• Sabine Bode : „Meine Mutter war eine Massenmörderin und mein Vater ein Verbrecher“
    https://www.berliner-zeitung.de/politik-gesellschaft/sabine-bode-meine-mutter-war-eine-massenmoerderin-und-mein-vater-ei

    La journaliste Sabine Bode a passé la plus grande partie de sa vie á décortiquer les traumatismes des familles nazies. A 78 ans elle arrête ce travail.

    6.7.2025 von Anja Reich - Die Bestsellerautorin sagt im Interview, warum sie nicht länger zu Kriegskindern und Kriegsangst forschen will. Und warum ihre Eltern ihr einen Namen mit den Initialen SS gaben.

    Sabine Bode ist Bestsellerautorin, Journalistin, Tabu-Brecherin. Eine Frau, die mit ihrer Neugier und Unerschrockenheit erst die Geschichte ihrer eigenen Familie ausgrub und dann andere dazu brachte, sich den Folgen von Krieg, Nationalsozialismus oder Vertreibung zu stellen.

    Ihre Bücher über Kriegskinder, Nachkriegskinder und Kriegsenkel haben das Leben vieler Menschen verändert. Auf Lesungen oder in Mails erzählen ihr Unbekannte ihre Familiengeschichten und wie sie unter dem Schweigen ihrer Eltern gelitten hätten. Dennoch mache sie jetzt Schluss, sagt Sabine Bode im Interview im Berliner Verlag, Schluss mit den Veranstaltungen, Schluss mit den Büchern. Das hat mit ihrem Alter zu tun, sie ist 78, aber paradoxerweise auch mit der Zeit, in der die Angst vor Krieg wieder allgegenwärtig ist.
    Sabine Bode: „Ich bin in einem Haus voller Geheimnisse aufgewachsen“

    Frau Bode, Sie haben mit Ihren Büchern das Schweigen von Menschen gebrochen, die in ihrer Kindheit Krieg, Flucht oder Vertreibung erlebt haben. Wie kamen Sie dazu?

    Meine Eltern betraf dieses Schicksal nicht. Sie waren Nazis. Ich bin in einem Haus voller Geheimnisse aufgewachsen, was mich unglaublich inspiriert hat, Fragen zu stellen, Journalistin zu werden. Bis heute finde ich Geheimnisse enorm anziehend.

    Sie wollen immer rauskriegen, was verschwiegen wird?

    Ja, und als der Bosnienkrieg war, habe ich mich gefragt: Wie geht es eigentlich den deutschen Kriegskindern heute? Wie wirken sich die frühen Katastrophen im späteren Erwachsenenleben aus? Warum weiß ich darüber nichts? Warum finde ich nichts im riesigen WDR-Archiv? Darüber sprach ich mit einem Redakteur, und zu meiner eigenen Überraschung gab er mir den Auftrag für ein einstündiges Hörfunk-Feature.

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    Sabine Bode: Die Kriegskinder konnten durch unermüdliches Arbeiten ihre schlimmsten Erinnerungen auf Abstand halten.Paulus Ponizak/Berliner Zeitung

    Und dann?

    Habe ich keine Gelegenheit ausgelassen, Menschen in der Altersgruppe der Kriegskinder anzusprechen und zu fragen, auf Zugfahrten zum Beispiel. Das waren ja noch Zeiten ohne Handy. Viele freuten sich, wenn sie nett angesprochen wurden, aber von hundert konnten nur drei meine Fragen beantworten. Nach einem Jahr gab ich den Auftrag zurück. Der Redakteur überredete mich weiterzumachen. Mit dem Ergebnis, dass von 300 Kriegskindern neun bereit waren, für die Radiosendung das Schweigen zu brechen. Als ich drei Wochen nach der Ausstrahlung wieder in die Redaktion kam, stand dort eine Plastikwanne mit 600 Zuschriften.

    Was waren so die typischen Reaktionen der Leute aus dem Zug?

    Sie haben gesagt: „Unsere Eltern, ja, die haben Schreckliches erlebt, aber wir doch nicht. Wir waren Kinder im Krieg. Das war für uns normal.“ Sie konnten das Leid nicht empfinden, das sie geprägt hatte. Sie nannten sich nicht Kriegskinder, sondern Nachkriegskinder. Jetzt sterben mit ihnen die letzten Zeitzeugen. Doch nicht sie alle sind von den Spätfolgen des Krieges belastet, sondern ein Drittel dieser Generation. Fünf Millionen Menschen, die nicht wussten, dass sie traumatisiert waren. Was sich darin gezeigt hat, dass sie von den grausamsten Erlebnissen völlig gefühlsfrei berichten konnten. Psychiater haben mir erklärt, dass dies eine Art von Betäubung war, eine Strategie des seelischen Überlebens. Wenn Kinder etwas erleben, das eigentlich einen Herzstillstand herbeiführen könnte, dann betäuben sie sich, und diese Art von Betäubung kann ein Leben lang anhalten.

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    Kinder in Trümmern, ca. 1945Image Broker/imago

    Wie äußert sich das?

    Statt sich zu freuen, lächeln sie schüchtern, sie hören nicht richtig zu, interessieren sich für nichts Neues. Weihnachten gibt es das immer gleiche Ritual, ihre Liebe drücken sie mit gutem Essen und Geschenken aus, leider oft den falschen, denn sie kennen ihre Kinder nicht, weil sie sich nicht für deren Welt interessieren.

    Die Kriegskinder – das ist die Generation, für die es nach dem Krieg bergauf ging, das Leben immer besser wurde. Im Osten wie im Westen. War dieses neue, bessere Leben auch eine Art von Betäubung?

    Ja, sicher. Die Kriegskinder konnten durch unermüdliches Arbeiten ihre schlimmsten Erinnerungen auf Abstand halten. Ich habe mich vor allem mit dem Westen beschäftigt, und da lernte man: Die Demokratie lohnt sich. Deshalb kann man auch nicht so genau sagen, ob alle aus Überzeugung gute Demokraten geworden sind oder weil das Leben ihnen so viel Gutes bescherte.
    Sabine Bode: „Über Ostdeutsche schreibe ich nicht“

    Warum haben Sie sich nicht auch mit dem Osten beschäftigt? Sind die Traumata aus dem Krieg nicht die gleichen?

    Für die Aufarbeitung einer tabuisierten Kindheit im Krieg braucht man einen bestimmten Raum und eine bestimmte Zeit. Im Westen waren das die Merkel-Jahre, es war friedlich und ein bisschen langweilig, es bewegte sich nicht viel. Ich habe bei meinen Recherchen zu dem Thema immer wieder versucht, mit Ostdeutschen in Kontakt zu treten. Aber die waren oft noch mit der Bewältigung des neuen Alltags im neuen Deutschland beschäftigt und konnten sich nicht auch noch mit den Traumata des Krieges befassen. Gelegentlich werde ich in E-Mails aufgefordert: Schreiben Sie auch über uns, über die ostdeutschen Kinder von Kriegskindern. Aber das mache ich nicht, das müsste jemand mit mehr Abstand tun, vielleicht aus Frankreich oder England.

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    Sabine Bode: Ich bin in einem Haus voller Geheimnisse aufgewachsen.Paulus Ponizak/Berliner Zeitung

    Oder aus dem Osten.

    Ja, oder aus dem Osten. In den letzten Jahren kommen interessante Bücher zur DDR und zur Wendezeit auf den Markt, in denen es auch um diese Generation der Kriegskinder geht. Christoph Heins „Das Narrenschiff“ zum Beispiel. Ich lese alles, was ich bekommen kann. Von meinen etwa 400 Lesungen in 20 Jahren fanden keine zehn Prozent im Osten statt, und es waren eher die Kriegsenkel, also die Kinder der Kriegskinder, die sich für das Thema interessiert und plötzlich verstanden haben, warum ihre Eltern sonderbar ticken. Da hieß es: Worüber die Eltern sich alles aufregen, und gegen alles sind sie versichert, und extrem misstrauisch sind sie. In meinen Lesungen vor Kriegskindern ging beim Stichwort „Rente“ eine Erschütterung durch den Saal, das können Sie sich nicht vorstellen.

    Weil die Menschen Verarmungsängste haben?

    Ja, das ist ein Thema, das zu wenig beleuchtet wird. Sie fühlen sich zu kurz gekommen. Und immer sind die anderen schuld. Das sind so typische Ängste von Kriegskindern, die ihre Traumata nicht verarbeiten konnten. Im Osten wie im Westen.

    Als Sie Ihr Buch „Die vergessene Generation“ schrieben, waren Sie selbst in Ihren Fünfzigern. Wie weit waren Sie damals mit der Aufarbeitung Ihrer eigenen Familiengeschichte?

    Dass meine Eltern Nazis waren, fast bis zu ihrem Lebensende, wusste ich schon lange. Die haben das ja nicht verschwiegen, fanden nur alle anderen feige, die nicht dazu gestanden haben. Ich erinnere mich daran, wie mein Vater sagte, er habe einen Zug gesehen, wo Leute zusammengepfercht standen, und die hätten gerufen: Die bringen uns nach Theresienstadt. Ich hab ihn gefragt: Und du hast trotzdem weiter mit den Nazis paktiert? Er hat gesagt, was hätte ich denn machen sollen und sich dabei theatralisch ans Herz gefasst. Das Schlimmste aber war, dass ich, das jüngste Kind, absichtlich einen Namen mit einem S als Anfangsbuchstaben bekommen habe. Mein Nachname fing auch mit S an. SS waren meine Initialen.

    Um Himmels Willen!

    Meine Mutter hat das locker als unterhaltsame Familiengeschichte erzählt, als neue Nachbarn uns eingeladen hatten. Danach ging das in der Kleinstadt rum. Ich war das SS-Kind und musste die Schule wechseln, denn die war ein Gymnasium mit überwiegend Verfolgten des NS-Regimes im Lehrerkollegium. Mein Vater hat immerhin an seinem Lebensende benannt, was die Nazis verbrochen haben. Solche Gedanken konnte er meistens betäuben. Er war Alkoholiker, was sein Leben verkürzte. Während seiner letzten Monate aber äußerte er frei heraus, dass er kein guter Mensch gewesen sei.

    Wie hat er das gesagt?

    In einem Halbsatz: „Wenn mich jetzt der Teufel holt …“ Kurz vor seinem Tod sind wir zusammen spazieren gegangen, und er sagte völlig unvermittelt: „Das Schlimmste, was man sich an Grausamkeiten vorstellen kann, die Menschen anderen Menschen antun, das existiert in der Realität“. Und er fügte mit lauterer Stimme hinzu: „Und noch darüber hinaus!“ Er hat von Auschwitz gesprochen, das weiß ich heute.
    Sabine Bode: „Meine Mutter hat im Euthanasieprogramm gearbeitet“

    Was haben Ihre Eltern in der NS-Zeit gemacht?

    Sie sind als junge Menschen der Karriere wegen in das überfallene Polen gegangen. Mein Vater war in Oberschlesien in der Leitung eines Rüstungsbetriebs, wo auch KZ-Häftlinge eingesetzt wurden. Meine Mutter hat im Euthanasieprogramm gearbeitet. Die Nazis haben in Polen die Behinderten umgebracht und aus den Heimen deutsche Lazarette gemacht.

    Wurden sie nach dem Krieg vor Gericht gestellt?

    Nein. Wer am Euthanasie-Programm beteiligt war, wurde äußerst selten bestraft, und wenn, dann waren es Ärzte, keine NS-Schwestern. Als ich und mein Bruder einmal schwer erkrankten, versuchte meine Mutter zu verhindern, dass wir überleben. Sie meinte, wir sollten nicht länger von Ärzten gequält werden, da wir ja sowieso sterben würden. Wir sollten den Gnadentod erhalten, wie es die Nazis ausdrückten. Und jedes Mal, wenn am Weihnachtsbaum die Lichter brannten, sagte meine Mutter zu mir den Halbsatz: „Weihnachten 1947, als du sterben wolltest …“

    Auch mit diesen Nazi-Geheimnissen und deren Folgen haben Sie sich in Ihren Büchern beschäftigt.

    Ja, in vielen Familien wird bis heute geschwiegen, da haben Nachkommen der zweiten und dritten Generation psychische Probleme und wissen nicht warum. Die Mutter einer Freundin wollte verhindern, dass herauskommt, dass der Vater ihres Mannes an den Sittengesetzen beteiligt war. Ein amerikanischer Wissenschaftler hatte das ausgegraben. Die drei Kinder hatten sich darüber zerstritten. Die alte, schwer kranke Mutter konnte jahrelang nicht sterben, weil sie Angst hatte, dass nach ihrem Tod die Familie zerbricht. Doch der Bruch zwischen den Geschwistern war längst geschehen.

    Sind Ihre Eltern gestorben, bevor Sie Ihre Bücher geschrieben haben?

    Mein Vater ja, in den Siebzigern. Als ich das zweite schrieb, ist meine Mutter gestorben.

    Sie haben Ihre Bücher nicht mehr gelesen?

    Nein, haben sie nicht.

    Konnten Sie auch deswegen diese Bücher überhaupt schreiben?

    Damit hat das nichts zu tun. Die Bücher hätte ich auf jeden Fall geschrieben. Auf Menschen, die dem Kind einen Namen mit den Initialen SS geben, braucht man keine Rücksicht zu nehmen. Mich hat meine eigene Familienforschung befreit. Den letzten Mosaikstein habe ich in einem Archiv gefunden, als ich 60 war. Es ging um meinen Großvater und meinen Vater. Der SA –Mann und der SS-Mann verstanden sich auf Anhieb gut. Mein Großvater besaß in einem kleinen Ort eine Ölmühle. In der Nachkriegszeit, als die Menschen hungerten, war er da der König. Mein Vater und mein Großvater haben riesige Summen damit verdient, das ÖL in Eisenbahnwaggons in den Westen zu schmuggeln.

