• „Modekönigin von Berlin“: Wie Regina Friedländer die Modeindustrie aufwühlte
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    Zwei Hutmodelle von Regina Friedländer in der Berliner Modezeitschrift Styl, 1922

    A propos de la plus célèbre créatrice de mode féminine dans le Berlin de l’empire allemand et la république de Weimar

    13.03.2024 von Bettina Müller - Vor 120 Jahren gründete Regina Friedländer ihre Modefirma in Berlin. Damit trotzte sie alten Rollenbildern. Das ist ihre Geschichte.

    Extravagante Entwürfe und zeitlose Eleganz. Die fantastischen Hut-Kreationen der Regina Friedländer, im Berlin der 1920er-Jahre von Becker & Maass fotografiert, kann man heute bequem in einer Online-Ausstellung der Kunstbibliothek der Staatlichen Museen Berlin besichtigen. Es ist eine visuelle Reise in die frühe Weimarer Zeit, als noch Aufbruchstimmung in der Stadt herrschte, sodass auch die Hüte manchmal so aussahen, als hätten sie Flügel, und somit der Trägerin auch eine gewisse Leichtigkeit verliehen.

    Kaum eine Lifestyle-Zeitschrift, in denen die Kopfbedeckungen, aber auch die Pelze und Roben aus dem Hause Regina Friedländer damals nicht zu finden waren. Sie hüllte die legendäre Anita Berber und andere Schauspielerinnen in elegante Gewänder, Aristokratinnen und Ehefrauen von Diplomaten gingen in ihrem Modesalon ein und aus. Jahrelang war ihr Name ein absoluter Garant für höchste Qualität, doch heute kennt so gut wie niemand mehr ihren Namen.

    Wer war Regina Friedländer, die die Berliner Presse damals zur „Modekönigin von Berlin“ krönte? Wer war die Frau, die damals die wohlhabenden Berlinerinnen mit ihren ausgefallenen Kunstwerken des Hutmacher- und Schneiderhandwerks beglückte? Die zudem als berufstätige Frau eine unkonventionelle Ehe mit dem zehn Jahre jüngeren Schriftsteller und Lyriker Leo Heller führte, aber auch – mit zwei Kindern aus erster Ehe – Familie und Beruf vereinbaren konnte?

    Es ist bis heute unklar, wo die 1866 als Tochter des (jüdischen) Kaufmanns David Oppler geborene Regina ihren Beruf erlernt hat. Im Sommer 1894 annonciert sie im Berliner Tageblatt und bietet „jungen Damen“ einen „Lehrkurs für feinen Damenputz“ an. Noch im selben Jahr heiratet sie den Kaufmann Hugo Friedländer. Als Putzmacherin ist sie in einem Teilbereich eines aufstrebenden Wirtschaftszweiges tätig, der sich mit der Herstellung von aller Art von Hüten und Kopfbedeckungen von Frauen und Mädchen befasst.

    Friedländer bleibt berufstätig

    Und so denkt sie nach ihrer Hochzeit, während sie ihr Korsett lockert, gar nicht daran, ihren Beruf aufzugeben und an Heim und Herd verbannt zu werden, im Gegenteil. Die Geburt ihrer Kinder Rosalie (1896) und Emanuel Werner (1900) können ihre Kreativität nicht im Keim ersticken. Wie sie die darauf folgenden Jahre die Vereinbarkeit von Familie und Beruf gemeistert hat, bleibt ihr Geheimnis, die Quellen sind rar, Eigen-Aussagen fehlen.

    Am 15. April 1904 wird sie Unternehmerin und lässt ihre Firma „Regina Friedländer“ in das Firmenregister eintragen. Das ist kurios, sie darf eine Firma gründen, aber an die Wahlurne lässt man sie noch nicht.


    Frau mit Hut von Regina Friedländer; Kunstbibliothek/Staatliche Museen zu Berlin

    In diesem Jahr ist Berlin längst das Epizentrum der deutschen Modeindustrie und der Konfektion, und beherrscht teilweise sogar den Weltmarkt. Vor allem rund um den Hausvogteiplatz haben sich große Häuser angesiedelt, die für allerhöchste Qualität bürgen, zumeist haben sie jüdische Namen wie Israel, Gerson oder Manheimer. Sie versprechen ein „Paradies der Frauen“, so der Werbeslogan von Nathan Israel.

    Zwei Jahre nach der Firmengründung wird die Ehe zwischen Regina und Hugo Friedländer durch das Königliche Landgericht aufgelöst. Der Hauptgrund für die Trennung ist ein österreichischer Poet und Schriftsteller namens Leo Heller, der seit 1901 in der Stadt ist. Er war dem Ruf Ernst von Wolzogens gefolgt, der ihn als Textdichter für sein literarisches Kabarett „Überbrettl“ nach Berlin verpflichtet hatte.

    Mode und Poesie

    Es ist ein ungleiches Paar, das in der Berliner Gesellschaft auffällt, die große und stattliche Regina und der zarte Poet Leo, der seiner Regina überaus schwärmerische Gedichte schreibt, so auch 1907 in seinem Gedichtband „Präludien der Liebe“: „Ich weiß nur eines: daß mein Sein/So nah verbunden mit dem deinen,/Daß meine Seele ewig dein/Und deine Seele in der meinen“.

    In den nächsten Jahren kann sich Regina durch Fleiß und Talent einen Namen in der Berliner Modewelt machen. Bei ihrer Arbeit hat sie einen hohen künstlerischen Anspruch, betrachtet ihre Mode, ihren Beruf, so wie ihr Ehemann, auch als Kunst, und daher ist es auch kein Zufall, dass sie im Frühjahr 1910 mit ihrem Geschäft namens „Modes“ in die Potsdamer Straße umzieht. Eine Straße wie ein Magnet, bereits seit Ende des 19. Jahrhunderts zieht sie verstärkt Künstler und Intellektuelle in ihren Bann.

    Mehrere Adressenwechsel und Einstellungsannoncen in einschlägigen Tageszeitungen, in denen sie immer wieder Laufmädchen, Buchhalterinnen, Zuarbeiterinnen und Verkäuferinnen sucht, zeugen von der stetigen Expansion ihrer Firma. 1918 gilt ihr Haus für eine Moderedakteurin bereits als „eines der führenden Berliner Modellhäuser“.

    Regina Friedländer hat mittlerweile einen Salon in der Königgrätzer Straße (heute Ebertstraße) eröffnet, den der Künstler Ludwig Kainer konzipiert hat. Und der ist für ihre Kundinnen ein Traum, der sogar in einer Kunstzeitung abgebildet wird: Man sieht Licht durchflutete Räumen, Fresko-Malereien an Wänden und Decken, eine geschmackvoll-harmonische Einrichtung. Alles strahlt eine ungeheure Leichtigkeit aus, sorgt für eine ganz besondere Atmosphäre für ihre Kundinnen, die nicht nur einen simplen Hut kaufen wollen, sondern ein Gesamt-Kunstwerk. Das „Paradies der Frauen“ ist dort für sie Wirklichkeit geworden, doch nur, wenn die Damen das nötige Kleingeld dafür haben.

    Während Regina also die Reichen und Schönen der Stadt einkleidet und behütet, treibt sich ihr Ehemann derweil in ganz anderen Kreisen herum. Er hat sich in der Zwischenzeit unter anderem vom Poeten zum Kriminalberichterstatter entwickelt, pflegt beste Beziehungen zum Berliner Polizeipräsidium, ist mit mehreren Kriminalkommissaren befreundet. Mit Kriminalkommissar Ernst Engelbrecht verfasst er mehrere Bücher über die Berliner Unterwelt. Es ist ein Unterschied wie Tag und Nacht, was der Berliner Presse nicht verborgen blieb.

    Da konnte sich ein Verriss der Texte Hellers schon mal auf seine prominente Ehefrau beziehen, ohne dabei ihren Namen zu nennen: „Er kann seine Verwandtschaft zur Konfektion nicht bemänteln“.


    Frau in Kleid mit Hut von Regina FriedländerKunstbibliothek/Staatliche Museen zu Berlin

    Die 1920er-Jahre werden für das Ehepaar Heller die erfolgreichsten ihres Lebens. Leo Heller wird nicht nur zum „Kenner“ der Berliner Unterwelt, sondern auch zum Milieu-Chanson-Texter. Regina verfolgt weiterhin konsequent die Verbindung von Mode und Kunst. Vor allem 1921 wird dieser Anspruch auch durch eine neuartige Modeausstellung im Kunstgewerbemuseum von Berlin manifestiert. Und das ist kein „Mode-Tee“, wie sie zu dieser Zeit modern sind, es laufen auch keine Mannequins über den Laufsteg, sondern es werden komplett ausgestattete Salons von diversen Modefirmen ausgestellt, ebenso die schönsten Modelle der besten Hutateliers.

    Regina Friedländer zeigt einen grauen Krepphut mit Früchten und einen Florentiner Basthut mit Blumengewinde. Die Ausstellung ist ein wahres Feuerwerk an Farben und Formen, kongenial an die Räumlichkeiten angepasst, in denen Mode tatsächlich zur Poesie wird, und umgekehrt.

    Auch bei Modellhut-Ausstellungen in anderen Städten wie zum Beispiel Hamburg werden Reginas originelle Entwürfe gezeigt. Lifestyle-Zeitschriften wie Styl (Blätter für Mode und die angenehmen Dinge des Lebens), die vom Verband der deutschen Modeindustrie herausgegeben wird, zeigen Fotos ihrer Modelle. Arbeitsreiche Jahre in einer turbulenten und flirrenden Zeit, inmitten von Crepe Georgette, Plauener Spitze, Samt, Velours und anderer Geschmeide. Bei Modeschauen, Galas, Modetees und Messen wie die Berliner Durchreise oder die Berliner Woche.

    Abschwung und Krise

    In der Mitte der 1920er-Jahre hat Regina ihren Status als Modekönigin endgültig gefestigt, bietet in ihrem exklusiven Salon in der Budapester Straße Hüte, Kleider und Pelze an. 1928 wird Deutschland von einem wirtschaftlichen Abschwung erfasst, der das darauf folgende Jahr in der Weltwirtschaftskrise und auch im Niedergang der Berliner Modeindustrie enden wird.

    Und so meldet der Deutsche Reichsanzeiger am 7. Juni 1928, dass über das Vermögen der Regina Heller geb. Oppler, Inhaberin der Firma Regina Friedländer, das Konkursverfahren eröffnet worden sei. Doch sie will nicht kampflos aufgeben, und schafft auch das zunächst. Am Ende des Jahres wird die „GmbH für die Herstellung und den Vertrieb von Damenmoden und Damenputz Regina Friedländer“ gegründet, mit Regina und einem Kaufmann namens Fritz Dix, der das Stammkapital von 25.000 Reichsmark mit einbringt, als gemeinsame Geschäftsführer.

    Am 29. November 1928 wird das Konkursverfahren aufgehoben, doch dann tobt zehn Monate später im Land die Weltwirtschaftskrise. Die Zeit für Luxus ist nun endgültig vorbei. Und auch Regina schwächelt, und während das ganze Land schon bald am Boden liegt, reicht auch die Kraft der mittlerweile Anfang 60-Jährigen nicht mehr aus. Die „Modekönigin von Berlin“ erliegt am 7. März 1932 einem unbekannten Leiden. „Des Todes Dunkel Weicht des Lebens Helle. Und auch der größte Schmerz ebbt ab“, dichtet Leo Heller und verlässt Berlin für immer in Richtung Teplitz und anschließend Prag, wo er neun Jahre später verstirbt.

    Rosalie Friedländer verheiratete Voß wird 1943 im Vernichtungslager Sobibor ermordet. Der Facharzt Dr. Emanuel Werner Friedländer, der in erster Ehe mit Lotte Ury, einer Cousine des Malers Lesser Ury verheiratet war, stirbt 1948 in Montevideo/Uruguay. Die Blütezeit der jüdischen Modesalons und Konfektionshäuser von Berlin war da schon lange vorbei, so wie luftig-leichte Verbindung von Mode und Poesie in Berlin.

    Kunstbibliothek am Kulturforum:
    #Matthäikirchplatz 6
    10785 Berlin

    Kunstbibliothek im Archäologischen Zentrum:
    #Geschwister-Scholl-Straße 6
    10117 Berlin

    Kunstbibliothek im Museum für Fotografie:
    #Jebensstraße 2
    10623 Berlin

    #Berlin #Mitte #Tiergarten #Hausvogteiplatz #Potsdamer_Straße #Königgrätzer_Straße #Budapester_Straße

    #Mode #culture #histoire #économie #vie_juive

  • Taxifahrer demonstrieren gegen Berlinale-Sponsor Uber
    https://www.morgenpost.de/berlin/article241696598/Taxifahrer-demonstrieren-gegen-Berlinale-Sponsor-Uber.html
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    17.2.2024 von Andreas Gandzior - Berlin. Uber stellt den Fahrdienst der Berlinale. Berliner Taxifahrer protestieren gegen den US-Fahrdienstleister mit dem „TaxiFilmFest“.

    Es ist eine Mischung aus Kulturerlebnis und Protest: das „TaxiFilmFest“, das zeitgleich zur Berlinale an der Potsdamer Straße in Mitte stattfindet. In einem Großraumtaxi zeigt Filmliebhaber und Taxifahrer Klaus Meier täglich Taxifilme. Fest steht der Termin für den Kultfilm „Taxidriver“ von Martin Scorsese am 20. Februar.

    Doch neben der Unterhaltung geht es Meier auch um den übermächtigen Konkurrenten Uber. Das US-amerikanische Dienstleistungsunternehmen bietet Online-Vermittlungsdienste zur Personenbeförderung an. „Wir wollen zeigen, wir sind da und wollen mit den Menschen ins Gespräch kommen“, sagt Meier. „Taxis sind ein wichtiger Teil des kulturellen Stadtlebens.“

    Auch in diesem Jahr ist Uber zum zweiten Mal Hauptsponsor der Berlinale. „Das Taxi als Teil des öffentlichen Nahverkehrs (ÖPNV) und der Stadtkultur ist bedroht. Die Leitung der Berlinale positioniert sich im Jahr 2024 bereits zum zweiten Mal gegen das Taxi und bietet dem größten Feind von guter Arbeit, von Taxi- und Filmkultur eine Werbefläche als Hauptsponsor“, heißt es in der Ankündigung der Berliner Versammlungsbehörde.

    Dagegen wehrt sich Meier gemeinsam mit den Unterstützern von Taxi Deutschland, Taxi-Innung, Ver.di und dem Arbeitslosenzentrum Evangelischer Kirchenkreise. Man wolle auf dem „TaxiFilmFest“ mit Filmschaffenden und dem Publikum der Berlinale ins Gespräch kommen. Die Kundgebungen, sprich das Filmfest, finden bis zum Sonntag, 25. Februar, täglich von 17 bis 22 Uhr statt.

    Berlinale: Berliner Taxifahrer laden Regisseur Martin Scorsese auf einen Kaffee ein

    Dann rollt Meier täglich den roten Teppich vor seinem Großraumtaxi aus. Aus rechtlichen Gründen darf er die Taxifilme aber nicht öffentlich zeigen. Lediglich Freunde können Platz nehmen und die Film sehen. Sein Event am Boulevard der Stars sieht der Taxi-Soziallotse als „Form des künstlerischen Protests“.

    Nach mehr als 30 Jahren im Taxigewerbe fährt er jetzt nur noch nebenberuflich, hauptberuflich kümmert sich der Taxi-Soziallotse um die Sorgen und Nöte der Angestellten und selbstständigen Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen der Berliner Taxi- und Mietwagenbetriebe. Sein größter Wunsch wäre ein Besuch von Regisseur Martin Scorsese in seinem Taxi. „Wir feiern natürlich den Film „Taxidriver“ von Martin Scorsese“, sagt Meier der Berliner Morgenpost. „Da Scorsese auf der Berlinale mit dem Goldenen Ehrenbär ausgezeichnet wird, würden wir uns sehr freuen, wenn er auf einen kurzen Besuch und einen Kaffee bei uns am Boulevard der Stars vorbeikommen würde.“

    #Taxi #Kultur #Film #Kino #Berlin #Mitte #Potsdamer_Straße #Eichhornstraße #TaxiFilmFest #Berlinale #Boulevard_der_Stars #Journalismus #Presse #TaxiFilmFest #Medienecho

  • Berlin: Taxifahrer veranstalten Anti-Berlinale – Protest gegen Uber mit eigenem Filmfestival
    https://www.berliner-zeitung.de/politik-gesellschaft/berlin-taxifahrer-veranstalten-anti-berlinale-protest-gegen-uber-mi


    Klaus Meier ist ehemaliger Taxifahrer und Veranstalter des Protest-Festivals bei der Berlinale. Foto Gerd Engelsmann

    16.2.2024 von José-Luis Amsler - Erneut wird die Berlinale vom US-Mietwagenkonzern Uber gesponsert. Berliner Taxifahrer protestieren dagegen – mit einem eigenen Filmfestival.

    Während Filmstars im Blitzlichtgewitter über den roten Teppich schreiten, geht für Klaus Meier ein Stück Berlin verloren. Unweit des Berlinale-Palasts steht der 63-Jährige mit seinem Großraumtaxi. An diesem Donnerstag beginnt mit der Eröffnungsgala am Potsdamer Platz die 74. Berlinale. Hauptsponsor ist, wie schon im letzten Jahr, das US-Mietwagenunternehmen Uber. Für Meier ist das ein Skandal.
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    #pawall

    #Taxi #Kultur #Film #Kino #Berlin #Mitte #Potsdamer_Straße #Eichhornstraße #TaxiFilmFest #Berlinale #Boulevard_der_Stars #Journalismus #Presse #TaxiFilmFest #Medienecho

    • :-) @monolecte

      Taxifahrer veranstalten Anti-Berlinale: Protest gegen Uber mit eigenem Filmfestival

      Erneut wird die Berlinale vom US-Mietwagenkonzern Uber gesponsert. Berliner Taxifahrer protestieren dagegen – mit einem eigenen Filmfestival.

      Während Filmstars im Blitzlichtgewitter über den roten Teppich schreiten, geht für Klaus Meier ein Stück Berlin verloren. Unweit des Berlinale-Palasts steht der 63-Jährige mit seinem Großraumtaxi. An diesem Donnerstag beginnt mit der Eröffnungsgala am Potsdamer Platz die 74. Berlinale. Hauptsponsor ist, wie schon im letzten Jahr, das US-Mietwagenunternehmen Uber. Für Meier ist das ein Skandal.

      „Uber steht für die Zerstörung einer Branche, für Ausbeutung, Lohndumping und das systematische Brechen von Gesetzen“, sagt er der Berliner Zeitung am Telefon. Um auf den drohenden Niedergang des Taxigewerbes aufmerksam zu machen, will Meier während des gesamten Festivals in Sichtweite des roten Teppichs protestieren – mit einem eigenen Filmfestival.
      Taxi-Protest bei der Berlinale: „Uber zerstört Existenzen“

      Meier hatte schon im vergangenen Jahr eine kleine Demonstration gegen das Uber-Sponsoring organisiert. Mit der Partnerschaft habe sich das Festival auf die Seite eines „Zerstörers von Existenzen“ gestellt. „Das darf sich nicht wiederholen“, sagte Meier damals der Berliner Zeitung. Die Demo habe die Festivalleitung ignoriert. Anfang Dezember habe er dann erfahren, dass Uber erneut als Hauptsponsor bei der Berlinale eingeladen wird.

