Genau, bleibt bloß weg und überlasst den Könnern das Feld. Damit sind natürlich nicht die Post-Ortskundeprüfung-mäßigen Typen gemeint wie der „Kollege“ der gerade einen jungen Mann auf der Clayallee totgefahren und sich dann verdrückt hat.
28.6.2025 von Anne Vorbringer, Marcus Weingärtner, Enno Kramer, Manuel Almeida Vergara - Unfälle, Geschrei und Gefahr: Einige Kreuzungen in Berlin sind eine Bedrohung für Leib und Leben. Wir sagen, um welche Straßenecken man lieber einen Bogen macht.
Wirre Verkehrsführung, knappe Grünphasen, heilloses Durcheinander: Berlins Kreuzungen sind – wollte man es positiv ausdrücken – zuweilen recht komplex. Manche von ihnen rauben den Verkehrsteilnehmern den letzten Nerv, stellen eine Gefahr für Leib und Leben dar.
Zunächst ein Blick auf die offizielle Statistik. Der ADAC hat vor ein paar Monaten die unfallträchtigsten Kreuzungen der Stadt untersucht und dafür Zahlen aus der Polizeistatistik ausgewertet. Dabei kam heraus: Besonders besorgniserregend sind die Vorfälle am Schlesischen Tor, Innsbrucker Platz, Hauptbahnhof und Alexanderplatz, wo es in den vergangenen Jahren zu vielen schweren Unfällen gekommen ist.
Mit Abstand vorn liegt der Bereich rund ums Schlesische Tor in Kreuzberg: Im Bereich Bevern-, Oberbaum-, Oppelner, Schlesische, Skalitzer und Köpenicker Straße gab es im Jahr 2024 ganze 230 Unfälle mit Beteiligung von Autos. Aber auch anderswo müssen besonders Fußgänger und Radfahrer mit allem rechnen, wie unsere Beispiele zeigen.
1. Berliner Allee/Ecke alle: Wahnsinn in Weißensee
Der gesamte Berliner Nordosten ist ein verkehrspolitisches Desaster. Zu viele Autos, zu viele Menschen, zu wenig Platz. Wer einmal im Berufsverkehr in Pankow über die Romain-Rolland-Straße gefahren ist, möchte seinen Wagen auf der Stelle verschrotten. Leider steht der Bus im gleichen Stau, und auch zu Fuß oder mit dem Rad ist es nicht besser. Siehe Berliner Allee, wo sich seit Jahr und Tag nichts an der Situation bessert.
Welche Kreuzung hier die schlimmste ist? Suchen Sie sich eine aus; Sie werden immer richtig liegen. Der Abschnitt im Weißenseer Ortskern hat zwei Autofahrstreifen je Richtung, zwei Tramgleise, zwei Gehwege – aber keinen Radweg. Also müssen die Radler zwischen donnernden Schwerlastern, Bussen, Straßenbahnen und Pkw zusehen, dass sie nicht unter die Räder kommen.
Fußgängern ergeht es nicht besser: Wer jemals mit einem Kleinkind an der Hand versucht hat, an der Ecke Indira-Gandhi-Straße über die Fahrbahn zu kommen, der weiß, wie gefährlich man hier lebt. Anne Vorbringer
2. Vor der Volksbühne in Mitte: Kraken-Kreuzung aus der Hölle
Vor der Volksbühne gibt es eine Kreuzung, die sich wie ein Spiel aus der koreanischen Killer-Serie Squid Game ausnimmt: Wer’s nicht schnell genug schafft, der bezahlt mit dem Leben: Rosa-Luxemburg-, Weydinger- und Hirtenstraße bilden hier ein quasi unüberschaubares Dreieck des Todes.
Man muss sich viermal um die eigene Achse drehen, um sich auch nur einen kleinen Überblick über den von allen Seiten heranpreschenden Verkehr zu machen. Hinzu kommen zackig abbiegende Radfahrer, brüllende LKW-Lenker und dazu natürlich noch alles, was so dazugehört, sprich: Flüche, Beleidigungen und Schmähgesänge.