    Wo war dieser Ort?

    In der Magdeburger Börde, da bin ich auch geboren. Aber was auch in den Akten stand, war, dass mein Großvater eine angeheiratete Familienangehörige an die Gestapo verraten hat. Es war seine jüdische Schwägerin, die er abgrundtief hasste. Sie wurde in Auschwitz umgebracht. Bei diesem Verrat hatte mein Vater kräftig mitgeholfen.

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    Sabine Bode: Meine Mutter hat im Euthanasieprogramm gearbeitetPaulus Ponizak/Berliner Zeitung

    Gibt es noch Verwandte der Frau, die verraten wurde?

    Ja, eine Tochter lebt noch. Ich habe ihr sofort die Unterlagen geschickt, obwohl ich sie gar nicht kannte. Sie wusste davon nichts.

    Wie hat sie reagiert?

    Sie hat mir erzählt, dass ihr Vater nie über die Mutter gesprochen hat. Dass sie selber drei Jahre alt war, als sie starb. Aber es gebe, sagte die Tochter, den großen Trost einer Erinnerung, wie sie im Arm ihrer Mutter lag und sich geborgen fühlte. Sie war mir dankbar, wir haben ein sehr herzliches Verhältnis. Kurz vor Weihnachten wird sie einen runden Geburtstag feiern. Ich werde hinfahren.

    Gehen Sie zu Ihren Eltern ans Grab?

    Nein. Das Grab vom Vater existiert auch nicht mehr. Mit ihm bin ich im Reinen. Ihn kann ich lieben. Er war ein Verbrecher, aber immerhin hat er sich am Lebensende mit seiner Vergangenheit auseinandergesetzt und war alles andere als stolz auf seine Nazivergangenheit.

    Und Ihre Mutter, hat sie jemals Ihre Taten bereut?

    Meine Mutter war eine Massenmörderin, und sie hat nicht bereut. Wenn wir in einem Restaurant waren, und da saß ein behindertes Kind, was ein bisschen lauter war, machte sie so eine Miene und sagte: „Sowas ist doch heute nicht mehr nötig.“ In meiner Generation sind wir mit der Angst aufgewachsen: Hoffentlich ist der Vater kein Massenmörder gewesen. Und dann stellt sich heraus, dass es die Mutter war.
    KZ-Gedenkstätten-Besuche als Pflicht: „Davon halte ich nichts“

    Gerade gibt es in den Medien und im Buchhandel eine neue Welle von NS-Familiengeschichten. Enkel finden heraus, dass der Opa ein hochrangiger Nazi und an schlimmsten Verbrechen beteiligt war. Jetzt, mehr als 80 Jahre später! Wie erklären Sie sich das?

    Das ist die dritte Welle. Die erste kam mit der Ausstrahlung der Holocaust-Serie Ende der 70er-Jahre. Die zweite mit den Büchern um die Jahrtausendwende. Ich bin ja nicht die Einzige, die über Kriegskinder- und -enkel geschrieben hat.

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    Eine Parade des Wehrmachtsverbandes im Jahr 1936teutopress/imago

    Was halten Sie von dem Vorschlag der neuen Bildungsministerin Karin Prien, KZ-Gedenkstättenbesuche in Schulen als Pflicht einzuführen?

    Nichts. Man kann Lehrer nicht dazu zwingen. Und wenn man es tut, besteht die Gefahr, dass sie zu angespannt sind. Man kann so etwas nur machen, wenn man selbst das eigene Kinderzimmer mit all seinen Traumata aufgearbeitet hat. Ich hätte kein Problem, mit einer Schülergruppe nach Auschwitz zu fahren, ich würde sie auch ausbremsen können, wenn sie „Ausländer raus“ singen. Aber das kann man von Lehrern nicht verlangen.

    „Das Kinderzimmer aufarbeiten“, wie kann man damit anfangen, wenn man es nicht schon getan hat?

    Der erste Schritt ist, an Archive zu schreiben und parallel dazu historisches Wissen erwerben. Cicero hat vor 2000 Jahren geschrieben: „Nicht zu wissen, was vor der eigenen Geburt geschehen ist, heißt, immer ein Kind zu bleiben.“ Es gibt diese Abwehr, die sich als Naivität äußert: Wird schon alles nicht schlimm so gewesen sein. Ist ja schon so lange her. Anderes ist wichtiger.

    Ist diese Abwehr, dieses Schweigen in den Familien, eigentlich etwas typisch Deutsches oder gibt es das auch in anderen Regionen der Welt, wo Kriege oder Massaker stattgefunden haben?

    Natürlich gibt es das auch woanders. Wenn eine Katastrophenzeit zu Ende geht und eine neue Zeit beginnt, boomen die Familiengeheimnisse. Der spanische Bürgerkrieg ist quer durch die Familien gegangen und wir wissen wenig drüber. In den USA entwickeln sich zur Zeit Familien-Tabus. Gemeinsame Mahlzeiten gelingen nur noch, wenn darüber geschwiegen wird, wer pro und wer gegen Trump ist. Das ist etwas ganz Normales. Man schämt sich auch und erzählt es nicht weiter.

    Ist die Angst vor einem neuen Krieg in Deutschland größer als in anderen Ländern?

    Ja. Schon in den 80ern, als der Golfkrieg begann, wurde in Köln der Rosenmontagszug abgesagt, aus Angst, der Krieg könnte zu uns kommen. Das muss man sich mal vorstellen. Und aus den Fenstern wehten weiße Bettlaken, die mit der Zeit immer grauer wurden. So verstört waren die Leute.

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    Sabine Bode: 20 Jahre bin ich mit den Kriegskindern und -enkeln durchs Land getourt. Das reicht.Paulus Ponizak/Berliner Zeitung

    Sabine Bode: „Gewalt durch Gegengewalt in Schach halten“

    Und heute, da wieder überall von einem neuen Krieg in Europa und Aufrüstung geredet wird?

    Viele haben Angst vor Aufrüstung, statt erleichtert zu sein, dass wir nicht ausgeliefert sind für den Fall, dass Russland mit einem Angriff auf ein Nato-Land einen großen Krieg anzettelt. Offenbar ist durch 80 Jahre Frieden – für die ich unglaublich dankbar bin – bei vielen das Wissen abhanden gekommen, dass Gewalt nur durch Gegengewalt in Schach zu halten ist. Ich habe 2006 ein Buch über die deutsche Angst als nationale Gefühlslage und über Verdrängung geschrieben und wollte eigentlich noch eins schreiben: Deutsche Angst 2.

    Was ist daraus geworden?

    Nicht mehr als ein Arbeitstitel und sehr viel Unausgegorenes. Das ist vorbei. Ich denke, das sind jetzt auch die letzten Veranstaltungen, die ich zu meinen Themen mache. Dann ist Schluss.

    Dann ist Schluss?

    Ja. Man braucht für diese Art von Aufarbeitung eine Zeit, die friedlich ist, in der nicht so viel Vertrautes aus den Fugen gerät. Eine Zeit, in der nicht jeden Abend die Fernsehnachrichten den Blutdruck in die Höhe jagen. Ich gehe davon aus, dass die Menschen nicht mehr die Kraft haben, sich am Feierabend mit einem weiteren schweren Thema zu befassen. 20 Jahre bin ich mit den Kriegskindern und -enkeln durchs Land getourt. Das reicht. In zwei Jahren bin ich 80 Jahre alt. Wenn ich mich zurückziehe, kommen vielleicht andere, die diese Themen aufgreifen.

    Sabine Bode

    wurde 1947 in Eilsleben in der Nähe von Magdeburg geboren. 1948 zogen ihre Eltern mit ihr ins Rheinland. Als Journalistin arbeitete sie beim Kölner Stadtanzeiger und beim WDR und NDR. In ihren Büchern über Kriegskinder und Kriegsenkel deckte sie auf, dass kindliche Kriegstraumata oft jahrzehntelang unentdeckt bleiben, sich erst im höheren Lebensalter zeigen und sich auf spätere Generationen übertragen können. Sabine Bode lebt in Köln.

    #Allemagne #nazis #euthanasie #psychologie

  • Lev Vygotski : la #psychologie par gros temps ?
    https://laviedesidees.fr/Lev-Vygotski-la-psychologie-par-gros-temps-6522

    Lev Vygotski mérite d’être redécouvert au-delà de sa réputation pédagogique. Il a vécu la période tragique du stalinisme en travaillant jusqu’au dernier moment de sa courte vie à une psychologie de la liberté.

    #Philosophie #éducation #enfance #U.R.S.S. #Portraits
    https://laviedesidees.fr/IMG/pdf/202506_vygotski_2_.pdf

  • « Das Böse beginnt dann, wenn der Mensch sich nicht in andere hineinfühlt »
    https://www.deutschlandfunkkultur.de/das-boese-beginnt-dann-wenn-der-mensch-sich-nicht-in-andere-10

    Tous les hommes sont capables de tuer ou faire souffrir d’autres personnes. Tant qu’on leur permet de vivre une vie agréabke sans trop de contraintes, seulement une infime minorité ressentira le besoin de se comporter en tortionnaire. Si par contre on expose systématiquement les humains à l’injustice, à la peinurie et à la cruauté ils pencheront vers leur côté obscur et se montreront les êtres inhumains qu’ils auront appris de l’être.

    S’ils vivent alors comme membres d’un groupe dominateur comme les riches d’aujourd’hui, les élites des empires chinois, romain, britannique, état-unien ou celui qui n’exista pendant mille ans que dans la folle imagination de ses organisateurs, on en transforme la majorité en tueurs par nécessité pleins de bonne conscience. Les autres couches populaires et populations des pays dominés les suivront en accomplissant le dur labeur de clouer á la croix, d’étouffer dans le sang ou de préparer les chambres à gaz.

    Je les ai encore rencontré dans leur habitat naturel les tueur de la guerre du Vietnam et les collaborateurs des assassins nazis. Ce sont des gens normaux à peine déformés par les actes inhumains qu’ils omt commis ou dont ils ont été les témoins plus ou moins impliqués.

    Là en Allemagne on est en train de préparer la transformation de la majorité en tueurs. Prenez garde de ne pas les rencontrer lors ce qu’on leur aura donné l’ordre de défendre leur suprématie en matant les inférieurs.

    Ce psychologue autrichien donne son avis à propos de la genèse des tueurs.

    4.2.2012 von Ulrike Timm - Reinhard Haller im Gespräch mit Ulrike Timm

    Menschen, denen das Einfühlungsvermögen in andere fehle, könnten diese auch quälen, vergewaltigen und töten, sagt der österreichische Gerichtspsychiater Reinhard Haller. Er glaubt, dass derzeit weltweit 120 bis 150 extrem gefährliche Sexualmörder auf freiem Fuß seien.

    Ulrike Timm: Dem abgrundtief Bösen widmen wir uns in dieser Woche im Radiofeuilleton und versuchen, uns aus verschiedensten Perspektiven Menschen, Denkrichtungen, Taten zu nähern, die man eigentlich nicht verstehen kann. Und damit wir uns auf der Suche nach dem Bösen nicht gleich philosophisch verheddern, haben wir jetzt einen Mann eingeladen, der täglich ganz konkret in Abgründe schaut, Reinhard Haller.

    Er widmet sich als Gerichtspsychiater und Neurologe Schwerstverbrechern, die bestialisch morden und quälen, die aber oft von den eigenen Taten ganz seltsam unberührt bleiben. Stehen die nun für das Böse? Herr Haller, schönen guten Tag!

    Reinhard Haller: Grüß Gott!

    Timm: Herr Haller, einer Ihrer prominentesten Fälle, das war der berühmte Jack Unterweger, ein Prostituiertenmörder, der im Gefängnis dann zum viel umjubelten Knastpoeten avancierte, fast verehrt wurde. Er kam heraus, wurde als charmanter Partylöwe herumgereicht, das vorbildliche Beispiel für Resozialisierung nach schlimmer Tat. Und dann mordete Jack Unterweger wieder. Im gleichen Milieu als Autor und Journalist sozusagen auf Recherche. Man kann es wirklich kaum glauben. 1994 dann wurde Jack Unterweger zum zweiten Mal verurteilt wegen neunfachen Mordes. Nach der Urteilsverkündung erhängte er sich mit dem gleichen Knoten, mit dem auch seine Opfer stranguliert wurden. Herr Haller, wie hat dieser Mann, wie hat dieser Mensch auf Sie gewirkt?

    Haller: Vom ersten Eindruck her war er nicht unsympathisch. Er war eher so der hilflose Junge. Er war recht intelligent, er war hilfsbedürftig. Er hat diesen Eindruck vermittelt, als ob von einem etwas erwartet, als ob er etwas braucht. Er hat vor allem auf Frauen einen sehr starken Eindruck gemacht. Mir hat er einmal gesagt, dass er in den zirka zwei Jahren, die er in Freiheit war, mit 151 Frauen geschlafen hat. Es war auch nach seiner Verhaftung so, dass sich sehr viele Frauen um ihn gekümmert haben, ihm ihre Partnerschaft, ihre Eheschließung, ihre Liebe, Geld und so weiter angeboten haben. Also man hat bei ihm besonders signifikant zwei Dinge gesehen: Zunächst einmal den Charme des Psychopathen, also das heißt, das Böse kommt oft in der Gestalt des Verführerischen daher. Und auf der anderen Seite auch das Verbrechen und psychische Störung einen enormen Anziehungseffekt auf jeden von uns haben.

