• Das letzte Jahr der DDR : „Der Westen hat alles niedergemacht, was ostdeutsch war“
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    Il y a 36 ans, le 9 novembre 1989 le Berlinois font ouvrir les points de passage entre la capitale des la RDA et la ville sous occupation alliée Berlin-Ouest. La suite a été le dématèlement de l’état RDA et de l’existence matérielle de millions de ses citoyens. Le journaliste Martin Gross a déménagé à Dresde pour témoigner des événements.

    8.11.2025 von Anja Reich - Der Westdeutsche Martin Gross zog 1990 nach Dresden, um die Wende zu beschreiben. Im Interview sagt er: „Es war ganz roher, brutaler Kapitalismus.“

    Das Jahr zwischen Mauerfall und Wiedervereinigung wurde oft beschrieben. Aber das genaueste, schonungsloseste Zeugnis war lange kaum bekannt. Es ist das Buch „Das letzte Jahr“, geschrieben von Martin Gross, einem Westdeutschen, der im Januar 1990 nach Dresden gezogen war. Sein Bericht bricht mit dem Mythos, das Jahr der Wiedervereinigung sei vor allem eine Phase der Euphorie, des Freiheitsrausches für die Ostdeutschen gewesen. Und es ist sicher kein Zufall, dass es damals niemand lesen wollte und es erst drei Jahrzehnte später wiederentdeckt wurde - durch den Ostdeutschen Jan Wenzel, der für Recherchen zu einem eigenen Buch darauf stieß.

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    Martin Gross: Wusste nicht mehr, was er da eigentlich geschrieben hatte.Paulus Ponizak/Berliner Zeitung

    Sechs Jahre ist das her. Martin Gross steht im Regen auf dem Bahnhof von Bienenbüttel, einer Gemeinde in Niedersachsen. Sein Haar ist grau, sein Gesicht jungenhaft. Auf der Fahrt in sein Dorf erzählt er, wie überrascht er von der Wiederentdeckung seines Buches war. Dass er es erst noch einmal selbst lesen musste, um zu wissen, was er damals in Dresden alles erlebt hatte.

    Sein Haus steht zwischen einer Pferdekoppel und einem Teich. Er wohnt allein hier, aber heute ist seine Familie zu Besuch. Samuel, sein Sohn, kocht Espresso. Christine Garbe, seine Ex-Frau, stellt Kuchen auf den Tisch, setzt sich dazu, manchmal ergänzt sie seine Erinnerungen durch ihre.
    Martin Gross: „Schnell absehbar war dieser irre Zusammenbruch“

    Herr Gross, wie sind Sie auf die Idee gekommen, im Januar 1990 in den Osten zu ziehen?

    Meine Frau ist in Dresden geboren. Ihre Familie ist 1955 in den Westen gegangen, aber ihre Verwandtschaft war noch da. Im Dezember 1989 haben sie uns in West-Berlin besucht und gesagt, kommt doch mal rüber. Und wir haben gesagt, gut, dann kommen wir im Januar für ein paar Tage.

    Christine Garbe: Beim ersten Besuch war ich dabei. Wir haben bei einer früheren Nachbarin gewohnt, ein bisschen außerhalb. Von da aus sind wir in die Stadt gezogen. Da hat es dich gepackt.

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    Die Westler sind in den Osten eingefallen: Foto von Martin Gross aus dem Jahr 1990 Paulus Ponizak/Berliner Zeitung

    Was hat Sie gepackt, Herr Gross?Das alles von Nahem zu erleben, zu sehen, was noch übrig ist von dieser friedlichen Revolution. Erst wollte ich nur einen Artikel für die Zeitschrift Lettre International schreiben, hatte dann aber das Gefühl, noch viel mehr beschreiben, noch länger bleiben zu wollen.

    Weil so viel passierte?

    Ja, alles veränderte sich rasend schnell. Jede Woche passierte was Neues. Im März fanden die Wahlen statt, die wollte ich mir unbedingt noch ansehen. Danach war klar, dass demnächst die Währungsunion kommen würde. Ich dachte, das nehme ich auch noch mit. Und sehr schnell absehbar war dieser irre Zusammenbruch, den man im Westen gar nicht mitbekam. Ich dachte, im Osten gibt es jetzt einen riesigen Aufbruch. Dabei war es ein riesiger Abbruch. Und der Aufschwung fand im Westen statt.

    Christine Garbe: Ich habe Martin immer wieder in Dresden besucht, und er hat mir Briefe nach Berlin geschrieben. Wir waren schockiert, wie schnell der Westen im Osten einfiel. Mit diesen unglaublich brutalen Methoden.

    Sie waren überall ganz dicht dabei, Herr Gross. Im Krankenhaus, in der Redaktion einer Zeitung, in der ehemaligen Stasizentrale. Wie haben Sie das geschafft?

    Durch die Kontakte meiner Frau, ihre Onkel und Tanten. Ich war in Dresden, aber auch in Magdeburg. Christines Bruder ist Dermatologe, und er hatte Kontakt in die Klinik. Ohne ihn wäre ich dort nicht reingekommen.

    Also war es leicht für Sie, mit den Menschen ins Gespräch zu kommen?

    Ja, die Menschen damals in dieser Situation waren sehr offen. Es gab einen großen Gesprächsbedarf. Da war etwas geschehen, über das man reden musste, unbedingt reden, reden, reden, und sei es mit dem dahergelaufenen Wessi. Aber die Gesprächsbereitschaft ist dann allmählich verstummt, einer Enttäuschung gewichen.

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    Dresden 1990: Ostdeutsche im Kaufrausch.Paulus Ponizak/Berliner Zeitung

    Wurden Sie immer gleich als Westdeutscher erkannt?

    Ja, immer. An der Westkleidung, an der Art, Gespräche zu führen. Ich habe die Unterschiede an einer Stelle im Buch ganz brutal formuliert.

    Westdeutsche tragen ihren Bauch stramm voraus, schreiben Sie. Und die Ostdeutschen beschreiben Sie als unbeholfen. Sie wollen nicht auffallen, nichts falsch machen.

    Genau. Den ostdeutschen Journalisten, die ich in Dresden kennenlernte, fiel es zum Beispiel schwer, einfach Knall auf Fall eine Frage zu stellen, sie sind auf Umwegen dahin gekommen, haben erstmal die Stimmung und die Interessen ihres Gesprächspartners sondiert, bevor sie mehr aus sich herausgegangen sind. Ich fand dieses Bescheidene, Zurückgenommene angenehmer als die lauten, selbstbewussten Westjournalisten oder Westpressesprecher.

    Viele Westjournalisten sind damals in den Osten gekommen, waren aber auch schnell wieder weg. Hatten Sie Kontakt zu ihnen?Nein, ich war ganz für mich, hatte eher Kontakt zu DDR-Journalisten, zu Uta Dittmann zum Beispiel, die am 10. Oktober 1989 in ihrer Zeitung, der „Union“, über die Zusammenstöße zwischen Polizei und Demonstranten am Dresdner Hauptbahnhof berichtet hatte – und zwar nicht als rowdyhafte Ausschreitungen, sondern als Bürgerprotest. Durch die Gespräche in ihrer Redaktion bekam ich sehr intime Einblicke, da hat es mich wirklich gepackt.

    Martin Gross: „Die ostdeutschen Reformer wollten Helmut Kohl“

    Inwiefern?

    Uta Dittmann war die erste Journalistin im Osten, die sich getraut hat, so einen Bericht zu veröffentlichen. Vor diesem Hintergrund sind Hans Modrow, der ehemalige SED-Bezirkschef in Dresden, und Wolfgang Berghofer, der damalige Bürgermeister, auf die Demonstranten zugegangen. Die Polizei hat sich von nun an zurückgehalten, es gab keine Verhaftungen mehr und auch nicht mehr diese üblen Verfahren in der Haftanstalt und so weiter. Das im Detail zu beschreiben, hat mich interessiert, das Leben einer Person über ein ganzes Jahr zu verfolgen. Auch die Konflikte in der Redaktion der „Union“, die ja zu DDR-Zeiten eine CDU-Parteizeitung war.

    Erinnern Sie sich noch an einen dieser Konflikte?

    Ja, es gab dort ein großes Misstrauen den Ost-CDUlern gegenüber. Menschen, die zu den Reformern zählten, stützten sich lieber auf Helmut Kohl als auf ihre eigenen Leute. Das war für mich ein bisschen befremdlich. Denn Kohl war ja nicht gerade eine Person, die für Erneuerung stand. Aber die ostdeutschen Reformer wollten Kohl und seine Mannschaft, weil sie eben ihren eigenen Leuten nicht getraut haben. Das hatte auch mit den ganzen Stasienthüllungen zu tun. Beim Demokratischen Aufbruch Wolfgang Schnur, bei der ostdeutschen SPD Ibrahim Böhme. Viele unserer Bekannten haben gesagt: Bevor wir eine Partei wählen, in der dann doch wieder die Stasi mit sitzt, nehmen wir lieber den Westen.

    Uta Dittmann arbeitete dann aber nicht mehr lange bei der „Union“, erfährt man aus Ihrem Buch.

    Das hatte mit einem anderen Konflikt zu tun. Sie stellte sich eine Zeitung vor, in der gestritten und reflektiert, die lang erkämpfte Meinungsfreiheit ausgekostet wird. Aber dann kam der Westverlag, in dem Fall war es der Süddeutsche, und der kommissarisch eingesetzte Chefredakteur sagte, ihr könnt schreiben, was ihr wollt, Hauptsache, der Artikel ist um 16 Uhr fertig und es gibt Fotos dazu und keine Bleiwüste. Das, was Uta Dittmann gegen ihre Chefs durchgekämpft hatte, die eigene Meinung zu schreiben, Debatten zu führen, war nicht mehr wichtig. Das hat sie unendlich enttäuscht und frustriert. Sie hat sich zurückgezogen.

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    Beim Interview in Niedersachsen: Martin Gross mit seiner Ex-Frau Christiane Garbe Paulus Ponizak/Berliner Zeitung

    Auch Ihre Enttäuschung ist beim Lesen Ihrer Schilderungen oft zu spüren. Woher kam die?

    Aus meinen Erwartungen. Es war eine Revolution, und dann auch noch eine in Deutschland. Sowas gibt es ja nicht oft. Aber als ich in Dresden ankam, war von der Revolution nicht mehr viel übrig geblieben.

    Was war noch übrig?

    Der Runde Tisch, an dem es darum ging, die Kultur in Dresden zu organisieren. Aber auch das war enttäuschend. Es hieß, nun macht mal Vorschläge, wie es weitergeht, aber wir haben leider noch kein Telefon, ihr müsst sie uns mit der Post schicken. Zu dem Zeitpunkt war bereits klar: Der Westen kommt, schickt seine Beamten, um seine Konzepte von Kulturpolitik mit den künftigen Bürgermeistern besprechen. Alles sollte nach Westvorbild aufgebaut und strukturiert werden. Steuer, Stadtplanung, Baugenehmigungen. Das war keine Revolution mehr, das war eine gewendete Revolution.

    Christine Garbe: Das beschreibst du ja auch gut, dass zweitklassige Leute aus der alten Bundesrepublik plötzlich Leitungspositionen im Osten hatten. Das habe ich auch an den Universitäten erlebt.

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    Originalausgabe von „Das letzte Jahr“, erschienen 1992 Paulus Ponizak/Berliner Zeitung

    Martin Gross: „Ganz roher, brutaler Kapitalismus“

    So ein Westprofessor kann sich hier nochmal in seinem ganzen Glanz präsentieren, schreiben Sie. Ein Satz, wie man ihn selten hört.

    Die Arroganz, mit der der Westen wirklich alles niedergemacht hat, was ostdeutsch war – damit waren wir überhaupt nicht einverstanden. Der Westen war als System gewollt, und seine Leute konnten plötzlich im Osten eine unglaubliche Karriere machen. Ich habe bei meinen Recherchen einen Filialleiter eines Supermarkts getroffen, der gerade noch ein kleiner Angestellter in Düsseldorf war und jetzt ein Riesenzelt auf einem matschigen Gelände aufgebaut hatte, das von fünf Sattelschleppern pro Tag beliefert wurde. Er hatte nicht mal eine Genehmigung dafür, die Waren wurden einfach nur abgeladen, nicht mal mehr in Regale sortiert. „Was glaubst du, was das für eine Chance ist“, sagte der zu mir. „In ein paar Jahren bin ich ganz oben.“ Die Freiheit, die sich die Ostdeutschen erkämpft hatten, war eben vor allem für die Westler ein Freiheitsrausch.

    Gibt es eigentlich so eine Art Unrechtsbewusstsein bei Westdeutschen?

    Also ich kenne niemanden. Die Ostperspektive ist gar nicht im Bewusstsein der Westdeutschen gelandet, die Erkenntnis, dass es sich um einen raffgierigen Frühkapitalismus, wirklich ganz rohen, brutalen Kapitalismus gehandelt hat.

    Aber Sie haben das erkannt, schreiben, die Kolonnen von Lastwagen transportieren die Arbeitslosigkeit in den Osten. Haben Sie sowas auch mal zu einem Mann wie diesem Filialleiter gesagt?

    Nein. Ich habe ihn ausgefragt. Ich wollte ja seine Sicht kennenlernen und darüber schreiben können.

    Und hatten Sie manchmal das Bedürfnis, die Ostdeutschen in ihrem Kaufrausch wachrütteln zu wollen, sie zu warnen?

    Ja, ich habe es auch versucht. Aber für Leute wie Christines Onkel war ich ein Schwarzmaler. Er hat gesagt, bei euch im Schwarzwald sind alle Straßen asphaltiert, die Häuser beleuchtet, die Warenangebote stimmen, und du bist hier der Miesepeter. Leute wie er wollten so leben wie wir. Ich musste ständig ihre Fragen beantworten. Welche Versicherungen sie brauchen: Vollkasko, Teilkasko, ADAC? Welche Steuerklasse, drei oder fünf?

    Christine Garbe: Sie haben ja nicht gesehen, was auf sie zukommt, die Treuhand, die westliche Konkurrenz, der Zusammenbruch der DDR-Wirtschaft, die Massenarbeitslosigkeit. Von einem Tag auf den anderen war ihnen die Existenzgrundlage entzogen. So etwas hatten wir bei uns im Westen noch nie erlebt.

    Martin Gross: Nicht einmal nach Kriegsende war das so krass, wie das in der DDR 1990 war.

    Martin Gross: „Die ganze Wendezeit stand unter einem enormen Zeitdruck“

    Martin Gross: „Die ganze Wendezeit stand unter einem enormen Zeitdruck“Paulus Ponizak/Berliner Zeitung

    Hätte man das Ihrer Meinung nach verhindern können?

    Martin Gross: Schwer zu sagen. Die ganze Wendezeit stand unter einem enormen Zeitdruck, es sollte verhindert werden, dass noch mehr Leute abhauen. Bei einer Montagsdemo in Dresden haben mir Jugendliche gesagt, also wenn die D-Mark nicht sofort kommt, dann sind wir weg hier. Klar, der Westen hat die DDR geschluckt. Aber es waren natürlich auch die Ostdeutschen selbst, die den Westen wollten und keine Interesse hatten, wie Polen, Rumänien oder Ungarn ein eigenes System, einen eigenen souveränen Staat aufzubauen. Und als mit den Wahlen klar war, sie wollen das westliche System, kamen aus dem Westen eben die Leute, die sich damit auskannten. Man hätte den Ostdeutschen nicht so viel Hoffnung machen sollen, stattdessen das Bewusstsein dafür schärfen, dass es eine schwierige Situation wird. Und darauf achten, dass man sie mit einbindet in die neuen Strukturen.

    Martin Gross: „Die Russen wollten unser System gar nicht“

    Im Januar 1991 haben Sie Dresden verlassen. Als 1992 Ihr Buch „Das letzte Jahr“ erschien, waren Sie wieder im Westen. Wie haben Sie das erlebt?

    Mein Buch ist erschienen, als unser Sohn Samuel geboren wurde, im Oktober ’92. Wir lebten wieder im Schwarzwald, wo ich herkomme, und waren geistig ganz woanders. Es gab eine einzige Rezension, in der taz, ansonsten hat mein Buch keinen Menschen interessiert. Das Thema war im Westen abgegessen, weil die Ostdeutschen ja angeblich sowieso nur jammerten. Und die Ossis wollten sich nicht mehr an ihre Hoffnungen und Enttäuschungen von vor zwei Jahren erinnern. Es hieß, Martin Gross erzählt nur das, was wir längst wissen.

    Es sind dann dreißig Jahre vergangen, bis Ihr Buch entdeckt wurde. In der Zwischenzeit haben Sie kein einziges mehr geschrieben. Warum nicht?

    Naja, es gab die Familienphase, und ab 1998 stand für mich Russland im Vordergrund.

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    Martin Gross beim Interview in seinem Haus in Niedersachsen Paulus Ponizak/Berliner Zeitung

    Russland?

    Wir waren inzwischen hierhergezogen, in die Nähe von Lüneburg, wo meine Frau eine Professur hatte. Es gibt hier sehr viele Deutschrussen und einen Bürgerverein, der eine Partnerschaft mit einer russischen Stadt in die Wege leiten wollte. Es wurde für die dortige Uni ein Gastdozent für das Fach Deutsch gesucht, und ich war neugierig darauf, Russland hautnah zu erleben, auch mit dem Hintergrund, noch einmal eine Wendezeit zu erleben. Diesmal wollte ich aber nicht mehr der skeptische Beobachter sein, sondern mithelfen, die Demokratie aufzubauen. Die EU hatte riesige Programme für Hochschulkooperationen mit Russland. Ich dachte, das ist eine einmalige Chance. Aber ja, es hat nicht funktioniert, man sieht ja heute das Ergebnis.

    Warum hat es nicht funktioniert?

    Im Nachhinein würde ich sagen, es war ein fundamentales Missverständnis, dass Russland wirklich von Demokratie, Zivilgesellschaft, Rechtsstaatlichkeit, Parteienvielfalt begeistert war. Die Begriffe „Demokratie“, „Marktwirtschaft“ usw., standen aus russischer Sicht für die Katastrophenjahre unter Jelzin: Oligarchenkriege und Korruption. 1998 war das schwärzeste Jahr in der russischen Geschichte. Der Rubelkurs rutschte tief in den Keller, es gab die Ölkrise, der Staatshaushalt war pleite. Die Häuser waren Ruinen, noch viel schlimmer als in Dresden. Arbeit, Wohnen, medizinische Versorgung, alles war zusammengebrochen, alles ohne Absicherung. Und dann kamen wir und wollten den Russen die Vorteile der Demokratie erklären. Es hat ständig gekracht.

    Können Sie ein Beispiel erzählen?

