• En Iran, plus de 230 000 migrants afghans contraints de partir en juin, la plupart expulsés par les autorités
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    En Iran, plus de 230 000 migrants afghans contraints de partir en juin, la plupart expulsés par les autorités
    Le Monde avec AFP
    Les autorités iraniennes mènent en ce moment leur plus grande campagne d’expulsion de réfugiés. Du 1er au 28 juin, 233 941 Afghans ont traversé la frontière iranienne afin de retourner en Afghanistan, explique à l’Agence France-Presse (AFP), lundi 30 juin, le porte-parole de l’Organisation des migrations internationales (OMI), Avand Azeez Agha. Sur la seule semaine du 21 au 28 juin, 131 912 retours ont été recensés par l’agence onusienne. Les premiers visés sont les exilés afghans, constituant la majorité des ressortissants présents en République islamique.
    Ces dernières semaines, le nombre d’Afghans retournant dans leur pays a explosé : jusqu’à 30 000 retours en une journée lors de la semaine passée, assure l’OMI. Certains exilés étant même nés en Iran ou y ayant vécu pendant plusieurs années se retrouvent dans cette situation. Au total, depuis le début de l’année, « 691 049 Afghans sont revenus d’Iran, dont 70 % ont subi des retours forcés », précise Avand Azeez Agha.
    Le chiffre retombe désormais entre 6 000 et 7 000 par jour, selon l’ONU et les autorités talibanes. Une hausse des départs est attendue par ces organisations dans les prochains jours car le gouvernement iranien a ordonné en juin aux « quatre millions d’Afghans illégaux » de quitter son territoire « jusqu’au 6 juillet ».
    Si l’ONU affirme que la récente guerre lancée par Israël en Iran a accéléré les départs, la quinzaine de migrants afghans rencontrés par l’AFP assure que le risque qu’ils ont d’être expulsés a été leur unique motivation. Plus de 6 millions d’Afghans sont installés en Iran, en raison de l’instabilité politique et économique de leur pays. Près de 2 millions d’entre eux possédant un document leur autorisant une résidence temporaire sont aussi menacés d’expulsion, au même titre que ceux sans papiers.
    Ces exilés redoutent désormais de plonger un peu plus dans la pauvreté, à la suite de leur retour en Afghanistan. Même si le pays est en paix, les perspectives d’emplois y sont maigres et le pays reste dans la deuxième plus grande crise humanitaire mondiale, selon l’ONU.
    Depuis que les Etats-Unis ont cessé de distribuer de l’aide internationale le 14 avril, l’ONU et les ONG sur place sont à la peine. L’OMI, par exemple, « n’a pu aider que 3 % des migrants de retour certains jours de forts passages à Islam Qala [ville afghane à la frontière iranienne] », rapporte l’agence onusienne.Les autorités afghanes, reconnues par aucun pays au monde et privées de fait d’une grande part de l’aide internationale que recevait la République islamique renversée, peinent à accueillir les millions d’Afghans de retour. Le ministre des affaires étrangères du gouvernement taliban, Amir Khan Muttaqi, a récemment réclamé à l’ambassadeur iranien Alireza Bigdeli « un mécanisme coordonné pour un retour graduel des migrants ». Car s’ils sont chassés depuis l’est, les Afghans le sont aussi depuis l’ouest et le Pakistan, qui, englué dans le marasme politique et économique, accuse ces exilés de tous les maux. Au total, depuis fin 2023 et la première campagne d’expulsions de masse du Pakistan, plus d’un million d’Afghans ont aussi dû partir du Pakistan, et plus du double ont quitté l’Iran, pour moitié des enfants, d’après l’ONU.

    #Covid-19#migrant#migration#iran#pakistan#afghanistan#politiquemiratoire#asile#retour#sante#OMI

  • 17 Uhr 59 und 10 Sekunden

    Ein Polizist tötet einen schwarzen Mann mit drei Schüssen. Aber der Staatsanwalt will den Fall unter den Tisch fallen lassen. Wer war Roger «Nzoy» Wilhelm? Und was geschah wirklich in #Morges?

    30. August 2021, Bahnhof Morges

    «Calme-toi!»

    Nzoy hob die Hände, legte die Ellbogen in die Hüfte und streckte die Arme vom Körper. Für eine Sekunde liess er den Kopf hängen, täuschte an, in die eine Richtung zu gehen und ging dann in die andere. Wie beim Basketball.

    «Get outta here», sagte er. «Get outta here!»

    Vor ihm stand ein Mann in Warn­kleidung. Orange Hose. Oranges Shirt. Orange Weste. Oranger Helm. Der Mechaniker musste eigentlich einen defekten Waggon wegfahren, und jetzt spazierte dieser Typ über die Gleise. Ein Kollege des Mechanikers sagte jeweils, man solle diese Aufschneider direkt der Polizei melden. Doch der Bahn­arbeiter zögerte.

    Er hatte Nzoy vorhin beim Beten beobachtet. Ein komischer Vogel, aber offensichtlich ungefährlich: Er pöbelte niemanden an und schrie auch nicht rum.

    Doch als Nzoy auf die Gleise trat, fürchtete der Bahnarbeiter, er könnte sich etwas antun.

    «Ne fais pas le fou!», warnte der Mechaniker. «Spiel nicht den Verrückten!»

    Gemeinsam mit einem Kollegen versuchte er, Nzoy aufzuhalten. Er zog das Handy aus der Tasche und wählte den Notruf. Der Anruf wurde aufgezeichnet. Es war genau 17 Uhr und 55 Minuten.

    «Police d’urgence?»

    «Ja, guten Tag, ich bin in Morges, am Bahnhof Morges. Hier ist eine Person, die spaziert auf den Gleisen rum.»

    «Bleiben Sie bitte kurz dran, Monsieur.»

    Der Mechaniker steckte das Handy ein und blieb in der Leitung. Gleichzeitig versuchte er, die Lage zu beruhigen.

    «Hör auf», sagte er zu Nzoy. «Sprichst du Französisch?»

    «Get outta here! Get outta here!»

    «Tranquille, pas de problème», sagte der Mechaniker. Er versuchte es auf Deutsch: «Kein Problem.» Und auf Englisch: «Speak French?»

    17 Uhr 56 und 7 Sekunden.

    «Monsieur, allô?»

    «Fais pas le con!»

    «Entschuldigen Sie, Monsieur, welches Gleis?»

    «Im Moment ist er hier bei mir auf Perron 5.»

    «Perron 5?»

    «Perron 4, Gleis 5», präzisierte der Mechaniker.

    «An die Patrouille: Perron 4, Gleis 5!»

    Der Mechaniker beschrieb der Notruf­zentrale, wie Nzoy aussah. Senf­farbener Pullover. Jeans. Weisse Sneakers. Verkehrt aufgesetztes Cap. Gelockte Haare, schwarz.

    «Er war vorhin auf dem Perron am Beten», sagte der Mechaniker ins Telefon.

    «Offenbar betete die Person auf den Gleisen», funkte die Zentrale fälschlicher­weise weiter.

    17 Uhr 57 und 44 Sekunden.

    «Calme-toi!»

    «Nein, beruhige du dich!», sagte Nzoy jetzt auf Französisch. Endlich reagierte er.

    «Du sprichst Französisch?», fragte der Mechaniker. «Was willst du tun? Ich bin ruhig. Sag mir, was du tun willst. Beruhige dich, beruhige dich, beruhige dich. Das ist alles, was ich von dir verlange.»

    Der Mechaniker sprach jetzt mit ruhiger Stimme, entspannter, fast als würde er zu sich selbst reden: «Du bleibst ruhig. Du machst keine Dummheit. Nein, nein, du machst keine Dummheit. Bitte. Keine Dummheit. Du bleibst ganz ruhig. Setz dich hin bitte, setz dich hin.»

    Nzoy, 37 Jahre alt, war am Mittag von Zürich nach Genf gefahren und in Genf wieder in den Zug nach Zürich gestiegen. Er hatte neun T-Shirts in einen schwarzen Turn­beutel gepackt, zwei Unter­hosen, zwei Paar Socken, eine Zahnbürste. In seiner Jeans steckten ein Pass, 60 Franken und Kleingeld, ein Feuerzeug und zwei Bussen, ausgestellt um 13.12 Uhr im Zug von Zürich nach Genf und um 16.24 Uhr von Genf nach Zürich. Um seinen Hals hing ein weisser Rosenkranz.

    Die Züge am Bahnhof waren zum Stehen gekommen. Die Leute warteten darauf, nach Hause zu fahren. Die Bahn­arbeiter hatten Nzoy beruhigt.

    17 Uhr 58 und 2 Sekunden.

    Für einen Moment schien es, als ginge die Sache noch einmal gut.

    «Monsieur», meldet sich eine Stimme am Telefon, «sind Sie im Kontakt mit meinen Kollegen? Monsieur?»

    17 Uhr 59 und 10 Sekunden.

    «Schussabgabe! Schussabgabe!», ruft ein Polizist über Funk. «Schnell, eine Ambulanz!»

    Kindheit in Südafrika

    Manchmal kamen Polizisten in ihre Gegend. Männer in Uniform, mit Waffen und dem Instinkt von Jagd­hunden. Nur suchten sie nicht nach Wild­tieren, sondern nach Menschen.

    Sie gingen von Tür zu Tür und prüften, wer da war und wer da sein durfte. Ob sie die richtigen Papiere hatten und die richtige Haut­farbe. Die Regeln im Südafrika der 1970er-Jahre waren so streng wie die Strafen. Wer dagegen verstiess, landete schnell im Gefängnis.

    Wenn die Polizisten in die Township kamen, eilte die Grossmutter zu den Kindern und scheuchte sie ins Haus. Vor allem ein Kind musste so schnell wie möglich verschwinden.

    Evelyn, ihre Enkelin.

    Evelyn ging dann ins Haus, setzte sich in einen braunen Holz­schrank neben der Küche und schloss die Tür von innen. Das Feuer in der Küche hielt den Schrank schön warm. Selbst im Winter.

    Evelyn war ein kleines Kind, das noch nichts anderes zu tun hatte, als den ganzen Tag zu spielen. Sie strich der Gross­mutter um die Beine, rannte auf den staubigen Strassen der Township herum. Sie liebte es, in der Küche zu stehen und so zu tun, als würde sie kochen. Das Haus der Gross­mutter war klein, aber gross genug für alle: Bruder, Cousinen, Cousins, Nachbarn. Abends versammelten sie sich jeweils in einer der zwei Schlaf­kammern und legten sich hin. Sie schliefen dicht gedrängt wie Schuhe in einer Schachtel.

    Wenn Evelyn am Morgen aufstand und ihr Gesicht ans Fenster drückte, sah sie auf einen Verschlag, der als Toilette diente. Vor der Haus­tür gackerten die Hühner auf einem Flecken roter Erde, den Evelyn rückblickend nur zögerlich einen «Garten» nennt. Der Geruch von Feuer biss in ihrer Nase. Evelyn ging nach draussen und spielte, bis die nächste Nacht über die Township hereinbrach. Oder bis wieder Polizisten in ihre Gegend kamen und von Tür zu Tür gingen.

    Versteckte die Grossmutter Evelyn im Schrank, sass sie ganz still. Sie wartete. Sie lauschte. Sie achtete auf jedes Geräusch und gab keinen Mucks von sich.

    Erst wenn die Polizisten weg waren, rief die Gross­mutter Evelyn nach draussen. Sie solle so oft wie möglich in der Sonne spielen, sagte die Gross­mutter. Das war gut für ihre Haut­farbe.

    Denn Evelyn war etwas heller als die anderen Kinder. Das fiel auf. Und das war gefährlich.

    In der Gegend wussten zwar alle Bescheid und niemand sagte etwas. Aber sicher sein konnte man nie. Das Regime war Polizei­staat, Überwachungs­system und Gesetzes­werk zugleich. Jemand bezeichnete es einmal als «apart hate» – Aparthass.

    Evelyns Mutter hiess Queen Cynthia, sie war Zulu und Sängerin. Evelyns Vater war weiss und kam aus der Schweiz. Ein Mechaniker, der in Süd­afrika Arbeit gefunden hatte und sich verliebte. Aber die sogenannte Rassen­vermischung war in der Apartheid schlimmer als Verrat. Das schlimmste Verbrechen überhaupt.

    Als Evelyns Mutter schwanger wurde, reisten die Eltern in die Schweiz, nach Grüsch im Bündner Prättigau. Sie heirateten. Die Mutter brachte Evelyn zur Welt. Und der Vater war weg, bevor er für sie hätte da sein können.

    Das Einzige, was er der Familie hinterliess, war der Nach­name: Wilhelm.

    Queen Cynthia Wilhelm zog mit ihrer Tochter Evelyn nach Zürich, aber sie war allein. Sie sah keinen Weg, Geld zu verdienen und für das Kind zu sorgen. Also brachte sie Evelyn zur Gross­mutter nach Südafrika, in die Township Duduza in der Nähe von Johannes­burg. Hier wuchs Evelyn Wilhelm auf. Man bezeichnete sie als coloured, das Kind einer sogenannten Mischehe.

    Heute ist Evelyn Wilhelm eine frei­schaffende Künstlerin in Zürich. Sie trägt manchmal T-Shirt und rote Trainer­hosen von Adidas. Aber unter der coolen Leichtigkeit trägt sie einen dicken Panzer. Sie hat ihn sich zugelegt, als sie in der Dunkelheit wartete.

    «Wenn die Polizei in unsere Gegend kam, war das immer brutal», sagt Evelyn Wilhelm über ihre Kindheit. «Aber für mich war es noch mal anders: Ich war ein verbotenes Kind.»

    Sie hat nie vergessen, was es bedeutet, als Verbrechen geboren zu sein. Nicht aufzufallen. Nicht zu laut zu sein. Stets auf der Hut, damit sie bloss niemand entdeckt. Vor allem nicht die Polizei.

    «Ich rufe die Polizei!», drohte die Mutter, wenn sie frech war.

    «Ich rufe die Polizei», drohte die Mutter, wenn sie stänkerte.

    Evelyn Wilhelm ist heute eine erwachsene Frau in der Mitte des Lebens. Aber die Angst vor der Polizei hat sie nie ganz abgelegt.
    Mehr als nur eine Schwester

    Als sie aus Südafrika in die Schweiz zurückkam, musste sich Evelyn Wilhelm nicht mehr verstecken. Aber manchmal hätte sie es am liebsten getan.

    In der Schule plagten sie die anderen Kinder. Sie passten sie auf dem Schulweg ab, sie stahlen ihr Taschen­geld, sie zogen an ihren krausen Haaren. Im Geroldswil der 1980er-Jahre war Evelyn Wilhelm das einzige schwarze Kind.

    Als Evelyn neun Jahre alt war, kam ihr Bruder Roger zur Welt, am 10. März 1984. Sie erinnert sich an den warmen Frühling und wie sie sich freute, endlich ein Geschwister zu erhalten.

    Rogers Geburt war schwer. Die Nabel­schnur hatte sich um seinen Hals gewickelt. Die Ärzte machten notfall­mässig einen Kaiser­schnitt. Es gab Komplikationen. Seine Mutter starb fast, als sie ihn gebar.

    Den Vornamen bekam Roger vom Vater. Den Nachnamen vom ersten Ehemann der Mutter. Den Mittel­namen gab ihm Evelyn, die grosse Schwester. Sie nannte ihn Michael, englisch ausgesprochen. Wie der King of Pop.

    Roger Michael Wilhelm – so lautete sein voller amtlicher Name.

    Ein Name aber fehlte. Der Name, den Roger im Herzen trug, aber nicht im Pass, der Mädchen­name seiner Mutter. Später bat er seine Freundinnen und Bekannten, ihn so zu nennen wie die Mutter Queen Cynthia Wilhelm vor der Hochzeit hiess: Nzoy.

