• Listeningbars: Wie hippe Berliner und unbequeme Designermöbel mir den Spaß am Musikhören nehmen
    https://www.berliner-zeitung.de/mensch-metropole/listeningbars-wie-hippe-berliner-und-unbequeme-designermoebel-mir-d

    1.12.2024 von Johann Voigt - Niemand hört mehr richtig zu, Musik verschwimmt zum Hintergrundrauschen. Berliner Listeningbars wollen das ändern – aber das Publikum kann anstrengend sein.

    Irre Stimmen dringen aus den Klipsch-Cornwall-Lautsprechern in den Raum hinein. Die Betonwände sind unverputzt, karg und grau. Sperrige Holzstühle stehen vor sperrigen Holztischen und alle Menschen im Raum haben ihren Blick ernst auf die Musikanlage gerichtet. Es wirkt wie ein Ritual. Der Raum sieht aber auch ein wenig so aus, als hätte Marie Kondō hier aufgeräumt und ein skandinavischer Interieur-Designer seine Finger im Spiel gehabt. Was ist das für eine Welt?

    Die beiden Lautsprecher kosten so viel wie ein Gebrauchtwagen und sind in einem Holzregal drapiert, darunter stehen Platten und Bücher. Die Lautsprecher sind das Herz der Migas Listeningbar in Wedding – und das Herz hat gerade angefangen zu schlagen.

    Ich sitze also an einem Donnerstagabend mit ein paar Freunden im überfüllten Migas. Gerade redeten hier noch alle wild durcheinander, tranken Wein, aßen Käse. Es ging darum, wer wen kennt, um Business, aber kaum um Musik. Dann ein letztes Husten und Räuspern, ein letztes Gläserklirren, es wird still. Und dann diese Stimmen, die in kurzen Intervallen erklingen. Sie sind Teil eines Stücks der amerikanischen Experimentalmusikerin und Akkordeonspielerin Pauline Oliveros.

    Das Migas in der Nähe des S-Bahnhofs Wedding gibt es seit knapp einem Jahr. Ziel ist, dass Menschen sich wieder mehr Zeit nehmen für Musik. Eine Erfahrung des intensiven Zuhörens. Ausgewählte Musik läuft über eine besonders gute und besonders teure Anlagen. Das kann von einem Album der Metalband Black Sabbath oder der Soulsängerin Erykah Badu bis zu Bach-Violinkonzerten alles sein. Oft führt ein Kenner durch den Abend. Wer Teil dieser Erfahrung sein will, muss schweigen – und sich im besten Fall noch ein kleines Bier für fünf Euro kaufen.

    Musik funktionierte nur noch als Fast Food

    Genau das, was ich brauche, dachte ich, und meine Freunde dachten das auch. Wir alle haben lange als Musikjournalisten gearbeitet oder selber Musik produziert, tauschen uns immer noch jede Woche über neue Releases aus. Aber die Art des Musikhörens hat sich verändert. Als Vinyl ein Revival erfuhr, machte ich mit, kaufte mir mit 16 Jahren einen Plattenspieler und gab extrem viel Geld für Platten aus. Ich saß stundenlang alleine oder mit Freunden im Zimmer und hörte zu. Mittlerweile ist der Plattenspieler verstaubt.

    Ich erwische mich jeden Freitag dabei, wie ich bei Spotify durch Hunderte Songs doomscrolle. Ich höre ein paar Sekunden hin, klicke weiter, favorisiere einige Songs, sammle sie in Playlisten, höre mir diese Playlisten nie wieder an. Die Zeit, aber vor allem die Konzentration, um ein Album von vorne bis hinten zu hören, habe ich selten. Das macht mich traurig.

    Ist Musik, frage ich mich, wirklich nur noch ein Hintergrundrauschen? Nur noch ein funktionaler Stimmungsaufheller in Clubs? Ein Mittel für soziales Erleben bei Konzerten? Haben wir es verlernt, Musik zu hören, ohne dabei etwas anderes zu tun?

    Ich erinnere mich an eine transzendentale Erfahrung. Wir lagen auf dem Teppich in meinem WG-Zimmer, das neue Album „Faith in Strangers“ des Musikers Andy Stott lief auf Platte durch. Wir hatten unsere Augen geschlossen, lagen da wie gelähmt, niemand sagte ein Wort. Es gab ein Gefühl der Verbundenheit durch das bloße Zuhören. Nichts anderes als diese Erfahrung erwarte ich mir jetzt auch in der Migas Listeningbar.

    Überhaupt, Listeningbars, eigentlich ein Konzept, das im Japan der 50er Jahre populär war. Sie etablieren sich gerade in Berlin. Als ein weiterer Versuch, ein kollektives Innehalten in einer hektischen, lauten Stadt zu provozieren. Eine Art Achtsamkeitsübung. Yoga, Meditation, Listeningbar. 2017 eröffnete das Rhinocéros in Prenzlauer Berg, wenig später das Neiro in Mitte und das Unkompress in Neukölln. Natürlich waren London und New York noch etwas früher dran als Berlin. Und jetzt wird auch im Migas zugehört.

    Hier ist es karg und kühl, denke ich, kurz bevor ein Mann in schwarzem Rollkragenpullover hinter die Plattenspieler tritt und das erste Stück von Pauline Oliveros anspielt. Es gibt keine Teppiche, keine Sessel, nur diese unbequemen Holzstühle. Die Menschen, die hier sitzen, sprechen überwiegend Englisch, legen viel Wert auf Kleidung, sehen nicht so aus wie die Nerds bei nischigen Experimentalmusik-Konzerten. Es herrscht eine angespannte Stimmung. Eine Frau zeichnet geistesabwesend auf einem Tablet.

    „Wir könnten auch in New York Bushwick sein“, sagt ein Freund. Wer die Codes nicht kennt und bedienen kann, fällt hier auf, denke ich, und mir kommt „Die feinen Unterschiede“ von Pierre Bourdieu in den Sinn. Je nach sozialem Status haben Menschen ihren eigenen Habitus. Geschmack ist nichts Angeborenes, weder bei Mode noch bei Musik.

    Gut aussehen ist wichtiger als zuhören

    Und hier im Migas, da geht es an diesem Abend sehr viel um Geschmack und Status. Um eine angestrengte Selbstpräsentation einer urbanen Boheme, die sich teure Kleidung leisten kann. Ich bekomme das Gefühl, dass viele hier gar nicht gekommen sind, um wirklich zuzuhören. Sondern nur, um später sagen zu können, dass sie da gewesen waren. Ich glaube nicht, dass Pauline Oliveros das gefallen hätte. „Deep Listening, intensives Zuhören, war für sie eine Form des Aktivismus“, erklärt der Mann hinter dem Plattenspieler zwischen zwei Stücken. Heute im Migas ist Deep Listening vor allem eine Form der Selbstdarstellung.

    Zwei Songs vor Schluss verschwinden wir enttäuscht aus dem Migas und gehen in die Kneipe Magendoktor um die Ecke. Hier ist die Musik scheiße, das Bier kostet weniger als die Hälfte, und ein buntes Potpourri an Menschen schreit durcheinander. Geschmäcker aller Klassen treffen aufeinander.

    „Die Musik war gut, aber der Ort war klaustrophobisch und hat einem das Gefühl gegeben, hier nicht hinzugehören“, sagt einer meiner Freunde. Dann erwähnt er einen Bekannten, der eine Woche zuvor im Migas war. Es lief „OK Computer“ von Radiohead, und er war so ergriffen, dass er eine Google-Bewertung schrieb:

    „Gestern Abend im Migas eine intensive Erfahrung gemacht. (…) Es wurde mein absolutes Lieblingsalbum ‚OK Computer‘ von Radiohead gespielt. Und ich habe es seit seiner Veröffentlichung Tausende Male gehört. Und dennoch war es für mich wie ein erstes Mal. So intensiv war diese Erfahrung. So tief gingen die 12 Arrangements in die Ohren bis hin zur Seele. Es war wie eine Zeitreise ins Jahr 1997 und ich musste weinen und hatte fast eine Stunde lang eine gehörige Gänsehaut. Es war einfach beeindruckend und unvergesslich.“

    Das ist sie, die transzendentale Erfahrung. Ich habe so sehr auf die anderen Gäste geachtet, dass ich sie verpasst habe. Ich werde den Plattenspieler anschließen, Deep Listening trainieren und wiederkommen.

    #Berlin #Wedding 12347 #Lindower_Straße 19 #Gastronomie #Musik

  • Barrie Kosky zum Baustopp: „Die CDU bestraft die Komische Oper auch für ihre DDR-Geschichte“
    https://www.berliner-zeitung.de/kultur-vergnuegen/barrie-kosky-zum-baustopp-die-cdu-bestraft-die-komische-oper-auch-f

    Die Sanierungsarbeiten in der Komischen Oper haben bereits begonnen, doch nun droht der Baustopp.Collage mit Fotos von Jan Windszus und Imago

    Kennt ja jetzt schon keena mehr, liegt aber nicht an die Opa.

    30.11.2024 von Susanne Lenz - Inkompetenz, Ignoranz, Lügen – all das wird Politikern der CDU vorgeworfen, wenn man nach dem drohenden Baustopp für die Komische Oper fragt.

    Es geht um zehn Millionen, und das Geld ist knapp. Zehn Millionen, die über Leben und Tod eines Theaterhauses in Mitte entscheiden könnten, die Komische Oper in der Behrenstraße, die 2023 ins Schillertheater in Charlottenburg umgezogen ist. Vorübergehend, damit das Haus in Mitte saniert werden kann. Dort fiel bereits der Stuck von der Decke. Zehn Millionen aus dem Bauetat des Landes Berlin. Zehn Millionen, die der einstige Intendant der Komischen Oper Barrie Kosky als Krümel bezeichnet.

    „Es sind Krümel!“ Barrie Kosky ruft diesen Satz ins Telefon. „Diese zehn Millionen Euro für die Vorbereitung des Weiterbaus sind im Drei-Milliarden Sparmaßnahmenpaket nur Krümel!“ Doch diese zehn Millionen bedeuten den Baustopp.

    Nur vorläufig, nur zwei Jahre, wie der Kultursenator Joe Chialo (CDU) versichert, nachdem er sich vor ein paar Wochen noch, nach einer Premiere der Komischen Oper, für seine Ankündigung bejubeln ließ, es werde keinen Baustopp geben. Ein Versprechen, dem sich auch der Regierende Bürgermeister Kai Wegner anschloss. Ein Versprechen, das null und nichtig sein könnte, wenn das Abgeordnetenhaus den Sparetat bestätigt. Vor Weihnachten soll das noch passieren.

    Der aus Australien kommende Barrie Kosky war zehn Jahre lang Intendant und Chefregisseur der Komischen Oper, er hat das Haus weltweit noch bekannter gemacht. Unter seiner Leitung wurde es mehrfach ausgezeichnet, als Opernhaus des Jahres und mit dem International Opera Award. Bis heute ist Kosky eng mit der Komischen Oper verbunden, mit zwei Inszenierungen pro Spielzeit.

    Barrie Kosky: „Ich habe noch nie so eine entsetzliche Wut gefühlt“

    Wir erwischen ihn in Amsterdam, in einer Probenpause. Die Niederländische Nationaloper hat seine „Fledermaus“ von der Bayerischen Staatsoper in München übernommen, Anfang Dezember ist Premiere. Barrie Kosky ist in Rage: „Meine Grundstimmung im Moment ist brennende Wut über die dilettantische, unverantwortliche Unprofessionalität dieser Regierung. Ich habe noch nie in meinem Leben so eine entsetzliche Wut gefühlt, und ich mag dieses Gefühl nicht.“

    Barrie Kosky: „Die CDU träumt schon lange davon, nur zwei Opernhäuser in Berlin zu haben.“ Paulus Ponizak/Berliner Zeiimago

    Denn es geht nicht einfach um zwei Jahre, in denen die Bauarbeiten in der Behrenstraße ruhen. Seit das Gerücht mit dem Baustopp im Sommer aufkam, werden Susanne Moser und Philip Bröking, die Co-Intendanz der Komischen Oper, nicht müde zu erklären, was das Problem damit ist: Es ist die Kostenexplosion, die durch die Verzögerung verursacht wird, durch steigende Baukosten, die Kosten für die Interimslösung. „Ein Baustopp von zwei Jahren führt zu einer Verzögerung der Fertigstellung um mindestens vier Jahre! 10 Millionen Euro werden gespart, es werden Mehrkosten von etwa 250 Millionen Euro verursacht. Das ist ein Skandal!“ Man könnte es auch einen Schildbürgerstreich nennen, wird sich doch das kleine Loch, das man jetzt zu stopfen meint, in ein paar Jahren vergrößert haben. Und womöglich bedeutet es den Tod der Komischen Oper auf Raten. Denn wo soll das Geld in zwei Jahren herkommen, mit dem die inzwischen viel teurer gewordene Sanierung weitergehen kann? Und auf Dauer im Schillertheater bleiben? „Dann bluten wir aus, künstlerisch, finanziell.“ Es wäre das Ende.

    Für Barrie Kosky ist die Sache glasklar: „Die CDU will die Komische Oper schließen. Das muss auf den Tisch. Sie lügen, wenn sie sagen, dass sie das Haus in der Behrenstraße erhalten wollen! Ich denke, dass der Finanzsenator Evers und auch andere in der CDU schon lange davon träumen, nur zwei Opernhäuser in Berlin zu haben. Die Deutsche Oper im Westen und die Staatsoper Unter den Linden im Osten. Und die Komische Oper wird bestraft: für ihren Erfolg, für ihre DDR-Geschichte, dafür, dass dieses kleine Haus für Diversität und Vielfalt sorgt. Dass sie jetzt sagen, die Komische Oper sei ihnen wichtig, das ist Bullshit.“

    _Zwei Jahre Baustopp würden zu viel höheren Sanierungskosten führen.C ollage mit Fotos von Benjamin Pritzkuleit/Berliner Zeitung und Jan Windszus

    Vor einer Woche hat sich Kosky mit einem Brandbrief an die Öffentlichkeit gewandt. Er schrieb von der jüdischen Geschichte des Gebäudes, an dem die jüdischen Operettenkomponisten und Operettenstars des 20. Jahrhunderts wirkten. Eine Geschichte, die mit den Nazis 1933 endete und die er mit seinen Inszenierungen wieder zum Leben erweckt hat. „Niemand glaubt daran, dass am Ende eines vorläufigen zwei- oder dreijährigen Baustopps die Sanierung der Komischen Oper tatsächlich noch abgeschlossen wird.“ Seitdem bekomme er Anrufe aus der ganzen Welt: „Die ganze Opernwelt ist empört. Und alle fragen: Was können wir tun?“ Momentan nicht viel, sage er ihnen.

    Die Komische Oper in Mitte ist ein Juwel der Ost-Berliner Nachkriegsmoderne

    Das Haus in der Behrenstraße, es wurde 1882 eröffnet. Ein paar Jahre später zog das Metropoltheater ein, dieses von jüdischen Künstlern geprägte Operettentheater. Nachdem die Nazis das Haus geschlossen hatten, wurde es im Krieg schwer beschädigt und war dann eines der ersten Häuser, die in Ost-Berlin wieder aufgebaut wurden. 1947, zwei Jahre vor Gründung der DDR, begann mit dem österreichischen Regisseur Walter Felsenstein die Geschichte des Gebäudes als Komische Oper.

    In den Sechzigerjahren machte der Architekt Kunz Nierade aus dem Opernhaus das, was es heute ist: ein Juwel der Ost-Berliner Nachkriegsmoderne, mit dem historischen Opernsaal im Neorokokostil als Zentrum des Hauses. 60 Jahre wurde nichts daran gemacht. Nun sollte es nach jahrelanger Planung und einem Architektenwettbewerb saniert und erweitert werden, für knapp 500 Millionen Euro. Seit Monaten ist das Haus von einem Bauzaun umgeben, die Stufen hoch zum Eingang sind aufgehackt, Wandpaneele in der Fassade fehlen. Mit der Spardebatte im Hinterkopf wirkt es schon jetzt wie eine Bauruine.

    Zurück nach Amsterdam: Barrie Kosky ist noch nicht fertig. Er kommt auf die geplanten Kürzungen im Kulturetat zu sprechen: 130 Millionen ab 1. Januar. Niemand im Kulturbereich sei der Auffassung, dass die Kultur nicht sparen muss, wenn alle anderen Bereiche sparen müssen. „Wir sind alle Bürger dieser Stadt, Teil der Gesellschaft. Wir sagen nicht, spart bei den Schulen, den Krankenhäusern, aber nicht an der Kultur. Das ist nicht unsere Haltung. Wir sind nur schockiert, dass wir so eine massive Kürzung binnen so kurzer Zeit stemmen sollen. Es gab keine Vorwarnung, keine Zeit. Diese Kurzfristigkeit ist unverantwortlich, das schockiert uns alle. Diese Kürzungen sind zu hart und in vielen Fällen für die Kultureinrichtungen existenzbedrohend.“

    Und noch etwas. „Wenn andere Bundesländer sehen, wie einfach es ist, bei der Berliner Kultur zu sparen, dann machen sie es nach. Das ist Selbstzerstörung von Identität, von der Seele des Landes. Grotesk!“

    Blick ins Foyer der Komischen Oper in der Behrenstraße: ganz vorne die „Pusteblume-Lampe“. Collage mit Foto von Jan Windszus

    Angela Merkel erwähnt die Komische Oper bei der Vorstellung ihrer Memoiren

    Die Komische Oper spielt auch am Dienstagabend im Deutschen Theater eine Rolle, als Angela Merkel ihre Memoiren vorstellt. Dass die einstige Kanzlerin ausgerechnet eine Passage vorliest, in der sie die Komische Oper erwähnt, ist womöglich Zufall, aber frappierend: „Einmal im Jahr fuhr meine Familie nach Berlin ins Theater. Hilmar Thate als Richard III. im Deutschen Theater und die Aufführung von ‚Der Fiedler auf dem Dach‘ in der Inszenierung von Walter Felsenstein in der Komischen Oper werden mir immer in Erinnerung bleiben.“ Diese Theaterbesuche bedeuteten ihr viel: „Meine Eltern hatten alles darangesetzt, für mich und meine Geschwister Schutzräume zu schaffen, so habe ich es empfunden. Dafür werde ich ihnen immer dankbar sein. Ich hatte eine glückliche Kindheit.“ Einer der Schutzräume war die Komische Oper.

    Dagmar Manzel weiß genau, was Angela Merkel meint: „Absolut“, sagt sie. Die Schauspielerin tritt seit 20 Jahren in der Komischen Oper auf, sie ist einer der Stars des Hauses, hat hier eine zweite Karriere als Sängerin gemacht: „Ball im Savoy“, „Anatevka“, „Perlen der Cleopatra“, „Eine Frau, die weiß, was sie will!“. Auch Dagmar Manzel ist auf hundertachtzig angesichts von Baustopp und Kulturkürzungen.