      Statt nun erneut mit Schildern und Parolen für das Anliegen der Taxifahrer zu streiten, setzt der 63-Jährige in diesem Jahr selbst auf die Kunst der bewegten Bilder. Das „TaxiFilmFest“ soll ein eigenständiges Festival auf vier Rädern sein, eine Gegen-Berlinale im Großraumtaxi.

      Die Idee für das Filmfest hatte Meier bei der Mitarbeit an einem Nachbarschaftsprojekt. Mit Filmen habe der gebürtige Berliner bereits seit seiner Kindheit zu tun. „Mein Vater hat während des Zweiten Weltkrieges beim Trickfilm in Babelsberg gearbeitet“, erzählt Meier am Telefon. „Ich bin quasi im Filmstudio großgeworden“. Auch mit Veranstaltungen kennt sich der ehemalige Taxifahrer aus. Mitte der Neunzigerjahre arbeitete Meier als Freischaffender für Film- und Fernsehproduktionen, organisierte das Berliner „VideoFest“ und später die „Transmediale“ mit.
      Draußen Demo, drinnen Filmfest

      Mit seinem mobilen Festival will Meier nicht nur auf die prekären Arbeitsbedingungen der Berliner Taxifahrer aufmerksam machen. Ebenso gehe es darum, ein positives Bild des Gewerbes zu vermitteln. Den Menschen „auch mal was anderes zu zeigen, als den griesgrämigen Taxifahrer, der immerzu wütend ist, weil er kein Geld mehr verdient.“ Formal handelt es sich bei dem Festival trotzdem um eine Demonstration, die auch bei der Berliner Versammlungsbehörde angemeldet ist.

      „Wir sind zwei in einem, Protest und Filmfest“, erklärt Meier. „Das Taxi hat eine harte Schale und einen weichen Kern – so wie wir Berliner halt. Draußen ist die Kundgebung mit Forderungen an die Politik. Drinnen findet das Festival unter Freunden statt.“ Auf dem Programm stehen dabei ausschließlich Filme, in denen Taxis eine wichtige Rolle spielen: „Hallo Taxi“, „Das fünfte Element“ und – natürlich – Martin Scorseses New-Hollywood-Klassiker „Taxi Driver“.

      Damit soll auch die kulturelle Bedeutung des Taxis für die Stadt hervorgehoben werden. „Das Taxi war immer schon Seismograf für die gesellschaftliche Entwicklung in Berlin“, sagt Meier. „Das ging schon in der Nachkriegszeit los. Dann gab es die Studentenbewegung und das studentische Taxi, später dann das migrantische Taxi.“ Letztlich leiste die Branche weit mehr, als nur das Fahren von Gästen von A nach B. „Taxifahrer kennen ihre Stadt, wissen in welchen Lebenssitutationen die Menschen stecken und haben immer ein offenes Ohr“, sagt Meier. All das werde durch Unternehmen wie Uber bedroht.
      Kritik gegen Uber: „Organisierte Schwarzarbeit“

      Die Liste der Vorwürfe gegen den US-Konzern ist lang. Anfang der 2010er-Jahre wurde die Mietwagen-App noch als vielversprechendes Start-Up gefeiert, dass den Personenverkehr revolutionieren sollte. Schnell häuften sich Berichte über schlechte Arbeitsbedingungen und eine aggressive Unternehmenskultur, sogar von Gewalt gegenüber Mitarbeitern war die Rede. 2022 veröffentliche die britischen Zeitung The Guardian eine Auswertung von 124.000 internen Dokumenten, laut der Uber im Zuge seiner weltweiten Expansion gezielt Gesetze gebrochen, Behörden getäuscht und Regierungen beeinflusst haben soll.

      In Deutschland gelten für den Mietwagenkonzern zwar strengere Regeln, doch auch hier steht Uber in der Kritik. In einer Recherche des RBB wird das Geschäftsmodell des Unternehmens als „organisierte Schwarzarbeit“ beschrieben. Uber selbst tritt dabei nur als Vermittler auf. Aufträge, die über die App ankommen, werden an kleinere Mietwagenfirmen weitergeleitet, die wiederum die Fahrer beschäftigen. Werden dort gesetzliche Standards missachtet, fällt das nicht auf Uber zurück.

      Kristian Ronneburg, verkehrspolitischer Sprecher der Linken im Berliner Abgeordnetenhaus, begleitet die Situation seit längerem kritisch. „Das Taxigewerbe ist durch die Öffnung des Marktes und Deregulierung seit Jahren durch unlautere Konkurrenz mit Mietwagenvermittlern wie Uber enorm unter Druck geraten“, sagte Ronneburg der Berliner Zeitung. Auch in Deutschland sei immer wieder deutlich geworden, „wie Uber offen und verdeckt Rechtsbrüche begeht“.
      „Die Menschen werden von Uber bewusst in eine Falle gelockt“

      TaxiFilmFest-Veranstalter Klaus Meier erzählt, dass es sich bei den Fahrern oft um Bürgergeldempfänger oder Geflüchtete handele, die für einen Stundenlohn von vier oder fünf Euro angestellt werden. Was für angehende Fahrer zunächst wie ein unkomplizierter Weg aussehe, unter der Hand etwas dazuzuverdienen, führe schnell in eine Sackgasse: Lange Schichten, fehlender Arbeitsschutz, keine Weiterbildungsmöglichkeiten. „Diese Menschen werden von Uber bewusst in eine Falle gelockt“, sagt Meier.

      Gerade in Berlin sollen Partnerfirmen von Uber konsequent den gesetzlichen Mindestlohn missachten. Die Fahrpreise für Kunden variieren, werden je nach Tageszeit und Nachfrage in der App bestimmt – sind aber fast immer billiger, als dieselbe Fahrt mit dem Taxi gekostet hätte. Meier ist sich sicher: „Rein rechnerisch ist es nicht möglich, dass Uber zu diesen Fahrpreisen den Mindestlohn zahlt.“

      Das bestätigt auch Kristian Ronneburg von den Linken. „Es sind bereits viele Fälle dokumentiert, bei denen Fahrerinnen und Fahrer Umsatzprovisionen bekommen, die umgerechnet auf geleistete Arbeitsstunden, unterhalb des Mindestlohns liegen“, so der Verkehrsexperte. „Dumping-Löhne führen dann wiederum zu einem Dumping-Wettbewerb und der hat ganz reale strukturelle Folgen für das Gewerbe – er macht es kaputt.“
      Uber reagiert auf Kritik: Gesetzliches Handeln hat „oberste Priorität“

      Ein Sprecher des Uber-Konzerns erklärt auf Anfrage der Berliner Zeitung, gesetzeskonformes Handeln habe für das Unternehmen „oberste Priorität“. Auch die Partnerunternehmen seien vertraglich dazu verpflichtet, sich an alle rechtlichen Vorgaben zu halten. „Sofern sie sich nicht an die Regeln halten und wir davon Kenntnis erlangen, ziehen wir entsprechende Konsequenzen, bis hin zu einer Sperrung auf unserer Plattform“, versichert der Sprecher.

      Nach Ansicht des Unternehmens hätten die Probleme der Taxibranche nicht nur mit dem gestiegenen Wettbewerb zu tun. Auch in Städten, in denen Uber gar nicht vertreten sei, leide das Taxi-Gewerbe.

      Zugleich bemühe man sich um ein partnerschaftliches Verhältnis mit der Branche. Tatsächlich arbeiten einige Taxi-Unternehmen angesichts schwindender Umsätze inzwischen mit Uber zusammen, lassen sich Aufträge über die App vermitteln. Allein in Berlin betreffe dies mehr als 1000 Fahrzeuge, erklärt der Uber-Sprecher. Durch eine Partnerschaft könnten sich Taxifahrer „zusätzliche Erlösquellen erschließen und von der hohen Nachfrage der internationalen Uber-Community profitieren“.

      Klaus Meier kritisiert diese Zusammenarbeit. Dass sich Taxifahrer aus Angst vor dem Existenzverlust mit Uber zusammentun – sich dem Unternehmen unterordnen – sei zwar nachvollziehbar, beschleunige aber nur die Übernahme des Marktes durch den Konzern. „Die begreifen nicht, dass es eine Solidarität innerhalb des Gewerbes braucht, wenn man überleben will“, so Meier.
      Mehr Wettbewerb, weniger Regeln

      Bis 2019 war der 63-Jährige noch selbst auf den Straßen Berlins unterwegs. Seit einigen Jahren kümmert sich Meier als „Taxi-Soziallotse“ um die Sorgen und Nöte seiner Kollegen. Er berät Taxifahrer in prekären Arbeitsverhältnissen, hilft bei Behördengängen, vermittelt Rechtsbeistände. „Ich helfe den Fahrern, Orientierung in schwierigen Lebenslagen zu finden“, beschreibt Meier seinen Beruf.

      Immer öfter gehe es dabei um die Folgen der Verdrängung durch Uber – die von der Bundespolitik maßgeblich vorangetrieben wurde. Tatsächlich ist der Konzern erst seit einigen Jahren in Deutschland aktiv, lange verhinderten gesetzliche Bestimmungen den Markteintritt. 2021 lockerte dann der damalige Bundesverkehrsminister Andreas Scheuer (CSU) das Personenbeförderungsgesetz. „Mehr Wettbewerb, weniger Regeln“, war die Devise. Erst dadurch konnten sich Uber und Co. mit ihrem Geschäftsmodell in Deutschland etablieren, sagt Meier. „Für die Taxifahrer war das eine Katastrophe“.

      Was für die Berliner Taxibranche zum existentiellen Problem wird, trifft bei den Verbrauchern bislang auf überwiegend positive Resonanz. Seit Jahren wächst die Zahl der Uber-Kunden, 2022 hatten weltweit über 130 Millionen Menschen die App installiert. Das dürfte vor allem daran liegen, dass die Fahrten mit dem Mietwagenservice deutlich günstiger sind, als die Konkurrenz – laut Angaben des Unternehmens zwischen 30 und 40 Prozent pro Fahrt. Gerade jüngere Menschen und Menschen mit geringem Einkommen wählen immer öfter die App, auch als Alternative zum ÖPNV.
      Mindestpreise für Uber-Fahrten? „Das Problem ist ein anderes“

      Aufgrund der immensen Preisunterschiede wurde 2021 die Möglichkeit einer Mindestbepreisung gesetzlich verankert. Demnach wäre es auch in Berlin möglich, eine Untergrenze für Uber- und Taxifahrten festzulegen. Dass der Senat von dieser Regelung Gebrauch machen könnte, gilt jedoch als unwahrscheinlich. „Leider gibt es bei den Genehmigungsbehörden bisher noch Unsicherheiten bezüglich der rechtssicheren Durchführung“, erklärt Linken-Politiker Kristian Ronneburg. Der Vorschlag werde vom Senat geprüft.

      Klaus Meier steht einer Mindestbepreisung kritisch gegenüber. Letztlich seien es nicht die Gesetze, die für die Verarmung des Gewerbes sorgten, sondern deren mangelhafte Durchsetzung. „Wo die Behörden darauf achten, dass Gesetze eingehalten werden, kriegt Uber keinen Fuß auf den Boden“, sagt Meier. „In Hamburg gibt es praktisch keine Uber-Fahrzeuge. Wer die Bedingungen nicht erfüllt, bekommt keine Zulassung.“ In Berlin sei das anders. Hier interessierten sich die Behörden schlichtweg nicht für die Arbeitsbedingungen der Fahrer, vermutet Meier. „In dem Moment wo der Mindestlohn in Berlin konsequent durchgesetzt werden würde, könnte Uber sein Lohndumping nicht mehr aufrechterhalten.“

      Infolge der gestiegenen Konkurrenz müssten derweil auch viele Taxifahrer unter Mindestlohn arbeiten, um mithalten zu können. „Als ich 1985 angefangen habe, konnten Taxifahrer noch gut von ihrem Beruf leben“, sagt Meier. „Heute ist das ein Armutsjob.“ Die Betriebe, die faire Löhne zahlen, würden wiederum ihre Aufträge verlieren. Meier: „Alle Taxibetriebe, die ehrlich arbeiten, stehen gerade kurz vor der Insolvenz.“
      Linken-Politiker: Kooperation mit Uber „politisch höchst fragwürdig“

      Dass die Berlinale als kulturelles Aushängeschild der Hauptstadt mit Uber zusammenarbeitet, trifft auch bei Politikern auf Kritik. Die Linke-Fraktion im Berliner Abgeordnetenhaus fordert in einer Beschlussempfehlung von Ende Januar die Landesregierung auf, der Kooperation einen Riegel vorzuschieben.

      Kristian Ronneburg hat den Antrag mit ausgearbeitet. Dass die Berlinale als öffentlich bezuschusstes Festival ausgerechnet dem „größten und finanzstärksten Gegenspieler der Taxen“ den Vorzug gibt, sei „politisch höchst fragwürdig“, sagt Ronneburg. Laut dem Antrag seiner Fraktion soll bei der nächsten Berlinale im Jahr 2025 der Transport der Gäste „ausschließlich mit dem Berliner Taxigewerbe“ erfolgen. Dadurch entgangene Sponsorengelder sollen entweder durch andere Partner kompensiert, oder aus dem Berliner Haushalt bezahlt werden.

      Der Sprecher des Uber-Konzerns erklärt auf Nachfrage, man könne die Forderungen der Linke-Fraktion nicht nachvollziehen. „Mit unserem Engagement bei der Berlinale unterstützen wir die Kultur- und Filmszene in der Hauptstadt“, so der Sprecher.
      Berlinale sieht mögliche Partnerschaft mit Taxifahrern skeptisch

      Auch die Festivalleitung reagiert auf Nachfrage eher zurückhaltend auf den Vorschlag der Linken. „Die Berlinale arbeitet seit vielen Jahren mit unterschiedlichen Partnern beim Fahrdienst zusammen“, erklärt eine Berlinale-Sprecherin der Berliner Zeitung. Diese Partner würden nicht nicht nur die Kosten und Organisation des Fahrdienstes übernehmen, sondern auch die Fahrzeuge selbst stellen.

      Dass die Berliner Taxifahrer diese Aufgabe stemmen könnten, sei bislang nicht ersichtlich. „Eine Partnerschaft mit Taxiunternehmen würde Fahrzeuge, Lohnkosten der Fahrer, sowie alle Betriebsmittel (inkl. Sponsoring) beinhalten“, so die Sprecherin. „Ein entsprechendes tragfähiges Angebot aus dem Umfeld der Taxi-Unternehmen liegt uns nicht vor.“ Dennoch arbeite man im Hintergrund an einer Lösung, sei seit längerem mit Taxivertretern im Austausch.

      Die scharfe Kritik an den Geschäftspraktiken ihres Hauptsponsors weist die Berlinale zurück. „Wir wählen unsere Partner im Vorfeld sorgfältig aus und unterziehen sie einer Prüfung mit umfangreichen Recherchen“, so die Sprecherin. Laut geltender Rechtslage dürfe Uber in Berlin legal operieren, danach richte man sich. Zudem habe Uber der Festivalleitung „glaubwürdig versichert, dass die Geschäftspraktiken ihrer Anfangsjahre nicht mehr existieren und sie sich klar davon distanziert haben.“ Informationen verschiedener Medien, sowie der Berliner Linken, zeichnen ein anderes Bild.
      „Mit Martin Scorsese würden wir gerne mal einen Kaffee trinken“

      Wenn Klaus Meier ab Donnerstag an jedem Berlinale-Abend mit seinem Großraumtaxi in Berlin-Mitte steht, will er von all dem erstmal nichts mehr hören. Ihm gehe bei seinem „TaxiFilmFest“ darum, die Freude an dem Beruf nach außen zu tragen, trotz des ernsten Hintergrundes. Auch gegen die Berlinale hege man grundsätzlich keinen Groll. „Niemand von uns hat etwas gegen das Festival“, sagt Meier. „Ohne die Berlinale wäre unsere Stadt um einiges Ärmer. Aber dieses Sponsoring von Uber haben die wirklich nicht nötig.“

      Kommende Woche wird es dann doch nochmal politisch: Am 21. Februar soll Meier bei einer Sitzung des Mobilitätsausschusses im Berliner Abgeordnetenhaus die Interessen der Taxifahrer vertreten. Auch ein Abgesandter von Uber wird dort für das Unternehmen vorsprechen. „Das wird ein Spaß“, sagt Meier lachend.

      Bevor es an diesem Abend zur Eröffnung seines Festivals geht – auf dem Programm steht ein Überraschungsfilm – muss der 63-Jährige noch einen wichtigen Anruf tätigen. „Ich wollte mich noch bei der Berlinale-Leitung melden, damit die dem Martin Scorsese mal einen netten Gruß von uns ausrichten“, sagt Meier. „Mit dem würden wir gerne mal einen Kaffee trinken und uns für seinen tollen Film bedanken. Am liebsten hier bei uns im Taxi.“

  • Berlinale: Taxifahrer von Uber-Shuttle genervt – “Wir haben alte, abgewrackte Taxen”
    https:// www.berlin-live.de /berlin/aktuelles/berlinale-taxifahrer-uber-shuttle-fahrer-protest-berlin-festival-id130220.html

    Es kommt immer wieder vor, dass Exemplare der schreibenden Zunft nicht verstehen, was sie erfahren, nicht zuhören oder derart in ihren eigenen Stimmungen und Weltbildern gefangen sind, dass sie anstelle von Berichtstattung nur Quatsch verzapfen. Dieser Artikel ist ein trauriges Beispiel für diese Art Realitätsferne.

    Vom ersten Satz bis zum letzten Wort enthält dieser Bericht ausschließlich Erfundenes, Unverstandenes und Missinterpretiertes.

    JW ist kein FoT, dafür mangelt es ihr an aufrichtigem Interesse für ihr Thema. Gehört sie auf den EoT-Zettel? Man weiß es nicht. Ist auch egal, wer solche Freunde hat, braucht keine Feinde mehr. Schade, schade, die junge Frau machte einen so netten Eindruck.

    Infos zum TaxiFilmFest gibt es in zahlreichen anderen Berichten.

    Jana Wengert - Die Berlinale startet mit ungewöhnlichem Auftakt: Weil das Filmfestival seine Gäste mit Uber anreisen ließ, gab es Ärger mit den Taxifahrern.

    Am 15. Februar 2024 feiert die diesjährige Berlinale ihren Auftakt. Und die Hauptstadt steht Kopf – zumindest was die Fans der internationalen Filmfestspiele angeht. Während die Vorfreude bei den Besuchern steigt, kommen bei den Taxifahrern der Metropole jedoch ganz andere Emotionen auf.

    Die Lenker der gelben Limousinen sind genervt – und das aus einem bestimmten Grund: Die Berlinale lässt Promi-Gäste nämlich mit dem Shuttle-Service des Unternehmens Uber anreisen anstatt auf die berühmt berüchtigte Taxe zurückzugreifen. Die Taxi-Fahrer starteten deshalb eine Protestaktion.
    Berlinale zum Trotz: Taxifahrer starten eigenes Festival

    Weil die Berlinale ihnen keine Plattform bieten wollte, entschieden sich unter anderem Unterstützer von Taxi Deutschland, Taxi-Innung, Ver.di und Co. dazu, einfach ein eigenes Festival zu starten: das „TaxiFilmFest“. Pünktlich um 17 Uhr erstrahlte dafür am Donnerstag ein hell erleuchtetes Taxi auf dem ehemaligen Boulevard der Stars. Es soll als Autokino mit wechselndem Filmangebot samt Popcorn und Getränken dienen. Wenn nichts dazwischen kommt, bis zum 25. Februar sogar täglich von den frühen Abendstunden bis 22 Uhr.
    Berlin

    Pünktlich zum Auftakt der Berlinale veranstalteten die Taxifahrer ihr eigenes „Festival“. Bild von der Autorin

    Doch mit dieser Aktion möchte man nicht nur Aufmerksamkeit erlangen und gleichzeitig Unterhaltung bieten – die Verantwortlichen erhoffen sich dadurch auch, mit Filmschaffenden und dem Publikum der Berlinale ins Gespräch zu kommen. Denn die Entscheidung, Uber als Fahrdienstleister zu wählen, lässt die Taxifahrer nicht kalt.