    Timm: Also der liebenswerte Mann, der zwanghaft mordet?

    Haller: Das kann man ein Stück weit schon sagen. Allerdings sind die Gefühle dieser Menschen sehr oberflächlich. Das heißt, sie sind wahrscheinlich ein Stück weit gespielt. Sie sind nicht echt, es fehlt der Tiefgang. Es fehlt diesen Menschen im Prinzip das Einfühlungsvermögen in andere. Deswegen können sie sie auch quälen, vergewaltigen und töten.

    Timm: Wie hat denn Jack Unterweger das geschafft, alles so vollendet zu täuschen?

    Haller: Ich denke, er war zunächst einmal sehr intelligent. Er war ein Mensch, der aus der Sekunde heraus lügen konnte. Er war ein glänzender Naturpsychologe, das heißt er hat kein theoretisches Wissen gehabt, aber es war ihm möglich, sich sofort auf Menschen und auf Situationen einzustellen, vorauszudenken. Und damit hat er es zunächst einmal geschafft bei dem ersten Mord, bei dem es sich um eine bestialische Sexualtötung gehandelt hat – er hat ein 18-jähriges Mädchen mit einer Stahlrute durch den winterkalten Wald getrieben und dann mit ihrem Büstenhalter stranguliert – den zu verkaufen als eine Art Notwehr, als eine Art Totschlag.

    Also er hat allen Menschen dann nachher verkündet, da war nichts Böses dahinter, sondern ich habe mich im Prinzip nur gewehrt. Er hat dann in Haft gelernt, zu lesen und zu schreiben, er war ja bis dahin fast analphabetisch. Er hat dann einen Dichter beziehungsweise dessen Werke kennengelernt namens Peter Handke und hat also, ganz Narziss, wie er war, gesagt, das kann ich auch, und hat begonnen zu schreiben: über seine Taten und damit hat er sehr viele beeindruckt. Die sich dann für seine Freilassung eingesetzt haben. Sie haben gesagt: Wenn jemand so über seine Taten schreibt, dann hat er gesühnt, dann ist er geläutert. Dann muss das ein guter Mensch sein.

    Und er war dann draußen, sozusagen in der freien Gesellschaft ohne jegliche Sicherung. War Partylöwe, war Gast in Talkshows, war auch Reporter und hat, als dann in Österreich viele Prostituiertentötungen eingetreten sind, sogar im Prostituiertenmilieu Recherchen gemacht. Er hat die Ermittler befragt. Er ist zum höchsten Beamten der Republik gegangen und hat gesagt: Welch Skandal! Sie haben den Hurenmörder immer noch nicht erwischt. Dabei war er es selbst.

    Timm: Sie haben viele Psychopathen begutachtet, viele Mörder und Triebtäter, unter anderem auch Josef Fritzl, der seine Tochter 24 Jahre lang versteckt hat, eingesperrt hat, sieben Kinder mit ihr gezeugt. Gibt es eigentlich etwas, was allen Psychopathen gemeinsam ist?

    Haller: Wenn man sagt, es sind alles Narzissten, dann trifft man damit wahrscheinlich die Realität am nächsten. Und in den meisten Fällen ist das ein gemeinsamer Zug. Und es geht allen um Machtausübung. Das sagen ja die Psychologen immer, wenn man sie nach dem Profil eines großen Straftäters fragt. Aber damit haben sie meistens recht. Worum geht es hier? Wir alle haben in uns narzisstische Anteile, die aber eher gutmütig, harmlos sind. Also ich hab eine schöne Uhr, einen tollen Wagen, eine noch schönere Freundin und dergleichen. Das ist vielleicht lästig und eitel, aber es ist noch nicht gestört und nicht krank.

    Der bösartige, der gefährliche Narzisst, mit dem wir es in der Kriminologie zu tun haben, hingegen bleibt durchschnittlich. Es ist die berühmte graue Maus von nebenan, der man das nie zugetraut hätte. Innerlich hat er furchtbare Fantasien und er dreht dann sozusagen den Spieß um, das heißt, er erniedrigt andere, er wird zum Herrscher über sie, und dadurch ist er gleichsam als Einäugiger König unter Blinden. Und diese Form des umgekehrten Narzissmus, das ist das tatsächlich Gefährliche. Diese Menschen wollen einfach jemand anderen vollkommen beherrschen, sie weiden sich an der Todesangst und haben eine große Intelligenz und eine gute Logistik – Unterweger war also beispielsweise auch ein sehr intelligenter Mann. Und dementsprechend sind sie nicht einfach zu ergreifen. Es laufen zur Beunruhigung der Hörer, fürchte ich, weltweit zwischen 120 und 150 extrem gefährliche Sexualmörder frei herum.

    Timm: Sagt uns Reinhard Haller, Gerichtspsychiater aus Österreich im Radiofeuilleton von Deutschlandradio Kultur. Und wir sprechen über das abgrundtief Böse. Ist Ihnen denn in den Psychopathen, die sie begutachtet haben, das unerklärlich Böse begegnet? Wie würden Sie das persönlich sehen?

    Haller: Das muss ich bejahen. Weil, es ist folgendermaßen: Wir dürfen nicht von vornherein sagen, wenn eine schreckliche Tat passiert, dann muss das gleichzeitig auch ein abnormer, ein psychopathischer Mensch sein. Wir haben zwar diese Tendenz, denken Sie zurück beispielsweise an den 11.9.2001. Wenn so ein furchtbares Verbrechen passiert, dann rufen wir alle, das sind irre Straftäter, das sind fanatische Menschen, das sind geisteskranke Terroristen und so weiter.

    Also wir bedienen das gesamte psychiatrische Repertoire – und das ist falsch. Denn das Böse kann auch aus einem ganz normalen Menschen kommen. Und man sieht manchmal auch diese Taten, wo es nicht einmal ein erkennbares Motiv gibt. In der Regel kann man sagen: Es spielt sich ab im zwischenmenschlichen Bereich, es geht, wie ein alter Kriminologe mal gesagt hat, meistens um Sperma und oder Geld. Also um Beziehungen, Sexualität und um Eigentumserwerb.

    Aber in seltenen Fällen geschieht das Töten einfach um des Tötens willen, und das ist dann wirklich das Böse. Also wenn beispielsweise ein paar Jugendliche in Tessin in Ostdeutschland vor ein paar Jahren gesagt haben, wir wollen einfach mal wissen, wie es ist, Menschen umzubringen, Menschen zu töten, dann muss man schon sagen, dann kommt das dem, was wir als das Böse bezeichnen, sehr, sehr nahe.

    Timm: Wenn ganz normale Menschen dann auch töten können – haben Sie denn im Laufe Ihrer Arbeit eine Erklärung gefunden, sind ihr nahe gekommen, warum Menschen morden und vergewaltigen?

    Haller: Wir gehen davon aus, dass in jedem Menschen drinnen das Böse genauso steckt wie das Gute. Das Gute ist ja gar nicht möglich, wenn es den Schatten dazu nicht auch gibt. Und die Psychologen, die streiten sich im Wesentlichen mit zwei Theorien. Die einen besagen, der Mensch kommt als unschuldiges Wesen auf die Welt und wird erst durch die Erziehung und die Umwelt und so weiter zu einem Bösen, zu einem Straftäter unter Umständen.

    Die anderen hingegen sagen, und ich bekenne mich auch hierher dazu, dass der Mensch an sich als universell kriminelles Wesen auf die Welt kommt, aber durch die Erziehung sozialisiert wird und dann sich in der Regel normal verhält. Aber wenn wir ehrlich sind, deuten wir ja auch an, dass wir das Böse in uns drinnen spüren. Also wir sagen beispielsweise, wenn wir in Streit geraten mit jemandem: Du wirst mich noch kennenlernen. Damit meinen wir: Es ist in mir drinnen ein anderer Teil als der, den man kennt, und das ist ein böser Teil.

    Oder nehmen Sie das Beispiel, dass in unserer Nachbarschaft ein schweres Verbrechen passiert, ein Sexualdelikt oder dergleichen. Was läuft dann ab? Dann sagen zunächst alle in der Umgebung: Das hätte ich mir nie gedacht, so ein netter Mensch, das hätte ich ihm nicht zugetraut. Dann schlafen wir ein, zwei Nächte drüber und dann sagen wir: Irgendwie komisch ist der mir immer schon vorgekommen. Wie der so dreingeschaut hat und so weiter, was der für ein Gesicht gehabt hat. Dann schlafen wir noch eine Nacht, und dann sagen wir: Ich hab es immer schon gewusst, der geborene Verbrecher.

    Was läuft mit dieser Projektion ab? Dass wir auch in uns selbst drinnen das Böse vermuten und uns sehr viel zutrauen. Und es wahrscheinlich auch in bestimmten Situationen nicht im Griff haben. Wir können sagen: Der Mensch ist normalerweise gut und sozial verträglich, aber bestimmte Situationen, und die sind wirklich von Interesse, lassen in ihm das Böse sozusagen heraus. Persönlich glaube ich, das Böse beginnt dann, wenn der Mensch sich nicht in andere hineinfühlt.

    Jemandem ins Gesicht zu schauen, heißt, ihn nicht töten zu können, lautet ein berühmtes Philosophenwort. Wenn man den anderen entmenschlicht, das ist immer passiert, wenn es um lebensunwertes Leben, um geborene Verbrecher, um unnütze Esser und so weiter gegangen ist. Wenn sehr viel Macht eingesetzt wird, also wenn die Machtverhältnisse ganz einseitig sind, und wenn man den Moralinstinkt, der in jedem Menschen irgendwo vorhanden ist, in allen Kulturen weiß man, Töten ist nicht in Ordnung. Das ist ein Verbrechen. Wenn der übersprungen wird, dann, glaube ich, dann können wir sagen, ist das Böse ganz besonders nahe.

    Und es kommt noch ein Faktor hinzu, das ist die Autorisierung des Bösen. Also dass vollkommen normale Menschen zu schrecklichen KZ-Wärtern oder zu Mitgliedern eines Erschießungskommandos bei Massenerschießungen geworden sind, die daneben liebevolle Familienväter und fürsorgliche Söhne und so weiter sind, unter dieser Autorisierung des Bösen kommt aus ihnen etwas heraus, was sie wahrscheinlich selbst nie vermutet hätten.

    Timm: Das war der Gerichtspsychiater Reinhard Haller. Zum Auftakt unserer Reihe hier im Radiofeuilleton, „Das Böse“, die wir heute Nachmittag fortsetzen im Gespräch mit dem Neurowissenschaftler Niels Birbaumer, und dann geht es um die Frage, ob man das Böse im Hirn des Menschen womöglich lokalisieren kann.

    Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Deutschlandradio macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.

    #guerre #meurtres #psychologie #histoire #militaire #Allemagne #empire_romain #nazis

  • How Nearly a Century of Happiness Research Led to One Big Finding - The New York Times
    https://www.nytimes.com/2025/05/01/magazine/happiness-research-studies-relationships.html

    Finding purpose in serving others, spending more time with others — it all points toward the same thing, Lyubomirsky says. “After all these years, it hit me,” she says. “The reason that all of these interventions are working is because they make people feel more connected to others. So when I write a gratitude letter to my mom, it makes me feel more connected to my mom. When I do an act of kindness, it makes me feel more connected to the person I’m helping, or just humanity as a whole. Yes, you could go running, and that would make you happier, and meditation doesn’t necessarily have to be about other people. But I would say that 95 percent of things that are effective in making people happy and that have been shown to be true through happiness interventions are because they make people feel more connected to other people.”

    Although social media has come to be associated with negative moods, the research on its effects on happiness is actually more mixed, Lyubomirsky says, because it does provide a certain kind of connection. In her own research, Lyubomirsky has found that when people talk to someone — whether in person, by phone or video chat — those simple interactions seem to boost happiness equally, and that they are all preferable to texting. “Maybe it’s just because our brains are not wired for that,” she says. With the exception of passive scrolling on social media — behavior that often inspires the scrollers to compare their own lives unfavorably with those of the posters — she believes connecting with old friends or possible new ones on social media is better than making no connections at all.

    That strong marriages and family relationships make people happier — yes, that’s intuitive, Lyubomirsky acknowledges. What she found more surprising was just how effective even having smaller points of connection throughout the day could be for happiness — and how achievable that is, if people could only overcome their own hesitation. “If someone were to ask me what’s the one thing you could do tomorrow to be happier, that’s my answer: having a conversation with someone — or a deeper conversation than you normally do,” she says.

    Talking to strangers — on trains, in a coffee shop, at the playground, on line at the D.M.V., in the waiting room at the doctor’s office — could be dismissed as an exercise that simply makes the time pass. But it could also be seen as a moving reflection of how eager we all are, every day, to connect with other humans whose interiority would otherwise be a mystery, individuals in whose faces we might otherwise read threat, judgment, boredom or diffidence. Talking to strangers guarantees novelty, possibly even learning. It holds the promise, each time, of unexpected insight.

    #Psychologie_expérimentale #Bonheur

  • Job-Tipps: Diese Sätze sollten Sie niemals zu Ihren Kollegen sagen
    https://www.stern.de/wirtschaft/job/job-tipps--diese-zehn-saetze-sollten-sie-nie-zu-ihren-kollegen-sagen-35244874.

    3.3.2025 von Tina Poker - Eines der größten Job-Ärgernisse? Kollegen. Nörgler, Besserwisser, Drückeberger – es ist nicht immer leicht. Trotzdem sollte man sich gut überlegen, wie man mit ihnen spricht.