    Seine Eltern stritten oft. Sie trennten sich nach wenigen Jahren. Seine Schwester Evelyn sagt, die Beziehung sei «toxisch» gewesen. Nzoy pflegte kein gutes Verhältnis zu seinem Vater, einem weissen Schweizer. Der zog weg, noch bevor Nzoy in die Schule kam.

    Die Mutter musste arbeiten, also verbrachte Nzoy sehr viel Zeit mit Evelyn. Sie passte ständig auf ihn auf. So blieb es ein Leben lang: Evelyn war für Nzoy viel mehr als nur die grosse Schwester.

    Als Nzoy eingeschult wurde, bekam die Mutter ein erstes Mal Krebs. Nzoy musste in ein Heim. Bald darauf in ein Internat. Am Wochen­ende kehrte er jeweils zurück zu Mutter und Schwester.

    Das ging gut, bis er in die Oberstufe kam.

    Realschule in Schwamendingen, Zürich. Der Schul­stoff interessierte ihn jetzt wenig. Lieber hing er mit Freunden rum. Er liebte den Hip-Hop. Westcoast. Tupac. «I see no changes», schepperten die Verse aus den Discmans, «all I see is racist faces …»

    Tupac Shakur, der aus einer Familie von bekannten Black-Panther-Aktivistinnen stammte, rappte: «Cops give a damn about a negro. Pull the trigga, kill a nigga, he’s a hero.»

    Nzoy sog die Texte auf.

    «‹It’s time to fight back!›, that’s what Huey said. Two shots in the dark, now Huey’s dead.»

    Seine Schwester Evelyn sagt heute, Nzoy sei im Internat nie diskriminiert worden. In der Oberstufe aber kam er oft heim und war wütend, weil die Lehrer ihn ungerecht behandelt hätten.

    «Und dann», sagt die Schwester, «begann es auch mit den Polizei­kontrollen.»

    30. August 2021, Bahnhof Morges

    «Wir sind im Kontakt», funkt der Polizist der Patrouille 696, der ersten von zwei Patrouillen, die am Bahnhof Morges eintreffen. Ein Polizist und eine Polizistin. Sie gehen zügig zum Ende des Perrons 4. Dort befinden sich zwei Mitarbeiter der Bahn. Und Nzoy.

    17 Uhr 58 und 2 Sekunden. Eine Minute bevor die Schüsse fallen.

    Bis hierher geht alles gut.

    Zwei weitere Polizisten sind unterwegs zum Bahnhof. Patrouille 803. Ein Unter­offizier und der Gefreite K. Sie steuern ihren Wagen gerade in eine Unter­führung nördlich des Bahnhofs, als der Mechaniker den Notruf wählt.

    Die zwei Polizisten der Patrouille 803 haben einen ruhigen Tag hinter sich. Der einzig nennenswerte Einsatz war, als sie am Morgen einen verwirrten Mann anhalten mussten und ihn auf den Posten brachten. Nach dem Mittagessen sind sie für den Rest des Tages Streife gefahren, der Unter­offizier am Steuer, K. auf dem Beifahrer­sitz. Er ist noch keine 30 Jahre alt, seit vier Jahren arbeitet er bei der Regional­polizei Morges. Es ist seine erste Stelle als Polizist.

    Als die beiden Polizisten hinter dem Bahnhof vorbeifahren, erfahren sie über Funk, dass sich ein Mann auf den Gleisen befindet. Mehr wissen sie nicht, gibt Polizist K. später in einer Einvernahme an.

    Es herrscht viel Funkverkehr. Die beiden Polizisten können sich nicht zum Einsatz melden, weil ständig jemand dazwischen­funkt. Sie hören, dass sich bereits eine Patrouille auf den Weg gemacht hat. Sie beschliessen trotzdem, auf eigene Faust hinzufahren.

    Sie schalten das Blaulicht an und die Sirene.
    Festnahme am See

    Es geschah am letzten Wochenende im Juni 1997. Nzoy war 13 Jahre alt.

    Er traf sich im Zürcher Seefeld mit Freunden, um Fussball zu spielen und Musik zu hören. Zufällig begegnete Nzoy dabei einem Schul­freund.

    Plötzlich kam die Polizei dazu. Die Beamten beschuldigten Nzoys Schul­freund, er habe mit anderen Jugendlichen Leute ausgenommen. Sie nahmen ihn mit auf den Posten. Nzoy musste auch mit. Denn die Polizisten vermuteten, er sei für die Gruppe Schmiere gestanden.

    Sie führten Nzoy ab und sperrten ihn im Posten auf dem Kasernen­areal in eine Zelle. Erst am nächsten Tag riefen sie seine Schwester an.

    «Ein Polizist sagte mir, sie hätten meinen Bruder fest­genommen.»

    Es war der 29. Juni 1997, ein Sonntag. Evelyn Wilhelm erinnert sich gut daran. «Er war noch ein Kind», sagt sie.

    Die Polizei nahm Nzoy Abdrücke von allen Fingern, erstellte eine sogenannte Daktyloskopie­karte und speicherte die Daten im System.

    Roger Michael Wilhelm, 10.3.1984. Referenz­nummer PCN 36 507027 29.

    «Sie fanden nichts gegen ihn», sagt Evelyn Wilhelm. «Er hatte ja auch nichts getan.» Trotzdem behielten die Polizisten Nzoy eine weitere Nacht im Gefängnis. 48 Stunden Polizei­haft für einen 13-Jährigen. Ein Verfahren in der Sache gab es nicht. Aber die Daten des minder­jährigen Nzoy wurden nie gelöscht.

    «Der Polizist, mit dem ich sprach, sagte: ‹Das ist grad gut zur Abschreckung. Dann landet er in Zukunft nicht mehr bei uns›», erinnert sich Evelyn Wilhelm.

    Als die Schwester Nzoy abholte, war er ein Häufchen Elend. Er weinte, hatte fürchterliche Angst. Erst später habe er mit ihr über das Erlebte sprechen wollen, sagt die Schwester. Er war schockiert, dass man ihm im Gefängnis die Schuh­bändel abgenommen hatte, um einen Suizid zu verhindern.

    Sie habe schon mit ihm geredet, sagt die Schwester. Sie habe ihn aber eher abgeblockt. «Ich machte ihm auch Vorwürfe: ‹Du musst dir deine Freunde besser aussuchen. Du kannst nicht so sein, wie du willst.› Das klang hart, aber es stimmt. Ich sagte ihm: ‹Als schwarzer Junge kannst du dir das einfach nicht leisten.›»

    Einmal wartete sie mit ihrem Bruder am Bahnhof Stadel­hofen in Zürich, als die Polizei sie überraschte. Sie war eine erwachsene Frau, ihr kleiner Bruder ein Kind an der Schwelle zum Teenager.

    Evelyn Wilhelm ist eine Frau, der fast nie die Worte fehlen. Aber wenn sie von der Polizei erzählt, kommt sie manchmal ins Stottern. Dann wirkt es fast, als wäre sie wieder das kleine Mädchen, das sich damals in Duduza im Schrank versteckte.

    Die Polizisten gingen direkt auf ihren Bruder zu. Sie konnte nichts dagegen tun.

    «Ich sagte den Polizisten: ‹Lasst ihn in Ruhe! Er hat nichts gemacht.› Aber das war denen egal. Sie zogen ihn weg und nahmen ihn auseinander: Ausweis zeigen, an die Wand stehen, Taschen leeren.»

    Evelyn raste vor Wut auf die Polizisten. Aber ohnmächtig, wie sie sich fühlte, fuhr sie stattdessen ihren kleinen Bruder an: Das hast du nun davon, dass du die Hosen so tief trägst!

    Nzoy wurde ständig kontrolliert. Deshalb trug er immer einen Ausweis mit sich. Gewisse Gegenden in der Stadt mied er. Musste er zum Haupt­bahnhof, nahm er manchmal eine Reise­tasche mit. Er glaubte, wenn er aussehe wie ein Tourist, würde ihn die Polizei in Ruhe lassen.

    Aber Racial Profiling folgt keiner Logik. Und vor der Willkür des Rassismus schützt keine Reise­tasche.

    Obwohl Nzoy ständig von der Polizei kontrolliert wurde, habe er immer versucht, den Polizisten mit Wohl­wollen zu begegnen, sagt Aliya, eine von Nzoys besten Freundinnen.

    Er habe versucht, mit ihnen zu reden und ihnen zu sagen: Leute, ihr müsst das nicht tun.

    «Ich erinnere mich, wie er einem Polizisten sogar einmal sagte: ‹Ich liebe dich, Mann! Tu mir das nicht an. Du bist mein Bruder. Wir sind alle Brüder.› So redete er mit Polizisten. Er sagte: ‹Warum glaubst du, du müsstest Angst vor mir haben? Warum ziehst du ausgerechnet mich raus? Ich tue nichts. Ich bin nur hier.›»

    Aber die Festnahme am See, die vergass Nzoy nie. «Das hat ihn fürs Leben gebrannt», sagt seine Schwester.

    Ein paar Monate bevor er nach Morges fuhr, rief er seine Schwester an. Er war völlig verängstigt und sagte, er könne nicht aus dem Haus.

    Sie verstand nicht.

    Der Junge von damals, sagte er. Der Schul­kollege, der im Seefeld Leute ausgenommen hatte.

    Jetzt erinnerte sie sich.

    Er verfolgt mich, sagte Nzoy. Er ist hinter mir her.
    30. August 2021, Bahnhof Morges

    17 Uhr 58 und 12 Sekunden. Ein Polizist der ersten Patrouille, die bereits auf dem Perron steht, funkt: «Das scheint ein Messer zu sein in der Hand.»

    Er zieht seine Pistole und fordert Nzoy auf, das Messer fallen zu lassen.

    Der Polizist steht am Kopf des Perrons Richtung Lausanne. Nzoy bewegt sich weg, in Richtung Genf, wo die zweite Patrouille gerade die Treppen zum Perron hochrennt. In der Einvernahme wird der Polizist später sagen, Nzoy habe das Messer in der Hand gehalten, eng am Körper, und sei den Perron entlang­gegangen. Er habe nicht mit dem Messer herum­gefuchtelt oder es gegen jemanden gerichtet.

    Auch die Polizistin der ersten Patrouille gibt zu Protokoll, Nzoy habe zwar «verloren» gewirkt und «desorientiert», aber «nicht aggressiv»: «Obwohl er ein Messer in der Hand hielt, empfand ich ihn nicht als bedrohlich.»

    Die Situation ändert sich schlagartig, als die zweite Patrouille eintrifft.

    Die beiden Polizisten eilen die Treppen hoch zum Perron. Polizist K. wird später sagen: «Ich habe mich nicht vorbereitet. Ich bin einfach losgerannt.»

    Von weitem sieht er Nzoy und hinter ihm die andere Patrouille. Ein Polizist soll ihn gewarnt haben: «Il a un couteau.»

    Die Polizisten umzingeln Nzoy. Die erste Patrouille hinter ihm, Richtung Lausanne. Die zweite Patrouille vor ihm, Richtung Genf. Mindestens ein Polizist hält in diesem Moment die Waffe auf ihn gerichtet.

    Nzoy habe «panisch» reagiert, wird der anwesende Mechaniker später in der Einvernahme sagen. Nzoy habe einen Ausweg gesucht. Ein anderer Zeuge sagt, Nzoy sei zunächst auf die Gleise runter, um vor der Polizei zu flüchten. Dann sei er wieder auf den Perron gesprungen und auf die herbei­eilende zweite Patrouille zugegangen.

    Über Funk sagt ein Beamter: «Wir riskieren nichts auf den Gleisen.» Es klingt, als wolle er deeskalieren. Dann geht es sehr schnell.

    17 Uhr 58 und 34 Sekunden.

    Die Polizisten verlieren rasch die Kontrolle. Das sieht man auf einem Video, das aus einem wartenden Zug gemacht wurde. Polizist K. ist nur etwa eine halbe Minute auf dem Perron, dann zieht er die Waffe aus dem Halfter.

    War Nzoy eben noch ganz ruhig bei den Bahn­arbeitern, geht er jetzt auf dem Gleisbett mit schnellen Schritten auf den Polizisten K. zu. Der schaut kurz über die Schulter. Nzoy springt vom Gleis­bett auf den Perron. Polizist K. sieht wieder zu Nzoy, geht unsicher rückwärts, nimmt Nzoy ins Visier und streckt die Arme vom Körper, die halb­automatische Pistole im Anschlag. Glock 19, Gen 4, Kaliber 9 mm.

    Er hat 15 Patronen im Magazin, Ruag, Typ Action 4, eine Munition, die so schwere Verletzungen verursacht, dass sie im Krieg verboten ist.

    Polizist K. feuert zweimal auf Nzoy.

    Die erste Kugel streift seine Hand, die zweite trifft die Hüfte, er fällt zu Boden. Der Polizist steckt seine Waffe ein. Nzoy steht langsam wieder auf.

    Neun Sekunden dauert es, dann zieht Polizist K. erneut. Er schiesst ein drittes Mal.

    17 Uhr 59 und 2 Sekunden.

    Nzoy fällt in sich zusammen. Er bleibt liegen.
    Tod durch tausend Schnitte

    Es gibt ein Video, auf dem man eine Person in flauschigem Bären­kostüm im Zürcher Niederdorf sieht. Der Teddybär steht ganz allein mitten auf dem Platz. Die Passanten beobachten den Riesen­teddy, aber niemand weiss, was sie mit einem Bären anfangen sollen, der die Arme ausstreckt.

    Dann kommt plötzlich ein junger Mann daher, orange Arbeiter­hose, schwarzes Durag auf dem Kopf, dicke Jacke in der Hand, breites Lächeln im Gesicht.

    Nzoy.

    Als er den Bären sieht, freut er sich wie ein Kind, wirft seine Jacke aus der Hand und fällt dem Bären in die Arme.

    So beschreiben ihn seine Freunde und Bekannten: als einen von Grund auf fröhlichen Menschen, der immer für eine Umarmung gut war. Jemand, der da war, wenn sie ihn brauchten. Der das Falsche vom Richtigen trennen konnte. Ein hilfs­bereiter, empathischer Freund.

    Elle ist eine Begegnung mit Nzoy in besonderer Erinnerung geblieben. Als Teenagerin passte sie auf das Kind einer Freundin auf, die notfall­mässig für einige Tage ins Spital musste. Als Nzoy davon hörte, stand er tags darauf mit vollen Einkaufs­taschen in der Wohnung: Essen, Süssigkeiten, Geschenke für das Kind.

    Er kam auch in den folgenden Tagen vorbei, um das Kind zu hüten, zu putzen oder zu kochen. Die beiden sprachen viel über Afrika und die unter­schiedlichen Kulturen in den jeweiligen Herkunfts­ländern ihrer Familie. Sie redeten über ihr Leben dort und hier. Über die fehlende Akzeptanz in der Schweiz. Über den Wunsch, an einem Ort zu leben, wo die Menschen aussehen wie man selbst. Und die Enttäuschung darüber, dort doch nicht in der Masse verschwinden zu können.

    Sie sagt: «Weisse Leute glauben, es sei nicht schlimm, wenn sie ‹Schwarze Maa› spielen. Ist ja nur ein einziges Mal. Aber sie verstehen nicht, dass uns das die ganze Zeit widerfährt – von Kindes­beinen an bis ins Erwachsenen­alter. Es sind ganz feine Schnitte, wie mit einem Blatt Papier.»

    Über diese Wunden sprach Elle oft mit Nzoy. Elle heisst in Wirklichkeit anders. Sie will als schwarze Frau aber lieber nicht in der Öffentlichkeit stehen.

