine kompakte Heimat für Geschichte und Gegenwart des deutschen Kinos geben. Museum, Abspiel und Ausbildung waren unter einem Dach gebündelt. Neben dem Filmmuseum zogen auch das legendäre Arsenal-Kino sowie mit der DFFB die älteste und berühmteste Filmhochschule (West-)Deutschlands in die Potsdamer Straße 2 ein. Mit der Berlinale kam im Umfeld noch alljährlich die Weihe eines international bedeutsamen Festivals hinzu.

    Das Ganze war gut gedacht. Aber es war nicht gut durchdacht. Knapp 25 Jahre später hat die kulturelle Wüste den Potsdamer Platz zurückerobert. Die jüngste Berlinale war an Traurigkeit jedenfalls kaum mehr zu überbieten. Internationale Gäste irrten durch die Betonschneisen auf der Suche nach einem Zentrum des Festivals. Es gab keins. Auf dem Mittelstreifen der Potsdamer Straßen verliert der „Boulevard der Stars“ schon länger seine Sterne, sie bröckeln einfach ab. Dass jetzt die drei wichtigsten Filminstitutionen den Standort verlassen, komplettiert das desolate Bild.

    Sowohl das Filmmuseum als auch Arsenal und DFFB ziehen noch bis Jahresende aus und werden zeitversetzt irgendwann andernorts wieder öffnen. Mit der Dreifaltigkeit von Museum, Kino und Studium ist es jedenfalls auf unabsehbare Zeit vorbei. Wie konnte es so weit kommen?

    Nachhaltig war das gesamte Projekt des Filmhauses plus Berlinale nie gedacht

    Wir haben es hier wohl mit der sattsam bekannten Berliner Melange aus politischem Desinteresse, Kompetenzgerangel und purem Zynismus zu tun. Schon längere Zeit ging von auslaufenden Mietverträgen, rasch wechselnden Eigentümern oder ungünstigen Versicherungen die Rede. Nachhaltig war das gesamte Projekt des Filmhauses plus Berlinale jedenfalls nie gedacht. Die Utopie des Filmhauses war offenbar auf Sand gebaut. Bei genauerem Hinsehen zeigt sich auch, dass sich die Krise schon längst in den Gebäudekomplex und sein Umfeld eingenistet hatte. Hinzu kommen mentale Erosionen. Man denke nur an das ewige Hickhack um den Posten der Berlinale-Leitung oder an die Tatsache, dass die DFFB über Jahre hinweg keine Direktion besaß.

    Filmmuseum und Arsenal stemmen sich jedenfalls wacker gegen die Eigendynamik des Niedergangs. Sie bieten trotzige Abschiedsprogramme. Den Anfang macht die Deutsche Kinemathek als Betreiber des Filmmuseums. Die 2000 Quadratmeter umfassende Ausstellungsfläche hat noch bis zum 31. Oktober geöffnet, in der letzten Woche bei freiem Eintritt. Danach werden die Exponate für lange Zeit nicht mehr in der gegenwärtigen Großzügigkeit sichtbar sein.

    Zwar gibt es mit dem E-Werk in Berlin-Mitte ein Ausweichquartier, doch auch dieses ist nur temporär bespielbar. Etwas genauere Zukunftsaussichten hat das Arsenal-Kino. Sein Spielbetrieb wird voraussichtlich noch im Laufe des Jahres 2025 im Weddinger „Silent Green“ wieder aufgenommen. Vor der Schließung läuft das Programm noch einmal zur Höchstform auf. Danach wird das Kino unter dem Motto „Arsenal on Location“ durch Berlin und weitere Städte nomadisieren. Das passt: Kino heißt Bewegung.

    Das Museum für Film und Fernsehen am Potsdamer Platz schließt zum 1. November, vom 24. bis 31. Oktober ist der Eintritt in die Ausstellungen frei. Das Kino Arsenal hat noch bis Mitte Dezember 2024 geöffnet, es verabschiedet sich mit einem kompakten Sonderprogramm.

    #Berlin #Mitte #Potsdamer_Straße #Kino #Filmhaus #Arsenal

  • „Whisky & Cigars“ in Berlin-Mitte : „Nun ist es so weit, auch uns geht die Puste aus“
    https://www.berliner-zeitung.de/mensch-metropole/whisky-cigars-in-berlin-mitte-nun-ist-es-so-weit-auch-uns-geht-die-


    Eva Sichelschmidt ist Schriftstellerin und seit 1997 Inhaberin von „Whisky & Cigars“. Laurenz Bostedt

    30 ans à Berlin en dix minutes de lecture. Comme le temps passe vite. Voici un texte d’une qualité rare. Pas de chance, l’histoire n’est pas "à suivre".