    Am Telefon setzt sie zu einem Monolog an, der an das anknüpft, was Angela Merkel gesagt hat, denn: „Das wurde überhaupt noch nicht besprochen, und darüber rege ich mich maßlos auf: Es war das Haus, der Ort für Musiktheater zu DDR-Zeiten. Das war nicht nur Felsenstein, das war auch Harry Kupfer, der einen Jochen Kowalski zum Megastar gemacht hat. Da waren fantastische Regisseure, die einzigartigen Chorsolisten, das tolle Orchester, die mich in meiner Jugend geprägt haben. Kein Haus hatte zu DDR-Zeiten so eine weltweite Ausstrahlung. Es ist der Geburtsort des Musiktheaters. Felsenstein hat eine Revolution angezettelt, indem er dafür sorgte, dass die theatrale Seite einer Opernaufführung genauso wichtig genommen wird wie die musikalische. So wie damals von Felsenstein erfunden, wird heute in ganz Europa Oper gezeigt. Mit der Komischen Oper in der Behrenstraße würde nicht nur DDR-Geschichte, sondern auch Operngeschichte vernichtet.“

    Es geht Dagmar Manzel also nicht nur um die DDR-Vergangenheit, sie spricht auch davon, was in den letzten 20 Jahren alles erreicht wurde in den Intendanzen von Andreas Homoki und Barrie Kosky. „Die Komische Oper Berlin hat wieder eine Vorbildfunktion für die halbe Opernwelt in Europa. Kein Haus hat es so wie sie geschafft, alle Bevölkerungsschichten für Musiktheater zu interessieren. Nirgendwo ist das Publikum so bunt wie hier. Nirgendwo gibt es regelmäßig Kinderoper auf der großen Bühne. Zugänglicher geht Oper nicht. Alle beneiden Berlin darum. Das soll alles nicht mehr sein? Ich fasse es nicht.“

    Dagmar Manzel: „Kein Haus hatte zu DDR-Zeiten so eine weltweite Ausstrahlung wie die Komische Oper.“ Paulus Ponizak/Berliner Zeitung

    Dagmar Manzel ist sicher, dass Wegner und Chialo nicht wissen, was dieses Haus war und ist

    Wie alle, mit denen wir in diesen Tagen sprechen, empört auch Dagmar Manzel die Ignoranz der Politiker: „Die setzen einfach den Rotstift an und wissen nicht mal, um was es geht, die kennen das Haus nicht mal, weder der Kultursenator noch der Regierende Bürgermeister. Ich bin mir hundertprozentig sicher, dass die nicht wissen, was dieses Haus war und ist, wofür es stand und steht. Das macht mich sprachlos!“

    Manzel zitiert die Rechnung von der Kostenexplosion, die das Intendanten-Duo aufgemacht hat. „Wer soll in ein paar Jahren die Millionen aufbringen, dieses Haus nochmal auf die Beine zu bringen? Die Baukosten steigen durch das Verschieben auf den Sankt-Nimmerleins-Tag um 20 Millionen Euro pro Jahr. Woher soll das viele zusätzliche Geld kommen?“, fragt sie. Auch sie glaubt an einen Tod auf Raten: „Ein Opernhaus kann man nicht auf Dauer in ein Theater pferchen, das ist Schwachsinn. Die Kolleginnen versuchen, was geht, aber das geht nur mit Ach und Krach. Und vor allem: Es gibt dieses Haus in der Behrenstraße doch. Und es ist ein magischer Raum!“

    Die Empörung lässt ihre Stimme beben: „Mir platzt die Hutschnur. Es geht ja nicht nur um die Komische, Berlin ist Kulturstadt. Was hat die Stadt denn sonst zu bieten? Die Leute kommen nicht nach Berlin, um sich ein Kabelwerk anzuschauen. Jetzt kürzt die Politik den Etat mit dem Rasenmäher und macht alles kaputt, an allen Ecken und Enden. Ob das die Obdachlosenfürsorge ist oder die Jugendclubs, Museen, Theater, Opernhäuser.“ Sie wisse, dass gespart werden muss, aber: „Warum wurde sich nicht zusammen an einen Tisch gesetzt und überlegt: Was können wir machen, Kinder? Und es gab doch einen Riesenaufruf, da waren so viele Angebote, nicht nur von der Komischen Oper. Das ist einfach abgebügelt worden. Bumms aus. Das ist hochnäsig. Für Kultur wird zwei Prozent vom Gesamthaushalt ausgegeben. Das ist gut investiert, weil Kultur auch Zusammenhalt in einer Gesellschaft fördert. Hier zu sparen, macht mehr kaputt als alles andere.“

    An der Kasse der Komischen Oper Unter den Linden ist nicht viel los an diesem Nachmittag, nur klingelt ständig das Telefon. Der junge Mann hinterm Tresen erzählt, dass ältere Menschen ihn fragen, ob sie die Komische Oper jemals wieder sehen werden. Dass sie Angst haben, dass sie das Ende der Bauarbeiten nicht erleben, nun da sie verschoben sind. Dass sie befürchten, dass das Haus nie wieder aufmache. Eine Dame tritt ein, fragt nach Karten für „Echnaton“. Sie lebt in Wilmersdorf, hat es nun näher zur Komischen Oper im Schillertheater. „Aber dasselbe Klangerlebnis ist es nicht.“ Dass in zwei Jahren das Geld da ist, die Bauarbeiten fortzuführen, glaubt auch sie nicht: „Ich hab mich jedenfalls auch schon gefragt, wo sie diesen goldenen Topf versteckt haben.“

    Blick in den spektakulären Saal der Komischen Oper in der Behrenstraße.Collage mit Foto von Jan Windszus und Benjamin Pritzkuleit

    Katharine Mehrling: Der Geist der Komischen Oper ist in der Behrenstraße spürbar

    Katharine Mehrling schreibt uns kurz vor Mitternacht zurück: „Was für ein Wahnsinn, das alles!“

    Die Komische Oper sei ihre künstlerische Heimat geworden, schreibt die Sängerin, Musicaldarstellerin, Schauspielerin, die ein absoluter Publikumsliebling ist, eine geniale Brecht-Interpretin. Barrie Kosky holte sie zuerst für seinen „Ball im Savoy“. Derzeit kann man sie in seiner Inszenierung des Musicals „Chicago“ sehen, das seine Premiere schon nach dem Umzug der Komischen Oper ins Schillertheater feierte. Die beiden Häuser sind für Katharine Mehrling nicht zu vergleichen. „Die Behrenstraße war mein Zuhause, im Schillertheater bin ich eher zu Gast. Und so geht es fast allen Kolleginnen. Die Schönheit, der Glanz, der Geist, die Energie, die Geschichte und somit die Seele des Hauses sind spürbar in der Behrenstraße.“

    Sie schwärmt von der Institution: Musical, Operetten, Opernaufführungen und Konzerte, welches Haus in Berlin habe das zu bieten. „Das weiß vor allem das Berliner Publikum zu schätzen. Der Berliner Senat weiß es leider nicht. Joe Chialo habe ich vor der ‚Chicago‘-Premiere im Oktober 2023 noch nie in der Komischen Oper gesehen.“

    Der Schaden, den der Berliner Senat gerade anrichtet, sei nicht wiedergutzumachen. „Und er wird so viel größer sein, als das, was der Senat vermeintlich zu gewinnen versucht.“

    Den Spar-Etat für die Kultur nennt sie eine Katastrophe. Das Publikum werde erst nach einer gewissen Zeit begreifen, was ihm abhandengekommen sei. „Joe Chialo ist der derzeitige Senator für Kultur“, schreibt sie. KULTUR in Großbuchstaben. „Es ist seine Pflicht als Senator, die Kultur zu verteidigen und zu schützen.“

    Katharine Mehrling: „Joe Chialo gibt nicht alles“

    Sie schlägt den großen Bogen: „Kultur ist nicht nur ein Beruf oder Unterhaltung, sie hat eine Mission. Nämlich das Publikum zu bilden, zu inspirieren, zum Denken zu animieren, Herzen zu öffnen, Empathie auszulösen, eine Gesellschaft besser zu machen und auch die Demokratie zu stärken – gerade jetzt in dieser zerrissenen Zeit, wo alles erschreckend weit nach rechts rückt.“ Sie ist enttäuscht von Joe Chialo. „Weil er nicht alles gibt und nicht für das kämpft, was Berlin ausmacht: die Kultur.“

    Katharine Mehrling: „Joe Chialo habe ich vor der ‚Chicago‘-Premiere im Oktober 2023 noch nie in der Komischen Oper gesehen.“ Christian Behring/imago

    Berlin hat drei Opernhäuser, und wann immer die Stadt seit der Wiedervereinigung sparen musste, lag die Frage auf dem Tisch, ob sie sich das leisten kann oder will, ob man drei wirklich benötigt, oder sie eben nur „nice to have“ sind, wie der Finanzsenator Stefan Evers (CDU) all das betitelt, was Berlin nicht unbedingt brauche. Niemand weiß das besser als Thomas Flierl, der Ende der 80er-Jahre Mitarbeiter im Kulturministerium der DDR war, kurz nach der Wende das Kulturamt Prenzlauer Berg leitete und dann Berliner Kultursenator wurde, für seine Partei Die Linke.

    Das Amt hatte er von 2002 bis 2006 inne, als Berlin in einer schlimmen Haushaltsnotlage war, enorme Schulden hatte, und der damalige Regierende Bürgermeister Klaus Wowereit von der SPD sparte, „bis es quietscht“. Kostbares Landeseigentum wurde damals zu Geld gemacht, kommunale Wohnungen wurden verkauft, ein Fehler, wie man heute weiß. Wie hat er es geschafft, in einer solchen Lage drei Opernhäuser zu verteidigen?6

    Thomas Flierl ist in seinem Haus am Bodden in Mecklenburg-Vorpommern, als wir ihn anrufen. Hierher komme er, um den Kopf freizukriegen. „Aber Sie holen mich ja gerade wieder in die Hauptstadt zurück.“ Er erzählt, dass es ähnlich wie heute um zehn Prozent Einsparungen ging, der gesamte Kulturetat habe sich damals auf rund 300 Millionen Euro belaufen, ein Drittel des heutigen. Damals war es die Existenz der Deutschen Oper, die auf dem Spiel stand. „Die Deutsche Oper war im Grunde schon aufgegeben von der damaligen Koalition“, sagt Thomas Flierl. „Man war der Meinung, die Vereinigung Berlins finde in Mitte statt. Meine Position war: Wir können jetzt nicht den Westen abwickeln, wir brauchen eine Lösung, mit der alle drei Häuser erhalten werden.“ Diese Lösung hat er gefunden.

    Der einstige Kultursenator Thomas Flierl: Wo ist die Intelligenz?

    Flierl rettete alle drei Häuser mit seiner Opernstiftung: Die Staatsoper Unter den Linden, die Deutsche Oper und die Komische Oper blieben als wirtschaftlich selbstständige GmbH-Betriebe erhalten und bekamen durch fünfjährige Zuschussverträge Planungssicherheit. Als Gegenleistung opferten sie 220 Stellen. Damals half auch der Bund, der den Kulturetat mit 16,4 Millionen Euro entlastete.

    Auch Flierl kritisiert Joe Chialos Spar-Etat. „Natürlich waren damals wie heute die drei Opernhäuser und die Bühnen mit den großen Mitarbeiterstäben die Hauptkostenpunkte. Das liegt in der Natur der Sache. Und meine Antwort darauf war, Intelligenz anzuwenden, die Strukturen kritisch zu prüfen. Das sehe ich jetzt nicht.“

    Er ist bis heute der Meinung, dass es richtig war, alle drei Opernhäuser zu erhalten. „Obwohl es damals sogar Nachfrageprobleme gab, was heute ganz und gar nicht der Fall ist.“ Die Komische Oper verzeichnet eine Auslastung von 93 Prozent. Nur den späteren Ausbau der Staatsoper von einer Rokoko-Oper zu einer Wagner-tauglichen Oper, wie man sie mit der Deutschen Oper schon hatte, sieht er kritisch. „Das war eine Riesenfehlentscheidung, die 440 Millionen Euro gekostet hat.“

    Flierl sieht mit Staunen, dass sich der Kulturhaushalt in den vergangenen zwei Jahrzehnten verdreifacht hat. „Doch nachhaltige Strukturen hat man nicht gebaut.“ Das geht gegen Chialos Vorgänger Klaus Lederer von der Linken, der bis 2023 im Amt war. „Wenn man jetzt mit dem Rasenmäher kommt, geht viel mehr kaputt, als die zehn Prozent ahnen lassen. Das ist das eigentliche Problem. Man hat in gewisser Weise nicht krisenfest erweitert. Jetzt einfach kalt die Komische Oper abzuwickeln, bringt gar nichts“, sagt Flierl. „Was ist da der strukturelle Gedanke? Keiner!“

    Flierl denkt laut nach: „Wenn Chialo gesagt hätte, man könnte so etwas wie die Opernstiftung ja auch für die Theater machen, naja, man hätte sich ja mal unterhalten können.“ Doch der Kultursenator habe die Zeit mit Beruhigungsreden vertrödelt, anstatt mit diesem und jenem zu reden, wie man es denn anstellen könne. „Sparen erfordert Aufgabenkritik, sachgerechte Analyse und Konzept. Das alles fehlt. Jetzt hat er den Schlamassel.“ Flierl plädiert für ein Moratorium. Man müsse Zeit gewinnen. „Ich bin nicht der Meinung, dass man ein Budget nicht kürzen kann, aber das muss man natürlich durchdenken.“ Kurzum: Kürzungen sind möglich, aber man muss es intelligent machen und nicht mit der Rasenmähermethode.

    Thomas Flierl hat eine besondere Beziehung zur Komischen Oper

    Wie viele Ost-Berliner hat auch Thomas Flierl eine besondere Beziehung zur Komischen Oper. Aus der Ostgeschichte ist unter seiner Ägide dann eine Ost-West-Geschichte geworden – durch die Verbindung der Häuser in der Opernstiftung. Tags darauf schreibt er uns dazu in einer Mail: „Bei der Ost-West-Geschichte der Komischen Oper müssen Sie unbedingt Walter Felsenstein und Götz Friedrich erwähnen! Letzterer ging in den Westen und prägte und erneuerte die Deutsche Oper im Sinne von Felsenstein. Die Stadt war schon vor Maueröffnung Ost-West geprägt! Das darf man nicht zerschlagen.“

    Thomas Flierls Appell geht zum Schluss unseres Telefonats an das Abgeordnetenhaus: „Zu meinen, man könne sich den teuren Ausbau der Komischen Oper sparen und danach noch eine Komische Oper haben – das wird wohl nicht sein. Das ist so dramatisch gekoppelt, dass die Abgeordneten das hoffentlich vor Weihnachten noch einsehen. Meine Empfehlung: Die für den Interimsbetrieb notwendigen Mittel gewähren und für das Bauprojekt die Mittel zusagen – meinetwegen nach einer kritischen Bedarfsanalyse.“

    Donnerstagabend in der Komischen Oper im Schillertheater: Gegeben wird Stephen Sondheims Musical „Sweeney Todd“, Regie Barrie Kosky, auf der Bühne steht Dagmar Manzel als Pie-Bäckerin Nellie Lovett, die aus den Opfern des Serienmörders Sweeney die besten Fleischpasteten der Stadt macht.

    Im Foyer kann man fragen, wen man will, vom Baustopp wissen alle. „Warum hat Berlin nur Schulden, warum hat man nie Geld zurückgelegt“, fragt ein Mann, der mit seiner Frau vor dem Schillertheater steht. Er gehe seit seinem Umzug aus Thüringen 1964 in die Komische Oper, schwärmt von den Felsenstein-Inszenierungen. Dass der Baustopp das Ende bedeuten könnte, „das glauben wir auch“.

    . Die Komische Oper in Mitte ist von einem Bauzaun umgeben.Benjamin Pritzkuleit/Berliner Zeitung

    Besucher der Komischen Oper: „Wollen wir nur noch arm sein?“

    Ein Besucher mit Schiebermütze ist im Foyer mit dem Chef des Abenddienstes im Gespräch. Er fragt nach den Inszenierungen in der kommenden Spielzeit und outet sich dann als jemand, der mehrmals im Monat in die Komische Oper kommt. Er redet sich schnell in Rage: „Womit funkelt Berlin, wenn nicht mit der Kultur? Wollen wir nur noch arm sein, auch arm im Geiste?“ Er kommt extra nochmal zurück: Die CDU habe es immer gut gemeint mit der Kultur, ihr Agieren jetzt sei ein Zeichen für die Verwahrlosung dieser Generation von Politikern. „Und das ist parteiübergreifend.“ Und zuletzt: „Ich würde Chialo und Wegner gerne mal treffen und ihnen meine Worte in die Fresse hauen.“ Ein Besucher neben der Garderobe sagt: „So haben wir uns die Zeitenwende nicht vorgestellt.“

    Schaut man sich im Foyer um, scheint einem nichts abwegiger, als die Existenz dieses Hauses aufs Spiel zu setzen. Das Publikum ist gemischt, Junge, Alte, man hört Englisch, Schulklassen sind darunter, die Vorstellung ist auch an diesem Wochentag so gut wie ausverkauft, während der Vorstellung äußert sich die Begeisterung in Szenenapplaus. Das Messer, das der Barbier Sweeney Todd seinen Kunden an die Kehle setzt, hat in diesen Zeiten große Symbolkraft.

    Grafik: Berliner Zeitung. Quelle: Sparliste des Berliner Senats

    Bildstrecke

    Die Komische Oper, in der Behrenstraße 2023, kurz vor Beginn der Sanierung.Schoening/imago

    Das Intendanten-Team der Komischen Oper Susanne Moser und Philip BrökingBenjamin Pritzkuleit/Berliner Zeitung

    Die Komische Oper, Eingang Behrenstraße: Ein Bauzaun umgibt das Gebäude.Benjamin Pritzkuleit/Berliner Zeitung

    Das Schiller-Theater in Charlottenburg ist die Ausweichbühne für die Komische Oper. Fabian Sommer/dpa

    Blick in das Treppenhaus an einem Musiktheaterabend mit Katharine Mehrling. Jan Windszus/Komische Oper

    2022 Regula Lüscher, Senatsbaudirektorin, spricht zum Ergebnis des Realisierungswettbewerbs „Umbau und Erweiterung Komische Oper Berlin“ Britta Pedersen/dpa

    Barrie Kosky, 2017. Damals war er der Intendant und Chefregisseur der Komischen Oper. Paul Zinken/dpa

    Blick in den Zuschauerraum der Komischen Oper in Berlin im Jahr 2009. Tim Brakemeier/dpa

    Die Komische Oper Berlin im Jahr 2006. Soeren Stache/dpa

    Komische Oper Berlin: Szene aus der Inszenierung „Sommernachtstraum“, 1961 Arkiv/imago

    Berlin-Mitte, Blick auf die Friedrichstraße und das erste Gebäude der Komischen Oper, 1935 imago

    Eine Szene aus „Zieh Dich Aus“ an der Komischen Oper, Berlin, 1928 Gemini Collection/imago

    Theater Unter den Linden i.e. Metropol Theater, Komische Oper, Berlin in den 20er jahren piemags/imago

    #Berlin #Mitte #Behrenstraße #Unter_den_Linden #Glinkastraße #Kultur #Musik #Theater #Oper #Politik #CDU #Austerität #Geschichte

  • Spotify-Playlist über Berlin neu: Online-User sammelt über 100 Songs
    https://www.berliner-zeitung.de/news/online-nutzer-sammelt-songs-ueber-berliner-strassen-li.2260136

    6.10.2024 von Katharina Thümler - Ein Online-Nutzer fasst mehr als 100 Songs über die Berliner Straßen und Bezirke in einer Spotify-Playlist zusammen. Die Texte und Lieder sind so vielfältig wie Berlin selbst.
    Berlin dient seit jeher als Muse für Musiker. Schon Bing Crosby und The Andrew Sister besangen die Stadt noch zur Zeit des Zweiten Weltkriegs in dem Song „Hot Time in the Town of Berlin“. Viele weitere Songs folgten, etwa von Ikonen wie Nina Hagen, Udo Lindenberg oder den Lokalmatadoren wie Peter Fox und Sido. Auch internationale Bands und Sänger wie die Ramones („Born to die in Berlin“) und Mick Jagger („Streets of Berlin“), ließen es sich nicht nehmen, die deutsche Hauptstadt in ihre Texte einzubauen. Die Liederliste über Berlin, die „so schön schrecklich sein“ kann, ist lang.

    Ein Online-Nutzer hat gezielt nach Songs über Berliner Straßennamen und Bezirken im Titel gesucht. Er bekam auf der Plattform Reddit bislang über 400 Antworten und Vorschläge. Er fasste sie in einer vorläufigen Spotify-Playlist mit über 100 Songs zusammen und stellte sie nach eigenen Angaben wegen der hohen Nachfrage online zur Verfügung. Sie wurde bislang 298-mal gespeichert.

    Von U2 bis K.I.Z: Hunderte Songs über Berliner Straßen und Gegenden

    Die Genres der Songs reichen dabei von Housemusik (Julian Hansen singt über Moritzplatz) über Alternativ-Rock (Sugar singt über die Pankstraße), German Hip-Hop (Romano mit seinem Song über Köpenick und K.I.Z mit dem Song über den Görlitzer Park) . Der deutschen Liedermacher Reinhard Mey taucht mit seinem Song in der Friedrichstraße. Auch die Einstürzende Neubauten, die den Wedding thematisieren, sind in der Playlist zu finden.

    Selbst die Regionen und Orte in den Songs sind überraschend vielfältig: Von Schönefeld (Bathe) zum Maybachufer in Berlin-Neukölln (Tra, Luvre47), zur Krummen Lanke in Berlin-Zehlendorf (Ducktails) bis zum Zoo in Berlin-Charlottenburg (U2) und nach Marzahn (The Benja Men) und Karlshorst in Berlin-Lichtenberg (Sind).

    „Eingezäunt und bewacht“: Das findet man in der Spotify-Playlist

    Die Lyrics der Songs zielen dabei in vielen Fällen auf den Wiedererkennungswert der Straßen und Bezirke ab. Mit Reimen wie „Kein Savoy so wie in Wien, Nur den Römerweg in Ostberlin, Das alles, so lange fort wie unsre Kindheit, In Berlin Karlshorst“, besingen Musiker von Sind ihren Kiez. Der bekannte Klassiker zur Besetzung des Mariannenplatzes von Ton Steine Scherben taucht beispielsweise in der Playlist auf. Doch es finden sich auch brandaktuelle Lieder. So rappt Zugezogen Maskulin: „Oranienplatz, eingezäunt und bewacht. Alles von meinem Steuergeld, danke Frank, gutmacht!“

    Bei der Auswahl an Songs findet vermutlich jeder Berliner einen Song, der für ihn die Stadt, seinen Kiez oder seinen Lieblingsplatz beschreibt.