    Homeoffice vom Sofa aus, Vier-Tage-Woche, regelmäßige Sabbaticals – die Arbeitswelt verändert sich. Sie wird flexibler. Doch der Eindruck, dass bald niemand mehr im Job auch nur einen Finger krumm machen will, täuscht. Die Deutschen arbeiten so viel wie lange nicht mehr. Das zeigen Zahlen einer Studie des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung. 55 Milliarden Stunden verbrachten abhängige Arbeitnehmer demnach 2023 arbeitend. Das letzte Mal wurden so viele Stunden vor 30 Jahren abgeleistet. Und das, obwohl die durchschnittliche Wochenarbeitszeit kontinuierlich sinkt. Erklärbar werden die Zahlen durch die Frauen. Immer mehr von ihnen sind erwerbstätig.

    Im Schnitt verbringen Frauen 33 Stunden in der Woche mit Arbeit, bei Männern sind es durchschnittlich 40 Stunden. Eine Menge Lebenszeit, die man mit seinen Kollegen teilt. Oder teilen muss. Denn mit wem man zusammen in einem Team landet, wird oftmals an anderer Stelle entschieden. Und so sitzt man dann mitunter mit Menschen am Tisch, mit denen man privat lieber kein Bier trinken will.

    Der eine ist herrisch, der andere mault nur herum, und der Dritte hat ein Talent dafür, sich bei der Aufgabenverteilung unsichtbar zu machen. Aber auch, wenn es menschlich manchmal bei der Arbeit knirscht, sollte ein gewisser Umgangston gewahrt bleiben. Welche Aussagen gegenüber Kollegen unangebracht sind, welche Auswirkungen bestimmte Sätze haben können und wie man es besser macht, weiß Teresa Stockmeyer. Sie ist Trainerin für Teamentwicklung.

    Zehn Aussagen im Job, die man sich im Umgang mit Kollegen verkneifen sollte

    Abwertungen und persönliche Angriffe

    Aussagen wie „Das war ja klar, dass du das nicht schaffst“ verletzen Kollegen, zerstören Vertrauen und schaden der Beziehung. Oft entstehen sie aus Frustration oder Stress. Sie schaden jedoch langfristig der Zusammenarbeit, denn sie führen oft zu Konflikten oder defensivem Verhalten.

    Besser: Bleiben Sie sachlich: „Das lief nicht wie geplant. Lass uns gemeinsam schauen, was wir ändern können.“ Damit wird das Problem angesprochen, ohne die Beziehung zu belasten, und das Gespräch bleibt lösungsorientiert.

    Verallgemeinerungen

    Verallgemeinerungen wie „Das machst du immer falsch“ oder „Niemand unterstützt mich hier“ sind pauschal und lassen wenig Raum für konstruktive Lösungen. Sie entstehen oft aus Ärger oder dem Gefühl, übersehen zu werden. Kollegen fühlen sich dadurch jedoch unfair behandelt und blocken ab. Solche Aussagen lenken vom eigentlichen Problem ab, verstärken Konflikte und erschweren eine objektive Diskussion.

    Besser: Sprechen Sie konkrete Situationen an, zum Beispiel: „Beim letzten Projekt gab es ein Problem. Wie können wir das beim nächsten Mal vermeiden und besser machen?“ So wird das Thema greifbar und lösbar.

    Vergleiche mit anderen Kollegen

    Vergleiche wie „Warum kannst du nicht wie … arbeiten?“ schaden dem Selbstwertgefühl und demotivieren. Oft entstehen solche Aussagen aus Frust oder dem Wunsch nach besseren Ergebnissen, doch sie ignorieren individuelle Stärken. Betroffene fühlen sich unfair behandelt, was die Zusammenarbeit hemmt.

    Besser: Erkennen Sie die individuellen Fähigkeiten Ihrer Kollegen an: „Deine Herangehensweise ist gut. Wie können wir das noch effektiver machen?“ Das fördert die Motivation, lenkt den Fokus auf ein gemeinsames Ziel und verbessert so die Zusammenarbeit.

    Unterstellungen und Misstrauen

    Unterstellungen wie „Du machst das doch absichtlich falsch“ oder „Du willst nur deinen Vorteil“ sind emotional belastend und führen oft zu Abwehrreaktionen. Solche Aussagen entstehen meist aus fehlendem Verständnis oder Druck, schädigen jedoch das Vertrauen. Sie verhindern offene Gespräche und schüren Konflikte.

    Besser: Fragen Sie nach den Hintergründen: „Ich verstehe deinen Ansatz nicht ganz. Kannst du mir erklären, warum du so vorgehst?“ So klären Sie Missverständnisse, ohne Vorwürfe zu machen, und fördern eine respektvolle Zusammenarbeit.

    Herablassende Bemerkungen

    Sätze wie „Das versteht doch jedes Kind“ oder „Das hätte ich dir gleich sagen können“ wirken entwertend und demotivierend. Sie entstehen oft aus Ungeduld oder einem unbedachten Tonfall, schädigen jedoch die Beziehungsebene. Kollegen fühlen sich nicht ernst genommen, was ihre Bereitschaft zur Zusammenarbeit reduziert.

    Besser: Unterstützen Sie wertschätzend: „Das Thema ist kompliziert. Soll ich es noch einmal erklären?“ Das schafft Verständnis, ohne jemanden herabzusetzen, und fördert ein positives Arbeitsklima.

    Jemanden vor anderen Kollegen kritisieren

    Kritik vor anderen, zum Beispiel „Das war wirklich schlecht gemacht“, stellt Kollegen bloß und senkt ihre Motivation erheblich. Solche Aussagen entstehen oft impulsiv, aus Ärger oder Stress. Sie belasten jedoch die Teamstimmung und führen dazu, dass sich die betroffene Person gedemütigt fühlt.
    Besser: Äußern Sie Kritik respektvoll und sachlich in Einzelgesprächen: „Ich habe eine Rückmeldung zu deiner Arbeit. Können wir uns dazu kurz zusammensetzen?“ Begründen Sie ihre Kritik und äußern Sie Wünsche, damit die Person eine Chance hat, es das nächste Mal anders zu machen. So bleibt die Kritik sachlich und lösungsorientiert.

    „Das ist nicht mein Problem“ sagen

    Dieser Satz signalisiert Desinteresse und fehlende Teamorientierung. Solche Aussagen entstehen oft aus Überforderung oder Frust, wirken aber unsolidarisch und verstärken das Gefühl, allein gelassen zu werden. Wer dauerhaft nicht auf Unterstützung zählen kann, wird auch selbst keine Hilfe (mehr) anbieten.

    Besser: Zeigen Sie Bereitschaft zur Unterstützung und helfen Sie den richtigen Ansprechpartner zu finden: „Das ist nicht direkt mein Bereich, aber lass uns gemeinsam schauen, wer dich unterstützen kann.“ Häufig hilft es Kollegen schon, eine zweite Meinung oder Perspektive zu ihrem Problem zu erhalten. Das fördert den Teamgeist und Vertrauen.

    Nicht hilfreiche (und ungefragte) „Ratschläge“ geben

    Manche Ratschläge sind eher Schläge als Rat: „Das hätte ich gleich anders gemacht“. Sie wirken besserwisserisch und wenig konstruktiv. Interessanterweise entstehen diese Aussagen oft aus dem Wunsch zu helfen, kommen beim Gegenüber aber nicht so an. Im Gegenteil: Betroffene sind entmutigt, fühlen sich übergangen und trauen sich weniger, eigene Lösungen zu entwickeln.

    Besser: Bieten Sie Unterstützung an: „Wenn du magst, können wir das gemeinsam anschauen.“ Oder fragen Sie: „Wie kann ich dich unterstützen?“ So wirken Sie nicht bevormundend und fördern Eigenverantwortung.

    Sorgen und Anliegen ignorieren

    Wer Sätze sagt wie: „Das ist doch kein Grund zur Aufregung“ oder „Das betrifft uns doch nicht“, übergeht die Gefühle und Sorgen seiner Kollegen. Solche Reaktionen entstehen oft aus Zeitdruck oder Unverständnis, wirken aber herablassend. Ignorierte Anliegen führen zu Frustration und schwächen schnell die (offene) Kommunikation im Team.

    Besser: Seien Sie empathisch und reagieren verständnisvoll: „Ich merke, dass dich das belastet. Was brauchst du? Wie können wir damit umgehen?“ Das signalisiert Wertschätzung und fördert eine lösungsorientierte Haltung, ohne Sorgen kleinzureden.

    Privates in die Diskussion ziehen

    Bemerkungen wie „Kein Wunder, dass du Single bist“ oder „Wenn du dein Leben besser organisieren würdest, wäre das kein Problem“ sind unprofessionell und respektlos. Sie entstehen oft aus Frust oder in Streitgesprächen und führen zu weiteren Verletzungen und Spannungen. Solche emotionalen Aussagen haben keinen Nutzen, können aber großen Schaden anrichten und die Zusammenarbeit nachhaltig belasten.

    Besser: Hier gibt es kein Besser. Es gilt: Persönliche Themen im beruflichen Kontext am besten weglassen. Menschen, die mit solchen Bemerkungen konfrontiert werden, verlassen am besten zunächst die Situation: „Lass uns eine kurze Pause machen und später noch einmal in Ruhe darüber sprechen, wie wir einen gemeinsamen Weg finden.“

    Zur Person

    Teresa Stockmeyer ist studierte Kommunikationswissenschaftlerin, Soziologin und zertifizierter Agile Coach mit einem Faible für Hirnforschung, Gruppendynamiken und menschliches Verhalten. Ihr Wissen setzt sie als Trainerin für Teamentwicklung ein und hilft Menschen dabei, Dinge aus- und anzusprechen, die sie nerven. Teresa Stockmeyer ist Geschäftsführerin von Good Teamwork Rocks.

    #travail #psychologie #collaboration #travail_en_équipe #carrière #harcèlement

  • Pourquoi acceptons-nous l’inacceptable ?

    Et comment construire une #santé_mentale_collective ?

    Les #injustices_sociales en France, comme la réforme des retraites, les discriminations raciales et la violence policière, sont exacerbées par des politiques migratoires répressives et des discours xénophobes. Les communautés LGBTQIA+, notamment les personnes trans, subissent aussi des attaques violentes et des régressions législatives. Ces inégalités sont systématiques et marginalisent des millions de personnes. Cependant, malgré ces luttes et mobilisations, une #résignation collective persiste, en partie à cause de mécanismes psychologiques invisibles qui rendent l’inacceptable acceptable.

    Malgré ces défis, des mouvements comme les Gilets jaunes ou les luttes féministes et antiracistes/décoloniales montrent que la #colère et la #résistance existent. Mais pourquoi ces élans s’essoufflent-ils ? Cette question dépasse les seules causes économiques et politiques, elle touche à des mécanismes psychologiques profonds. Ces mécanismes qui nous poussent à accepter l’inacceptable peuvent être déconstruits. En repensant la #santé_mentale comme un enjeu collectif, nous pouvons transformer notre manière de percevoir l’#injustice, en créant des espaces de #solidarité et d’#action commune. C’est à travers cette réinvention de notre rapport à l’autre et à la société que nous pourrons espérer changer les choses.

    Les mécanismes psychologiques de l’acceptation de l’inacceptable

    S’habituer à l’inacceptable ou le biais d’#adaptation

    Imaginez un bruit constant dans votre environnement, comme celui d’un ventilateur. Au début, ce bruit vous dérange, mais à mesure qu’il persiste, votre cerveau l’intègre et vous finissez par ne plus le remarquer. Ce phénomène, appelé #biais_d’adaptation, joue un rôle similaire face aux conditions de vie dégradées.

    Dans les sociétés contemporaines, ce biais se manifeste par l’#acceptation progressive de situations pourtant insupportables : précarité croissante, dégradation des services publics, ou explosion des prix de l’énergie. Par exemple, en France, le démantèlement progressif des hôpitaux publics, documenté par des sociologues comme Pierre-André Juven (La casse du siècle : À propos des réformes de l’hôpital public), a conduit à une pénurie de soignants et de lits. Pourtant, cette réalité est perçue comme une « #nouvelle_normalité » à laquelle il faudrait s’adapter, et non comme un #problème_systémique à résoudre.

    Ce phénomène se retrouve également dans des sphères plus personnelles. Prenons l’exemple du monde professionnel : un travailleur qui, année après année, voit ses #conditions_de_travail se dégrader – une #surcharge de tâches, des heures supplémentaires non payées, ou des #pressions_managériales croissantes – finit souvent par intégrer ces contraintes comme faisant partie du « métier ». Il rationalise : « C’est comme ça partout » ou « Je dois m’estimer chanceux d’avoir un emploi. » Pourtant, ces #ajustements_psychologiques masquent souvent une #souffrance profonde. En acceptant ces conditions, le salarié s’adapte à un #environnement_hostile sans remettre en question la structure qui en est responsable.

    De la même manière, les personnes racisées développent des #stratégies_d’adaptation face aux discriminations systémiques. Un exemple frappant est celui des #contrôles_au_faciès. Pour beaucoup, cette pratique récurrente devient une « #routine » : éviter certains quartiers, anticiper les interactions avec la police en préparant leurs papiers, ou encore minimiser l’expérience en se disant que « cela aurait pu être pire ». Ces #stratégies_d’ajustement sont des #mécanismes_de_survie, mais elles renforcent également la #banalisation de l’#injustice. Comme le souligne le sociologue Abdellali Hajjat dans ses travaux sur l’islamophobie et les discriminations, cette #normalisation contribue à invisibiliser les #violences_structurelles, car les individus finissent par intégrer ces traitements comme des faits inévitables de leur quotidien.