    Seul point négatif : le magasin se plie au boycott des cigares cubains. Il n’en propose pas dans son magasin en ligne. Pas étonnant, tu le fais tu es évincé de tous les systèmes de payement en ligne sous contrôle états-unien.
    https://maitrecigarier.com/blogs/journal/pourquoi-les-cigares-cubains-sont-ils-illegaux-aux-usa
    Enfin, leur webdesigner incruste ajax.googleapis.com. Ce n’est pas très sympa non plus.
    https://www.whiskyandpassion.com

    11.10.2024 von Eva Sichelschmidt - Ohne die Begegnung mit dem Dramatiker Heiner Müller hätte unsere Autorin wohl nie 1997 ein Geschäft für Whisky und Zigarren eröffnet. Kunden und Konsum haben sich gravierend verändert.

    In einem analog funktionierenden Land, in einer Stadt, die es schon lange nicht mehr gibt, galt der Handel mit Whisky in Kombination mit Zigarren noch als Clou. Die Idee entstand im Hochsommer 1997 auf einem Kinderspielplatz im Prenzlauer Berg. Ich war zu der Zeit arbeitslos, orientierungslos und hatte mir zur Gestaltung meiner beruflichen Zukunft einen Personal Computer zugelegt.

    Seitdem der gewaltige Turm mit dem schreibtischübergreifenden Bildschirm mein Wohnzimmer dominierte, hielt ich mich tagsüber lieber in der Küche und nachts am liebsten im E-Werk auf. Die Babysitterin meiner Tochter hatte ich an diesem Tag im Morgengrauen abgelöst. Ausgeschlafen und bester Stimmung verlangte die Zweijährige zum Frühstück nach „Brezelbrötchen“, den Laugenbrezeln, die wir immer in einer Bäckerei am Kollwitzplatz kauften.

    Der Buggy wurde mit Sandspielzeug beladen und los gings, auf High Heels, im Paillettenkleid. Gegenüber der Stehbäckerei gab es einen frisch überarbeiteten Kinderspielplatz. Die rostigen Schaukeln und aufregend gefährlichen DDR-Klettergerüste waren soeben den BRD-Architektenfantasien von behüteter Kindheit gewichen. Die Kleinen schubsten sich nun vom Mast eines turmhohen Piratenschiffs, oder langweilten sich auf einer stillstehenden Holzeisenbahn herum.

    Für erholungsbedürftige Mütter wie mich gab es Bänke im Baumstammdesign, breit genug, um ein Schläfchen darauf zu halten. Als ich wach wurde, stand die Sonne bereits senkrecht über uns und meine Tochter hatte im Sandkasten Bekanntschaft mit einem hübschen kleinen Mädchen und ihrer auffallend attraktiven Mutter gemacht. Die zwei formten am laufenden Band Sandkuchen, die mein Töchterchen mit weit ausholenden Schritten, ein Feldwebel in Miniaturformat, platt trat.

    Es war Liebe auf den ersten Blick. Auf den ersten sepiabraunen Blick durch meine Puck-die-Stubenfliege-große Sonnenbrille. Die Mutter, Perlenohrringe, aristokratisch verlotterte Barbourjacke, lud uns in einen vegetarischen Imbiss zum Mittagessen ein. Dort setzten unsere Töchter das Spiel aus dem Sandkasten fort und matschten vierhändig in einem Brokkoli-Auflauf herum. Unsere neuen Freundinnen waren herzerwärmend anarchiebegabt. Zum Abschied zückte die Mutter ihren Montblanc-Füller und kalligrafierte den Ort und Zeitpunkt des bevorstehenden Kindergeburtstags ihrer Tochter auf die Rückseite des Stanniolpapiers einer Zigarettenpackung. Eine Woche später stand ich vor einem Loft in Kreuzberg.

    Heiner Müller kippte einen großen Schluck Whisky in den Instantkaffee

    Bei Müller oder Meier klingeln, war mir aufgetragen worden, die breite Metalltür des Lofts stand jedoch weit offen. Am Ende des hallenartigen Raumes wiegte sich ein sehr weißes, kleines Mädchen, weißes Hemd, weiße Haut, weißes Haar auf einem Sofa mit ehemals weißem Überwurf zu der Titelmusik von „König der Löwen“ in den Hüften.