    #Berlin #Musik

  • Sven Regener von Element of Crime im Interview: Berlin war eine Stadt, die gigantische Schmerzen erlitt
    https://www.berliner-zeitung.de/kultur-vergnuegen/sven-regener-von-element-of-crime-im-interview-auf-berlin-kann-man-

    Hübner und Regner beim Bier und im Gespräch für „Wenn es dunkel und kalt wird in Berlin“ Noel Richter/Superfilm

    28.9.2024 von Timo Feldhaus - Seine Band Element of Crime wird 40, Charly Hübner hat einen Film über sie gedreht. Zeit für die wichtigen Fragen: War früher alles besser? Und warum eigentlich nicht?

    Sven Regener, Frontmann und Sänger, Trompeter und Bestsellerautor, 61 Jahre alt, ein Mann mit Humor, ein Original. Jeder kennt ihn, er gehört zu den beliebtesten Berlinern, weil er das hiesige Lebensgefühl so genau auf den Punkt bringt. In seinen Liedern, als Autor der „Herr Lehmann“-Romane. Eine einzige Frage habe ich aktuell an diesen vor mir sitzenden Sven Regener, in seinem schwarzen Hemd, mit seiner schwarzen Brille, dahinter die Augen, die ganz schön viel zu verstehen scheinen. Es ist eine sehr wichtige Frage. Aber ich kann sie nicht sofort stellen, nicht gleich zu Beginn. Fangen wir also anders an.

    Nun wird es wieder dunkel und kalt in Berlin, und wenn man abends in der U-Bahn sitzt oder der Wind in den Straßenschluchten den Bewohnern an den von Tag zu Tag länger werdenden Mänteln reißt, dann sieht man die Angst vor den langen und einsamen Herbst- und Wintermonaten schon in den Augenwinkeln der Menschen blitzen.

    Wenn es dunkel und kalt wird in Berlin, dann tut etwas Trost ganz gut, und viele werden wieder zu ihren Lieblingsliedern und der Melancholikersupergroup Element of Crime greifen, die in ihrer Melange aus düsteren Balladen, Chansons und Avantgardeklängen eine in Deutschland wohl einmalige Trostspendemusik machen. Und das seit sagenhaften 40 Jahren. „Wenn es dunkel und kalt wird in Berlin“, so heißt ein Song von ihnen, und so heißt auch der Film, der nun zum Geburtstag in die Kinos kommt. Halb Konzertfilm, halb Porträt der Band, der bekannte Schauspieler und Regisseur Charly Hübner hat ihn gedreht, und ein Kollege meinte, ich möchte Hübner doch mal fragen, wo das hinführen soll, wenn er nach der Ost-Punkband Feine Sahne Fischfilet nun die lyrischen Softies aus West-Berlin dokumentiert. Ja, wo soll das alles hinführen. Auch darum soll es hier gehen.

    Sven Regener ist, wie jeder richtige Superstar, im echten Leben kleiner, als man ihn kennt. Man mag ihn nichts über den Film fragen, den Film muss man ja sehen. Er lohnt sich; warum, das würde ich Ihnen allerdings auch lieber etwas später erzählen. Wenn man so einen Berlinversteher vor sich hat, dann wäre es ja klug, wenn er einem erklärt: Was ist hier eigentlich los? Wie ist aktuell die Lage? Also:

    Herr Regener, der Film beginnt damit, wie Sie auf der Bühne stehen und erzählen, dass Sie jahrelang Ihren Wohnort Berlin verleugnet haben, weil sich niemand für Berlin interessiert hat.

    Ja. Aber wenn man sich die Songs anhört, die wir damals geschrieben haben, haben die doch sehr viel mit dem Leben in Berlin zu tun, sei es im West-Berlin der 80er oder auch in den 90er-Jahren. Wobei ich sagen muss, dass in den 80ern in West-Berlin Ost-Berlin auf eine ganz seltsame Weise immer präsent war. Wie das alles da war, war nicht denkbar ohne die Mauer. Sie bedeutete, dahinter ist noch mal eine andere Welt, der Rest der Stadt. Das spielte ständig zusammen.

    Regener erzählt vom damaligen Schöneberg, der künstlerischen Boheme und „diesem gärenden Humus, in dem so eine Band entstehen konnte. Denn ich glaube, dass man so eine Band nicht trennen kann von der Zeit und dem Ort, wo sie entstanden ist“.

    Er selbst ist gebürtiger Bremer (Megasong: „Delmenhorst“), lernte am Konservatorium Gitarre spielen, wurde mit 15 Kommunist. Dann spielte er krachigen No-Jazz – in den historischen Filmbildern glüht das 80er-Jahre-West-Berlin so verworren und düster, wie man es sich vorstellt. Bis sie alle endlich ready für Liebeslieder waren. Seit Jahrzehnten wohnt Regener in Prenzlauer Berg.

    Jetzt aber direkt mal eine wirklich sehr ernst gemeinte Frage, Herr Regener: War früher alles besser?

    Nein. Warum sollte alles besser gewesen sein? Das war ja auch eine furchtbare Zeit. Man darf nicht vergessen, dass in West-Berlin eine starke gesellschaftliche Spaltung herrschte zwischen den Leuten, die zugezogen waren, wie ich, und den Leuten, die die Teilung der Stadt erlebt und darunter wirklich gelitten haben. Berlin war eine Stadt, die gigantische Schmerzen erlitt. Und gleichzeitig haben wir daraus eine große Abenteuer- und Spielwiese gemacht, was natürlich toll war. Und wir haben letztendlich diesen ganzen Schmerz auch ignoriert und geleugnet, und zwar mit einer ungeheuren Kälte. Erst mit dem Mauerfall hat sich sehr viel verändert und auch verbessert. Wobei für viele das Leben dadurch sicherlich auch schwieriger wurde. Weil es bestimmte Freiräume im Laufe der Jahrzehnte dann nicht mehr so gab. Aber das ist ein Thema für einen eigenen Film.

    Heute leben Sie gerne in der Stadt? Viele meckern die ganze Zeit.

    Ich lebe seit über 40 Jahren in dieser Stadt und will in keiner anderen leben. Manche Leute machen ein Geschiss darum, dass sie geborene Berliner sind. Ich habe das nie verstanden. Ich bin ja freiwillig hergezogen, weil ich das gut fand. Ich wollte in einer richtig großen Stadt leben. Und natürlich ist Berlin die einzige richtig große Stadt in Deutschland. Ist nun mal so. Deutlich größer als alle anderen, und das Lebensgefühl ist entsprechend anders. Das muss man nicht idealisieren, man kann sich auch kein Ei darauf backen, dass man hier wohnt. Aber ich wollte immer in so einer Stadt wohnen, und deshalb wohne ich hier gerne.“

    Aber die Mieten zum Beispiel waren in den vergangenen 40 Jahren eigentlich immer geringer als heute.

    Das ist eben die andere Seite. Dass eine Stadt, die auf diese Weise auch wieder gesund wird, also dieses Trauma abstreift und die Baulücken schließt, dabei auch zum Gegenstand großer internationaler Spekulation und Investitionen werden kann. Aber das ist nichts, was von Gott gewollt ist. Man kann was dagegen tun, wenn man will. Wir als Künstler haben allerdings andere Aufgaben. Wir beschäftigen uns damit, was mit dem Einzelnen passiert, wie der Einzelne mit seinem Leben klarkommt, wie man überhaupt als Mensch mit seiner Existenz klarkommt. Dazu gehört auch das Spannungsverhältnis des Einzelnen zu der Gesellschaft, die ihn umgibt. Und Liebeslieder. Und alles andere und überhaupt. Das ist viel Stoff für viele Songs.

    Sven Regener: „Bitte nicht bei jeder Zumutung gleich durchdrehen“

    Ich versuche Sven Regener dann zu erklären, warum der Film mich in so eine gute Stimmung versetzt hat. Aber so einfach ist das gar nicht. Ich musste etwa an „Liebling Kreuzberg“ oder diesen Song „Ich mag“ von Volker Lechtenbrink denken. An abgegriffene dtv-Taschenbuchausgaben mit den gemalten Covern von Celestino Piatti, oder an den Moment, wenn man plötzlich im Nachtprogramm auf eine Sendung von Alexander Kluge stieß, an die Stille, wenn die Kassette im Kassettendeck vorbei war, oder als man noch vor der Amerika-Gedenkbibliothek am Hallesches Tor neben den armen Schluckern und Tunichtguten herumsaß. Es geht um so eine Selbstverständlichkeit, so ein Gefühl zum Anderen, dass es bei all dem Scheiß und Streit einen gemeinsamen Boden gibt, auf dem man herumläuft. Und etwas davon ist in dieser Musik, im Ton der Trompete und in der Märchenonkelerzählstimme von Charly Hübner. Der Film versprüht so eine Art konstruktive Melancholie.


    So geht das seit 40 Jahren: Element of Crime live. Noel Richter/Superfilm

    Und jetzt wollte ich gerne noch diese Frage stellen, die ich die ganze Zeit im Kopf habe. Und zwar: Wie bleibt man ein cooler Typ? Denn viele Ihrer Kollegen, viele ältere Rocker und überhaupt viele Leute, die eigentlich schlau sind, fangen in diesen fiebrigen Zeiten ja an, komische Sachen zu erzählen. Also die Frage wäre eigentlich wirklich: Wie geht das, wie wird man kein Blödmann?

    Das ist eine sehr gute Frage. Ich gehöre einer geburtenstarken Generation an, und nun stellen wir plötzlich fest, dass wir in ein Alter gekommen sind, wo es schwer wird. Der Tod naht. Die Eltern sterben oder sind Pflegefälle. Die ersten Zipperlein kommen, die ersten Freunde sind gestorben. Das ist eine sehr schwierige Sache. Dazu ist man versucht, die Vergangenheit zu verklären, man ist versucht, zu verbittern. Was sich als Herausforderung herausstellt, wird plötzlich als Zumutung empfunden. Ein gutes Beispiel ist diese Covid-19-Geschichte. Bei allem, was da politisch falsch gemacht wurde: So durchzudrehen wie diese Impfgegner und sonstigen Schwurbler, ist nur durch komplette Verbitterung zu erklären und dadurch, dass sie jeden Maßstab total verloren haben. Natürlich kann man sagen: „Ich lass’ mich nicht impfen und gut ist.“ Aber völlig durchzudrehen und gleich der ganze Staat und Bill Gates und die Echsenmenschen … – das zeigt ja eigentlich, dass man in der Lebenssituation, in der man sich gerade befindet, nicht klarkommt. Und da muss man aufpassen.

    Was kann man tun?

    Ich glaube, das Wichtigste ist, nicht davon auszugehen, dass man selbst immer der Nabel der Welt ist. Weil man natürlich auch feststellt: In unserem Alter kommen andere Probleme dazu, dass zum Beispiel einfach neue Generationen nachwachsen, die auf das scheißen, was wir erzählen und denen unsere Erfahrungen völlig Wurscht sind. Unsere ganze Schlaumeierei können wir uns einfach in die Haare schmieren. Aber das ist gar nicht weiter schlimm! Das ist der ganz normale Lauf der Zeit, wir waren ja mal genauso. Ob einen das cool macht, so zu denken, weiß ich nicht. Aber ich glaube, es ist keine gute Idee, bei jeder Zumutung gleich durchzudrehen.

    https://www.youtube.com/watch?v=ZE3470boWIQ&t=5s

    #Berlin #Musik #Geschichte #Westberlin

  • Sound of Berlin
    https://www.youtube.com/watch?v=BF-fTJolMSM

    Techno-Rundfahrt durch die Geschichte von Dance und Techno Sound

    A journey through the capital of electronic music

    Interviews w/ Juan Atkins, Dr. Motte, Dimitri Hegemann, Marc Houle, Monolink, Pan-Pot, Mathias Kaden, Nela, Alexander Krüger, Ekaterina, FreedomB

    https://www.apple.com/music

    Score by Marc Houle: https://lnk.to/MarcHouleSoundOfBerlinEP

    Executive Producer - Hermes Eck
    Producer - Franziska Koch, Carolina Thiele
    Produced by Herr!Media tv-productions GmbH

    SoB Apple Music Curator: https://apple.co/2Mp0fAL
    SoB-Playlist Spotify: http://bit.ly/SoundOfBerlin
    Juan Atkins:

    / juanatkinstheoriginator
    Marc Houle:

    / marchoule.official
    @Monolink :

    / monolink
    @PanPot:

    / panpotofficial
    Dr. Motte:

    / drmotteofficial
    NELA:

    / nelamusic
    @MATHIASKADEN :

    / mathiaskaden
    Freedom B:

    / freedombdj

    Facebook:

    / embassyonerecords
    Twitter:

    / embassy_one
    Official Homepage: http://www.embassyone.de

    Sound of Berlin Documentary

    #SoundOfBerlin #Documentary #BerlinMusic
    #Berlin #Musik #Party #Tourismus #Geschichte

  • Blixa Bargeld im Interview: „Das Berlin, in dem ich aufgewachsen bin, ist nicht mehr da“
    https://www.berliner-zeitung.de/kultur-vergnuegen/musik/blixa-bargeld-einstuerzende-neubauten-im-interview-das-berlin-in-de


    Die Einstürzenden Neubauten rund um ihren Sänger Blixa Bargeld in der Mitte

    31.3.2024 von Daniel Schieferdecker - Die Einstürzenden Neubauten sind eine der einflussreichsten deutschen Bands der Welt. Wie blickt ihr Sänger Blixa Bargeld auf seine Stadt Berlin? Wir haben ihn getroffen.

    Blixa Bargeld humpelt, als er die Büroräume seiner Konzertagentur betritt, wo das Interview stattfinden soll. Er ist etwas mürrisch, weil der Fahrstuhl nicht geht und er den dritten Stock deshalb zu Fuß besteigen musste. Im vergangenen Jahr hatte er sich zum wiederholten Male ein Bein gebrochen, weshalb er zeitweise sogar im Rollstuhl saß. Besagtes Humpeln wird zudem wohl für immer bleiben, doch ansonsten erfreut sich der 65-jährige Frontmann der Einstürzenden Neubauten zum Glück bester Gesundheit. Und bei Tee und Grissini steigt seine Laune minütlich. Es gibt ja auch Grund zur Freude. Immerhin erscheint am 5. April das neue Neubauten-Album „RAMPEN (apm: alien pop music)“.

    Die ersten Worte im Opener Ihres neuen Albums lauten: „Alles schon geschrieben, alles schon gesagt.“

    Wenn die Arbeit an einem neuen Neubauten-Album beginnt, weiß ich immer schon, dass es schwierig werden wird. Ich begebe mich immer mit Haut und Haar da rein. Ich stehe morgens mit den Gedanken daran auf und schlafe nachts damit ein – darunter leidet dann meine ganze Familie. Und gerade beim ersten Stück, da sträubt sich mir noch alles: „Alles schon geschrieben, alles schon gesagt.“

    Ich habe in den Satz Ernüchterung und Angst hineininterpretiert: vor Stillstand, vor der Zukunft, vor dem Ende – was ja irgendwie dem Grundgefühl der heutigen Zeit entspricht.

    Das fließt auf jeden Fall alles ein, ja. Den Satz „Wie lange noch?“ des Stücks hatte ich zur Improvisation in meinen Teleprompter geladen, damit ich auf der Bühne was singen konnte, ohne mich auf göttliche Inspiration verlassen zu müssen. Ich hatte also schon ein paar Knochen verlegt und dann angefangen, weiter auszufleischen und mehr dazuzuschreiben. Bei einigen Stücken war das einfacher, bei anderen sauschwierig.

    Bei welchem Stück war es am schwierigsten?

    Bei „Gesundbrunnen“. Das Stück begann mit der Beschreibung der Unterseite eines hässlichen Teppichs. Daher kommen solche Metaphern wie „geknüpft“, „Knoten“ und „Löcher“. Letztlich geht es darin um biologischen Determinismus und den Ausstieg aus der Evolution. Das ist auch mein Lieblingsstück der neuen Platte.

    Warum?

    Schon auch, weil die Arbeit daran so schwer war. Bei uns ist die Musik immer zuerst da, und ich habe versucht, in der Musik etwas zu finden. Das geht so weit, dass ich sagen würde: Ich denke mit der Musik. Und ich möchte mit meinen Gedanken vorwärtskommen, in irgendeiner Form eine Erkenntnis gewinnen.


    Elegant noisy: Die Einstürzenden Neubauten sind eine der erfolgreichsten Berliner Bands der Welt. Foto homas Rabsch

    Blixa Bargeld: „In der DDR hieß es damals ja: Künstler in die Produktion!“

    Was hat Sie da hingeführt?

    Meine Tochter hat sich geoutet und ist zum Transjungen geworden; also habe ich natürlich angefangen, darüber nachzudenken – bis das Stück zwischendurch ja sogar die Sprache verlässt. Oder wie ich singe: „Die Sprechwerkzeuge wollen mich nicht mehr.“

    Wenn Sie sich künstlerisch mit Themen auseinandersetzen, die Sie privat beschäftigen, finden Sie dann einen neuen Zugang dazu?

    Das kann durchaus passieren. Komponieren bedeutet für mich immer: das Schaffen von Problemen. Und das Werkeln an der Musik ist dann das Erarbeiten einer Lösung. Das ist ein gedanklicher Prozess. Die daraus entstehenden Erkenntnisse und Wahrheiten sind nicht immanent in der Musik vorhanden, sondern entstehen erst durch eine Reflexion oder Durchbrechung – und genau das suche ich da drin.

    Sie sind gebürtiger Berliner und leben, nach längeren Aufenthalten in Peking und San Francisco, seit 2010 wieder hier.

    Ick bin ja alter Schöneberger. Friedenauer, um genauer zu sein. Aber von der Sozialhilfeseite her Friedenau. Nicht Niedstraße, Günter Grass, sondern Grazer Damm. Die Siedlung Grazer Damm ist ja das letzte verbliebene Baudenkmal nationalsozialistischer Familienarchitektur – so heißt das – mit Luftschutzkeller in jedem Haus. Ich hatte später aber lange eine Wohnung in der Hauptstraße in Schöneberg – auch das besetzte Haus, in dem ich mal gelebt habe, stand in Schöneberg. Als wir dann 2010 zurückgekehrt sind nach Berlin, sind wir zunächst ins Scheunenviertel gezogen. Aber das war nicht mehr „mein Berlin“. Das war terra incognita für mich. Denn das Berlin, in dem ich aufgewachsen bin, ist nicht mehr da.

    Nun sind Sie aber schon wieder seit 14 Jahren in der Stadt. Da werden Sie bestimmte Ecken doch auch wieder mit Leben gefüllt haben.

    Ja, sicher – rund um den Hackeschen Markt. Jetzt bin ich aber wieder umgezogen. In eine Gegend, die in Alt-Berlinerisch „Feuerland“ heiß. Kennen Sie das?

    Nein.

    Jenseits der Torstraße, Richtung Wedding, waren damals die ganzen Hochöfen von Firmen wie Siemens, AEG und der Metallwarenfabrik von Schwarzkopf. Deshalb: Feuerland. Bei mir um die Ecke gibt es noch die Feuerland-Apotheke. Und ein Stück weiter ist das Haus Feuerland. Letztens war Katharina Thalbach bei mir zu Besuch. In der DDR hieß es damals ja: Künstler in die Produktion! Und Katharina Thalbach hat ihren Dienst seinerzeit gegenüber von meinem Haus abgeleistet, in den VEB Secura-Werken, die Registrierkassen hergestellt haben.


    Wünscht sich einen eigenen Asteroiden: Blixa Bargeld in der Mitte Foto: Thomas Rabsch

    Blixa Bargeld im Interview: „Ich gebe denen jetzt mal Berlinerisch“

    Auf dem neuen Album gibt es mit „Ick wees nich“ einen explizit Berlinerischen Song. Ist das ein bewusstes Bekenntnis zur Stadt?

    Das entstammt einer Improvisation aus Wien. Die haben dort ja ihren Wiener Schmäh, deshalb habe ich mir gedacht: „Ich gebe denen jetzt mal Berlinerisch.“

    In „Besser isses“ kommt zudem das Wort „Schisslaweng“ vor, das man außerhalb Berlins möglicherweise auch nicht kennt.

    Die Idee dazu hat damit zu tun, dass mich zu Beginn der Pandemie die französische Chansonsängerin Patricia Kaas kontaktiert hat. Ich sollte einerseits ein Duett, andererseits einen Rocker für sie schreiben. Ich habe dann das geschrieben, was man heutzutage einen Break-up-Song nennt, und zwar einen sehr minimalistischen: „Ich ohne dich. Du ohne mich. Besser isses.“ Man darf den Humor bei den Neubauten nicht übersehen.