    «Rassismus», sagt Elle, «ist wie der Tod durch tausend Schnitte.»

    Nzoy ging neun obligatorische Jahre zur Schule. Danach schlug er sich mit Gelegenheits­jobs durch. Verkäufer, Hilfs­arbeiter, Gerüst­bauer. Was gerade anstand. Was gerade möglich war. So viel, wie gerade nötig war, um den Lebens­unterhalt zu bestreiten. Wichtiger als der Job waren ihm Freundschaft und Gemeinschaft. «Er war schon als Kind furchtlos», sagt Evelyn Wilhelm über ihren Bruder. «Er sagte immer, er sei ein free man.»

    Seine Schwester besuchte die Rudolf-Steiner-Schule. Sie ging in die Atelier­klasse und studierte an der Zürcher Hoch­schule der Künste. Als Künstlerin hat sie sich darauf fokussiert, vor allem grosse Bilder auf schweren Materialien zu malen. Nzoy war viel in ihrem Atelier. Er half ihr jeweils, die Lein­wände zu spannen und die Gemälde zu transportieren.

    Nach dem Tod ihres Bruders hat Evelyn Wilhelm zwar weiter ihre Bilder ausgestellt. Aber gemalt hat sie nie wieder etwas. Seit mehr als dreieinhalb Jahren.

    Sie sagt: «Seit mein Bruder tot ist, finde ich einfach den Zugang nicht mehr.»
    Verfolgt und verängstigt

    Evelyn Wilhelm ging früh zu Bett an dem Abend, als die Polizei auf ihren Bruder schoss. Sie träumte von ihrer verstorbenen Mutter. Ein Alb­traum. Die Mutter lag im Sterben und schrie und schrie und schrie – bis Evelyn aufwachte.

    Aber natürlich ahnte sie nichts. Wer rechnet schon damit, dass der Bruder erschossen wird? In den USA vielleicht, hatte Evelyn immer gedacht. Oder in Südafrika.

    Aber in der Schweiz?

    Evelyn und Nzoy hatten einen älteren Bruder. Er war im Südafrika der Apartheid geboren und aufgewachsen. Als er dort irgendwann nicht mehr sicher war, nahm ihn die Mutter zu sich nach Zürich.

    «Unser älterer Bruder wäre dort erschossen worden. Oder im Gefängnis gelandet», sagt Evelyn Wilhelm. Darum kam er in die Schweiz.

    Nzoy hingegen wollte weg, am liebsten in die USA. Aber seine Schwester sagte ihrem kleinen Bruder: auf keinen Fall.

    «Ich hatte Angst um ihn», gesteht sie.

    Sie sagte ihrem Bruder: Du bleibst in der Schweiz, hier kann dir nichts passieren.

    Im Frühling 2021 verlor Nzoy seinen besten Freund, er starb nach kurzer Krankheit. Das stürzte ihn in eine schwere Krise.

    Manchmal fürchtete er sich. Er sah Dinge, die ihm Angst machten.

    Der Junge von damals im Seefeld. Oder zehn schwarze Mercedes, die ihm auflauerten.

    In guten Momenten merkte er selbst, dass ihm die Realität entglitt. Dass er nicht wirklich verfolgt wurde. Dass es keinen Sinn ergab, dass ein Jugend­freund über zwanzig Jahre später hinter ihm her sein würde.

    Evelyn Wilhelm richtete in ihrem Dachstock ein Zimmer für ihren Bruder ein. Er nahm eine Auszeit, ging zu einem Psychiater, nahm Medikamente. Zwei, drei Monate ging es aufwärts. Aber irgendwann wurde das Zusammen­leben wieder schwierig.

    Nzoy ging nachts besoffen schwimmen, verlor den Schlüssel, kletterte aufs Haus­dach und kam nicht mehr runter.

    Manchmal schlief er mit einem Messer unter dem Kissen.

    Einmal rief er seine Schwester an und sagte, er traue sich nicht aus dem Haus. Wegen des Jungen von damals im Seefeld.

    Sie beschwichtigte ihn: Das kann gar nicht sein. Der weiss gar nicht, wo du wohnst. Der erinnert sich nicht an dich. Du siehst heute anders aus.

    Evelyn wollte helfen, suchte eine Lösung. Eine Woche bevor Nzoy nach Morges fuhr, rief sie den Notfall­psychiater. Nzoy musste in eine Klinik. Aber er wollte nichts davon wissen. Er riss sich zusammen und spielte dem Psychiater etwas vor. Evelyn war stink­sauer. Sie stritt sich mit ihrem Bruder.

    Es war das letzte Mal, dass sich die beiden sprachen.
    30. August 2021, Bahnhof Morges

    «Schussabgabe! Schussabgabe!», funkt ein Polizist. «Schnell, eine Ambulanz!»

    17 Uhr 59 und 10 Sekunden.

    Der Polizist steht direkt neben dem Schützen K. Auch er hat jetzt seine Waffe gezogen und zielt auf Nzoy, der am Boden liegt.

    «Gleis 4, Gleis 4!», sagt der Polizist über Funk.

    «Verstanden.»

    Der Schütze K. steckt seine Pistole ein und geht auf den verletzten Nzoy zu. Er schaut kurz hin, dann entfernt er sich vom Tatort und fasst sich an den Kopf. Zwei Kollegen halten die Waffe im Anschlag. Einzig die Kollegin beobachtet die Lage ohne Pistole in der Hand.

    17 Uhr 59 und 32 Sekunden. Die Zentrale informiert den medizinischen Notfall­dienst.

    «Der Mann hat noch immer das Messer», meldet ein Polizist der Zentrale. «Ich wiederhole: Der Mann hat noch immer das Messer. Er ist am Boden. Bei Bewusstsein.»

    «Ist die Lage noch gefährlich? Bitte antworten.»

    «Nein, ich glaube nicht», sagt der Polizist.

    «An die Kollegen in Morges», funkt die Zentrale. «Die Ambulanz und der Notfall­dienst sind unterwegs, können wir ein paar Informationen haben?»

    «Ich habe nicht mehr Infos», sagt der Polizist.

    Er funkt das Einzige, was ihm offenbar auffällt: «Un homme de couleur.» Ein schwarzer Mann. «Er liegt am Boden.»

    18 Uhr und 8 Sekunden.

    Der Polizist nähert sich Nzoy. Er spricht in das Funk­gerät. Das ist auf Video­aufnahmen deutlich zu sehen. Aber in den Akten fehlt vom Funk­spruch jede Spur. Mit dem Fuss zieht er den linken Arm von Nzoy nach vorne und tritt auf dessen Hand. Die Polizisten der Patrouille 696 nähern sich. Sie fesseln dem regungslosen Nzoy mit Hand­schellen die Arme hinter den Rücken.

    Der Polizist funkt: «Die Person ist am Boden. Sie ist gefesselt. Ich wiederhole: Sie ist gefesselt.»

    18 Uhr 01 und 11 Sekunden.

    Dann tun die Polizisten – nichts. Zumindest nichts, was wichtig scheint. Sie sammeln Gegen­stände ein. Sie ziehen Hand­schuhe aus und wieder an. Sie telefonieren. Aber niemand spricht mit dem Opfer. Niemand nimmt seinen Puls. Niemand prüft, ob man ihm irgendwie helfen könnte.

    Die Polizisten drehen Nzoy auf die Seite. Dabei kommt ein Gegen­stand zum Vorschein. Ein Steak­messer, schwarzer Griff, Klingenlänge 12,5 Zentimeter. Ein Polizist zieht es mit den Füssen weg.

    18 Uhr 03 und 40 Sekunden.

    Ein Passant bietet Hilfe an. Er ist von Beruf Notfall­sanitäter und hat die Szene vom Zug aus beobachtet. Seine Schicht ist gerade zu Ende gegangen, er wollte nach Hause fahren, als er über das Notruf­system einen Alarm sah. In einer Einvernahme sagt er später, er habe sofort gesehen, dass Nzoy einen Herz-Kreislauf-Stillstand erlitten hatte.

    Die Polizisten legen Nzoy auf die Seite. Der Sanitäter zieht Hand­schuhe an und kniet sich neben ihn.

    18 Uhr 05 und 30 Sekunden.

    Erst jetzt erhält Nzoy Hilfe. Nicht von der Polizei, sondern von einem zufällig anwesenden Passanten. Sechseinhalb Minuten sind vergangen, seit Polizist K. den dritten Schuss auf Nzoy abgegeben hat.

    In einer Dokumentation des Recherche­büros Border Forensics vom November 2023 ist sichtbar, dass sich Nzoy in dieser Zeit fünf Mal bewegt, während die Polizisten tatenlos um ihn herumstehen.

    Nzoy hebt den Brustkorb.

    Nzoy bewegt die Schulter.

    Nzoy bewegt den Arm.

    Das fällt auch den Polizisten auf. Einer wird später in einer Einvernahme sagen, er habe gesehen, dass sich der Ober­körper von Nzoy bewegte. Ein anderer hörte Nzoy stöhnen, aber, so sagt er, er habe keine Zeit gehabt, den Gesundheits­zustand des Opfers zu prüfen. «Alles ging sehr schnell.»

    18 Uhr 05 und 48 Sekunden.

    Der Sanitäter presst beide Hände auf den Ober­körper von Nzoy. Er kämpft um sein Leben. Erst jetzt löst ein Polizist die Hand­schellen.
    Der Tag danach

    Es dauerte fast einen Tag, bis Evelyn Wilhelm erfuhr, was geschehen war. Am Dienstag­mittag klingelte ihr Handy. Der Vater von Nzoy.

    Sie haben ihn gefunden, sagte er.

    Super!, antwortete Evelyn.

    Genau wie es der Psychiater prophezeit hatte, dachte sie. Frau Wilhelm, hatte er gesagt, im schlimmsten Fall wird ihr Bruder von der Polizei aufgegriffen und in eine Klinik gebracht.

    Das hatte sie beruhigt. Klinik. Medikamente. Und nach ein paar Wochen wäre ihr Bruder wieder der Alte: ein fröhlicher Mensch, der andere mit seiner Lebens­freude ansteckte.

    Nichts ist super, sagte der Vater am Telefon. Sie haben ihn erschossen.

    Erschossen?

    Es ist schon überall in den Medien, sagte Nzoys Vater. Er gab ihr die Nummer eines Polizisten. Der sagte, die Polizisten hätten sofort versucht, ihren Bruder zu retten, aber er habe es leider nicht geschafft.

    Evelyn Wilhelm glaubte nicht, was sie hörte. Sie musste raus, sofort raus an die frische Luft.

    Draussen nahm sie irgendwann das Smart­phone in die Hand und öffnete ein Newsportal. Zuerst stach ihr ein Bild ins Auge, auf dem sie die Beine ihres Bruders zu sehen glaubte. Dann entdeckte sie die Videos.

    Sie klickte drauf.

    Sie sah, wie ihr Bruder erschossen wurde. Sie sah, wie er am Boden lag. Sie sah, wie die Polizisten mit ihren Füssen die Arme und Beine ihres Bruders herumschoben.

    Sie sah, dass niemand ihm half. Minutenlang.

    Sie rief den Polizisten an und schrie ins Telefon.

    Sie haben mich angelogen! Niemand hat Erste Hilfe geleistet. Niemand hat meinem Bruder geholfen. Keiner der vier Polizisten.
    30. August 2021, Bahnhof Morges

    Um 18 Uhr und 9 Minuten trifft der medizinische Notfall­dienst am Bahnhof ein, die Ambulanz eine Minute später. Sieben Ermittler machen sich auf den Weg nach Morges. Sie hören Zeugen an, sichern den Tatort.

    Der Tod von Nzoy wird jetzt zum Akten­zeichen: PE21.0151554.

    Den Fall übernimmt kein Geringerer als Laurent Maye, stellvertretender General­staatsanwalt des Kantons Waadt. Er leitet die Abteilung für Sonder­fälle, die jeweils gegen eigene Polizisten ermittelt. Ein Job, der ein stabiles Rückgrat verlangt.

    Allen ist klar, wie heikel die Angelegenheit ist. Nzoy ist das vierte Opfer tödlicher Polizei­gewalt in der Waadt innerhalb von viereinhalb Jahren. Alle Opfer waren schwarze Männer: Hervé Mandundu, Lamin Fatty, Mike Ben Peter. Und nun: Nzoy.

    Maye führte schon die Untersuchung gegen sechs Lausanner Polizisten, die im Winter 2018 den 40-jährigen Nigerianer Mike Ben Peter festgenommen hatten. Die Verhaftung eskalierte. Die Polizisten schlugen Ben Peter und hielten ihn in Bauchlage fest, bis er sich nicht mehr rührte. Er starb noch in derselben Nacht.

    Der Staatsanwalt erhob Anklage. Aber im Gericht argumentierte er so seltsam, dass sich alle fragten, ob er gegen die Polizisten oder das Opfer klagte. Am Ende schlug er sich gar auf die Seite der Verteidigung und forderte Frei­sprüche für die Polizisten. Das Gericht folgte ihm: Die sechs Polizisten hätten verhältnis­mässig gehandelt. Nach dem Urteil kam es im Gerichts­gebäude zu Tumulten und Hand­greiflichkeiten.

    Perron 4 am Bahnhof Morges wird jetzt abgesperrt. Polizisten stellen ein Zelt auf als Sicht­schutz. Sie lichten den Tatort mit einer 360-Grad-Kamera ab. Sie suchen nach Spuren, nach Patronen­hülsen, nach Kleidern und persönlichen Gegen­ständen von Nzoy. Sie fotografieren alles.

    Am Abend werden schweizweit die Polizei­korps nach Informationen zu Nzoy befragt. Die Zürcher Kantons­polizei meldet tags darauf, dass ihr Nzoy bekannt sei.

    Als diese Information öffentlich wird, klingt es, als wäre Nzoy ein polizei­bekannter Krimineller. Aber die Zürcher kennen Nzoy, weil sie ihn 24 Jahre zuvor als 13-jährigen Teenager einsperrten und Finger­abdrücke nahmen. Zur Abschreckung.
    In schlechtem Zustand

    Der Vater staunte, als Nzoy plötzlich vor der Tür stand. Die beiden hatten nie ein gutes Verhältnis gehabt. Und trotzdem war sein Sohn zu ihm gekommen. Das war eine Woche vor seinem Tod.

    Nzoy erzählte dem Vater, er habe sich mit der Schwester gestritten. Nzoy wollte nicht in eine Klinik, stattdessen kreuzte er jetzt beim Vater auf, in einem kleinen Dorf im Kanton Zürich. Nzoy machte einen schlechten Eindruck.

    Bei sich zu Hause wollte der Vater seinen Junior nicht unterbringen. Er buchte ein günstiges Zimmer in einem Hotel, Zum Löwen, gleich hinter der deutschen Grenze. Er zahlte 400 Euro im Voraus für einen Monat und hinterliess 400 Euro Kaution. Dann drückte er seinem Sohn ein Handy in die Hand – Nzoy hatte seins liegen gelassen, er war wirklich von der Rolle. Der Vater gab ihm Geld für eine SIM-Karte und ein Tablet.

    Dann hörte er für den Moment nichts mehr von seinem Sohn.

    Ein paar Tage vor seinem Tod sass Nzoy auf einer Wiese auf einem Privat­grundstück und sprach mit Jesus. Daraufhin muss jemand die Rettung verständigt haben. Denn ein Kranken­wagen kam und brachte Nzoy ins Spital. Ein Arzt diagnostizierte bei ihm eine paranoide Schizophrenie, eine psychotische Episode.

    Auf der Anordnung für eine fürsorgerische Unter­bringung steht: «Zusammen­fassend besteht eine Selbst­gefährdung und möglicher­weise eine Fremd­gefährdung.» Nzoy blieb über Nacht.