Das schwächste Glied ist wie immer der Fußgänger, der nur im wahrsten Sinne des Worte die Beine in die Hand nehmen kann, um so schnell wie möglich die Straße zu überqueren - keine Ampel, kein Zebrastreifen, rein gar nichts wurde hier unternommen, um ihn zu schützen, hier zählt allein die Darwinsche Überlebenstheorie Survival of the fittest, beziehungsweise Survival of the fastet. Marcus Weingärtner
3. Alexanderstraße/Otto-Braun-Straße: In diesem Spiel gibt’s nur Verlierer
Als Autofahrer hat man’s in Berlin ohnehin schwer. Überall gibt’s Stau, nirgendwo genügend Parkplätze, ständig wird man von allen Seiten angeblafft – von Radfahrerinnen, von Fußgängern, von anderen Autofahrerinnen und Autofahrern. „Road Rage“ nennt sich das Phänomen der angestauten Aggressionen, die sich im Straßenverkehr so richtig Bahn brechen.
Nirgends passiert das in Berlin öfter als an der Kreuzung Alexanderstraße/Otto-Braun-Straße, diesem Sinnbild der sinnfreien Straßenplanung: Wer aus Richtung Münzstraße kommt und rechts Richtung Alexa abbiegen will, muss sich auf einen gefährlichen Eiertanz einstellen: Vier Spuren hat die Straße hier, die Rechtsabbiegerspur wird von den anderen Fahrbahnen allerdings durch einen Radweg abgeschnitten.
Bedeutet in der harten Realität des Berliner Straßenverkehrs: Wer die Spur wechseln will, muss erstmal Dutzende Radfahrerinnen und Radfahrer vorbeiziehen lassen, während hinten die Autofahrenden, die geradeaus weiter düsen wollen, schon nervös hupen. Will man wiederum die Leute im Auto beruhigen und zieht zügig rüber nach rechts, klingeln und brüllen die Radlerinnen und Radler, die gerade aus weiterwollen. Ein gefährliches Spiel, in dem man es niemandem recht machen kann. Am besten, man meidet diese Katastrophen-Kreuzung ganz. Manuel Almeida Vergara
4. Bersarinplatz in Friedrichshain: Klingelingeling hier kommt die Eisenbahn
Als routinierter Autofahrer ist man im Berliner Verkehrsgewusel auf viele Situationen vorbereitet: Beim Rechtsabbiegen hält man Ausschau nach Fahrradfahrern von hinten, beim Linksabbiegen achtet man auf den gesamten Gegenverkehr. Am Bersarinplatz in Friedrichshain ist das nicht so einfach. Gerade für Ortsunkundige lauert hier eine Gefahr, mit der nur die wenigsten rechnen.
Wer vom Frankfurter Tor in Richtung Prenzlauer Berg fährt, hat es vielleicht schon einmal erlebt. Man fährt neben der Tramlinie 21 in den Kreisel, huscht gerade noch so über die gelbe Ampel und muss dann plötzlich stark bremsen. Die Tram bimmelt, als gäbe es kein Morgen mehr, und biegt dann selbstverständlich über beide Fahrspuren in den Weidenweg ein. Den Autofahrer warnt lediglich ein Vorfahrtsschild. Keine Ampel, keine Schranke. Um Haaresbreite lässt sich meist noch die Karambolage vermeiden.
Hinzu kommt, dass die Petersburger Straße seit einigen Monaten bis zur Landsberger Allee nur noch einseitig befahrbar ist und sich langsam aber sicher zur nervtötenden Dauerbaustelle entwickelt. Statt der neuen Streckenführung zu folgen, stellen unsichere Autofahrer hier also noch die Umleitung in den Gegenverkehr infrage: Plötzlich bremsen sie stark – und ehe man sich versieht, hängt man im Kofferraum des Vordermanns. Dass sich am Bersarinplatz nicht öfter das Blech biegt, grenzt an ein Wunder. Enno Kramer