    D’un point de vue psychologique, cette #capacité_d’adaptation est un #mécanisme_de_protection : notre cerveau tend à minimiser les #chocs_émotionnels en « normalisant » ce qui devrait être exceptionnel. Mais cette adaptation, si elle nous protège individuellement, nous empêche collectivement de reconnaître l’#urgence_d’agir et peut paralyser l’#action_collective.

    L’#effet_de_normalisation : rendre l’injustice ordinaire

    Autre mécanisme à l’œuvre : l’effet de #normalisation. Les inégalités sociales, souvent présentées comme inévitables dans les discours politiques et médiatiques, finissent par être acceptées comme un état de fait.

    Prenons l’exemple des écarts de richesse. Lorsqu’un PDG gagne 400 fois le salaire moyen de ses employés, cette réalité devrait susciter l’indignation. Mais les récits dominants – comme celui de la « méritocratie » ou du « risque entrepreneurial » – transforment ces écarts en phénomènes normaux, voire légitimes. Les médias jouent ici un rôle central : en valorisant des figures comme Elon Musk ou Jeff Bezos, ils participent à cette construction idéologique. Comme l’explique le sociologue Pierre Bourdieu dans Sur la télévision, les médias ne se contentent pas de relater les faits : ils contribuent à modeler notre perception de ce qui est acceptable ou non.

    Cet effet de normalisation s’étend aussi à d’autres domaines. Les politiques d’#austérité, par exemple, sont souvent présentées comme des « nécessités économiques », rendant leurs conséquences – licenciements, fermetures de services publics – moins contestables. Les #discours_politiques insistent obstinément sur des #impératifs comme « réduire la dette publique » ou « améliorer la compétitivité », occultant les impacts humains et sociaux de ces choix. En nous habituant à ces récits, nous acceptons ce qui devrait être combattu.

    Cependant, il est essentiel de souligner que cette normalisation n’est ni totale ni irréversible. De nombreux travailleurs et travailleuses refusent ces conditions et s’organisent pour les contester. Les mouvements sociaux, les grèves et les luttes syndicales témoignent d’une résistance active face à cette normalisation.

    On peut par exemple observer le cas des femmes de chambre de l’hôtel Radisson Blu à Marseille déjà traitée par mon collègue Guillaume Etievant dans son article dédié. Après plusieurs mois de grève en 2024, ces travailleuses ont obtenu des augmentations salariales, une réduction des horaires de travail, et des compensations pour les heures supplémentaires. Elles ont ainsi mis en lumière les conditions de travail inacceptables qui étaient perçues comme normales dans l’industrie hôtelière, et ont prouvé qu’une organisation collective peut renverser cette « normalité ». En comparaison, la #lutte du personnel de l’hôtel Ibis Batignolles à Paris, bien qu’elle ait pris fin, illustre également comment les conditions de travail dégradées peuvent être confrontées par la mobilisation collective.

    Ces #grèves illustrent un point crucial : en conscientisant les mécanismes de normalisation, il devient possible d’agir collectivement. Identifier ces récits qui banalisent l’injustice, les déconstruire, et s’organiser pour les contester sont des étapes indispensables pour transformer une indignation individuelle en une action collective. Ainsi, si l’effet de normalisation est puissant, il n’est pas insurmontable. Les #résistances_collectives montrent qu’il est possible de refuser l’inacceptable et de poser les bases d’une société plus juste.

    Le biais d’#impuissance apprise : quand l’échec paralyse

    Enfin, le #biais_d’impuissance_apprise joue un rôle crucial dans notre passivité face aux injustices. Décrit par le psychologue #Martin_Seligman dans les années 1960, ce biais se développe lorsqu’un individu, confronté à des situations où ses efforts ne produisent aucun effet, finit par croire qu’il est incapable de changer quoi que ce soit.

    Sur le plan collectif, ce biais se manifeste après des mouvements sociaux réprimés ou qui échouent à obtenir des victoires significatives. Les manifestations massives contre la réforme des retraites en France en 2023, bien qu’intenses, n’ont pas empêché son adoption. Pour beaucoup, ce type d’échec renforce un sentiment d’inutilité de l’#action_politique. Cette #impuissance_apprise n’est pas seulement un phénomène individuel : elle est renforcée par des stratégies institutionnelles. La #répression_policière, les discours dénigrant les grèves ou les mobilisations, ou encore la lenteur des changements politiques contribuent à installer ce #sentiment_d’impuissance. Ces mécanismes participent à la #reproduction_des_inégalités en paralysant toute velléité de contestation comme l’indique la sociologue Monique Pinçon-Charlot.

    Ces #biais_cognitifs – l’adaptation, la normalisation et l’impuissance apprise – agissent de manière insidieuse pour nous maintenir dans l’acceptation de l’inacceptable. Les comprendre, c’est déjà commencer à s’en libérer. Mais ces mécanismes ne suffisent pas à expliquer la #passivité_collective : ils s’articulent à des structures sociales et économiques qui les renforcent.

    La #charge_psychologique_individuelle dans un système oppressif

    L’#individualisation des #problèmes_sociaux

    Beaucoup de personnes se retrouvent à vivre des situations difficiles, comme le chômage ou la pauvreté, dans la solitude, se sentant souvent responsables de leur propre sort. Cette #culpabilisation est renforcée par un #discours_dominant qui fait porter la faute sur l’individu, et non sur le système qui produit ces inégalités. C’est désormais bien connu, il suffit de “#traverser_la_rue” pour trouver du travail. Pourtant, il n’y a pas de honte à être confronté à des difficultés qui échappent à notre contrôle. Le #chômage, par exemple, est largement le résultat d’un marché du travail précarisé et d’une économie qui valorise l’exploitation plutôt que le bien-être. Il est essentiel de rappeler qu’il n’y a aucun aveu d’échec à se retrouver dans une situation où les structures économiques et sociales sont défaillantes. Ce n’est pas un échec personnel, mais bien une conséquence de l’organisation injuste du travail et des ressources.

    Le #capitalisme_émotionnel : une #aliénation des sentiments

    Le “capitalisme émotionnel” désigne la manière dont notre société capitaliste transforme nos #émotions en une #responsabilité_personnelle et une marchandise. Dans ce système, il nous est constamment demandé de « rester positif », de « faire face » et de « réussir malgré les difficultés », en particulier dans des contextes d’injustice sociale et économique. L’idée de la « #résilience », souvent véhiculée par les médias et les institutions, devient un impératif moral : si vous échouez à être heureux malgré les adversités, c’est de votre faute. Cette pression constante pour gérer nos émotions comme une #performance_individuelle fait partie d’un processus plus large d’#aliénation_émotionnelle. En d’autres termes, nous sommes poussés à croire que nos émotions et notre bien-être sont des éléments que nous pouvons maîtriser par la #volonté seule, alors qu’ils sont en réalité fortement influencés par les conditions sociales et économiques. Cela nous empêche de voir que nos luttes intérieures ne sont pas des défaillances, mais des réponses normales à des systèmes qui ne répondent pas aux besoins fondamentaux des individus.
    Le #capitalisme_émotionnel est donc un outil de contrôle social, car il détourne notre attention des causes profondes de notre #mal-être (injustices sociales, précarité, discriminations) et nous fait croire que notre souffrance est une question d’#aptitude_personnelle à surmonter les épreuves. Cela crée un sentiment de culpabilité, car on nous fait porter la #responsabilité de nos émotions et de notre résilience, sans jamais questionner les #structures_sociales qui alimentent cette #souffrance.

    Construire une santé mentale collective : la santé mentale comme #bien_commun

    Pour dépasser les limites de l’individualisme, il est essentiel de repenser la santé mentale comme un bien commun. Plusieurs initiatives inspirées des luttes féministes et des communautés marginalisées ont démontré que des structures communautaires de soutien peuvent offrir des solutions alternatives. Par exemple, les centres sociaux autogérés ou les réseaux d’entraide pour les travailleurs précaires permettent de créer des espaces où les personnes peuvent partager leurs expériences et trouver du soutien, loin des logiques de consommation des soins traditionnels. Ces espaces permettent de reconstruire des liens sociaux, de se soutenir mutuellement et de remettre en question l’#isolement imposé par les structures capitalistes.

    Dépolitiser l’#aide_psychologique individuelle pour la repolitiser

    L’accès aux #soins_psychologiques n’est pas égalitaire. Pour beaucoup, les thérapies sont hors de portée, soit en raison des coûts, soit à cause de l’absence de structures accessibles dans certains quartiers ou pour certaines populations. De plus, tous les thérapeutes ne partagent pas nécessairement une vision progressiste ou collective de la #santé_mentale. Il est donc essentiel de ne pas considérer la #thérapie comme une solution unique ou universelle à des problèmes sociaux qui sont avant tout politiques.
    Plutôt que de pathologiser systématiquement les effets du système sur les individus, il est plus pertinent de reconnaître que les #souffrances_psychologiques, dans de nombreux cas, sont des réponses normales à des conditions sociales et économiques injustes. Cependant, cela ne veut pas dire que la santé mentale doit être entièrement politisée de manière simpliste ou que l’on doit jouer aux « apprentis sorciers » de la #psychiatrie. L’enjeu est de comprendre qu’un #soutien_psychologique efficace doit tenir compte du contexte social et des inégalités qui peuvent fragiliser un individu. Les modèles de soutien collectifs, comme les #thérapies_communautaires ou les initiatives de santé mentale qui se nourrissent des #luttes_sociales (féministes, anticapitalistes, etc.), offrent des alternatives intéressantes. Elles ne visent pas à remplacer les #soins_individuels mais à compléter une approche qui permet de sortir de l’isolement, de reconnaître la dimension sociale des souffrances et d’offrir des #espaces_d’entraide où les individus peuvent se sentir soutenus collectivement.

    L’action politique comme remède à l’impuissance

    Redonner un sens à l’action collective est essentiel pour contrer le #sentiment_d’impuissance que beaucoup de personnes ressentent face aux injustices sociales. Participer à des #mouvements_sociaux peut être un moyen puissant de reconstruire l’#espoir et de lutter contre l’isolement. Cependant, il est important de souligner qu’il n’y a aucune culpabilité à ne pas être impliqué dans ces actions. Chacun évolue à son rythme, et l’#engagement_politique ne doit pas être un fardeau supplémentaire. Ce qui est essentiel, c’est d’être conscient des dynamiques collectives et de comprendre que, même si l’engagement direct dans les luttes peut sembler difficile ou épuisant, il existe des façons diverses et variées de soutenir la justice sociale. Il n’est pas nécessaire de répondre à une injonction de « se bouger le cul » pour se sentir utile. Beaucoup de personnes, éssoré.e.s par des oppressions systémiques telles que la toxicité managériale, le racisme, le validisme ou les violences faites aux personnes LGBTQIA+, peuvent se retrouver dans une situation de souffrance où chaque geste peut sembler trop lourd. La #solidarité ne se limite pas à l’action visible ; elle peut aussi passer par la création d’espaces de soutien, le partage d’informations, ou simplement par l’écoute et la compréhension. L’important est de trouver des moyens de participer, à son rythme et selon ses capacités.

    Les victoires obtenues par des mouvements sociaux, comme l’augmentation du salaire minimum ou la reconnaissance des droits des travailleurs, ont un impact psychologique direct : elles brisent le sentiment d’impuissance et rappellent qu’il est possible de transformer la réalité. Ces victoires, bien qu’elles puissent sembler petites à l’échelle globale, nourrissent l’espoir et renforcent la solidarité. Faire de la #justice_sociale une condition de la santé mentale implique de revendiquer des #politiques_publiques qui réduisent les inégalités et permettent à chacun de vivre dignement. Des propositions telles que l’accès gratuit aux soins psychologiques sont des leviers importants pour garantir une santé mentale collective et émancipée.

    Les mécanismes psychologiques qui nous poussent à #accepter_l’inacceptable ne sont ni inévitables ni figés. En comprenant mieux ces biais, en décryptant l’effet de normalisation et en reconnaissant l’impact de l’individualisation des problèmes sociaux, nous pouvons démystifier cette #résignation_collective. Nous avons le pouvoir de déconstruire ces dynamiques à travers l’éducation, la solidarité et, surtout, l’action collective. Ce processus n’est pas facile, mais il est possible. Changer de regard sur les inégalités, c’est déjà commencer à les transformer. Ce n’est pas un effort solitaire, mais une démarche collective, qui commence par la reconnaissance des souffrances et la volonté d’agir ensemble pour y remédier.

    https://www.frustrationmagazine.fr/pourquoi-acceptons-nous-l-inacceptable

    #invisibilisation #accès_aux_soins #psychologie

    déjà signalé par @gorekhaa :
    https://seenthis.net/messages/1092977

  • We’re getting the social media crisis wrong
    https://www.programmablemutter.com/p/were-getting-the-social-media-crisis
    https://substackcdn.com/image/fetch/w_1200,h_600,c_fill,f_jpg,q_auto:good,fl_progressive:steep,g_auto/https%3A%2F%2Fsubstack-post-media.s3.amazonaws.com%2Fpublic%2Fimages%2F

    My explanation of what is happening is this. We tend to think of the problem of social media as a problem of disinformation - that is, of people receiving erroneous information and being convinced that false things are in fact true. Hence, we can try to make social media better through factchecking, through educating people to see falsehoods and similar. This is, indeed, a problem, but it is not the most important one. The fundamental problem, as I see it, is not that social media misinforms individuals about what is true or untrue but that it creates publics with malformed collective understandings. That is a more subtle problem, but also a more pernicious one. Explaining it is going to require some words. Bear with me.