    Am nächsten Tag ging es Nzoy offenbar besser, der Arzt entliess ihn «im stabilisierten Zustand». Er verschrieb ihm das Anti­psychotikum Zyprexa, Schmelz­tabletten, 20 Milligramm, zur Einnahme abends vor dem Zubett­gehen.

    Am Samstag, zwei Tage vor den tödlichen Schüssen in Morges, besuchte der Vater Nzoy im Hotel. Sein Sohn, sagte der Vater später der Polizei, sei nervös gewesen und konnte nicht still sitzen. Er sei «in einem sehr schlechten psychischen Zustand» gewesen. In eine Klinik aber wollte er nicht. Und der Vater wollte ihn nicht dazu zwingen.

    Am Sonntagabend klingelte das Handy des Vaters. «Nzoy Wilhelm» stand auf dem Display. Nzoy sagte, er wolle nun doch in die Klinik.

    Am Montagmorgen, dem 30. August 2021, steht der Vater im «Löwen» und wartet auf Nzoy. Aber vom Sohn fehlt jede Spur.
    30. August 2021, Bahnhof Morges

    Es ist 21.30 Uhr, als die Rechtsmediziner beginnen, den Leichnam von Nzoy zu untersuchen. Anwesend ist neben dem medizinischen Personal und einigen Polizisten auch der fall­führende Staats­anwalt Maye.

    Die Rechtsmedizin untersucht den Hergang des Todes. Sie stellt in den folgenden Tagen fest: Zwei von drei Patronen stecken im Körper, eine davon im rechten Bauchmuskel. Sie hatte die linke Becken­arterie und die Hohlvene durchlöchert.

    Laut Rechtsmedizin führte das «in sehr kurzer Zeit» zu tödlichen inneren Blutungen. Von aussen war das nicht sichtbar. Ob die Polizisten sich strafbar machten, indem sie es unterliessen, Nzoy rasch zu helfen, wäre von einem Gericht zu klären.

    Der toxikologische Bericht hält fest, dass Nzoy keinen Alkohol im Blut hatte. Eine Urin­probe zeigt, dass er keine Drogen nahm.

    Am Körper finden die Medizinerinnen einen Patch eines EKG-Geräts. Tatsächlich hatte Nzoy am frühen Montag­morgen die Notaufnahme des Unispitals Zürich aufgesucht. Er klagte über Schwindel und hörte «kommentierende Stimmen». Die Ärzte vermuteten eine akute Psychose und empfahlen deshalb die Betreuung durch einen Psychiater. Doch Nzoy verliess den Notfall kurz vor 9 Uhr – ohne EKG oder psychiatrische Untersuchung. Möglicher­weise suchte er bis zum Mittag noch ein weiteres Spital auf, ehe er in den Zug Richtung Westschweiz stieg. Das Zürcher Unispital sah keine Hinweise auf selbst- oder fremd­gefährdendes Verhalten.

    18 Uhr und 31 Minuten.

    Die Ambulanz stellt offiziell den Tod von Roger Michael «Nzoy» Wilhelm fest. Er war 37 Jahre alt.
    Letzte Reise

    Vor dem Krematorium Sihlfeld flimmern Fotos von Nzoy über den Bild­schirm: Nzoy als Baby im Arm seiner Mutter, Nzoy mit Freunden auf einer Wiese, Nzoy bei einem Video­shooting. Man sieht einen hoch­gewachsenen, gut aussehenden Mann mit feinem Schnauz und langen schwarzen Locken. Auf den Videos lächelt er glücklich, die Augen zu einem Strich gezogen, grinst er in die Kamera und sagt mit warmer Stimme: «I appreciate you all. Peace!»

    Der Pfarrer stellt die Urne neben ein Porträt von Nzoy. Zu seiner Rechten sitzen Evelyn Wilhelm, ihr älterer Bruder und enge Freunde von Nzoy. Zu seiner Linken der Vater von Nzoy mit Frau und Kindern.

    Der Pfarrer war einer von Nzoys engsten Vertrauten, seit er ihn vor 15 Jahren in einem Fluss getauft hatte. In einer seiner letzten Nachrichten schrieb Nzoy dem Pfarrer, er habe gerade nicht viel zu lachen. Er schickte ihm ein Bild von Jesus, umringt von Engeln. «I’m not alone», schrieb Nzoy.

    «Wenn», sagt der Pfarrer jetzt zur Trauer­gemeinde, «wenn Roger auf dem Bahnhof einen Polizisten mit einem Messer bedroht hat, dann war das Ausdruck einer tragischen Verwirrtheit.»

    Wenn – das Wort wiegt schwer in diesen Tagen.

    Die Trauernden haben alle die News-Berichte gelesen mit den Darstellungen der Polizei. Da war vom «Messer-Droher» die Rede, von Erinnerungen an ein islamistisches Attentat, das sich ein Jahr zuvor in Morges ereignet hatte.

    Aber die Angehörigen bestreiten, dass Nzoy gefährlich gewesen sei. Wenn überhaupt, war er eine Gefahr für sich selbst. Die Polizisten, sagen die Angehörigen, hätten die Lage völlig falsch eingeschätzt.

    «Ein dunkel­häutiger Mann am Beten, da dachten die wohl: Das muss ein Terrorist sein», sagt Evelyn Wilhelm. Dabei hätte ihr Bruder nur etwas gebraucht: Hilfe.

    Auch Experten wie der Psycho­therapeut und Psychologie-Professor Udo Rauch­fleisch sagen nach Studium von Videos, Funk­sprüchen und Zeugen­aussagen in den Untersuchungs­akten, dass Nzoy nicht aggressiv oder gefährlich gewesen sei, sondern ängstlich und zurück­gezogen. Bis die Polizei ihn umzingelte. «Das Messer zog er erst, als er sich bedroht fühlte.»

    Die Polizei habe falsch reagiert. «Wenn man mit vier Leuten auf einen psychotischen Menschen aufrückt, ist vorprogrammiert, dass die Lage eskaliert.»

    Dass Nzoy bedrohlich gewirkt habe, ist denn auch die Darstellung von Polizisten, die fürchten mussten, wegen eines Tötungs­delikts zur Rechenschaft gezogen zu werden. In anderen Fällen würde man ihre Aussagen als Schutz­behauptung abqualifizieren.

    Der Polizist, der Nzoy tötete, äusserte sich in den Einvernahmen widersprüchlich.

    Anfangs wollte er noch gesehen haben, wie sich «die Sonne in der Klinge spiegelte», nachdem er zweimal auf Nzoy geschossen hatte. In einer späteren Einvernahme korrigierte sich der Polizist, er erinnere sich doch nicht daran. «Ich erinnere mich auch nicht, das Messer gesehen zu haben, als er davor auf mich zurannte», sagte er dem Staats­anwalt.

    Kann seine Aussage, er habe gefürchtet, tödlich verletzt zu werden, stimmen? Ist es korrekt, von legitimer Notwehr zu sprechen, wenn der Polizist gar keine Waffe sah?

    Der Polizist will auf Anfrage keinen Kommentar zur Sache abgeben.

    Die andere Frage, die die trauernden Angehörigen umtreibt, ist, warum die Polizisten Nzoy nicht sofort Erste Hilfe leisteten. Warum erst ein Passant ihm half.

    Und natürlich, ob das alles, also die Angst vor Nzoy, der schnelle Griff zur Pistole, die Untätigkeit nach den Schüssen – ob das alles anders gelaufen wäre, wäre Nzoy nicht schwarz gewesen.

    Der Pfarrer berichtet der Trauer­gemeinde, wie Evelyn Wilhelm nach dem Tod ihres Bruders die aufgeschlagene Bibel auf seinem Bett fand, Altes Testament, Buch der Sprüche.

    Dort heisst es: «Greif ein, wenn das Leben eines Menschen in Gefahr ist. Tu, was du kannst, um ihn vor dem Tod zu retten.»

    «Tragischerweise», sagt der Pfarrer, «sind das vielleicht die letzten Worte, die Roger mitnahm auf seine letzte Reise.»

    Hätte Nzoy überlebt, wäre er nicht schwarz gewesen?

    Vielleicht hat der Anwalt der Angehörigen einmal die treffendste Antwort dazu gegeben: «Nzoy wurde nicht getötet, weil er schwarz war. Aber er ist tot, weil er nicht weiss war.»
    Keine Gerechtigkeit, kein Frieden

    Evelyn Wilhelm steht vor dem Justiz­palast in Renens, einem mächtigen, kalten Büro­gebäude aus Stahl und Glas. Die Sonne brennt auf ein paar Dutzend Aktivistinnen, die mit Plakaten und Transparenten um sie herum stehen. Sie trägt ihre Locken offen, die Tasche über der Schulter. Flip-Flops, weisse Hose, weisses Shirt. Auf ihrem Rücken prangt schwarz auf weiss das Konterfei ihres Bruders, wie es mittlerweile auf zahllosen Plakaten und Aufklebern in der ganzen Schweiz zu sehen ist.

    Darüber steht: «Justice 4 Nzoy».

    Es ist der 8. Juli 2024, drei Jahre sind seit dem Tod ihres Bruders vergangen. Noch immer dauert die Straf­untersuchung an, aber es sieht ganz danach aus, als würde der Staats­anwalt die Sache fallen lassen wollen. Evelyn Wilhelm und weitere Angehörige haben sich einen Anwalt genommen. Sie zählen darauf, dass die Erschiessung von Nzoy dereinst vor Gericht kommt.

    Der heutige Tag ist eine Art Haupt­probe.

    Evelyn Wilhelm will wissen, wie sich das anfühlen wird, wenn sie als Angehörige und Privat­klägerin im gleichen Saal sitzt wie der Mann, der ihren Bruder tötete. Vorne der Richter, links der angeklagte Polizist, rechts der Staatsanwalt, hinten zwei Dutzend Journalistinnen und nochmals so viele Zuschauer.

    Im Justizpalast von Renens beginnt an diesem Tag der zweit­instanzliche Prozess gegen sechs Polizisten, die 2018 am Einsatz beteiligt waren, bei dem der 39-jährige Familien­vater Mike Ben Peter starb.

    Das juristische Personal würde im Fall Nzoy ähnlich sein: derselbe Staatsanwalt, dieselbe Verteidigerin.

    Odile Pelet, die Anwältin, auf die die Polizisten zählen, vertrat in drei der vier Fälle tödlicher Polizei­gewalt in der Waadt jeweils einen beschuldigten Polizisten. Immer mit Erfolg.

    Evelyn Wilhelm zögert. «Soll ich wirklich rein?»

    Drei Stunden ist sie hergefahren, aber jetzt, wo es vor dem Gericht und im Gericht von Polizisten wimmelt, würde sie am liebsten umkehren.

    Die Zuschauerzahl ist beschränkt und der Saal eigentlich schon voll, aber ein Aktivist erkennt sie, die Schwester des getöteten Nzoy. Er drückt ihr einen weissen Zettel in die Hand, Nummer 32, steht darauf. Der Zettel gewährt ihr Eintritt in den Gerichtssaal.

    Drei Jahre sind seit dem Tod von Nzoy vergangen. Und während Evelyn Wilhelm vorher an Vernissagen oder in Galerien anzutreffen war, sass sie in den letzten drei Jahren häufig in muffigen Kellern, besetzten Häusern und selbst­verwalteten Ateliers. Sie verteilte Aufkleber und Flyer. Sie verkaufte T-Shirts und Pullover. «Justice 4 Nzoy» ist nicht nur eine Forderung, ein Slogan, er steht mittlerweile auch für ein politisches Bündnis und für eine Kommission zur Aufklärung der Wahrheit mit hochkarätigen Anwältinnen, Juristen, Wissenschaftlerinnen. Rechercheure durchforsten in ihrem Auftrag die Untersuchungs­akten und tun die Arbeit, die eigentlich der Staatsanwalt erledigen sollte. Evelyn Wilhelm trat auf in Lausanne, in Morges, in Zürich, in Basel, in Genf, in Paris. Sie war Gästin an Informations­anlässen wie an Fussball­turnieren. Sie sprach in Podcasts und in Fernseh­dokumentationen. Selbst ein UN-Gremium hörte sie an. Evelyn Wilhelm ist die zentrale Figur geworden, die das Andenken an ihren Bruder bewahrt.

    Aber ein Gedanke plagt sie seit dem Tod ihres Bruders: dass es kein faires Verfahren gibt, dass sie keine Gerechtigkeit findet.

    «Der Staatsanwalt hat uns von Anfang an schikaniert», sagt Evelyn Wilhelm.

    Er habe versucht, sie auf dem Rechtsweg vom Verfahren fernzuhalten, ihr den Zugang zu den Akten zu verwehren. Er wollte sie nicht als Privat­klägerin zulassen. Die ersten Tage nach dem Tod ihres Bruders verbrachte sie tatsächlich damit, dem Staats­anwalt zu beweisen, dass sie Nzoys Schwester war, dass die beiden eine enge Beziehung pflegten. Sie reichte Briefe ein, Chat­nachrichten, Anruflisten …

    «Schande über euch!», rufen die Aktivisten jetzt vor dem Gericht. «Justice raciste, police raciste!»

    Das Gericht hat soeben die Polizisten im Fall Mike Ben Peter freigesprochen. Der Polizei­kommandant spricht in eine Fernseh­kamera: «Ich bin hoch­zufrieden.»

    Evelyn Wilhelm setzt sich in ein von der Sonne überhitztes Auto und macht sich auf den Heimweg. Die Freisprüche haben sie aus der Fassung gebracht. Es ist, als wäre eine Welt zusammen­gefallen.

    Oder war es vielleicht schon immer nur ein Kartenhaus?

    «Alles ist den Polizisten erlaubt», sagt sie. «Sie machen immer alles richtig. Immer.» Sie schüttelt den Kopf.

    «Kein Rassismus, sagte der Richter! Hast du das gehört? Egal was die Polizisten tun, sie machen alles richtig. Es ist immer das Opfer, das aggressiv ist. Unglaublich.»

    Evelyn Wilhelm wusste, dass es schwierig ist vor Gericht. Sie wusste, dass Polizisten in der Schweiz so gut wie nie verurteilt werden. Aber vor Augen geführt zu bekommen, wie gnadenlos das Gericht die Anklage im Fall Mike Ben Peter versenkt – das löscht den kleinsten Funken Hoffnung in ihr.

    Wenige Monate später tritt ein, was Evelyn Wilhelm schon befürchtet hatte: Ende November 2024 stellt der Staatsanwalt Laurent Maye das Verfahren im Fall Nzoy eigenmächtig ein. Entgegen dem Anklage­prinzip in dubio pro duriore bringt er die Angelegenheit nicht einmal vor ein Gericht. Der beschuldigte Polizist sei einem so schweren Angriff ausgesetzt gewesen, dass er weder Zeit noch Mittel gehabt hätte, anders zu reagieren als mit der Schuss­waffe. Er habe gesetzes­konform gehandelt und die Verhältnis­mässigkeit gewahrt.

    Was jetzt?

    «Sie haben meinen Bruder tot­geschossen», sagt Evelyn Wilhelm. Was bleibt ihr anderes übrig, als weiter­zumachen. Ihr Anwalt hat die Einstellung angefochten. Er wird notfalls bis nach Strassburg gehen, um für einen Prozess zu kämpfen.

    Evelyn Wilhelm möchte bald nach Süd­afrika reisen. Sie will dort die Urne ihres Bruders beisetzen. «Ich habe ihm nach seinem Tod versprochen, dass er Frieden finden könne.»