    Und was hat das mit dem Wort „Schisslaweng“ zu tun?

    Patricia Kaas wollte ein Album auf Deutsch machen, sodass ich angefangen habe, so Hugenotten-Berlinerisch zusammenzusammeln, wo alles aus dem Französischen stammt: Blümerant, das vom französischen bleu mourant hergeleitet ist. Schisslaweng, das vom französischen ainsi cela vint kommt und so weiter. Ich dachte: Das ist bestimmt lustig, wenn Patricia Kaas als Französin diese Dinger singt. Aber sie hat es bis heute nicht aufgenommen, also habe ich dazu bei einem Auftritt in Paris improvisiert. Jetzt ist es eher sowas wie: Blixa breaks up von Gott und dem Universum.


    Cover der neuen Neubauten-Platte „RAMPEN (apm: alien pop music)“ Foto: Potomak

    Blixa Bargeld: „Unser Stück ‚Welcome To Berlin‘ war nicht gut genug“

    Auf dem letzten Neubauten-Album „Alles in allem“ gab es mit „Am Landwehrkanal“, „Grazer Damm“, „Wedding“ und „Tempelhof“ gleich vier Songs, die sich im Titel eindeutig in Berlin verortet haben. Auf dem neuen Album gibt es wiederum den bereits erwähnten Song „Gesundbrunnen“.

    Zum letzten Album gab es sogar ein zentrales Stück, das wir am Ende gar nicht veröffentlicht haben, weil es nicht gut genug war, nämlich „Welcome To Berlin“. Deswegen hat die letzte Platte ein großes Loch in der Mitte.

    Trotzdem hat man das Gefühl, dass sich da so ein track by track durch Berlin abzeichnet.

    Das war mal das Konzept, ja.

    Es gab doch auch mal die Idee, zusammen mit der BVG ein Projekt namens „Der Ring“ umzusetzen, bei der die Einstürzenden Neubauten eine Art Soundtrack schreiben sollten, der das Abfahren des S-Bahn-Rings musikalisch untermalt hätte.

    Sie wissen ja gut Bescheid. Genau, das Stück sollte genauso lang sein, wie es dauert, um einmal den Berliner Ring abzufahren. Wir haben am Ring sogar mal Fotos gemacht. Und die Idee ist immer noch gut, aber leider ist bisher noch nichts draus geworden.

    Haben Sie eigentlich Lieblingsorte in Berlin?

    Es gibt auf jeden Fall ein paar Orte, die mit der Neubauten-Historie zu tun haben. Der Grazer Damm, an dem ich aufgewachsen bin, aber auch die Hansa-Studios, wo wir Mitte der Achtzigerjahre „1/2 Mensch“ aufgenommen haben, oder das Tritonus Studio in der Schlesischen Straße, wo ich damals war, als die Mauer fiel. Oder der Wasserturm hinterm Technischen Museum, auf dem Gelände der S-Bahn. Da haben wir mal das Stück „DNS Wasserturm“ aufgenommen. Das alles sind für mich aufgeladene Orte.

    Gibt es eine Textzeile von Ihnen, bei der Sie der Meinung sind: Das ist die beste, die ich je geschrieben habe?

    Die eine Textzeile gibt es nicht, aber ja, es gibt durchaus Zeilen, die ich toll finde wie „Drum lass dir nicht von denen raten, die ihren Winterspeck der Möglichkeiten längst verbraten haben“ aus „Weil weil weil“ vom „Alles wieder offen“- Album. Neulich hat mir aber ein Journalist gesagt, dass ihm die ersten Zeilen des Stücks „Feurio!“, seit er sie zum ersten Mal gehört hat, nie wieder aus dem Kopf gegangen sind: „Mittels Druck und Körperwärme wird aus unserer Konfusion eine Kernfusion.“ Und die stammt aus „Haus der Lüge“, ist also nun auch immerhin schon 35 Jahre alt.

    Bedeutet es Ihnen etwas, wenn Leute etwas mit Ihnen und Ihrer Musik verbinden?

    Natürlich. Das ist eine Ehrbezeugung. Eine Genugtuung. Ich bin jetzt 65 Jahre alt und komme bald ins Museum. Aber das – das bleibt. Und ganz ehrlich: Wenn man einen Neubauten-Musikgeschmack hat, dann kann das nicht das Schlechteste sein.

    Zumal durchaus auch Menschen außerhalb Deutschlands etwas mit Ihnen verbinden.

    Apropos: Die machen mich in zwei Jahren sogar zum Professor in Zürich. Dit is so’n Lehrstuhl für Poetik. Da waren vorher nur Nobel- und Büchner-Preisträger.

    Wow. Gratulation!

    Ich habe ja gar keinen Preis. Für nüscht. Dabei würde ich mir vor allem wünschen, dass endlich mal ein Asteroid nach mir benannt wird. John, Paul, George und Ringo gibt’s schon, Frank Zappa auch. Asteroid Blixa Bargeld – das wär noch was.

    Einstürzende Neubauten: RAMPEN (apm: alien pop music). Potomak/Indigo 2024

    –---

    Zur Person


    Blixa Bargeld

    … wurde am 12. Januar 1959 in West-Berlin als Hans-Christian Emmerich geboren. Seinen Künstlervornamen Blixa hat er von einem Filzstift namens „Blixa Color 70“; der Künstlernachname ist eine Verbeugung vor dem Dada-Künstler Johannes Theodor Baargeld.

    … und seine Band Einstürzende Neubauten zählen mit Bands wie Kraftwerk und Can zu den international einflussreichsten Musikgruppen Deutschlands. Bekannt ist vor allem der immense Einfluss der Neubauten auf das Frühwerk von Depeche Mode.

    … und seine Band werden am 9. September in der Berliner Columbiahalle auftreten. Am 10. Dezember steht Blixa Bargeld wiederum mit seinem italienischen Musikerfreund Teho Teardo im Festsaal Kreuzberg auf der Bühne.

    #Berlin #Musik #Imdustrial #Geschichte

  • Wirtschaft: Jacky Spelter, geb. 1927
    https://www.tagesspiegel.de/wirtschaft/jacky-spelter-1128784.html

    18.06.2004 -Elvis saß im Publikum und schüttelte ihm nach dem Konzert die Hand. Das war so eine Geschichte. Eine Legende war Jakob Spelter, den alle Jacky nannten, schon zu Lebzeiten: Deutschlands ältester Rock ’n’ Roller. Der Kaiser von Neukölln – jedenfalls fühlte er sich so, wenn ihn die Leute auf der Straße grüßten, ihm zuwinkten, wenn er auf seinem Motorroller vorbeifuhr, mit dem Topfhelm, wenn ihn jemand auf dem Hermannplatz um ein Autogramm bat. Jacky Spelter, der Rummelplatz-Elvis, der sein Leben der Musik gewidmet hat. Der den „Raggnrohl“ geliebt hat, weil er so wahr und echt ist. Wie das Leben. Mal rauf, mal runter. Wie Jackys Leben.

    Die Beatles hätten bei ihm im Vorprogramm gespielt, in Hamburg, im Star-Club, als sie sich noch „Silver Beetles“ nannten; Jacky wurde zornig auf junge Besserwisser, die sowieso keine Ahnung hatten. Wenn einer wagte anzumerken, dass die Beatles seit 1960 nicht mehr „Silver Beetles“ hießen, dass der „Star-Club“ aber erst 1962 eröffnet wurde. Es gibt ein Foto: Jacky am Mikrofon, dahinter John Lennon mit Jackys Gitarre. Von der Jacky gerne erzählte, sie sei eine 1950er Fender, die erste, die nach Deutschland gekommen sei. Obwohl diese Sorte Fender erst ab 1957 gebaut wurde. Niemand wollte darüber streiten. Jacky wusste, dass er Recht hatte. Und Legenden brauchen legendäre Begebenheiten.

    In der Kriegsgefangenschaft in Texas hat Jacky zum ersten Mal die „Hillbilly“-Musik gehört. Und da hat er seine Leidenschaft für den „Konndrie“ entdeckt. „Konndrie“ nannte der Hesse „Tschäggie“ die „Country“-Musik. In Texas habe er dann auch das Gitarrespielen gelernt.

    Die letzten 36 Jahre lebte Jacky in Neukölln. Sanderstraße 15, Parterre. Das „Büro“, ein fensterloser, winziger Raum, riecht nach Zigaretten und fünfziger Jahren. An den Wänden bis unter die Decke Plakate und alte Fotos: Elvis, Elvis, nochmal Elvis. Außerdem Little Richard, Chuck Berry, Bill Haley. Plakate von eigenen Auftritten: „Jacky And His Strangers“. Riverboat-Shuffle, Volksfeste, Rock ’n’ Roll-Partys. Fotos von Jacky mit Loki und Helmut Schmidt. Mit Lothar de Maizière und Manfred Stolpe. Mit Walter Momper. Jacky mit Helge Schneider. Und kistenweise Videos. Eine Abteilung nur Elvis, hunderte von Elvis-Videos. Und ein ganzer Schrank mit Jacky-Filmen, jeder Fernsehschnipsel, in dem er mal zu sehen war: ein Gastauftritt in einer alten „Stahlnetz“-Folge, Berichte in Berliner Abendschauen, eine Dokumentation über den AFN, der Spielfilm „Das Leben ist eine Baustelle“. Und „Rock ’n’ Roll Jacky“, die rührende Dokumentation vom verarmten Rock ’n’ Roller in Neukölln. Aber auch kistenweise Videos über den Zweiten Weltkrieg: U-Bootkrieg, deutsche Luftwaffe, Leni Riefenstahl, Stalingrad. Damit hat er gehandelt, hat so was auf Bestellung aus dem Fernsehen aufgenommen. Mit allem möglichen Zeugs hat Jacky gehandelt, um die spärliche Rente aufzubessern. Zweimal im Monat ist er nach Polen gefahren, auf den Markt bei Küstrin. Ist dort mit seinen zwei Zentnern Leibesfülle, seinem Zigeunerbärtchen, den mit Brisk-Pomade zurückgeschniegelten Haaren mit geöltem Entenschwanz und den langen Koteletten zwischen den Verkaufsständen durchgepflügt. Seine Freundin Heidi immer hinterher, über der Schulter einen Klappstuhl, den die Polen „Amerika“ nannten. Wenn Heidi auf Jackys Geheiß – ach, er war so galant, so charmant, aber auch ein bisschen despotisch, ja, ein richtiger Kotzbrocken konnte er manchmal sein – wenn Heidi also auf sein Geheiß „Amerika“ an gewünschter Stelle aufgebaut, und Jacky sich darauf niedergelassen hatte, dann hatten die Polen schon verloren. Sagt Heidi. Denn Jacky konnte handeln wie kein Zweiter. Socken, Unterwäsche, Hosenträger, Lebensmittel. Zigaretten. Heidi war es immer ein bisschen peinlich, so tief drückte er die Preise. Aber die polnischen Händler hatten auch ihren Spaß.

    In Neukölln folgte das Leben des Rock ’n’ Rollers einem geregelten Ritual. Aufstehen um halb neun, dem Wellensittich „Guten Morgen“ sagen. Die Tabletten fertig machen, 20 am Tag waren es mindestens, Blutdruck, Herz, Kreislauf, Diabetes. Insulinspritze fünfmal täglich. Tee, Frühstück. BZ und Brötchen hatte ihm Heidi schon früh vorbeigebracht. Die Brötchen durften nur von einem ganz bestimmten Bäcker sein, sonst hätte er sie gleich wieder zurückgeschickt. Nach dem Frühstück Annoncen in der Zweiten Hand aufgeben, mit Zeug, das zu verkaufen war. Und vielleicht einen Fanbrief beantworten. Einkaufen mit dem Motorroller. Zu Karstadt am Hermannplatz. Kaisers. Reichelt. Aldi. Zweimal in der Woche Lotto. Dann kochte Jacky. Stundenlang. Mit viel Liebstöckel, seinem Lieblingsgewürz. Und mit viel Liebe. „Was du mit Liebe machst, das wird besonders gut!“

    Man mochte Jacky für einen Einzelgänger halten. Auf jeden Fall war er einer, der Gesellschaft sehr zu schätzen wusste. Ein Schwätzchen hier, ein Schwätzchen dort. Beim Lottoman, beim Trödler am Ende der Straße, beim russischen Schuster, am Wurststand, bei der Kartoffelfrau. Stundenlang konnte er sich unterhalten, wie die Kartoffeln im Kartoffelsalat sein müssen. Kochen war eine Leidenschaft. Neben der Musik, dem Angeln, dem Schießen, dem Schachspielen. Die halbe Nachbarschaft hat Jacky bekocht. In großen Tuppertöpfen sein Essen verteilt. An Leute, die noch weniger hatten als er.

    Wenn Heidi Punkt 16 Uhr wieder bei ihm eintrudelte, ist sie erst mal mit dem Staubwedel über den VW-Combi gegangen, hat das Auto, das auch Bandtransporter war, dann noch mit den Putztüchern „Blaues Wunder“ behandelt. 20 Minuten täglich. Während Jacky schon mal im Büro die Schachfiguren aufbaute. Und neben dem Spielbrett den Brief. Für Heidi von Jacky. In seiner ungelenken, krakeligen Handschrift hat er ihr unzählige Liebesbriefe geschrieben. Heidi hat sie alle gesammelt.

    Zwei bis drei Partien Schach haben sie gespielt. Jackie war kaum zu schlagen. Dann Massage, er hatte es im Rücken, eine Kriegsverletzung, wandernde Granatsplitter. Und Heidi putzte die Wohnung, machte sein Bett. Ihr Jacky sollte jeden Abend in ein frisch gemachtes Bett gehen, darauf hat sie Wert gelegt. „Hör’n Sie doch auf mit diesen emanzipierten Tussen, die haben keine Ahnung.“ Sie hat es gerne gemacht für ihren Jacky, „Jacky war einmalig. Solche Männer wachsen nicht nach!“ Wenn Heidi mit der Küche fertig war, hat Jacky gleich wieder angefangen zu kochen.

    Als Jacky aus der Kriegsgefangenschaft nach Wiesbaden zurückgekehrt war, hat er seine Gitarre genommen, ist aufs Land gegangen und hat den Bauernfrauen etwas vorgesungen. Und immer etwas zurückgebracht: Butter, Eier, Wurst. Die Frauen haben Jacky geliebt. Er sang so schön! Also hat er, der einmal Spengler gelernt hatte, die Musik zum Beruf gemacht. Ist regelmäßig in amerikanischen Soldaten-Clubs aufgetreten. In Friedberg habe Elvis im Publikum gesessen und Jacky nach dem Konzert die Hand geschüttelt. Das hat er immer wieder erzählt, darauf war er stolz. Und dass er gut verdient und einen Schlitten gefahren hat, damals. Als andere noch im Goggomobil rumgetuckert sind. Da hat Jacky das Geld mit vollen Händen aus dem Fenster geworfen. Bis irgendwann nichts mehr da war und die Sache mit dem Rock ’n’ Roll auch nicht mehr so doll lief.

    Wenn er auch später in Berlin noch regelmäßig auftrat, auf Rummelplätzen, Hochzeiten, Straßenfesten. Mit „Rock Around The Clock“, „Marina, Marina“. „Be-Bop-A-Lula“. Und „Die kessen Bienen von Berlin“. Das Stück hatte er für seine Frau Lu geschrieben. Auf seine große Reise nach Amerika, die ihm Fans geschenkt hatten, konnte sie wegen des Krebs’ nicht mehr mitkommen. Lu, die sich auf einem seiner Konzerte in Jacky verliebt hatte, kümmerte sich 31 Ehejahre lang um ihn. Kurz vor ihrem Tod sagte sie zu Heidi: „Pass gut auf unseren Jacky auf! Der macht doch sonst nur Unsinn!“

    Heidi hat gut aufgepasst auf ihren Jacky. Fünf schöne Jahre noch. Bis zum Schluss im Krankenhaus, wo man ihm nach diversen Operationen sagte, nun müsse man ihm einen ganzen Fuß amputieren. Das wollte Jacky nicht: Mit zwei Füßen sei er geboren worden, mit zwei Füßen sei er aus dem Krieg zurückgekommen… „Dann werden Sie sterben, Herr Spelter!“ Da hat er genickt und sich weggedreht. Von da an hat Jacky nicht mehr gesprochen, hat seine Tabletten nicht mehr genommen, wollte nicht mehr essen. Heidi war bei ihm, als er starb. Sie hat gut auf ihn aufgepasst. Bis zuletzt.

    H.P. Daniels

    #Berlin #Musik #Rock_n_Roll

  • Jacky and his Strangers - Jacky Spelter
    http://www.konzert-kalender.com/jacky-and-his-strangers.html

    Jacky and his Strangers, eine „Kultband“ im alten Berlin
    1973 - ich war neu in Berlin. Vom „Lande“ gekommen - genauer von der Insel Sylt, bekam ich natürlich ganz schnell mit, dass das Stadtleben so manche Verlockung bot. Dazu zählte das Nachtleben; nein, nicht das Besuchen von teuren Tanztempeln, sondern das Besuchen von Musikkneipen, die der schmalen Studenten-Geldbörse schon eher angemessen waren.
    „Wo kann man denn abends mal so hingehen?“ fragte ich etwas blauäugig in die Runde. „Heute Abend - da gehst Du am besten in die Tarantel“, antwortete eine Frau, „da spielt ne echt tolle Band.“
    "Wo ist denn das?" „In Kreuzberg, fast an der Mauer, U-Bahn Schlesisches Tor und dann in der Köpeniker Straße.“
    Gegen halb neun erreichte ich das Ziel. Es war wirklich - damals - fast das Ende der (westlichen) Welt.
    Die „Tarantel“ war schnell gefunden, eine der vielen kleinen Kneipen Berlins, die mehrmals die Woche auch Live-Musik brachten. Es war noch nicht viel los. Einige - in meinen Augen - schon recht alte Herren bauten die Instrumente und die Anlage auf. An einem der Tische saß ein älterer in schwarz gekleideter Mann und spielte mit einem anderen Gast Schach. Alles machte einen ruhigen Eindruck. Und hier sollte heute noch eine tolle Band spielen? Langsam wurde ich skeptisch. Wann würden die Musiker kommen? Und wer waren die Leute, die alles aufbauten?
    Die Zeit verging. Gegen Zehn passierte dann alles auf einmal. Das Schachspiel war zuende. Diejeningen, die die Instrumente aufgebaut hatten, tranken noch ein Bier, rauchten noch eine Zigarette und gingen dann mit dem Schachspieler auf die Bühne.
    Ein kurzer Blick ins Publikum, wie es wohl nur Jacky kann, und dann rockten sie los: "Hello Josephine".
    ... und immer so weiter. Meine anfängliche skeptische Haltung wandelte sich in pure Begeisterung!
    Das war das erste Konzert, das ich erlebte. Und immer, wenn ich las oder hörte, dass „Jacky and the Strangers“ spielten, dann ging ich hin. Da baute sich natürlich auch eine persönliche Beziehung auf. Ich erlebte die legendären Nächte in der Alten TU-Mensa und sah sie spielen auf dem Atze-Fest. So erlebte ich sie 20 Jahre.

    ... und dabei auch einige Merkwürdigkeiten.
    So geschah es, dass Jacky and his Strangers an einem Buß- und Bettag auftraten. Die damaligen Gesetze und Vorschriften schrieben aber vor, dass „Unterhaltungsmusik mit Gesang“ an diesem Tag nicht erlaubt war.
    So spielten Jacky und seine Strangers etwas getragener - und ohne Gesang.

    In den vielen Jahren der Bandgeschichte gab es auch einige Wechsel.
    Ich habe erlebt, wie Jacky mit großer Geduld versuchte, mit einem noch sehr jungen Gitarristen das Bandprogramm einzuüben. Den habe ich aber dann nicht wieder bei ihm gesehen.
    Nach meinem Wegzug aus Berlin hatte ich natürlich keine Gelegenheit mehr, diese ursprüngliche Band zu hören. Da war ich sehr froh, dass eines Tages auf ARTE ein Bericht über Jacky erschien. Gefreut habe ich mich auch, als er in einem Filmbeitrag über den AFN auftauchte.

    ... und immer wenn ich mal wieder in Berlin war, wurden natürlich die Programmblätter Tip und Zitty studiert, um herauszufinden, ob Jacky noch spielte. So auch 1999. Wir pilgerten nach Tegel und erlebten die Band auf den Festwiesen. Jacky war (fast) ganz der Alte, plauderte nach dem Konzert noch etwas mit uns und gab ein Bier aus.
    Das war leider das letzte Mal, dass ich ihn sah.

    Er schenkte mir eine Autogrammkarte - und jeder, der ihn kannte, weiß, dass das „herzlichst - Jacky“ auch wirklich so gemeint war.