    The fundamental problem is this: we tend to think about democracy as a phenomenon that depends on the knowledge and capacities of individual citizens, even though, like markets and bureaucracies, it is a profoundly collective enterprise. That in turn leads us to focus on how social media shapes individual knowledge, for better or worse, and to mistake symptoms for causes.

    So what can we do to ameliorate this problem? Making individuals better at thinking and seeing the blind spots in their own individual reasoning will only go so far. What we need are better collective means of thinking.

    To understand the particular success and failure modes of democracy, it is better not to focus on individual citizens, but on democratic publics. Democracy is supposed to be a system in which political decisions are taken not by kings, or dictators, but by the public, or by representative agents that are responsible to the public and can be removed through elections or similar. In principle, then, the public is the aggregated beliefs and wants of the citizenry as a whole.

    The problem is that we have no way to directly see what all the citizens want and believe, or to make full sense of it. So instead we rely on a variety of representative technologies to make the public visible, in more or less imperfect ways. Voting is one such technology

    Bringing this all together, the technologies through which we see the public shape how we understand it, making it more likely that we end up in the one situation rather than the other. As you have surely guessed by now, I believe Twitter/X, Facebook, and other social media services are just such technologies for shaping publics. Many of the problems that we are going to face over the next many years will stem from publics that have been deranged and distorted by social media in ways that lower the odds that democracy will be a problem solving system, and increase the likelihood that it will be a problem creating one.

    The example that really made me think about how this works has nothing much to do with democracy or political theory. It was the thesis of an article published in Logic magazine in 2019, about Internet porn. The article’s argument is that the presentation of porn - and people’s sense of what other people’s sexual interests are - is shaped by algorithms that respond to the sharp difference between what people want to see and what people are willing to pay for. The key claim:

    a lot of people .. are consumers of internet porn (i.e., they watch it but don’t pay for it), a tiny fraction of those people are customers. Customers pay for porn, typically by clicking an ad on a tube site, going to a specific content site (often owned by MindGeek), and entering their credit card information. … This “consumer” vs. “customer” division is key to understanding the use of data to perpetuate categories that seem peculiar to many people both inside and outside the industry. … Porn companies, when trying to figure out what people want, focus on the customers who convert. It’s their tastes that set the tone for professionally produced content and the industry as a whole.

    The result is that particular taboos (incest; choking) feature heavily in the presentation of Internet porn, not because they are the most popular among consumers, but because they are more likely to convert into paying customers. This, in turn, gives porn consumers, including teenagers, a highly distorted understanding of what other people want and expect from sex, that some of them then act on. In my terms, they look through a distorting technological lens on an imaginary sexual public to understand what is normal and expected, and what is not. This then shapes their interactions with others.

    Something like this explains the main consequences of social media for politics. The collective perspectives that emerge from social media - our understanding of what the public is and wants - are similarly shaped by algorithms that select on some aspects of the public, while sidelining others. And we tend to orient ourselves towards that understanding, through a mixture of reflective beliefs, conformity with shibboleths, and revised understandings of coalitional politics.

    The resulting problems are not primarily problems of disinformation, though disinformation plays some role. They are the problems you get when large swathes of the public sphere are exclusively owned by wannabe God-Emperors. Elon Musk owns X/Twitter outright. Mark Zuckerberg controls Meta through a system in which he is CEO, chairman and effective majority owner, all at the same time. What purports to be a collective phenomena; the ‘voice of the people;’ is actually in private hands; is, to a very great extent shaped by two extremely powerful individuals.

    Musk and Zuckerberg are different individuals, with different relationships to their platforms. I expect that the distortions that they impose on their publics will be quite different too.

    Again: none of this is brainwashing, but it is reshaping public debate, not just in the US, but in the UK, Europe and other places too. People’s sense of the contours of politics - what is legitimate and what is out of bounds; what others think and are likely to do and how they ought respond - is visibly changing around us.

    That poses some immediate questions. Can democracy work, if a couple of highly atypical men exercise effective control over large swathes of the public space? How can that control be limited or counteracted, even in principle? What practical steps for reform are available in a democracy shaped by the people who you want to reform out of power?

    It poses some more general questions too. If you want to work towards a better system of democracy, which is both more stable and more actually responsive to what people want and need, how do you do this? It is easy (I think personally, but I am biased too) to see what is wrong with the public at X/Twitter. It is harder to think clearly about what a healthy public would look like, let alone how to build one.

    #Démocratie #Médias_sociaux #Psychologie_sociale

  • Alle wollten Hitler glauben
    https://www.nd-aktuell.de/artikel/1186537.medienkritik-alle-wollten-hitler-glauben.html

    Diebisch freut sich der Diktator. Die Journaille berichtet brav über ihn. Foto: imago/Photo12

    Lurz Hachmeister vient de mourir à 64 ans. Son dernier livre à paraître raconte la relation des journalistes aux dictateurs .

    5.11.2024 von Stefan Berkholz - »Der Diktator und die Journalisten« – eine Bestandsaufnahme des Medienforschers Lutz Hachmeister

    Interviews mit Diktatoren oder Autokraten seien weitgehend sinnlos, behauptet der Medienforscher Lutz Hachmeister mit Blick auch in die Gegenwart. Denn solche Interviews dienten im Allgemeinen der Propaganda des Diktators oder Autokraten, Journalisten verkämen zu Stichwortgebern.

    Hachmeister hat nun eine Übersicht über rund hundert Interviews mit Adolf Hitler aus den Jahren 1923 bis 1944 vorgelegt, im Untertitel: »Der Diktator und die Journalisten«. Damit ist die Stoßrichtung angezeigt.

    Vor dem Putschversuch von 1923 erschien in den USA ein erstes längeres Interview mit Hitler, geführt von dem prominenten Deutsch-Amerikaner George Sylvester Viereck, einem Bestsellerautor, Publizisten und Esoteriker. Einen Monat vor dem misslungenen Bierkellerputsch in München (und natürlich auch vor Hitlers Buch »Mein Kampf« von 1925) verhehlt Hitler Anfang Oktober 1923 seine Absichten weniger als später. In seinem Antisemitismus sind mörderische Töne nicht zu überhören. »Wir haben es hier mit der Frage Jude und Arier zu tun«, sagt Hitler. »Die Mischrasse stirbt aus; sie ist ein wertloses Produkt. (…) Wir brauchen gewaltige Korrektive, starke Arznei, vielleicht Amputation.« Diese Menschenverachtung, dieser Vernichtungswille mündet 20 Jahre später im Holocaust.

    So deutlich wird Hitler später nicht mehr. Fragen zum Antisemitismus bleiben in Hachmeisters Buch ohnehin die Ausnahme. Das hat einen Grund: Viele Auslandsjournalisten begnügten sich mit der Sensation einer Exklusiv-Begegnung mit einem angesagten deutschen Politiker und späteren Diktator, sie ließen ihn reden, ohne nachzufragen, verbreiteten ihr Gespräch als Clou. So gelingt Propaganda.

    »Nie haben die Massen nach Wahrheit gedürstet.«
    Gustave Le Bon

    Das erste (wenn auch kurze) Hitler-Interview in einer französischen Zeitung erschien am 19. März 1932 in »L’Œuvre« (»Das Werk«), einer linken Publikation. Es war allerdings kein klassisches Interview mit Fragen und Antworten, schreibt Hachmeister, sondern eher ein Monolog. Darin gibt sich Hitler als Friedensfreund: »Der Frieden in Europa, ich sage es noch einmal, wird nicht gestört werden, es sei denn ein Land will das. Wir werden das nicht sein.«

    Interessant in diesem Buch sind die Einblicke in die internationale Journalistenszene, die Kurzbiografien, Eitelkeiten der Branche, Verführbarkeit und Karrieresucht. Dazu veranschaulicht die Auswertung einer Reihe bisher weitgehend unterbelichteter Memoirenliteratur skurrile Begegnungen mit einem Massenmörder und Kriegsverbrecher. Zur Einstellung französischer Journalisten fasst Hachmeister zusammen: »Die wenigen Interviewer verhielten sich zuvorkommend gegenüber Hitler. Vielleicht war es eine gewisse Complaisance oder eine Faszination, die er auf Journalisten aus dem Ausland ausübte. Oder zunehmende Rechtstendenzen spielten eine Rolle. Oder eine Selbsttäuschung, denn keiner wollte Krieg; alle wollten Hitler glauben, wenn er von Frieden sprach.«

    Vielfach werden in den Berichten und Vorbemerkungen zu den Interviews die Umgebung, die Räumlichkeiten und die Physiognomie Hitlers beschrieben. Beispielsweise von Dorothy Thompson, die gemeinhin als US-Veteranin der Deutschland-Berichterstattung bezeichnet wird. Von ihr stammt das bekannteste aller Hitler-Interviews. Ende 1931 oder Anfang 1932 habe die Begegnung mit ihm stattgefunden, vermutet Hachmeister. Thompson veröffentlichte ihren Text im März 1932 zunächst als Reportage unter dem Titel »I saw Hitler!«, die sie noch im selben Jahr zu einem bebilderten Buch ausweitete, jetzt neu ediert.

    Auch Thompson, mit Ende 30 eine erfahrene und bekannte Journalistin, ließ sich von Hitler täuschen, wenn auch etwas anders als andere. Als sie in den Salon zu Hitler vorgelassen wurde, so schreibt sie, sei sie noch der festen Überzeugung gewesen, »dem künftigen Diktator von Deutschland zu begegnen«. Doch »keine fünfzig Sekunden später war ich ziemlich sicher, dass dies nicht der Fall war«. Denn sie bemerkte »die verblüffende Bedeutungslosigkeit dieses Mannes (…): Er ist formlos, fast gesichtslos, ein Mann, dessen Miene einer Karikatur gleicht, ein Mann, dessen Körperbau knorpelig wirkt, ohne Knochen. Er ist belanglos und redselig, von schlechter Haltung und unsicher. Er ist die Verkörperung des kleinen Mannes.« Auch sie habe inhaltlich wenig aus Hitler herausholen können, urteilt Hachmeister.

    Insgesamt bringt diese aufwendig recherchierte Bestandsaufnahme des Medienforschers nicht unbedingt neue Erkenntnisse für die Hitler-Forschung, dafür umso mehr über die Journalistenbranche, höchst aufschlussreiche und wenig schmeichelhafte. Es herrschte viel Opportunismus und Spökenkiekerei, Irrtümer, Naivität und Dummheit verstellten die Sicht, Servilität und Kollaboration waren verbreitet.

    Wiederholt warnt Hachmeister in seinem Buch generell vor Interviews mit Diktatoren oder Autokraten, auch mit Blick in die Gegenwart. In seinem Vorwort zitiert er den französischen Mediziner und Soziologen Gustave Le Bon aus dessen »Psychologie des foules« von 1895. Darin liest man über Massenpsychologie und die Macht von Täuschungen: »Nie haben die Massen nach Wahrheit gedürstet. Von den Tatsachen, die ihnen mißfallen, wenden sie sich ab und ziehen es vor, den Irrtum zu vergöttern, wenn er sie zu verführen vermag. Wer sie zu täuschen versteht, wird leicht ihr Herr, wer sie aufzuklären sucht, stets ihr Opfer.«

    Lutz Hachmeister starb Ende August dieses Jahres im Alter von nur 64 Jahren. So ist das dieser Tage auf den Markt gelangende Buch zu seinem publizistischen Testament geworden. Es sollte Pflichtlektüre für die Medienbranche sein. Journalisten der Gegenwart seien gewarnt und sollten ihre tägliche Arbeit stets selbstkritisch hinterfragen. Agitatoren, Autokraten und Diktatoren sind weltweit auf dem Vormarsch, sie benötigen die Öffentlichkeit, um ihre Propaganda zu verbreiten – und sind daher meistens sehr gern zu Interviews bereit.

    Lutz Hachmeister: Hitlers Interviews. Der Diktator und die Journalisten. Kiepenheuer & Witsch, 384 S., geb., 28 €; ab 7. November in den Buchhandlungen.
    Dorothy Thompson: Ich traf Hitler! Eine Bild-Reportage. DVB, 276 S., geb., 26 €.

    #journalisme #dictature #psychologie

  • Les professeurs des écoles et la psychologie - Les usages sociaux d’une science appliquée | #Stanislas_Morel, Sociétés contemporaines, 2012/1
    https://shs.cairn.info/revue-societes-contemporaines-2012-1-page-133

    La mise en évidence du recours possible à d’autres schèmes explicatifs [des difficultés d’un élève] a le mérite de rompre avec l’apparente évidence de l’utilisation des schèmes psychologiques et oblige à s’interroger sur les raisons du choix de ce registre particulier. Un constat s’impose : les connaissances sociologiques permettent une compréhension de la situation de Rachid [élève de CM1 en difficulté scolaire] et de sa famille, mais elles ne débouchent, en revanche, sur aucune solution individuelle et immédiate. Si certains enseignants s’engagent au côté des parents pour les aider à améliorer leur situation matérielle (soutien pour des recherches d’appartement, aide pour obtenir des papiers, organisation de cours de langue), ce genre de réponses demeure isolé et s’effectue en marge du métier. Rappelons, par ailleurs, qu’il n’y a pas d’assistante sociale dans les #écoles primaires (sauf à Paris).