    Sie will sich auch nach einem neuen Zuhause umsehen. «Ich kann nicht in einem Land alt werden, wo einfach nichts geschieht, wenn man jemanden tötet. Wie soll ich so je damit abschliessen können?», sagt sie. «Ich finde hier keine Ruhe und keine Gerechtigkeit.»

    https://www.republik.ch/2025/02/22/17-uhr-59-und-10-sekunden
    #violences_policières #Suisse #décès #Nzoy #justice #impunité #justice

    • #Homicide à la gare de Morges : le Ministère public retient la #légitime_défense et écarte l’#omission_de_porter_secours

      Lors du décès de #Roger_Michael_Wilhelm intervenu en 2021 à la gare de Morges, le policier auteur du tir mortel a agi en état de légitime défense ; l’omission de prêter secours ne peut être retenue ni contre cet agent, ni contre ses trois collègues : telles sont les conclusions de l’instruction menée par le Ministère public, qui a rendu une ordonnance de classement et de non-entrée en matière le 25 novembre 2024.

      Au terme d’une instruction débutée le jour du décès de M. Roger Michael Wilhelm, le lundi 30 août 2021 vers 18h sur un quai de la gare de Morges, le Ministère public vient de rendre une ordonnance de classement et de non-entrée en matière.

      Cette décision se base sur les différents éléments mis à jour par les actes d’instruction ordonnés par le procureur ou requis par les parties (auditions, vidéos, autopsie, rapports techniques, notamment), ainsi que la jurisprudence fédérale. À noter que le rapport de Border Forensics, fourni par la partie plaignante dans le cadre de l’avis de prochaine clôture du Ministère public du 10 octobre 2023, a été examiné et en partie exploité dans le cadre de l’enquête.
      Usage de l’arme proportionné

      Le Ministère public considère ainsi, compte tenu des circonstances, que le policier s’est trouvé confronté à une attaque grave et ne disposait ni du temps ni d’autres moyens raisonnablement exigibles de parer cette attaque au couteau autrement qu’en engageant son arme à feu.

      Le Ministère public retient en outre que l’agent a agi conformément à la pratique professionnelle enseignée et au principe de proportionnalité imposé par la jurisprudence ; la légitime défense, au sens de l’art. 15 du Code pénal, doit ainsi être retenue.
      Soins prodigués une fois la sécurité des lieux et des personnes assurée

      Immédiatement après les tirs, les agents se sont réparti les tâches visant notamment à assurer la sécurité des lieux et des personnes, ainsi qu’à prendre en charge le blessé, lequel ne présentait aucune trace d’hémorragie visible avant le massage cardiaque prodigué par un infirmier. Le rapport d’autopsie relève que les blessures causées par le troisième tir étaient « nécessairement mortelles à très brève échéance », expliquant ainsi les raisons du décès. Pour ces motifs, le Ministère public considère que l’omission de prêter secours n’est pas réalisée.

      Cette décision a été notifiée ce jour aux parties à la procédure et peut faire l’objet d’un recours auprès de la Chambre des recours pénale du Tribunal cantonal dans un délai de 10 jours.

      https://www.vd.ch/actualites/communiques-de-presse-de-letat-de-vaud/detail/communique/homicide-a-la-gare-de-morges-le-ministere-public-retient-la-legitime-defense-et-e

    • Morges : un homme mortellement blessé par la #police

      Lundi vers 18h, deux patrouilles de police sont intervenues en gare de Morges afin de prendre en charge une personne annoncée comme perturbée. Menacé par l’individu armé d’un couteau, un agent de Police Région Morges a fait usage de son arme. Malgré les soins prodigués par les policiers puis les secouristes appelés en renfort, la personne est décédée sur place. Le Ministère public a ouvert une instruction pénale.

      Vers 18h00, la centrale d’engagement et de transmissions (CET) de la Police cantonale vaudoise était avisée de la présence d’un homme annoncé comme agité sur l’un des quais de la gare de Morges. Deux patrouilles se sont rendues sur place afin d’entrer en contact avec l’individu et de le prendre en charge. D’après les premiers éléments de l’enquête, malgré la sommation d’usage d’un des agents, l’individu aurait exhibé un couteau se montrant menaçant.

      Un agent de la Police Région Morges a fait usage de son arme de service à plusieurs reprises. Blessé, l’homme a été immédiatement pris en charge par les policiers qui ont fait appel aux services sanitaires. Les policiers ont commencé un massage cardiaque qui a été poursuivi par les ambulanciers et le médecin du Service mobile d’urgence et de réanimation (SMUR). Il est décédé sur place des suites de ses blessures. Il s’agit d’un Suisse âgé de 37 ans, domicilié dans le canton de Zürich.

      Le Procureur de permanence de la Division des affaires spéciales du Ministère public central s’est rendu sur les lieux et a ouvert une instruction pénale afin d’établir les circonstances du décès. Les intervenants ont été entendus. Les investigations sont confiées au Détachement d’investigations spéciales policières (DISPO), et menées par les inspecteurs de la police de sûreté, avec l’appui des médecins légistes du CURML et des spécialistes de la police scientifique. Plusieurs patrouilles de la gendarmerie sont également intervenues sur les lieux pour prendre les premières mesures d’enquête.

      http://web.archive.org/web/20220516131031/https:/www.vd.ch/toutes-les-autorites/departements/departement-de-lenvironnement-et-de-la-securite-des/police-cantonale-vaudoise-polcant/medias/communiques-de-presse/news/14888i-morges-un-homme-mortellement-blesse-par-la-police

    • Joint statement and release of a preliminary analysis on the death of Roger ‘Nzoy’ Wilhelm

      For several months, Border Forensics has been investigating the death of Roger ‘Nzoy’ Wilhelm, a Swiss man of South-African descent, who was killed by the police in Morges Station (Switzerland) on August 30th, 2021. More than two years after his death, and whereas the exact unfolding of events remains unclear, the Public prosecutor’s office recently announced its will to close the case.

      While our investigation on Roger ‘Nzoy’ Wilhelm’s death is still ongoing, and in contribution to the demand for truth and justice of the Independent Commission of Inquiry on the Death of Roger Nzoy Wilhelm, today the preliminary analysis Border Forensics has produced of a sequence of the events has been submitted the Public prosecutor’s office. It will be made public in time.

      Press release: Independent Commission and Border Forensics criticize prosecution in Roger Nzoy Wilhelm homicide case and release overlooked evidence.

      Zuricher Roger Wilhelm, aged 37, was shot dead by a police officer on August 30th 2021, at Morges train station. Wilhelm was left on his stomach for six and a half minutes, without the other police officers involved providing him with first aid. Despite this, on October 10th, 2023, the Public Prosecutor’s Office of the canton of Vaud announced that it would not prosecute either the homicide or the failure to render aid.

      Switzerland does not have an independent institution to investigate incidents of police violence, so an independent civil society review and investigation into this death case is urgent. An independent commission made up of scientists from the fields of medicine, psychology, law and social sciences as well as the scientific research organization Border Forensics are now examining the case themselves. The provisional results of this research were presented today in Lausanne in the presence of Evelyn Wilhelm and lawyer Ludovic Tirelli, in charge of the case. This work shows that the decision of the Public Prosecutor’s Office must be urgently questioned.

      Elio Panese, member of the Border Forensics research team, reconstructed down to the second the course of the homicide in Morges using a film. This film shows that Roger Wilhelm remained on the ground handcuffed for six and a half minutes while he had a gunshot wound to the back and made no movement other than breathing. This proves that the police officers involved neglected to take vital rescue and resuscitation measures. Dr. Martin Herrmann, who is one of the medical experts of the commission (FMH specialist in general surgery and traumatology), confirmed in his analysis that the necessary first aid measures had not been taken, although Roger Wilhelm, lying on his stomach, represented no threat to the police officers and that he was still making respiratory movements. The question to be clarified in court is: Could Roger Wilhelm’s life have been saved by immediate first-aid measures taken by the police?

      Udo Rauchfleisch, professor emeritus of clinical psychology and member of the commission, wrote a report based on psychiatric records, interviews with relatives, witness statements and video footage of the homicide of Roger Wilhelm. According to this report, the Vaud police were called to help a Black man who showed symptoms of psychosis. According to the expertise of Prof. Rauchfleisch, Roger Wilhelm was not in any way or at any time aggressive, but he was stressed and would have needed psychological help. Instead of helping, the four police officers increased Roger Wilhelm’s psychological stress. He was considered a threat and was eventually shot dead. This is why another decisive question arises, which must be clarified in court: was the behaviour of the police officers adequate and was the use of firearms necessary and by the law?

      The death of Roger Wilhelm must be placed in the context of other homicides of Black people by the police in Switzerland. In the case of Mike Ben Peter, who died on February 28, 2018 following a police intervention, the prosecutor in charge of the investigation, who is also handling the case of Roger Nzoy Wilhelm, surprisingly requested the acquittal of the police officers involved during the trial. Me Brigitte Lembwadio Kanyama, member of the

      Commission’s legal group, severely criticized the treatment of deaths occurring following police interventions in the canton of Vaud. In all cases, the people killed were Black people. Lawyer Philipp Stolkin, a member of the Commission’s legal group, stressed that the public prosecutor’s office should be able to carry out its investigation regardless of the skin colour of the victim and the fact that a person suspected of having committed an offence is used by a public law entity.

      According to another member of the commission group, lawyer David Mühlemann, from a human rights perspective, the public prosecutor’s office is obliged to investigate such exceptional deaths independently, effectively, and comprehensively: “What is at stake is nothing less than public confidence in the state’s monopoly on violence.” By wanting to close the case, the public prosecutor is preventing the possibility of an investigation that complies with human rights. This is why the Commission urges the Vaud Public Prosecutor’s Office to open an investigation into the Roger Nzoy Wilhelm affair and bring the matter to court.

      https://www.borderforensics.org/news/20231110-pr-roger-nzoy-wilhelm

      #border_forensics

    • Wieder stirbt ein Schwarzer Mann in den Händen der Schweizer Polizei

      Am 30. August 2021 fährt der 37-jährige Zürcher Roger Nzoy in die Westschweiz. Am Bahnhof Morges steigt er aus. Er betet. Er spaziert über die Gleise. Ein Bahnarbeiter beobachtet Nzoy und versucht ihn davon abzuhalten, zur Rush Hour über die Gleise zu gehen. Er ruft die Polizei um Hilfe. Doch als die Polizei eintrifft, eskaliert die Situation. Nzoy zieht laut Polizei ein Messer. Ein Polizist feuert drei Mal auf Nzoy, der zusammenbricht und liegen bleibt. Rund vier Minuten stehen die Polizisten tatenlos da, ehe ein Passant Erste Hilfe leistet. Zu spät. Roger Nzoy ist die vierte Schwarze Person, die innerhalb von viereinhalb Jahren im Kanton Waadt in den Händen der Polizei stirbt. Seine Schwester Evelyn Wilhelm spricht mit Carlos Hanimann über Leben und Tod ihres Bruders, über dessen Erfahrungen mit Rassismus – und wie sie ihren Bruder gerne in Erinnerung behalten will. Text & Interview: Carlos Hanimann. Sound-Design: Christina Baron.

      Die Familie von Roger Nzoy stellt sich auf eine lange juristische Auseinandersetzung ein. Wer Evelyn Wilhelm und weitere Angehörige in ihrem Kampf für Gerechtigkeit für Nzoy unterstützen will, kann sie auch finanziell unterstützen. Spendenkonto: Justice4Nzoy Raiffeisenbank 8001 Zürich IBAN: CH30 8080 8007 4333 9949 7 🙏🏽

      https://diasboah.podigee.io/2-leben-und-tod-des-roger-nzoy

    • 30 août 2021

      Sur la voie 14 de la gare centrale de Zurich, Roger Nzoy monte à bord du train à destination de Genève à 13h04. Le même jour – sur le chemin du retour vers Zurich – il descend du train à 16h42 en gare de Morges. Il ne va pas bien. Il est en état de crise.

      Nzoy s’accroupit entre des trains immobilisés, cherche des forces dans une prière. Un employé de la voie ferrée lui demande de quitter les rails. Il appelle ensuite la police et signale la présence d’un homme désorienté près des voies.

      A leur arrivée, deux policiers s’approchent de Nzoy. Nzoy reste calme et attend. Soudain, deux autres policiers se précipitent vers lui – l’un d’eux brandit une arme. Nzoy se sent menacé, veut se défendre et se dirige vers le policier.

      Le policier tire deux coups de feu – Nzoy est à terre.

      Mais Nzoy se redresse et tente à nouveau de se défendre contre la supériorité des policiers armés. Il se réfugie derrière son sac de gym.

      Le policier tire à nouveau – Roger Nzoy reste couché.

      Pour toujours !

      Pendant plus de quatre minutes, les policiers laissent Nzoy allongé.

      Ils examinent Nzoy, qui est à terre, blessé par balle, avec leurs pieds. Ils l’attachent pendant une minute avec des menottes. Ils courent dans tous les sens. Enlèvent et remettent leurs gants. Ils tournent en rond.

      Les policiers appellent une ambulance. Aucune information n’est transmise sur l’état de santé de Nzoy. Pas un mot sur la question de savoir s’il respire encore ou où il est blessé. Le message envoyé aux ambulanciers est qu’il s’agit d’un « homme de couleur ».

      Roger Nzoy ne reçoit donc pas les premiers soins médicaux de la part des policiers présents. Après qu’il soit resté allongé sur le sol pendant quatre minutes, un infirmier qui passait par là lui a prodigué les premiers soins et a commencé à lui faire un massage cardiaque. Ce n’est qu’à ce moment-là que les policiers peuvent se résoudre à toucher Nzoy avec leurs mains et à participer à la réanimation. Il est trop tard.

  • Dans l’impasse en Tunisie, de plus en plus de migrants rapatriés dans leur pays d’origine
    https://www.lemonde.fr/afrique/article/2024/06/27/dans-l-impasse-en-tunisie-de-plus-en-plus-de-migrants-rapatries-dans-leur-pa

    Dans l’impasse en Tunisie, de plus en plus de migrants rapatriés dans leur pays d’origine
    Le Monde avec AFP
    Publié hier à 16h39, modifié hier à 17h29
    Le nombre de migrants africains rapatriés de Tunisie vers leur pays connaît une forte augmentation depuis le début de l’année, selon l’Organisation internationale pour les migrations (OIM), sur fond de montée d’un sentiment anti-immigrés alimenté par un discours officiel aux accents xénophobes.
    « Entre le 1er janvier et le 25 juin, l’OIM a facilité le retour volontaire d’environ 3 500 personnes depuis la Tunisie vers leur pays d’origine », soit une augmentation de 200 % par rapport à 2023 à la même période, a détaillé l’OIM, à Tunis, auprès de l’Agence France-Presse, qui précise que les principaux pays de retour sont la Gambie, le Burkina Faso et la Guinée.
    Les migrants rapatriés bénéficient du « programme d’assistance au retour volontaire et à la réintégration » de l’OIM, avec notamment une prise en charge du trajet de retour ainsi qu’une aide à la réintégration dans leur pays. Le caractère « volontaire » de ces rapatriements est néanmoins contesté par les défenseurs des droits.
    Pour Romdhane Ben Amor, porte-parole du Forum tunisien pour les droits économiques et sociaux (FTDES), ces rapatriements sont le résultat d’une « politique antimigrants qui les voit comme une menace et contribue à leur précarité en les empêchant de travailler, de louer des appartements ou d’utiliser les transports publics ». Depuis un discours aux accents xénophobes du président tunisien Kaïs Saïed en février 2023, des milliers de ressortissants de pays d’Afrique subsaharienne séjournant de façon irrégulière en Tunisie ont perdu leur logement et leur travail.
    Leurs conditions de vie se sont encore détériorées quand ils ont été chassés de grandes villes comme Sfax pour s’entasser dans des campements de fortune insalubres, sans aucune ressource, dans l’attente d’un hypothétique départ.Selon M. Ben Amor, cette hausse des rapatriements est la conséquence de la « politique d’endiguement migratoire » voulue par l’Union européenne (UE). « L’UE a donné tous les moyens financiers, logistiques et techniques » à la Tunisie pour mettre en place cette politique, affirme-t-il.
    A l’été 2023, l’UE et la Tunisie ont conclu un « partenariat stratégique » qui prévoyait une aide de 105 millions d’euros pour lutter contre l’immigration irrégulière, incluant le financement du « retour volontaire » de 6 000 migrants irréguliers.
    La Tunisie est l’un des principaux points de départ des migrants qui risquent la périlleuse traversée de la Méditerranée pour rejoindre l’Europe. Selon le ministère de l’intérieur tunisien, environ 23 000 migrants irréguliers seraient actuellement présents dans le pays. Plus de 1 300 migrants sont morts ou ont été portés disparus en 2023 dans des naufrages au large des côtes tunisiennes, selon le FTDES.