    Die Band:Jacky Spelter (†): Gesang und Gitarre
    Pit: Melodiegitarre
    Franz: Saxofon&Akkordeon
    Peter: Bass;
    Harry: Schlagzeug †


    Jacky and his Strangers, die dienstälteste RocknRoll Band mit ihrem Bandleader Jacky, der inzwischen 75 Jahre alt ist. Die Band begeistert seit Jahrzehnten und spielte wohl in allen Häusern, die in Berlin Lifeauftritte ermöglichen. Schon legendär sind die Auftritte in der alten TU-Mensa. Die Band hat auch heute noch eine feste Fangemeinde, die immer wieder aufschlägt, wenn es heißt: „Jackie and his Strangers spielen“, wie am 15. August 1999 in Tegel anlässlich des „Sommer Boulevard“


    Jackie voll in Aktion!
    Wenn die Band sich warmgespielt hat, das Publikum anfängt, voll mitzugehen, dann ist Jacky-Zeit! Der Meister und seine Gitarre laufen zur Höchstform auf.
    Zum Kongress der Mathematiker im Jahre 1998 war ein großer Auftritt. Die Life-CD zeigt einen authentischen Mitschnitt - leider etwas lieblos zusammengestellt und nicht so toll bearbeitet.


    Kürzlich war Jacky auch mal wieder im Fernsehen:
    Arte zeigte ein einstündiges Fernsehportrait, und hier eines
    vom WDR auf YouTube:

    https://www.youtube.com/watch?v=xobxJtWHups

    Auch in dem Film „Das Leben ist eine Baustelle“
    (1992) Regie: Wolfgang Becker
    wirkte Jacky mit.


    Das gibt es heute nicht mehr!
    Gitarre und Verstärker stammen noch aus der „Gründerzeit“ des RocknRoll, der Fender- Verstärker war der erste, der nach Europa kam!

    Am 12.Mai 2004, 13 Uhr, verstarb Deutschlands ältester Rock’n’Roller
    Jacky Spelter in der Berliner Charite nach fünfmonatigem Leiden.
    Am 1. August wäre er 77 Jahre alt geworden.
    Weitere Infos auf der Seite von Joachim Hartmut

    Zur „Trantel“, in der einige Konzerte von „Jacky and hist Strangers“ stattfanden - insbesondere über den Betreiber - gibt es einen interessanten Spiegel-Online-Artikel: http://www.spiegel.de/spiegel/print/d-22328672.html

    Auch die ZEIT befasst sich mit dem Titel „Tod im Grunewald“ mit den Vorgängen (die allerdings nichts mit den Konzerten in der Tarantel und Jacky zu tun haben):
    http://www.zeit.de/2012/18/Verfassungsschutz-NSU-Schmuecker

    Auch die ZEIT befasst sich mit dem Titel „Tod im Grunewald“ mit den Vorgängen (die allerdings nichts mit den Konzerten in der Tarantel und Jacky zu tun haben):
    http://www.zeit.de/2012/18/Verfassungsschutz-NSU-Schmuecker

    Anne-Mette Gerdsen
    Bahnhofstraße 1
    24977 Ringsberg

    #Berlin #Musik #Rock_n_Roll #Neukölln #Kreuzberg

  • Hart reglementierte Kunst in Deutschland: Das Lied der Straße
    https://taz.de/Hart-reglementierte-Kunst-in-Deutschland/!5946760

    Potsdam, 27.7.2023 von Andreas Hartmann - Für Straßenmusik herrschen strenge Regeln. In Potsdam etwa müssen Musikanten nach einer halben Stunde umziehen und die nächste volle Stunde abwarten.

    Man braucht nicht lange, um auf der Brandenburger Straße, der beliebten Fußgängerzone in der Innenstadt Potsdams, auf die ersten Straßenmusiker zu treffen. Es ist zwar brüllend heiß an diesem Donnerstagnachmittag, aber da sitzt trotzdem einer in der Sonne und spielt sein Akkordeon.

    Niemand beachtet ihn groß. Die Brandenburger Straße ist eine hochfrequentierte Einkaufsstraße, in der sich Laden an Laden reiht. Die Passanten sind auf Shoppingtour, und wer hier öfter unterwegs ist, registriert irgendwelche Akkordeonspieler oder andere Instrumentalisten, die in Scharen unterwegs sind, schon gar nicht mehr. Denn die Fußgängerzone ist der Hotspot für Straßenmusiker schlechthin in Potsdam. Man kommt kaum drum herum, nach ein paar Metern vom ersten Ständchen beglückt zu werden.

    Als Konstantin Skripariu stellt sich der Mann mit dem Akkordeon vor, der ursprünglich aus Rumänien stammt und derzeit in Berlin lebt. Drei bis vier Mal in der Woche komme er nach Potsdam, berichtet er, um hier zu musizieren – immer in der Brandenburger Straße. 30 bis 40 Euro könne er danach im Durchschnitt aus seinem Hut fischen, manchmal auch 50. Sein Deutsch ist nicht besonders gut, aber was man so herausfindet im Gespräch, ist, dass er ganz zufrieden damit ist, wie es so läuft zwischen ihm und den Potsdamern.

    Und dass es so unkompliziert sei, hier zu spielen, im Vergleich zu Berlin. Sich umständlich eine Genehmigung besorgen muss er nicht. Einzige Auflage in Potsdam: Nach einer halben Stunde an einem Ort muss er verschwinden und darf sein Instrument erst an einer anderen, mindestens 300 Meter entfernten Stelle wieder auspacken.

    Man hört das oft von Straßenmusikern in Berlin, dass in der deutschen Hauptstadt, eigentlich ein äußerst beliebtes Pflaster bei diesen, alles überreguliert sei. Wer in der U-Bahn spielen will, braucht dafür eine Genehmigung von der BVG. Und wer auf bestimmten Plätzen auftreten möchte, muss sich das vom jeweils zuständigen Bezirk erlauben lassen. Aber jeder Bezirk hat andere Regeln, Dauer und Höhe der Gebühr für eine Genehmigung sind unterschiedlich. Vielen ist das zu kompliziert, und so stellen sich viele einfach ohne amtlichen Segen auf die Straße, in der Hoffnung, dass niemand vom Ordnungsamt auftaucht.

    Dagegen klingt das Verfahren in Potsdam tatsächlich vergleichsweise simpel. Allerdings wurde es erst vor ein paar Wochen auch hier verkompliziert. Musikdarbietungen mit Verstärker beispielsweise waren auch bislang schon verboten, nun aber wird zusätzlich die „Benutzung von lauten Rhythmus- und Blasinstrumenten“ untersagt.

    Und vor allem ist jetzt neu, dass nur noch in der ersten Hälfte jeder vollen Stunde gespielt werden darf. Um demnach auf seine halbe Stunde Spielzeit an einem Ort zu kommen als Straßenmusiker in Potsdam, muss man also eigentlich immer genau auf seine Uhr schauen und pünktlich zur vollen Stunde loslegen.

    Einer, der gerade seine Gitarre ausgepackt hat und schon bald damit beginnt, „Working Class Hero“ von John Lennon zu klampfen, sagt, dass er bisher noch nie Probleme hatte bei seinen Auftritten in der Brandenburger Straße. Er komme regelmäßig aus dem eine halbe Stunde Zugfahrt entfernten Bad Belzig hierher und hat sogar einen Künstlernamen: Eskinth. Er hoffe, irgendwann von seiner Musik ­leben zu können. Wenn sich erst einmal eine Menschentraube um ihn gebildet habe und alle begeistert zuhören würden, hätte ihm noch nie jemand gesagt, dass nun die halbe Stunde rum sei und er verschwinden solle.

    Schon seit Jahren beschweren sich neben Geschäftsleuten vor allem Anwohner darüber, dass es zu viel und zu laut mit der Musik vor ihren Haustüren geworden ist

    Einen Massenauflauf erregt er mit seinem Spiel aber in den nächsten Minuten an diesem Donnerstagnachmittag nicht. Eher achtlos laufen auch diejenigen vorbei, die ihm eine Münze zustecken. Gefragt, warum er etwas gebe, obwohl er gar nicht zuhöre, antwortet ein Passant, der gerade aus dem nahe gelegenen Luckenwalde zu Besuch sei: „Weil die Musik in einer Fußgängerzone einfach mit dazugehört.“
    Beschwerden gibt’s überall

    Dass nun in Potsdam versucht wird, die Straßenmusik stärker zu regulieren, kommt nicht von ungefähr. Schon seit Jahren beschweren sich neben ein paar Geschäftsleuten vor allem Anwohner der Brandenburger Straße darüber, dass es einfach zu viel und zu laut mit der Musik vor ihren Haustüren geworden sei. Auch andere Kommunen überall im Land haben mit ähnlichen Sorgen zu kämpfen.

    In diesem Spannungsfeld, einerseits die Menschen mit Musik zu unterhalten und Freude zu bereiten, dabei aber andererseits auf allerlei Widerstände zu stoßen, bewegt sich die Straßenmusik schon seit jeher. In dem Buch „Musikalische Volkskultur in der Stadt der Gegenwart“ beschreibt der Musikwissenschaftler Günther Noll, welchem Argwohn bereits die „Spielleute“ im frühen Mittelalter ausgesetzt waren. Diese zogen von Dorffest zu Dorffest und spielten dort zum Tanz auf.
    Eine Frau legt geld in den Instrumentenkasten eines Straßenmusikers

    Dabei wurden auch gerne zotige Trink- und Liebeslieder vorgetragen, was der Obrigkeit und vor allem dem Klerus nicht so gut gefiel, und man begann damit, die umherreisenden Musikanten durch allerlei Erlasse zu ächten. Ihre soziale Stellung war sowieso ziemlich niedrig, sie wurden als „wurzellos“ diffamiert und zu den „Unehrlichen“ gezählt. Und als „Unehrlicher“ hatte man damals nicht viel zu melden. In eine Handwerkszunft durfte man nicht eintreten, und es war üblich, dass man am Abend nach seiner Darbietung auf einer Festivität wieder vor die Tore der Stadt gejagt wurde.

    Bänkelsänger, Dudelsackpfeifer, Maultrommelspieler und Tanzgeiger spielten dennoch in großer Zahl bis zu Beginn des vergangenen Jahrhunderts in Städten und Dörfern auf, auch wenn durch immer mehr Regularien und teils auch schlichtweg Verbote versucht wurde, das Musizieren auf öffentlichen Straßen und Plätzen einzuhegen oder ganz zu unterbinden.

    Karrieresprungbrett Straße

    Von der Straße direkt in die Charts – von solch einem Werdegang kann man ja wenigstens mal träumen als Straßen­musiker:in. Ein paar bekannte Beispiele für eine derartige Erfolgsgeschichte gibt es ja. Vorneweg das der Kelly Family, die Jahre lang mit Sack und Pack durch die Lande zog und von ihrer Straßenmusik mehr schlecht als recht lebte. Bis dann ein findiger Labelmanager auf die Idee kam, die ganze Truppe eine Platte aufnehmen zu lassen. Die Nummer mit der ungebundenen Hippie-Familie, die auf den Straßen dieser Welt ihre Freiheit fand, zog ungemein und machte die Kellys zu Superstars.

    Ebenfalls ursprünglich von der Straße kommt Ed Sheeran, der im Alter von 18 Jahren auf Plätzen in London auftrat und heute als König des Normcores global bekannt ist. Die Liste weiterer Musiker:innen, die zu Beginn ihrer Karriere für Einnahmen in den Hut spielten, ist lang und vielfältig. Sie reicht vom österreichischen Liedermacher Wolfgang Ambros bis zum Jazzer Steve Coleman aus den USA.

    Im 19. Jahrhundert soll es beispielsweise, davon weiß der Publizist Ernst Weber zu berichten, der sich viel mit der Volksmusikkultur Wiens beschäftigt hat, einen regelrechten Harfen-Boom auf den Straßen der österreichischen Hauptstadt gegeben haben. Überall griffen demnach die Leute in die Saiten ihrer Harfen, und wohl nicht jeder mit engelsgleichem Geschick. Man wollte weniger von diesen Harfenspielern, verlangte deswegen irgendwann eine Lizenz und stellte daraufhin immer noch striktere Regeln für das Harfenistentum auf.

    Während des Nationalsozialismus verstummte die Straßenmusik nicht bloß in Wien und nicht nur die der Harfenisten so gut wie vollständig. Zu hören gab es jetzt nur noch die Marschkapellen der Braunhemden. Straßenmusiker wurden Bettlern gleichgesetzt und als „Arbeitsscheue“ und „Asoziale“ verfolgt. Ihnen drohte die Haft und die Einlieferung in ein Konzentrationslager.

    Eine Wiederbelebung und bald auch eine neue Hochphase erlebte die Straßenmusik in der Bundesrepublik dann mit der Verbreitung der Fußgängerzonen in den Städten im Laufe der 1970er Jahre. Das war auch die Zeit, in der peruanische Volksmusikgruppen in Scharen durch die autofreien Bereiche deutscher Kleinstädte zogen und „El Condor Pasa“ trällerten. Nach der Wende und in der Folge eines Europas der offenen Grenzen machten sich vor allem osteuropäische Straßenmusiker auf, teilweise regelrecht den Kontinent zu bereisen. Darunter auch viele akademisch ausgebildete Instrumentalisten, die das Niveau der Straßenmusik auf ein neues Level brachten.

    Staatliche Repression mit Tradition

    Und die dann endlich auch überhaupt in einer Stadt wie Potsdam auftreten konnten, was ihnen vorher so nicht möglich war. Denn in der DDR lief es wie unter den Nazis: Man versuchte, die Musik – solange sie nicht irgendwie vom Staat etwa in Aufmärschen organisiert war – von der Straße fernzuhalten. Sich irgendwo auf einen öffentlichen Platz zu stellen und zu musizieren war offiziell nicht erlaubt. Bei Zuwiderhandlung drohten Strafen bis hin zur Inhaftierung.

    Mit Musik wurde sowieso extrem restriktiv umgegangen im selbsternannten Arbeiter-und-Bauern-Staat. Es wurde darauf geachtet, dass in der Disco immer ein bestimmter Anteil von DDR-Musik aufgelegt wurde und nicht bloß die Beatles und die Rolling Stones – zu viel von diesem angloamerikanischen Kulturimperialismus hätte ja der geistigen Gesundheit der Jugend schaden können. Die Zensurbehörden arbeiteten auf Hochtouren und es wurde versucht, auf allen Ebenen ständig das Musiktreiben einzuhegen. Wer spielt was und wann, das musste man alles ganz genau wissen (war letztendlich aber gar nicht zu schaffen, gerade auf dem Lande, Stichwort Dorfdisco).
    Menschen gehen an einem Cellisten vorbei, der in einer Fußgängerzone musiziert

    Es durften sowieso nur staatlich genehmigte Musiker auftreten oder staatlich geprüfte „Schallplattenunterhalter“ – Funktionärssprache für Disk­jockey –, auflegen. Ohne die sogenannte Pappe, die amtlich beglaubigte Spielerlaubnis, ging nichts. Und wer aufmuckte, bekam Auftrittsverbot oder wurde gar ausgebürgert, wie das bei Bettina Wegner, Wolf Biermann und anderen der Fall war.

    Teilweise wurde versucht, das Verbot von Straßenmusik zu umgehen, indem man sich auf die Hinterhöfe von Mietshäusern stellte, hoffentlich unbeobachtet von der Stasi, und dann musizierte, in der Hoffnung, es würde ein paar Münzen aus den oberen Stockwerken regnen. Auf manchen Volksfesten wiederum nahm der Staat seine eigenen Regeln nicht so genau und gab die Erlaubnis, auf öffentlichen Plätzen aufzuspielen.

    Und die Folkszene in den 1970ern war auch in der DDR aufmüpfig genug, dass sich so mancher aus dieser einfach ohne Erlaubnis mit seiner Gitarre auf die Straße stellte. Die Konsequenzen waren mal empfindliche Strafen, manchmal wurde ein Folkie von ­einem Ordnungsbeamten aber auch einfach ignoriert und durfte weiterspielen.

    Aber prinzipiell hätte die Erlaubnis, dass Musiker und Musikerinnen einfach am Straßenrand drauflosspielen dürfen, einen ziemlichen Kontrollverlust zur Folge gehabt, und davor hatten die Staatsorgane der DDR eine riesige Angst. In einem Video aus dem Archiv der Deutschen Nationalbibliothek (www.dnb.de/stoerenfriede) beschreibt der Musikwissenschaftler Steffen Lieberwirth, der damals als Dramaturg im Gewandhaus in Leipzig arbeitete, was passierte, als sich die Bürger der DDR die Straßenmusik dann endlich im großen Stil nicht länger verbieten lassen wollten und im Sommer 1989 in Leipzig ein Straßenmusikfestival organisiert wurde. Die Namen der Veranstalter waren geheim, alles andere wäre lebensgefährlich gewesen, so Lieberwirth, und eine Genehmigung gab es nicht.

    Trotzdem versammelten sich in der Leipziger Innenstadt an einem schönen Tag im Juni Musiker und Musikerinnen von überallher und spielten auf verschiedenen Plätzen auf. Und die Staatsmacht schritt tatsächlich ein, zerschlug Instrumente, zog die Leute an den Haaren weg. Sogar ein Trabbi mit Lautsprechern auf dem Dach fuhr herum, aus denen Schlager plärrten, um das Treiben zu stören.

    „Die Partei hatte Angst vor Texten“, glaubt Lieberwirth, und natürlich wurde auch „We Shall Overcome“ auf diesem Straßenmusikfestival intoniert, der Klassiker aus der amerikanischen Bürgerrechtsbewegung, der in den ­Ohren der DDR-Staatsobrigkeit wie eine Drohung wirken musste.

    In den deutschen Fußgänger­zonen wird Straßenmusik so eingehegt, dass sie eben nicht stört und im besten Fall den Konsum sogar durch Steigerung einer Wohlfühl­atmosphäre anregt

    Lieberwirth glaubt, die Menschen hätten damals begriffen, dass ein Staat, der so mit der Musik und denen, die sie machen, umgeht, keine Zukunft haben kann. Der Moment, in dem die unregulierte Musikdarbietung mit aller Macht auf die Straßen in der DDR drängte, sei für ihn die „Generalprobe der Revolution von 1989“ gewesen.
    Subversive Kräfte

    Diese subversive Kraft hat die Straßenmusik heute auch in Potsdam nicht mehr. Nicht mit Verboten, sondern mit den oben beschriebenen Regularien wird sie im Kapitalismus der BRD domestiziert. In den deutschen Fußgängerzonen wird sie so eingehegt, dass sie eben nicht stört und im besten Fall den Konsum sogar durch Steigerung einer Wohlfühlatmosphäre durch möglichst nicht weiter störende Klänge anregt und dazu beiträgt, das System noch besser am Laufen zu halten.

    In München geht man sogar so weit, dass man erst vor einem Gremium vorspielen muss, wenn man als Straßenmusiker eine Genehmigung bekommen möchte. Dahinter scheint wie schon im Mittelalter und später in der DDR ein weiterhin vorhandenes grundsätzliches Misstrauen gegenüber der Straßenmusik zu stecken und der Wunsch, diese zu kontrollieren.
    Geld im Instrumentenkasten eines Straßenmusikers, der auf einem Horn bläst

    Nicht alle Geschäftsleute in der Brandenburger Straße in Potsdam sollen ja nur Freude empfinden, wenn bei ihnen ums Eck jemand sein Instrument auspackt. Aber in den Läden, in denen man sich selbst so umhört, ist man ziemlich gelassen. Im Blumenladen „Blume 2000“, gegenüber dem gerade ein Mann mit Gitarre, eine singende Frau und ein auf eine selbstgebastelte Trommel klopfender Junge nebeneinander stehen und musizieren, sagen die beiden Mitarbeiterinnen, dass die Darbietungen auch schon mal nerven können, wenn sie zu laut seien und man beim Gespräch mit Kunden sein eigenes Wort nicht mehr verstehen könne. Aber im Großen und Ganzen seien sie eher eine willkommene Abwechslung im Arbeitsalltag.

    In einem Shop, in dem allerlei Accessoires und alles von Geldbeuteln bis Socken­ verkauft wird, spricht die Frau hinter dem Ladentresen sogar mit großer Begeisterung von der Straßenmusik. „Das sind teilweise echte Künstler, die hier spielen“, sagt sie, „viele von ihnen wollen mehr, als bloß ein paar Cents zu verdienen.“ Tolle Cellisten, sogar Leute, die ihr Klavier mit zur Brandenburger Straße geschleppt haben, all das habe sie bereits erlebt. Und das findet sie großartig. Zu denjenigen, denen es manchmal zu viel wird mit der Musik im öffentlichen Raum, fällt ihr nur ein: „Wer eh schon nicht mit seinem Leben zurechtkommt, der fühlt sich auch von der Musik gestört.“

    #Berlin #Potsdam #Kultur #Musik

  • Und Meyer sieht mich freundlich an – Wikipedia
    https://de.wikipedia.org/wiki/Und_Meyer_sieht_mich_freundlich_an

    In den Roaring Twenties und danach gin es in Berliner Kneipen hart zu. Humor war alles, was sich weit jenseits heutiger Wokeness bewegte. Lieder über legendäre „Schlachten“ der Unter- und Nachtwelt wurden von Bier und Schnapsbrüdern fröhlich mitgegrölt. Vergessen Sie #Berlin_Alexanderplatz. Die Realiät war härter als der gute Doktor Döblin es seinen Lesern zumuten wollte. Ab jetzt folgen schwere Straftaten. Was tut man nicht, um sich zu amüsieren.