    Deutsche Journalistikstudenten haben eine russische Zeitung besucht. Eine ihrer Fragen war: Wer ist eigentlich der Eigentümer dieser Zeitung, wem gehört sie? Und die zweite Frage: Wir haben gehört, dass die Zeitung sich auch dadurch finanziert, dass Politiker für ihre Interviews bezahlen. Am Abend bekam ich den Anruf von Nina, einer russischen Kollegin: Ihr seid doch Gäste, sowas fragt man doch nicht. Der Zeitungstermin für den nächsten Tag wurde dann gestrichen. Ein anderes Mal wurden deutsche Studenten durch den russischen Rektor verabschiedet, aber die russischen Studenten, bei denen sie gewohnt haben, sollten nicht dabei sein. Die Deutschen haben gesagt: „Nö, da kommen wir auch nicht“. Das war natürlich arrogant von ihnen. Und ich verstehe Russen, wenn sie nach solchen Erfahrungen, die sie auch mit mir gemacht haben, sagen: Der Westen will uns bevormunden. Das war so.

    Was meinen Sie mit: Erfahrungen, die Russen auch mit Ihnen gemacht haben?

    Weil von EU-Seite die Förderung von Kooperationen auf „Problem-Themen“ konzentriert war, habe ich mich überall reingehängt: in die Arbeit mit schwierigen Jugendlichen und schwer Heroinsüchtigen. Ich war in Waisenhäusern, auch im Knast. Dass da jemand so sehr in ihren „Schmuddelecken“ herumstöbert, war für die Russen schwer zu ertragen. 2002 wurde mir das Visum weggenommen und ein paar Jahre später, als ich wieder eins hatte, nochmal. Ich war eine unerwünschte Person und habe dann natürlich überlegt: Was ist da schiefgegangen? Die, mit denen ich in Kontakt bin, haben mir gesagt: Du bist zu offensiv gewesen, zu fordernd. Und es stimmt ja auch. Wir hatten die Vorstellung, Demokratie sieht so und so aus, die Russen wollten aber unser System gar nicht, haben gesagt, wir haben unser eigenes.

    Sie haben immer noch Kontakt zu ihnen, auch jetzt, während des Krieges?

    Ja, ich bin erschüttert über Putins Krieg, nichtsdestotrotz bin ich ein Freund der Russen und schreibe mir mit einigen Kollegen, und sie schreiben mir.

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    Martin Gross: „Warum haben nicht auch wir die Chance, noch einmal alles zu ändern?“ Paulus Ponizak/Berliner Zeitung

    Was schreiben sie Ihnen?

    „Lieber Martin, wir sind traurig.“ Oder: „Wir machen uns große Sorgen.“ Ohne zu sagen, worüber sie sich Sorgen machen. Andere schreiben: „Lieber Martin, du hast uns von Anfang an nicht verstanden, wir kämpfen hier um Leben und Tod“. Und dann frage ich mich natürlich: Schreiben sie so, weil sie das wirklich denken, oder weil sie diejenigen fürchten, die insgeheim ihre E-Mails mitlesen? „Wir beten dafür, dass es besser wird“, stand in einem Brief; von Krieg war keine Rede.

    Martin Gross: „Ich würde wieder in den Osten gehen“

    Sind die Entfremdung zwischen Ost- und Westdeutschen, der Aufstieg der AfD, für Sie Entwicklungen, die aus den Fehlern der Vergangenheit resultieren?

    In den großen Zügen, ja. Sie sagen auf diese Art: Wir wollen euer System nicht, wir machen das lieber selber. Es war ein Fehler, DDR-Bürger nicht mehr einzubeziehen beim Aufbau des westlichen Systems. Man hat sie verwaltet, aber nicht mit aktiviert. Und das zahlt sich massiv aus.

    Vor fast genau 35 Jahren haben Sie über die Ostdeutschen geschrieben: „Schade, wenn ich diese Leute sehe, wie sich alles für sie ändert, denke ich, warum nur sie? Warum haben nicht auch wir die Chance, noch einmal alles zu ändern?“ Denken Sie das heute noch?

    Heute sehe ich keine große Chance, etwas zu ändern. Man kann eigentlich nur Millimeterarbeit leisten, im Sinne der Verständigung mit denen, die enttäuscht sind.

    Ihre Stärke ist es, immer die Perspektive der anderen verstehen zu wollen. Wo haben Sie das gelernt?

    Ich weiß nicht. Vielleicht hat es damit zu tun, dass beide meiner Eltern praktisch gehörlos waren. Da spielte es eine große Rolle, den anderen jenseits von Worten zu verstehen.

    Wie war das für Sie, als Ihr Buch wiederentdeckt wurde?

    Ich bin aufgelebt, habe wieder geschrieben und publiziert, auch über meine Zeit in Russland. Das war für mich vor 20 Jahren nicht abzusehen, das ist ein neues schönes Lebensgefühl.

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    Martin Gross im Jahr 1988 privat

    Haben Sie noch Kontakt zur Ostverwandtschaft in Dresden?

    Die Dresdner leben nicht mehr. Aber zu einem Ost-Journalisten von damals habe ich noch Kontakt. In meinem Buch habe ich in „Stefan“ genannt. Er hat mich neulich besucht und wir haben überlegt, ob wir eine Fortsetzung vom „Letzten Jahr“ schreiben sollten.

    Wo würden Sie heute hingehen, um ein Buch über so große gesellschaftliche Veränderungen zu schreiben?

    Wieder in den Osten, klar.

    Martin Gross

    geboren 1952, wuchs in Böblingen auf, zog kurz vor dem Abitur nach West-Berlin. Er studierte Germanistik und Politologie, arbeitete als Lehrbeauftragter an der FU, schrieb einen Roman und Texte für Zitty und taz. 1990 zog er nach Dresden und Magdeburg und schrieb „Das letzte Jahr“. Von 1998 bis 2016 arbeitete er für verschiedene Universitäten in Kooperationen mit russischen, indischen und europäischen Partnern. 2019 entdeckte Jan Wenzel Gross’ Buch „Das letzte Jahr“. 2020 wurde es im Verlag Spector Books neu aufgelegt und verkaufte seitdem rund 4000 Exemplare. Gross schrieb wieder Romane: „Ein Winter in Jakuschevsk“ und „Nadjas Geschichte“.

    #Allemagne #histoire #DDR #RDA

  • DDR-Manager und Russlandkenner : Die unglaublichen Lebensgeschichten des Richard Schimko
    https://www.berliner-zeitung.de/mensch-metropole/physiker-manager-buerger-wie-es-einem-ossi-gelang-sich-nicht-verzwe

    A l’Est rien n’était comme on voudrait nous faire croire. Les choses étaient bien plus absurdes, prèsque autant qu’à l’Ouest, seulement aujourd’hui la situation est pire.

    5.11.2025 von Maritta Adam-Tkalec - Geheimnisträger Ost: Richard Schimko, Forschungsdirektor im Werk für Fernsehelektronik, veröffentlicht unglaubliche Geschichten aus seinem Leben. Achtung, witzig!

    120 Meter unter Moskau liegt ein geheimes Tunnelsystem, Stalin hatte es zusammen mit der Metro bauen lassen. Zutritt für Außenstehende unmöglich. Schier unglaublich, was der Physiker Prof. Dr. Richard Schimko aus Ost-Berlin in der Moskauer Maulwurfswelt sah, als ihn sowjetische Genossen dorthin führten. Er und seine DDR-Kollegen hatten gerade Nachtsichtgeräte entwickelt („Wir hatten gelernt, im Dunkeln zu sehen“), alles unter strengster Geheimhaltung natürlich, doch „die Sowjetgenossen kannten unser Tun besser als wir selbst“.

    Per Draisine ging es kilometerweit bis zu einer Stahltür, wo sich der Chef des Instituts für Optik der UdSSR (und General des KGB) vorstellte. Dahinter eröffnete sich der Blick von einer Galerie in einen riesigen Reinraum, in dem Tausende Mess- und Montierarbeiter saßen. Richard Schimko und ein DDR-Kollege schauten auf einen Teil des Industriekomplexes für Rüstungsgüter, in dem auch die Raumstation MIR entstand.
    Zwischen Ukraine, Russland, Osten und Westen

    Was für eine Geschichte! Es ist nur eine von 30, die Richard Schimko in seinem soeben in der Edition Ost (Eulenspiegelverlag) erschienenen Buch „Physiker und Kleinkapitalist. Erlebnisse eines Wirtschaftsmanagers aus dem Osten“ erstmals einer größeren Öffentlichkeit erzählt. In einem kurzen Buchtitel ist kein Platz für mehr Auskünfte zur Person. Doch um die Relevanz all seiner unglaublichen Berichte zu verstehen, muss man mehr wissen über den soeben 80 Jahre alt Gewordenen.

    Er studierte Physik im ukrainischen Lemberg/Lwow/Lwiw, promovierte im georgischen Tbilisi, ist Inhaber von 33 Patenten, zweifacher Nationalpreisträger (Halbleiter, Mikroelektronik). Von 1970 an wirkte er im Werk für Fernsehelektronik (WF) in Berlin-Oberschöneweide, er war Gründer und Direktor der WF-Forschungsabteilung, in der 400 Wissenschaftler aus Akademie-Instituten mitarbeiteten, Aufbauleiter des Mikrooptoelektronikzentrums Berlin, Professor an der Humboldt-Universität.

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    Die Brigade „Kurtschatow“ im Werk für Fernsehelektronik: hinten Richard Schimko, neben ihm Dr. Gottfried Müller; Technologiechef und Teamleiter Michael Haubold rechts im Vordergrund, am Mikroskop ein sowjetischer Kollege privat

    Der wache Bürger Schimko beförderte das Aufkeimen der Friedlichen Revolution in seinem Betrieb, indem er seine Hand über die „Plattform WF“ hielt, die eine radikale Reformierung der SED verlangte. Aus dem Frühsommer 1989 stammen zwei Berichte, die Ost-Berliner damals für sensationell gehalten hätten: Da geriet Schimko in ein Geheimtreffen, bei dem KoKo-Chef Schalck-Golodkowski eine neue DDR-Wirtschaftspolitik umriss – ein Zusammengehen mit der Bundesrepublik. „Wir verkaufen wir ihnen die Mauer“, lautete dessen Plan. Die andere Geschichte erzählt, wie Günter Schabowski Schimko zum Oberbürgermeister von Ost-Berlin bestimmte und das dann doch nicht gelang – bitte nachlesen!

    Ökonomen und Astrologen sind Deuter – und mir als Naturwissenschaftler darum suspekt. Richard Schimko

    Richard Schimko saß im Wendeherbst kurze Zeit in der Volkskammer, hörte live Stasi-Mielkes Satz von der Liebe zu allen Menschen. Nicht lange darauf trug er die Verantwortung für die schmerzhafte Überführung des Hightech-Betriebes WF in die Marktwirtschaft und machte dabei exklusive Erfahrungen mit den DDR-Verramschern, die er unter dem Titel „In treuen Händen“ nun öffentlich macht: „Im Januar 1991 erschien bei mir ein Herr Möllemann mit dem Ansinnen, ein Werk in Pankow zu erwerben.

    Er bot mir als Kaufpreis eine Million DM und eine weitere halbe Million für mich persönlich, wenn ich dem Kauf zustimmte. Ich gab dem nassforschen Bieter zu bedenken, dass das Mindestgebot bei sieben Millionen liege; ich selbst benötige schließlich für den Kauf der Schweizer Staatsbürgerschaft vier Millionen. Daraus schloss er messerscharf und durchaus zutreffend, dass ich ihn nicht ernst nahm.“ Der Herr Möllemann drohte Schimko, er werde seinen umgehenden Rausschmiss erwirken. Wie das? Jürgen Möllemann, FDP, Wirtschaftsminister und Vizekanzler in Helmut Kohls Deutschland-einig-Vaterland-Kabinett, war der Bruder. Köstlich, wie diese Geschichte dann ausgeht!

    Bedrückend erfasst Schimko die DDR-Abwicklung: 8500 Betriebe, vier Millionen Werktätige, das Volkseigentum zu 85 Prozent in westdeutschen Besitz überführt und so fort. Er selbst beschloss, als Kleinkapitalist sein Glück zu versuchen, und wurde zum Mitgründer der Berlin-Oberspree Sondermaschinenbau GmbH (BOS), die wundersame Geräte herstellte wie den Bioradar, der hinter meterdicken Wänden schlagende Herzen entdecken und etwa in Erdbebengebieten Leben retten kann. Wieder öffnete der professionelle Erfolg Türen: Als einziger Ossi zog er ins 16-köpfige Präsidium des Bundesverbandes der Deutschen Industrie (BDI) ein, als „Vorzeige-Kleinkapitalist des Ostens“.

    Schimko schreibt über sein Leben im näheren, ferneren und sehr fernen Osten, der bis nach Japan reichte, und weil viele Erlebnisse schier unglaublich sind, hat er sich bei jeweils Beteiligten rückversichert, ob ihn die Erinnerung nicht trügt. Vor die Leserschaft tritt der Naturwissenschaftler/Manager als Spaßmacher. Selbst die böseste seiner Wahrheiten kommt lustig daher. Die eingestreuten Witze, ob aus DDR- oder UdSSR-Quelle, sind auserlesen und grandios.

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    Promotion geschafft, Glückwünsche mit Nordhäuser Doppelkorn im WF-Labor, 1975privat

    Im Eulenspiegelverlag zu publizieren, passt also bestens. Doch warum schreibt der Verlag: „Schimko erzählt unernste Geschichten“? So witzig, ironisch und selbstironisch die Texte daherkommen, sind sie doch ernst – so ernst, dass einem auch mal das Blut in den Adern erstarrt, wenn man erkennt, dass der Schimko sich das Mäntelchen des Schalks nur umgehängt hat, um nicht gleich auf den ersten Blick als Überbringer unangenehmer Wahrheiten abgewiesen zu werden.

    Nehmen wir als Beispiel einen Witz. Darin findet die der Sowjetgesellschaft innewohnende Gewalt ein Bild. Hier, sträflich verkürzt, die „sowjetphilosophische Anekdote“: Streiten ein Amerikaner, ein Brite und ein Russe (Deutsche kommen in solchen Witzen nicht vor) darüber, wer den besten Gummi der Welt herstelle. Der Ami gibt an, sein Hosenträger habe beim Sturz aus dem Empire State Building sein Leben gerettet. Der Franzose legt eins drauf: Sein Hosenträger habe ihn bei der Zugfahrt von Paris nach Lyon wieder zurück befördert. Alles nichts, sagt der Russe: Auf dem Spasski-Turm am Roten Platz sei „einer unserer vaterländischen Monteure“ beim Lampenaustausch abgestürzt. Dank seiner Galoschen, der russischen Gummischuhe, flog er „runter, hoch, runter, hoch“. Was tun? „Wir mussten ihn abschießen. Aber die Galoschen waren wie neu.“ Ist das unernst?

    Ein Deutscher! Ein Feind! Großartig!

    Schimkos Spezialität ist das pointierte Beschreiben komischer Situationen, die entstanden, weil er als Deutscher im Sowjetland unterwegs war und sich auf Land und Leute einließ. So geschehen in der Nacht „am Kursker Bogen“: Studentenvertreter Schimko hatte gelegentlich zu reisen, was „dank unzähliger Verspätungen wegen des Wetters, der Technik, der Anfälligkeit sowjetischer Piloten für gewisse Getränke lange Wartezeiten auf Flugplätzen“ mit sich brachte. Als Ausländer durfte er das „Zimmer für Abgeordnete“ benutzen.

    In einem solchen Warteraum traf er an einem Nebel-und-Schneesturm-Abend auf dem Kiewer Inlandflughafen zwei ebenfalls gestrandete Generäle a.D., einen Armenier, einen Russen, Veteranen des Großen Vaterländischen Kriegs gegen die „verfluchten Faschisten“: „Die Freude, einem Vertreter des ehemaligen Feindes zu begegnen, war echt und herzlich. Sie beschlossen, mit mir die Schlacht am Kursker Bogen vom Juli 1943 nachzustellen.“ So geschah es: „Nach unserer Schlacht lagen auf dem Tisch umgestoßene Gläser unterschiedlicher Größen, Teller und vertrocknete Sakuski. Das waren Armeen, Divisionen, Bataillone, Kompanien.“

    Die Kunst, sich etwas vorzumachen, habe ich früh erlernt. Richard Schimko

    Nach der Neuaufführung einer der größten Schlachten des Zweiten Weltkriegs gratulierten die Generäle einander und auch Schimko „als unterlegenem Gegner“ zum Ausgang: „Alle waren der Meinung, dass ich mir – stellvertretend für das seinerzeitige deutsche Volk – hinter die Ohren schreiben sollte, nunmehr den Krieg zu beenden.“ Damals hatten die Deutschen noch zwei schreckliche Jahre weitergekämpft, obwohl die Niederlage unausweichlich war. Ihm selber sei es „nach diesen für mich ungeheuren Zahlen, Fakten, Namen und der mir trotz allem entgegengebrachten Freundlichkeit furchtbar schlecht“ gegangen. Ihm war bewusst geworden, wie wenig er wusste; seinen ostfronterfahrenen Vater hatte er aus Feigheit nie befragt. Nun fragt er sich: Wer waren „die Nazis“? „Das waren doch Männer wie mein Vater gewesen.“

    Die heiter-erhellenden Jugendgeschichten spielen ganz überwiegend in Lwow (im Studentenwohnheim, an der Uni, im Geselligen) und in Kiew, Moskau, Tbilisi. Tatorte sind Schlafwagen, Straßenbahn oder Blumenrabatten. Als zentrales Agens (fast) immer dabei: Alkohol in allen Formen, vom Selbstgebrannten (Samogon) über Nordhäuser zum edlen Kognak. Schimko entwickelt hier die Kunst, Klischees zugleich zu be- und zu widerlegen.

    Apropos widerlegen: Eine ungeheuerliche Information streut er ganz nebenbei ein: Ende August 1968 fuhr Student Schimko im Zug zum Studienort. Die Strecke führte über Prag nach Moskau, sodass er zum Augenzeugen eines Teils des Prager Aufstandes wurde: „Der Zug war voller verwundeter sowjetischer Offiziere. Sie erzählten mir von zwei verwirrenden Einsatzbefehlen: Erstens sollten sie die sozialistische Ordnung in der Tschechoslowakei bedingungslos wiederherstellen und zweitens dabei aber keine Gewalt anwenden. Die meisten hatten Kopfwunden und Brandverletzungen davongetragen. Die einen waren von Pflastersteinen und die anderen von Molotow-Cocktails getroffen worden. Die Gewaltlosigkeit schien also ziemlich einseitig gewesen zu sein.“ Man bekommt die Geschichte sonst anders erzählt.