    #Covid-19#migrant#migration#tunisie#OMI#retour#UE#gambie#burkina#guinee#migrationirreguliere#sante

  • Communiqué commun et publication d’une analyse préliminaire sur la mort de Roger ‘#Nzoy’ Wilhelm

    Depuis plusieurs mois, Border Forensics enquête sur la mort de Roger ‘Nzoy’ Wilhelm, un Suisse d’origine sud-africaine, tué par la #police à la gare de #Morges (Suisse) le 30 août 2021. Plus de deux ans après sa mort, alors que le déroulement exact des événements reste flou, le #Ministère_public du Canton de Vaud a récemment annoncé sa volonté de rendre une #ordonnance_de_classement et une #ordonnance_de_non-entrée_en_matière.

    Alors que notre enquête sur la mort de Roger ‘Nzoy’ Wilhelm est toujours en cours, et en contribution à la demande de vérité et de justice de la Commission d’enquête indépendante sur la mort de Roger Nzoy Wilhelm, aujourd’hui une analyse préliminaire produite par Border Forensics concernant une partie des événements a été soumise au Ministère public du Canton de Vaud. Cette analyse sera rendu public prochainement.

    –—

    Communiqué de presse : La Commission indépendante et Border Forensics critiquent le ministère public dans l’affaire de l’homicide de Roger Nzoy Wilhelm et publient des preuves ignorées

    Le Zurichois Roger Wilhelm, âgé de 38 ans, a été abattu par un policier le 30 août 2021 à la gare de Morges. Wilhelm a été laissé sur le ventre pendant six minutes et demie, sans que les autres policiers impliqués ne lui prodiguent les premiers soins. Malgré cela, le 10 octobre 2023, le Ministère public du canton de Vaud a annoncé qu’il ne poursuivrait ni l’#homicide ni l’#omission_de_prêter_secours.

    La Suisse ne dispose pas d’une institution indépendante pour enquêter sur les incidents de violence policière, c’est pourquoi un examen et une enquête indépendants de la société civile sur ce cas de décès s’avèrent urgents. Une commission indépendante composée de scientifiques issus des domaines de la médecine, de la psychologie, du droit et des sciences sociales ainsi que l’organisation de recherche scientifique Border Forensics examinent désormais le cas eux- mêmes. Les résultats provisoires de ces recherches ont été présentés aujourd’hui [vendredi 10.11.23] à Lausanne en présence d’Evelyn Wilhelm et de l’avocat Me Ludovic Tirelli, chargé de l’affaire. Ces travaux montrent que la décision du Ministère public doit être remise en question de toute urgence.

    Elio Panese, membre de l’équipe de recherche Border Forensics, a reconstitué à la seconde près le déroulement de l’#homicide à Morges au moyen d’un film. Ce film montre que Roger Wilhelm est resté au sol menotté pendant six minutes et demie alors qu’il avait une blessure par balle et qu’il n’a pas fait d’autres mouvements que de respirer. Cela prouve que les policières/policiers impliqué·es ont négligé de prendre les mesures de #sauvetage et de #réanimation vitales. Le Dr Martin Herrmann, qui fait partie des experts médicaux de la commission (spécialiste FMH en chirurgie générale et traumatologie), a confirmé dans son analyse que les mesures de #premiers_secours nécessaires n’avaient pas été prises, bien que Roger Wilhelm, allongé sur le ventre, ne représentait aucune menace pour les policières/policiers et qu’il effectuait encore des mouvements respiratoires. La question à clarifier devant le tribunal est la suivante : la vie de Roger Wilhelm aurait-elle pu être sauvée par des mesures de premiers secours immédiates prises par la police ?

    Udo Rauchfleisch, professeur émérite de psychologie clinique et membre de la commission, a rédigé un rapport basé sur des dossiers psychiatriques, des entretiens avec des proches, des déclarations de témoins et des séquences vidéo de l’homicide de Roger Wilhelm. Selon ce rapport, la police vaudoise a été appelée pour venir en aide à un homme Noir qui présentait des symptômes de psychose. Selon l’expertise du Prof. Rauchfleisch, Roger Wilhelm n’était en aucune manière et à aucun moment agressif, mais il était stressé et aurait eu besoin d’une #aide_psychologique. Au lieu d’apporter leur aide, les quatre policières/policiers ont accru le #stress_psychologique de Roger Wilhelm. Celui-ci a été considéré comme une menace et a finalement été abattu. C’est pourquoi une autre question décisive se pose, qui doit être clarifiée devant le tribunal : le comportement des policières/policiers était-il adéquat et l’utilisation d’#armes_à_feu était-elle nécessaire et conforme à la loi ?

    La mort de Roger Wilhelm doit être replacée dans le contexte d’autres homicides de personnes Noires par la police en Suisse. Dans le cas de #Mike_Ben_Peter, décédé le 28 février 2018 à la suite d’une intervention policière, le procureur chargé de l’enquête, qui gère également le cas de Roger Nzoy Wilhelm, a demandé à la surprise générale l’acquittement des policiers impliqués lors du procès. Me Brigitte Lembwadio Kanyama, membre du groupe juridique de la Commission, a sévèrement critiqué le traitement des décès survenus à la suite d’interventions policières dans le canton de Vaud. Dans tous les cas, les personnes tuées étaient des personnes Noires. L’avocat Me Philipp Stolkin, membre du groupe juridique de la Commission, a souligné que le #ministère_public devrait être en mesure de mener son enquête indépendamment de la #couleur_de_peau de la victime et du fait qu’une personne soupçonnée d’avoir commis une infraction soit employée par une entité de droit public.

    Selon un autre membre du groupe de la commission, le juriste David Mühlemann, du point de vue des #droits_humains, le ministère public est tenu d’enquêter de manière indépendante, efficace et complète sur de tels décès exceptionnels : « Ce qui est en jeu, ce n’est rien de moins que la confiance du public dans le monopole de la violence de l’État. » En voulant classer l’affaire, le ministère public empêche la possibilité d’une enquête conforme aux droits humains. C’est pourquoi la Commission demande instamment au Ministère public vaudois d’ouvrir une enquête sur l’affaire Roger Nzoy Wilhelm et de porter l’affaire devant le tribunal.

    Vous trouverez plus d’informations sur : https://nzoycommission.org

    https://www.borderforensics.org/fr/actualites/20231110-pr-roger-nzoy-wilhelm

    #border_forensics #architecture_forensique #violences_policières #Suisse #Roger_Wilhelm #justice #impunité

    • Commission d’enquête indépendante sur la mort de Roger Nzoy Wilhelm

      Roger Nzoy Wilhelm a été abattu le 30 août 2021 par un policier de la police régionale à la gare de Morges. Une commission indépendante s’est constituée le 31 mai 2023 pour faire la lumière sur les circonstances de sa mort.

      En Suisse, des agressions policières sont régulièrement commises contre des personnes de couleur, des migrants et des personnes socialement défavorisées. Certaines de ces agressions ont une issue fatale, comme dans le cas de Roger Nzoy Wilhelm. La commission estime qu’il est urgent de faire toute la lumière sur ces décès et de mettre en place un contrôle de l’action de la police par la société civile. C’est pourquoi nous avons décidé de commencer à travailler sur les points suivants :

      - l’élucidation complète des circonstances qui ont conduit à la mort de Roger Nzoy Wilhelm à la gare de Morges le 30 août 2021.
      – l’examen complet de la procédure juridique et policière, des dossiers d’enquête et de l’administration des preuves par la justice. Il s’agit d’examiner si l’enquête a satisfait aux exigences de la procédure pénale en matière d’enquête sur les décès ou dans quelle mesure l’enquête a été déficiente : Comment la scène de crime a-t-elle été sécurisée ? Les témoins ont-ils été correctement interrogés ou ont-ils subi des pressions ? Comment s’est déroulé l’examen médico-légal ?
      - Il s’agit d’examiner si les enquêtes menées dans le cas de Roger Nzoy répondent aux exigences des droits de l’homme en matière d’enquête efficace et indépendante en cas de décès exceptionnel et quels sont les obstacles structurels à l’élucidation des violences policières.
      - la mise en perspective des circonstances qui ont conduit à la mort de Roger Nzoy Wilhelm dans le contexte historique et social en Suisse.

      https://www.nzoycommission.org/fr

  • Le retour du Covid, qui aurait pu le prédire ? – Libération
    https://www.liberation.fr/societe/sante/le-retour-du-covid-qui-aurait-pu-le-predire-20230810_MOMXD3XM7BHPFP2VDIPQ
    https://www.liberation.fr/resizer/dUcxhvCvk6n9z9canpFDLWz7pk0=/1024x0/filters:format(jpg):quality(70)/cloudfront-eu-central-1.images.arcpublishing.com/liberation/HR7M4EHLNRBAXOYDP7AGP4IM6M.jpg

    Qui aurait pu prédire ? Mon premier signal d’alerte, c’était en fin de semaine dernière dans cette grande pharmacie de Bayonne où, de manière très inhabituelle, toutes les préparatrices portaient un masque. C’est en déchiffrant la une du journal régional Sud-Ouest sur un présentoir que j’ai compris que la chenille avait redémarré : « Je n’en reviens pas, ça explose ! » Le Covid refait surface après les fêtes de Bayonne 2023. Et dans les jours qui ont suivi, j’en ai eu la confirmation, quand les amis qui avaient fait les fêtes six jours auparavant et avaient traîné leur rhume, leur toux et leur mal de gorge d’apéro en soirée familiale se sont fait tester en entendant dans le poste que c’était reparti.

    • « Il est très intéressant de noter que si l’on tweete que la pandémie est derrière nous, quand bien même on assortit son message d’un rappel à la vigilance en signalant l’incertitude sur l’avenir, on se reçoit une bordée de messages furieux, frisant parfois l’injure », tweetait le 30 juillet le professeur Antoine Flahault, professeur de santé publique à l’université de Genève.

      et en même temps, twitter sous X, qui sans soucis :-)

      Interrogé sur la reprise du Covid à Bayonne, [Kierzek] bottait en touche sur les rhinovirus : « Covid ou pas Covid, finalement, ça ne change pas grand-chose. » [la grippette is back]

      Alors que les infections répétées de Covid peuvent entraîner jusqu’à 10 % de séquelles invalidantes à type de Covid long, ce genre de cascade, me suis-je dit, est réservé aux professionnels de plateaux télé.

    • « Cette recrudescence n’est pas très inquiétante, abonde Brigitte Autran, présidente du Comité de veille et d’anticipation des risques sanitaires (Covars) citée par nos confrères du Monde. On s’attendait à une reprise, même si sa survenue en plein été peut surprendre. »

      Interrogé ce vendredi, le ministre de la Santé, Aurélien Rousseau, reconnaît une circulation « faible », mais insiste : « Il nous faut rester vigilants, car la situation évolue rapidement. Nous devrons, encore pendant plusieurs saisons, vivre avec les résurgences de ce virus. »

      Côté prévention, pas de changement : les autorités sanitaires s’appuient exclusivement sur la responsabilité individuelle [sans fournir d’information au public, bien entendu]. A savoir les gestes barrières, notamment le port du masque pour les personnes testées positives ou symptomatiques, en particulier pour protéger les personnes fragiles, âgées, immunodéprimées, ou atteintes de certaines maladies chroniques. En revanche l’isolement n’est plus obligatoire pour les personnes positives depuis le 1er février dernier. A moins d’une reprise épidémique plus soutenue, la campagne vaccinale pour les personnes fragiles débutera mi-octobre, combinée à celle de la grippe.

      https://seenthis.net/messages/1013236

    • les infections répétées de Covid peuvent entraîner jusqu’à 10 % de séquelles invalidantes à type de Covid long, ce genre de cascade, me suis-je dit, est réservé aux professionnels de plateaux télé.

      et en même temps, y’a pas moyen pour Lehmann de faire une sorte de « droit de réponse » #covid_long sur le même plateau télé et d’expliquer à nouveau à l’audience que le covid long c’est 10% des cas de contamination, une chance sur 10 à la roulette française, avec conséquences invalidantes variables, donc ce virus n’est pas du tout comparable à un rhino[virus] « grippette » estivale ?

  • COVID-19 : il n’y a plus de virus. oupa. | fRanceTV | 09.08.23

    https://france3-regions.francetvinfo.fr/occitanie/haute-garonne/toulouse/covid-19-tout-savoir-sur-la-montee-en-puissance-du-nouv

    Cette dominance d’"Eris" pourrait être à l’origine de l’augmentation des cas de Covid-19 ces derniers jours et notamment après les fêtes de Bayonne qui ont rassemblé 1,3 million de visiteurs entre le 26 et le 31 juillet.

    Dans son dernier bulletin, daté du 1er août, Santé Publique France confirme cette tendance. Pour la semaine du 24 au 30 juillet, les passages aux urgences pour suspicion d’infection au Covid-19 ont augmenté de 26%. C’est 149 passages de plus que la semaine précédente.
    [...]
    Selon l’institut supérieur de la santé italienne : « Eris » appartient au groupe Omicron et il se transmet très rapidement. Il serait aussi favorisé par le phénomène « d’échappement immunitaire », lié aux multiples mutations d’Omicron. Ce nouveau variant résisterait donc mieux aux anticorps et le vaccin serait dans sa forme actuelle moins efficace.

    Si la transmissibilité d’"Eris" a été étudiée, il n’y a, à ce jour, aucune donnée concernant sa virulence. « Il n’y a pas de signal sur ce sujet-là, ni sur la gravité », expliquent les scientifiques. Les symptômes des personnes infectées par le sous-variant sont similaires à ceux d’Omicron : mal de gorge, toux, douleurs musculaires, mais l’essoufflement et la fièvre ne semblent pas en faire partie.

  • #COVID will eventually evade Paxlovid, Deborah Birx says | Fortune Well
    https://fortune.com/well/2023/04/29/covid-antiviral-paxlovid-evade-deborah-birx-double-deaths

    #Omicron is mutating to bypass the initial arsenal of weapons developed for use against it. Already, its changes have rendered every universal monoclonal antibody treatment—administered to people at high risk of hospitalization and death—useless. Eventually it will take down #Paxlovid too, Birx says.

    She added: “If we lose Paxlovid, we could easily double the number of deaths,” which currently sit at just over 1,000 per week, according to data from the U.S. Centers for Disease Control and Prevention.

    #échappement_immunitaire

  • Covid : une dixième vague se profile, mais avec peu d’incidence sur les hôpitaux | Les Echos
    https://www.lesechos.fr/politique-societe/societe/covid-une-dixieme-vague-se-confirme-en-france-1920560

    Cette nouvelle vague coïncide avec la progression d’un nouveau sous-variant d’#Omicron, #XBB.1.5, qui remplace progressivement BQ.1.1, responsable de la précédente vague. Le XBB.1.5 est désormais majoritaire, avec 59 % des séquences génétiques réalisées en France, contre 55 % début mars.