    Los geht unser Zug durch die Nacht mit Suff und Ehebruch.

    https://www.youtube.com/watch?v=ZqdsVDkCG3s


    https://de.wikipedia.org/wiki/Und_Meyer_sieht_mich_freundlich_an

    Und Meyer sieht mich freundlich an ist ein Couplet aus dem Jahre 1901. Von Kurt Tucholsky wurde es als das „klassische“ Berliner Couplet bezeichnet.

    Die Musik stammt von dem Wiener Operetten-Komponisten Leo Fall, der damals Hauskomponist des Berliner Kabaretts „Die bösen Buben“ war.

    Dessen Gründer, Rudolf Bernauer, schrieb den Text, in dem ein junger Mann in der Kneipe mit der hübschen und offenbar vernachlässigten Ehefrau eines reichen Industriellen anbändelt, der daneben sitzt und ihn dabei – anscheinend nichts ahnend – freundlich ansieht. Dies bleibt auch bei den sich hieraus ergebenden Schäferstündchen so – nur hängt der gehörnte Ehemann Meyer dabei als gemaltes Porträt an der Wand.

    https://www.youtube.com/watch?v=cPNVb96EqMM

    Die Erstinterpretation stammt von dem Wiener Komiker und Operettensänger Joseph Giampietro. Eine frühe Plattenaufnahme wurde von Robert Koppel gesungen. Aus den 1970er Jahren stammen Versionen von Entertainer Peter Frankenfeld (1975) und Schlagersänger Graham Bonney.

    Schon damals scherte man sich einen feuchten Kehricht um alles, was heute noch verboten ist.
    Mord und Totschlag. Ein hoch auf alle Messerstecher !

    Licht aus, Messer raus! (Otto Kermbach, Alexander Fleßburg; 1931)
    https://www.youtube.com/watch?v=g-YUaszw4gs

    (#393) GEORGE GROSZ | Licht aus, Messer raus! (Light Out, Knife Out!)
    https://www.sothebys.com/en/auctions/ecatalogue/2019/impressionist-modern-art-day-n10148/lot.393.html

    Licht aus, Messer raus! (Light Out, Knife Out!)Signed Grosz and dated(lower left); signed Grosz, Watercolor and pen and ink on paper, Executed in 1920.

    Wir schalten jetzt mal nen Gang runter und begnügen uns mit Beleidigung und übler Nachrede.

    Pump mir dein Gesicht, ich will die Großmama erschrecken Odeon Tanz Orchester mit Robert Koppel
    https://www.youtube.com/watch?v=ltWmoDCh-j4

    Und zu guter Letzt eine Prise aggressiver Rassismusfür alle in fröhlicher Schnapslaune. Sowas ging damals runter wie Butter. Wir wissen, was draus wurde und was davor war.

    Der Neger hat sein Kind gebissen / Odeon-Tanz-Orchester mit Refraingesang
    https://www.youtube.com/watch?v=8YwaUQktiBI

    Der Deutsche Schhellackplatten- und Grammophonforum e.V. kennt den Text des Machwerks und noch viele andere Zumutungen für den guten Geschmack.
    https://grammophon-platten.de/page.php?338

    Gassenhauer des Jahres 1926

    Der Neger hat sein Kind gebissen

    Refrain
    Der Neger hat sein Kind gebissen - o-o-ho,
    warum nur tat er uns nicht küssen - o-o-ho!
    Denn wenn man nennt zehn Weiber sein,
    wollen auch geküsst sie sein,
    wollen auch geküsst sie sein.

    Im dunkelsten Landes düsterstem Urwald liegt Jumbo, der Neger, ermattet vom Streit.
    Die Frauen des Negers schimpften und zankten, weil Jumbo verletzt ihre Eitelkeit.
    Er hatte zehn Schöne gefreit nach dem Brauch, doch liebt er ein anderes Mägdelein auch -
    die küßt er stets heimlich und küßt sie so wild -
    bis rot ihr das Blut aus der Lippe quillt;
    das haben die Weiber des Jumbo geseh´n und wütend schreien nun alle zehn:

    Der Neger hat sein Kind gebissen - o-o-ho,
    warum nur tat er uns nicht küssen - o-o-ho!
    Denn wenn man nennt zehn Weiber sein,
    wollen auch geküsst sie sein,
    wollen auch geküsst sie sein.

    Das tut richtig weh. Fast so wie dieser Bericht über den Zustand der Deutschen Bahn heute (9.6.2023).
    https://www.youtube.com/watch?v=jTDtoVql4hc

    It’s not easy having a good time.
    https://www.youtube.com/watch?v=6eo-zQrLxtE


    Sagt der Mann, nachdem er sich Kannibalismus, Entführung und Vergewaltigung allerlei biologischer und konstruierter Geschlechter hingegeben hat. Wo er Recht hat hat er Recht.

    #Berlin #Kultur #Musik #Geschichte #Eisenbahn #Rassismus #Gewalt

  • Loveparade 2.0 in Berlin: 200.000 Technofans tanzen vor Siegessäule
    https://www.berliner-zeitung.de/news/loveparade-nachfolger-rave-the-planet-zieht-heute-durch-berlin-li.2

    Berlin = Party = Tourismus. Die Loveparade hat uns einen kleinen Boom beschert. Toll wenn das wieder losgeht. Nur greifen heute die Uberisten diese Gäste ab. Das muß aufhören.

    9.7.2022aktualisiert 10.07.2022 von Susanne Lenz - Dr. Motte hat seine Loveparade unter dem Namen „Rave The Planet“ wiederbelebt. Das Wetter ist egal, gefeiert wird trotz Regens. Unsere Reporterin ist mit dabei.

    Mehr als 100.000 Technofans haben sich am Abend zur Abschlusskundgebung an der Siegessäule versammelt.
    Es ist kurz nach zwei am Sonnabend, als der DJ Dr. Motte von Truck Nummer 1 seine Botschaft verkündet: „Wir sind alle gleich, wir sind alle eins. Und wir wollen friedlich zusammen tanzen. Heute, morgen und für immer.“

    Es ist das utopische Potenzial einer Gesellschaft ohne Ideologie, ohne Vorbehalte, die Dr. Motte beschwört. Als „Kirche der Ununterscheidbarkeit“ hat der Schriftsteller Rainald Goetz die Loveparade in den 90er-Jahren bezeichnet. Im Jahr 2022 begrüßen die Menschen jeden dieser Sätze mit Jubel, und bald skandieren alle zusammen den Refrain der House-Hymne: „Your house is my house, my house is your house.“ Dann wird die Anlage aufgedreht, die Beats fliegen über den Ku’damm und fahren in die Glieder, die Bässe wummern in der Brust.

    Es ist ein Moment, der Gänsehaut erzeugt, auf jeden Fall bei Loveparade-Veteranen. Die Beats triggern die Erinnerung, und die Hauswände werfen den Rhythmus zurück. Es ist egal, dass die Loveparade 2022 nicht so heißen darf, weil der Veranstalter Dr. Motte alias Matthias Roeingh, nicht die Rechte an diesem Markennamen besitzt.

    Dr. Motte wird an diesem Tag 62 Jahre alt, aber die ihm da unten zujubeln, sind nicht nur Boomer. Was das Alter angeht, ist diese Parade mit dem Namen „Rave the Planet“ extrem gemischt. Es sind Menschen gekommen, die früher dabei gewesen sind – die letzte Loveparade hat in Berlin im Jahr 2006 stattgefunden – und es sind Junge dabei, die dieses Parade zum ersten Mal erleben.

    So wie die 21 Jahre alte Marie-Luise Stöber, seit vier Jahren lebt sie in Berlin. „Ich bin wegen der Menschen gekommen“, sagt sie. „Hier kann man sein, wie man will, man kann tragen, was man möchte, ohne bewertet zu werten“, sagt sie. Bei ihr ist das ein durchsichtiges Oberteil. „Und die Menschen sind einfach verdammt gut drauf.“

    Loveparade 2022 in Berlin: Alle lächeln, alle tanzen

    Wenn man über den Ku’damm geht, vorbei an den 18 Trucks oder Floats, von denen die Musik kommt, empfindet man das genau so. Alle lächeln, tanzen. Da sind Hochgefühl, Ausgelassenheit. Wer hätte gedacht, dass sich das so einfach wieder beleben lässt. Jemand rempelt einen anderen an und entschuldigt sich höflich. Das ist der Spirit. Auch mancher Polizist wippt mit. Was die Outfits angeht, knüpfen viele an die Moden der Vergangenheit an. Man sieht neonfarbene T-Shirts, Zöpfe, wie sie die DJane Marusha einst populär gemacht hat, auch das schwarz-weiß gescheckte Kuhmuster von damals, viel nackte Haut. Sogar die Tanz-Moves von damals sind noch da, die Arme, die in die Höhe fliegen, wenn die Musik es verlangt.

    Um kurz vor drei fängt es an zu schütten, und auch das ist eigentlich nur folgerichtig, denn geregnet hat es auch auf der allerersten Loveparade im Juli 1989, die ebenfalls auf dem Ku’damm stattgefunden hat. Das Motto damals: „Friede, Freude, Eierkuchen“. Auch diese Parade hat Dr. Motte initiiert, zusammen mit ein paar anderen, es kamen vielleicht 150 Menschen. An diesem Sonnabend zählt die Polizei beim Umzug mindestens 45.000 Teilnehmer, 25.000 hatten die Veranstalter angemeldet.

    Am Abend zur Abschlusskundgebung vor der Siegessäule sind Tausende dazugekommen. Die Polizei spricht um 21.20 Uhr von mindestens 100.000 Menschen. „Die genaue Zahl haben wir noch nicht. Es könnten auch noch viel mehr sein“, sagte ein Beamte aus dem Lagedienst der Polizei. Dr. Motte schätzt die Zahl derweil auf 300.000. Am Sonntagmorgen teilte die Polizei mit, dass rund 200.000 Menschen an dem Techno-Spektakel teilnahmen. Rund 600 Polizisten sicherten den Umzug. Immer wieder müssen die Musiktrucks stoppen, weil sie nicht durch die Menschenmassen kommen. Alles läuft friedlich ab. Es gibt laut Polizei keine nennenswerten Vorkommnisse – wie schon den ganzen Tag lang.

    Doch zurück zum Nachmittag: Technofans trotzen dem miesen Wetter. Es regnet in Strömen, und die Loveparade stürmt einen Drogeriemarkt, die Schirme sind im Nu ausverkauft, genau wie die Regenmäntel. Die Leute vertreiben sich die Zeit damit, Joints zu drehen. Hier treffen wir die 36 Jahre alte Ola Iwanowska und den 30-jährigen Mihal Tarnowski aus Lodz, Polen. Tatsächlich hat die Parade sehr bald Menschen aus Osteuropa angezogen, jetzt also wieder. Die beiden erzählen, dass sie als Kinder von der Parade in Berlin gehört haben „Wir konnten diese Gelegenheit auf keinen Fall auslassen“, sagen sie. In Polen sei die Technoszene im Aufschwung. Was diesen Teil der Party-Szene von anderen unterscheide? „In einem Techno-Club bist du frei“, sagt der stark tätowierte Mihal Tarnowski. Und über die Berliner Parade: „Ich fühle hier nur positive Energie.“

    Die Loveparade hat den Mythos Berlins begründet

    Aus dem 150-Menschen-Parade von 1989 entwickelte sich innerhalb weniger Jahre die größte innerstädtische Tanzveranstaltung der Welt. Ende der 90er-Jahre musste die Berliner Parade auf die Straße des 17. Juni umziehen, auf dem Höhepunkt drängten sich eineinhalb Millionen Menschen um die Siegessäule, wo die Schlusskundgebung stattfand - so wie auch in diesem Jahr.

    Die Bilder, die Berlin damals produziert, von den Hunderttausenden, die friedlich auf der Straße tanzen, gehen um die Welt und begründen den Mythos der Stadt. Der Mauerfall war nur der Startschuss, die Entwicklung des Nachwende-Berlin hat die Loveparade in Bewegung gesetzt. Daran hat man lange nicht gedacht, aber die Bilder aus dem Jahr 2022, erinnern einen daran.

    Irgendwann übertrugen die Öffentlich-Rechtlichen die Loveparade live, die FDP schickte einen eigenen Wagen los, und Gotthilf Fischer sang eine Techno-Version von „Hoch auf dem gelben Wagen“. Da wurde die Massenveranstaltung längst von kritischen Stimmen begleitet, Kommerzialisierung lautete ein Vorwurf, naiver Hedonismus. 2001 wurde der Loveparade Berlin der Status als politische Kundgebung aberkannt, sie fand unter ständigen Querelen und dem Kampf um Genehmigungen noch dreimal in Berlin statt und zog dann ins Ruhrgebiet um. 2010 dann Duisburg, die Massenpanik mit 21 Toten. Das endgültige Ende schien gekommen.

    An diesem Sonnabend ist auch Steffen Pade, 42, dabei. Er fällt auf mit seinem leuchtend blauen T-Shirt mit dem alten Logo der Parade, dem strahlenden Herzen. Steffen Pade ist Lehrer, er kommt „aus dem tiefsten Brandenburg“, lebt aber schon lange in Berlin und war von 1998 bis 2001 schon auf der Loveparade.

    „Wenn alle Menschen so denken würden wie hier, das wäre ein Traum“, sagt er. Er hofft, dass die Loveparade nach Berlin zurückgekehrt ist. Und als wir uns verabschieden: „Haben Sie Angst vor einer Umarmung?“

    Die Veranstaltung ist bis 22 Uhr angemeldet.

    Die Party-Stationen des „Rave The Planet“-Umzugs im Überblick:

    Kurfürstendamm (U-Bahnhof Uhlandstraße)
    Breitscheidplatz
    Wittenbergplatz
    Nollendorfplatz
    Potsdamer Straße
    Schöneberger Ufer
    Potsdamer Platz
    Brandenburger Tor
    Großer Stern (Siegessäule)

    #Musik #Berlin #Party #Techno #Geschichte #Tourismus #Taxi #Wirtschaft

  • Hocherotisch, mit echten Visionen: Das Debüt „LVL UP“ der Rapperin Eli Preiss — der Freitag
    https://www.freitag.de/autoren/der-freitag/hocherotisch-mit-echten-visionen-das-debuet-lvl-up-der-rapperin-eli-preiss

    Ausgabe 24/2022 von Till Wilhelm - Hiphop Das Debütalbum der Wiener Rapperin Eli Preiss hat das Zeug, den Sound der Gegenwart zu beeinflussen

    Die Geister der Nostalgie spuken teils schneller, als die Popkultur fortschreiten kann. Gruselig wird es etwa, wenn die Generation Z auf Tiktok Kleidung im Y2K-Stil glorifiziert, für die Millennials auf den Schulhöfen der nahen Vergangenheit noch ausgelacht wurden. Wie sich mit nostalgischen Inspirationen Zukunftsvisionen formen lassen, beweist derweil die Sängerin und Rapperin Eli Preiss. Ihr Debüt LVL UP orientiert sich konzeptionell an den Videospielen der frühen Nullerjahre, die 14 Lieder tragen Titel wie Princess Peach, Gameboy oder Endboss.

    „Ich weiß, man sollte leben im Moment“, heißt es in Bleib still, „doch ich glaub’, die Zukunft macht einiges besser“. Auf schleppenden Drums entwirft Eli Preiss eine Utopie, in der nicht bloß die Sonne scheint, sondern auch systemische Ungerechtigkeiten beseitigt sind. Im hocherotischen Slide wird sogar der gemeinsame Orgasmus mit einem entspannten „Baby, gleich, gleich, gleich“ noch in die Zukunft verschoben, bevor der wohlig ächzende Gesang am Ende des Songs inmitten von Feuerwerksexplosionen atemlose Höhen erklimmt. Es ist vielleicht der gegenwärtigste Moment auf LVL UP.

    Die Texte der 23-Jährigen erzählen wie so viele vom Coming-of-Age, von der Reise zur Selbstfindung. Gerade noch schleudert Eli Preiss über die bunten Weiten des Regenbogen Boulevard, droht, die Kontrolle zu verlieren, bald darauf rast sie zielstrebig mit präzisen Flows durch die Glühheiße Wüste, beide Titel verweisen auf Fahrstrecken des Videospiels Mario Kart. Dazwischen erreicht die Wienerin Level nach Level nach Level, ohne den eigenen Lebenslauf allzu teleologisch darzulegen. LVL UP ist dabei kein Egoshooter, sondern Mannschaftssport. Mit ihrem Produzententeam um Tschickgott und prodbypengg bedient sie sich bei Drum & Bass, Super-Nintendo-Soundeffekten und den Black Eyed Peas, um auch für den New-Wave-Sound des Deutschen Rap eine neue Stufe freizuspielen.

    Keine falschen Fakten flexen
    Wo in der Retrospektive Schwächen und Selbstzweifel angedeutet werden, behält der optimistische Ausblick stets das Übergewicht. LVL UP demonstriert selbstbewusste Angriffslustigkeit – mit konsistentem Anspruch an das Umfeld. Rapkollegen, die „Frauen hassen“ und „mit falschen Fakten flexen“, werden nicht bloß für ihre artistische Bedeutungslosigkeit kritisiert. Auch in der Liebe erlaubt Eli Preiss keine Fremdbestimmung. „Brauche kein’ Mann“, heißt es an einer Stelle mit ignorant-sanfter Stimme. „Wenn, dann wähl’ ich einen“. Romantische Partner saugen an Nippeln wie an denen ihrer Mama, befriedigen oral und müssen damit rechnen, dass die Rapperin sich auf ihre Grillz setzt. Wem das zu viel ist, der darf gerne einen angeekelten Blick auf die anzüglichen Zeilen der männlichen Konkurrenz werfen.

    Gerade in Endboss gelingt es, die Einflüsse von UK-Garage und modernem Trap zu einer respektvoll-turtelnden R’n’B-Hymne zu collagieren. „Ich spiel keine Games mit dir“, rappt Eli Preiss, das Musikvideo hingegen kleidet sich in die Ästhetik von Grand Theft Auto und Street Fighter im Multiplayer-Modus, Zitate einer Popkultur, die um die Jahrtausendwende eigene Zukunftsvisionen entwarf. LVL UP ist keine nostalgische Reise ins Archiv, sondern ein wachträumender Retrofuturismus, der die musikalische Gegenwart, um die er sich so wenig kümmert, mit Sicherheit prägen wird.

    #Musik #Nacht #Techno #R&B #Rap #Deutschrap #Wien #Österreich

  • Eli Preiss - GAMEBOY/SIMULATION (prod. Matt Mendo)
    https://www.youtube.com/watch?v=bWNWQjp3GLw


    Der aktuelle Sound der Nacht. Findest du wie du willst.

    Eli Preiss - ENDBOSS (prodbypengg)
    https://www.youtube.com/watch?v=fLRmmGPZI6U

    https://www.youtube.com/channel/UC6-Ssc_LipDZzes5vKp5vGg
    https://www.instagram.com/elipreiss911
    https://www. facebook.com/EliPreiss/
    https://genius.com/albums/Eli-preiss/Lvl-up

    Eli Preiss - Lvl Up
    https://www.youtube.com/watch?v=-LGuKBmWYyE

    Eli Preiss - Lvl Up — World Wide Waves
    https://www.worldwidewaves.co/blog/2022/2/16/eli-preiss-lvl-up

    Eli Preiss is a singer-songwriter from Vienna, Austria. Although still relatively new to the music scene, Eli’s songs sound mature and on point to where it seems like she has been in the music industry for a long time. She dropped her very first ep album titled, Ep on November 8th of 2018. From 2018 till now, Eli has been putting her name on notice with various collaboration projects and her first full-length album titled, F.E.L.T dropping last year in April.

    Eli is back with a brand new single titled, “Lvl Up." The track has this dreamy, and cloudy type mood that in some ways it has this alternative r&b sounds that is mixed in with the modern trap drum patterns. Sonically, this song has this mesmerizing feel to where you’re going on this journey and then you realize it’s just a dream.

    Overall, if you’re looking for a calm, dreamy, and yet unique type of r&b tune, “Lvl Up" is the song to tune into.

    Written By: Daniel Hwang.