    Vom Mainstream abweichend, dafür gesättigt von Erfahrungen mit Russen, West- und Ostukrainern, vermittelt Schimko seine Sicht auf den gegenwärtigen Krieg. Er erinnert zum Beispiel daran, wie der Ukrainer Nikita Chruschtschow 1954 Kraft seines Amtes als Chef der Kommunistischen Partei der Sowjetunion in Feierlaune die geopolitisch zu Russland gehörige Halbinsel Krim an die Ukraine verschenkte – und damit gleich doppelten Verfassungsbruch beging.

    Von Schimkos Erlebnissen als Ost-Feigenblatt unter den BDI-Bossen von 1998 bis 2002 war schon eingangs die Rede. Es ist bei allem Ulk ein bitteres Kapitel, persönlich wie gesellschaftlich. In jenen Jahren sei von den Ossis Dankbarkeit verlangt worden, zum Beispiel für die vom Westen geleistete Hilfe zur Menschwerdung, nachdem die Ostendeutschen in der DDR durch „Verzwergung“ „unbrauchbar“ gemacht worden seien. Schimko sagt: „Ich war einer von diesen Zwergen.“ Seine Erkenntnis nach den Sitzungen: Es ist alles so, wie wir es gelernt haben. Es geht im Kapitalismus um die Interessen der Großkonzerne.

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    Richard Schimko: „Quantenmechanik gehört zu jenem Teil der Wissenschaft, den man so lange studiert, bis man überzeugt ist, man habe ihn erfunden.“Benjamin Pritzkuleit/Berliner Zeitung

    Der Mann weiß, wovon er spricht. Solch eine Authentizität als Quelle erlangen wenige. Millionen DDR-Bürger werden wissend nicken, wenn sie zum Beispiel die „Geschichte von der Ahnung des Untergangs“ lesen, in der Schimko von Glanz und Elend seiner Branche, der Mikroelektronik in der DDR, berichtet.

    Richard Schimkos wunderbare Miniaturen kann man nun im Stillen lesend genießen, aber die Texte eignen sich auch wunderbar für das Vorlesen in geselliger Runde. Wetten, dass sie lebhafte Gespräche nach sich ziehen? Jeder und jede, der oder die ein Stück Leben im Osten verbrachte, wird sich wiederfinden. Sie und alle anderen werden Zeile für Zeile lernen.

    Das Buch

    Autor: Richard Schimko, geb. 1945
    Titel: „Ich bin Physiker und Kleinkapitalist. Die Erlebnisse eines Wirtschaftskapitäns aus dem Osten“
    Verlag: soeben erschienen im Verlag Edition Ost, einem Imprint der Eulenspiegel-Verlagsgruppe
    Umfang: 256 Seiten, broschiert, mit Fotos
    Preis: 22 Euro

    #Allemagne #DDR #RDA #histoire #capitalisme

  • Puhdys Songtexte, sortiert nach Album
    https://www.songtextemania.com/puhdys_songtexte.html
    https://www.youtube.com/watch?v=nkU2E_nSeNg

    14.7.2021 Die Puhdys schließen wieder Frieden : Die Band beendet Streit um Songrechte
    https://www.berliner-kurier.de/berlin/die-puhdys-schliessen-wieder-frieden-die-band-beendet-streit-um-song

    Le groupe rock le plus célèbre de la #RDA se reconcilie après une dispute sur lrs droits d’auteur de ses chansons.

    Die Musiker der aufgelösten Rockband Puhdys haben ihren Streit um die Urheberschaft der Songrechte beigelegt, wollen sich aber zu Einzelheiten des Vergleichs nicht äußern, um neuen Streit zu vermeiden. Das meldet die dpa am Mittwoch und beruft sich auf ein Anwaltsschreiben. Eine wahrhaft nebulöse Nachricht über das Ende des drei Jahre währenden Streits. Sie erzwingt Recherchen.

    Die kurze Antwort: Die Hits schrieb Dieter Birr und nicht die Puhdys-Combo. Die Gema wird die Autorenschaft der meisten strittigen 200 Titel umregistrieren. Und ausführlich: Die Einzelheiten sind komplizierter.

    Wir fragen als Erstes bei Dieter Birr nach, der 2019 in einem Interview mit dem Berliner KURIER begründet hatte, warum er nach fast 50 gemeinsamen Jahren plötzlich erklärte, die Kompositionsrechte stünden ihm allein zu. Der seine Kollegen sogar verklagte, als sie nicht freiwillig verzichteten. Immerhin reagierten auch Fans mit Unverständnis.

    Dieter Birr erklärt am Mittwoch am Telefon, dass er gern Auskunft geben würde, aber seine Kollegen bestünden auf Verschwiegenheit. Daher keine Einzelheiten, nur so viel: „Ich bin mit dem Ergebnis des Vergleichs mehr als zufrieden und auch froh, dass wir keine Gerichte bemühen mussten.“

    Verständlich, denn nach Informationen des Berliner KURIER regelt der Vertrag, dass die meisten der strittigen Kompositionen von der Gema umregistriert werden müssen, darunter so bekannte Songs wie „Alt wie ein Baum“. Das heißt, für mehr als 100 Titel, die den frühen Puhdys als Gruppe oder dem Duo Birr/Meyer zugeordnet waren, wird Dieter Birr nun als alleiniger Komponist ausgewiesen. Rückwirkend erhebt er keine Ansprüche.

    Dieter Birr, Sänger, Gitarrist, Komponist, Texter

    Dieter Birr, Sänger, Gitarrist, Komponist, TexterImago/Karina Hessland

    Zum Kompromiss gehört dem Vernehmen nach, dass Birr in etlichen Fällen trotzdem auf die Hälfte der Gema-Erlöse verzichtet, während sich die Kollegen die andere Hälfte teilen. Der Anspruch gilt auf Lebenszeit der Musiker. 1979 übernahm Klaus Scharfschwerdt die Drums, 1997 ersetzte Peter Rasym den Bassisten. Rasym ist nicht an Tantiemen der Puhdys beteiligt.

    Das klingt komplex, ist aber eindeutig und beendet den Streit für immer. Der Vergleich wurde von Anwälten ausgehandelt, zugestimmt haben neben Dieter Birr auch Peter Meyer, Dieter Hertrampf, Klaus Scharfschwerdt, Gunther Wosylus und die Witwe von Harry Jeske, Erma Juros Jeske.
    Dieter Birr fühlte sich 2018 von seinen Kollegen verraten

    Der Streit hat den Blick auf die Bandgeschichte von 1969 bis 2016 verändert, gerade weil die Puhdys stets als gute Kumpel galten, die alles einvernehmlich regeln. Niemals, sagte Dieter Birr 2019, sei ihm früher auch nur der Gedanke gekommen, seine Kompositionsrechte zurückzufordern. Die habe er stets bewusst und gern mit den Kollegen geteilt, als seinen Beitrag zum gemeinsamen Erfolg.

    Doch 2018 erhob er plötzlich seinen durchaus bizarren nachträglichen Anspruch auf frühe Rechte, denn er fühlte sich verraten. Der Bruch passierte in dem Augenblick, als sich die Band zu einer Platte ohne neuen Titel von ihm entschloss: „Heilige Nächte“, 2013. Man muss das als Aufstand gegen „Maschine“ verstehen, den musikalischen Kopf der Band, Liebling der Medien, der sich fraglos auch stets als Macher, Treiber und Bestimmer aufführte.

    Hat er dabei vielleicht Ideen der anderen unterdrückt? Oder waren einige Kollegen schon so desinteressiert an gemeinsamen Titeln, dass sie für neue Alben nicht mal ihre Instrumente selbst einspielten? In jedem Fall hätten sie jetzt die Chance gehabt, es allen zu zeigen – mit einem Puhdys-Album ohne Maschine, stattdessen mit Titeln von Meyer, Hertrampf, Scharfschwerdt.

    Aber die Musiker steuerten ohne Birr überhaupt nichts bei: Kompositionen, Arrangements, Texte – alles eingekauft, nichts darauf hatte noch mit den Puhdys zu tun. „Heilige Nächte“, das letzte Album der Puhdys, wurde das am schlechtesten verkaufte in der Geschichte der Band.
    Dieter „Maschine“ Birr wollte Anerkennung für seine Kreativität – als Urheber, als Komponist

    Nach diesem Affront fiel Dieter „Maschine“ Birr über Wochen in Schockstarre. Wollte dann eine Aussprache, die mit Schweigen endete. Er hatte jahrzehntelang die Titel beigesteuert, seinen Kollegen Hunderttausende Euro an Tantiemen überlassen. Jetzt war er verletzt. „Ich war fertig mit der Welt, stand völlig allein da“, erzählte er erstmals sechs Jahre später.

    Das Ende der erfolgreichsten DDR-Rockband, die vielleicht nicht zu den Kritikerlieblingen gehörte, aber auf jeden Fall zum Klangbild des Ostens, es war damit besiegelt. Jetzt wollte er klarstellen, wer die Titel komponiert hatte. Die Kollegen wehrten sich, erklärten, es hätten „immer alle mitgewirkt“ an der Entstehung der Songs.

    Sicher – als Musiker, als Manager, aber das Urheberrecht schützt eben nur Kompositionen, allein dafür zahlt die Gema Tantiemen. Dort verwendet man für die Credits gewöhnlich viel Sorgfalt, denn es geht um Ruhm und Geld. Und selten ist jemand so töricht, darauf zu verzichten, weil er Kollektivgedanken pflegt.

    Dieter Birrs Anwalt Paul W. Hertin sagte am Mittwoch auf Nachfrage: „Um Geld ging es meinem Mandanten offenbar nie, wie ich im Lauf des Prozesses feststellte. Er wollte Anerkennung für seine Kreativität – als Urheber, als Komponist.“
    Ein Puhdys-Musiker meldete Insolvenz an

    Die Puhdys sind keineswegs gleichermaßen wohlhabend. Ein früheres Bandmitglied hat nach einer Insolvenz offenbar empfindliche Geldsorgen, Dieter Birr dagegen, der Soloplatten rausbrachte und viel für andere schreibt, wird auf ein Millionenvermögen geschätzt.

    Auf die strittigen Puhdys-Tantiemen von vielleicht 25.000 Euro im Jahr ist er nicht angewiesen, rückwirkend hat er nie etwas verlangt. Ihm geht es vor allem um die Verwertung der Titel, darüber kann er nun endlich allein entscheiden. Seine Kollegen wussten immer genau, von wem die Songs stammen. Sie hätten sich lautlos einigen können.

    Die Forderungen wurden indes der Boulevardpresse gesteckt. Die Schlagzeilen unterstellten Dieter Birr dann Abzocke, Gier und 120.000-Euro-Forderungen. Diesen Vergleich hat nun einer gewonnen, und alle konnten ihr Gesicht wahren. Aber große Reunion-Konzerte wird es eher nicht geben.

    #DDR #musique #rock

  • Berliner Gericht zwingt Schule in Pankow zu Klassen mit 36 Kindern
    https://www.berliner-zeitung.de/news/berliner-gericht-zwingt-schule-in-pankow-zu-klassen-mit-36-kindern-

    Scandale, des classes de 40 élèves au lycée Horst Wessel, si seulement le _Führer était au courant ! Voici á ce que ressemblent les lamentations des parents d’élèves des petites classes du _Heinrich-Schliemann-Gymnasium l’ancien lycée d’élite nazi Horst Wessel Gymnasium à Berlin Prenzlauer Berg.

    Comment est qu’on est arrivé à ce scandale ?

    La ville de Berlin propose un grand nombre de lycées qui mènent au baccalauréat « Abitur » - pour les enfants de tout le monde. Alors tout le monde est servi, mais il y a des parents réactionnaires ou simplement conscients des mécanismes de la sélection sociale qui n’acceptent pas qu’on case leurs petits génies avec les rejetons de la racaille.

    Pour eux la droite berlinoise maintient le « Gymnasium », les écoles d’élite traditionnelles de préférence avec latin comme première langue étrangère, cours de grèc et enseignants exigeants. On n’y redouble qu’une fois, après c’est fini. Bien sûr les places pour enfants durs et travailleurs sont limitées.

    On vit dans un état de droit, alors les parents qui peuvent se le permettre paient des avocats pour forcer les Gymansien recherchés à accepter quand même leurs gamins quand ils échouent aux critères de sélection. C’est une histoire qui marche, les niars moins doués à l’école malgré des parents aisés sont acceptés et les petites classes se remplissent d’un surplus en matière grise enfantine alors qu’on n’y a pas prévu assez de chaises.

    Mais qu’ils arrêtent de pleurnicher, un gamin qu’on fait exprès d’exposer á la pire forme de pédagogie scolaire d’Allemagne afin qu’il se démarque et prouve son appartenance á la classe dirigeante, un tel enfant survivra bien à quelques camarades de classe supplémentaires.

    Le « Gymnasium » est une forme d’école ecxlusive qu’on aurait dû abolir après 1945. En #RDA c’était fait mais après la contre-révolution de 1990 on a rendu sa qualité de Gymnasium à l’école qui a donc retrouvé sa fonction d’exclusion sociale et de formation de l’élite pour le régime en place. On a fait un grand pas en arrière lorsqu’on a rendu au Heinrich- Schliemann-Schule la fonction de l’époque quand elle portait fièrement le nom de Horst Wessel.

    Nous vivons un moment difficile et les budgets doivent d’abord permettte de petites classes pour les enfants dont les parents n’ont que vaguement entendu parler du « Gymnasium ». Si on prenait au sérieux la mission des écoles on fermerait les « Gymnasium » et les écoles privées avec afin d’obliger les parents de classe aisée à contribuer à la vie d’école là où en profiteraient les enfants de tout le monde.

    6.9.2025 von Eva Maria Braungart - Kurz vor Schulstart trifft ein Gericht eine Entscheidung: Eine Schule in Pankow muss trotz gegenteiliger Empfehlungen Klassen mit 36 Schülern zulassen. Es hagelt Kritik.

    Das Berliner Verwaltungsgericht hat am Freitag das Pankower Schulamt mit einem Gerichtsurteil angewiesen, siebte Klassen mit bis zu 36 Kindern aufzumachen. Die Entscheidung wurde kurz vor dem Schulstart nach den Sommerferien am kommenden Mondtag getroffen. Dies sorgt für Empörung beim Bezirkselternausschuss. Auf Facebook teilten die Eltern mit: „Das gestrige Urteil des Verwaltungsgerichts mag juristisch korrekt sein – pädagogisch ist es ein Skandal“.

    Informationen des Tagesspiegels zufolge handelt es sich bei der betroffenen Schule um das Heinrich-Schliemann-Gymnasium in Prenzlauer Berg. Offenbar war diese in diesem Sommer besonders nachgefragt.

    Diese Entscheidung des Gerichtsurteils wird von den Eltern scharf kritisert. „Seit Jahren gilt in Berlin die Empfehlung, Klassengrößen auf einem Maß zu halten, das individuelles Lernen, Inklusion und eine gute Begleitung beim Übergang an die Oberschule überhaupt ermöglicht. 36 Kinder in einem Raum widersprechen diesem Anspruch fundamental“, heißt es in dem Facebook-Beitrag weiter.

    Die Eltern fordern vom Bezirksamt Pankow als Schulträger und von der Senatsverwaltung für Bildung, Jugend und Familie, wie im Rahmen des Verfahrens mit eigentlich vorgesehenen Höchstgrenzen von 32 Schülern „eine solche Überbelegung möglich werden konnte“.

    Berlins Gerichte müssen laut Tagesspiegel in diesem Jahr deutlich mehr Schulplatzklagen als noch im Vorjahr bewältigen. Allein der Bezirk Pankow berichtet über einen 50-prozentigen Anstieg bei den Eil- und Klageverfahren. Pankow hat mit Abstand die meisten Schüler. Insgesamt fehlen rechnerisch 25.000 Schulplätze.

    #Allemagne #Berlin #Ptenslauer_Berg #école #sélection #exclusion #pédagogie #nazis

  • 1400 Kilometer Eiserner Vorhang: Ein DDR-Grenzer auf der Wanderung seines Lebens
    https://www.berliner-zeitung.de/politik-gesellschaft/1400-kilometer-eiserner-vorhang-ein-ddr-grenzer-auf-der-wanderung-s

    16.6.2025 von Maritta Adam-Tkalec - Warum Günter Polauke mit 76 Jahren das Grüne Band an der Ost-West-Grenze entlangläuft: „Nur gegen Krieg reden, hilft ja nicht.“ Er hat interessante Begleitung.

    Es gibt Menschen, die halten niemals die Füße still oder den Mund geschlossen – weil sie etwas verbessern wollen in ihrer unmittelbaren Umgebung, für das Gemeinwesen, ja, auch für die Menschheit. Andere schrecken vor den damit einhergehenden Konflikten zurück. Zu ersteren gehört Günter Polauke, Jahrgang 1948, Prenzlauer-Berg-Nachkriegskind aus antifaschistischer Familie, der den Vornamen seines im Alter von 21 Jahren in der Normandie gefallenen Onkels bekam: ein unverbesserlicher Optimist mit stabilem Gemüt und jener Art positiver Energie, die leicht auf andere überspringt.

    Seit 11. Juni 2025 trägt er seine 76 Lebensjahre, davon etwa die Hälfte DDR-Zeit, gewissermaßen als zweiten Rucksack das Grüne Band entlang. Diesen freundlichen Namen trägt seit 9. Dezember 1989 die einstige Ost-West-Grenze. 1200 seltene oder gefährdete Tier- und Pflanzenarten leben dort, wo einst kahle Fläche, robuste Metallzäune und Minenfelder einen Todesstreifen bildeten. Heute erstreckt sich ein einzigartiger Natur- und Geschichtsraum, mal 30, mal 200 Meter breit, über exakt 1393 Kilometer. Am Rande liegen Städtchen und Dörfer, deren Einwohner tausendfach unerzählte Lebensgeschichten in sich tragen.

    Als 18-Jähriger mit MP am Todesstreifen

    Diesen Weg will Günter Polauke laufen ­– durch Thüringen, Sachsen-Anhalt, Mecklenburg-Vorpommern, bis zum Ende, 80 Prozent davon Kolonnenweg, also mit Betonlochsteinplatten belegte Strecke, auf der einst DDR-Grenzposten patrouillierten. Polauke gehörte zu ihnen. Von 1967 bis 1970 leistete er Wehrdienst im Grenzabschnitt bei Salzwedel, wurde Feldwebel, auch Ausbilder. Er weiß, worum es geht, wenn von Schüssen auf DDR-Flüchtlinge die Rede ist. Mindestens 260 Tote hat es in den Jahren des Eisernen Vorhangs gegeben. „Ich stand da als 18-Jähriger mit der MP und 60 Schuss Munition“, sagt er heute, „glücklicherweise ist niemand gekommen. Was ich getan hätte, wenn es passiert wäre? Ich weiß es nicht.“

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    Das Grüne Band beginnt am Dreiländereck Sachsen/Bayern/Tschechien und verläuft entlang der ehemaligen Staatsgrenze durch Thüringen, Sachsen-Anhalt und Mecklenburg-Vorpommern.Grafik: BLZ.