    Berliner Taxifahrer bedrückt: „Sind alte Männer“

    „Die Frage ist halt, warum wir uns das gefallen lassen“, fragte Danielo Baltrusch, Beauftragter der Innung des Berliner Taxigewerbes e.V. in die Runde. Eine Antwort hatte niemand. Doch mit dem „finanzstarken Unternehmen“ könne man eben nicht mithalten, wie sich im Gespräch mit BERLIN LIVE herausstellte: „Die haben ihre Limousinen, wir haben alte, abgewrackte Taxen, sind alte Männer und wenn man noch zwei Jahre wartet, sind wir als Dienstleister tot.“

    Könnte überhaupt infrage kommen, in den kommenden Jahren wieder für die Berlinale zu fahren? „Wenn man das mit Geld unterstützen würde, dürfte man auch auf der Liste stehen und Leute fahren“, vermutete Taxifahrerin Irene Jaxtheimer. Doch es muss auch einen anderen Weg geben. Bleibt zu hoffen, dass diese Lösung nicht zu spät gefunden wird.

    #Taxi #Kultur #Film #Kino #Berlin #Mitte #Potsdamer_Straße #Eichhornstraße #TaxiFilmFest #Berlinale #Boulevard_der_Stars #Journalusmus #Presse

  • Berlinale 2024 - mit spannendem (kostenlosen) Rahmenprogramm
    https://www.gratis-in-berlin.de/component/flexicontent/13-festivals/2064802-berlinale-2024-mit-spannendem-kostenlosen-rahmenprogramm

    Donnerstag 15.02.2024 bis Sonntag 25.02.2024 - Anfangszeit: :00 Uhr
    Kategorie: Festivals
    Berlinale 2024 - mit spannendem (kostenlosen) Rahmenprogram...

    Auch die Berlinale 2024 kostet zwar Eintritt, aber dabeisein lohnt sich schon wegen der Cineasten-Atmosphäre, besonderen Filme und der Live-Auftritte und Nach-Film-Gesprächsrunden mit Filmteams und Stars. Das einmalige Berliner Publikums-Filmfestival bietet traditionell aber auch immer ein spannendes kostenloses Rahmenprogramm.

    Das Taxifilmfest (Fettschrift = Link) sicher einer der spannendsten Rahmenangebote.

    Die Nordic Film Music Days mit Filmvorführungen.

    Der Manifesto Market in den Potsdamer Platz Arkaden veranstaltet am 19. und 20.2.24 Podiumsdiskussionen mit Berlinale-Künstlern

    Spannend klingt auch der Berlinale Edit-a-thon 2024

    Bei diesen außergewöhnlichen (Parallel-)Programmteilen rund um die Berlinale ist der Eintritt frei:
    ... Hier haben wir allgemeine Promi-Hot-Spots in Berlin zusammengestellt.

    Natürlich gibts auch wieder viele Berlinale Stars auf dem roten Teppich. (wir aktualisieren während Berlinale möglichst jeden Morgen). Martin Scorsese erhält Ehrenbär etc.

    Termin der Berlinale & genaues Datum 15. bis 25. Februar 2024.

    Das war letztes Jahr, wird noch gecheckt:
    – Forum Expanded: Ausstellung und Screenings im Rahmen der Berlinale im Savvy Contemporary, Gerichtstr. 35, 13347 Berlin-Wedding?
    – Berlinale Social Bus mit Impulsen, Kunst, Musik und Diskussionen in der Potsdamer Straße, gibts das noch? Gerne Kommentar.
    – Bei der Weltzeituhr am Potsdamer Platz kann man sich in einem temporären Shuttle gegen Vornanmeldung filmreif schminken lassen. gibts das noch? Gerne Kommentar.
    - die Street Food Trucks vor den Potsdamer Platz Arkaden (Joseph-von-Eichendorff-Gasse/Ecke Alte Potsdamer Straße) bieten täglich von 11 bis 22 Uhr einen außergewöhnlichen Anblick und frischgekochtes Essen in „regionaler, saisonaler und pestizidfreier“ Qualität.
    Täglicher Berlinale Nighttalk aus der XXL Bar des Cinemaxx leider nicht mehr.

    von: Andrea

    Im Einzelnen
    https://www.gratis-in-berlin.de/kino/item/2065517-taxifilmfest-parallel-zur-berlinale

    #Taxi #Kultur #Film #Kino #Berlin #Mitte #Potsdamer_Straße #Eichhornstraße #TaxiFilmFest #Berlinale #Boulevard_der_Stars #Journalismus #Presse #TaxiFilmFest #Medienecho

  • Uber ist Partner der Berlinale: Warum Taxifahrer während der Berlinale ihr eigenes Filmfest starten
    https://www.tagesspiegel.de/berlin/festival-der-ausgeschlossenen-warum-taxifahrer-wahrend-der-berlinale-ih

    16.2.2024 von Marlon Saadi - Die Berlinale kooperiert seit einem Jahr mit Uber. Taxifahrer sehen darin ein weiteres Symbol für ihre Verdrängung. Aus Protest haben sie ein eigenes Filmfest organisiert.
    ...

    #Taxi #Kultur #Film #Kino #Berlin #Mitte #Potsdamer_Straße #Eichhornstraße #TaxiFilmFest #Berlinale #Boulevard_der_Stars #Journalismus #Presse #TaxiFilmFest #Medienecho

  • Konflikte um die Berlinale: Politisch jenseits der Leinwand
    https://taz.de/Konflikte-um-die-Berlinale/!5988921
    Cool, hat uns das 7 zusätzliche Website-besucher eingebracht. Wir zählen weiter. Mal sehen, was der Stand am Ende des Festivals sein wird.

    13.2.2024 von Jonas Wahmkow - Ob Proteste gegen die AfD, Arbeitsbedingungen oder den Nahostkonflikt: Die 74. Filmfestspiele sind Austragungsort gesellschaftlicher Konflikte

    BERLIN taz | Die 74. Internationalen Filmfestspiele werden in diesem Jahr politisch wie selten. Das liegt nicht nur an dem Programm, in dem die Fil­me­ma­che­r:in­nen weltpolitische Themen und gesellschaftliche Missstände verarbeiten. Auch das Festival selbst wird zum Austragungsort politischer Konflikte: Nach dem Eklat um die Einladung von AfD-Politiker:innen nutzen Gewerkschaften den roten Teppich, um auf miese Arbeitsbedingungen in der Filmbranche hinzuweisen. Und auch der Krieg in Gaza geht nicht unbemerkt an der Berlinale vorbei.
    Arbeitskampf hinter den Kulissen

    Parallel zur Berlinale-Eröffnung am Donnerstag ruft Verdi zum „Union Day“ auf. Mit einer Protestaktion will die Dienstleistungsgewerkschaft, die sowohl Filmschaffende als auch Mit­ar­bei­te­r:in­nen in den Kinos vertritt, ein Zeichen für bessere Arbeitsbedingungen in der Branche setzen. Am Donnerstagnachmittag wollen Filmschaffende auf einer Kundgebung am Potsdamer Platz ein Filmset nachbauen, in dem sie ihren eigenen Protest filmen.

    „Wir wollen darauf aufmerksam machen, wie viele Leute hinter der Kamera bei einer Filmproduktion arbeiten“, erklärt Lisa Klinkenberg. Die Arbeitsbedingungen in der Branche bezeichnet die Gewerkschaftssekretärin als „aus der Zeit gefallen“: 60-Stunden-Wochen seien bei Filmproduktionen keine Seltenheit. „Wir wollen die 40-Stunden-Woche, und das bei vollem Lohnausgleich.“ Nur so sei eine Vereinbarkeit von Beruf und Familie zu erreichen.

    Die Berlinale 2024

    An diesem Donnerstag startet die Berlinale, die mit dem Film „Small Things Like These“ eröffnet wird. Hauptspielstätte für Premieren ist der Berlinale-Palast am Potsdamer Platz. Tickets sind seit Montag online erhältlich und kosten zwischen 15 und 18 Euro. Erhältlich sind sie immer drei Tage im Voraus. Wie eine Sprecherin am Dienstag mitteilte, konnten am Montag mit 77.757 Tickets etwas mehr als im vergangenen Jahr verkauft werden. Für den Goldenen Bären gehen 20 Filme ins Rennen – darunter zwei Projekte von den deutschen Regisseuren Andreas Dresen und Matthias Glasner. Laut Programm werden der Ukrainekrieg und die Lage in Nahost und im Iran eine große Rolle spielen. (taz)

    Mit dem „Union Day“ will Verdi Druck machen in den aktuellen Tarifverhandlungen mit dem Arbeitgeberverband Produzentenallianz. Aber es geht nicht nur um den Tarifabschluss, einige Forderungen sind auch an die Politik gerichtet. „Dass tariflich festgelegte Lohn- und Arbeitszeiten eingehalten werden, muss im Filmförderungsgesetz festgeschrieben werden“, fordert Klinkenberg. Förderung bekäme dann nur noch, wer nach Tarif bezahlt.

    Auch die Beschäftigten der CineMaxx und Cinestar Kinos beteiligen sich an den Protestaktionen. Auch sie befinden sich in Tarifverhandlungen. Gerade zu Berlinale-Zeiten sind sie hohem Arbeitsdruck ausgesetzt, bekommen aber häufig nur Mindestlohn. Verdi fordert daher ein Einstiegsgehalt von 14 Euro pro Stunde. „Die Berlinale strahlt Glanz und Glamour aus, das soll auch so sein“, sagt Verhandlungsführerin Martha Richards. „Uns ist wichtig, auch ein Schlaglicht auf die Leute zu werfen, die als Arbeitskräfte die Branche mittragen.“

    Kein roter Teppich für die AfD

    Die Ankündigung der Berlinale-Leitung am vergangenen Donnerstag, die AfD für die Eröffnungsgala wieder auszuladen, hat die Wogen im Berlinale-Kosmos wieder ein wenig geglättet. Auf sich beruhen lassen wollen einige Filmschaffende die Sache dennoch nicht und kündigen für die Eröffnung eine Protestaktion gegen die AfD auf dem roten Teppich an.

    „Die Filme, die auf der Berlinale gezeigt werden, würde es mit der AfD nicht geben“, sagt Schauspielerin Pegah Ferydoni, die im Netzwerk Berlinale gegen Rechts die Aktion mitorganisiert. Man wolle verhindern, dass die AfD im nächsten Jahr wieder eingeladen wird. Auch wolle man das Momentum der Anti-AfD-Proteste auf die Berlinale weitertragen.

    Die Protestaktion wird wahrscheinlich in Form einer Lichterkette stattfinden und ist mit der Berlinale-Leitung abgesprochen. Ebenso ist eine weitere Kundgebung zum Jahrestags des rechtsextremen Attentats in Hanau am 19. Februar geplant. „Es ist auch die Agenda der AfD, die dazu geführt hat, dass die Menschen in Hanau ermordet wurden“, sagt Ferydoni.

    Die Einladung von fünf AfD-Abgeordneten sorgte nicht nur in der Kulturszene für einen Eklat. Bei öffentlich finanzierten Veranstaltungen wird in der Regel ein Kontingent an Parlamentsabgeordneten mit eingeladen. Der Senat schickte eine entsprechende Liste an die Organisator:innen, darunter auch einige Abgeordnete der AfD. Obwohl die Festivalleitung dazu nicht verpflichtet ist, lud sie alle auf der Liste ein. Wie bei der Berlinale in Zukunft mit der rechtsextremen Partei umgegangen wird, wird sich zeigen.
    Taxis gegen Uber

    Dass Berlins traditionsreiches Filmfestival ausgerechnet durch ihren ungeliebten Konkurrenten aus dem Silicon Valley Uber gesponsert wird, ist vielen Ta­xi­fah­re­r:in­nen ein Dorn im Auge. Bereits im vergangenen Jahr protestierten sie vor dem roten Teppich gegen Lohndumping und systematische Verstöße gegen das Arbeitsrecht bei dem US-Konzern. Dieses Jahr wählen die Ta­xi­fah­re­r:in­nen einen kreativeren Ansatz und organisieren kurzerhand ihr eigenes Filmfestival. In einem Großraumtaxi auf dem Potsdamer Platz werden die ganze Woche Filme gezeigt, darunter Klassiker wie „Taxi Driver“, „Taxi, Taxi“ oder „Das Fünfte Element“.
    Krieg in Gaza

    Auch der Krieg zwischen Israel und der Hamas könnte stärker in den Mittelpunkt des Filmfestivals rücken. Am Montag forderte ein Zusammenschluss aus Berlinale-Mitarbeiter:innen einen sofortigen Waffenstillstand und die Freilassung aller Geiseln. In dem Statement beklagen die Un­ter­zeich­ne­r:in­nen die „Trägheit der Kulturbranche“ in Deutschland und fordern Institutionen wie die Berlinale zu einer klareren Haltung auf. Auch solle die Berlinale ein Raum für eine offene Auseinandersetzung zu dem Konflikt sein.

    Gelegenheit bietet die Berlinale auch in ihrem Programm. So dokumentiert der Film „No other Land“, der am Samstag im Kino International Premiere feiert, den gemeinsamen Widerstand eines palästinensischen Aktivisten und israelischen Journalisten im Westjordanland.

    #Berlin #Mitte #Potsdamer_Straße #Marlene_Dietrich_Platz #Berlinale #TaxiFilmFest

  • Taxi Berlin - Hier spricht Tiffany Taxi - Programm 88,4 MHz
    https://fr-bb.org/programm/sendung/60948.html#Taxi%20Berlin-Hier%20spricht%20Tiffany%20Taxi

    «Taxi Berlin» Hier spricht Tiffany Taxi: Taxifilmfest #92
    Donnerstag, 01. Feb 2024, 19:00 bis 20:00 Uhr
    Übers Taxifahren in Berlin und seine Nebenwirkungen. Taxi Berlin

    Geschichten und Informationen aus dem Taxi, über das Taxi und um das Taxi herum. Mit Tiffany und Gästen, mit Musik zum Taxifahren.
    88,4 MHz - Pi Radio

    https://www.txsl.de/taxifilmfest-piradio.html

    Sendetermin
    Donnerstag, 01. Feb 2024, 19:00 bis 20:00 Uhr
    88,4 MHz in Berlin
    90,7 MHz in Potsdam
    DAB+ Kanale 7D in Berlin
    DAB+ Kanale 12D in Brandenburg
    Stream : 192 kbit/s, 128 kbit/s http://ice.rosebud-media.de:8000/88vier

    #Taxi #Kultur #Film #Kino #Berlin #Mitte #Potsdamer_Straße #Eichhornstraße #TaxiFilmFest #Berlinale #Boulevard_der_Stars #Journalismus #Presse #TaxiFilmFest #Medienecho

  • Berliner „Walk of Fame“: Tram verdrängt „Boulevard der Stars“
    https://www.tagesspiegel.de/berlin/tram-verdrangt-boulevard-der-stars-5511742.html

    3.1.2018 von Andreas Conrad - Wenn die Straßenbahn kommt, muss der „Boulevard der Stars“ weichen. Doch schon jetzt ist ein Sternenschwund zu beklagen.

    Der Filmpionier Max Skladanowsky und der Schauspieler Hardy Krüger müssten als Letzte dran glauben. Zumindest wenn man annimmt, dass sich die Straßenbahntrasse Meter für Meter über den „Boulevard der Stars“ schiebt, die Sternenkinder Schritt für Schritt frisst.

    Max und Hardy sind nun mal die westlichsten Stars auf dem Berliner „Walk of Fame“, ihnen wurden auf dem 320 Meter langen Mittelstreifen der Potsdamer Straße die Sterne knapp vor der Einmündung der Ben-Gurion-Straße zugewiesen. Also etwa da, wo die aus Osten herangeführte doppelgleisige Strecke einmal mit einer Weichenanlage enden soll.
    Alternativen sind vorhanden

    Natürlich wird es zu solch einer Peu-à-peu-Lösung nicht kommen. Wenn es einmal so weit ist, der Trassenbau in seine Endphase kommt, werden sicher alle 105 Sterne oder wie viele es dann sein werden, auf einen Schlag verschwinden und der rote Asphaltstreifen gleich mit, schließlich schwebt der BVG nach ihrer bisherigen Planung ein „besonderer, begrünter Bahnkörper“ vor. Wann das sein wird, steht allerdings in den Sternen, wir sind schließlich in Berlin, wo Planungsziele in der Regel ziemlich ungefähre, man muss schon sagen, variable Werte sind. Bis 2021 soll der Baustart erfolgen, und die Mühlendammbrücke müsste neu gebaut werden. Es dauert also.

    Aber es scheint doch langsam Zeit für die „Boulevard“-Verantwortlichen zu werden, sich über die Folgen der immer konkreteren Planungen und eventuelle Alternativen Gedanken zu machen. Baulich unterhalten und mit neuen Sternen fortgeschrieben wird die 2010 eröffnete Filmstar-Promenade von der gemeinnützigen „Boulevard der Stars GmbH“, mit der Journalistin Georgia Tornow als Geschäftsführerin.

    Diese reagierte auf die jetzt bekannt gewordenen BVG-Planungen am Mittwoch gelassen. Man sehe sich nicht in Konkurrenz zur Straßenbahn, habe immer gewusst, dass diese einmal kommen werde, der derzeitige Boulevard der Stars also eine Zwischenlösung sei. Die Potsdamer Straße – der Mittelstreifen war zuvor eine sandige, bei Regen matschige Brache – habe schließlich bis zur Ankunft der Bahn nicht wie Hund aussehen sollen.

    Es werde, wenn es einmal so weit sei, sicher eine neue Diskussion darüber geben, wie mit diesem kulturhistorischen Denkmal zu verfahren sei, welcher neue Standort geeignet sei, beispielsweise die Alte Potsdamer Straße. Spruchreif seien solche denkbaren Vorschläge aber nicht, betonte Georgia Tornow.
    Geringer Attraktionsfaktor

    Allerdings, so richtig scheint dieses Denkmal deutschen Filmruhms, für zwei Millionen Euro aus Mitteln des Senats und der EU gebaut, im Bewusstsein der Berliner wie ihrer Gäste noch immer nicht angekommen zu sein. Kein Vergleich also mit dem Vorbild in Hollywood. Wenn dort mal wieder ein neuer Stern, meist in Anwesenheit des so Geehrten, in den „Walk of Fame“ eingelassen wird, ist das selbst hiesigen Medien eine Meldung wert.

    In Berlin war das schon lange nicht mehr der Fall: Zuletzt wurden im Herbst 2016 vier neue Sterne in den Asphalt eingelassen. Der Senat hatte extra rund 11 000 Euro spendiert, damit die Straße des Ruhms aufgefrischt werden konnte und nicht allzu unrühmlich aussah. „Wir brauchen unbedingt eine permanente Einnahmequelle“, hatte Geogia Tornow damals gesagt.