    Santé publique France, dans un point sur les #variants émergents publié le 22 mars, souligne que le XBB.1.5 « semble bénéficier d’un avantage de croissance, qui pourrait être lié à un échappement immunitaire important (commun à tous les XBB) et à une augmentation de transmissibilité conférée par une mutation de sa protéine Spike ». « Il a cependant une sévérité similaire aux autres variants circulant », souligne l’agence publique.

    Cette nouvelle vague n’a pour l’heure pas de conséquences sur l’hôpital. Au contraire, la semaine dernière alors que les passages aux urgences pour suspicions de Covid étaient en hausse de 14 %, les nouvelles hospitalisations étaient en baisse de 11 %, et les nouvelles admissions en service de soins critiques en recul de 30 %.

  • Real-world use of nirmatrelvir–ritonavir in outpatients with #COVID-19 during the era of omicron variants including BA.4 and BA.5 in Colorado, USA: a retrospective cohort study - The Lancet Infectious Diseases
    https://www.thelancet.com/journals/laninf/article/PIIS1473-3099(23)00011-7/abstract

    Le #paxlovid est efficace sur les sous variants d’#omicron

  • Alarming antibody evasion properties of rising SARS-CoV-2 BQ and XBB subvariants: Cell
    https://www.cell.com/cell/abstract/S0092-8674(22)01531-8

    Together, our findings indicate that BQ and XBB subvariants present serious threats to current #COVID-19 vaccines, render inactive all authorized antibodies, and may have gained dominance in the population because of their advantage in evading antibodies.

    #omicron #échappement_immunitaire

  • Nicolas Berrod : « Le variant #Omicron BQ.1.1 est… » - Framapiaf
    https://framapiaf.org/@NicolasBerrod@piaille.fr/109546986519626850

    Le variant #Omicron BQ.1.1 est désormais majoritaire en France. Quant à XBB, qui fait partie des recombinants, il « est détecté à bas bruit ». Il s’agit surtout de XBB.1, qui représente 2% des cas séquencés.

    BQ.1.1 et XBB ont en commun de fortement échapper aux anticorps neutralisants post infection ou post vaccination, mais aussi aux anticorps monoclonaux administrés notamment aux immunodéprimés. Ce qui ne veut PAS dire que les vaccins perdent toute efficacité. #Covid19

    • Ici à l’ouest de Lyon, j’ai toujours l’impression que c’est BA.5 qui continue à circuler, et pas encore BQ.1.1. D’où la relative tranquillité pour le moment dans le voisinage où ça tousse, où ça ressemble à une grippe, mais où ça ne semble pas vouloir se propager comme une trainée de poudre, parce qu’en définitive, BA.5, depuis juillet, on y est tous passés.
      Vrai regret que ces données sur les variants ne semblent pas exister par département.

  • Covid en Chine : vers une flambée épidémique

    Certains experts internationaux brossent le tableau d’un chaos imminent en #Chine, avec un absentéisme paralysant les usines, des #hôpitaux croulant sous le nombre de malades et une #épidémie telle qu’elle obligerait les habitants à se replier chez eux. Entre 1,3 million et 2,1 millions de personnes pourraient mourir, estime la société de recherche londonienne Airfinity, sur la base de ce qui s’est passé à Hong Kong débordé par la vague #Omicron l’hiver précédent.

    (Les Échos)

  • Des appareils de #surveillance de #Frontex sont utilisés par les #gardes-côtes_libyens pour intercepter illégalement des migrants

    « Le Monde » a identifié l’origine de sept images aériennes publiées par les gardes-côtes libyens sur leurs pages Facebook. Elles ont été réalisées par des appareils de surveillance de Frontex, et démontrent comment les activités de l’agence européenne facilitent des #interceptions illicites par les Libyens en Méditerranée. Frontex a toujours soutenu ne pas collaborer avec les garde-côtes libyens.

    « Le patrouilleur #Fezzan a porté secours à un chalutier en feu et a sauvé son équipage de huit personnes. » Le 24 août 2021, la page Facebook « Gardes-côtes et sécurité portuaire » publie le bilan d’une opération de sauvetage menée au cours de la journée par les gardes-côtes libyens. Pour l’illustrer, la page publie une photo du chalutier en feu.


    La présence d’informations temporelles et de localisations sur l’image indique qu’il s’agit d’une prise de vue réalisée par un appareil de #surveillance_aérienne, et non par un simple appareil photo. Ce genre d’images, entre 2018 et 2022, les gardes-côtes libyens en ont publié une douzaine, sur différents comptes et réseaux. Sauf que la #Libye n’est pas dotée d’appareils capables de réaliser ces images. Qui en est à l’origine ?

    Pour identifier leur source, Le Monde a recoupé les informations qu’elles contiennent avec des données #ADS-B, un signal émis par les #avions en vol, ainsi qu’avec les journaux de bord de plusieurs ONG actives en Méditerranée, dans les airs ou en mer. Dans le cas du 24 août 2021, par exemple, les informations présentes sur l’image indiquent les coordonnées, l’altitude et l’heure précise à laquelle l’appareil se trouvait lorsqu’il a réalisé cette image. Elles donnent aussi la position approximative du chalutier observé par l’appareil.

    Nous avons reconstitué le trafic aérien au-dessus de la Méditerranée dans la matinée du 24 août 2021. En comparant les parcours des différents appareils avec les données disponibles sur l’image, nous avons ainsi pu identifier un appareil qui se trouvait précisément aux coordonnées et à l’altitude à laquelle la photo a été prise, lorsqu’elle a été réalisée : le #drone AS2132, opéré par Frontex.

    Pour d’autres images, nous avons eu accès aux observations d’ONG, comme SeaWatch ou SOS Méditerranée, consignées dans des journaux de bord. Ceux-ci sont librement accessibles ici. Au total, ce travail nous permet d’affirmer que sur cinq dates différentes les images publiées par les gardes-côtes libyens ont été réalisées par des appareils de Frontex. Au moins une autre l’a été par un appareil de l’#EunavforMed, la force navale européenne en Méditerranée, qui collabore avec Frontex.

    Des interceptions impossibles sans renseignements extérieurs

    Sollicitée, l’agence de garde-frontière l’assure : « il n’y a pas de collaboration entre Frontex et les gardes-côtes libyens », ce qu’affirmait déjà en mars 2021 son ex-directeur Fabrice Leggeri. L’agence précise, en revanche : « Chaque fois qu’un avion de Frontex découvre une embarcation en détresse, une alerte – et une image, le cas échéant – est immédiatement envoyée au centre de coordination des sauvetages régional. L’information envoyée inclut notamment la position, la navigabilité du navire et la probabilité qu’il n’atteigne pas sa destination finale. »

    De fait, dans les cinq cas identifiés par Le Monde, les images de Frontex ont pourtant bien fini entre les mains des gardes-côtes libyens. Et certaines ont vraisemblablement rendu possible l’interception d’embarcations, autrement impossibles à localiser pour les Libyens. Dans le cas du 8 mai 2019, par exemple, l’avion de Frontex découvre une embarcation en route pour l’Europe en Méditerranée centrale. Un contact est établi entre les autorités libyennes et l’agence, mais il n’émet pas de Mayday. Ce message d’urgence aurait pu être capté par tous les avions et navires à proximité à ce moment-là, dont le Mare Jonio, de l’ONG Mediterranea Saving Humans, spécialisé dans le sauvetage. Frontex dit n’envoyer des Maydays que « lorsqu’il existe un danger imminent pour la vie des occupants ».

    Les gardes-côtes libyens retrouvent finalement sans difficulté l’embarcation, pourtant située à plus d’une centaine de kilomètres de leurs côtes. A 17 heures, ils font monter les migrants à bord de leur patrouilleur avant de les rapatrier en Libye. Une interception que les informations de Frontex ont vraisemblablement facilitée, voire rendue possible. Pendant toute la durée de l’opération, l’avion de Frontex continue de survoler la zone, et de filmer la scène. Des images auxquelles les gardes-côtes ont aussi eu accès.

    Frontex souligne que, conformément au règlement européen relatif à la surveillance des #frontières_maritimes_extérieures, ses alertes ne sont pas adressées aux gardes-côtes libyens, mais au « #centre_régional_de_coordination_des_sauvetages (#RCC) [libyen] (…) internationalement reconnu ». Une fois l’alerte envoyée, « Frontex ne coordonne pas les opérations de recherche et de sauvetage (...), c’est la responsabilité des centres de secours régionaux« . Reste à savoir si ce RCC existe réellement. Frontex s’en tient à la position de l’#Organisation_maritime_internationale (#OMI), qui a reconnu officiellement l’existence d’un RCC en 2018.

    Plusieurs enquêtes ont pourtant mis en doute l’existence d’un tel RCC libyen. Derrière les adresses e-mail et les numéros de téléphone du RCC se trouvent en réalité les gardes-côtes, selon les différentes ONG impliquées dans des opérations de sauvetage en mer Méditerranée. Et le 8 novembre 2022, le vice-président de la commission européenne, Josep Borrell, lui-même affirmait : « Le centre de coordination des secours maritime n’est pas encore opérationnel. »

    Parmi les règles européennes, que Frontex dit respecter, figure le principe du non-refoulement : « Nul ne peut être (…) débarqué, forcé à entrer, conduit dans un pays ou autrement remis aux autorités d’un pays où il existe (…) un risque sérieux qu’il soit soumis à la peine de mort, à la torture, à la persécution ou à d’autres peines ou traitements inhumains ou dégradants. » Des situations courantes en Libye, de sorte qu’en 2020 la Commission européenne affirmait que le pays n’était pas un « lieu sûr » vers lequel il serait possible de renvoyer des migrants. Dans un rapport de 2018, l’ONU constatait que « les migrants subissent des horreurs inimaginables en Libye (…). Ils s’exposent à des meurtres extrajudiciaires, à la torture et à des mauvais traitements, à la détention arbitraire (…), au viol (…), à l’esclavage et au travail forcé, à l’extorsion et à l’exploitation ».

    https://www.lemonde.fr/international/article/2022/11/23/enquete-comment-des-appareils-de-surveillance-de-frontex-sont-utilises-par-l

    #garde-côtes_libyens #frontières #asile #migrations #Méditerranée #mer_Méditerranée

  • A Pékin, plus de 1 400 cas de Covid-19 enregistrés, trois personnes âgées mortes pendant le week-end
    https://www.lemonde.fr/planete/article/2022/11/22/pekin-plus-de-1-400-cas-de-covid-19-enregistres-trois-personnes-agees-mortes

    A Pékin, plus de 1 400 cas de Covid-19 enregistrés, trois personnes âgées mortes pendant le week-end
    La hausse des cas a poussé les autorités à ordonner la fermeture d’écoles et de restaurants, tandis que nombre d’employés sont appelés à travailler de chez eux. Après une réduction significative des restrictions dues à la crise sanitaire en Chine, le 11 novembre, des écoles sont, de nouveau, revenues aux cours en ligne dans la capitale chinoise. Pékin, qui compte 22 millions d’habitants, avait enregistré 621 nouveaux cas de Covid-19 dimanche. Elle en a comptabilisé 1 438 mardi 22 novembre, un nombre jamais enregistré depuis le début de la pandémie. Trois Pékinois âgés et atteints de pathologies sont morts après une contamination au cours du week-end. Ce sont les premiers décès enregistrés liés au virus depuis le mois de mai.
    Si les autorités de la capitale semblent vouloir éviter pour l’instant un confinement strict, comme celui qui avait été appliqué à Shanghai au printemps, elles ont toutefois renforcé les mesures sanitaires lors des derniers jours. Des restaurants, salles de sport, parcs et sites touristiques ont été fermés, et des employés sont invités à travailler de chez eux.
    Près de 600 zones de la capitale, notamment des immeubles résidentiels, sont considérées à « haut risque », ce qui oblige leurs habitants à rester confinés chez eux ou à être acheminés dans des centres de quarantaine. Dans les rues, les files d’attente s’allongent devant les cabines de tests Covid-19, la plupart des lieux publics exigeant désormais un résultat négatif de moins de vingt-quatre heures pour y avoir accès.
    Des résidents font la queue pour effectuer des tests de Covid-19 dans une rue de Pékin, dimanche 20 novembre 2022, alors que de nouvelles mesures strictes sont imposées à Pékin. A l’échelle du pays, le nombre total de cas quotidiens, cas importés inclus, dépasse désormais les 28 000, la province du Guangdong (sud) et la ville de Chongqing (sud-ouest) étant les plus touchées, selon les autorités sanitaires. La Chine est la dernière grande économie mondiale à appliquer une stricte politique sanitaire, qui vise à tout faire pour empêcher contaminations et décès. Sa politique zéro Covid consiste à imposer des confinements dès l’apparition de cas, des quarantaines aux personnes testées positives, et des tests PCR quasi quotidiens à la population.Mais cette stratégie, efficace dans un premier temps pour enrayer la propagation du virus, semble s’essouffler face aux nouveaux variants et porte un rude coup à l’économie, isolant la Chine du reste du monde et provoquant une forte lassitude des Chinois. Plusieurs villes chinoises avaient, par ailleurs, arrêté les tests à grande échelle la semaine dernière, mais certaines d’entre elles les ont depuis remis en place, ce qui reflète la difficulté de contrôler le variant Omicron, plus contagieux.

    #Covid-19#migrant#migration#sante#chine#pandemie#zerocovid#confinement#politiquesanitaire#quarantaine#casimporte#omicron#mobilite#tourisme

  • Santé Pudique France - 18.11.22

    sur dc, la moyenne hebdo estimée est à 60 morts/j ; la moyenne mobile de mardi remonte brutalement à 60, probablement l’effet « sortie de fenêtre » des chiffres faibles du pont du 11 novembre ; sur réa, idem, même si la peut-être hausse est un peu plus ancienne.

  • Briser le silence des amphis

    Briser le silence des amphis est un #documentaire centré sur les témoignages de victimes de #harcèlement ou de #violences_sexistes et sexuelles au sein de l’#enseignement_supérieur. L’objectif est de faire prendre conscience au plus grand nombre de la réalité et des mécanismes de ces #violences, ainsi que de leur gravité, pour que la communauté universitaire dans son ensemble se mobilise contre le harcèlement et les violences sexistes et sexuelles.
    Dans le documentaire Briser le silence des amphis, des étudiantes, des doctorantes ou encore des membres du personnel témoignent des violences sexistes et sexuelles qu’elles ont subies au sein de l’#université devant la caméra de la réalisatrice #Lysa_Heurtier-Manzanares. Une des conséquences presque systématique de ces violences est la réduction au #silence, et par ce fait leur #omission. Faire entendre ces récits c’est, au-delà de leur portée libératrice individuelle, œuvrer à compléter la part manquante de notre histoire collective. Ce documentaire apporte sa contribution à la lutte contre les violences sexistes et sexuelles dans l’enseignement supérieur et la recherche : écoutons celles qui prennent la #parole et ne laissons pas le #silence s’installer dans nos amphis !


    http://artpiecultrices.fr/briser-le-silence-des-amphis

    https://vimeo.com/668940306


    #film #film_documentaire #violences_sexuelles #femmes #genre #ESR #facs #impunité

    –—

    ajouté à cette métaliste :
    https://seenthis.net/messages/863594

    ping @_kg_

  • Study finds #Omicron hospital risk 10 times higher in unvaccinated | CIDRAP
    https://www.cidrap.umn.edu/news-perspective/2022/09/study-finds-omicron-hospital-risk-10-times-higher-unvaccinated

    […] and 2.5 times higher in those who were vaccinated but received no booster than in booster recipients, according to a new study.

    And in a second large study during the Omicron period, older people, men, and residents of nursing homes or in low-income areas were most at risk for post-booster COVID-19 death in England, but the risk was very low.