    Es treibt ihn um, dass jetzt so viele Menschen über Krieg reden. Eine Waffe zu tragen, bedeute Verantwortung: „Politiker vergessen, in welche Situation sie Soldaten versetzen. Sie entscheiden fernab, die Soldaten verbluten im Graben.“ Deshalb sagt Polauke: „Nun soll wieder kriegstüchtig gemacht werden? Das kann nicht sein.“

    Aber was kann man tun? „Worte allein helfen ja nicht.“ Seine Antwort: „Fang bei dir selber an.“ So kam es, dass er sich nach monatelanger Vorbereitung auf den Weg machte, um als Pilger am Grünen Band sein Leben noch einmal abzugehen. Als Katharsis, oder dialektisch mit Hegels Begriff der „Aufhebung“ gesagt: Überwinden eines Widerspruchs, wobei die positiven, wertvollen Elemente erhalten bleiben und fortgeführt werden und die negativen entfallen. In Günter Polaukes Worten klingt das so: „Das Leben rückwärts zu verfolgen, heißt zu gucken, was man hatte. Ich will mit mir selber ins Reine kommen und mit Leuten am Weg ins Gespräch treten.“

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    Zwischen den in Mödlareuth erhaltenen Sperranlagen, links der Metallzaun, rechts die Betonmauer und ein WachturmSven Goldmann/Berliner Zeitung

    In seinem Fall fällt die Auseinandersetzung intensiver aus, als es allein seine Jahre als Grenzschützer erklären können. Von Beruf Ökonom mit Diplom der Handelshochschule Leipzig, SED-Mitglied, war Polauke 1986 bis 1989 Bürgermeister des Ost-Berliner Bezirks Treptow. Das hieß auch: 17 Kilometer Grenze zu West-Berlin, ein Stück Kreuzberg, ein Stück Neukölln. „Da war ich als politisch Verantwortlicher an der Grenze“, sagt er. Infrage gestellt habe er sie nicht; es sei eine „politische Gegebenheit“ gewesen.

    Als Bürgermeister nahm er regelmäßig an Fahrten in die Grenzzonen teil. Er wusste, was da los war, kannte die Festlegungen, wie bei Grenzdurchbrüchen zu handeln war. Oberstes Gebot: „Schusswaffe nicht anwenden. Flucht im Vorfeld verhindern.“ Trotzdem starb ausgerechnet in seinem Bezirk Chris Gueffroy: der letzte Berliner Mauertote, ein 21-Jähriger, der nach einem Kneipenbesuch in einer Kleingartenanlage beschloss, den Grenzdurchbruch zu wagen. Er kam am Abend des 5. Februar 1989 durch Kugeln von DDR-Grenzsoldaten ums Leben. „Jeder Todesfall war schrecklich und traurig“, sagt Polauke.

    Nach der Wende trat er bald als Bürgermeister zurück; er war von Amts wegen in die gefälschten Kommunalwahlen von 1989 verwickelt: „Ich konnte nicht mehr vor die Volksvertreter treten“, sagt er. Im Februar 1990 fing er ganz unten wieder an: in einer Kaufhalle in Köpenick. Weil er aber nun mal ist, wie er ist, stand er bald wieder in Verantwortung im Ehrenamt, als gewählter Vorsitzender des Sportvereins TSC – und führte 1998 bis 2011 den traditionsreichen Verein aus der Nachwendekrise. Seit 2001 ist Polauke SPD-Mitglied. Mit seiner Biografie ging er immer offen um.

    Wegen der Weltpolitik als Einzelner in die Lage zu kommen, einen Menschen zu töten, das lässt menschliche Gemüter nicht so leicht los. Schon gar nicht einen wie Polauke, den ja Empathie den Menschen zutreibt. Um damit fertig zu werden, die kleine eigene wie die große Geschichte zu bewältigen, begibt er sich zweieinhalb Monate auf Wanderschaft.

    Der größte Teil wird Einsamkeit sein, viele Stunden zum Nachdenken, Rekapitulieren. Inneren Frieden schließen mit Menschen, mit denen man haderte und stritt, aber auch klar Haltung beziehen, zum Beispiel zum jüngsten Krieg in Europa: „Ich bin solidarisch mit den von Russland überfallenen Ukrainern. Aber der Krieg in der Ukraine ist nicht mein Konflikt. Dort wird nicht meine Freiheit verteidigt.“ Er zweifelt: „Haben wir alle Mittel zum Friedenschaffen ausgeschöpft?“

    Deshalb sucht er am Wegesrand das Gespräch; man müsse doch im Austausch bleiben, vor allem mit der Jugend – auch wenn die Meinungen ganz verschieden seien. Er spürt seit längerem: „Die Leute haben wieder Angst.“

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    Rast im thüringischen Hirschberg am Saale-Ufer. Günter Polauke trägt seine „Grenzgänger“-Kappe.Sven Goldmann/Berliner Zeitung

    An den ersten Wandertagen ergeben sich die Gespräche wie von selbst. Ein älterer Herr besucht zusammen mit seiner Frau und einer Freundin noch einmal die Orte, wo er selbst als Grenzer in den 1970er-Jahren Dienst tat. Ein anderer steht am Gartenzaun seines Hauses, und bald stellt sich heraus: Auch er war einst Grenzsoldat. Eine Frau erzählt von 40 Jahren Leben im Sperrgebiet, nicht mal der Bruder aus Jena habe sie besuchen dürfen. Jetzt allerdings, bei offener Grenze, habe ihr Ort keinen Bäcker mehr, keinen Arzt, keinen Bürgermeister.

    Eine alte Dame sucht an der Saalebrücke bei Hirschberg gezielt Kontakt mit Durchwandernden. Sie hat einen Zettel mit einem Gedicht von Heinrich Hoffmann von Fallersleben (1798–1874) dabei; das soll man laut vorlesen: „Ihr wilden Gänse habt es gut, / Ihr ziehet frei und wohlgemut / Von einem Strand zum andern Strand / Durchs ganze liebe deutsche Land.“ Und weiter: „Uns zahmen Menschen geht′s nicht so: / Wir reisten gern auch frei und froh / Ununtersucht und unbekannt / Durchs ganze liebe deutsche Land.“ So war es 1840, und ist es nicht wieder so? Das Trauma der Teilung lebt. Und wird neu belebt.

    Das Ziel: Günter Polauke wird, so alles gutgeht, Ende August wohlbehalten an der Ostsee ankommen.

    Dabei sein: Wer will, kann seinen Weg auf www.guenterpolauke.de oder auf Instagram begleiten und Tagebucheinträge lesen. Wer sich für ein Wegstück anschließen will, kann das tun.

    Hier kann man den Tatsachen nicht ausweichen: Die Leute in den Grenzgebieten traf die Nachkriegsordnung mit aller Härte. Ganze Orte wurden umgesiedelt. Wer blieb, sah „die andere Seite“ nur Meter entfernt. Doch Blickkontakt war untersagt. Das Regime wurde von Jahr zu Jahr strenger. Ein älterer Mann erzählt, was es bedeutete, dass der Gartenzaun zugleich der Grenzzaun war. Flog der Ball der Kinder beim Spiel über den Zaun, also die Grenze, baten sie in den ersten Jahren noch die Posten auf der anderen Seite, den Ball in die Saale zu werfen, sodass sie ihn an der nächsten Brücke einsammeln konnten. Bald war das undenkbar geworden.

    Zwei Tage lang begleiteten zwei Freunde Polaukes Gang, zweimal etwa 20 Kilometer Kolonnenweg durch die ersten heißen Tage des Jahres: Holger Friedrich, der Verleger der Berliner Zeitung, war dabei, weil „diese glaubwürdige Art der biografischen Aufarbeitung unterstützt gehört“.

    Der zweite war Heskel Nathaniel, ein aus Israel stammender Immobilienentwickler, der vor 20 Jahren, als er längst Berliner war, selbst eine große Aktion organisierte, um ein Zeichen zu setzen. Damals erschütterten Terroranschläge Israel. Bei einem Joint mit einem Freund sei die Idee entstanden: „Wir müssen all den schlechten Nachrichten eine gute entgegensetzen.“ Es sollte einen „Berg der israelisch-palästinensischen Freundschaft“ geben.

    Namenlose Berge, deren Erstbesteiger das Recht zur Namensvergabe haben, standen nur noch in der Antarktis. Die Aktion war dann eine Weltnachricht: 2004 segelten vier Palästinenser und vier Israelis, je drei Männer und eine Frau, 1000 Kilometer von Südchile in die Antarktis, wanderten zehn Tage durchs Eis und gaben einem 997 Meter hohen Berg den hoffnungsvollen Namen. Geholfen habe es nicht viel, sagt Heskel Nathaniel, aber was wäre, wenn alles wegen anscheinender Aussichtslosigkeit unterbliebe?

    Die Grenzanlagen: Heute in BUND-Hand

    Er erzählt die Geschichte in Nordhalben, Bayern, knapp südlich des einstigen Eisernen Vorhangs, in einem kleinen Café bei einem Schwedenbecher kurz vor dem Abschied von Günter Polauke, der nun gegen die vermeintliche Alternativlosigkeit der Kriegslogik anwandert: durch in 35 Jahren gewachsene Gehölze, die auf dem einst kahl gehaltenen Grenzstreifen wuchern. Über weite Strecken verläuft parallel zum Kolonnenweg der sogenannte Kfz-Graben, der den Grenzdurchbruch mit Fahrzeugen stoppen sollte. Immer wieder stößt der Wanderer auf Reste des Originalmetallzaunes. Eine mächtige Infrastruktur, um 1400 Kilometer über Berg und Tal dicht zu machen.

    Heute spürt der Bund für Umwelt und Naturschutz (BUND), was es heißt, das Biotop zu bewahren. Noch gibt es keine durchgehende Kennzeichnung des Wanderweges, obwohl die Zahl der Menschen stetig steigt, die zumindest Teilstrecken gehen.

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    Günter Polauke (M.) und Begleiter auf dem Kolonnenweg, links der Grenzstreifen mit Zaun und Kfz-GrabenSven Goldmann/Berliner Zeitung

    In Mödlareuth, wo die kleine Gruppe um Polauke startete, sind die Grenzanlagen in krasser Form erhalten. Schon immer trennte der Tannbach das jahrhundertealte, heute 55 Einwohner zählende Dorf. Seit 1810 verlief entlang des Bachs quer durch Mödlareuth die Grenze zwischen dem Königreich Bayern und dem Fürstentum Reussen-Lobenstein. Das störte nie, die Nachbarn feierten gemeinsam, gingen in eine Schule – bis die Spaltung Europas auch Deutschland trennte. Und ihr Dorf zerriss.

    1952 entstand eine übermannsgroße Bretterwand quer durchs Dorf, 1966 eine 700 Meter lange Betonsperrmauer mit Wachtürmen und all den Grenzanlagen, wie sie auch West-Berlin umschlossen. Amerikanische Militärs nannten Mödlareuth „Little Berlin“. Am 9. Dezember 1989 öffnete ein Bagger einen direkten Übergang. Die wichtigsten Grenzanlagen sind erhalten und heute Teil des Deutsch-Deutschen Museums Mödlareuth.

    Günter Polauke hat sich gefreut, dass man ihm dort freundlich begegnete, obwohl er von der „Täterseite“ kommt und unumwunden einräumt: „Ich bin kein Opfer.“ Doch er ist froh, dass die Grenze Vergangenheit ist: „Gut, dass wir heute darüber reden können.“

    #Allemagne #histoire #DDR #RDA #BRD #guerre_froide

  • Weil ein DDR-Stempel fehlt : Rentnerin aus Marzahn verliert nach 50 Jahren ihr Zuhause
    https://www.berliner-zeitung.de/mensch-metropole/zwangsversteigerung-li.2315820

    Les nantis continuont leur campagne contre la propriété des citoyens de l’état socialiste allemand. A cause d’un vice de procédure en #RDA pendants l’achat de sa maison il.y a cinquante ans une vendeuse à la retraite perd sa maison qui sera mise aux enchères au profit des descendants des proproétaires du terrain à l’époque nazie.

    14.4.2025 von Carola Tunk - Das Grundstück der Marzahnerin Kornelia Rienecker wird zwangsversteigert. Der Grund klingt absurd und hat mit einem fehlenden Stempel aus DDR-Zeiten zu tun.

    Um den Papierkram hat sich immer ihr Mann gekümmert. Und genau das wird Kornelia Rienecker aus Berlin-Marzahn nun zum Verhängnis, denn das Grundstück, auf dem ihr Häuschen steht, wird zwangsversteigert. Nun liegen ihre Nerven blank. Und all das nur, weil ein kleiner Stempel aus DDR-Zeiten unter einem Dokument fehlt, um das sich ihr verstorbener Mann nicht richtig gekümmert hat.

    Kornelia Rienecker hebt ihre Dokumente stets in Klarsichtfolien auf – und legt sie dann in den Schrank. Abheften ist ihre Sache eher nicht. Sie ist gelernte Verkäuferin, hat später aber in der Altenpflege gearbeitet. Ihr Mann war Koch. Ganz normale Leute, keine Papiertiger.

    Den Kaufvertrag für ihr Haus aus dem Jahr 1974 hat Kornelia Rienecker noch, genauso wie die dafür nötige Verzichtserklärung der Tochter des Vorbesitzers. Allerdings fehlt auf dem Dokument der Stempel eines Notars. Sie sagt, erst habe sich ihr Mann zwar noch um den Stempel bemüht, doch als es nicht sofort klappte, habe er es gut sein lassen.

    Bürokratie hat keine so große Rolle gespielt

    Sich in der DDR polizeilich umzumelden, sei kein Problem gewesen. „Wir sind zur Polizei, haben uns angemeldet.“ Damit war die Sache für sie erledigt. All das Bürokratische hat damals keine so große Rolle gespielt. Sie habe trotzdem über die Jahre hinweg immer Grundsteuer gezahlt.

    Nach dem Ende der DDR habe sie dann zu ihrem Mann gesagt: „Pass mal auf, wir müssen jetzt was tun, wir müssen ja unsere Tochter irgendwie absichern.“ Doch mit diesem Entschluss nahm das Unglück seinen Lauf. Sie hat sich bei den Behörden gemeldet. Die Idee war, dass die Tochter ins Grundbuch eintragen wird. Da wurde klar: Es gab gar keinen Grundbucheintrag auf ihre Familie. Anschließend suchten die Gerichte nach den Erben der Vorbesitzer – sie wurden gefunden. Am Ende verlangten die Erben viel Geld für das Grundstück. Eine erste Zwangsversteigerung 2023 scheiterte, weil zu wenig Geld geboten wurde – die Erben wollen mehr. Ein Nachkomme verlange gar eine Million Euro. Für Kornelia Rienecker unvorstellbar.

    Die 70-Jährige scheint sich nun für ihr früheres Ich zu schämen, dafür, dass sie sich nicht um die Buchhaltung gekümmert hat: „Wenn da ein Älterer ist, der dir alles aus der Hand nimmt, wie willst du das denn lernen?“ Es bricht aus ihr heraus: Sie sei erst richtig selbstständig geworden, als ihr Mann vor ein paar Jahren schwer erkrankt sei. Die Tränen laufen über ihr Gesicht. „Ich kann nicht mehr.“

    Anfangs sei sie noch sauer auf ihren Mann gewesen, inzwischen nicht mehr. Das sei alles so „larifari“ gewesen. „Aber so war er auch, so war sein Charakter“, sagt die Frau. Der Mann ist seit acht Jahren tot, ihre Tochter seit zwei. Doch es gibt kein Zurück. Nun sucht sie eine Wohnung, denn aus ihrem Häuschen, in dem sie seit einem halben Jahrhundert lebt, muss sie raus. Am 12. Mai soll die zweite Zwangsversteigerung stattfinden.

    Der Wunsch der Enkeltochter

    „Ich werde jetzt Uroma im Juli, und meine Enkeltochter hat schon gesagt: Ach Oma, es wäre so schön, wenn das Baby hier auch groß werden könnte, so wie ich“, sagt Kornelia Rienecker, doch Hoffnung hat sie kaum.

    Garten und Haus sind liebevoll dekoriert, an den Wänden hängen Bilder von Rieneckers Liebsten, auf den Möbeln stehen Porzellanhäschen und Eierlikör-Naschereien bereit. Draußen befindet sich ein Swimmingpool, der nicht mehr genutzt wird. Auf dem etwa 1300 Quadratmeter großen Grundstück verkaufte das Ehepaar früher außerdem frisch gezapftes Bier und heiße Bockwurst an die Nachbarschaft.

    Die Anwaltskosten, die sie bereits hat zahlen müssen, gehen in die Tausende. Heute sagt Kornelia Rienecker, das Geld hätte sie lieber für Reisen ausgegeben sollen. Sie habe nun einen neuen Lebenskameraden, eine Stütze. Doch auch sie selbst hat aus der Situation gelernt: „Ich bin jetzt ein bisschen genauer mit den Sachen.“

    #DDR #contre-révolution #capitalisme

  • Berlin : Erinnerungen an das Haus des Reisens und einen für die DDR unverzichtbaren Begriff
    https://www.berliner-zeitung.de/open-source/berlin-erinnerungen-an-das-haus-des-reisens-und-einen-fuer-die-ddr-

    Das Haus des Reisens im Jahr 1973 H. Blunck/imago

    Dans cet article remarquable un traducteur et interprète raconte son expériene avec le régime de voyages restreints en #RDA. Les trotzkystes qualifièrent de « bureaucratique » l’état soviétique après 1927 et le bureaucratisme fut bien une caractéristique de l’état socialiste allemand. L’article confirme l’observation que les citoyens soumis à cette forme particulière d’état de droit eurent l’habitude de ne trop le prendre au sérieux et d’organiser leur vie et leurs besoins comme bien il leur sembla.

    27.12.2024 von Vincent von Wroblewsky - In der DDR war das Wort „Vorgang“ allgegenwärtig und für unseren Autor ein Rätsel. Auch im Zusammenhang mit seiner Stasiakte taucht es auf.

    Dafür gibt es keinen Vorgang.“ Diese knappe und endgültige, unwiderrufliche Auskunft bekam ich Anfang der Achtzigerjahre in der visavergebenden Reisestelle am Alexanderplatz. Sie hatte ihre Büros in einem der neuen Hochhäuser mit dem vielversprechenden Namen „Haus des Reisens“. Wie es sich zeigte, hätte es sich besser „Haus der Reiseverhinderung“ nennen sollen.