    Auf die scheint man bislang nicht gestoßen zu sein, ja, es ist sogar ein gewisser Sternenschwund zu beklagen. Nicht bei den großen fünfzackigen Bronzegebilden auf dem roten Asphalt. Von den kleinen Sternen auf den drei Übersichtsplänen aber fehlen bereits 38, erfreuen sich also offenbar einer gewissen Popularität als Berlin-Souvenirs. Gewissermaßen als Ausgleich sind einige der noch leeren Sterne bereits durch Passanten zu eigenen Ehren beschriftet worden: A Star is born – dank Filzstift.

    https://www.welzelbau.de/referenz/boulevard-der-stars

    Am 28. September 2008 wurde in Berlin die Boulevard der Stars – Gemeinnützige GmbH gegründet. Ihre Aufgabe ist es, die inhaltliche Umsetzung der Grundgedanken des Projektes zu gewährleisten, die jährlichen Vergabe-Events vorzubereiten und die Erweiterung des Boulevard der Stars finanziell abzusichern. Die Aufgaben im Einzelnen sind in einer umfangreichen Gesellschaftssatzung niedergelegt – die Gemeinnützigkeit wurde anerkannt. Zur Gründungs-Geschäftsführerin wurde auf der ersten Gesellschafterversammlung von ihren Mitgesellschaftern Georgia Tornow gewählt. Die Gemeinnützige GmbH wurde im April 2019 liquidiert.

    „Bei Klaus zuhaus´“® mit den beiden Journalisten Georgia Tornow und Ulrich Meyer
    https://www.berlincapitalclub.de/de/event-review/bei-klaus-zuhaus-mit-den-beiden-journalisten-georgia-tornow-und-ul

    #Berlin #Mitte #Potsdamer_Straße #Film #Berlinale #Boulevard_der_Stars

  • Sprecher der Berliner Fahrgäste: „Mit der U8 fahre ich nicht mehr“
    https://www.berliner-zeitung.de/mensch-metropole/sprecher-der-berliner-fahrgaeste-mit-der-u8-fahre-ich-nicht-mehr-li

    Die Bettler sind da und bevölkern die U-Bahn Linie 8. Unterträglich ist das für alle biederen Bürger.

    26.01.2023 von Peter Neumann - Zum Fototermin mit der Berliner Zeitung steigt Jens Wieseke in den U-Bahnhof Heinrich-Heine-Straße hinab. Doch normalerweise nutzt der Vizevorsitzende und Sprecher des Fahrgastverbands IGEB die düstere Station an der U8 nicht mehr. Im Interview erklärt der 58-jährige Berliner, der aus dem Osten der Stadt stammt und seinen Berufsweg als Briefträger mit Abitur begann, warum er manchmal lieber mit seinem Auto fährt. Der Fahrgastlobbyist äußert sich auch zum Desaster auf der U2 unter dem Alexanderplatz, zu Gottesdienstbesuchen mit Mobilitätssenatorin Bettina Jarasch, ob der BER einen U-Bahnanschluss braucht – und darüber, ob er wählen geht.
    ...
    Apropos Frau Jarasch: Vor Weihnachten haben Sie ein Foto getwittert, das Sie und die Grünen-Politikerin nach einem katholischen Gottesdienst in Berlin zeigt. Sehen Sie sich häufiger in der Kirche?

    Ich möchte nur so viel dazu sagen: Wir sind beide Katholiken, und es kommt vor, dass wir uns in dieser Eigenschaft sonntags sehen. Und ja, es kommt vor, dass es danach auch um unser gemeinsames Thema geht. Als nach dem Fahrplanwechsel im Dezember Probleme im Regionalzugverkehr deutlich wurden, schrieb mir die Senatorin zwei Stunden nach dem Gottesdienst eine Mail und bat um Hinweise. Wenige Tage später lud der Senat die Beteiligten zu einem Krisentreffen ein. Aber ich achte darauf, die Begegnungen nicht zu überfrachten. Auch Frau Jarasch hat ein Recht auf einen möglichst arbeitsfreien Sonntag.
    ...
    Wie kommen Sie zur Arbeit?

    Derzeit nicht mit dem öffentlichen Verkehr. Zwar liegt der Bahnhof Südkreuz nicht weit von meinem Arbeitsplatz in Schöneberg entfernt. Ich weigere mich aber, die U8 zu nutzen. Mit der U8 fahre ich nicht mehr, diese U-Bahn-Linie tue ich mir seit einigen Jahren nicht mehr an. In der warmen Jahreszeit gehe ich stattdessen ein paar Schritte weiter zur U2, zum U-Bahnhof Spittelmarkt, vom Potsdamer Platz nehme ich dann die S-Bahn oder den Regionalexpress. Aber im Winter fahre ich in den meisten Fällen mit meinem Auto zur Arbeit.
    ...
    Warum fahren Sie nicht mehr mit der U8?

    In unserem Verein gibt es den Spruch: Alles ist besser als die U8. Es sind viele negative Erlebnisse, die sich über die Jahre zu einem negativen Bild verdichtet haben. Es geht um Schmutz, Verwahrlosung und um vieles andere mehr, sowohl in den U-Bahnhöfen als auch in den Zügen. Wenn ich auf den Bahnhof Heinrich-Heine-Straße komme und alle Sitzbänke sind mit Drogenabhängigen oder Wohnungslosen besetzt, ist das einfach nicht schön. Ich stelle nicht in Abrede, dass es den Junkies schlecht geht und dass man sich um sie kümmern muss. Aber der Nahverkehr kann nicht die sozialen Probleme Berlins zulasten der Fahrgäste lösen. Das wäre unzumutbar. Auf der U8 ist es schon seit vielen Jahren nicht schön, und es wird immer schlimmer. Ich werfe den Bezirken und dem Senat vor, dass sie zu wenig unternehmen.

    #Berlin #U-Bahn #Alexanderplatz #Heinrich-Heine-Straße #Potsdamer_Platz #Spittelmarkt #Südkreuz #Religion #Bettler

  • Regina Ziegler: „Als ich nach Berlin kam, war ich wie im Rausch“
    https://www.berliner-zeitung.de/panorama/regina-ziegler-als-ich-nach-berlin-kam-war-ich-wie-im-rausch-li.215


    „Die Mitte meiden und sich am Rand wohlfühlen“: Regina Ziegler lebt in Zehlendorf. Foto Guido Werner/Ziegler Film

    30.10.2033 von Anne Vorbringer - Berlin hat rund 3,8 Millionen Einwohner, und jeder hat seinen eigenen Blick auf die Stadt. Was macht Berlin aus, wieso lebt man hier – und tut man es überhaupt gern?

    In unserer Rubrik „Fragebogen Berlin“ fragen wir bekannte Hauptstädterinnen und Hauptstädter nach ihren Lieblingsorten und nach Plätzen, die sie eher meiden. Sie verraten, wo sie gern essen, einkaufen oder spazieren gehen. Aber auch, was sie an Berlin nervt und was man hier auf keinen Fall tun sollte.

    Diesmal hat Regina Ziegler unsere Fragen beantwortet, die in diesem Jahr großes Jubiläum feiern kann. Vor 50 Jahren gründete sie Ziegler Film und wurde Deutschlands erste Produzentin. Bis heute realisierte sie rund 500 Filmprojekte und gehört damit zu den produktivsten und erfolgreichsten Produzenten des Landes.

    Für ihr neuestes Projekt arbeitete Ziegler mit dem Streaming-Riesen Amazon zusammen. Seit dem 26. Oktober läuft die Serie „Die Therapie“ exklusiv bei Prime Video. Die Buchvorlage stammt von einem anderen bekannten Berliner: dem Bestseller-Autor Sebastian Fitzek.

    1. Frau Ziegler, seit wann sind Sie schon in der Stadt?

    Eigentlich wurden meine Wurzeln in Berlin 1943 gepflanzt. Meine Mutter wohnte damals in Charlottenburg in der Röntgenstraße. Sie war mit mir hochschwanger und wurde mit meiner älteren Schwester an der Hand drei Tage und vier Nächte im Luftschutzkeller verschüttet. Als wir gerettet waren, war unsere Wohnung nicht mehr da. So trampte sie nach Allrode im Harz zu ihren Eltern und ich wurde am 8. März in Quedlinburg geboren und war der Hit des Weltfrauentages 1944. Diese Geschichte saß so tief in mir, dass ich nach dem Abitur 1964 zum Jurastudium nach Berlin zog.

    2. Welcher ist Ihr Lieblingsort in Berlin?

    Der China Club in der Behrenstraße 72, der seit vielen Jahren meinen Gästen und mir auch wegen seiner fantastischen asiatischen Küche und wegen des Restaurantmanagers Henryk Vieillard ein Genuss ist.

    3. Wo zieht es Sie hin, wenn Sie entspannen wollen?

    In mein Bett …

    4. Welche Ecken der Stadt meiden Sie?

    Als Dauer-Radiohörerin kenne ich immer aktuell die Präsenz der Klebeaktionen der Letzten Generation und kann entsprechend reagieren. Meistens gelingt es mir, dadurch stundenlange Staus zu vermeiden und zu meinen Terminen pünktlich zu sein.

    5. Ihr ultimativer Gastro-Geheimtipp?

    Das 893 Ryotei in der Kantstraße und das Ponte in der Regensburger Straße zum Dinner. Zum Lunch empfehle ich die Salumeria Rosa in der Neuen Kantstraße 25.

    6. Ihr ultimativer Shopping-Geheimtipp?

    Es gibt kleine, feine Boutiquen rund um den Savignyplatz, in denen ich mich gerne nach ausgefallenen Modellen umschaue. Und an einem Issey-Miyake-Shop kann ich nicht vorbeigehen, ohne reinzuschauen. Gott sei Dank haben wir in Berlin keinen Miyake-Laden.

    7. Der beste Stadtteil Berlins ist …

    Charlottenburg war und ist immer noch mein bevorzugter Kiez. Als ich 1964 aus Obernkirchen nach Berlin kam, war ich wie im Rausch. So viele Menschen wie an der Kaiser-Wilhelm-Gedächtniskirche hatte ich noch nie gesehen. Ich mietete ein Zimmer in der Mommsenstraße 36 bei einer kinderreichen Familie. Meine Vermieterin und ihre vier Kinder nahmen mich wie ein Familienmitglied auf, und sie drückte auch ein Auge zu, wenn mein späterer Ehemann Hartmut Ziegler mal über Nacht blieb, was damals strikt verboten und deshalb sehr ungewöhnlich war und zu der Geburt von Tanja führte.
    Um mir etwas dazuzuverdienen, trug ich in Charlottenburg die Berliner Morgenpost aus und verkaufte an den Wohnungstüren Waschmaschinen. Während der ersten Jahre beim Sender Freies Berlin in der Masurenallee nutzte ich noch jeden Tag die Straßenbahn entlang der Kantstraße. Mein erster Spielfilm „Ich dachte, ich wäre tot“ lief 1974 mit großem Erfolg viele Wochen im filmkunst 66 in der Bleibtreustraße 12. Als die langjährigen Besitzer des Kinos, Rosemarie und Franz Stadler, das filmkunst 66 verkauften, haben Tanja und ich nicht lange überlegt – und uns einen Traum erfüllt.

    8. Das nervt mich am meisten an der Stadt:

    Klaus Wowereit hat mit Georgia Tornow vor vielen Jahren am Potsdamer Platz den Boulevard der Stars ins Leben gerufen. Da haben die Sterne noch gestrahlt. Meiner auch. Heute sind sie total verrottet und vergammelt. Diese Sterne sind für mich auch Sinnbild für die Filmfestspiele und deren ungewisse Zukunft.

    9. Was muss sich dringend ändern, damit Berlin lebenswert bleibt?

    Dass in Berlin keine Menschen mehr unter den Brücken schlafen müssen. Wir brauchen bezahlbaren Wohnraum, wir brauchen eine nachhaltige Verbesserung der Verkehrssituation. Die Menschen müssen kurzfristiger Termine bei den Bürgerämtern bekommen. Und beim BER müssen endlich die Laufbänder und die Fahrstühle funktionieren und nicht tagelang ausfallen. Ich finde es unverständlich, dass die Lufthansa nur wenige Direktflüge aus der deutschen Hauptstadt ins Ausland anbietet. Auch das muss sich dringend ändern.
    Und aus aktuellem Anlass möchte ich hinzufügen: Eine Stadtgesellschaft hat Regelungen und Gesetze, an die sich alle halten müssen – ganz gleich, ob sie in Berlin geboren oder erst später hierhergekommen sind: Sie sind Berliner. Es gibt keinen Platz für Hass, Aggression, Gewalt, Intoleranz und Antisemitismus.

    10. Ihr Tipp an Unentschlossene: Nach Berlin ziehen oder es lieber bleiben lassen?

    Wenn, dann die Mitte meiden und sich am Rand wohlfühlen.

    11. Cooler als Berlin ist nur noch …

    Quedlinburg, weil ich da geboren bin.

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    Zur Person

    Regina Ziegler kam 1944 in Quedlinburg (Sachsen-Anhalt) zur Welt. 1964 ging sie nach Berlin und arbeitete nach einer Ausbildung zur Wirtschaftsdolmetscherin zunächst als Produktionsassistentin beim SFB. 1973 gründete sie ihre eigene Firma. Gleich für ihre erste Produktion „Ich dachte, ich wäre tot“ erhielt sie mehrere Auszeichnungen. Mittlerweile haben sie und ihre Tochter Tanja (Foto) rund 500 Filme und Serien für Kino und Fernsehen produziert.

    Tanja Ziegler stieg im Jahr 2000 ins Unternehmen Ziegler Film ein und besitzt inzwischen die Mehrheit der Anteile. Regina Ziegler ist Honorarprofessorin an der Filmuniversität Babelsberg, gemeinsam mit ihrer Tochter betreibt sie das Berliner Programmkino filmkunst 66. Vom Museum of Modern Art in New York wurde sie 2006 mit einer Retrospektive geehrt. 2017 veröffentlichte sie ihre Autobiografie „Geht nicht gibt’s nicht“. Ihre neue Produktion, die sechsteilige Thriller-Serie „Die Therapie“, läuft aktuell bei Amazon Prime Video.

    #Berlin
    #Charlottenburg #Bleibtreustraße #Kantstraße #Masurenallee #Mommsenstraße #Neue_Kantstraße #Röntgenstraße #Regensburger_Straße #Savignyplatz
    #Mitte #Behrenstraße #Potsdamer_Platz
    #Wilmersdorf
    #Zehlendorf

    #Fernsegen
    #Film
    #Gastronomie
    #Kino

  • Reinigungskräfte am Potsdamer Platz: „Sie sollen sich nicht durch die obere Stadt bewegen“
    https://www.berliner-zeitung.de/mensch-metropole/reinigungskraefte-am-potsdamer-platz-sie-sollen-sich-nicht-durch-di

    Da ist er, der „größte Niedriglohnsektor Europas“, auf dessen Durchsetzung Ex-Bundeskanzler Schröder stolz ist. Ab dem Jahr 2003 setzten Grüne und SPD alles daran, der deutschen Wirtschaft Kostenvorteile im weltweiten und vor allem innereuropäischen Konkurrenzkampf durch massive Einkommensverluste großer Teile der Bevölkerung zu verschaffen. Der „Genosse der Bosse“ und seine Spießgesellen waren letztlich sehr erfolgreich darin, viele Familien nicht nur ärmer zu machen sondern die Arbeitsbedingungen derart zu verschlechtern, dass die Lebenszeit einfacher Arbeiterinnen und Arbeiter wieder deutlich verkürzt wurde.

    Dieses Interview erzählt davon, wie und wieso die Betroffenen der Armut trotz Arbeit bei ihrer eigenen Ausbeutung mittun.

    2.7.2023 von Niklas Liebetrau - Mitten in Berlin gibt es eine „Unterwelt“, durch die sich Menschen bewegen, die Dreck beseitigen. Eine Forscherin hat einige von ihnen über Monate dort begleitet.

    Es handelt sich um die größte Handwerksbranche Deutschlands. Eine, die gleichzeitig kaum sichtbar ist: die Gebäudereinigung. 700.000 Menschen putzen täglich Großraumbüros, Treppenhäuser, Einkaufszentren. Und werden dabei meistens gar nicht wahrgenommen. Auch am Potsdamer Platz ist das so. Die Arbeiter dort bewegen sich durch ein unterirdisches Tunnelsystem, fernab von Touristen, Büroangestellten und Anwohnern. Eine Unterwelt.

    Die Berliner Organisationswissenschaftlerin Jana Costas hat über Monate die Reinigungskräfte am Potsdamer Platz bei ihren Schichten begleitet. Herausgekommen ist ihre umfassende und nicht ganz unumstrittene ethnografische Studie „Im Minus-Bereich“. Zum Interview treffen wir die Forscherin in einem kleinen Gemeinschaftsbüro mit unverputzten Wänden und typischem Kreuzberger Charme, mitten im Bergmannkiez.

    Berliner Zeitung: Frau Costas, was hat Sie an Ihrer Studie am meisten überrascht?

    Jana Costas: Vor allem, dass die Reinigungskräfte entgegen gängiger Annahmen auch Freude und Spaß an ihrer Arbeit haben und ein starkes Arbeitsethos zelebrieren. Sie betonen zum Beispiel immer wieder, wie hart ihre Arbeit sei. Ich fand das bemerkenswert und habe mich gefragt, woran das liegt.

    Haben Sie eine Antwort gefunden?

    Trotz aller Unterschiede ist ihnen allen gemein, dass sie sich ihrer Arbeit zuwenden, um Würde zu erlangen. Einige kommen aus Deutschland, andere sind nach Deutschland immigriert, es gibt welche, die haben eine Ausbildung als Gebäudereiniger, andere haben Qualifikationen als Friseurinnen oder Heizungstechniker. Das Leben mancher Reinigungskräfte war durch Arbeitslosigkeit, Obdachlosigkeit oder Abhängigkeit geprägt. Aber allen geht es sehr stark darum, sich als arbeitende Menschen zu definieren, die Geld verdienen, eine Struktur haben. So grenzen sie sich von denen ab, die nicht arbeiten.

    Für Ihre Studie haben Sie vier Menschen ins Zentrum gerückt: Luisa, Marcel, Ali und Alex. Wie kamen Sie auf diese vier?

    Sie sind auf unterschiedlichen Wegen zu ihrem Beruf gekommen, und sie üben unterschiedliche Tätigkeiten aus: Zigarettenstummel auf der Straße aufsammeln, das Einkaufszentrum säubern, in Wohn- und Bürohäusern oder Cafés reinigen. Ich habe mich den unterschiedlichen Schichten angeschlossen, um ihre verschiedenen Perspektiven auf die Arbeit kennenzulernen.

    Reinigungskräfte sollen so unsichtbar wie möglich sein.

    Wer sind die vier?

    Alex ist ein 18-Jähriger aus dem Wedding, der, genau wie sein Vater einst, eine Ausbildung zum Gebäudereiniger macht. Für ihn ist das eine ganz normale Arbeit, er möchte nicht im Büro sitzen, sondern körperlich arbeiten. Ali, Ende dreißig, aus Kreuzberg, hat eine Ausbildung zum Maschinenfahrer gemacht und ist dann gewechselt. Bei ihm ist auffällig, wie zuvorkommend er den Kunden gegenübertritt. Luisa, 37, kommt aus Angola, spricht fast kein Deutsch und wurde vom Jobcenter vermittelt. Sie hat einen schweren Stand unter den Reinigungskräften. Und Marcel, 38, aus Eberswalde, ehemals drogenabhängig, der auch mal eine Zeit im Gefängnis saß, sagt, seine Mutter sei mächtig stolz auf ihn, dass er einen solchen Job hat.