    Nach einer Weile öffnete sich die Tür zu einem angrenzenden Raum und ein kleiner Mann mit zurückgekämmtem Haar, breiter Stirn und schwarzer Brille erschien, leise vor sich hin hüstelnd. Eine dicke Zigarre zwischen den Fingern, winkte er uns freundlich zu. Irgendwoher kannte ich ihn, und auch er schien mich zu kennen, denn in den Instantkaffee, den er mir anbot, kippte er, ohne lange nachzufragen, einen großen Schluck J&B-Whisky. Von einer Geburtstagsfeier wusste er nichts, das sollte aber nichts heißen.

    Es dämmerte schon, als unsere neuen Freundinnen aufkreuzten. Anstelle einer Geburtstagstorte gab es trockene Algenblätter und statt noch mehr Kindern lauter whiskytrinkende und zigarrerauchende Nachtgestalten aus der Theaterszene oder auch nur aus der nächsten Kneipe.


    Der Dramatiker Heiner Müller im Jahr 1991, natürlich mit Zigarre Rolf Zöllner/imago

    Ohne die unverhoffte Begegnung mit dem Dramatiker Heiner Müller hätte ich wohl nie mit meiner Sandkastenbekanntschaft gemeinsam ein Geschäft für Whisky und Zigarren eröffnet, damals das erste seiner Art in Berlin.

    Denn kurz darauf mieteten wir für 600 Mark im Monat die abgerockten Räume des ehemaligen Heimatmuseums Mitte. Von Heiner Müller wussten wir lediglich, dass Tullamore Dew wie Katzenpisse schmeckte. Alles weitere Wissen um unser zukünftiges Warensortiment rauchten und tranken wir uns an. Schließlich bestellten wir ein paar Kisten schottischen Single Malt, den wir am liebsten mochten, die Sorte mit einem Geschmack nach Mullbinden, Asbest und Zahnarztbesuch, setzten uns in unserem Schaufenster vor ein Schachbrett und rauchten werbewirksam jeder eine Zigarre. Verirrte sich ein Kunde in unser Geschäft, spielten wir Kaufmannsladen – was darf’s denn Schönes sein? Als Kasse diente uns eine leere Zigarrenkiste.

    Im wilden Osten herrschte damals Goldgräberstimmung. Bald schon sorgte die New Economy für Umsätze, denn deren Gründer, so munkelte man, würden sich die Cohiba mit Geldscheinen anzünden. Als die Blase platzte, ahnten wir noch nicht, dass niemand, der in Berlin-Mitte Handel betrieb, vom Kunsthandel einmal abgesehen, auf eine Goldader stoßen würde.

    Berlin-Mitte, das hatte einmal den Ruf eines Clubs, für den man sich den Einlass mühsam erarbeiten musste, wenn man mitmischen, angesagte Künstler sehen und selbst gesehen werden wollte. Dabei bewegte man sich oft in recht schnell wechselnden Kulissen. Aus dem Obst-und-Gemüse-HO war über Nacht eine Kneipe geworden. Wo bis eben noch eine Metzgerei in halbleeren Schaufenstern ihre Schweinehaxen feilbot, führte ein Künstler jetzt seine Performance auf. Die Werkstatt, in der jahrzehntelang alte Regenschirme neu bezogen wurden, war plötzlich ein angesagter SM-Club, in dem sich Menschen aus Ost und West unter Lichtblitzen nackt auszogen.

    Geld war nicht das Wichtigste, die Hauptsache war der Spaß. Es ging um ungewöhnliche Begegnungen, es ging darum, Leute kennenzulernen, Kontakte zu machen. Und eines Tages etablierte sich sogar einen Stammtisch der Handeltreibenden, in einem Restaurant, das seiner alten Bestimmung gemäß immer noch Modellhut hieß. Der Laden war zu DDR-Zeiten ein seriöses Hutgeschäft gewesen.


    Blick in das „Whisky & Cigars“ Eva Sichelschmidt

    Geschäft in „Berlins Montmartre“ muss man sich das leisten können

    Da ahnten wir noch nicht, dass Jahre später auch die meisten unserer Ladenschilder nur noch als romantische Reminiszenzen taugen würden. Der Investor, der Anfang der Zweitausenderjahre das Haus kaufte, in dem sich mein Laden befand, wollte die Miete um ein Zehnfaches erhöhen.