    Was hieß in diesem Fall „Vorgang“? Ich stand hilflos vor diesem Wort. Eine neue Herausforderung der Sprache, die mir nach meiner Ankunft aus Paris in Ost-Berlin, etwa dreißig Jahre früher, immer noch Rätsel aufgab, obwohl ich als Übersetzer und Dolmetscher einen guten Ruf genoss. Ließ sich das geheimnisvolle Wort ins Französische übersetzen? Nur sehr annähernd. Eines war klar: Mein „Anliegen“ – auch so ein Begriff aus der gleichen Bürokratenfamilie – war abgelehnt, bevor ich es überhaupt begründen konnte.
    Der schöne Plan scheitert

    Was wollte ich? Ich wollte ein Visum für meine zehnjährige Tochter, das ihr ermöglichen sollte, nach Frankreich zu fahren. Mein Freund Jean-Philipp kannte Sarah seit ihrer Geburt. „Seit ihrer Geburt“ ist nicht so dahingesagt. Er besuchte mich gerade, als sie zur Welt kam. Zu meiner ersten Begegnung mit der Neugeborenen begleitete er mich ins Krankenhaus Friedrichshain. Ich gab ihn als nahen Verwandten aus.

    Da er als begabter Germanist akzentfrei Deutsch sprach, wurde die Lüge akzeptiert, er durfte mit mir gemeinsam die neue Weltbürgerin begrüßen. Er hatte es sich genau vorgestellt. Ich würde Sarah zum Flugzeug bringen, er würde sie in Paris in Empfang nehmen, sie könnte die Ferien mit seiner Familie, vor allem mit seiner Tochter verbringen. Das würde sie unter anderem mit der französischen Sprache vertraut machen.

    Dieser schöne Plan scheiterte nun daran, dass es dafür keinen Vorgang gab. Warum hätte es ihn auch geben sollen? Es gab kaum Erwachsene in der DDR, die privat nach Frankreich reisen konnten, jedenfalls seit dem 13. August 1961, als die „Grenzsicherung“, weniger realistisch von den Herrschenden als „antifaschistischer Schutzwall“ bezeichnet, dafür sorgte, dass das „Staatsvolk“ dieser um das Wohl ihre Bürger so sehr besorgten Regierung („unsere Menschen“) nicht den Gefahren des Westens ausgesetzt wurden. Vor dem Mauerbau konnte man auch als Ostdeutscher von West-Berlin aus mit einem westdeutschen Pass in die weite Welt entfliehen, vorausgesetzt, man hatte das notwendige konvertible Kleingeld und scheute nicht die Transgression der DDR-Gesetze.

    Später, viel später, als die letzten Spuren der Mauer zur Touristenattraktion geworden waren, machte ich die Erfahrung, dass nicht nur der nicht vorhandene Vorgang ein Hindernis sein konnte. Ich bereitete mich darauf vor, in Berlin nach Paris einzuchecken, nun ohne Visum, einfach nur mit dem Ausweis, der mich als Bürger des Schengenraums auswies, als eine Mutter mit einem etwa zehnjährigen Mädchen auf mich zukam und mich fragte, ob ich bereit wäre, ihre Tochter bis Paris zu begleiten, wo sie erwartet würde. Ohne erwachsene Begleitung würde man sie nicht einsteigen und fliegen lassen, doch in der Obhut ihres Onkels, als der ich mich ausgeben könnte, könnten ihre Freunde in Paris sie in Empfang nehmen.

    Ich dachte an den Jahre zurückliegenden fehlenden Vorgang und sagte zu. Doch beim Einchecken war die Beamtin misstrauisch, das Mädchen kannte den Namen ihres Onkels nicht und auch ich konnte keine überzeugende Auskunft über sie geben. Die Bemühungen der Mutter und auch meine, die Beamtin umzustimmen, blieben vergeblich. So scheiterte der Plan der Mutter, die entsetzt und verzweifelt an die vergeblich wartenden Freunde in Paris dachte und zugleich versuchte, die schluchzende Tochter zu trösten.

    Maschinen der Interflug auf dem Flughafen Berlin-Schönefeld Frank Sorge/imago

    Der Vorgang stellte sich als etwas komplizierter dar als vorgestellt und ich bedauerte die ebenso schnelle wie schlechte Vorbereitung, fühlte mich an der Enttäuschung von Mutter und Tochter mitschuldig.

    Mit dem Pass eines Landes, das es nicht mehr gibt

    Im Frühjahr 1990 war es dagegen einfach, mit meiner Tochter als ihr echter Vater nach Paris zu fliegen. Dafür war nunmehr kein Vorgang mehr nötig. Wir feierten in Ivry bei Paris ihren 14. Geburtstag in der Wohnung von Antoine Spire und seiner Frau Colette. Ich hatte für ihn gedolmetscht, als er für den Radiosender France Culture in der Hauptstadt der DDR bekannte Persönlichkeiten wie Christa Wolf interviewte. Der Geburtstag war für Antoine der Anlass, bei Berthillon Eis zu kaufen. Es erfreute sich des Rufs, das beste von Paris zu sein.

    Ein halbes Jahr später flog ich von Berlin nach Washington. Dort erwartete mich ein zehnmonatiger Forschungsaufenthalt im Woodrow Wilson International Center for Scolars. Auf Anregung ihrer Mutter begleitete mich Sarah. In Washington schlug sie das Angebot der deutschen Schule aus, die arme Verwandte aus dem Osten unentgeltlich aufzunehmen, sie entschied sich für eine normale amerikanische Schule. Auf diese Weise eignete sie sich eine gute Grundlage der englischen Sprache in ihrer amerikanischen Variante an. Und konnte neben Gitarre auch noch Französisch als Fach wählen.

    Für die Reise in die USA war kein Vorgang nötig. Aus- und Einreisevisum wurden in unseren blauen DDR-Pass gestempelt, und im Frühjahr 1991 flogen wir nach Berlin zurück, mit dem Pass eines Landes, das es nicht mehr gab. Langsam gewöhnte ich mich an das Leben in dem Land, das an die Stelle des verschwundenen getreten war.

    Die Umwelt und vor allem die Menschen waren nicht mehr die, die ich ein Jahr zuvor verlassen hatte. Nicht nur die Zukunft, auch die Vergangenheit waren nicht mehr die, die sie gewesen war. Das wurde mir besonders bewusst, als ich einen Einblick in meine Stasiakten nehmen konnte. In den 400 Seiten stieß ich erneut auf einen Vorgang. Einen operativen.

    Im Unterschied zu dem Vorgang, den es zu Beginn der Achtzigerjahre im Haus des Reisens nicht gab, fand ich im Internet Auskunft über diesen. Ich lese: „Der Operative Vorgang (OV) war ein Maßnahmenkatalog des Ministeriums für Staatssicherheit (MfS) der DDR für geheimdienstliche Ermittlungen und Aktivitäten gegen missliebige oder verdächtige Personen oder Personengruppen.“ Ja, das trifft zu. Man sah in mir eine missliebige und verdächtige Person. Am 13. Dezember 1963 wird aus einem Vorlauf ein Vorgang, und zwar „operativ“.

    Studenten in der DDR, 1964 imago

    Für diesen Operativ-Vorgang gibt es einen Decknamen: „Schlange“. Als Mitarbeiter ist der Leutnant Sperling ausgewiesen. Und natürlich ist der IM Tiger dabei, mein ehemaliger Kommilitone und angeblicher Freund, womit das Bestiarium sich vervollständigt.

    „Gründe für das Anlegen“ sind folgende: „Der von WROBLEWSKI, Vincent scharrt eine Gruppe von negativ eingestellten Personen um sich, die sich regelmäßig in verschiedenen Wohnungen zu sogenannten Diskussionsparties zusammenfinden. Diese Zusammenkünfte tragen organisierten Charakter. Bei diesen Zusammenkünften wird von den Teilnehmern gegen die Maßnahmen von Partei und Regierung gehetzt. An diesen Zusammenkünften nehmen auch Westberliner teil.“

    Was ich für normal und selbstverständlich hielt, dass sich junge Leute, zumal Studenten, treffen, um miteinander über Themen zu sprechen, die sie interessieren, politische, philosophische, künstlerische, um sich auszutauschen, sich gegenseitig ihre Erfahrungen, Hoffnungen, Sorgen mitzuteilen, auch gemeinsam zu essen, zu trinken, zu flirten, sich zu lieben, das wurde hier wiedergegeben als „eine Gruppe von negativ eingestellten Personen“, um gegen die „Maßnahmen von Partei und Regierung“ zu hetzen.

    Ich war noch mal davongekommen

    „Negativ eingestellt“ scheint das Stasisynonym für kritisches Denken zu sein. Es war dafür gesorgt, dass alle Beweise „erarbeitet“ werden konnten, um diese negativen Individuen zu überführen und ihrer Hetze gegen Partei und Regierung einen Riegel vorzuschieben, anders gesagt, sie hinter Schloss und Riegel zu bringen: „Durch das Vorhandensein von 4 GI’s welche dieser Gruppe angehören, besteht die Möglichkeit, den Charakter und damit diesen Personenkreis von innen heraus aufzuklären und op. zu bearbeiten, um dadurch in kürzester Zeit über die Konzeption dieser Gruppierung Klarheit zu gewinnen. Unterzeichnet Clasen Major, Ullrich Major, Brachlow Leutnant.“

    Letztlich reichten die Beweise nicht aus, nach vier Jahren Berichte fleißiger, umsichtiger informeller Mitarbeiter, Einsatz von moderner Überwachungstechnik, intensiven Abhörens meines Telefons, Kontrolle meiner Post, wanderte der operative Vorgang ins Archiv. Ich war noch einmal davongekommen.

    Ein Riesenaufwand für nichts, Hunderte, wenn nicht Tausende vergeudete Arbeitsstunden und viel Geld verschleudert. Doch will ich gerecht sein und nicht alles schlechtreden. Diese Arbeitsbeschaffungsmaßnahme trug zu einer der größten Errungenschaften der DDR bei – es gab keine Arbeitslosigkeit. Das zu leugnen, wäre schiere Undankbarkeit.

    spannende Lektüre

    Dennoch trauere ich den im Strom des Vergessens versunkenen Vorgängen, jenen, die es nicht gab, ebenso wie den operativen, nicht nach. Für meine Enkelin Frida, die unbeschwert die günstigen Fahrmöglichkeiten für Jugendliche nutzt und sich mit Selbstverständlichkeit in Europa und sogar darüber hinaus heimisch fühlt, ist der „Vorgang“ ein Fremdwort, ein Unwort, und ein Vorgang, den es nicht gibt, nicht vorstellbar, aber auch nicht etwas, das sie vermisst. Und es mag so bleiben, solange sie nicht eine Verwaltungskarriere anstrebt. Andernfalls würde ich ihr eine gewiss spannende Lektüre empfehlen, aus der sie über den geheimnisvollen Vorgang mehr erfahren würde, als mir je zugänglich war.

    Im Jahr 2018 erschien in zweiter Auflage das grundlegende Werk „Akte, Vorgang und Vermerk“ – ein kurzer Leitfaden zur Vorgangsbearbeitung und Schriftgutverwaltung. Darin findet sich eine Erklärung, gar eine Definition für diesen offensichtlich nicht nur in der DDR unverzichtbaren Begriff: „Ein Vorgang ist eine Sammlung von einzelnen, zusammengehörenden Dokumenten aus der Bearbeitung eines Geschäftsvorfalls. Er ist damit Teil einer Akte …“ Meine Stasiakte hat es mir bestätigt, auch wenn fragwürdig bleibt, um welches Geschäft es sich handelte.

    Vincent von Wroblewsky lebt in Berlin und Paris. Er ist Philosoph, Autor, Übersetzer und Dolmetscher. 2023 erschien im Merlin Verlag seine Autobiografie „Vermutlich Deutscher“.

    #Allemagne #histoire #DDR #tourisme #Stasi

  • Kündigung eines DDR-Altmietvertrags wegen Eigenbedarfs ist möglich
    https://www.berliner-zeitung.de/mensch-metropole/kuendigung-eines-ddr-altmietvertrags-wegen-eigenbedarfs-ist-moeglic

    Voici une épisode tardif de l’histoire de désappropriation du peuple après la dissolution de l’état socialiste allemand. La plus haute cour de justice allemande en dessous du tribunal constitutionnel décide que l’acheteur d’un appartement peut mettre à la porte son locataire même si celui a un contrat de location qui l’exclut à cause du contexte juridique en vigeur au moment de sa signature.

    Jusque hier le droit socialiste sur la location d’appartements définissait les droits des locataires qui habitent un appartement depuis le temps de la RDA. Le Bundesgerichtshof vient de renverser cette règle malgé le principe que les nouvelles lois ne s’appliquent en général que pour les nouveau contrats.

    En RDA les expulsioms n’étaient possibles que pour des raisons justifiées par l’intérêt de la société comme la construction d’une voie ferroviaire. Le droit au.logement étant inscrit dans la constitution il fallait en plus reloger les personned expulsées. Ils étaient donc prioritaires pour l’attribution d’un appartement moderne peu cher.

    Là un tribunal capitaliste vient de juger plus important le droit à la propriété privée que le droit au logement qui cesse alors d’exister par cette décision.

    16.12.2024 - Der Bundesgerichtshof entscheidet zugunsten des Vermieters, der Eigenbedarf angemeldet hatte.

    Der Bundesgerichtshof (BGH) hat eine richtungsweisende Entscheidung hinsichtlich DDR-Altmietverträge und Eigenbedarfskündigungen bekannt gegeben. Der Vermieter kann gegen den Mieter kündigen, wenn der Bedarf gemäß Bürgerlichem Gesetzbuch nachgewiesen wird.

    Am 13. November 2024 urteilte der VIII. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs zur Kündigung eines DDR-Altmietvertrags aufgrund von Eigenbedarf. Das teilte der BGH am Montag in einer Pressemitteilung mit. Die Entscheidung war nötig, da ein Streitfall zu einem Mietvertrag aus Ost-Berlin vorlag, der unter den Regeln des Zivilgesetzbuchs der Deutschen Demokratischen Republik (ZGB-DDR) geschlossen wurde.

    Der Sachverhalt stellt sich wie folgt dar: Die Beklagten bewohnten seit Juli 1990 eine Dreizimmerwohnung in Ost-Berlin, basierend auf einem Formularmietvertrag mit dem Volkseigenen Betrieb (VEB) Kommunale Wohnungsverwaltung Prenzlauer Berg. Der Vertrag, auf unbestimmte Zeit geschlossen, folgte den damals geltenden Regelungen des ZGB-DDR. Diese sahen vor, dass eine Beendigung der Mietverhältnisse durch Vereinbarung, Kündigung oder gerichtliche Aufhebung möglich sei. Im Jahr 2020 und erneut 2022 erklärte der Kläger, der durch Eigentumserwerb Vermieter geworden war, die Kündigung des Mietverhältnisses wegen Eigenbedarfs.

    Neue Zahlen: Jeder dritte Berliner Haushalt kann sich die Miete nicht leisten

    Erster Ansatzpunkt im Prozess war die Räumungsklage des Vermieters, der auf der Grundlage des Eigenbedarfs kündigte. Das Amtsgericht gab der Klage statt, wohingegen das Landgericht Berlin auf Berufung der Mieter die Klage abwies. Begründet wurde dies durch die Berufung auf die DDR-spezifischen Vorschriften, die eine Eigenbedarfskündigung nur bei gesellschaftlich gerechtfertigten Gründen erlaubten.

    Mit der zugelassenen Revision strebte der Vermieter die Wiederherstellung des Urteils der ersten Instanz an. Der Bundesgerichtshof hob schließlich das Urteil des Landgerichts auf. Jedoch wurde das Verfahren zur weiteren Verhandlung und Entscheidung zurück an das Berufungsgericht verwiesen. Hier soll geprüft werden, ob der klägerische Eigenbedarf tatsächlich besteht. Diese Vorschrift sieht vor, dass ein berechtigtes Interesse des Vermieters vorliegt, wenn die Räume für den eigenen Bedarf oder den seiner Familienangehörigen und Haushaltsmitglieder benötigt werden.

    Die Entscheidung hebt hervor, dass eine Eigenbedarfskündigung nach dem Bürgerlichen Gesetzbuch erfolgen kann, auch wenn der Vertrag ursprünglich dem ZGB-DDR unterlag. Der Gesetzgeber hat dies durch spezielle Schutzvorschriften im Zuge des Beitritts der DDR zur Bundesrepublik modifiziert. Demnach gilt, dass der bundesdeutsche Gesetzgeber abschließend die Kündigungsmöglichkeiten regelt, auch im Kontext von DDR-Altverträgen. Der BGH schreibt in seiner Begründung: „Der (bundesdeutsche) Gesetzgeber hat im Zusammenhang mit dem Wirksamwerden des Beitritts für das Gebiet der DDR die Befugnis des Vermieters zur Beendigung eines bestehenden Wohnraummietvertrags gegen den Willen des Mieters durch die spezielle gesetzliche Vorschrift in Art. 232 § 2 EGBGB und die darin angeordnete Geltung der (mietrechtlichen) Vorschriften des Bürgerlichen Gesetzbuchs – für eine Übergangszeit modifiziert durch besondere, auf einer umfassenden Abwägung der Interessen von Vermieter und Mieter beruhende Schutzvorschriften – vollständig und abschließend geregelt. Mit dieser Regelungssystematik sowie mit dem sich aus den Gesetzesmaterialien ergebenden Sinn und Zweck der gesetzlichen (Übergangs-) Bestimmungen wäre es nicht vereinbar, wäre gleich- oder sogar vorrangig zu diesen eine aus der Zeit vor dem Beitritt stammende, in einem DDR-Altmietvertrag enthaltene Regelung der Parteien zur Beendigungsbefugnis des Vermieters maßgeblich, welche – wie im Streitfall – demgegenüber auf die frühere Rechtslage abstellt.“

    Die vom Berufungsgericht genutzte Argumentation, die vom Vermieter angeführte Gründe nicht als „dringend“ im gesellschaftlichen Sinne zu bewerten, wurde somit verworfen. Dies macht deutlich, dass der geltende rechtliche Rahmen den Vertragsbedingungen von DDR-Mietverträgen übergeordnet ist, insbesondere bei einer Eigenbedarfskündigung.

    Quelle: BGH

    Bei der Erstellung des Artikels wurden KI-Technologien eingesetzt.

    Eine Geschichte sozialer Wohnpolitik
    https://www.jacobin.de/artikel/andrej-holm-deutsche-wohnen-enteignen-vergesellschaftung-verstaatlichung-kom

    8.3.2021 Von Andrej Holm
    Mit dem in der Verfassung verankerten Recht auf Wohnen und einer restriktiven Mietbegrenzung war die DDR von sozial sicheren Wohnverhältnissen geprägt. Räumungen waren nur bei Zuweisung anderer Wohngelegenheiten möglich und die Mietbelastung lag in den 1980er Jahren bei etwa 5 Prozent der durchschnittlichen Einkommen.