    Sie alle arbeiten für die gleiche Firma am Potsdamer Platz in unterschiedlichen Objekten. Was ist das für ein Ort?

    Im Grunde ist das eine Mikrostadt. Es gibt Kinos, Hotels, Restaurants, Supermärkte, Arztpraxen, Büros, Wohnungen, sogar ein Casino. Ein Ort, der hell erstrahlt und sich glamourös darstellt: Sehr viel Glas, sehr viele hohe Gebäude, große Empfangshallen, zum Teil ausgestattet mit edlem Holz oder Marmor. Entworfen von internationalen Stararchitekten.

    Im Minus-Bereich ist es stickig, manchmal stinkt es.

    Aber es gibt auch eine Unterwelt.

    Genau. Die Unterwelt nennen die Reinigungsleute auch den Minus-Bereich. Ein Ort, der bis zu vier Ebenen in die Tiefe geht, ein labyrinthisches Tunnelsystem, über das sie von einem Gebäude zum nächsten kommen. Dort befinden sich ihr Materialraum mit den Reinigungsutensilien und ihre Schließfächer. Einige verbringen hier ihre Frühstückspausen. Im Minus-Bereich ist es mal stickig, an anderen Stellen kalt, manchmal stinkt es. Ab 9 Uhr morgens sollen sie sich mit ihrem Reinigungswagen nicht mehr durch die obere Stadt bewegen. Sie sollen die Touristinnen, Büroangestellten und Bewohner nicht stören und so unsichtbar wie möglich sein.

    Sie thematisieren in Ihrem Buch den Begriff „Dramen der Würde“. Was muss man sich darunter vorstellen?Würde fußt auf zwei Aspekten: Dem Selbstwertgefühl und der Anerkennung durch andere. Bei Reinigungskräften stehen diese Komponenten in einem Spannungsverhältnis. Während sie es zwar schaffen, ein Selbstwertgefühl bei ihrer Arbeit zu entwickeln, erfahren sie in der Begegnung mit anderen gerade wegen dieser Arbeit wenig Respekt.

    Können Sie ein Beispiel nennen?

    Ich habe mit einer Reinigungskraft mal die Lobby eines Apartmenthauses gesäubert. Dort stand ein Tisch mit einer Glasplatte. Diese Reinigungskraft ist sehr gewissenhaft, benutzt nur die besten Reinigungsutensilien, ist sehr höflich, auch zu den Empfangsdamen. Und dann kam der Manager dieses Hauses und hat mitbekommen, dass die Gummimagnete unter der Glasplatte beim Säubern ganz leicht verrutscht waren. Er ist sehr laut geworden und war extrem herabwürdigend. Das Drama wird ersichtlich, wenn die Reinigungskraft danach draußen steht, mit zitternden Händen eine Zigarette raucht und Rachefantasien entwickelt.

    Rachefantasien?

    Er hat dem Manager gewünscht, dass man den mal in die Fankurve von Union Berlin stecken sollte und der dort dann „Ich hasse Union“ rufen solle. Dann könne er mal sehen, was mit ihm geschehe. In solchen Momenten merkt man, wie schwer es für die Reinigungskräfte ist, ihre Würde zu bewahren.

    Wie war das für Sie in dem Moment?

    Schlimm, weil ich auch noch mit daran Schuld hatte, dass die Magnete verrutscht waren. Das ist mir nahegegangen, auch wenn ich mich als Forscherin anders als die Reinigungskraft distanzieren konnte. Bei einer anderen Szene war das schon schwerer.

    Welche war das?

    Da ging es um Luisa, die Frau aus Angola. Sie ist neu in der Gruppe, hat vorher nie als Reinigungskraft gearbeitet. Die anderen sind genervt von ihr. Einer der Vorarbeiter hat ihr empfohlen, zu ihrem Geburtstag einen Kuchen mitzubringen, weil man das ja so mache in Deutschland. Also hat sie eine Torte gebacken und auch noch angolanische Hähnchenbällchen mitgebracht, sie ist nach ihrer Schicht morgens um 9 Uhr länger geblieben und hat alles im Materialraum in Minus Zwei angerichtet. Aber die anderen haben nur ihre eigenen Graubrote gegessen und niemand hat ein Wort gesagt. Als Luisa ihnen ihre Torte angeboten hat, haben die meisten abgelehnt.

    Das klingt, als hätten da auch rassistische Motive eine Rolle gespielt.

    Die gab es durchaus. Gleichzeitig ist mir sehr wichtig zu betonen, dass nicht alle Reinigungskräfte Rassisten sind. Und dass sich das auch wandeln kann. Nach dieser Situation gab es eine Intervention durch das Management. Und als Luisa wenig später in eine andere Schicht kam, haben die, die gerade noch schlecht über sie sprachen, gesagt: Die Guten werden immer abgezogen. Verrückt, oder?

    Wie erklären Sie sich das?

    Durch Ausgrenzung versuchen sich die Reinigungskräfte voneinander abzuheben. Es ist ein Beruf ohne Zugangshürden, im Grunde kann den jeder machen. Aber wenn ihn jeder oder jede machen kann, was heißt es dann, eine Reinigungskraft zu sein? Deswegen betonen sie die individuellen Unterschiede: Die ist so faul, aber guck mal, wie toll ich das hier mache. Das kann aber nicht aufrechterhalten werden, weil sie trotzdem alle die Herabwürdigung von außen erfahren.
    Scham bei der Einstellung einer Reinigungskraft

    Woher kommt die Stigmatisierung von Reinigungskräften?

    Schmutz wird in vielen Kulturen abwertend gesehen, das gilt auch für die Arbeit damit. Es gibt die These, dass Reinigungskräfte uns an unsere Unreinheit erinnern. Reinigungskräfte haben außerdem einen Einblick in unsere intimste Privatsphäre und werden deswegen unsichtbar gemacht. Damit sie aus dem Wissen keine Macht über uns entwickeln.

    Mir scheint, viele Menschen, die eine Reinigungskraft beschäftigen, schämen sich dieses Privilegs. Wie sehen Sie das?

    Ich bin mir nicht sicher, ob das in der Breite wirklich der Fall ist. Wenn die Büroangestellte mit zwei Kindern jetzt aus Scham keine Reinigungskraft mehr einstellt und es selbst macht, ist das ja auch eine Unsichtbarmachung dieser Arbeit. Für mich ist die Frage eher: Wie verbessern wir die Arbeitsbedingungen der Reinigungskräfte? Wenn sie gut bezahlt werden und unter anständigen Bedingungen arbeiten, sehe ich weniger ein Problem. Sonst würde sich die Frage stellen: Wer macht es dann?

    Inwiefern hat sich für Sie persönlich der Umgang mit Reinigungskräften verändert?

    Erst mal fühle ich mich bestätigt, dass man die Realitäten dieser Menschen dann am besten verstehen kann, wenn man Teil ihrer Arbeitswelt wird. Und dann ist mir noch mal bewusst geworden, wie schon kleine Gesten der Wertschätzung, etwa eine freundliche Begrüßung, sehr viel ausmachen können. Es ist wichtig für diese Menschen, für ihre Würde.

    Ihre Art des Forschens wurde auch kritisiert. Ihnen wurde vorgeworfen, aus einer privilegierten Haltung auf Probleme zu schauen, die nicht Ihre sind, und dass dadurch die Gefahr bestehe, Verhältnisse durch die eigene Brille zu interpretieren, also zu verzerren. Was entgegnen Sie dem?

    Erst mal kann die Verzerrung bei jeder Form des Forschens stattfinden, bei Statistiken, Umfragen, Interviews. Wenn man sich sechs Monate mit den Menschen beschäftigt, bekommt man einen ganz anderen Zugang, als wenn man sie eine Stunde lang interviewt. Davon abgesehen bin ich mir vollkommen bewusst, dass meine Studie natürlich von meinem Blickwinkel beeinflusst ist. Das ist aber nur dann problematisch, wenn ich dies nicht reflektiere. Das habe ich aber getan. Außerdem muss man sich auch mal die Alternative ansehen: Dann könnte ich ja nur Menschen beforschen, die so sind wie ich. Und die Perspektive der Reinigungskräfte bliebe weiterhin unsichtbar.

    Zur Person

    Jana Costas, 40, ist in Berlin geboren und aufgewachsen. Sie hat in Cambridge und London studiert und seit 2014 den Lehrstuhl in Personal, Arbeit & Management an der Europa-Universität Viadrina in Frankfurt (Oder) inne.

    Ihr Buch „Im Minus-Bereich: Reinigungskräfte und ihr Kampf um Würde“ ist im Suhrkamp-Verlag erschienen (280 Seiten, 20 Euro).

    Einkommensgruppen | Die soziale Situation in Deutschland | bpb.de
    https://www.bpb.de/kurz-knapp/zahlen-und-fakten/soziale-situation-in-deutschland/61763/einkommensgruppen

    Der Anteil der Einkommensschwachen erhöhte sich zwischen 1996 und 2016 von 18,4 auf 24,4 Prozent und der Anteil der Einkommensstarken von 16,8 auf 19,6 Prozent.

    Ergo dürfte sich der Anteil der „Normalverdiener“ auch „Mittelschicht“ genannt von 64,8 Prozent auf 56 Prozent verringert haben. Für diese Menschen wurde durch die gesetzlich Verschlechterung ihrer Rechte der soziale Abstieg zur alltäglichen Bedrohung.

    Agenda 2010
    https://de.m.wikipedia.org/wiki/Agenda_2010

    Auch der Euro-Beitritt erfolgte zu einem überhöhten Wechselkurs. Um das Preisniveau zu korrigieren, sei eine Innere Abwertung insbesondere durch Reallohnverluste erforderlich gewesen. Diese notwendige Verbesserung der Wettbewerbsfähigkeit sei aber nicht der Reformpolitik, sondern der Unabhängigkeit der Lohnverhandlungen von der staatlichen Gesetzgebung und dem im internationalen Vergleich einzigartigen Zusammenspiel der deutschen Tarifpartner bei der Entscheidung über Löhne und Tarifverträge mithilfe der Tarifautonomie zuzuschreiben. Die typisch deutschen Arbeitsmarktinstitutionen der Arbeitgeberverbände, Gewerkschaften und Betriebsräte seien die Voraussetzung dafür, dass flexibel auf außergewöhnliche ökonomische Situationen reagiert werden könne, wie sie die Deutsche Wiedervereinigung und die Osterweiterung der EU darstellten. Die Tarifpartner könnten so bei der Lohnfindung auf die konjunkturelle Lage je nach Branche, Region oder sogar innerhalb der Unternehmen selbst Rücksicht nehmen, unabhängig von gesetzlichen Regelungen wie etwa Mindestlöhnen oder den Arbeitszeiten, und sich im gegenseitigen Einvernehmen einigen.

    #Berlin #Arbeit #Niedriglohn #Agenda_2010 #Potsdamer_Platz #Dienstleistung #Soziologie

  • RIAS-Kutte kennt sich aus mit Kurt Pomplun
    http://www.rias1.de/sound4/rias_/kutte/kutte.html

    RIAS Berlin „Kutte kennt sich aus“ (1971-1977) mit Heimatforscher Kurt Pomplun
    „Rundschau am Mittag“ 31.12.1968 Joachim Cadenbach im Interview mit Kurt Pomplun (2:54): Im Juni ist ja die Temperaturen sehr erfreulich, auch wenn Napoleon behauptet hat, der deutsche Sommer ist ein grün angestrichner Winter.

    http://www.rias1.de/sound4/rias_/rundschau/rundschau/681231_rias_aktuell_rundschau_am_mittag_joachim_cadenbach_interview_kurt_pompl
    Auf der Seite können sie die Folgen 1 bis 127 hören.

    Kurt Pomplun – Wikipedia
    https://de.wikipedia.org/wiki/Kurt_Pomplun

    Kurt Pomplun (* 29. Juli 1910 in Schöneberg; † 5. August 1977 in Berlin) war ein deutscher Heimatforscher. Er publizierte Werke zur Geschichte Berlins und Brandenburgs, seiner Mundart und mündlich überlieferten Märchen und Sagen.
    ...
    Pomplun beantragte am 27. Dezember 1937 die Aufnahme in die NSDAP und wurde rückwirkend zum 1. Mai desselben Jahres aufgenommen (Mitgliedsnummer 5.585.940).[1] Bereits 1933 war er der SS beigetreten, in der er es mindestens bis zum Hauptscharführer brachte.
    ...
    Im Alter von 67 Jahren verstarb Kurt Pomplun am 5. August 1977 während einer Diskussion in der Schöneberger Buchhandlung Elwert und Meurer an Herzversagen.

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  • Revolution von oben
    https://www.jungewelt.de/artikel/439565.aufkl%C3%A4rer-und-bonapartist-revolution-von-oben.html

    25.11.2022 von Marc Püschel - »Demokratische Grundsätze in einer monarchischen Regierung: Dieses scheint mir die angemessene Form für den gegenwärtigen Zeitgeist. Die reine Demokratie müssen wir noch dem Jahre 2440 überlassen, wenn sie anders je für den Menschen gemacht ist.« Als der Hannoveraner Karl August von Hardenberg (#Hardenbergstraße, #Hardenbergplatz) dies 1807 niederschreibt, ist es eigentlich schon keine Provokation mehr. Von Napoleon lernen heißt siegen lernen, das wusste ganz Europa in diesen Tagen. Und doch war es nicht selbstverständlich, sich inmitten einer allgemeinen Reaktion gegen Frankreich nicht dessen militärisches oder diplomatisch-außenpolitisches, sondern gerade das innenpolitische Reformprogramm zum Vorbild zu nehmen. Es bedurfte eines außergewöhnlichen Staatsmannes, um dies in Preußen (#Preußenallee, #Preußenstraße) durchzuführen.
    Frühe Reformversuche

    Hardenberg wird 1750 in eine Adelsfamilie geboren, die traditionell im Dienste Hannovers stand. Sein Vater diente sich in der Armee des Kurfürsten Georg III. (der zugleich König Großbritanniens war) bis zum Generalfeldmarschall hoch. Für die damalige Zeit des aufgeklärten Absolutismus in der deutschen Kleinstaatenwelt ist Karl Augusts Lebenslauf geradezu typisch: 1766 immatrikuliert er sich zum Studium der Jurisprudenz in Göttingen, das allerdings mehr ein Vorwand ist, um sich über die Jahre einen breiten Bildungshorizont – von antiker Philologie, Musik, Philosophie bis hin zu Staatswissenschaft und Manufakturwesen – zu erwerben. Auf einer »Kavaliersreise« durch das Heilige Römische Reich im Jahr 1772 fällt ihm die Reformbedürftigkeit der Reichsinstitutionen ins Auge, und so nimmt es nicht Wunder, dass er, als er 1775 eine Stelle als Kammerrat in Hannover annimmt, sogleich den Dienstherren mit hochfliegenden Reformvorschlägen aufwartet. Doch seine Forderungen nach einer zentralstaatlichen Regierung und einer unabhängigen Beamtenschaft (die sich damals weitestgehend durch Entgelte, die Untertanen für Amtshandlungen zu bezahlen hatten, finanzierte) stoßen auf taube Ohren.

    Auch ein Herrscherwechsel bringt nicht die gewünschte Macht. Zwar erlangt Hardenberg in den 1780er Jahren eine einflussreiche Ministerstelle in Braunschweig (#Braunschweiger_Straße), doch als die Französische Revolution ausbricht und die deutschen Landesherren es mit der Angst zu tun bekommen, ist an größere Reformen nicht mehr zu denken. Ein glücklicher Zufall verschafft dem ambitionierten Hardenberg doch noch Einfluss: Preußen sucht 1790 einen leitenden Minister für die Markgrafschaften Ansbach (#Ansbacher_Straße)und Bayreuth (#Bayreuther_Straße) , die von einer Nebenlinie des Hauses Hohenzollern (#Hohenzollerndamm, #Hohenzollernplatz, #Hohenzollernstraße u.v.m.) regiert werden, aber formell unabhängig bleiben sollen, um keine außenpolitischen Querelen auszulösen. Friedrich Anton von Heynitz, preußischer Minister für Bergwerksangelegenheiten, schafft es, in Potsdam (#Potsdamer_Straße) seinen entfernten Verwandten Hardenberg für diesen Posten durchzusetzen. Plötzlich findet sich der Hannoveraner als »Vizekönig« in Franken (#Frankenallee) wieder, mit freier politischer Hand und nur dem preußischen König (#Königsallee u.v.m.) rechenschaftspflichtig. Sein Reformprogramm konnte er dennoch nicht ohne weiteres durchsetzen. Insbesondere mit dem fränkischen Adel, nach dessen Geschmack der Aufklärer Hardenberg nicht eben war, kam es zu heftigen Auseinandersetzungen, die letztlich ungelöst bleiben. Als 1797 in Preußen der neue König Friedrich Wilhelm III. (#Friedrich_Wilhelm_Platz) den Thron besteigt, zieht es den ehrgeizigen Hardenberg weiter nach Berlin (#Berliner_Straße, #Berliner_Allee). Frucht seiner Arbeit in Franken ist immerhin ein Kreis von loyalen und kompetenten Beamten, darunter Karl Sigmund Franz Freiherr vom Stein zum Altenstein, der später der wichtigste Förderer Hegels (#Hegelplatz) in Berlin werden wird.
    Zwischen den Fronten

    In Berlin angekommen, ist Hardenberg schnell mit der schwierigen außenpolitischen Lage Preußens konfrontiert. Von dem zögerlichen Friedrich Wilhelm III. regiert, schwebt das Land knappe zehn Jahre in einer prekären Neutralität, eingekeilt zwischen einem Jahr für Jahr mächtiger werdenden Frankreich und dem Block seiner Gegner Russland, Österreich und England (#Englische_Straße). Hardenberg, seit 1804 der für Außenpolitik zuständige leitende Kabinettsminister, steht zwar politisch Napoleon näher als alle anderen seiner Kollegen, ist aber hellsichtiger Realpolitiker genug, um die schließliche Übermacht von dessen Gegnern vorauszusehen. Noch während sein König Napoleon und Talleyrand den Schwarzen Adlerorden verleiht, streckt Hardenberg seine Fühler nach Russland aus und riskiert damit – der letztlich zustandegekommenen Defensivallianz Preußens mit Russland von 1804 zum Trotz – seine Karriere.