    „Wer in Berlins Montmartre ein Geschäft betreiben will, muss sich das leisten können“, meinte er leutselig. Als ihm mein Hund, eine Kreuzberger Promenadenmischung, seine polierten Reitstiefel beschnupperte, raunte der Mann wie Graf Dracula mit einem rollenden R: „Err rriecht, dass ich grrade von der Jagd komme.“

    Und schon kurz darauf war Berlin-Mitte aller Lebenssaft ausgesaugt.

    Der berühmte Abenteuerspielplatz für Spinner und Idealisten war da bereits voller Baukräne, die beim Errichten der Neubauten halfen, von denen einige heute längst wieder abgerissen sind. Aber im Hintergrund der stadträumlichen Umgestaltung, die damals immer noch einen Schwerpunkt auf den stationären Einzelhandel legte, vollzog sich bereits die große digitale Revolution, unsichtbar und lautlos für alle Beteiligten, und doch spürbar, dann auch für uns.

    Die Stammkunden verabschiedeten sich aus Berlin. In ihre Wohnungen zogen nun Städtereisende ein, die meisten nur tageweise, Passagiere der Billigflieger mit ihren Rollköfferchen, auf der Suche nach dem von der Reise-App diktierten Airbnb, einer der Unterkünfte, die es nun in den Hauptstädten Europas anzusteuern galt. Menschen, die mit dem Handy vor der Nase umhergingen und staunend die Gehwege und Fahrstraßen von Mitte bevölkerten. Wenn sich die Ladentür öffnete, war es nun häufig nur der Paketzusteller, der ein Amazon-Paket für die Nachbarn abgab.

    Da wir nicht aufgeben wollten, spielten wir das neue Spiel mit und rüsteten auf. Zunächst ging es darum, das Warensortiment zu erweitern, dann richteten wir uns auf, erfanden allerlei Events und Tastingabende zu den unterschiedlichsten Themen und legten uns schließlich auch einen Webshop zu. Die reinste Sisyphus-Nummer, egal was wir taten, wie wir uns auch bemühten, es diente am Ende doch immer nur dazu, uns an dem begehrten Standort zu halten, einfach wirtschaftlich zu überleben, während die Arbeit zunahm und ebenso die Kosten.

    Meine Sandkastenbekanntschaft war im Übrigen bereits zwei Jahre nach der Geschäftsgründung ausgestiegen. Sie hatte eine neue Freundin gefunden, eine ehemalige Popsängerin, die den Handel mit Alkohol und Nikotin als verwerflich geißelte. Damals habe ich noch gelacht, Bubbletea-Shops für Kinderkram gehalten und Shisha-Bars für reine Orient-Folklore.

    Ich erinnere mich noch, wie ich einmal für ein paar Monate in New England wohnte und den Müttern auf dem Elternabend meiner Kinder erzählte, was ich da in Berlin treibe – Handel mit Whisky und Zigarren. Allgemeines Entsetzen! Genauso gut hätte ich beichten können, für Geld nackt auf dem Tisch zu tanzen. Amerika, wir wissen es, war seiner Zeit schon immer voraus. Rausch und Klarheit, die Formel ist heute neu besetzt, die Auslagen der Kulturkaufhäuser sind übervoll von Entsagungsbüchern.


    „Schau mal, Whisky und Zigarren, das wäre was doch für Onkel Dieter“, sagen Passanten. Aber immer seltener kommt man dann zur Tür herein, um etwas für Onkel Dieter zu kaufen. Eva Sichelschmidt

    Doch die Tradition des Handwerks in Kombination mit Genuss erlebt schon lange wieder eine Renaissance. Überall wird Craft Beer gebraut, die junge weinbegleitete Spitzengastronomie war nie so innovativ wie heute, und die Jugend brennt Gin-Sorten und kreiert Berliner Whisky. Passanten, die an meinem Geschäft vorübergehen, höre ich häufig sagen: „Schau mal, Whisky und Zigarren, das wäre doch was für Onkel Dieter.“ Der Name des Onkels, des Verwandten, Freundes mag variieren, gleich bleibt sich jedoch, dass man, um dem Onkel ein Geschenk zu machen, immer seltener zur Tür hereintritt.