    #vaccination #vaccins

  • Three myths about #COVID-19 — and the biggest challenge that lies ahead - ABC News
    https://www.abc.net.au/news/health/2022-07-29/covid-19-three-myths-challenge-lies-ahead/101274980

    L’auteur est un immunologiste expérimenté.

    As an immunologist with four decades of research on antibodies under my belt, I always felt like I had a pretty good handle on COVID-19.

    But when I caught the virus in May, my hubris quickly turned into humility.

    […]

    In May, I’d had four shots, including one just the month prior, so the emotional side of my brain wanted to believe I could finally ditch masks and get on with life like it used to be.

    I did, and was promptly infected.

    Sadly, what was almost a reality during the Delta wave became a thing of the past with the arrival of #Omicron

    #échappement_immunitaire #masques

  • Nicolas Berrod sur Twitter
    https://twitter.com/nicolasberrod/status/1550157649601351693

    Le #PJLSanitaire adopté en commission mixte paritaire prévoit donc la réintégration des soignants non vaccinés « dès que les conditions médicales seront réunies » (dixit @BasPhilippe
    ).

    Voilà plusieurs semaines que cette marotte de faire revenir les soignants non-vaccinés tourne, et que des gens que je croyais rationnels se mettent à argumenter qu’il n’y a aucun argument scientifique pour les empêcher de revenir.

    Ils t’expliquent, en 180 caractères, que
    1) le vaccin ne protège pas contre les contaminations ni contre la contagion, surtout depuis Omikron
    2) les vaccinés viennent travailler, même positifs

    Donc, aucune raison de ne pas faire revenir des gens non-vaccinés qui s’ils portent leur masque seront aussi contaminés et aussi contagieux que des vaccinés, et que donc pas de raison de faire de discriminations.

    Ces raisonnements sont complètement tordus.

    – Pourquoi autorise-t-on les vaccinés à venir travailler alors qu’ils sont positifs ? Mais quelle idée saugrenue ?! Quand on est vacciné contre la grippe, on la chope quand même, et on peut avoir son arrêt de travail pour se reposer. Pourquoi est-ce que ça serait différent, alors même que les séquelles du Covid peuvent être autrement plus invalidantes que la Grippe ? Parce que c’est la guerre peut-être ? Et que tant pis, on va se comporter d’une manière irrationnelle, y-a pas le choix ?

    – Pourquoi en arrive-t-on à dire que depuis BA1, pour ainsi dire, que le vaccin ne sert plus à rien ? Comment peut-on tenir de tels propos et de tels raisonnements, alors même que la situation est presque soutenable malgré une 7ème vague ? D’un côté on se félicite que finalement, le pire est presque évité avec la 7ème vague, et de l’autre, on te soutient que la vaccination ne sert à rien. Et à aucun moment on ne fait le lien entre l’un et l’autre, entre le fait qu’on est massivement vaccinés, et que ça baisse les effets négatifs, malgré les nouveaux variants.

    Bref, ce débat sur la réintégration des soignants antivaxxx ouvre une nouvelle fenêtre d’Overton bien crade.

    • Je vois beaucoup de médecins sur les réseaux qui sont totalement opposés au retour des antivax. Et l’Académie de médecine a communiqué là-dessus de manière très claire : « Réintégrer les soignants non vaccinés contre la Covid-19 serait une faute »
      https://www.academie-medecine.fr/reintegrer-les-soignants-non-vaccines-contre-la-covid-19-serait-un

      Un argument qui revient souvent, c’est l’impossibilité de travailler avec des gens en qui les équipes n’ont plus aucune confiance, parce que leur comportement n’a laissé aucun doute sur le fait que ce sont de gros tarés. Dans le communique de l’Académie de médecine, c’est cette phrase :

      La réintégration de professionnels de la santé non vaccinés au sein de l’équipe soignante compromettrait le climat de confiance et la cohésion qui doivent exister entre ses membres et avec les malades.

      Je me souviens qu’au moment des suspensions, nos amis soignants (en milieu hospitalier) avaient juste dit : « bon débarras, ceux-là on ne veut plus les voir ».

    • L’autre jour, c’est Flahaut que j’ai vu se faire l’avocat de ces gens.

      Ca a commencé comme ça...

      Antoine FLAHAULT sur Twitter
      https://twitter.com/FLAHAULT/status/1549756425928327168

      1/3 - Le maintien de la suspension des soignants non vaccinés n’est plus fondé sur le plan scientifique. Il n’y a en effet pas de raison d’exiger le vaccin chez les soignants car il n’évite pas ni ne réduit suffisamment les contaminations avec les nouveaux variants du #SARSCoV2

      2/3 - Sur le plan éthique, il n’y a pas davantage de raisons de ne pas réintégrer les personnels non vaccinés. Parce qu’ils penseraient différemment des vaccinés ? Mais était-ce une condition de leur embauche que d’avoir des raisonnements scientifiques validés par le gouvernement ?

      3/3 - Ne pas réintégrer des non vaccinés sans un minimum de fondement scientifique créerait un précédent questionnable en termes de gestion des fonctionnaires.
      Blâmer ces personnels de santé pour leur comportement passé irresponsable et illégal, oui.
      Ne pas les réintégrer, non !

      Puis il a enfoncé le clou comme ça :

      Antoine FLAHAULT sur Twitter
      https://twitter.com/FLAHAULT/status/1549854541474062337

      1/5 - Ce débat suscité par ma position“réintégratrice” est beaucoup plus riche et apaisé que ceux qui se sont opposés récemment à mes tweets prônant la vaccination des enfants. Mes opposants sont de culture fort différente. Je voudrais commencer à répondre à ceux d’aujourd’hui.

      2/5 - Les motifs des “suspenseurs” sont de plusieurs ordres, en vrac :
      – “Les soignants antivax sont anti science et vont ruiner l’ambiance dans les services” : mais depuis quand révoque-t-on des fonctionnaires juste parce qu’ils n’agissent pas comme la majorité bien pensante ?

      3/5 - “On est en guerre et les soignants non vaccinés sont des traîtres à la patrie qui doivent assumer” : ces propos sont-ils proportionnés ? Qu’ils aient été dans l’illégalité et donc suspendus tant qu’ils représentaient un risque pour leurs patients ok, mais aujourd’hui ?

      4/5 - “Le vaccin protège les soignants des formes graves et des Covid longs, les réintégrer aujourd’hui c’est s’en cogner” : mais n’y a-t-il pas d’autres risques que prennent les soignants vis-à-vis de leur santé (moto, plongée, tabac, alcool,…) dont tt le monde se cogne, non ?

      5/5 - “Ce serait la victoire de l’obscurantisme sur la science”, Soit on établit des critères à l’embauche de “bon raisonnement scientifique” en espérant écarter tous les homéopathes et autres médecines parallèles.
      Soit on s’y refuse et on assume une diversité inclusive.

      Et aussi :

      Antoine FLAHAULT sur Twitter
      https://twitter.com/FLAHAULT/status/1550225191594299393

      1/5 - “Par rapport au vaccin, le port du masque FFP2 par les soignants a beaucoup plus d’effet contre la propagation hospitalière du #COVID19, ainsi que la ventilation adéquate des espaces clos.”

      2/5 - “Réintégrer des soignants non vaccinés n’aurait donc qu’un très faible impact sur la circulation du #SARSCoV2 à l’intérieur des services de soins.”

      3/5 - “Désormais, #Omicron a changé la donne et les pouvoirs publics, tout comme les experts, y compris ceux de l’Académie de médecine (dont je suis membre correspondant), se devraient de reconsidérer leur position.”

      Etc...

    • Oui, j’avais vu. Il a tendance à choisir les arguments qui l’arragent (technique de l’homme de paille). Et dans la dernière série que tu cites, il termine par :

      5/5 - “Il faut restaurer un climat plus apaisé entre les soignants, mais aussi entre soignants et patients, et je pense que cela passera par la réintégration de ces personnels qui, à un certain moment de la pandémie, se sont égarés par leurs positions blâmables.”

      Qui est très exactement l’inverse de ce que dit l’Académie de médecine et bon nombre de médecins : au contraire ils affirment tous qu’être obligé de retravailler avec des gens en qui ils n’ont plus aucune confiance, ça ne va pas du tout « apaiser » les relations à l’hôpital.

      Sinon, ce point :

      4/5 - “Le vaccin protège les soignants des formes graves et des Covid longs, les réintégrer aujourd’hui c’est s’en cogner” : mais n’y a-t-il pas d’autres risques que prennent les soignants vis-à-vis de leur santé (moto, plongée, tabac, alcool,…) dont tt le monde se cogne, non ?

      Alors l’Académie de médecine, sur ce point, ne dit pas cela. L’Académie rappelle qu’elle a demandé et obtenu que le Covid soit reconnu comme une maladie professionnelle pour les soignants. C’est d’ailleurs là sur le site d’Ameli :
      https://www.ameli.fr/professionnel-de-la-lpp/actualites/reconnaissance-du-covid-19-en-maladie-professionnelle-ce-quil-faut-savoir
      Et dans cette logique, l’Académie rapelle qu’être vacciné réduit massivement les risques de faire une forme grave. C’est ce point de son communiqué :

      – que la vaccination restant très efficace vis-à-vis des différents variants et sous-variants pour protéger contre les formes sévères de Covid-19, elle permet de rendre exceptionnelle la reconnaissance de Covid-19 grave en maladie professionnelle chez les soignants vaccinés.

      À ma connaissance, faire de la moto, fumer ou boire ne sont pas reconnus comme des maladies professionnelles.

    • La Haute autorité de santé vient de rendre son avis : « Covid-19 : la HAS préconise le maintien de l’obligation vaccinale des personnels exerçant dans les établissements de santé et médico-sociaux »
      https://www.has-sante.fr/jcms/p_3356231/fr/covid-19-la-has-preconise-le-maintien-de-l-obligation-vaccinale-des-person

      Au vu du contexte épidémique dynamique, des incertitudes sur l’évolution de l’épidémie dans les prochains mois, et de l’efficacité d’un schéma vaccinal complet à réduire le risque d’être infecté et de transmettre la maladie, la HAS considère que les données ne sont pas de nature à remettre en cause l’obligation vaccinale des personnels des secteurs sanitaire et médico-social qui concourt à une meilleure protection des personnes soignées ou accompagnées, au premier rang desquelles les plus vulnérables.

    • "Sinon pour info :
      Qffwffq
      @qffwffq
      1/ scientifiquement c’est débile car c’est placer des personnes en refus des règles d’hygiène face à des patients fragiles

      2/ éthiquement c’est débile car la premier droit des patients est d’avoir la certitude que ceux qui les soignent s’en donnent les moyens

      3/... Et trois c’est mon préféré par rapport à la grande Imposture de Flahaut : LES SOIGNANTS ONT DES ORDRES PROFESSIONNELS ET UN CODE DE LA SANTÉ PUBLIQUE QUI EXIGENT QUE LEUR EXERCICE SOIT FONDÉ SUR LES DONNÉES ACQUISES DE LA SCIENCE. C’EST LA LOI.

  • As #Omicron rages on, scientists have no idea what comes next | Science | AAAS
    https://www.science.org/content/article/omicron-rages-scientists-have-no-idea-what-comes-next

    Many virologists acknowledge that SARS-CoV-2’s evolution has caught them by surprise again and again. “It was really in part a failure of imagination,” Grubaugh says. But whatever scenario researchers can imagine, Bloom acknowledges the virus will chart its own course: “I think in the end, we just kind of have to wait and see what happens.”

    • [Van Kerkhove] : the surveillance efforts that allowed researchers to spot Omicron and other new variants early on are scaling back or winding down. “Those systems are being dismantled, they are being defunded, people are being fired,” she says.

  • Macau shuts all casinos in bid to contain worsening Covid outbreak | Macau | The Guardian
    https://www.theguardian.com/world/2022/jul/11/macau-shuts-all-casinos-in-bid-to-contain-worsening-covid-outbreak
    https://i.guim.co.uk/img/media/c9369f062f6b3f90b473e461e89b92180605d409/0_70_3500_2101/master/3500.jpg?width=1200&height=630&quality=85&auto=format&fit=crop&overlay-ali

    Macau shuts all casinos in bid to contain worsening Covid outbreak
    More than 30 closed for a week – with extension thought likely – and dozens of city zones locked down in gambling hub. Macau has shut all its casinos for the first time in more than two years as authorities struggle to contain the worst coronavirus outbreak yet in the world’s biggest gambling hub.The city’s 30-plus casinos, along with other non-essential businesses, will shut for one week from Monday and people have been ordered to stay at home. Police would monitor flows of people outside, the government said, and stringent punishments would be imposed for those who disobeyed.Hospitals, pharmacies, supermarkets and fresh food markets are some of the essential services that can remain open.More than 30 zones in the city that have been deemed high risk are now under lockdown, meaning no one is allowed to enter or exit for at least five days. While the government said it was not imposing a citywide lockdown, the stringent measures mean Macau is effectively closed.Macau adheres to China’s “zero-Covid” policy that aims to stamp out all outbreaks, running counter to a global trend of trying to coexist with the virus.Casinos were last shut in Macau in February 2020 for 15 days.The government had previously been hesitant to close casinos due to its mandate to protect jobs. The industry employs most of the population directly or indirectly and accounts for more than 80% of government revenues.Casinos owned by Sands China, Wynn Macau, SJM Holdings, Galaxy Entertainment, Melco Resorts and MGM Resorts have been effectively shut for the past few weeks, with no gamblers and minimal staffing as per government requirements for people to work from home.Analysts said it was likely that the suspension could be extended by another few weeks, with a recovery in gaming revenue unlikely until the end of the third or fourth quarter.“Even if the outbreak in Macau gets under control, it will likely be another few weeks before Macau-Zhuhai can remove quarantine requirements,” said Terry Ng, an analyst at Daiwa Capital Markets in Hong Kong.Frustration is mounting at the government’s handling of the outbreak. Some residents have got into fights at testing centres while others have had to queue for more than 20 hours to access healthcare facilities.Residents will be required to take part in mass Covid tests four times this week as the government attempts to cut transmission chains.Residents have already been tested six times since mid June and are expected to do rapid antigen tests daily.More than 90% of Macau’s 600,000 residents are fully vaccinated against Covid but this is the first time the city has had to grapple with the fast-spreading Omicron variant.Authorities have added two hotels in popular casino resorts to be used as Covid medical facilities as they try to increase capacity to handle the surge of infections.

    #Covid-19#migrant#migration#chine#sante#macau#confinement#zerocovid#omicron#depistage#vaccination#quarantaine#hongkong#mobilite#frontiere#casino#economie

  • AHPPC statement on #COVID-19 winter update and ongoing health protection measures to support our community | Australian Government Department of Health and Aged Care
    https://www.health.gov.au/news/ahppc-statement-on-covid-19-winter-update-and-ongoing-health-protection-m

    We are now beginning to see a new wave of COVID-19 infections, driven by the BA.4 and BA.5 #Omicron subvariants. We expect that this wave will lead to a substantial increase in infections, hospitalisations and sadly, deaths, at a time when our communities and health systems are already under strain. Without increased community and public health actions, this impact may be similar to that experienced during the BA.1 wave in January this year.

    BA.4 and BA.5 are associated with increased immune escape and we are likely to see rates of reinfection rise among those who have previously been infected with an earlier COVID-19 variant and those who are up to date with their vaccinations. Vaccination continues to be the most important protection against severe illness.

    Given reinfections may occur as early as 28 days after recovery from a previous COVID-19 infection, the AHPPC advises that the reinfection period be reduced from 12 weeks to 28 days. People who test positive to COVID-19 more than 28 days after ending isolation due to previous infection should be reported and managed as new cases.