    Angesichts des militärischen Genies Napoleons erscheint Hardenberg zunächst als Verlierer der Geschichte. Nachdem Frankreich im Dezember 1805 bei Austerlitz die russisch-österreichische Armee besiegt hatte, schlägt das Pendel auch in Berlin nach Westen aus: Preußen wird mit dem »Pariser Vertrag« (#Pariser_Platz, #Pariser_Straße) vom 15. Februar 1806 faktisch Frankreichs Verbündeter und erhält dafür Hannover (#Hannoversche_Straße). In den Genuss, quasi seine Heimat mitzuregieren, kommt Hardenberg nicht. Napoleon, der genau weiß, wer sein wichtigster preußischer Gegenspieler ist, fordert seine Entlassung als »Feind Frankreichs«. Der politisch isolierte Hardenberg wird nach einem Rücktrittsgesuch beurlaubt, hält aber von seinem Landgut Tempelberg aus weiterhin den Kanal nach Russland offen – im Auftrag des preußischen Königs. Dessen außenpolitische Sprünge werden immer gewagter: Als er Mitte 1806 erfährt, dass Frankreich (#Französische_Straße) überlegt, mit England Frieden zu schließen und den Briten Hannover zurückzugeben, lässt er in einem fast schon irrationalen Akt die preußische Armee mobilisieren. Für Napoleon ist das politisch isolierte Preußen mehr lästig als ein ernsthaftes Problem. Nach den deutlichen Niederlagen von Jena (#Jenaer_Straße) und Auerstedt im Oktober 1806 besetzt er große Teile des norddeutschen Königreichs und macht es zu einem Satellitenstaat. Friedrich Wilhelm III. muss nach Ostpreußen fliehen, das nach der in einem Patt endenden Schlacht bei Eylau (#Eylauer_Straße) im Februar 1807 immerhin sicher ist. Hier, am äußersten östlichen Rand des Königreichs, eingeklemmt zwischen Frankreich und Russland, die im Juli 1807 auf Kosten des territorial stark geschrumpften Preußens den Frieden von Tilsit schließen, wird Friedrich Wilhelm III. klar, dass es politisch nicht mehr weitergehen kann wie bisher. Die »französische Partei« an seinem Hofe, die innenpolitisch alles beim Alten belassen will, ist schlagartig erledigt. Der »Russenfreund« Hardenberg, der französisch regieren will, ist dagegen plötzlich der Mann der Stunde.
    Der Berg zum Propheten

    Preußen macht sich in diesen Jahren an ein Reformprogramm, das außerhalb Frankreichs seinesgleichen sucht. Offiziell darf Hardenberg mit der Politik des Landes, das jetzt endgültig unter der Fuchtel Napoleons steht, nichts zu tun haben. Doch glücklicherweise hat er einen Verbündeten, der die Reformpolitik in seinem Sinne am Königshof im wahrsten Sinne des Wortes »durchboxt«.

    Heinrich Friedrich Karl vom und zum Stein, Spross eines reichsritterschaftlichen Geschlechts aus Nassau, hatte einen dem Hardenbergs verblüffend ähnlichen Lebenslauf. Wie dieser studierte er in Göttingen Jura, hörte Reichsrecht bei dem berühmten Johann Stephan Pütter, interessierte sich wie Hardenberg unter anderem für Montesquieu und die englisch-schottische Aufklärung und stieg – gleichfalls protegiert von Bergwerksminister Heynitz – in der preußischen Provinz rasch im Staatsdienst auf. In Westfalen wurde Stein zu einem »Fachmann für Frühindustrialisierung«¹ und war bis 1792 Leiter sämtlicher preußischer Bergämter im Westen, bevor er Anfang des neuen Jahrhunderts Minister im Generaldirektorium wurde, der obersten Verwaltungsbehörde Preußens. Wie Hardenberg war ihm jedoch die Staatsstruktur, der er diente, verhasst. Das Generaldirektorium selbst trug noch ein halb mittelalterliches Gepräge und bestand aus einer wüsten Mischung von sachlichen und territorialen Zuständigkeiten, die sich an allen Ecken und Enden überschnitten. Zum Kompetenzwirrwarr trat die Machtlosigkeit: Die eigentlichen Regenten waren die Handvoll Räte des königlichen Kabinetts, denen das Ohr des absoluten Monarchen gehörte; die Minister des Generaldirektoriums besaßen noch nicht einmal ein Vorspracherecht beim König. An eine effiziente, moderne Verwaltung war in diesem Unsystem nicht zu denken. Stein trat an, es zu stürzen.

    Den später oft gebrauchten Titel der »Stein-Hardenbergschen Reformen« trägt diese Umwälzung von oben jedoch zu Unrecht. Im positiven Sinne habe Stein, so urteilt der Historiker Eckart Kehr, gar nichts erreicht. Seine einzige selbständige Tätigkeit bestehe in einem »Verleumdungsfeldzug großen Stils«² gegen die Kabinettsräte, denen er von Amtsunfähigkeit über physische und moralische »Lähmungen« bis hin zur Teilnahme an angeblichen Orgien alles vorgeworfen habe, was man sich ausdenken konnte. Trotz des starken persönlichen Widerwillens, den der König gegen den Hitzkopf Stein hegt, wird dieser im Juli 1807 zum leitenden Staatsminister berufen. Nun ist die Bahn frei für eine umfassende Reformation von Staat und Gesellschaft, mit der Stein inhaltlich jedoch kaum etwas zu tun hat, denn alle neuen Gesetze liegen bereits mehr oder wenig ausformuliert vor – in den Schubladen der Schüler Immanuel Kants.

    Im stillen hatte sich in der entlegenen preußischen Provinz der Philosoph eine Schar örtlicher Beamter als Anhänger herangezogen, in deren Händen nun, ein denkwürdiger Zufall der Geschichte, nach der Flucht des Königs nach Königsberg die faktische Entscheidungsmacht über den neu zu schaffenden Staat liegt. Dieser Kreis war von Kants aufgeklärtem Ideal einer freien, sich selbst entfaltenden Individualität durchdrungen. Und gerade der obrigkeitstreue Einschlag, den Kants populäre Schriften hatten, machte seine Lehre prädestiniert für die Rezeption unter den Staatsdienern. Den Grundsätzen der Französischen Revolution war Kant nicht abgeneigt, doch könne Fortschritt ohne Chaos nur von oben erwartet werden. Der Staat, so fordert es Kant in »Der Streit der Fakultäten«, müsse »sich von Zeit zu Zeit auch selbst reformiere(n) und, statt Revolution Evolution versuchend, zum Besseren beständig fortschreite(n)«.

    Das war nun ganz nach dem Geschmack der Beamten, die Stein die gesellschaftlichen Reformen in die Feder diktierten. Hermann von Boyen (#Boyenallee), der die Heeresreform mit der allgemeinen Wehrpflicht konzipierte, hatte die Kriegsschule in Königsberg (#Königsberger_Straße) besucht und war durch die nebenbei besuchten Kant-Vorlesungen in den Bann der kritischen Philosophie geraten. Theodor von Schön, der das berühmte Oktoberedikt vorformulierte, war Sohn eines der besten Kant-Freunde. Der Königsberger Polizeidirektor Johann Gottfried Frey(#Freybrücke ?) , der die neue Städteordnung von 1808 schrieb, war Freund und Teilnehmer der legendären Tischgesellschaft des Philosophen. Auch Friedrich August von Staegemann und der ostpreußische Provinzialminister Friedrich Leopold von Schrötter, die beide das Oktoberedikt und die Finanzreformen maßgeblich beeinflussten, waren Kantianer. Wilhelm von Humboldt (#Humboldtstraße u.v.m.), Georg Niebuhr (#Niebuhrstraße ) und Stein (#Steinplatz, #Steinstraße) waren es durch ihre philosophische Lektüre ohnehin. Bedeutend war auch der Einfluss von Christian Jakob Kraus, der in Königsberg zunächst Kants (#Kantstraße) Vorlesungen besucht hatte, später dessen Kollege und entscheidend für die Rezeption der ökonomischen Theorien von Adam Smith in Deutschland wurde (der erwähnte Schrötter verpflichtete jeden Mitarbeiter des ostpreußischen Finanzdepartements, dessen Vorlesungen zu besuchen).

    Man kann das Außergewöhnliche dieser Situation gar nicht deutlich genug hervorheben. Mindestens ostelbisch war die altständisch-feudale Gesellschaftsordnung noch völlig intakt, ein freies Wirtschaftsbürgertum, das als revolutionäre Kraft oder auch nur als Opposition hätte fungieren können, gab es damals nicht. Um 1800 herum lebten noch 87 Prozent der preußischen Bevölkerung auf dem Land, und nur etwa eine halbe Millionen Menschen lebte in Städten mit mehr als 20.000 Einwohnern, die Mehrheit von ihnen einfache Bedienstete, Beamte oder Bildungsbürger.³ Dieser Gesellschaft wurde nun von einer kleinen Gruppe gebildeter Beamter – ökonomisch Smithianer, weltanschaulich-politisch Kantianer – eine bürgerliche Rechts- und Wirtschaftssphäre, wie sie sich in Frankreich revolutionär durchgesetzt hatte, von oben oktroyiert. So hatte ironischerweise der zurückgezogenste Philosoph der Neuzeit, quasi über die Bande seiner Schüler spielend, den wahrscheinlich größten Einfluss auf ein Staatswesen, den ein Philosoph seit der Antike je besessen hatte.

    An der Spitze aller Reformen standen das Oktoberedikt und die Reform der Staatsverwaltung. Ersteres sorgte nicht nur für die Befreiung der Bauern von Leibeigenschaft und Frondiensten, sondern schaffte in den ersten beiden Paragraphen auch die von Friedrich II. eingeführte strikte Trennung von adliger Landwirtschaft und bürgerlichem Gewerbe ab – was dafür sorgte, dass sich in Preußen im Laufe des 19. Jahrhunderts eine der englischen Gentry vergleichbare mächtige ländliche Unternehmerklasse herausbildete. Der Hardenberg-Intimus Schön sah in dem Oktoberedikt eine »Habeas-corpus-Akte der Freiheit« (der bürgerlichen Freiheit wohlgemerkt). Die Staatsverwaltung selbst wurde nun erstmals zentral organisiert, das undurchsichtige Kabinettswesen und das Generaldirektorium wurden durch eine einheitliche Regierung mit den in ihren Zuständigkeiten klar abgegrenzten Ministerien Inneres, Finanzen, Justiz, Außenpolitik und Heereswesen ersetzt.
    Mächtig wie Richelieu

    Hardenberg selbst, der in diesen Jahren ein zurückgezogenes Leben an der Ostsee führt, beeinflusst die Reformpolitik vor allem durch seine berühmte Denkschrift »Über die Reorganisation des Preußischen Staates, verfasst auf höchsten Befehl Seiner Majestät des Königs«, die er im September 1807 in Riga niederschreibt. Darin konstatiert er: »Der Wahn, dass man der Revolution am sichersten durch Festhalten am Alten und durch strenge Verfolgung der durch solche geltend gemachten Grundsätze entgegenstreben könne, hat besonders dazu beigetragen, die Revolution zu befördern und derselben eine stets wachsende Ausdehnung zu geben. Die Gewalt dieser Grundsätze ist so groß, sie sind so allgemein anerkannt und verbreitet, dass der Staat, der sie nicht annimmt, entweder seinem Untergange oder der erzwungenen Annahme derselben entgegensehen muss.«

    Auch beschreibt er hier bereits die Position eines leitenden Beamten, in dessen Hand alle Fäden der Verwaltung zusammenlaufen und dem alle anderen Staatsdiener loyal zuarbeiten müssen. Und in seiner »Braunsberger Denkschrift« tritt er 1808 bereits, »obwohl nach wie vor ohne Amt und aus Preußen verbannt, quasi als leitender Minister auf, der sich in Absprache mit seinem König seine Mannschaft zusammenstellte«⁴. Kaum gibt Napoleon im Mai 1810 seinen Widerstand gegen den Hannoveraner auf – er scheint nun die politische Verwandtschaft zu erkennen –, erhält Hardenberg am 4. Juni 1810 die neugeschaffene Stelle des Staatskanzlers, die er bis zu seinem Tode ausfüllen wird. Dank seines Monopols auf beratende Vorträge beim König wird Hardenberg der Unterordnung unter den König zum Trotz so mächtig, wie vor ihm als Staatsdiener wohl nur Kardinal Richelieu es gewesen ist.

    Mit Hardenberg erhalten die Reformen ein »französisches« Gesicht. »Wenige einsichtsvolle Männer müssen die Ausführung (der Reformen) leiten«, formuliert Hardenberg und versucht den Staatsaufbau napoleonisch-zentralistisch umzugestalten. Der wirtschaftliche und gesellschaftliche Liberalismus, den das Oktoberedikt mehr proklamiert hat, wird unter seiner Führung ab 1810 in einer rasanten Abfolge neuer Gesetze erst wirklich durchgesetzt. Mit dem Gewerbesteueredikt vom 28. Oktober 1810 und dem Gewerbepolizeigesetz vom 7. September 1811 wird die Gewerbefreiheit eingeführt. Die Regulierungs- und Landeskulturedikte vom September 1811 regeln die genaueren Abläufe der Agrarreform und die Umwandlung der Frondienste in einmalige Abschlagszahlungen. Zusätzlich bemüht man sich um eine einheitliche Besteuerung von Stadt und Land (Edikt über die Konsumtionssteuern und Finanzedikt vom 20./27. Oktober 1810). Allgemeine Wehrpflicht und städtische Selbstverwaltung helfen, die alte Ständeordnung zu sprengen, und nicht zuletzt Humboldts Bildungsreformen und das 1812 erlassene Emanzipationsedikt für die Juden, deren Gleichstellung ein besonderes Anliegen von Hardenberg war, weisen den Weg in eine bürgerliche Gesellschaft (#Bürgerstraße) freier und gleicher Staatsbürger. Doch die progressive Welle brach sich schließlich am ständischen Widerstand.
    Frondezeit

    Der Friede unter all den Reformern hatte ohnehin nur kurze Zeit gewährt. Bereits Steins Staatsdienst endete 1808 nach nur 14 Monaten, abgefangene Briefe entlarvten ihn als Konspirateur für einen Krieg gegen Frankreich, Napoleon machte Druck. Hardenberg konnte das nur recht sein, denn Stein hatte sich als Reformator ganz anderer Prägung erwiesen. Der Nassauer war immer Anhänger einer altständischen Gesellschaft geblieben. Ein neuer Staatsaufbau diente ihm in erster Linie der Destruktion des Absolutismus. Eine eigenständige Rolle des Beamtenapparats, wie es sich der Bonapartist Hardenberg wünschte, war ihm verhasst. Stein forderte statt dessen, die adligen Eigentümer an der staatlichen Verwaltung zu beteiligen. Die bestehenden Behörden sollten von ständischen Vertretern durchdrungen werden, wovon sich Stein eine schrittweise Selbstaufhebung der Behörden zugunsten des Adels versprach. Bereits die Preußische Städteordnung, die letzte unter Stein ausgearbeitete Reform, ging Hardenberg ob ihres Schwerpunkts auf dezentraler Selbstverwaltung zu weit (obwohl das neue, nur noch an einen Einkommensnachweis geknüpfte Bürgerrecht relativ fortschrittlich war).

    Als der ständische Hoffnungsträger Stein durch Hardenberg ersetzt ist, erhebt sich der adlige und bürgerlich-zünftige Widerstand mit aller Macht. Gefährlich wird diese ständische Renaissance in Person der 1810 rebellierenden Adligen Friedrich August Ludwig von der Marwitz und Graf Finck von Finckenstein (#Finckensteinallee) vor allem in Verbindung mit den romantischen Intellektuellen, die sich in Berlin sammeln. 1811 entsteht in Berlin die »Christlich-teutsche Tischgesellschaft«, an der unter anderem Adam Heinrich Müller, Achim von Arnim, Heinrich von Kleist (#Kleiststraße, #Kleistweg), Clemens Brentano (#Brentanostraße), Friedrich Carl von Savigny(#Savignyplatz) und Karl Friedrich Eichhorn (#Eichhornstraße) teilnahmen. Der gemeinsame Nenner, auf den ihre politische Abneigung zu bringen ist, heißt Hardenberg. Er regiert ihnen zu autoritär, zu aufgeklärt, zu französisch und zu judenfreundlich. Eine politische Zukunft hatte dieses antisemitisch-nationalistische Gebräu nicht. Die ständischen Opponenten um Marwitz wurden in Spandau inhaftiert, die Romantiker zerstreuten sich rasch.

    Wie stark der Adel trotz dieser Niederlage blieb, beweist jedoch das Gendarmerieedikt aus dem Jahre 1812. Dieses Gesetz war der Versuch einer völligen Neuordnung der Kreisverfassung. Der altpreußische Landrat, der immer dem lokalen Adel entstammen und damit dessen Interessenvertreter sein musste, wäre durch einen vom König ernannten Kreisdirektor ersetzt worden, die Gendarmerie zu einer gut ausgebauten und allein von der Zentralregierung befehligten Polizei geworden. Der preußische Behördenapparat hätte erstmals die Möglichkeit erhalten, Politik auch gegen den lokalen Adel durchzusetzen. Doch musste das Edikt nach zwei Jahren anhaltender Gegenwehr aufgegeben werden. Die preußische Provinz blieb fest in Junkerhand.

    Die größte Gefahr droht Hardenberg aus seinem eigenen Beamtenapparat. Seiner Stellung als fast schon allmächtiger Beamtenfürst zum Dank macht er sich schrittweise die meisten Bürokraten zum Feind. Sein bedeutendster Rivale wird Wilhelm von Humboldt. Seit Januar 1819 steht dieser, eigentlich im Innenministerium für Bildung zuständig, auch dem Ministerium für ständische Angelegenheiten vor und greift von dieser Position aus Hardenberg an. Er »sammelte von seinem ersten Tag im neuen Amt an alle um sich, die aus welchen Gründen auch immer gegen Hardenberg und seine Amtsführung zu mobilisieren waren«⁵. Der Konflikt eskaliert schließlich in der Verfassungsfrage, die Humboldt mit seiner »Denkschrift über ständische Verfassung« vom Oktober 1819 zu beeinflussen sucht. In der Forderung nach mitregierenden Ständekörperschaften weiß Humboldt sich mit Stein, der ihm für die Denkschrift zuarbeitet, einig. Hardenberg dagegen unternimmt alles, um eine nationale Repräsentation der Stände zu verhindern oder zumindest hinauszuzögern – in vollem Bewusstsein darüber, dass ein unweigerlich von Adel und Zunftbürgertum dominiertes preußisches Parlament sofort alle Reformen inklusive der Bauernbefreiung rückgängig machen würde. Gegen Humboldt bleibt er siegreich und kann im Dezember 1819 dessen Entlassung durchsetzen. Mit ihm verliert auch Stein den letzten politischen Einfluss in Preußen.

    Für Hardenberg ist es ein Pyrrhussieg. Mit den ausscheidenden liberalen Kräften fehlt ihm das Gegengewicht zu den konservativen Beamten um Karl Albert von Kamptz. 1821 kann der Polizeiminister Fürst Wittgenstein (#Wittgensteiner_Weg ) Hardenbergs Monopol auf beratende Vorträge beim König brechen, schrittweise wird der Staatskanzler in die politische Bedeutungslosigkeit gedrängt. Auch außenpolitisch fehlt ihm die Durchsetzungskraft, auf dem Wiener Kongress unterliegt er in den meisten seiner Gebietsforderungen Metternich. Am 26. November 1822 stirbt Hardenberg während einer Reise in Genua an einer Lungenentzündung. Sein Leichnam wird später nach Schloss Neuhardenberg im östlichen Brandenburg (#Brandenburgische Straße) verbracht, ein Herrensitz, den Friedrich Wilhelm III. dem 1814 zum Fürsten erhobenen Staatskanzler geschenkt hatte. Noch heute ist in der Schinkelkirche in Neuhardenberg in einem Glaskasten – Skurrilität preußischer Erinnerungskultur – Hardenbergs vertrocknetes Herz zu bestaunen.