    Recht auf Urlaub, Kita, Wohnung : So sozial war die DDR
    https://www.mdr.de/geschichte/ddr/alltag/familie/so-sozial-war-die-ddr-102.html

    Recht auf Wohnen
    https://de.m.wikipedia.org/wiki/Recht_auf_Wohnen

    In der DDR war das Recht auf Wohnen in der Verfassung vom 6. April 1968 verankert.

    Verfassung der Deutschen Demokratischen Republik vom 6. April 1968 (in der Fassung vom 7. Oktober 1974)
    http://www.documentarchiv.de/ddr/verfddr.html

    Artikel 37
    1 Jeder Bürger der Deutschen Demokratischen Republik hat das Recht auf Wohnraum für sich und seine Familie entsprechend den volkswirtschaftlichen Möglichkeiten und örtlichen Bedingungen. Der Staat ist verpflichtet, dieses Recht durch die Förderung des Wohnungsbaus, die Werterhaltung vorhanden Wohnraums und die öffentliche Kontrolle über die gerechte Verteilung des Wohnraums zu verwirklichen.
    2 Es besteht Rechtsschutz bei Kündigungen.
    3 Jeder Bürger hat das Recht auf Unverletzbarkeit seiner Wohnung.

    Mietrecht : die Besonderheiten von Altbauwohnungen der ehemaligen DDR
    https://www.mietrechtslexikon.de/a1lexikon2/m1/minderung_ddr.htm

    Gelten Bestimmungen der DDR-Mietverträge noch ?
    https://www.nd-aktuell.de/artikel/818861.gelten-bestimmungen-der-ddr-mietvertraege-noch.html

    Mietvertrag DDR, Neuer Mietvertrag
    https://www.wohnung.net/mietrecht/mietvertrag-ddr-neuer-mietvertrag.html

    #DDR #RDA #droit #logement #justice_de_classe #capitalisme

    • De ce que je comprends, le nouveau propriétaire a acheté le logement en 2020, sachant parfaitement qu’il était occupé et, à ce moment-là, encore dépendant de la loi protégeant les locataires de RDA. Donc il achète un bien dont il sait que ça va être problématique. Pourquoi ?

      Est-ce qu’on peut suspecter qu’il a acheté le logement, justement à cause de cela, très en-dessous du prix du marché ?

      [Sinon, accessoirement, est-ce qu’on sait qui sont les locataires ? Parce que locataire de RDA depuis 34 ans dans le même logement, il y a des chances que ce soient des gens pas bien riches et pas bien jeunes…]

    • Je crois que c’est comme tu le dis et que le nouveau propriétaire a spéculé que les tribunaux lui fassent une fleur en prenant une décision comnme celle qui vient d’être prise. Ce qui en rajoute à la gravité du cas est que le perdant dans ce genre de contentieux doit payer tous les frais de procédure et les avocats des deux partis.
      Le jugement a d’ailleurs été cité par des centaines de pages web tellement il est fondamental.

  • 4. November 1989 auf dem Berliner Alexanderplatz : Tage, die die Welt veränderten
    https://www.berliner-zeitung.de/politik-gesellschaft/4-november-1989-auf-dem-berliner-alexanderplatz-tage-die-die-welt-v

    Ein Jahr später, Stimmung gedrückt : Die Autorin am 4. November 1990

    Ceci est un reportage sur le plus grand mouvement pour le socialisme démocratique du vingtième siècle récupéré par la droite capitaliste et transformé en contre-révolution.

    4.11.2024 von Maritta Adam-Tkalec - Die Demonstration der Hunderttausenden auf dem Alexanderplatz heute vor 35 Jahren war die Folge dramatischer Ereignisse. Rückblick auf den Höhepunkt des Machtkampfs.

    Dies ist ein Zeitzeugenbericht zum 4. November 1989 von Maritta Tkalec. Lesen Sie auch das Stück von Wiebke Hollersen.

    In Ostberlin brannte die Luft. Am 7. und 8. Oktober war die Volkspolizei gewaltsam gegen Demonstranten vorgegangen, die am Palast der Republik, wo die Staatsspitze mit ihrem Ehrengast Michail Gorbatschow den 40. Jahrestag der DDR feierte, „Gorbi, Gorbi“ gerufen und Reformen in der DDR gefordert hatten. Sie wurden nach Prenzlauer Berg abgedrängt und von Sicherheitskräften unter die Knüppel genommen.

    Trotz – oder gerade wegen des brutalen Schocks – gingen am Tag darauf wieder Tausende, meist junge Leute, auf die Straße. In der Gegend rund um die Gethsemane-Kirche wurden sie von Polizisten und Stasi-Leuten wieder zusammengeschlagen. Es gab Hunderte Verletzte, mehr als 1000 Menschen wurden festgesetzt, „zugeführt“ hieß das. Betroffen waren friedliche Leute, auch unbeteiligte Passanten und selbst SED-Mitglieder, die die Zeit für Reformen für überreif hielten.

    Demo am 4. November 1989 am Alex: „Es sprachen Schauspieler, Schriftsteller, Leute von der SED“

    Diese Ereignisse brachten das Fass zum Überlaufen. Berichte über die Misshandlungen und Erniedrigungen der Festgenommen in Polizeirevieren, Haftanstalten und provisorisch eingerichteten Internierungslagern machten die Runde. Kaum waren die meisten Leute wieder frei, erzählten sie ausführlich, schrieben Erinnerungsprotokolle, sammelten Beweise für die Gewaltexzesse.
    Bürger trotz Gewalt nicht einzuschüchtern

    Derartiges hatte es in der DDR noch nicht gegeben. Die Ereignisse wurden zu einem Schlüsselmoment – und zum Wendepunkt. Als der Montag nahte, der 9. Oktober, und die nächste Montagsdemonstration in Leipzig stattfand, erschienen 70.000 Leute – so viel wie noch nie. Diesmal blieben die Knüppel stecken. Der Wind begann sich zu drehen.

    Der Berliner Zeitung war das noch nicht anzusehen. Zwar waren einzelne Redakteure unter den Demonstranten von der Gethsemanekirche gewesen, und man debattierte auf den Fluren. Doch ins Blatt gelangte – nichts. Noch nichts.

    Vielmehr ließ die Chefredaktion, angeleitet von der Abteilung Agitation der SED, wie üblich, wenn es um heikle Fragen ging, das Geschütz „Volkes Stimme“ auffahren. Am 10. Oktober druckte man angeblich spontane Reaktionen von Werktätigen aus den Bezirken der Republik, die über Radaumacher in verschiedenen Städten der DDR klagten; so hätten sich Leipziger Bürger in Anrufen bei den staatlichen Organen über Rowdytum und Störungen beschwert und verlangt, den Unruhestiftern entschieden zu begegnen. Aus Dresden war zu lesen, antisozialistische Randalierer hätten auf dem Hauptbahnhof und in der Innenstadt Einrichtungen und Grünanlagen zerstört, also Eigentum des Volkes.

    Frei schreiben, frei sprechen

    Ganz ähnlich klang es zwei Tage später: Da sendete der Berliner Rundfunk ein Interview mit Oberst Dieter Dietze, dem Ostberliner Polizeichef, zu den Vorgängen um die Gethsemanekirche – ein außergewöhnlicher Vorgang, der von hoher Nervosität zeugte. Das Interview druckte die Berliner Zeitung (alle anderen zentral gelenkten Blätter auch) im Wortlaut nach: Man solle gemeinsam für Ruhe und Ordnung sorgen.

    Der Polizeichef verteidigte das „geduldige” Vorgehen, schob den Demonstranten die Schuld zu, sagte zum Beispiel: „Aktive Handlungen, das hieß zunächst für uns Räumung der seit längerem blockierten Fahrbahnen nach fast pausenloser geduldiger Aufforderung. Erst als das Wegdrücken allein nicht mehr half bzw. unsere jungen Genossen, darunter viele, die ihren Wehrdienst versehen, tätlich angegriffen wurden, waren Zuführungen unvermeidlich.“ Dann versucht er die Spaltung: Unter „jene, die sich mit ehrlichen Absichten für gesellschaftliches Vorankommen in der DDR einsetzen“, hätten sich Rowdys gemischt.

    Der Empörung und Solidarität in der Bevölkerung kam man so nicht bei, vorsichtiges Einlenken wurde erkennbar, so in einem Fernsehinterview des DDR-Generalstaatsanwaltes am 18. Oktober, der zusagte, die Anzeigen der Bürger würden geprüft – und zugleich darauf beharrte, dass der Staat Rowdytum nicht dulden werde.

    An jenem Tag hatte das Politbüro die Absetzung Erich Honeckers beschlossen. Dann ging es Schlag auf Schlag, fünf Tage nach der Palastrevolte diskutierten Günther Schabowski und Ehrhardt Krack, Ostberliner Bürgermeister, auf der Karl-Liebknecht-Straße mit Demonstranten.

    Es braucht mehr Ostdeutsche in Medien und Wissenschaft!

    Und dann kam das ganz große Ding: Im Namen der Gewerkschaftsvertrauensleute der Berliner Theater beantragte Wolfgang Holz, Vertrauensmann der Gewerkschaftsgruppe Schauspiel des Berliner Ensembles, bei der VP-Inspektion Berlin-Mitte für den 4. November, einen Sonnabend, eine Demonstration für die Inhalte der Artikel 27 (Meinungs- und Pressefreiheit) und 28 (Versammlungsrecht) der DDR-Verfassung. Der Antrag wurde genehmigt.

    In der Berliner Zeitung war am 13. Oktober die interne Rebellion – endlich – ausgebrochen. Redakteur Torsten Harmsen hat Tagebuch geführt und die wichtigsten Notizen 2005 in einem Beitrag für die Zeitung zusammengefasst. Da liest man, was man selber vergessen hat, zum Beispiel, dass an jenem Tag die Parteigruppe – das politisch wichtigste Gremium in der Redaktion – einen Brief an die SED-Führung schickte: „Sie fordert, schnell eine Konferenz zu Medienfragen einzuberufen, das Eingreifen in journalistische Beiträge zu verbieten, Tabus aufzuheben, die Rechte und Pflichten der Presse gesetzlich zu fixieren. Vorbild ist Gorbatschows Politik der Glasnost.“


    Demonstranten auf dem Alexanderplatz während der Abschlusskundgebung am 4. November 1989 mit kreativ gestalteten Transparenten. Sie wollten eine demokratisch reformierte DDR. CC-BY-SA 3.0 de

    Am 1. November leitete den Aufzeichnungen zufolge ein Beitrag des Wirtschaftsressorts eine Welle der Enthüllungen von Amtsmissbrauch und Korruption ein. Es ging um einen korrupten IG-Metall-Chef. Und weiter: „Am selben Tag veröffentlicht eine Reformergruppe der Redaktion, deren Wortführer in der Abteilung Außenpolitik sitzen, ihre Thesen, in denen sie das noch immer herrschende ,feudalistische Kommandosystem‘ in der Redaktion anprangert. Der Chefredakteur reicht bei der Parteiführung seinen Rücktritt ein.“

    Die Rest-Chefredaktion riet von der Teilnahme an der Demonstration am 4. November ab. Wir waren trotzdem einige Dutzend. Wir hatten darüber diskutiert, was auf unserem Transparent stehen sollte. Es wurde nicht das Beste, aber das, was wir in jenem Moment verlangten: „Journalismus weg vom Geggelband“. Heinz Geggel war der berüchtigte Leiter der Abteilung Agitation des ZK der SED, der Mann, der den Willen der Parteiführung an die Medien übermittelte und über die Einhaltung aller Weisungen und Richtlinien wachte.

    Torsten Harmsen schrieb in sein Tagebuch von den ersten Erfahrungen mit einem selbstgefertigten Spruchband: „Das Transparent hängt durch; deshalb borgt uns eine Kollegin von der ,Freien Welt‘ ihren Schirm, mit dem wir das Tuch in der Mitte hoch halten. Das Meer der Menschen ist unübersehbar. Lachen. Beifall brandet auf, mal hier, mal dort – für eine gute Losung, ein originelles Plakat oder Personen wie Stefan Heym, die durch die Menge laufen. Es ist nicht allein die Masse, die beeindruckt. Es sind der Witz, der Humor, das Einverständnis in den Gesichtern, das Selbstbewusstsein, die sanfte Gewalt durch Einmütigkeit.“
    Buhs und Applaus auf dem Alex

    Der Alex war so voll wie nie – viele Hunderttausende, manche sprachen von einer Million Menschen. Die erste, offiziell genehmigte Demonstration in der DDR, die nicht vom Machtapparat ausgerichtet wurde. Alles friedlich. Die Ordner trugen Schärpen mit der Aufschrift „Keine Gewalt“. Die Vertreter der Staatsmacht, die von einem zum Podium hergerichteten W-50-Pritschen-LKW am Haus des Reisens herunter reden, solche wie Günter Schabowski, Markus Wolf, langjähriger Leiter des DDR-Auslandsgeheimdienstes wurden ausgebuht.

    Redner wie der Schriftsteller Stefan Heym bekamen Riesenapplaus. Er sagte: „Es ist, als habe einer die Fenster aufgestoßen! Nach all’ den Jahren der Stagnation – der geistigen, wirtschaftlichen, politischen; – den Jahren von Dumpfheit und Mief, von Phrasengewäsch und bürokratischer Willkür, von amtlicher Blindheit und Taubheit. […] Wir haben in diesen letzten Wochen unsere Sprachlosigkeit überwunden und sind jetzt dabei, den aufrechten Gang zu erlernen!“

    Was für ein Gefühl, solche Sätze in Ostberlin, auf dem Alexanderplatz zu hören!

    Es hatte ein Aufbruch in eine demokratische Umgestaltung der DDR werden sollen. Dann kam nur fünf Tage später die Grenzöffnung – und abermals nahm der Lauf der Geschichte beschwingt eine neue Wendung.

    Ein Jahr später, am 4. November 1990, fanden sich noch einmal Demonstranten auf dem Alexanderplatz ein, ein paar Tausend vielleicht. Ein Foto, das in einer Zeitung erschien, zeigt mich im Kreis von Freunden unter einem Schild mit der Aufschrift „Wir war’n das Volk“.

    #Allemagne #RDA #DDR #socialisme #démocratie #histoire

  • Demo am 4. November 1989 am Alex : „Es sprachen Schauspieler, Schriftsteller, Leute von der SED“
    https://www.berliner-zeitung.de/mensch-metropole/demo-am-4-november-1989-am-alex-es-sprachen-schauspieler-schriftste


    Rund eine Million Menschen nahmen am 4. November 1989 an einer Großdemonstration teil .

    La manifestation du 4 novembre 1989 par un million de citoyens de la RDA fut l’événement le plus important de l’histoire de l’état socialiste allemand. Le peuple revendiqua une transformation démocratique de son état et de sa société.

    Tous les événement suivants ne furent que les vomissements et la gueule de bois suite à l’intoxication par des substances nocives. Les toubibs capitalistes ne furent que trop contents de pouvoir appliquer leurs remèdes de cheval au patient affaibli par les poisons soigneusement administrées pendant des années. La cure réussit, le patient mourut. Depuis les vautours ne cessent de se disputer sa dépouille.

    3.11.2024 von Wiebke Hollersen - Heute kaum mehr vorstellbar: Kurz vor Mauerfall sprachen auf einer Demo Bürgerrechtler neben Stasi-Funktionären. Ein Tag, an dem die Ostdeutschen Geschichte schrieben. Unsere Autorin war dabei.

    Dies ist ein Zeitzeugenbericht zum 4. November 1989 von Wiebke Hollersen. Lesen Sie auch das Stück von Maritta Tkalec.

    An der Dorfkirche hing ein kleines Plakat, fast zu übersehen. Fotos aus der Zeit des Mauerfalls kündigte es an. Von den Demos aus dieser Zeit. Es war eine schöne Kirche in Menz, nicht weit von Rheinsberg, ich hatte sie mir nur von außen ansehen wollen, aber jetzt zog es mich hinein.

    Die Demos von 89. Es ist eine Zeit, an die ich mich erinnere wie an einen Traum. Einzelne Szenen und Bilder kleben in meinem Kopf, aber die Zusammenhänge sind verschwommen, und ich kann mir nur noch schwer vorstellen, diese Zeit wirklich erlebt zu haben.

    Einen Tag wie den 4. November 1989. Wenn ich dieses Datum höre, spüre ich etwas, was ich schwer beschreiben kann. Es ist kein Tag, der so berühmt geworden ist wie der 9. November. Aber in meinem damaligen Jahr war er fast bedeutsamer.

    4. November 1989 auf dem Berliner Alexanderplatz: Tage, die die Welt veränderten
    https://www.berliner-zeitung.de/politik-gesellschaft/4-november-1989-auf-dem-berliner-alexanderplatz-tage-die-die-welt-v

    Plötzlich konnte man widersprechen

    Am 4. November 1989 gab es „die größte nicht staatlich gelenkte Demonstration in der Geschichte der DDR“. So steht es auf Wikipedia. Sie soll auch „Alexanderplatz-Demonstration“ geheißen haben, steht da, aber diesen Namen habe ich noch nie gehört.

    Ohne in einem Geschichtsbuch nachzuschlagen, könnte ich nicht mehr sagen, wer die Demonstration organisiert hat (die Initiative ging von Schauspielern und anderen Theaterleuten aus) und wer alles geredet hat (mehr als zwanzig Menschen, darunter Ulrich Mühe, Gregor Gysi, Günter Schabowski, Christa Wolf).

    Schriftstellerin Christa Wolf während der Protestkundgebung am Alexanderplatz. Gueffroy/imago

    Es war meine erste echte Demo. Ich war 14 Jahre alt und meine Mutter hatte mir tatsächlich erlaubt, hinzugehen. Sie hatte mir sogar einen Zettel mitgeben, für die Schule, in der ich an diesem Tag morgens um acht erscheinen musste. „Meine Tochter nimmt nicht am Unterricht teil.“ So etwas in der Art stand auf dem Zettel. Ich besuchte eine Russischschule in Prenzlauer Berg, in der man nicht einfach so fehlen durfte, schon gar nicht, um an einer Kundgebung teilzunehmen, die sich gegen den Staat richtete.

    Aber es war der Herbst 1989, und unser junger Klassenlehrer war froh, dass nicht die halbe Klasse in den Sommerferien über Ungarn in den Westen abgehauen war. Außerdem hatte er sich nach den Demonstrationen, die es gerade erst, im Oktober, in Berlin gegeben hatte und die von Volkspolizei und Stasi brutal beendet worden waren, um Kopf und Kragen geredet. Es habe keine Gewalt gegeben, hatte er uns erzählt, oder erzählen müssen. Aber wir kannten Leute, die Leute kannten, die dabei gewesen waren. Wir hatten ihm widersprochen. Das ging auf einmal.