    À l’inverse, la réponse « psychologique » a l’avantage de permettre une forme d’intervention relativement directe sur l’environnement dans lequel évolue l’enfant sans pour autant sortir totalement des missions assignées à l’École en général et aux enseignants en particulier. Trouvant sa légitimité dans la souffrance psychique de l’enfant à l’école, l’intervention psychologique autorise les enseignants à entreprendre de changer son environnement familial, en préconisant, par exemple, le recours aux psychologues pour un travail de guidance familiale. Contrairement au caractère diffus des problèmes sociaux, l’entrée psychologique dans l’échec scolaire permet, par ailleurs, d’identifier des causes ciblées, voire des « responsables » (manque d’autorité du père dans le cas de Rachid), sur lesquels il est possible d’agir. Psychologisation rime alors avec responsabilisation d’un ou des parents, ces derniers passant du statut d’« agents » subissant les déterminismes sociaux à celui d’« acteurs » de la réussite ou de l’échec de leur(s) enfant(s). Le recours au registre psychologique induit enfin la délégation des « problèmes » aux spécialistes (en l’occurrence les « psys ») dont le métier est précisément d’apporter de l’aide aux enfants en difficulté et à leur famille. Si elle n’explique pas à elle seule l’utilisation de tel ou tel registre explicatif, la présence de praticiens à qui les enseignants peuvent déléguer les enfants en difficulté pèse néanmoins fortement sur le type de schèmes cognitifs qu’ils mobilisent. Ainsi, en l’état actuel des choses, l’usage de la psychologie permet aux enseignants d’agir sur des problèmes sur lesquels ils considèrent n’avoir que peu de prise. Il s’agit donc, chez certains enseignants au moins, d’une des modalités de production de la croyance en la possibilité d’action et de résolution (fût-elle partielle) des difficultés scolaires et, partant, de maintien de l’illusio professionnelle.

    #enseignants #psychologie #échec_scolaire

  • Au #procès des folles

    « Les violences sont déplacées dans le champs du #fantasme »

    Victimes de violences physiques et psychologiques de la part de leurs ex conjoints, Anouk et Marie doivent être expertisées par des psychologues et psychiatres suite aux #démarches_juridiques qu’elles entament, au pénal et au civil. Elles racontent leurs expériences traumatisantes face à des expertes qui minimisent les faits, remettent en doute leurs paroles, symétrisent les comportements ou encore les accusent d’être hystériques et masochistes. Ces psys considèrent qu’Anouk et Marie « y sont sans doute pour quelque chose », compte tenu de leurs profils psychologiques.

    De très nombreuses femmes vivent les mêmes expériences, source de nouveaux traumatismes, devant la justice, mais aussi dans les cabinets libéraux. Cet épisode décrypte le processus de #psychologisation de la violence (des victimes, mais aussi des agresseurs) qui permet de mieux l’occulter. Avec les analyses de psychologues et d’avocates qui tentent de faire changer ces pratiques.

    https://www.arteradio.com/son/61684896/au_proces_des_folles
    #justice #violence #procès_pénal #procès #traumatisme #masochisme #hystérie #occultation #invisibilisation #psychologie #anxiété #VSS #violences_sexuelles #expertise #peur #honte #répétition #larmes #humiliation #culturalisation #religion #histoire_familiale #hystérie #suspicion #intimité #expertise_psychologique #enquête_de_crédibilité #crédibilité #toute_puissance #traumatisme #post-traumatisme #consentement #colère #tristesse #témoignage #anxiété_généralisée #traumatisme_de_trahison #troubles_du_stress_post-traumatique (#TSPT) #subjectivité #psychanalyse #névrose #masochisme #analyses_paradoxales #présomption_de_masochisme #présomption #concepts #mise_en_scène #jeu #mensonge #manipulation #exagération #répétition #co-responsabilité #dépsychologisation #féminisme #violences_politiques #vulnérabilité #expertises_abusives #maltraitance_théorique #théorie #rite_de_domination #violences_conjugales #analyse_sociale #psychologisation_de_la_violence #patriarcat #domination #violence_systémique #féminicide #sorcière #pouvoir #relation_de_pouvoir #victimisation #violences_conjugales #crime_passionnel #circonstances_atténuantes #injustice #haine #haine_contre_les_femmes #amour #viol #immaturité #homme-système #empathie #désempathie #masculinité #masculinité_violente #violence_psychologique #humiliations #dérapage #déraillement #emprise_réciproque #reproduction_de_la_violence #émotions #récidive #intention #contexte #figure_paternelle #figure_maternelle #imaginaire #violence_maternelle #materophobie #mère_incenstueuse #parentalité_maternelle #parentalité_paternelle #dénigrement

    #audio #podcast

    ping @_kg_

    • Merci
      Cette émission a fait un écho tremblant aux accusations et dénigrements de psychologues dont j’avais requis les compétences pour m’aider (croyais-je) alors que j’étais en soin pour un cancer du sein métastasé. La première, je n’ai pas ouvert la bouche que déjà elle me dit que je me suis assise de façon présomptueuse et un autre moment elle rit en me disant qu’elle voudrait bien voir mon enfant pour savoir comment il s’en sort d’avoir une mère comme moi. Une autre, à qui j’ai demandé d’agir en relais le temps des soins pour mon enfant qui débute ses études, et qui présente des phases dépressives suite à des maltraitances de son père, lui conseille d’aller vivre chez lui devenu SDF à 600km de là et me donne un rdv où j’apprends qu’il sera présent, refusant de m’entendre alors que c’est moi qui l’ai toujours payé. Tellement choquée que je pars en voir une autre pour lui demander si il est normal d’agir ainsi. Cette fois, en sortant, j’étais responsable du cancer qui m’avait fait perdre mon sein dû à des problèmes psys de maternité non résolu, j’allais détruire mon entourage, mon enfant également et j’avais juste envie de me suicider.
      J’ai quand même repris trois mois plus tard un suivi par une psychologue de la clinique qui m’a cette fois réellement écoutée et aidée. Jamais eu le courage cependant de retourner voir les 3 autres pour dénoncer leur incompétence et leurs humiliations.

      #psychologues #violences_psychologiques #maternophobie #courage_des_femmes

  • Wieso Antifaschismus ?
    https://www.konicz.info/2024/01/01/wieso-antifaschismus

    Tomasz Konicz décrit la relation entre crise, répression et empreinte psychologique sado-masochiste de l’individu. Il dévéloppe un scénario plausible de la crise des sociétés démocratiques bourgeoises et des dangers du fascisme ambiant.

    Son approche est très productive car elle permet de lier souffrance et maladie au contexte politique et d’échapper ainsi à ’argument défaitiste "nous sommes tous ici en Europe des profiteurs de l’exploitation du tiers monde." Décrétées comme défauts individuel par la médecine et le monde libéral les maladies deviennent des forces productives une fois contextualisées et organisées par les souffrants autonomes. Konicz propose une pensées marxiste et économique de base qui peut servir de plateforme pour une nouvelle politique des opprimés.

    C’est un condensé des idées développées dans son livre „Faschismus im 21. Jahrhundert. Skizzen der drohenden Barbarei“ .
    https://www.konicz.info/2024/01/13/e-book-faschismus-im-21-jahrhundert

    1.1.2024 von Tomasz Konicz - In der voll einsetzenden Systemkrise kommt dem Kampf gegen die „autoritäre Revolte“ der Neuen Rechten eine zentrale Rolle zu.

    31.12.2023

    Wo kommen all die Rechtspopulisten und Rechtsextremisten her, die zunehmend die politische Landschaft Europas1 bestimmen? Entgegen der landläufigen Meinung kommen sie nicht aus dem Weltraum,2 sie sind kein Fremdkörper, der in die liberal-demokratischen Gesellschaften einsickert, sondern deren zwangsläufiges Krisenprodukt. Es sind auch nicht die politischen „Ränder“, die sich irgendwie des politischen Mainstreams bemächtigen würden. Der Faschismus ist der in Hass umschlagende Angstschweiß, den die bürgerliche Mitte in der Krise absondert. Insofern ist die Lage durchaus mit der Systemkrise der 30er-Jahre des 20. Jahrhunderts vergleichbar, wobei der gegenwärtige Krisenprozess – der neben einer ökonomischen vor allem eine ökologische Dimension hat – weitaus tiefer reicht als die Wirtschaftseinbrüche am Vorabend der Machtübertragung an die Nazis.

    Der Aufstieg dieser präfaschistischen Bewegungen scheint viel reibungsloser zu verlaufen als in den 30er-Jahren des 20. Jahrhunderts, was auf den höheren Grad der Verinnerlichung der widersprüchlichen kapitalistischen Systemimperative verweist. Der aufkommende Faschismus rebelliert ja nicht gegen die sich krisenbedingt verschärfenden Anforderungen und Sachzwänge, er treibt vielmehr die Systemlogik ins ideologische und praktische Extrem. Das ist das Geheimnis seines Erfolgs. Dieser Extremismus der Mitte treibt die nationale Identität ins nationalistische und chauvinistische Extrem, er bringt rassistische und antisemitische Extremformen des liberalen Konkurrenzdenkens hervor und tendiert dazu, die Krisenfolgen auf die Krisenopfer abzuwälzen.3

    Kaum etwas wäre verheerender, als bei der Einschätzung des Vorfaschismus in die übliche Verdinglichung zu verfallen, also den aktuellen Zustand der Bewegung kontextlos absolut zu setzen und deren soziale Dynamik, wie auch die sie antreibenden Widersprüche auszublenden (um etwa angesichts der Unterschiede zum historischen Faschismus zu behaupten, die AfD sei keine faschistische Partei). Diese reaktionäre Bewegung des Ins-Extrem-Treibens bestehender liberaler Ideologie, die in Wechselwirkung mit Krisenschüben den barbarischen Kern kapitalistischer Vergesellschaftung manifest macht, muss gerade als Bewegung verstanden werden.4 Und das wird nicht nur an deren Rhetorik, sondern gerade auch am Personal der AfD deutlich, die als „Professorenpartei“ von Ökonomen wie Bernd Lucke und Managern wie Hans Olaf Henkel gegründet wurde, denen der Sparsadismus Schäubles in der Eurokrise nicht weit genug ging. Nun – nach der rechtspopulistischen Phase unter Petry – sind rechtsextreme Kräfte in vielen Teilen dieser Partei dominant.5

    Autoritäre Revolte im 21. Jahrhundert

    Zudem scheint es auf den ersten Blick schwer, diese präfaschistischen Bewegungen auch als eine autoritäre Revolte zu begreifen. Seit der Sarrazin-Debatte werfen sich die Akteure der Neuen Rechten in die Pose des Rebellen, der nur „mutige Wahrheiten“ ausspreche, während sie mühsam in der Nachkriegszeit errichtete, zivilisatorische Mindeststandards einreißen.6 Doch gerade der autoritäre Kern faschistischer Bewegungen ist – aller Rhetorik zum Trotz – entscheidend für ihren Erfolg. Mit den sich immer stärker um den Hals der meisten Lohnabhängigen zusammenziehenden „Sachzwängen“ der kriselnden Kapitalverwertung bleiben diesen eigentlich nur zwei Optionen: die Rebellion gegen den Krisenwahnsinn, oder die gesteigerte irrationale Identifikation und Unterwerfung.

    Dabei ist es ein grundlegender psychischer Mechanismus, der gerade die Identifikation mit den gegebenen Autoritäten in Krisenzeiten befördert. Die Ausbildung des Gewissens, des freudschen Über-Ich, erfolgt in der frühen Kindheit gerade durch die Identifikation mit der äußeren (zumeist elterlichen) Autorität, die vom Kind verinnerlicht wird: Die elterlichen Verbote, die dem Lustprinzip des Kindes Grenzen setzten, wecken Aggressionen, die aber sublimiert werden und zur Aufrichtung des Über-Ich beitragen. „Die Aggression des Gewissens konserviert die Aggression der Autorität“, wie Freud es formulierte.7 Bei der frühkindlichen Ausbildung des Gewissens wird die aggressive Haltung gegenüber einer äußeren Autorität durch einen Prozess der Identifizierung mit eben dieser Autorität verinnerlicht.

    Ein ähnlicher Vorgang liegt aber auch der irrationalen, autoritären Krisenreaktion zugrunde, die den rechten Extremismus der Mitte ermöglichen. Ähnlich dem Kleinkind, verinnerlicht der durch eine autoritäre Charakterstruktur gekennzeichnete Träger rechtsextremer Ideologie die sich verschärfenden Anforderungen und Vorgaben der Kapitalverwertung. Die Irrationalität des Faschismus spiegelt somit die in der Krise offen zutage tretende Irrationalität kapitalistischer Vergesellschaftung. In den sich verschärfenden systemischen Zwängen wirken die – niemals überwundenen – autoritären Fixierungen aus dem familiären Umfeld weiter. Mit zunehmender Krisenintensität verschärft sich somit auch die Identifizierung des autoritären Charakters mit dem bestehenden System, wie Erich Fromm im berühmten Sammelband „Autorität und Familie“ schon 1936 feststellte:8 „Je mehr … die Widersprüche innerhalb der Gesellschaft anwachsen und je unlösbarer sie werden, je mehr Katastrophen wie Krieg und Arbeitslosigkeit als unabwendbare Schicksalsmächte das Leben des Individuums überschatten, desto stärker und allgemeiner wird die sadomasochistische Triebstruktur und damit die autoritäre Charakterstruktur, desto mehr wird die Hingabe an das Schicksal zur obersten Tugend und Lust.“

    Dieser Sadomasochismus resultiert aus den ungeheuren Verzichtsforderungen, die den sich fügenden, autoritären Charakteren seitens der Krisendynamik aufgelegt werden. Auch hier stauen sich immer größere Aggressionen an, die nach einem Ventil suchen. Je größer die Triebversagung, desto größer das Bedürfnis nach Triebabfuhr; der Masochismus verlangt nach sadistischer Satisfaktion. In ekelerregender Deutlichkeit war diese sadomasochistische Fixierung in der schäublerischen Krisenpolitik während der Eurokrise zu besichtigen, die ja explizit die Grausamkeiten, die der südeuropäischen Peripherie von Berlin angetan wurden,9 damit begründete, dass man hierzulande im Verlauf der Agenda 2010 eben Ähnliches erduldet und überstanden habe. Das unterwürfige Ertragen von Versagungen und Schmerzen berechtigt dazu, selber Schmerzen zuzufügen – dies ist eigentlich der sadomasochistische, pathologische Kern aller sozialdarwinistischen rechten Parolen von „Stärke“, „Durchsetzungsvermögen“ und „Härte“.