    Anmerkungen

    1 Heinz Durchhardt: Freiherr vom Stein. Preußens Reformer und seine Zeit, München 2010, S. 22

    2 Eckart Kehr: Zur Genesis der preußischen Bürokratie und des Rechtsstaats. In: ders.: Der Primat der Innenpolitik, hg. v. Hans-Ulrich Wehler, 2., durchges. Aufl., Berlin 1970, S. 31–52, hier: S. 36

    3 Vgl. Sebastian Haffner: Preußen ohne Legende, 8. Aufl. Hamburg 1998, S. 207

    4 Lothar Gall: Hardenberg. Reformer und Staatsmann, München/Berlin 2016, S. 181

    5 Ders.: Wilhelm von Humboldt. Ein Preuße von Welt, Berlin 2011, S. 327

  • Tunnelbruch am Alex zeigt: So verwundbar ist Berlins Infrastruktur
    https://www.berliner-zeitung.de/mensch-metropole/berlin-verkehr-kommentar-sperrung-u2-der-tunnelbruch-am-alex-zeigt-

    25.11.2022 von Peter Neumann - Nicht zum ersten Mal hat ein privates Bauprojekt öffentliche Anlagen beschädigt. Schon 2018 warnte die BVG vor „erheblichen Risiken“ für die U-Bahn.

    In der U2 nach #Pankow ist es leer geworden. Das hat seinen Grund. Fahrgäste müssen in den U-Bahnhöfen Klosterstraße und Senefelderplatz umsteigen. Weil der Pendelverkehr zwischen diesen Stationen nur alle 15 Minuten fahren kann, verlängert sich die Reisezeit spürbar. Kein Wunder, dass viele Menschen der #U2 den Rücken gekehrt haben – keine gute Nachricht für die Mobilitätswende.

    In der einst so stark frequentierten Ost-West-Linie lässt sich hautnah nachvollziehen, was passiert, wenn private Bauvorhaben öffentliche Infrastruktur beschädigen. Wenn Investitionsvorhaben, die einer begrenzten Zahl von Menschen nutzen, viele zehntausend Menschen im Alltag beeinträchtigen.
    Die Sohle des unterirdischen Bahnhofsbauwerks ist gerissen

    Denn so ist es an der U2. Im #U-Bahnhof #Alexanderplatz musste am 7. Oktober eines der beiden Gleise gesperrt werden, nachdem sich das unterirdische Bauwerk bewegt hatte. Sensoren hatten eine „Setzung“ registriert, die schließlich auf 3,6 Zentimeter angewachsen war. Die Sohle des Bahnhofsbauwerks ist gerissen, weitere Risse haben sich gebildet. Der Verursacher scheint klar zu sein: Das Immobilienunternehmen Covivio hat nebenan eine Grube ausgehoben, dort sollen zwei 130 Meter hohe Türme entstehen.

    „Das ist schon gravierend“: So ernst sind die Schäden im U-Bahn-Tunnel unterm Alexanderplatz

    Laut BVG wird es mindestens bis Februar #2023 dauern, bis die U2 wieder wie früher verkehren kann. Doch sicher ist selbst das noch nicht, die Senatsauskunft wirkt beunruhigend: „Inwiefern eine Bestandssanierung oder ein Teilneubau in Betracht kommt, kann derzeit noch nicht abschließend bewertet werden.“

    Es ist nicht das erste Mal, dass Fahrgäste der U2 unter privaten Bauprojekten leiden. So stellte die BVG 2012 den Betrieb am #Potsdamer_Platz anderthalb Monate lang ein. In die Baugrube der heutigen #Mall_of_Berlin am #Leipziger Platz war Grundwasser eingedrungen. Im November 2015 gab auf der Baustelle für das Motel One an der #Grunerstraße der Boden um sechs Zentimeter nach. Folge war ein Tempolimit.

    Sensoren im U-Bahn-Tunnel: Auch die Linien U5 und U8 werden überwacht

    Immer wieder haben die Fachleute der #BVG, die mit den Besonderheiten des sand- und wasserreichen Berliner Bodens vertraut sind, vor Risiken gewarnt. Das zeigt ein Brief, den die damalige BVG-Chefin Sigrid Nikutta am 6. März 2018 der damaligen Bausenatorin Katrin Lompscher schickte. Das brisante Schreiben liegt der Berliner Zeitung vor.
    BVG befürchtete, dass #Grundwasser bis zu 17 U-Bahnhöfe flutet

    Das Unternehmen sei „hinsichtlich des geplanten Bauvorhabens sehr in Sorge“, schrieb Nikutta. Das Projekt sei mit „erheblichen Risiken für die Anlagen der BVG und damit den ungestörten Betrieb der U-Bahn“ behaftet. Gutachter würden eine Tunnelsetzung um 1,6 Zentimeter erwarten, anderswo gemachte Erfahrungen ließen aber fünf Zentimeter befürchten. Sollte es zu Schäden und unkontrollierbaren Grundwassereintritten kommen, sei zu befürchten, dass bis zu 17 U-Bahnhöfe geflutet und der Betrieb mehrere Jahre beeinträchtigt werden könnte. „Aus den dargelegten Gründen können wir als BVG den Bau dieses Hochhauses nicht befürworten“, so Nikutta.

    Was diesen Brief so beunruhigend macht, ist der Umstand, dass es um ein Vorhaben geht, für das die Arbeiten noch gar nicht begonnen haben. Im östlichen Bereich des Alexanderplatzes will der amerikanische Investor Hines ein 150 Meter hohes Gebäude errichten, auf einem Fundamentblock, der nur für ein 40 Meter hohes Bauwerk geplant worden war. Direkt darunter verläuft die U5.

    Schon die Bebauungspläne müssen Vorkehrungen fordern

    Zwar schloss die BVG eine nachbarschaftliche Vereinbarung ab, in der Hines zusagt, den Tunnel für 30 Millionen Euro mit einer Innenschale zu verstärken. Dazu hatte der Senat die BVG schon 2014 angehalten – doch das Landesunternehmen zeigte sich skeptisch. Erst Jahre später unterschrieb die BVG.

    Sensoren überwachen nun die U5 und die U8 in diesem Bereich. Die U8 könnte auch von einem anderen geplanten Bauprojekt betroffen sein: Der Investor Signa will das Karstadt-Ensemble am #Hermannplatz umbauen.

    Eines ist klar: Auch der Senat und die Bezirke müssen sich dafür einsetzen, dass öffentliche Infrastruktur nicht durch private Vorhaben beeinträchtigt wird. Nicht überall bekennen sich Investoren mit dem Abschluss nachbarschaftlicher Vereinbarungen zu ihrer Verantwortung. Deshalb ist es zwingend geboten, solche Verträge bereits in den Bebauungsplänen zu fordern. Das Debakel am Alexanderplatz zeigt, wie verwundbar das Berliner Verkehrssystem ist.

    #Berlin #Mitte #Privatisierung #ÖPNV #U-Bahn

  • Der Flow der Straße: Schöneberg-Tipps von Calla Henkel und Max Pitegoff
    https://www.monopol-magazin.de/der-flow-der-strasse

    Das Künstlerpaar Calla Henkel und Max Pitegoff zeigt seine Nachbarschaft im Berliner Stadtteil Schöneberg

    The artist duo Calla Henkel and Max Pitegoff show off their Schöneberg neighborhood in Berlin

    TV Bar

    Gemeinsam leiten wir die Künstlerbar TV, die Freitag und Samstag von sieben bis spät in die Nacht geöffnet hat. Die Toiletten dort sind mit Graffiti von Karl Holmqvist versehen, ein Kronleuchter von Klara Lidén baumelt im Hauptraum von der Decke. Es ist ein Projektraum und Performance-Space, in dem es noch relativ günstige Drinks gibt – serviert von Künstlerinnen oder Musikern oder beidem. Für unsere Empfehlungen haben wir uns auf das Drumherum unserer Bar fokussiert und Orte rausgesucht, die wir lieben und ohne die diese Nachbarschaft und diese Straße nicht so lebendig wären.

     

    We run TV Bar, open Thursday, Friday, and Saturday from 7pm until late. There, you’ll find graffiti by Karl Holmqvist in the bathroom, a lamp by Klara Lidén hanging in the main space, occasional events and performances, and cheapish drinks made by bartenders, who are all artists or musicians or both. For our recommendations here, we’ve chosen the places near the bar which we love, the ones which keep this neighborhood, and street, alive.

    TV Bar, Potsdamer Str. 151, 10783 Berlin

     

    Atlantik Fischladen

    Wenn man genug Zeit auf der Potsdamer Straße verbringt, werden die rhythmischen Wellen des Verkehrs zu ozeanischen Geräuschen. Es gibt keinen anderen Ort, der den mediterranen Heavy-Metal-Flow der Straße so gut aufnimmt wie der Atlantik Fischladen. Bestell hier auf jeden Fall die Sardinen und Pommes frites.

    If you spend enough time on Potsdamer Strasse, the rhythmic waves of traffic become oceanic. And there is no other place that embraces the heavy metal Mediterranean flow of the street like Atlantik Fischladen. Order the sardines and French fries.

    Atlantik Fischladen, Potsdamer Str. 166, 10783 Berlin

     

    Khan Aljanub

    Wir verabscheuen den Begriff „verstecktes Juwel“, aber es ist die einzig passende Art, diese Buchhandlung, die sich in der Remise im Hinterhof der TV Bar befindet, zu beschreiben. Angesichts eines Mangels an arabischen Büchern in Deutschland eröffnete Fadi Abdelnour die Buchhandlung Khan Aljanub im Herbst 2020. Dort findet sich eine große Auswahl arabischer Bücher für Kinder und Erwachsene, einschließlich Übersetzungen ins Englische und Deutsche. Es ist eine wunderschöne Leseoase mit Garten und freundlichen Gastgebern.

    We loathe the term “hidden gem”, but it is the only fitting way to describe this bookstore, nestled in the carriage house of TV Bar’s back courtyard. Recognizing there was a lack of places to buy Arabic books in Germany, Khan Aljanub opened in 2020 with a wide selection for children and adults, including translations into English and German. It is a beautiful oasis for reading, replete with garden and gracious hosts.

    Khan Aljanub, Potsdamer Str. 151, 10783 Berlin

     

    Malakeh

    Malakeh Jazmati ist eine aus Syrien stammende Starköchin. Sie zog 2015 nach Berlin und serviert nun gemeinsam mit ihrem Mann wahnsinnig köstliches Essen in ihrem Restaurant in der Potsdamer Straße. Das Mosa’a mit Auberginen ist weltbewegend. Da das kleine Restaurant oft überfüllt ist, kann man sich, wenn man keinen Tisch bekommt, einfach nebenan in die TV Bar setzen – die Bestellung wird gebracht.

    Malekeh Jazmati, a celebrity chef from Syria, moved to Berlin in 2015 and now, together with her husband, serves deliriously delicious food at her beloved namesake restaurant on Potsdamer Strasse. The mosa’a with eggplant is earth shattering. The place is often packed, so if you can’t get a table, you can sit next door at TV Bar and they will bring over your order.

    Malakeh, Potsdamer Str. 153, 10783 Berlin

     

    Begine

    Diese Empfehlung ist nur für Frauen: Begine ist ein lesbisch geprägtes Café, das seit 1986 in einem besetzten Gebäude betrieben wird und eine Vielzahl von Filmvorführungen, Vorträgen und Spieleabenden veranstaltet. Es ist der perfekte Ort für einen Kaffee oder ein Bier am frühen Abend. Gleichzeitig ist es ein generationenübergreifender Treffpunkt für Lesben in der Gegend und eine Erinnerung daran, dass der Aufbau einer gemeinsamen Welt möglich ist.

    This recommendation is for women only. Begine is a lesbian-centered café operating from a squatted building since 1986, and hosts a variety of screenings, talks, and game nights. It is the perfect place for an early evening beer or coffee, an intergenerational meeting place for lesbians in the area, and a reminder that collective world building is possible.

    Begine, Potsdamer Str. 139, 10783 Berlin

     

    Hopscotch Reading Room

    Im Hopscotch herrscht ein konstantes Brummen: ein Ort vollgepackt mit Büchern, aber auch mit Menschen, Veranstaltungen, Lesungen und sogar einer Bar. Das Geschehen erstreckt sich meistens bis in den Innenhof. Siddhartha Lokanandi dirigiert alles und kennt sich bestens mit den nicht westlichen und diasporischen Perspektiven aus, die die Regale füllen. Er hat immer eine Empfehlung parat, die sich in der Regel als genau das herausstellt, was man will (und vielleicht auch braucht).

    There is a constant hum of electricity at Hopscotch, packed with books, but also people, events, readings, and even a bar, all of which spill out into the courtyard. Siddhartha Lokanandi orchestrates all of it, and is deeply knowledgeable on the non-Western and diasporic perspectives that line their shelves, always quick with a recommendation which usually turns out to be exactly what you wanted (and maybe needed).

    Hopscotch Reading Room, Kurfürstenstr. 13/14, Aufgang B, 10785 Berlin❞

    #Berlin #Schöneberg #Tiergarten #Potsdamer_Straße #Kurfürstenstraße #Kultur #Gastronomie #Tourismus

  • Der Blocksberg | Digitales Deutsches Frauenarchiv
    https://www.digitales-deutsches-frauenarchiv.de/akteurinnen/der-blocksberg

    1975 - 1980, Yorckstraße 48, 1000 Berlin Postzustellbezirk 30 oder 62

    14.2. 2019, von Lara Ledwa - Der Blocksberg war eine kollektiv betriebene Frauenkneipe im Westberlin der 1970er-Jahre. Sie wurde von Lesben für FrauenLesben gegründet und bot einen subkulturellen Ort vorwiegend für die autonome (lesbisch-)feministische Bewegung. Als erste ihrer Art erlangte sie einige Berühmtheit und fand viele Nachahmerinnen.

    Die Gründung

    Der Blocksberg war die erste Frauenkneipe in der Bundesrepublik. Gegründet wurde sie 1975 in Berlin-Kreuzberg in der Yorkstraße (damals noch ohne c) auf Privatinitiative von zwei Lesben (H.L./G.H.). Sie wollten eine alternative Kneipe für FrauenLesben abseits der herkömmlichen subkulturellen Lesbenlokale und/oder männlich dominierten linken Kneipen anbieten. Neben dem regulären Barbetrieb fanden im Blocksberg politische Diskussionen, Lesungen und Projektetreffen statt.1 Die Besucherinnen dürften deshalb vorwiegend, aber nicht ausschließlich, aus dem Umfeld der Frauen- und Lesbenbewegung gewesen sein. Männer hatten keinen Zutritt.2

    Der Name ‚Blocksberg’ referierte auf Versammlungsorte von Hexen, welche in großen Teilen der Frauenbewegung der 1970er-Jahre als Symbol für die Unterdrückung durch und den Widerstand gegen das Patriarchat galten. Innerhalb und außerhalb der Kneipe spielte das Bild der Hexe deshalb eine dekorative Rolle.3 Auch bei der Benennung von Speisen und Getränken war das Konzept der Frauenkneipe konsequent. So hieß griechischer Salat mit Schafskäse beispielsweise „Sapphos Freude“, Cocktails trugen Namen wie „Jeanne dʹArc“ oder „Rote Rosa“.

    Eine neue Form der Subkultur

    Für Lesben, die der initiierende und tragende Teil des Projekts Blocksberg waren,5 spielte die Subkultur eine besondere Rolle. Sie war bisher eine der wenigen Möglichkeiten gewesen, ein lesbisches Leben zu leben und sie war von immenser Bedeutung für die queere Geschichte der Weimarer Republik und der Nachkriegszeit.6 Viele Lesben, die sich in der Bewegung der 1970er-Jahre engagierten, hatten hingegen ein gespaltenes Verhältnis zum sogenannten ‚Sub’. Solch einen Ort lesbischer Gemeinschaft empfanden viele Bewegungslesben als zu sexualisiert, zu kühl in der Atmosphäre, zu unpolitisch und/oder zu spießbürgerlich konservativ – auch wenn sie ihn meist dennoch aufsuchten.7

    Der Blocksberg wurde von den Betreiberinnen als „feministische Alternative zur damaligen Subkultur“8 bezeichnet. „Bars wie Pour Elle mit den traditionellen Butch-/Femme-Rollen waren bei vielen von uns verpönt und wurden deshalb boykottiert. Wir wollten neue Wege miteinander finden, die sich nicht an patriarchal-heterosexuellen Normen orientierten.“9 Die Ablehnung der etablierten lesbischen Subkultur hing auch mit Faktoren wie Herkunft, Bildung und Alter zusammen.10 Teilweise begegneten sich Lesben aus dem Sub und Bewegungslesben mit gegenseitiger Ablehnung oder eben Kritik.11

    Die Gründung und das Selbstverständnis des Blocksbergs zeigten an, dass viele der Lesben aus der Frauenbewegung sich die Subkultur anders als die bisher existierende imaginierten, und dass der Blocksberg einen Ort alternativer lesbischer, feministischer Gemeinschaft innerhalb der Subkultur darstellte.

    Kollektivbetrieb Blocksberg

    Neben der alternativen ,inhaltlichenʻ Ausrichtung des Blocksbergs stand auch die Art, in der der Laden betrieben wurde, im Gegensatz zu herkömmlichen Lokalen der lesbischen Subkultur. Der Betrieb war, wie viele in der Zeit initiierte Frauenprojekte, in kollektiven Strukturen organisiert.12 Im Blocksberg bekamen alle Frauen, die hauptverantwortlich dort arbeiteten, einen Einheitslohn. Außerdem gab es ein Kollektiv, das Entscheidungen traf und das Programm mitbestimmte. In den Zeiten, in denen viele Schulden abgearbeitet werden mussten (dazu im Folgenden mehr), arbeiteten allerdings viele Frauen auch unbezahlt oder stark unterbezahlt, um das Projekt zu retten.13 Preise für Speisen und Getränke waren nicht profitorientiert kalkuliert und eventuelle Gewinne sollten in andere Frauenprojekte fließen.14

    Mediale Aufmerksamkeit für den Blocksberg

    Der Blocksberg erlangte einige Aufmerksamkeit in den Massenmedien, als das Konzept ‚Frauenkneipe‘ neu war. So gab es 1977 im Zeit-Magazin einen langen und positiven Artikel über die Kneipe; von einer Frau geschrieben, die den Blocksberg zum ersten Mal besuchte und der feministischen Bewegung bis dahin eher skeptisch gegenübergestanden hatte.15 Jedoch gab es auch, und das war die negative Seite der Aufmerksamkeit, effektheischende Meldungen in verschiedenen Zeitungen, nachdem Frauen aus dem Blocksberg vor der Kneipe „randaliert“ haben sollen.16 Die Stilisierung von linken, feministischen und/oder lesbischen Frauen als Gefahr und eine teilweise damit einhergehende Kriminalisierung hat eine lange Tradition, die vor dem Blocksberg nicht haltmachte: Es fanden hier auch Durchsuchungen der Polizei statt.17

    Streit um den Blocksberg

    Im Juni 1977 brach ein großer Streit über den Blocksberg aus, an dem das Projekt fast gescheitert wäre.18 Nachdem zwei neue Hauptverantwortliche (M.K./M.B.) im August 1976 in das Projekt eingestiegen waren, offenbarte sich ein Schuldenberg, der sich unbemerkt angehäuft hatte. Zur Tilgung der Schulden wurden die Löhne der Mitarbeiterinnen heruntergesetzt und LAZ-Frauen arbeiteten unentgeltlich im Blocksberg, um seinen Fortbestand zu sichern. Nachdem sich dadurch die finanzielle Lage stabilisiert hatte, wollten die Gründerinnen, dass die neuen Kollektivfrauen ihnen den Blocksberg abkauften, wozu diese nicht bereit waren.19 So eskalierte der Konflikt und die neuen Kollektivfrauen skandalisierten die „Ermordung“ des Blocksbergs sowie den ersten „Bulleneinsatz von Frauen für Frauen“.20 Dennoch bedeutete diese Auseinandersetzung noch nicht das Ende der Frauenkneipe. Am 5. Juli 1977 wurde der Blocksberg als GmbH eingetragen, weiterhin kollektiv bewirtschaftet und bestand bis Ende 1980.21 Danach wurde die Kneipe zunächst von Lesben und einem Schwulen gemeinsam übernommen, die das legendäre Punklokal Risiko eröffneten und ein gemischtes, schwul-lesbisches Publikum ansprachen.22
    diverse Materialien zu Aktionen aus den Anfangsjahren (HAW-Frauengruppe)
    Medienbetrachter öffnen
    Weitere Informationen

    Lara Ledwa, hat ihren M.A.-Abschluss in den Gender Studies mit einer Arbeit zu der HAW-Frauengruppe beziehungsweise dem LAZ gemacht, wofür sie viele Stunden im Spinnboden Archiv mit einem Ordnerregal verbrachte. Sie lebt in Berlin und beschäftigt sich (manchmal sogar auch in der Lohnarbeit) mit feministischen, queeren und lesbischen Politiken.