    Beginn des Marsches am westlichen Ende des S-Bahnhofs Alexanderplatz. Ralf Roletschek

    Viele Demonstranten tragen Transparente Rolf Zöllner/imago

    Die Sicherheitskräfte halten sich zurück und beobachten vom Rand her. Rolf Zöllner/imago

    Forderungen der Demonstranten im Zentrum Berlins rbb

    Demonstranten sammeln sich am Pressecafe Rolf Zöllner/imago

    Rund eine Million Demonstranten versammeln sich auf dem Alexanderplatzdpa

    Protestdemonstration, gegen Gewalt und für verfassungsmäßige Rechte, Presse-, Meinungs- und VersammlungsfreiheitRolf Zöllner/imago

    Der Protestzug zieht am Palast der Republik vorbei Michael Richter/dpa

    Teilnehmer der Demonstration Rolf Zöllner/imago


    Die Bürgerrechtskämpferin Bärbel Bohley spricht auf der KundgebungJens Kalaene/dpa

    Protestdemonstration, gegen Gewalt und für verfassungsmäßige Rechte, Rolf Zöllner/imago

    Oppositionsgruppen und Künstler hatten die Veranstaltung organisiert. dpa

    Die Angst war verschwunden

    Und für Sonnabend, den 4. November, an dem wir wie an jedem Sonnabend vier Stunden Unterricht gehabt hätten, konnte man auf einmal einen Entschuldigungszettel vorlegen. Und dann zur Demo gehen. Ohne weitere Ermahnung, ohne Appell, ohne Reinreden der Lehrer. Nur drei oder vier Kinder aus meiner Klasse kamen ohne Zettel in die Schule und mussten zum Unterricht. Wir anderen liefen die Greifswalder runter, Richtung Alex. Ich weiß nicht mehr genau, wer „wir“ waren. Ich glaube, meine Freundin Julia, deren Großväter beide evangelische Pfarrer waren und deren Eltern sich dem Staat weitgehend verweigerten, war mit dabei. Meine Eltern waren nicht in der Kirche, sondern hatten an den Staat geglaubt und waren dann zynisch geworden. In den letzten Jahren hatte meine Mutter mich immer häufiger ermahnt, in der Schule dieses oder jenes nicht zu sagen, um mir meine Chancen in diesem „Scheißstaat“, wie sie ihn inzwischen oft nannte, nicht zu verbauen. Aber selbst diese Angst war bei ihr und mir schon verschwunden.

    Vollkommen friedlich: Schätzungen zufolge nahmen eine Million Menschen an der Demonstration am 4. November 1989 teil

    Ich hatte die Straßen von Berlin noch nie so voll gesehen wie am 4. November 1989. Ich hatte noch nie so viele handgemalte Schilder und beschriebene Bettlaken gesehen. Dann verschwimmt der Traum, ich weiß nicht mehr, was wahr ist. Schaffte ich es wirklich, bis in die Nähe der Weltzeituhr zu gelangen? Unter einer halben Million, vielleicht einer Million Menschen? Hörte ich über die Lautsprecher etwas von den Reden? Oder habe ich das alles später im Fernsehen und in Dokumentationen gesehen?

    Irgendwann fingen die Dokus an, mich zu langweilen. Sie erzählten vom Wendeherbst immer nur wie vom Vorspiel zu den wirklich großen Ereignissen. Dem Mauerfall, der Wiedervereinigung. Den Ereignissen, bei denen die Westdeutschen ins Spiel kamen und die Kontrolle übernahmen.

    Im Herbst 2024 betrete ich die Kirche von Menz, um Bilder von den Demonstrationen aus dem Herbst 1989 zu sehen. Sie hängen an Stellwänden, jeweils sechs Schwarz-Weiß-Fotografien neben- und untereinander. Sie sind von Jürgen Graetz, einem Fotografen, der den Alltag in der DDR dokumentiert, aber viele seine Bilder erst lange nach dem Mauerfall veröffentlicht hat. Er stammt aus Neuglobsow am Stechlinsee, lebte aber eine Zeitlang in Ost-Berlin und hatte Kontakte in die Fotografenszene der ganzen Stadt.

    Ich bin allein in der Kirche. Auf einem Foto von Jürgen Graetz sind zwei Männer zu sehen, sie stehen sehr gerade, einer trägt eine Baskenmütze und eine Schärpe um den Oberkörper wie eine Miss World. Auf der Schärpe steht „Keine Gewalt“. Der andere Mann hält ein Transparent, auf dem in Schreibschrift steht: „Neue Worte, alte Macht, na dann – gute Nacht“. Ein Plakat auf dem Anorak eines Kindes fordert: „Wir wollen Astrid Lindgren lesen!“ Eine Hand hält ein großes Blatt oder eine Pappe mit nur zwei Worten: „Räumt auf“. Auf einigen Bildern fällt ein wenig Schnee, sie müssen später im Herbst aufgenommen worden sein.

    Die Menschen sehen stolz aus, aufrecht, überhaupt nicht so, wie sie später und manchmal bis heute beschrieben werden. Man sieht, wie kreativ sie waren, wie viele Wünsche in ihnen steckten, wie viele Ideen. Und man sieht, wie ernst sie das alles nahmen.

    So sahen wir also damals aus, denke ich. Es war also doch wahr. Ich denke auch: Das ist doch alles 100 Jahre her und nicht erst 35. So vollkommen anders, so weit weg erscheint mir diese Zeit.

    Schauspieler Ulrich Mühe (links) und Johanna Schall (rechts) sprechen auf der Abschlusskundgebung. CC-BY-SA 3.0 de

    Bürgerrechtler haben am 4. November 1989 auf dem Alexanderplatz geredet. Schauspieler, Schriftstellerinnen. Und Männer von der SED. Sogar der Auslandschef der Staatssicherheit. Das klingt im Nachhinein wie der komplette Wahnsinn. Diesen Leuten noch eine Bühne zu geben. Aber es war eine Zeit des Übergangs zwischen zwei Systemen, wie es sie nur ein einziges Mal in der deutschen Geschichte gab. Menschen, die politisch, ideologisch, gesellschaftlich so weit von einander entfernt waren, wie es auf ein- und derselben Bühne eigentlich überhaupt nicht möglich ist, sprachen nacheinander. Die Staatsvertreter wurden ausgebuht, sonst blieb alles vollkommen friedlich.

    Ich weiß nicht mehr, wie ich nach Hause gekommen bin an diesem Tag vor 35 Jahren. Ich erinnere mich an ein Gefühl von Aufbruch, Erwachsenwerden und Glück. Der 4. November 1989, nahm ich an, würde in die Geschichte eingehen. Sechs Tage lang dachte ich das. Dann wachte ich auf, am Freitag, und in der Nacht war die Mauer gefallen.

    Finissage der Ausstellung von Jürgen Graetz mit den Bildern aus dem Herbst 1989: 9. November, 14 Uhr, Dorfkirche Menz, Kirchstraße 1, 16775 Stechlin. Dort stellt außerdem Andreas Domke sein Programm „Frei Land“ mit Liedern und Texten aus den Jahren 1989 und 1990 vor.

    #Allemagne #RDA #DDR #socialisme #démocratie #histoire

  • Galil – STG940
    http://www.stg940.de/galil


    Un exemple pour la coopération internationale parfois involontaire des fournisseurs d’assassins.

    L’ironie de l’histoire est que le volume de production d’AK-47 ff. en #RDA prévu dans le cadre du #COMECON fut tel que les investissements nécessaires obligeaient le producteur „Wiesa Germany“ (Wieger) à exporter ses modèles modifiés dans le mond entier. C’est ainsi que vraisemblablement un fusil d’assaut "Wieger" utilisé par l’armée égyptienne tomba entre les mains de l’armée d’Israel et servit ensuite d’exemple pour le développement du Galil.

    Das Galil wurde in Israel auf Basis der AK-47 entwickelt. Möglich wäre somit auch, dass eine Ägyptische Beutewaffe aus der DDR Produktion das direkte Vorbild war. Neben dem Kaliber 7,62 x 51 mm wurde auch eine Adaption auf das Kaliber 5,56 x 45 mm durchgeführt.

    Als erste Studie für das spätere Sturmgewehr WIEGER wurde dem „Zentrum für Forschung und Technik“ ZFT Dresden wiederum eine Galli mit einer AKM kombiniert.

    Dadurch wurde das Entwicklungsmuster „Sturmgewehr 985“ geschaffen.

    Wieger
    https://de.wikipedia.org/wiki/Wieger

    Der Markenname „Wieger“ wurde speziell für den Export der Waffen des VEB Geräte- und Werkzeugbau Wiesa (GWB) in das westliche Ausland kreiert. „Wieger“ ist eine Zusammenziehung (Kontraktion) der Wörter „Wiesa“ und „Germany“ für Exportzwecke oder „Wiesa“ und „Gerätebau“ für die Verwendung in der DDR.

    IMI Galil
    https://de.wikipedia.org/wiki/IMI_Galil

    Lizenzierte südafrikanische Variante : Vektor R4

    Das Galil ist ein Sturmgewehr der israelischen Armee. Benannt wurde die Waffe nach ihrem Konstrukteur Jisrael Galili. Es verschießt die NATO-Standardmunition des Kalibers 5,56 mm, die Funktion des Verschlusses beruht auf dem zuverlässigen und relativ einfachen Verschlussmechanismus der sowjetischen Kalaschnikow. Eine Modifikation ist das Scharfschützengewehr Galatz.



    #armes #kalachnikov #ak-47

  • Ludwig Renn und sein Kinderbuch „Nobi“ : Wie woke war die DDR ?
    https://www.berliner-kurier.de/berlin/ludwig-renn-und-sein-kinderbuch-nobi-wie-woke-war-die-ddr-li.2249652


    Eine Illustration aus „Nobi “von Ludwig Renn, in der DDR erschienen. Kinderbuchverlag Berlin/Repro : Henseke

    Le communiste et commandant de la brigade internationale Ernst Thälmann Ludwig Renn (Arnold Friedrich Vieth von Golßenau) a vécu en #RDA comme auteur de livres de voyage et pour enfants. Son "Nobi" s’appellait initialement "Le nègre Nobi". Le mot "Neger" étant considéré de plus en plus désuète et raciste il disparu du titre après les premières éditions.

    Cet article évoque plusieurs exemples de la gestion des expressions jugées inadéquates en RDA.

    31.08.2024 - Bis heute wird über eine Geschichte gestritten, die in der DDR zur Schulbuch-Literatur gehörte. Es geht darum, wer das Wort „Neger“ aus dem Buchtitel gestrichen hat.

    Negerkuss, Mohrenstraße, Zigeunerschnitzel, Indianer: Es gibt immer mehr Wörter, die aus dem Sprachgebrauch verschwinden, weil sie eine rassistische Bedeutung haben, auch wenn sie oft gar nicht so gemeint sind. Es wird heftig darüber gestritten, viele fühlen sich bevormundet. Eines der Paradebeispiele in der Diskussion ist noch heute ein DDR-Kinderbuchklassiker, der einst Schulliteratur war. Ein Buch von Ludwig Renn: „Nobi“, 90 Seiten dünn.


    Spanischer Bürgerkrieg.- vlnr: Joris Ivens, Ernest Hemingway (mit Baskenmütze), Ludwig Renn (in Uniform)

    Nobi ist so eine Art ostdeutsche Variante von Mogli. Ein kleiner, schwarzer Junge, der tierische Freunde hat. Gingu, die Giftschlange. Mafuka, das Gorilla-Kind, Pongu, das Flusspferd. Es geht um Sklavenjäger und den Widerstand des Urwalds. Hunderttausende Kinder in der DDR haben das kurzweilige Buch gelesen und etwas über Afrika und seine Geschichte gelernt – kindgerecht erzählt.

    „Unautorisierte Eingriffe späterer Sprachwächter“

    In der Diskussion von heute geht es vor allem um den alten Titel des Buches – „Der Neger Nobi“. Im Internet gibt es erregte Diskussionen über die Verkürzung, die ersten beiden Worte wurden gestrichen, übrig blieb nur „Nobi“. In den 2000ern wurde das Buch im Eulenspiegelverlag neu aufgelegt.

    Geschimpft wird über die Wokeness unserer Zeit, die keinen Respekt vor geschichtlichen Zusammenhängen habe, über eine Sprachpolizei, die einem vorschreiben will, was man sagen darf und was nicht. Woke ist zu einem Schimpfwort geworden und bedeutet laut Duden eigentlich „in hohem Maß politisch wach und engagiert gegen (insbesondere rassistische, sexistische, soziale) Diskriminierung“.


    Die 19. Auflage von „Nobi“ in der DDR, Mitte der 70er-Jahre erschienen.Kinderbuchverlag Berlin/Repro Henseke

    „Das Original dieses Buches heißt ‚Der Neger Nobi‘, geschrieben von dem des Rassismus absolut unverdächtigen Schriftsteller Ludwig Renn, einem Mann mit ausgesprochen linken und sozialistischen Ansichten. Und nicht ‚Nobi‘“, schreibt ein User erregt im Internet. „Wer schützt eigentlich Texte ehrbarer Autoren vor unautorisierten Eingriffen späterer Sprachwächter? Wer schützt die deutsche Sprache vor bewussten Begriffs- und Bedeutungsverdrehern?“
    Die Sprachpolizei der DDR

    Doch wann ist der Buchtitel verändert worden, erst in den vergangenen Jahren? Ich habe die Geschichte auch in der Schule in Berlin-Köpenick gelesen und wusste, dass das Büchlein noch irgendwo versteckt in meinem Bücherregal steht. Bei meinen Büchern aus der Kinderzeit – höchstwahrscheinlich zwischen P wie Benno Pludra („Die Reise nach Sundevit“) und R wie Götz R. Richter („Die Nacht auf der Wanachi-Farm“). Siehe da, es ist noch da, die 19. Auflage, irgendwann zwischen 1974 und 1975 erschienen. Titel: „Nobi“, also schon damals ohne den Vorsatz „Der Neger“.

    Wenn also eine Sprachpolizei zugeschlagen hat, dann war es die der DDR. Schon seit 1962 (8. Auflage), sieben Jahre nach dem Erstdruck, erschien das Kinderbuch mit dem verkürzten Titel. Und das mit Einverständnis des Autors. Denn Ludwig Renn (geboren als Arnold Vieth von Golßenau), Offizier im Ersten Weltkrieg, später Kommunist und Spanienkämpfer, war auch in den 60ern noch ein angesehener, viel beschäftigter Autor, er starb erst 1979 in Berlin-Kaulsdorf. Und das Wort Neger war schon in den 60ern komplett aus der Zeit gefallen, schon damals ein herabwürdigendes Schimpfwort, das oft aber unbedacht, ohne nachzudenken, benutzt wurde.


    Ludwig Renn (links) mit dem polnischen Politiker Ignacy Loga-Sowiński (1954)Günther Weiß/Bundesarchiv/Wikimedia Commons

    Und ja, in der DDR gab es so etwas wie eine Sprachpolizei. Die hieß damals nur Abteilung „Agitation und Propaganda“, einmal in der Woche bekamen die Chefredakteure Anweisungen von oben, aus dem Politbüro der SED. Oft ging es dabei gar nicht um große Politik, sondern um Mangelwirtschaft, um religiöse Dinge. In den späten 80er-Jahren gab es in der BZ am Abend zum Beispiel die Anweisung, das Wort „Putte“ (Kindergestalt in Skulptur und Maler) nicht mehr zu schreiben. Grund: An den heruntergekommenen Hauseingängen der Vorkriegsaltbauten, in Prenzlauer Berg und Friedrichshain, waren eben diese Skulpturen meist kaputt. Und es hagelte jedes Mal Briefe von erbosten Lesern, wenn man auch nur das Wort Putte erwähnte, von Lesern, die sich darüber beschwerten, wie die DDR die Stadt zerfallen ließ.

    #DDR #lettres #racisme #langue #socialisme

  • Druschba : DDR-Erdgastrasse durch die Ukraine – ein Friedensprojekt als Kriegsopfer
    https://www.berliner-zeitung.de/politik-gesellschaft/erdgasleitung-durch-die-ukraine-der-bauleiter-blickt-auf-verbrannte

    En 1979 les jeunes ouvriers de la #RDA construisent le gazoduc Droujba (amitié) en URSS (A ne pas confondre avec l’Oléoduc du même nom) . Ils inauguraient une nouvelle époque de paix entre les peuples d’Europe.

    Là il va falloir attendre encore deux générations avant de pouvoir envisager la prochaine phase d’amitié entre les peuples russes, ukraniens et allemands Pourvu que nos dirigeants ne provoquent pas une situation qui opposera encore plus longtemps les peuples les uns contre les autres.

    6.4.2024 von Maritta Adam-Tkalec - Vor 50 Jahren begann die DDR den Bau eines Abschnitts der „Sojus“-Pipeline, der damals längsten Erdgastrasse der Welt. Wie das Jahrhundertprojekt Europa prägte.

    Nie zuvor hatte sich die DDR einer derart großen und komplexen Aufgabe gestellt wie dem Bau eines 518 Kilometer langen Abschnittes der insgesamt 2743 Kilometer messenden Erdgastrasse „Sojus“ – der damals längsten Pipeline der Welt. Die Vorbereitungen für die Arbeiten auf der gigantischen Wanderbaustelle begannen im Herbst 1974, den Beschluss hatten die sozialistischen Länder im Juni, also vor genau 50 Jahren gefasst.

    Die planmäßige Fertigstellung erfolgte in unfassbar kurzer Zeit – bereits im September 1978 konnte die geprüfte Gasleitung mit vier Verdichterstationen dem sowjetischen Auftraggeber und Eigentümer übergeben werden. Gazprom setzte das System über die ebenfalls von den DDR-Bauleuten in Tscherkassy errichtete Steuerzentrale schrittweise in Betrieb.