    So viel ist sicher, im Einzelhandel herrscht die postcoronale Tristesse. Die Pandemie scheint unser stets ungeduldiges Konsumverhalten endgültig auf klick and buy reduziert zu haben. Mit Fremden zu reden, Wünsche zu schildern, Entscheidungen im Gespräch mit der Verkäuferin, dem Verkäufer zu treffen, das Einkaufen in einem Geschäft, das Beratung und Service anbietet, erfordert auch natürlich vom Kunden einen Willen zur Präsenz. Aber wer will sie noch, die Präsenz?

    Babylon Berlin ist eine historische Lüge, und Emily aus Bottrop findet kein Paris

    Blaise Pascal hatte nicht gerechnet mit der Erfindung des World Wide Web. Selbst von dem Menschen, der ruhig in seinem Zimmer verharrt, kann inzwischen jede Menge Unglück ausgehen. Nie hat sich die Menschheit einsamer gefühlt als heute. Reisende aller Länder fallen in den Klagechor über die Gleichförmigkeit der Innenstädte der Metropolen ein, gleichzeitig werden hochoriginelle Kulissen für Instagram-Accounts gesucht.

    Babylon Berlin ist eine historische Lüge, und auch Emily aus Bottrop findet kein Paris vor, das dem der jüngsten Netflix-Serie entspricht. Längst wird auch in unserem Ladengeschäft mehr fotografiert als gekauft. Macht nichts, würde ich gern großzügig sagen, dann sind wir eben ein Museum geworden – doch nun ist es so weit, auch uns geht die Puste aus. Dabei haben wir noch Glück mit der Miete, die immer noch moderat ist, während die großen Ketten um uns herum aufgrund völlig überzogener Mietforderungen ihre Zelte abbrechen und kommen und gehen.

    Auch die besten Restaurants im Osten der Stadt damals in dieser Gegend, der Schwarze Rabe oder besagter Modellhut, hielten sich nur über kurze Zeit. Mit dem Untergang des Münzclubs hob das Clubsterben an. West-Berliner Veteranen trauern schon lange um traditionelle Orte, die das Leben einstmals lebenswert machten – um die Buchhandlung Kiepert, die Metzgerei Opitz, den Einkauf von Käse bei „Fuchs und Rabe“ und zuletzt über die Schließung des Restaurants Florian und die des Einstein-Stammhauses. Keine dieser messingpolierten Institutionen wird je wiederkommen.


    Fußgänger vor dem Café Schwarzer Rabe im Jahr 2007 Manja Elsässer/imago

    _Turn and face the strange, ch-ch-changes, , summe ich mit David Bowie vor mich hin.

    Unlängst erzählte mir ein Professor, von zwanzig 20-jährigen Studierenden der Germanistik hätte die Hälfte den Namen Heiner Müller noch nie gehört.

    Ich schaue mich um in meinem Geschäft und denke an die Schriftstellerlegende Alan Sillitoe, den einsamen Langstreckenläufer. Bei einer Lesung in unserem Laden holte er ein Morsegerät aus seiner Aktentasche hervor und was er morste, war die reinste Literatur. Ich denke an Abende mit Katja Lange-Müller, Max Goldt, Martin Mosebach, Monika Rink und vielen anderen, an die Partys, Tastings und die geselligen Runden. Vielleicht sind wir hoffnungslos romantisch, aber von gestern sind wir nicht.

    Ich kann mir nicht vorstellen, dass die KI unser soziales Miteinander vollends entbehrlich macht, und dass der Mensch der Zukunft all seine Bedürfnisse nur virtuell befriedigen wird. Befriedigen, allein das Wort macht mir schon Angst, ich hasse es. Sich befriedigen lassen …

    Wenn es aber doch so kommt, dann will ich mir ein Beispiel an dem Sex-Kaufhaus in Charlottenburg nehmen, deren Betreiber den Passanten auf der Straße ein Lächeln ins Gesicht zauberte, indem er bei der Geschäftsaufgabe ein Banner quer über die Ladenfront spannte: „War ’ne geile Zeit mit euch.“

    Eva Sichelschmidt ist Schriftstellerin, zuletzt erschien von ihr der Roman „Transimaus“ im Rowohlt-Verlag. Seit 1997 ist sie Inhaberin des Berliner Einzelhandelsgeschäfts „Whisky & Cigars“.

    #Berlin #Ptenzlauer_Berg #Kollwitzplatz #Mitte