    Empfohlene Zitierweise
    Lara Ledwa (2019): Der Blocksberg, in: Digitales Deutsches Frauenarchiv
    URL: https://www.digitales-deutsches-frauenarchiv.de/akteurinnen/der-blocksberg

    Zuletzt besucht am: 28.03.2021

    Netzwerk von Der Blocksberg: Der Blocksberg - Lesbisches Aktionszentrum Westberlin (LAZ)

    Biografie von Der Blocksberg

    September 1975 - Gründung
    August 1976 - 2 neue Frauen (M.B. / M.K.) übernehmen die Hauptverantwortung für das Projekt im Kollektiv
    Juni 1977 - Eskalation der Auseinandersetzung zwischen den Gründerinnen und den neuen Kollektivfrauen
    Juli 1977 - Eintrag des Blocksberg als GmbH
    Ende 1980 - Schließung

    GLOBAL FEMINISMSCOMPARATIVE CASE STUDIES OFWOMEN’S ACTIVISM AND SCHOLARSHIPSITE: GERMANYTranscript of Manu GieseInterviewers: Sławomira Walczewska Location: GermanyDate: 2018
    https://sites.lsa.umich.edu/globalfeminisms/wp-content/uploads/sites/787/2020/08/Giese_Germany_Final.pdf

    Manu Giese:Ja, es fängt auch in meiner frühsten Kindheit an. Ich war 1974 mit 14 Jahren das erste mal in der ersten Frauenkneipe in Berlin, im Blocksberg . Die hat 1974 aufgemacht und war die erste Frauenkneipe nach den 20. Jahren, da gab es viele Frauenkneipen hier in Berlin. Eine Frauenkneipe der Bewegung sozusagen, der Frauenbewegung. 2016 bin ich von Zuhause abgehauen und habe eine eigene Wohnung gehabt und musste eine Ausbildung machen, die ich nicht wollte, als Bürogehilfin, damals hieß das so. Heute heißt das glaube ich, ich weiß nicht, wie das heute heißt. Und musste mir Geld dazuverdienen, weil das hat nicht gereicht.

    Die 300 D-Mark die ich damals bekommen habe als Ausbildungsbeihilfe, hat nicht gereicht. So dass ich ́77 in die Zwei, in der Frauendisko angefangen habe zu arbeiten. Die Zwei war in der #Martin-Luther-Straße Ecke #Motzstraße und war ein Laden, der von Crystal Rieselberg geführt wurde, die schon immer in ihrem Leben Frauenkneipen hatte. Also den Club 10 in der #Vorbergstraße, dann hatte sie zwischenzeitlich auch mal einen Zooladen.
    ...
    Dann haben wir am dritten oder fünften Oktober 1986 die Begine eröffnet. Man muss sich vorstellen, dieser Bereich der #Potsdamer_Straße war der Straßenstrich und die Häuser waren eigentlich keine Wohnhäuser hier, sondernalles Stundenhotels.Wir hatten ein super Verhältnis zu den Prostituierten. Die waren richtig froh, dass wir hier aufgemacht haben, weil hier konnten sie rein ohne dass der Zuhälter oder auch ein Freier hinterher konnte und komischerweise haben wir nie ernsthafte Probleme gekriegt mit Männern oder dass die unbedingt hier reinwollten oder so. Es gab schon zwei drei Situationen. Aber nach 33 Jahren zwei drei Situationen ist halt sehr wenig.

    #Berlin #bars_cafés #histoire #féminisme

  • Billard in der Meisengeige, von Jürgen Grage
    https://www.kreuzberger-chronik.de/chroniken/2015/juni/Open%20Page.html

    Feierabend. Ich ging zur Meisengeige. Die hatte mal mir gehört, und zu meiner Zeit war die Kneipe auch ganz gut besucht. Vielleicht träfe ich da ja ein paar Bekannte. Doch es hatte sich einiges verändert. Ich machte die Tür auf: Gähnende Leere, ein einziger Gast! Aus Höflichkeit setzte ich mich auch an den Tresen. Ich wäre besser gleich wieder abgehauen.

    Der einsame Gast quatschte mich auch gleich an, ich sei doch Jürgen, der alte Wirt! Das seien noch Zeiten gewesen, die Kneipe brechend voll, Bräute ohne Ende, immer action. Ich nickte. Der Wirt knallte mir unfreundlich meinen Halben auf die Theke, er fand unser Gespräch nicht besonders unterhaltsam. Er trug langes ungewaschenes Haar und einen verzottelten Vollbart und wollte wohl pädagogisch wirksam aussehen, aber er ähnelte eher einem versoffenen Penner. Ich wollte zur Aufbesserung der Stimmung eine Partie Billard spielen, aber der Einsame wollte nicht. Der Wirt wollte: »Ok, nen Zehner! Und ne Lokalrunde!« - die war mir bei drei Leuten scheißegal.

    Er verlor viermal hintereinander. Trotzdem wollte er jetzt um 40 Mark spielen. Ich verzichtete lieber, setzte mich an den Tresen, wartete auf mein Bier und versuchte den Einsamen mit Witzen wieder auf Vordermann zu bringen. Und da ging es los: Aus den Augenwinkeln sah ich den Bärtigen plötzlich vor mir, eine Machete in der Hand! Und er holte tatsächlich aus mit diesem Ding! Ich konnte es nicht fassen, der Wichser wollte mir den Schädel spalten! Instinktiv wich ich aus, der Hocker viel um, aber er erwischte mich an der Stirn, Blut lief mir in die Augen. Ich sah, wie er zum zweiten Mal ausholte. Die Sau wollte mich abschlachten, die Klinge sauste auf mich zu. Ich versuchte, mit dem linken Arm abzublocken, griff mit der Rechten nach dem Griff der Machete und rammte ihm mit aller Wut mein rechtes Knie in die Eier.

    Sein Gesicht wurde zur Fratze, er begann, zusammenzusacken. Und wie er zu Boden ging, merkte ich, dass ich nicht den Griff der Machete, sondern des Messers Schneide in der Hand hielt. Sie glitt wie Butter durch meine Sehnen. Blut floss mir aus der Stirn, aus dem Arm, jetzt auch aus meiner Hand – und auf dem Boden lag das Arschloch in einer großen Blutlache. Leider war es nicht sein Blut, es war mein Blut.

    Der Einsame hatte sich natürlich verpisst. Ich wollte nur noch raus, stolperte die Treppen vom Ausgang runter und wankte, eine Blutspur hinter mir, in Richtung Potsdamer Straße. Kein Taxi wollte sich die Polster versauen, also wankte ich weiter Richtung Elisabeth-Krankenhaus, aber nach etwa 400 Metern konnte ich nicht mehr. Ich hielt mich an einem Ampelmast fest, und dann ging mir das Licht aus.

    Die Laterne ging im Krankenhaus wieder an. Eine ältere Frau hat die Feuerwehr gerufen. Es sei ganz schön knapp gewesen, meinte der Pfleger, kurz vorm letzten Schiss. •

    #Berlin #histoire #alcool #bars-cafés #Westberlin #Potsdamer_Straße #Lützowstraße #Tiergarten #Meisengeige

  • Ein Spaziergang zur Osterquelle: Schöner das Wasser nie fließet - Berlin - Tagesspiegel
    https://www.tagesspiegel.de/berlin/ein-spaziergang-zur-osterquelle-schoener-das-wasser-nie-fliesset/19674876.html

    16.04.2017, von Andreas Conrad - Die Lübarser Osterquelle gilt als letzte sprudelnde Quelle Berlins. Der Name geht auf einen uralten Brauch zurück: das Holen des Osterwassers.

    Jetzt geht es nur noch zu Fuß weiter oder mit dem Rad – natürlich auch hoch zu Ross, schließlich sind wir in Alt-Lübars. Das letzte Gehöft, ein Reiterhof, bleibt zurück, geradeaus führt eine Chaussee rüber nach Blankenfelde, doch nach links lädt der sandige, bald sich verjüngende Schildower Weg zum Spaziergang hinunter ins Tegeler Fließ ein.

    Dort hinten soll sie irgendwo liegen: die Osterquelle, „die letzte freisprudelnde Quelle Berlins“, wie sie auf dem „offiziellen Hauptstadtportal“ berlin.de angepriesen wird. Ein seit Jahrhunderten bekannter, von allerlei Legenden umrankter Ort, ein Stück urtümliche, unverfälschte Natur, wie es scheint, und sogar mit direktem Bezug zum wichtigsten Fest der Christenheit. Das sollte einem gerade in diesen Tagen doch einen Besuch wert sein.

    Freilich, die Lübarserin, die an der Endhaltestelle der Buslinie 222, am Rande des Dorfangers, den Weg zur Quelle beschrieb, hat die Vorfreude etwas gedämpft: „Erwarten Sie nichts Spektakuläres.“ Ob es denn ein beliebtes Ausflugsziel sei? „Na, das sind hier eher der Alte Dorfkrug und der Labsaal. Zur Quelle würde ich niemanden hinscheuchen.“
    Und jetzt nichts wie rein ins Urstromtal

    Nur nicht abschrecken lassen, der Weg von der Straße hinunter ins alte Urstromtal wäre auch ohne Quelle einen Osterspaziergang wert. Saftiges Grün, Felder wie Wiesen, wohin das Auge blickt, sanft sich wellende Hügel zur Rechten, links ein silbern blinkender Teich, dazwischen in nicht allzu großer Ferne Büsche und Bäume, zu denen der Pfad sich hinwindet. Übrigens Teil des „Barnimer Dörferwegs“, wie einer der zahlreichen Wegweiser wissen lässt, nur auf die Osterquelle fehlt anfangs jeglicher Hinweis. Immerhin findet sich auf einer Infotafel zum Urstromtal, die der Naturschutzbund Nabu am Wegesrand postiert hat, eine Karte mit dem Eintrag „Osterquelle“. Sie muss also ganz nah sein.

    Und tatsächlich, nach wenigen 100 Metern liegt sie zur Rechten, ein gemauertes Halbrund, von frisch sprießendem Laub beschattet, wie es sich gehört. Eine weitere Tafel bestätigt, dass es sich tatsächlich um die gesuchte Quelle handelt, erklärt grafisch sehr anschaulich, wie sie durch eine Wassersperrschicht aus Lehm, die sich in den sandigen Untergrund geschoben habe, entstanden sei.
    Sieben Liter pro Sekunde? Schön wär’s

    Aber ach, dieses Rieseln entspricht in der Tat nicht dem, was man sich gemeinhin unter einer Quelle vorstellt. „Sieben Liter pro Sekunde mit einer durchschnittlichen Temperatur von 9°C“ werden der Quelle auf Wikipedia noch zugesprochen, aber davon kann an diesem Apriltag keine Rede sei. Nur aus drei der neun Röhren rinnt, sickert und tröpfelt es, am Grunde des Beckens hat sich gerade mal eine größere Pfütze gebildet, immerhin mit stetem Zufluss, wie das auf der anderen Seite des Pfades in einem kleinen Graben davonrinnende Wasser zeigt.

    Aber man findet dort durchaus die für solche Quellen typische Flora und Fauna, wie Bernd Machatzi, Mitarbeiter des Landesbeauftragten für Naturschutz und Landschaftspflege, versichert: die Brunnenkresse etwa, die Winkel-Segge und besondere Moosarten, dazu Kleinkrebse und die Larven der Köcherfliege. Früher habe es in Berlin viele solcher Sickerquellen gegeben, etwa an den Hängen der Havel, noch heute könne man einige finden. Man sehe dort zwar kein Wasser, das nur flächig, nicht punktuell austrete, doch an der Vegetation könne man sie erkennen. Insgesamt aber sei die Zahl solcher Stellen durch die intensive Trinkwassergewinnung der Millionenstadt stark gesunken.

    Für die Wasserwirtschaft ist die Osterquelle freilich ein belangloser Miniborn, wie ein Anruf bei den Wasserbetrieben ergibt. Ähnliche Sickerquellen, wo Wasser über einer Sperrschicht aus Lehm an die Oberfläche trete, gebe es etwa auch in Buch und Karow, weiß Stephan Natz, Sprecher der Berliner Wasserbetriebe. Für deren Brunnenanlagen sei das Lübarser Nass ohne Bedeutung, das nächste Wasserwerk sei in der Nähe des Tegeler Sees.
    Erstmals wurde die Osterquelle im Jahr 1751 erwähnt

    Nicht immer wurde der Osterquelle solch eine Geringschätzung zuteil, allerdings hatte sie früher offensichtlich mehr zu bieten als heute. Die erste bekannte Erwähnung findet sich in der „Historischen Beschreibung der Chur und Mark Brandenburg“ von Johann Christoph und Bernhard Ludwig Bekmann, erschienen 1751 in Berlin: „Unweit Lubarsch, Berl. Insp. entstehet aus einem hohen berg und untenhin aus den ringsumher hervortreibenden quellen ein wasser, welches mitten im sommer, auch in den heissesten Tagen eiskalt ist, jedoch im härtesten winter niemahls zufrieret: dergleichen eigenschafft oben s. 598. auch bei dem Freienwald. Gesundbrunnen anzutreffen ist, und in den Mineraltheilen seinen grund hat.“ Das Wasser muss damals also an gleich mehreren Stellen aus der Erde gequollen sein.

    Auf die Herkunft des Namens Osterquelle findet sich in der alten Chronik kein Hinweis, vielleicht war er damals noch nicht gebräuchlich. Entstanden ist er durch einen wohl in vorchristlichen Ritualen wurzelnden, in sorbischen Gegenden Brandenburgs teilweise noch lebendigen, hierzulande vergessenen Brauch: das Holen des Osterwassers. Es galt als besonders rein, ihm wurden heilende, sogar verschönernde Kräfte zugesprochen, hilfreich für zarte Haut – sofern es in der Osternacht oder am Ostermorgen unter völligem Schweigen aus Flüssen oder Quellen geholt wurde, am besten von Jungfrauen. Die jungen Männer hingegen machten sich einen Spaß daraus, die Mädchen bei ihrem verschwiegenen Treiben zu erschrecken, zum Lachen oder gar zum Sprechen zu bringen, obwohl das Wasser, wie man glaubte, dadurch seine Wirkung verlor. Noch Mitte des 19. Jahrhunderts wurde dieser Brauch auch in Berlin geübt, wie Ernst Friedel, Gründer und erster Direktor des Märkischen Museums, aus seiner Kindheit berichtete. So hätten Soldaten auf der Weidendammer Brücke immer wieder versucht, ihren Holden beim Holen des Osterwassers ein Lächeln zu entlocken, und das Potsdamer Tor sei die ganze Osternacht geöffnet geblieben, um all die Wasser holenden Frauen durchzulassen.

    Auch die Lübarser Osterquelle muss mal diese Bedeutung gehabt haben, auch wenn man sich das nur noch schwer vorstellen kann. Wie ein schwacher Widerschein des alten Brauchs wirkten in den beiden Vorjahren die Einladungen der Kirchengemeinde Lübars, nach dem Gottesdienst am Ostermontag gemeinsam zur Osterquelle zu spazieren. In diesem Jahr ist auch dies nicht mehr geplant. Osterwasser in ausreichender Menge wäre dort ohnehin nicht mehr zu holen.

    Allerdings, so muss das nicht bleiben. Der Niederschlagsverlauf der vergangenen Tage sei einfach nicht ausreichend gewesen, beruhigt Naturschutzexperte Machatzi. Wenn es kräftig regne – und das soll es ja durchaus in diesen Tagen –, sammle sich das Wasser im Einzugsgebiet, und die Osterquelle beginne wieder zu sprudeln. Immerhin, ein kleiner Trost für ein verregnetes Osterfest.

    #Berlin #Lübars #Wasser #Osterquelle #Labsaal #Barnimer_Dörferweg #Buch #Karow #Tegeler_See #Gesundbrunnen #Ernst_Friedel #Weidendammer_Brücke #Potsdamer_Tor #Kirchengemeinde_Lübars

  • Urteil des Landgerichts: Berliner Jugendzentrum „Potse“ darf geräumt werden | rbb24
    https://www.rbb24.de/politik/beitrag/2020/07/jugendzentrum-potse-berlin-raeumung-urteil-landgericht.html

    08.07.20 | 11:09 Uhr

    Die Proteste haben nicht zum Erfolg geführt: Das Landgericht Berlin hat nach rbb-Informationen der Räumung des Jugendzentrums „Potse“ in Schöneberg zugestimmt. Der Bezirk signalisierte aber Gesprächsbereitschaft.

    Das links-alternative Jugendzentrum „Potse“ in Berlin-Schöneberg kann geräumt werden. Das hat das Berliner Landgericht nach rbb-Informationen am Mittwoch entschieden. Das Bezirksamt Tempelhof-Schöneberg als Mieter hatte gegen die Betreiber des Zentrums geklagt.
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    Bezirk will weiter nach Lösung suchen

    Der Mietvertrag ist seit Ende 2018 gekündigt, die Betreiber wollen aber die Schlüssel nicht herausgeben. Die Jugendlichen halten den Treffpunkt in der Potsdamer Straße besetzt und wollen ihn erst verlassen, wenn sie neue Räume haben. Ein geeignetes Ersatzobjekt fand sich jedoch nicht.

    Der Jugendstadtrat von Tempelhof-Schöneberg, Oliver Schworck (SPD), sagte vor dem Urteil im rbb-Inforadio, man werde im Falle eines Räumungsurteils nicht sofort räumen lassen, sondern weiter nach einer Lösung suchen.
    „Drugstore“ bereits draußen

    Der Treffpunkt in der Potsdamer Straße 180 ist eines der ältesten Jugendzentren in Berlin.
    Das ebenfalls in dem Gebäude beheimatete Jugendzentrum „Drugstore“, gegründet 1972, ist bereits ausgezogen, muss aber auf seine neuen Räumlichkeiten voraussichtlich bis 2021 warten.

    Der Prozess um die Räumungsklage fand von Beginn an unter hohen Sicherheitsvorkehrungen statt. Um ihrer Forderung nach einem Fortbestand der Jugendzentren Nachdruck zu verleihen, hatten mehrere Angehörige der Szene Ende Juni vorübergehend ein Haus auf dem Kreuzberger Dragoner-Areal besetzt.

    Sendung: Inforadio, 08.07.2020, 10.45 Uh

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