    Eli Preiss - INTERVIEW - offbeat magazine
    ,https://offbeat-mag.wixsite.com/offbeat/post/eli-preiss-interview

    28.1.2022 von Emely Triebwasser - Heute veröffentlichte die Newcomerin Eli Preis die Leadsingle ihres kommenden Albums LVL UP! Als Mitglied des SwiftCircles konnte sich die junge Musikerin schon einen Platz in sämtlichen „Artist-to-Wach in 22“ Listen sichern. Vor ein paar Tagen sprach ich mit Eli über ihr erstes Album, ihre Rolle als weibliche Künstlerin in einer männerdominierten Branche und ihre Anfänge in der Deutschrap Szene! Enjoy!

    Hi Eli! Wie geht’s dir?

    Mir geht’s gut, ich bin entspannt! Und dir?

    Mir geht’s auch gut, auch alles entspannt!

    Du hast mal gesagt, dass dein Schillerplatz Auftritt ein Breaking Point für dich und deine Karriere war – was hat sich seit dem für dich verändert?

    Einerseits mein Selbstbild und die Sicherheit in dem, was ich mache und gleichzeitig hat es mich auch daran erinnert, wofür ich die Musik eigentlich öffentlich mache. Ich könnte das ja auch genau so gut nur für mich in meinem Zimmer machen, aber zu sehen, wie die Leute sich darüber freuen und abgehen war voll wichtig für mich. Davor waren wegen Corona sehr lange gar keine Auftritte möglich und deshalb hat mir das total viel Motivation gegeben.

    HDu bist auch in der Zeit, in der keine Konzerte stattgefunden haben Hörer:innenmäßig sehr gewachsen oder?

    Auf jeden Fall! Da ist auch der Switch von Englisch auf Deutsch gekommen, da habe ich meinen Stil finden müssen. Ich war fast schon gezwungen, mich mit mir selber und dem, was ich mache, auseinanderzusetzen, das ist dann auch passiert und das finde ich im Nachhinein total gut!

    Voll schön, dass dann auch bei einem Auftritt endlich mal gespiegelt zu bekommen und die Leute zu sehen, die die Musik hören. Das stelle ich mir krass vor! Damit sind, glaube ich, gerade auch viele Newcomer:innen konfrontiert und das hat bestimmt auch seine guten und seine schlechten Seiten, wenn man auf ein Mal so viel Aufmerksamkeit bekommt oder?

    Ja, aber es war okay, weil ich mein ganzes Team bei mir hatte! Es war auch ein Breaking Point, weil sich die ganze SwiftCircle Geschichte, da erst so richtig ergeben hat. Ab Schillerplatz waren BIBIZA, LIEBCOZY, prodbypengg und ich der SwiftCircle und haben das auch so genannt und ins Mikrofon geschrien. Ich hab mich total gut gefühlt mit einem Team hinter mir. Ich hatte das vorher nicht und habe da gemerkt, dass ich das brauche und es sich besser anfühlt, wenn man da nicht alleine steht. Hätte ich da ganz alleine gestanden, wäre ich total überfordert gewesen (lacht).

    Dein Debütalbum LVL UP erscheint in nicht allzu ferner Zukunft, bist du schon sehr aufgeregt oder ist das alles noch ein bisschen surreal?

    Ich bin schon aufgeregt, vor allem weil ich jetzt noch so viel machen kann! Jetzt stehen mir noch alle Möglichkeiten offen, man könnte meinen, dass das eine gute Sache ist, aber bei mir ist das oft eher schwierig, weil das auch heißt, dass ich mir ewig den Kopf darüber zerbrechen kann (lacht).

    Die Titelsingle zum Album bekommen wir ja schon nächsten Freitag zu hören, warum hast du dich neben dem Fakt, dass der Track titelgebend für das Album ist, noch dazu entschieden, dass das die erste Single wird?

    Ich liebe diese Frage! (lacht) Ich habe mir tatsächlich Gedanken darüber gemacht, weil ich finde, dass der Song ein gutes Bindeglied zwischen dem Album und der EP davor ist. Würde ich mit irgendeinem anderen guten Track, der singlefähig ist anfangen, dann wäre der Break zu dem was ich davor gemacht habe zu hart.

    Du hast deiner Mutter bereits einen Song gewidmet, LVL UP ist nun deinem Tea gewidmet, würdest du sagen, dein Team ist deine zweite Familie?

    Auf jeden Fall! Ich seh die Leute manchmal sogar mehr als meine eigene Familie und das sind echt wichtige Leute in meinem Leben geworden. „Meine Produzenten“ zu sagen klingt immer so komisch, weil das einfach meine Homies sind und wir so viele private und wichtige Themen miteinander besprechen. Wenn wir da nicht so harmonieren würden, dann würde auch die Musik ganz anders klingen!

    Du warst auch ein Teil der DeutschrapMeToo Bewegung und sprichst dich für mehr weibliche Repräsentation im ganzen Musikbusiness aus, – spiegelt sich das mittlerweile auch in deinem Team wieder?

    Ich würde sagen, dass das Problem an der ganzen Cancel Culture ist, dass es oftmals so wirkt, als würden Leute einfach points proven wollen, anstatt wirklich eine Lösung zu suchen. Im Endeffekt ist es leicht, mit dem Finger auf Leute zu zeigen, aber jeder macht Fehler. Und auch in meinem Kreis gibt es Leute, die Aussagen bringen, die nicht klar gehen oder die sich für mich ungut anfühlen. Ich glaube aber, dass ich mittlerweile einen guten Weg gefunden habe, Leute nicht an den Pranger zu stellen, sondern Lösungen zu finden und in den Diskurs zu gehen. Ich bin sehr dankbar, dass ich die Möglichkeit dazu habe, weil ich meistens die einzige Frau in der Gruppe bin, von innen heraus was zu verändern und produktiv und konstruktiv was zu tun.

    Deine Entscheidung deutsche Musik zu machen kam erst nachdem du schon ein paar Sachen auf englisch veröffentlicht hast - kam der Switch aus einem bestimmten Grund, oder hattest du einfach Bock drauf?

    Wie das mit Entscheidungen so ist, kamen mehrere Faktoren zusammen! Ich habe schon lange vor meiner ersten deutschen Single immer wieder zum Spaß auf Deutsch gerappt, das waren dann immer meine Geburtstagsraps oder Lernraps für die Schule (lacht). Irgendwie habe ich das nie ernst genommen, aber es hat Spaß gemacht und ich habe gutes Feedback bekommen! Oft ist es ja so, dass man etwas aus Joke macht, weil man unsicher ist und sich nicht traut, das ernsthaft zu machen. Als ich dann aber gemerkt habe, dass es den Leuten taugt und gut ankommt, hab ich’s einfach mal versucht!

    Deine englische und deine deutsche Musik unterscheidet sich vom Vibe her ja schon – war es für dich klar, dass mit diesem Sprachwechsel auch ein Genrewechsel kommt, oder ist das auch eher nach und nach passiert?

    Eigentlich gar nicht, aber ich würde sagen, dass ich jetzt mit dem Album die perfekte Mitte und auch mich selber gefunden habe! Ich war von der deutschen Sprache schon beeinflusst, weil ich dachte, dass ich mir jetzt voll die Gedanken darüber machen muss, wie meine Texte und meine Reimketten sind. Auf Englisch habe ich halt einfach geflowt, weil das nicht meine Muttersprache ist, ich habe aber auch nichts Krasses gesagt. Aber ich dachte, dass mich auf Deutsch jeder versteht und deshalb der Text sitzen muss. Davon habe ich mich aber mittlerweile etwas gelöst und habe jetzt versucht, meinen Kern mit R’n’B zurückzugewinnen.

    Du hast ja eben auch schon gesagt, dass die Single den Übergang zwischen Album und EP ganz gut herstellt – wie hebt sich das Album denn von deinen letzten EP’s ab?

    Ich bin auf jeden Fall mehr aus meiner comfort zone rausgegangen und habe das gemacht, was ich will und was mir in deutschsprachiger Musik fehlt. Ich habe auch weniger darüber nachgedacht, wie andere Leute das auffassen und wie ich wirke. Ab dem Moment, an dem du auf Deutsch Musik machst, selbst wenn es nicht mal Rap ist, wirst du sofort in die Deutschrapschublade gesteckt. Es gibt nicht so viel anderes, wenn du nicht gerade Indie machst, dann bleibt fast nur noch Deutschrap.

    Ich wollte mich einfach davon lösen, das Gefühl zu haben, andere Leute in meinen Kreisen beeindrucken zu müssen.

    Können wir uns auf dem Debütalbum auch auf irgendwelche spannenden Features gefasst machen?

    Eigentlich ist das spannende auf dem Album, dass es zum ersten Mal keine Features hat!

    Auch sehr gut! Ich finde es auch ganz schön, wenn es mal keine Features gibt, weil das in dem Fall deine eigene Musik noch mal hervorhebt.

    Ich mache super gerne Features, aber es ist dann relativ oft so, dass ich dann nur im Zusammenhang mit meinen Features genannt werde. Das ist schade, weil ich auch alleinstehend gute Musik mache und das nicht nur damit zu tun hat, dass jetzt dieser eine Rapper mit drauf ist.

    Das fällt mir auch immer auf! Selbst wenn es dein Song ist, wird es oft als Track von XY feat. Eli Preiss genannt.

    Ja, genau!

    Was sind denn deine weiteren Pläne für 2022, nachdem dein Album released wurde?

    Ich würde mich wie jede:r andere Künstler:in freuen, wenn wir wieder live spielen könnten!

    LVL UP ist für mich nicht nur ein Albumtitel, sondern auch, dass ich als Künstlerin mit dem Album wortwörtlich ein Level höher steigen will. Ich will die Liveperformances spannender gestalten, ich möchte mehr akustische Sachen releasen und einfach Sachen die ich schon immer machen wollte, aber immer aufgeschoben habe! (Lacht)

    Hintergrundgespräch in Denglish
    Eli Preiss Interview - neues Album, Zusammenarbeit mit Jalil, Luzide Träume, Kiddy Contest uvm.
    https://youtu.be/5fnkAgynwsA?t=3476

    14,454 views 4 Jun 2021

    #Musik #Nacht #Techno #R&B #Rap #Deutschrap #Wien #Österreich

  • Ist die Zeit reif für eine David-Bowie-Straße?
    https://www.faz.net/aktuell/feuilleton/ist-die-zeit-reif-fuer-eine-david-bowie-strasse-17162585.html

    25.01.2021 von Tobias Rüther - Im Januar vor fünf Jahren ist David Bowie gestorben. Schnell war damals unter seinen Fans die Idee entstanden, jene Hauptstraße im Berliner Stadtteil Schöneberg, wo der englische Popkünstler Mitte der siebziger Jahre gewohnt hatte, in „David-Bowie-Straße“ umzubenennen. Dagegen sprach damals noch die Rechtslage: Fünf Jahre müssen zwischen dem Tod und solch einer Umbenennung liegen. Und vielleicht auch, dass die Hauptstraße 155 dann ja nicht mehr Hauptstraße 155 hieße: eine Adresse, die genau wie die Kreuzung Haight Ashbury in San Francisco, Fixpunkt der Hippies, zum Synonym geworden ist für eine Konstellation der Kulturgeschichte.

    David Bowie hat zwar nicht lange in der Hauptstraße 155 gewohnt. Aber doch lang genug, um in dieser Zeit zwischen 1976 und 1978 körperlich und künstlerisch durchzupusten, die Popmusik mit komischen elektronischen Geräuschen zu verändern und der Stadt ein bisschen Starpower zu hinterlassen.

    Beide zehren bis heute davon. Beiden, Bowie wie Berlin, ist eigentlich erst später so richtig klargeworden, wie viel mythisches Potential in dieser Anekdote steckte: ein berühmter Popstar in einer geteilten Stadt. Bowie hat gern davon erzählt und sich in seinen letzten Lebensjahren selbst als Berliner besungen (auf den Platten, die er damals im Hansa Studio aufnahm, kam Berlin wortwörtlich noch nicht vor, selbst in der Mauerhymne „Heroes“ nicht).

    Seine Hauptstraße 155 wiederum ist heute eine feste Adresse bei Stadtführungen. Dort hatte der Regierende Bürgermeister Müller ein Dreivierteljahr nach Bowies Tod eine Gedenktafel enthüllt. Die war dann kurz darauf wieder verschwunden und musste ersetzt werden – was lustigerweise genauso zum Kunstdieb Bowie passt, der sich permanent bei anderen Genres bediente, wie zu Berlin, wo Kopien von Gewesenem oder gleich ganz Verlorenes noch immer am liebsten angebetet werden.

    Den Wunsch der Fans, einen Teil der vierspurigen, bezirksverbindenden Hauptstraße nach Bowie umzubenennen, hatte dann 2017 auch eine Schöneberger Politikerin der Grünen aufgegriffen, Catherina Pieroth, und schon damals wurde diskutiert, ob es nicht auch ein Platz in der Nähe von Bowies alter Wohnung sein könnte.

    Genau das hat jetzt die CDU von Tempelhof und Schöneberg gefordert: Sie schlägt nicht den nahen Kaiser-Wilhelm-Platz vor, sondern die noch nähere und namenlose Kreuzung, an der auch der U-Bahnhof Kleistpark liegt. „David-Bowie-Platz“: Weil fünf Jahre seit dem Tod verstrichen sind, wäre das tatsächlich möglich, nur hatte sich Berlin eigentlich vorgenommen, vorerst nur Frauen so zu beehren.

    In diesen fünf Jahren hat zudem die #MeToo-Bewegung dafür gesorgt, dass man sich endlich genauer anschaut, wie sich Geniekult und das Herunterspielen von sexuellem Missbrauch zueinander verhalten. Bowie und seine minderjährigen Groupies, dieses Kapitel seines Lebens nicht als Geschichte von Kavaliersdelikten oder Rock-’n’-Roll-Legende abzutun, sondern aufzuarbeiten wäre der erste Schritt. Danach kann man dann ja weiter diskutieren, ob man einen Heldenplatz für Bowie in Berlin braucht. Lieder davon kann man nämlich seit langem singen. Bowie hat sie selbst geschrieben.

    #Berlin #Schöneberg #Hauptstraße #Grunewaldstraße #Langenscheidtstraße #Musik #Geschichte #Straßenumbenennung

  • Diese Kreuzung in Schöneberg könnte bald David-Bowie-Platz heißen - BERLINER ABENDBLATT
    https://abendblatt-berlin.de/2021/01/23/diese-kreuzung-in-schoeneberg-koennte-bald-david-bowie-platz-heiss

    Fünf Jahre nach dem Tod von David Bowie stellt die CDU-Fraktion Tempelhof-Schönebergs einen Antrag zur Umbenennung einer Kreuzung. Fortan soll sie David-Bowie-Platz heißen. Doch die Frauenquote könnte das Unterfangen schwierig gestalten.

    Der Todestag von Rock- und Poplegende David Bowie jährte sich am 10. Januar zum zehnten Mal. Nun steht die Überlegung im Raum, eine Berliner Kreuzung am Heinrich-Von-Kleist-Park in Schöneberg zu seinen Ehren umzubenennen. Die Kreuzung liegt zwischen der Grunewald-, Langenscheidt- und Hauptstraße und soll zukünftig den Namen #David-Bowie-Platz tragen. Das möchte jedenfalls die CDU.

    Verbindung zwischen Musiker und der Stadt ehren
    Die CDU Tempelhof-Schöneberg will diese Kreuzung am U-Bahnhof Kleistpark umbenennen, um die Beziehung des verstorbenen Musikers zu Berlin zu ehren. Laut Süddeutscher Zeitung wollen die Christdemokraten im Bezirksparlament am kommenden Mittwoch einen Prüfauftrag zur Umbenennung einbringen.

    Doch ist das Unterfangen nicht ganz einfach. Denn es gilt, bei der Umbenennung die Geschlechterquote einzubeziehen. Das bedeutet: In diesem Fall ist eine weibliche Namensgeberin vorrangig. Zusätzlich ist nicht jeder Anwohner Fan des britischen Sängers und somit Fürsprecher für diesen Namen. Dass im Jahr 2015 die Anschuldigung auftauchte, dass David Bowie Sex mit Minderjährigen unterstellt wurde, macht die Sache nicht einfacher. Wenngleich der Vorwurf keine Bestätigung fand. 

    Gedenktafel für Bowie

    Bereits einige Monate nach seinem Tod wurde am Wohnhaus der #Hauptstraße 155 im Bezirk #Tempelhof-Schöneberg eine Gedenktafel aufgehängt. Denn dort hatte der Musiker von 1976 bis 1978 gewohnt. Er suchte in Schöneberg Erholung und Normalität. Die fand er dort offensichtlich auch. Im Jahr 2002 soll David Bowie in einem Interview gesagt haben: „Nach vielen Jahren, die ich quasi unter Hochdruck in den USA gelebt hatte, war das entspannend für mich, in eine Stadt zu kommen, wo man relativ wenig Notiz von mir nahm.“

    Doch nicht nur der Anonymität wegen zog der Brite nach Berlin. Auch erklärte er in dem Interview, wie der „deutsche Zeitgeist“ Einfluss auf seine Musik nahm. Neben dem Klassiker „Heroes“, der im Jahr 1977 erschien, sind noch einige andere Songs seines gleichnamigen Albums in der Stadt entstanden. Genauso veröffentlichte er jedoch die Studioalben STATION TO STATION (1976) und LOW (1977) in seiner Zeit in Berlin.

    Datum: 23. Januar, Text: ast

    #Berlin #Grunewaldstraße #Langenscheidtstraße #Musik #Geschichte #Straßenumbenennung

  • Sendung vom Mi, 1.7.2020 20:03 Uhr, SWR2 Musik, SWR2 (1h 56 min) ht...
    https://diasp.eu/p/11604954

    Sendung vom Mi, 1.7.2020 20:03 Uhr, SWR2 Musik, SWR2 (1h 56 min)

    https://www.swr.de/swr2/musik-klassik/swr2-schluesselwerke-100.html

    SWR2 Schlüsselwerke genial erklärt: #Violinkonzert D-Dur op. 61

    (1h 12 Min. äußerst hörenswerte Erläuterungen, daraufhin das gesamte Violinkonzert)

    Sendung vom Mi, 1.7.2020 20:03 Uhr, SWR2 #Musik, SWR2

    #Music #Musique #Beethoven

    • Schlüsselwerke genial erklärt : #Violinkonzert D-Dur op. 61

      Beethovens #Violinkonzert op. 61 gilt als geigerischer Prüfstein, und das, obwohl die Violinstimme vordergründig vor allem auf simplen Tonleitern und Dreiklängen beruht. Virtuosin Carolin Widmann spielte das Werk mit Anfang 20 auf Bitten von Yehudi Menuhin und beschäftigt sich seitdem immer wieder mit der Partitur.In Hörbeispielen historischer Aufnahmen von Bronislaw Huberman, Henryk Szeryng oder David Oistrach werden neuralgische Passagen von ihr unter verschiedenen Gesichtspunkten betrachtet.

      #explications sur l’#oeuvre et l’#interpretation 1h 12min.
      #auf_deutsch , après Carolin Widmann joue l’oeuvre entier.

  • „GO GET ORGANIZED!“ by THE REDSKINS
    https://www.flashlyrics.com/lyrics/the-redskins/go-get-organized-83
    https://www.youtube.com/watch?v=sBquv9EcVWk


    I got a job just shifting beer
    Straight out of school, straight into here
    I got a job pays none too well
    But every Friday I can tell them go to hell
    This place is noisy and full of dust & s***
    This jobs dead lousy but I can’t get out of it
    Come every Friday I see an old man
    Sat back from the bar in the smoke room
    He’s been through battles
    He’s seen some hard ones
    I fought and lost he said
    But let me tell you this son

    Your only weapon
    Is those you work with
    Your strength is their strength
    Can’t beat the rank and file

    Go get organized!

    I joined the union & started signing up
    I found a man ten years a member
    And all this time he’s been holin’ up, hiding quiet
    We pressed the govnor for improved conditions
    And found ourselves on strike for union recognition
    I seen the old man in the smoke room
    He’s been through battles
    He’s seen some hard ones
    I fought and lost he said
    But let me tell you this son

    Your only weapon
    Is those you work with
    Your strength is their strength
    Can’t beat the rank and file
    Go get organized!

    Come every Friday I see an old man
    Sat back from the bar in the smoke room
    He’s been through battles
    He’s seen some hard ones
    I fought and lost he said
    But let me tell you this son

    Your only weapon
    Is those you work with
    Your strength is their strength
    Can’t beat the rank and file

    Go get organized!