    Dieser faschistoide Mechanismus der durch Krisenschübe befeuerten autoritären Aggression trat auch 2023 offen zutage,10 er lag der rechten Kampagne gegen die Erhöhung des Bürgergeldes zugrunde.11 Während die Bundesrepublik 2023 konjunkturell in einer Stagflation (hohe Inflation und Stagnation) verharrte, was Forderungen nach Verzicht und Sparmaßnahmen nach sich zog, konnten mit Arbeitslosen erneut Krisenopfer zu Sündenböcken stilisiert werden. Wie im Zeitraffer lief bei dieser Kampagne das übliche Umschlagen von Unterwerfung in autoritäre Aggression ab, wie es auch die Genese der Neuen Rechten in Deutschland in Gestalt von Hartz IV und Sarrazin-Debatte begleitete.12 In der Periode der Faschisierung wirft der Faschismus – noch im Rahmen spätneoliberaler Diskurse – seine Schatten voraus. Nicht nur hinsichtlich der ökonomisch „Unverwertbaren“ in den Zentren, wo abermals Zwangsarbeit diskutiert wird,13 sondern vor allem bei der Abwehr der Fluchtbewegungen aus der Peripherie, die längst das Mittelmeer zu einem Massengrab verwandelte.

    Antifaschismus in der Systemkrise

    Es gib bei dieser Abfolge von Krisenschub, Verzichtsforderung („Sparen!“, „Gürtel enger schnallen!“) und autoritärer Aggression („Nehmt den Arbeitslosen die Kippen weg!“)14 keinen Boden, kein logisches Ende, da es sich um einen durch die Krise des Kapitals befeuerten Prozess handelt. Je stärker die Krise des Kapitals das Alltagsleben der Bevölkerung tangiert, desto heftiger fällt diese aggressive Überidentifikation mit dem in Zerfall übergehenden System aus – und desto schwerer wird es auch, angesichts dieser ideologischen Verhärtungen in der „Mitte“ überhaupt noch radikale Kritik zu formulieren und gesellschaftliche Alternativen überhaupt zu diskutieren. Je offener die Systemkrise zutage tritt, desto alternativloser scheint das in Faschisierung begriffene System. Die Unfähigkeit der kapitalistischen Funktionseliten, der ökologischen und sozialen Krise des Kapitals zu begegnen, tritt offen hervor in einer Zeit, in der nur noch faschistische Alternativen für Deutschland propagiert werden.

    Der öffentliche Diskurs kippt gewissermaßen nach rechts. Die Debatte in den kapitalistischen Demokratien kreist hauptsächlich um „Wirtschaftsfragen“, also um die Optimierung des Verwertungsprozesses des Kapitals. Dieser orwellsche Diskurs, in dem die Objekte der fetischistischen Kapitaldynamik ihre eigene Ausbeutung perfektionieren, ist besonders effizient, viel effektiver als der Ukas autoritärer Systeme. Deswegen ist – zumindest in den Zentren des Weltsystems – die bürgerliche Demokratie die Optimalform subjektloser kapitalistischer Herrschaft.15 Dieser auf breiter Verinnerlichung der kapitalistischen Systemimperative beruhende Diskurs kann aber nur aufrechterhalten werden, solange es eine einigermaßen stabile, breite Mittelklasse gibt, d. h. eine im ausreichenden Ausmaße stattfindende „kapitalistische Normalität“. Wenn die Balance zwischen Sachzwängen und Gratifikationen krisenbedingt aus den Fugen gerät, dann droht gerade der Mainstream Richtung Autoritarismus und Faschismus umzukippen. Die nur zu berechtigte Angst vor dem kapitalistischen Krisenprozess erstickt dann jede Debatte über Systemtransformation und Alternativen, um Zuflucht in Hasskampagnen gegen Flüchtlinge16 oder Arbeitslose17 zu suchen.

    Da der Kapitalismus außerstande ist,18 seinen sozioökologischen Krisenprozess zu überwinden,19 wird irgendwann zwangsläufig ein Kipppunkt überschritten, wo die Faschisierung der kapitalistischen Gesellschaften in Faschismus als die Krisenform kapitalistischer Herrschaft umzuschlagen droht (schlussendlich in Form von Bürgerkrieg und Staatszerfall). Deswegen kommt dem antifaschistischen Kampf in der Systemkrise eine zentrale Bedeutung zu (Dies war auch schon bei der Systemkrise der 30er-Jahre der Fall, die ja in das größte Gemetzel der Menschheitsgeschichte, den Zweiten Weltkrieg und den Holocaust mündete, der entlang antifaschistischer Frontstellungen von einer sehr breiten, von den USA bis zur Sowjetunion reichenden Koalition geführt wurde.).

    Primär gilt es, durch breite antifaschistische Bündnispolitik dieses Umkippen der spätkapitalistischen Gesellschaften in ihre faschistische Krisenform zu verhindern. Kooperation mit allen nicht-faschistischen Kräften in breiten Bündnissen, ein offensives Vorgehen gegen Hetze und die rechte Hegemonie in der Öffentlichkeit, sie waren schon in den 90er-Jahren des 20. Jahrhunderts zeitweise erfolgreich. Doch ist die Faschisierung der Bundesrepublik schon so weit gediehen, dass dieser offensive antifaschistische Bündniskampf nur gemeinsam mit einem Parteiverbot der AfD erfolgreich geführt werden könnte. Es ist gewissermaßen schon zu spät, um die rechte Gefahr durch bloße Mobilisierungen und Kampagnen abzuwehren.20 Das ambivalente Notmittel staatlicher Repression, die auch Druck auf die rechten Seilschaften im „tiefen Staat“ der Bundesrepublik ausüben würde, ist gegenüber präfaschistischen Bewegungen zumindest kurzfristig effektiv.

    Für progressive Kräfte besteht die eigentliche Aufgabe innerhalb antifaschistischer Bündnisse aber darin, in diese ein radikales Krisenbewusstsein hineinzutragen. Nur dadurch kann die Neue Rechte auch tatsächlich besiegt werden. Es gilt, schlicht zu sagen, was Sache ist: Der Kapitalismus ist nicht in der Lage, die soziale und ökologische Krise zu lösen, die er verursacht. Es steht unweigerlich eine ergebnisoffene Systemtransformation an, um deren Ausgang ein Transformationskampf geführt werden wird – gerade gegen die faschistische Gefahr. Die bewusste Reflexion der Systemkrise in einer kämpfenden antifaschistischen Bewegung, die schon die Grundlagen einer fortschrittlichen Systemtransformation legt, bildet das beste Gegengift gegen das verschwörerische Krisengeraune der Neuen Rechten.

    Die aus dem Extremismus der Mitte entspringende Ideologie des Präfaschismus, die faktisch eine Verwilderungsform des Neoliberalismus ist,21 kann somit nur in offensiver Konfrontation mit der Krisenrealität überwunden werden. Eine der großen Lügen des Faschismus, der längst strukturell antisemitische Krisennarrative fabriziert,22 besteht darin, dass er – in Zuspitzung des üblichen marktliberalen Konkurrenzgebarens – die Krise schlicht ausschließen will. Diese falsche Logik reicht von der Parole „Grenzen dicht!“ rechter Kampagnen, die Europa gegenüber Fluchtbewegungen abriegeln wollen, über den Aufbau rechter Wehrdörfer in der ostdeutschen Provinz, bis zur individuellen Abkapslung durch Prepper. Diese weitverbreiteten rechten Krisenreaktionen deuten auch schon darauf hin, dass hinter dem rechten Ruf nach autoritärer Ordnung nur die Rackets lauern.

    Autoritäre Formierung und gesellschaftlicher Zerfall gehen ineinander über, da diesmal – im Gegensatz zum Faschismus der 30er – sich kein neues Akkumulationsregime, wie der Fordismus der 50er, am Horizont abzeichnet. Da sind nur noch der drohende sozioökologische Kollaps und die aufsteigende Panik,23 die die Fieberfantasien rechtsextremer Wehrdörfer und Prepperbunker befeuern.24 Die Neue Rechte wird nicht „Ordnung schaffen“, sie ist in Wahrheit der Exekutor des sozialen Zerfalls, der schon vom Neoliberalismus befördert wurde, ist also die „Fortsetzung der Konkurrenz mit anderen Mitteln“ (Robert Kurz).

    Die Krise als eine fetischistische Dynamik,25 bei der die inneren und äußeren Widersprüche des Kapitalverhältnisses die Welt verwüsten, lässt sich nicht durch Abkapslung oder den Ausschluss der Krisenopfer ausschließen – weder in ihrer ökonomischen, noch in der ökologischen Dimension.26 Die Lächerlichkeit dieses reaktionären Reflexes ist eigentlich evident. Der kapitalistischen Systemkrise kann nur, durch die Verbreitung eines radikalen Krisenbewusstseins, mittels einer bewusst erkämpften Systemtransformation in eine postkapitalistische Gesellschaft begegnet werden. Es ist die einzige Chance, den Absturz in die Barbarei zu verhindern. Das ist die simple Wahrheit, die eigentlich auch alle ahnen.

    Und das ist der springende Punkt hinsichtlich einer antifaschistischen Bündnispraxis, die den Krisenprozess reflektiert und ein radikales, transformatorisches Krisenbewusstsein propagiert: Selbst wenn progressive Kräfte mit ihrer transformatorischen Rhetorik in breiten antifaschistischen Bündnissen vornehmlich auf taube Ohren stoßen würden, wäre dies zweitrangig, sofern faschistische Machtübertragungen verhindert werden können. Die fetischistische Krisendynamik wird sich weiter entfalten – unabhängig vom Bewusstseinsstand der Bevölkerung.

    Der Krisenprozess wird die spätkapitalistischen Gesellschaften in eine Transformation in eine andere, postkapitalistische Formation zwingen, sodass radikales Krisenbewusstsein sich durchsetzen könnte, solange die faschistische Option verhindert werden kann. Der gesellschaftliche Fallout der Krise des Kapitals ist ambivalent: er materialisiert sich einerseits in autoritärer Aggression und Panik, die dem Vorfaschismus Auftrieb verschaffen, doch zugleich kann die Krise im Rahmen antifaschistischer Kämpfe zur Ausbildung und Verbreitung eines emanzipatorischen Bewusstseins beitragen.

    Deswegen genießt Antifaschismus in der gegenwärtigen Systemkrise, die zwangsläufig in eine Systemtransformation übergehen wird, oberste Priorität. Es reicht erst mal, die faschistische Krisenoption zu verhindern, um nicht-faschistische, mithin emanzipatorische Transformationswege offen zu halten.

    #crise #fascisme #capitalisme #psychologie

  • Les mots de Bruno : CEB et lancés de toques - Enseignons.be
    https://www.enseignons.be/actualites/87736

    "Mettre en scène des enfants qui ont réussi leur CEB comme on ritualise les proclamations universitaires en les affublant d’une toge et en les coiffant d’une toque académique, c’est un peu comme une façon de déplacer le carnaval en plein mois de juin. Cela peut être amusant mais c’est incontestablement absurde et cela contribue encore à ajouter de la confusion au sens que l’on donne à cette évaluation quand on en fait un instrument de filtrage anticipé ou de distinction précoce."

    -- Permalien

    #enseignement #belgique #psychologie #pédagogie

  • [A Question Of Listening] # 036 - Thèse, hypothèses et esthétique
    https://www.radiopanik.org/emissions/a-question-of-listening/036-these-hypotheses-et-esthetique

    Tous les humains ont des préférences en matière de #musique et connaissent, lors d’activités musicales, des expériences, agréables, gratifiantes et souvent esthétiques, associant beauté, harmonie ou élégance à une émotion, plus ou moins positive ou négative – le constat que la musique déclenche des expériences affectives est flagrant, même si on n’en comprend pas encore très bien les raisons. Une chose est d’appréhender les mécanismes neuronaux et cognitifs qui entraînent des réactions (émotionnelles ou autres) à partir de stimuli auditifs (musicaux en l’occurrence), sans que celles-ci soient en rapport direct avec les propriétés physiques de ceux-là ; une autre est de savoir comment (et pourquoi) ces mécanismes neurocognitifs sont apparus au cours de l’évolution biologique.

    A QUESTION OF LISTENING # 036 - playlist (...)

    #psychologie_cognitive #évolution #adaptation #musique,psychologie_cognitive,évolution,adaptation
    https://www.radiopanik.org/media/sounds/a-question-of-listening/036-these-hypotheses-et-esthetique_17467__1.mp3

  • C’est quoi ”le terrier de lapin”, cette menace qui touche les plus jeunes - Geeko
    https://geeko.lesoir.be/2024/02/20/cest-quoi-le-terrier-de-lapin-cette-menace-qui-touche-les-plus-jeunes

    Faisant directement référence à Alice au pays des merveilles, le phénomène inquiète de plus en plus et touche particulièrement les plus jeunes. Plusieurs entités ont entamé une lutte pour contrer cette menace. ”Le terrier de lapin”, ce nom peut paraître de prime abord amusant. Pourtant, il désigne un phénomène sur les réseaux sociaux qui inquiète...

    -- Permalien

    #psychologie #internet #société #réseauxsociaux