    #Gewerkschaft #Organizing #Musik

  • Clubs und Diskotheken in Berlin - Wikiwand
    https://www.wikiwand.com/de/Clubs_und_Diskotheken_in_Berlin

    In Clubs und Diskotheken in Berlin werden bestehende und ehemalige Diskotheken, Clubs, und Tanzlokale in Berlin aufgeführt, die wegen ihrer lokalen, überregionalen oder internationalen Bekanntheit für Berlin eine Bedeutung haben.
    Geschichte

    Während der Entwicklung zur bürgerlichen Metropole im späten 19. Jahrhundert entstanden in Berlin zahlreiche Etablissements der abendlichen Unterhaltung. In den sogenannten Goldenen Zwanzigern erreichte das Nachtleben der Stadt internationale Berühmtheit.

    #Berlin #Clubs #Musik #Geschichte

  • ROCKARCHIV - Texte: Die Berlin Szene
    http://www.rockarchiv.infopartisan.net/berlinszene/index.html

    Rock ’n’ Roll und Beatmusik
    in Westberlin der 1950er und 1960er Jahre

    Durch das wohl wichtigste Buch zur Geschichte der bundesdeutschen Beatmusik "ShakinAll Over" von Hans-Jürgen Klitsch angeregt, habe ich mich 2007 entschieden, die westberliner Geschichte des Rockand Roll und der Beatmusik durch empirisches Material umfassender zu illustrieren.

    Cover der Bear Family CD

    Als Ausgangspunkt zur Darstellung der Bands diente mir die Liste der Auftrittsorte im Booklet der CD Die Berlin Szene, verlegt bei BEAR FAMILY RECORDS, Sie wurde von mir auf Richtigkeit überprüft und teilweise korrigiert, überarbeitet und ergänzt.

    Aufgrund der Mithilfe von aufmerksamen LeserInnen sowie umfassender eigener Recherchen im Netz und in Archiven konnten zahlreiche weitere wichtige Ergänzungen und Korrekturen erfolgen. Mittlerweile ist der Datenumfang dadurch so angewachsen, dass die Darstellung des Materials neu strukturiert werden musste. Zwar wird die bisherige Logik der Gliederung nach Spielstätten in alphabetischer Reihenfolge beibehalten, jedoch in sich neu gegliedert.

    #Berlin #Musik #Clubs #Geschichte #Jugendkultur

  • And now for something completely different. German title, French ly...
    https://diasp.eu/p/9251757

    And now for something completely different. German title, French lyrics, and amazing accordion. Lead vocals by a young girl (same one who nails the 1930s Cuban song below, in a new vid). I’m a fan! They’re a phenomenon!

    Seems a bit to me like an Austrian-French barn burner of “It don’t mean a thing if it ain’t got that swing”. Speechless.

    Bei mir bistu shein

    #music #musik #musica #musique #accordion #trumpet #guitar #horns #vocalist #francais

  • Ein Denkmal für Johann Gottfried Piefke - Bildende Kunst - derStandard.at › Kultur
    https://derstandard.at/1252036790319/Wechselstrom-Ein-Denkmal-fuer-Johann-Gottfried-Piefke

    Theoder Fontanes Gedicht Königgrätz ist zugunsten seiner weniger kriegsverherrlichenden Texte wie Effi Briest und der Wanderungen vergessen. Piefkes Königgrätzer Marsch hingegen feiert fröhliche Urständ beim Bundewehr Musikkorps. Wie schön, dass die Österreicher das sarkstische Kunstwerk erfunden haben.

    „Piefke in Gänserndorf. Ein Kulturmanöver“ - Das Künstlerduo Wechselstrom enthüllt sein Monument beim Viertelfestival Niederösterreich
    Wien/Gänserndorf - „Popmusiker bekommen goldene Schallplatten, Militärmusiker rostige“, ist die schlichte Erklärung des Komponisten Christoph Theiler für die Materialwahl des von ihm gemeinsam mit der Regisseurin Renate Pittroff ins Leben gerufenen Piefke-Denkmals: schnell rostender Corten-Stahl. Am Mittwoch wird das Monument feierlich präsentiert - in Gänserndorf (NÖ). Es erinnert an den Ur-Piefke: Johann Gottfried Piefke, geboren an jenem 9. September vor 194 Jahren in Schwerin, war Leiter des preußischen Musikkorps unter König Wilhelm I.

    Als Preußen am düsteren 3. Juli des Jahres 1866 die Schlacht bei Königgrätz gegen Österreichs Armee gewann und damit den sogenannten Deutschen Krieg, komponierte Piefke umgehend den in Deutschland bis heute bei Polizei- und Militärmusikkapellen beliebten Königgrätzer Marsch.

    Er sollte während der triumphalen Siegesparade des preußischen Heeres erklingen - auf dem Ring in Wien. Dies wusste Otto von Bismarck zu verhindern, um Österreich nicht über Gebühr zu demütigen: Der Marsch erklang, vor die Tore Wiens verbannt, am Marchfeld bei Gänserndorf vor 60.000 preußischen Soldaten.

    Die feierliche Präsentation der rostigen Gedenk-Schallplatte für den Kapellmeister ist nur eine der eigenwilligen Aktionen, mit denen das Künstlerduo Renate Pitroff und Christoph Theiler unter dem Label Wechselstrom die geistige Beweglichkeit und andere unsichtbare Grenzen (etwa des Humors) ihrer Umgebung überprüft.

    Johann Gottfried Piefke
    https://de.wikipedia.org/wiki/Johann_Gottfried_Piefke

    Johann Gottfried Piefke (* 9. September 1815 in Schwerin an der Warthe; † 25. Januar 1884 in Frankfurt (Oder)) war ein preußischer Militärmusiker und Komponist.

    Er erreichte zu Lebzeiten eine gewisse Prominenz und inspirierte möglicherweise die Österreicher zu dem Spitznamen Piefke für alle Deutschen, trug in jedem Fall aber zu dessen Verbreitung bei.
    ...
    Bekannt wurde er aber vor allem durch die zahlreichen Märsche, die er komponierte. Zu den bekanntesten zählen der Marsch Preußens Gloria, der Düppeler Schanzen-Marsch und der Königgrätzer Marsch.


    Schallplatte Pariser Einzugsmarsch, Kapelle d. Leibstandarte Adolf Hitler / Dirigent: Obermusikmeister Hauptsturmführer Müller-John, Komponist Piefke

    Königgrätzer Marsch - Schloss Bellevue 21.09.2018
    https://www.youtube.com/watch?v=ndQAT_zs-Bw

    “Königgrätzer march” on the occasion of the visit of the President of the Czech Republic in the castle Bellevue. It plays the music corps of the Bundeswehr from Siegburg. The Honorary Battalion is commanded by Lieutenant Colonel Patrick Bernardy. This was Patrick Bernardy’s last assignment as Commander of the Guard Battalion at Bellevue Palace.

    Preussens Gloria - Stabsmusikkorps der Bundeswehr
    https://www.youtube.com/watch?v=fDtXbeOub-E

    Pariser Einzugsmarsch Musikkorps der Fliegerhorstkommandantur Döberitz Max Böhm
    https://www.youtube.com/watch?v=VTzl11xe8k0

    Fontane, Theodor, Gedichte, Gedichte (Ausgabe 1898), Gelegenheitsgedichte, Königgrätz - Zeno.org
    http://www.zeno.org/Literatur/M/Fontane,+Theodor/Gedichte/Gedichte+(Ausgabe+1898)/Gelegenheitsgedichte/K%C3%B6niggr%C3%A4tz

    (Prolog, gesprochen am 12. Juli 1866)

    Sie höhnten uns, sie glaubten es zu dürfen;
    Was Langmut war, sie nahmen’s hin als Schwäche,
    Sie warfen uns, zerdeutelt und zerrissen,
    Versprechen und Verträge vor die Füße,
    Und als in Ruh wir dann das Wort gesprochen:
    »Laßt uns, was unser sein muß, nehmt das Eure«,
    Da drohten sie: »Versucht’s, wir sind am Platz;
    Es kost’t euch Schlesien und die Grafschaft Glatz.«

    Das war zu viel. Es klang zurück die Antwort:
    »Wollt ihr den Krieg, wohlan, ihr sollt ihn haben!«
    Und nieder von den Bergen Schlesiens, Sachsens,
    Auf Wegen, die der Ruhm uns vorgezeichnet,
    An Stätten hin, die Siegesnamen tragen,
    In Böhmens Kessel stieg das Preußenheer.

    Ein heißer Kessel! Manches Kriegeswetter
    In Tag und Jahren, die nun rückwärts liegen,
    Hat drin die Junihitze schon gebraut,
    Doch solche Wetter, wie sie jetzt sich türmen
    Und Tag um Tag sich grollender entladen,
    Sind selbst in diesem Böhmerkessel neu.
    Bei Podol – Mondlicht lag auf allen Feldern –
    Zerbricht wie Glas die Eiserne Brigade;
    Bei Nachod, in drei Tage langem Ringen,
    Hält Löwe Steinmetz seine Beute fest;
    Und hügelan – Clam-Gallas mußte fliehn –
    Stürmt Friedrich Karl die Straße von Gitschin.

    So stand das Spiel; ein siebenfaches Siegen
    In sieben Tagen. »Wird der Sieg uns bleiben?«
    So zwischen Furcht und Hoffnung ging die Frage;
    Noch fehlte die Entscheidung, doch sie kam.

    Da, wo die Elbe, die sich nordwärts windet,
    Auf kurze Strecke wieder südwärts fließt,
    Auf weitem Feld, umstellt von Hügelkuppen,
    Bei Festung Königgrätz entbrennt die Schlacht.
    An stürmen unter Trommelklang und Pfeifen
    Von Altmark, Magdeburg die Regimenter,
    Thüring’sche Bataillone, dicht geschlossen,
    Sie folgen unter Hurra – all vergeblich;
    Sie dringen vor, sie jubeln und sie fall’n.
    Der Regen fällt in Strömen, schon ist Mittag,
    »Wo bleiben sie?« Es fragen’s nicht die Lippen,
    Es fragt’s nur still das Herz. Da horch, von Westen
    Und nun von Osten her in raschen Schlägen,
    Roll’n unsre Preußendonner durch die Luft.
    »Das sind sie!« geht ein Jubel durch die Reihen,
    »Das ist das achte Korps! das sind die Garden!«
    Und rechts und links des Feindes Flanke fassend,
    So reichen jetzt zwei neue Preußenheere
    Dem dritten übers Schlachtfeld hin die Hand.

    Im Feuer hält der siebzigjähr’ge König,
    Er sieht die Schale sich für Preußen neigen,
    Und sieh, zum letzten Stoße, der entscheidet,
    Erklingt sein Aufruf jetzt: »Nun, Manstein, vor!«
    Ein Hurra ist die tausendstimm’ge Antwort,
    Mit weh’nden Fahnen und mit kling’ndem Spiele
    An rücken all die Düppel-Bataillone,
    Es fällt kein Schuß, die Glieder halten Richtung,
    Und ihrem Stoß erliegt der Feind. Er flieht.
    Bunt wird das Feld von aufgelösten Massen,
    Geschütze, Wagenzüge und Kolonnen,
    Ein wirrer Knäuel, alles häuft sich, drängt sich;
    »Jetzt ist es Zeit!« und in die flieh’nden Massen
    Einhau’n die Unsern. Welch ein Spiel von Farben!
    Hier schwarz und weiß die Fähnlein der Ulanen,
    Hier silberfarbne Adler auf den Helmen,
    Hier rot und weiß die Zietenschen Husaren –
    Ein glänzend Schauspiel, glänzender der Sieg.

    Ja, Sieg! Er hat die Herzen uns erhoben,
    Er gab uns viel, – er hat auch viel genommen;
    Ein Tag des Ruhmes, aber schwer erkauft.
    ’nen Schleier über Not und Tod und Wunden;
    Es ziemt uns nicht, das Elend hier zu malen,
    Es ziemt uns nur, zu trösten und zu lindern.
    In Tod zu gehn war unsrer Brüder Pflicht –
    Die unsre heißt: »Vergeßt zu helfen nicht!«

    Quelle: Theodor Fontane: Sämtliche Werke. Bd. 1–25, Band 20, München 1959–1975, S. 263-265.
    Permalink: http://www.zeno.org/nid/20004771095
    Lizenz: Gemeinfrei
    Kategorien: #Gedicht #Deutsche_Literatur

    #Musik #Preußen #Österreich #Deutschland #Tschechien #Geschichte #Krieg #Militarismus #Bundeswehr #Berlin #Spreeweg

  • Berlin-Lichtenberg: So will Klaus Lederer den Rockhaus-Künstlern nach der Kündigung helfen | Berliner Zeitung
    https://www.berliner-zeitung.de/berlin/nach-kuendigungen--so-will-kultursenator-lederer-den-1000-rockhaus-

    Aus dem Erdgeschoss klingen Gitarren, aus dem Nebenraum Trommeln, mittendrin ein Staubsauger. Giancarlo reinigt gerade den roten Teppich rund um sein Schlagzeug, gleich kommt sein nächster Schüler. Seit sieben Jahren gibt der 36-Jährige Musikunterricht im Lichtenberger Rockhaus, in dem rund 1000 Künstler proben, unterrichten und Aufnahmen machen. Doch damit ist bald Schluss.

    Vor zwei Tagen haben die Mieter des Rockhauses eine Kündigung erhalten. Per Mail. Sie müssen ausziehen – und zwar bis Ende Mai. „Wir sind ziemlich schockiert“, sagt Giancarlo, der seinen Nachnamen lieber nicht verraten will. „Nur zwei Monate – das ist sehr, sehr kurzfristig.“

    Bauprojekte in der Buchberger Straße: Die Platte des Rockhauses passt da nicht mehr rein

    Das Rockhaus ist ein alter Plattenbau in der Buchberger Straße in Lichtenberg. Die rund 200 Räume darin machte Dirk Kümmele, selbst Musiker, für jene fit, die sonst als Nachbarn nicht gern gesehen sind, weil sie zu laut sind. Es ist eines der größten Proberaum-Projekte in Berlin. Doch es steht schon seit Langem unter Beschuss.

    Noch ist die Buchberger Straße nicht besonders attraktiv, Brachen, Platten und die Deutsche Telekom gibt es hier. Doch in direkter Nähe rings um das Rockhaus sind für die kommenden Jahre große Bauprojekte geplant – unter anderem ein Riesen-Bürokomplex für StartUps. Die Platte des Rockhauses passt da nicht mehr rein, Musiker sind auch keine besonders lohnenswerte Zielgruppe.

    2015 kaufte Investor Shai Scharfenstein das Rockhaus – kündigte erst und drohte danach sogar mit Zwangsräumung. Das konnte Betreiber Dirk Kümmele vor Gericht abwenden. Das entschied: Der Mietvertrag habe Bestand – und zwar wie geplant bis 2023. Jetzt aber schickte Kümmele selbst den Mietern die Kündigung.

    Geschichte

    2007: Dirk Kümmele gründet in einem Lichtenberger Plattenbau das Rockhaus. Er versieht das frühere Bürogebäude mit Schallschutz und erhält schließlich die Genehmigung, dort Proberäume für Musiker einzurichten.

    2016: Shai Scharfstein, dem das Haus an der Buchberger Straße seit 2015 gehört, kündigt dem Rockhaus-Betreiber im Februar 2016 – weil er sich angeblich nicht ausreichend um den Brandschutz gekümmert hat.

    2017: Das Kammergericht hebt Anfang Dezember ein Urteil des Landgerichts auf, das in erster Instanz gegen den Rockhaus-Betreiber entschieden hatte. Dirk Kümmele kann weitermachen, das Rockhaus scheint gerettet.

    Leider sei das Verhältnis zum Eigentümer nach den Streitigkeiten vor Gericht stark belastet, schreibt Kümmele. Neue Streitigkeiten folgten. „Ich spare mir die Details. Fakt ist aber, dass für mich ein nicht mehr tragbares finanzielles beziehungsweise existenzielles Risiko eingetreten ist. Auch und vor allem zum Schutze meiner Familie kann ich diese Risiken nicht mehr weiter eingehen.“ Das Rockhaus müsse Ende Juni „komplett geräumt und besenrein“ übergeben werden. „Daher muss ich eure Mietverträge entsprechend in Kürze zum 31.05.2019 kündigen.“
    Kein Platz für Musiker, in einer Stadt in der es ohnehin an Wohn- und Gewerberaum mangelt

    Weiter schreibt Kümmele, dass er seit einem halben Jahr intensiv nach einem Objekt suche, um das Rockhaus zu verlegen. Doch auf dem Markt sei nichts zu finden, das ähnliche Mieten wie bisher ermögliche. Er habe um Hilfe beim Bezirksamt und der Senatskulturverwaltung gebeten – herausgesprungen seien dabei aber bisher „nur vereinzelt Lippenbekenntnisse“. Weder Kümmele noch Besitzer Scharfenstein wollten sich auf Nachfrage der Berliner Zeitung am Montag eingehender zu dem Thema äußern. Man bereite eine gemeinsame Presseerklärung vor, hieß es.
    Übersichtlich: Weißes Brett mit Kleinanzeigen der Musiker.

    Kein Platz für Musiker, in einer Stadt in der es ohnehin an Wohn- und Gewerberaum mangelt – vor diesem Problem stehen jetzt auch die Mieter des Rockhauses. Giancarlo hat sich gleich auf die Suche nach Ersatz gemacht. Denn er wusste: „Gut 1000 Musiker, alle zur selben Zeit auf der Suche nach Proberäumen – das wird extrem schwer.“ Alternativen, die schallgeschützte Räume haben, gibt es in Berlin ohnehin nur wenige – und die seien meistens schon voll. Für den Schlagzeuglehrer steht damit auch seine Existenz auf dem Spiel. Er spiele eben nicht Blockflöte. „Ich bin komplett abhängig von den Räumlichkeiten.“
    Unverkennbar: Musiker „John Smith“ beim Üben im Rockhaus

    Für Hobbymusiker wie John Smith bedeutet das Ende des Rockhauses vermutlich, dass sie zuhause weiterfrickeln – oder ganz aufhören. Der Brite ist seit 2016 im Rockhaus eingemietet, in einem nur 6,5 Quadratmeter großen Raum für 65 Euro pro Monat. Hier spielt er Elektro- und Gitarrenstücke ein. Er wünscht sich von Kümmele mehr Informationen zum Grund des Rauswurfs. „Der Mietvertrag sollte doch bis 2023 laufen – warum gilt das plötzlich nicht mehr?“
    Hoffnungsschimmer: Berliner Kulturverwaltung prüft Anmietung des Hauses

    Als Kümmele vor Gericht Unterstützung brauchte, habe er die Musiker auf dem Laufenden gehalten – jetzt aber heiße es nur „Ich spare euch die Details“. Smith will nur ungern raus aus dem Rockhaus. Es sei praktisch gewesen, jederzeit zugänglich. Vor allem aber: ein „Ort für Musik, Kunst und Kreativität“ in Berlin.

    Dieses Potenzial will auch die Kulturverwaltung nicht verloren geben. Auf Nachfrage der Berliner Zeitung erklärte Kultursenator Klaus Lederer am Montag: „Die Kulturverwaltung prüft die Anmietung des Hauses – auf Grundlage eines aktuellen Angebots vom 15. März – oder einen Alternativstandort in Eigenregie.“ Dazu würden Gespräche und Berechnungen durchgeführt. Auch Lichtenbergs Bezirksbürgermeister Michael Grunst (Linke) sagt: „Der Verlust des Hauses wäre sehr ärgerlich.“ Da sich Betreiber und Eigentümer aber auf ein Vertragsende geeinigt hätten, sei es schwierig, politisch zu intervenieren. Aber auch er „suche weiter nach Ersatz.“

    Ein Hoffnungsschimmer – allerdings nicht allzu groß: „Es kann noch keine Lösung in Aussicht gestellt werden“, sagt Lederer.

    #Berlin #Lichtenberg #Buchberger_Straße #Immobilien #Kultur #Musik #Stadtentwicklung #Gentrifizierung

  • KOLLEKTIV TURMSTRASSE - Sorry I Am Late (Official Video)
    https://www.youtube.com/watch?v=wwZbonjAlPc

    Kollektiv Turmstrasse – Wikipedia
    https://de.wikipedia.org/wiki/Kollektiv_Turmstrasse

    Kollektiv Turmstrasse ist ein Musiker-Duo bestehend aus den Musikproduzenten Nico Plagemann und Christian Hilscher, die in Wismar an der Ostsee aufgewachsen sind und nun in Hamburg wohnen. Ihr Sound lässt sich in den Bereich des melodischen Minimal #Techno einordnen.

    Kollektiv Turmstrasse | Free Listening on SoundCloud
    https://soundcloud.com/kollektivturmstrasse

    There are few artists operating in the house/techno milieu who offer much beyond functionality in their music. Those who bring more than this to the table always stand out from the crowd. Hamburg/Berlin duo Kollektiv Turmstrasse (Christian Hilscher and Nico Plagemann) are one of those rare acts whose music caters for both body and soul.

    #Hamburg #Berlin #Kottbusser_Tor #Kreuzberg #Polizei #Musik #Hip_Hop