    Die Leitung des Teams von Spitzenkräften übernahm bald Bauingenieur Werner Heinze, 1938 im thüringischen Dorf Mellenbach-Glasbach geboren. Der Baustellendirektor erinnert sich an die vielen ungeahnten Schwierigkeiten im DDR-Bauabschnitt, der vollständig in der Ukraine lag: „Unsere Mannschaften hatten zwar Erfahrungen mit Leitungen in flachem Gelände wie etwa zwischen Karl-Marx-Stadt und Leipzig, aber solche Steigungen und die komplizierten Bodenverhältnisse mit bis zu eineinhalb Meter mächtigem Mutterboden, der bei Tauwetter wie Schmierseife wird, kannten wir nicht.“

    Dazu kamen die technischen Anforderungen mit Rohren aus westlicher Produktion von 1420 Millimeter Durchmesser, nicht gekannten Wandstärken und hohen Stahlqualitäten, die notwendig waren, um ein gigantisches Rohrsystem mit einem Betriebsdruck von 75 bar zu betreiben.
    „Wetterbedingungen und Bodenverhältnisse sind eben nicht ganz zu überlisten, und in Tauwetterperioden muss man keine 30 Meter langen Rohrsektionen im Schlamm versenken, sondern andere Arbeiten planen. Aber das haben wir so richtig erst zum Schluss begriffen.“ Für die ersten 100 Meter brauchten die Teams Tage zum Experimentieren, am Ende verlegten die Trupps fast drei Kilometer pro Tag.

    Baustellendirektor Werner Heinze überreicht der Brigade Oleg Koschewoi eine Auszeichnung. Das war 1976 in Alexandrowka, ukrainisch Oleksandriwka. Die Ortschaft mit 74 Prozent jüdischer Bevölkerung war vom 5. August 1941 bis zum 8. Januar 1944 von der Wehrmacht besetzt. Fast 700 Menschen wurden in der Zeit erschossen. Dirk Heinze&

    Heute beobachtet Werner Heinze den Krieg in der Ukraine mit großer Betroffenheit – immerhin stecken fünf Jahre seines Lebens in der Pipeline. Er denkt in erster Linie an das Leid der Menschen, mit denen er zusammen gearbeitet, gelebt und gefeiert hat. Die Trasse ist nur noch ein Fragment: „Schade um die Anlagen. Schade, dass die Weltpolitik ein solch wichtiges Projekt kaputtgemacht hat“, sagt er voller Zorn auf den Angriffskrieg.

    Nach seiner Überzeugung begannen die Auseinandersetzungen, als die Europäische Kommission zu Zeiten von Kommissionspräsident Manuel Barroso 2010 der Ukraine nicht die Möglichkeit gegeben habe, sowohl mit Russland als auch mit der EU normale staatliche Vereinbarungen abzuschließen, und so einen Keil zwischen die Ukraine und Russland getrieben habe.

    Neben der Sowjetunion beteiligten sich an der gesamten Trasse alle damaligen sozialistischen Länder: Rumänien, Ungarn, die CSSR, Bulgarien, Polen und die DDR. Sie bildeten die „Union“, russisch Sojus. Der Name „Druschba“, Freundschaft, wurde dem DDR-Abschnitt bei der Verabschiedung der ersten 500 Jugendlichen in Berlin verliehen.

    Im Juni 1974 hatte der Rat für gegenseitige Wirtschaftshilfe (RGW) in Sofia das Großprojekt auf den Weg gebracht. Die Energie- und Rohstoffversorgung der Mitgliedsländer sollte langfristig, stabil und preisgünstig gesichert werden. Auch Westeuropa sollte auf Jahrzehnte davon profitieren. Schon zwei Jahre zuvor, am 6. Juli 1972, hatten die Bundesrepublik und die Sowjetunion einen ersten Liefervertrag für das heiß begehrte Erdgas unterzeichnet.

    Zwar gab es noch keine Pipeline, wohl aber seit 1970 ein zwischen westdeutschen Firmen und Banken mit der Sowjetunion geschlossenes Abkommen: das von der Regierung Willy Brandt im Sinne von Wandel durch Handel angebahnte Erdgas-Röhrengeschäft. Erst die Pipeline Sojus erschloss den Lieferweg – und ohne Röhren, Baumaschinen und andere Technik aus dem Westen wäre der sozialistische Trassenbau nicht Realität geworden.

    Die Pipeline überwand den Eisernen Vorhang im Kalten Krieg; heute sagen manche, sie habe in die russische Rohstoff-Knechtschaft geführt. Heinze meint: „Unsere Politiker verschweigen aber, dass unser Wohlstand und die Stärke der deutschen Wirtschaft über Jahrzehnte zu einem nicht unerheblichen Teil auf preiswertem Gas aus Russland basierte.“

    Die DDR bekam keinen Direktanschluss

    Der DDR-Abschnitt reichte von Krementschuk am Fluss Dnipro bis ins westukrainische Kleinstädtchen Bar. Der Rest bis zum Sojus-Endpunkt lag in ungarischer Verantwortung. Von Ushgorod an der Grenze zu Ungarn strömte das sowjetische Erdgas in ein Rohrleitungsnetz, an das zahlreiche europäische Länder angeschlossen waren.

    Eine direkte Leitung in die DDR gab es nie, die Verteilung lief größtenteils über Österreich. Das unterschied diese Trasse von der Erdölleitung „Freundschaft“, die seit 1963 direkt die Chemiewerke in Schwedt und Leuna belieferte. Hauptabnehmer für das Erdgas aus der nahe der Grenze Russlands zu Kasachstan gelegenen Region Orenburg wurde in der DDR die Chemieindustrie und das Kombinat Schwarze Pumpe.

    _Was schon die Wehrmacht auf dem Rückzug durch die Ukraine erfuhr: Bei Tauwetter ist kein Weiterkommen. Hier ein im Schlamm versunkenes Komatsu-Baugerät.

    Was schon die Wehrmacht auf dem Rückzug durch die Ukraine erfuhr: Bei Tauwetter ist kein Weiterkommen. Hier ein im Schlamm versunkenes Komatsu-Baugerät. Sammlung Heinze/privat

    Baustellendirektor Werner Heinze überreicht der Brigade Oleg Koschewoi eine Auszeichnung. Das war 1976 in Alexandrowka, ukrainisch Oleksandriwka. Die Ortschaft mit 74 Prozent jüdischer Bevölkerung war vom 5. August 1941 bis zum 8. Januar 1944 von der Wehrmacht besetzt. Fast 700 Menschen wurden in der Zeit erschossen.

    Bei Baubeginn war der Zweite Weltkrieg gerade 30 Jahre vorbei. In den ukrainischen Dörfern hätten sich die Menschen noch sehr genau an die Verbrechen der Wehrmachtssoldaten erinnert, sagt Heinze. „Wir waren die ersten Deutschen, die wieder in der Region auftauchten, in einer Zeit, als noch Leichen umgebettet wurden.“

    Bei Tscherkassy, wo die Baustellendirektion saß, hatte im Januar/Februar 1944, ein Jahr nach dem sowjetischen Sieg in Stalingrad, eine der größten Kesselschlachten des Zweiten Weltkriegs mit Zehntausenden Toten stattgefunden; im Oblast Winniza (heute Winnyzja), wo die DDR eine Gasverdichterstation baute, befand sich das sogenannte Führerhauptquartier Werwolf.

    Die Wehrmacht und die Ukrainer

    Alle Trassenbauer wurden in den Dörfern, bei offiziellen Meetings und persönlichen Treffen mit der unsäglichen Vergangenheit direkt konfrontiert, erzählt Heinze: „Das verlangte politisches Fingerspitzengefühl.“ So habe er bei einer Vertragsverhandlung im Zementwerk Uman den Werkleiter zu später Stunde gefragt: „‚Genosse Abramowitsch, wie war es im praktischen Leben, als die Naziarmee hier war?‘ Die Antwort: ‚Vor der Besetzung bestand meine Familie aus 21 Personen, danach blieb ich mit meiner Nichte alleine übrig.‘ Ich hatte keine Frage mehr.“

    Vor allem deshalb habe sich der Beschluss als weise erwiesen, den Trassenbau im historisch verbrannten Gelände als FDJ-Projekt zu organisieren: „90 Prozent der Leute auf unseren Baustellen waren jung, nach dem Krieg geboren, unbelastet“, sagt Heinze: „Das war ein Segen.“ Es gelang, die anfängliche Distanz zu den Einheimischen in Nähe zu verwandeln. 150 deutsch-ukrainische Ehen hat die Trasse gestiftet. Von den Dorffesten, zu denen die Trassniks eingeladen waren, reden die Leute noch heute.

    Der Arbeitsalltag mit seinen Partnern lief vollständig auf Vertrauensbasis, sagt der Baustellendirektor: „Handschlag und ein Blick in die Augen. Kein Papier“, so habe das die ganze Zeit funktioniert. Die Kommunikation mit den sowjetischen Auftraggebern und Vertragspartnern regelte sich auf kurzem Weg von Baracke zu Baracke in Tscherkassy.

    Die Kosten derart politisch aufgeladener Projekte ufern in der Regel aus, und die Trasse bildete keine Ausnahme. Im Prinzip besagte der Vertrag mit der Sowjetunion: Ihr baut auf vorgegebener Strecke nach sowjetischen Normen und Vorschriften mit DDR-Kapazitäten und -Mitteln, einschließlich der Bezahlung für Rohre, Verdichter und spezieller Bautechnik durch freie Devisen, und bekommt dafür 20 Jahre lang eine festgelegte Menge Gas.

    Das sowjetische Projekt setzte die technische und technologische Beherrschung der notwendigen Arbeiten voraus und dass diese mit minimalstem sozialen Aufwand durchgeführt würden. Das traf auf die DDR nicht zu, so Heinze: „Die Baubrigaden wurden neu zusammengestellt, geschult, auf das Ausland vorbereitet, transportiert, wesentlich höher bezahlt und mussten schrittweise auf das Produktivitätsniveau herangeführt werden.“ Für Versorgung und Betreuung bot die DDR das beste Verfügbare auf. Das Baumaterial kam überwiegend per Schiene und Luftfracht, das hob die Kosten über das sowjetische Projekt hinaus an.

    „Dem politischen Auftrag entsprechend hatten wir natürlich auch mehr Mitarbeiter in Partei, FDJ und gesellschaftlichen Organisationen, als es in einem Kombinat im Inland Normalität war“, sagt Heinze. Ergebnis: „Nach vorliegenden Unterlagen kamen Mehraufwendungen von etwa einer Milliarde Mark der DDR zusammen, die vom sowjetischen Projekt nicht gedeckt waren und für die es natürlich auch kein Gas gab.“ Die DDR bezog dafür das Gas zu einem Preis, der unter Weltmarktpreis lag, aber eine volkswirtschaftliche Gesamtaufrechnung von Aufwand und Gaslieferungen liegt nach Heinzes Recherchen nirgends vor.

    Drei Monaten Arbeit an der Trasse folgte ein vierwöchiger Heimaturlaub. Hinter jedem Arbeitszyklus lag für alle Trassniks harte Arbeit, aber auch eine Zeit voller Erlebnisse im Kollektiv und zunehmend im „Territorium“. Das „fröhliche Jugendleben“ sei immer mit dabei gewesen, aber an erster Stelle hätten die Produktionsziele gestanden, stellt der Baudirektor klar.

    Die Bezahlung lag über den Einkünften im Inland; Schweißer kamen schon mal auf 3000 Mark im Monat. Das Tagegeld von sieben Rubel konnte zum Teil nach Hause transferiert und zum Einkauf von Westwaren oder für bevorzugten Autokauf verwendet werden. In den Spitzenzeiten 1976/77 war die Baustelle mit etwa 6000 Menschen besetzt, rund 12.000 junge Menschen waren insgesamt dabei. Viel mehr junge DDR-Bürger wollten mitmachen: „Wir hatten sofort nach dem Aufruf der FDJ mindestens 30.000 Bewerber – ohne dass bekannt war, wie gut die Besoldung geregelt wurde“, erinnert sich Heinze.

    Trotz des schließlich glücklichen Verlaufs dachten die DDR-Verantwortlichen am Ende: „Das machen wir nie wieder.“ Als aber kurz darauf die Sowjets abermals anklopften, diesmal wegen der Jamal-Pipeline, die Gas aus der Eismeer-Region liefern sollte, machte die DDR wieder mit – doch galten strikt die Regeln kommerzieller Projekte.

    Die Druschba-Trasse ist in der DDR-Erinnerung positiv verankert. Trotz des Krieges in der Ukraine liegen die Rohre intakt im Boden. Deutschland aber bezieht lieber Flüssiggas aus Katar oder den USA, obwohl der Landweg allemal ökologischer und billiger ist. Tragisch, wie eine grandiose Gemeinschaftsleitung, ein Jahrhundertprojekt, auf diese Weise endet.

    #Allemagne #URSS #Ukraine #économie #énergie #guerre #paix #socialisme #comecon #haz_naturel #gazoduc #jeunesse #histoire

  • Cadeau ! La ville de Berlin donne l’ancienne demeure de Goebbels à qui veut bien la prendre.
    https://de.m.wikipedia.org/wiki/Bogensee#1945_bis_1990

    Le Land de Berlin n’a pas été capable de décider que faire avec l’ensemble qui a servi de grande école à l’organisation de jeunesse en #RDA #FDJ. L’entretien coute cher et le sénateur des finances a déclaré qu’il était prêt à faire cadeau du lieu idyllique sur le lac Bogensee.

    C’est à quarante minutes du centre ville de Berlin.


    Arrivé à la gare Wandlitzsee c’est encore une marche de six kilomètres.

    Interesse ? Voilà une visite virtuelle.
    https://bogensee-geschichte.de

    #Berlin #Brandebourg #Wandlitz #Bogensee

  • Thread by MouinRabbani on Thread Reader App – Thread Reader App
    https://threadreaderapp.com/thread/1768186345623560206.html

    THREAD: Who was there first? The short answer is that the question is irrelevant. Claims of ancient title (“This land is ours because we were here several thousand years ago”) have no standing or validity under international law.

    For good reason, because such claims also defy elementary common sense.

    Neither I nor anyone reading this post can convincingly substantiate the geographical location of their direct ancestors ten or five or even two thousand years ago. If we could, the successful completion of the exercise would confer exactly zero property, territorial, or sovereign rights.

    As a thought experiment, let’s go back only a few centuries rather than multiple millennia. Do South Africa’s Afrikaners have the right to claim The Netherlands as their homeland, or even qualify for Dutch citizenship, on the basis of their lineage?

    Do the descendants of African-Americans who were forcibly removed from West Africa have the right to board a flight in Atlanta, Port-au-Prince, or São Paolo and reclaim their ancestral villages from the current inhabitants, who in all probability arrived only after – perhaps long after – the previous inhabitants were abducted and sold into slavery half a world away?

    Do Australians who can trace their roots to convicts who were involuntarily transported Down Under by the British government have a right to return to Britain or Ireland and repossess homes from the present inhabitants even if, with the help of court records, they can identify the exact address inhabited by their forebears? Of course not.

    In sharp contrast to, for example, Native Americans or the Maori of New Zealand, none of the above can demonstrate a living connection with the lands to which they would lay claim.

    To put it crudely, neither nostalgic attachment nor ancestry, in and of themselves, confer rights of any sort, particularly where such rights have not been asserted over the course of hundreds or thousands of years. once again be speaking Arabic.

    If they did, American English would be the predominant language in large parts of Europe, and Spain would once again be speaking Arabic.
    Nevertheless, the claim of ancient title has been and remains central to Zionist assertions of not only Jewish rights in Palestine, but of an exclusive Jewish right to Palestine.

    For the sake of argument, let’s examine it. If we put aside religious mythology, the origin of the ancient Israelites is indeed local.

    In ancient times it was not unusual for those in conflict with authority or marginalized by it to take to the more secure environment of surrounding hills or mountains, conquer existing settlements or establish new ones, and in the ultimate sign of independence adopt distinct religious practices and generate their own rulers. That the Israelites originated as indigenous Canaanite tribes rather than as fully-fledged monotheistic immigrants or conquerors is more or less the scholarly consensus, buttressed by archeological and other evidence. And buttressed by the absence of evidence for the origin stories more familiar to us.

    It is also the scholarly consensus that the Israelites established two kingdoms, Judah and Israel, the former landlocked and covering Jerusalem and regions to the south, the latter (also known as the Northern Kingdom or Samaria) encompassing points north, the Galilee, and parts of contemporary Jordan. Whether these entities were preceded by a United Kingdom that subsequently fractured remains the subject of fierce debate.

    What is certain is that the ancient Israelites were never a significant regional power, let alone the superpower of the modern imagination.

    There is a reason the great empires of the Middle East emerged in Egypt, Mesopotamia, Persia, and Anatolia – or from outside the region altogether – but never in Palestine.

    It simply lacked the population and resource base for power projection. Jerusalem may be the holiest of cities on earth, but for almost the entirety of its existence, including the period in question, it existed as a village, provincial town or small city rather than metropolis.
    Judah and Israel, like the neighboring Canaanite and Philistine entities during this period, were for most of their existence vassal states, their fealty and tribute fought over by rival empires – Egyptians, Assyrians, Babylonians, etc. – rather than extracted from others.

    Indeed, Israel was destroyed during the eighth century BCE by the Assyrians, who for good measured subordinated Judah to their authority, until it was in the sixth century BCE eliminated by the Babylonians, who had earlier overtaken the Assyrians in a regional power struggle.

    The Babylonian Exile was not a wholesale deportation, but rather affected primarily Judah’s elites and their kin. Nor was there a collective return to the homeland when the opportunity arose several decades later after Cyrus the Great defeated Babylon
    and re-established a smaller Judah as a province of the Persian Achaemenid empire. Indeed, Mesopotamia would remain a key center of Jewish religion and culture for centuries afterwards.

    Zionist claims of ancient title conveniently erase the reality that the ancient Israelites were hardly the only inhabitants of ancient Palestine, but rather shared it with Canaanites, Philistines, and others.

    The second part of the claim, that the Jewish population was forcibly expelled by the Romans and has for 2,000 years been consumed with the desire to return, is equally problematic.

    By the time the Romans conquered Jerusalem during the first century BCE, established Jewish communities were already to be found throughout the Mediterranean world and Middle East – to the extent that a number of scholars have concluded that a majority of Jews already lived in the diaspora by the time the first Roman soldier set foot in Jerusalem.

    These communities held a deep attachment to Jerusalem, its Temple, and the lands recounted in the Bible. They identified as diasporic communities, and in many cases may additionally have been able to trace their origins to this or that town or village
    in the extinguished kingdoms of Israel and Judah. But there is no indication those born and bred in the diaspora across multiple generations considered themselves to be living in temporary exile or considered the territory of the former Israelite kingdoms rather than their lands of birth and residence their natural homeland, any more than Irish-Americans today feel they properly belong in Ireland rather than the United States.
    Unlike those taken in captivity to Babylon centuries earlier there was no impediment to their relocation to or from their ancestral lands, although economic factors appear to have played an important role in the growth of the diaspora.

    By contrast, those traveling in the opposite direction appear to have done so, more often than not, for religious reasons, or to be buried in Jerusalem’s sacred soil.

    Nations and nationalism did not exist 2,000 years ago. Nor Zionist propagandists in New York, Paris, and London incessantly proclaiming that for two millennia Jews everywhere have wanted nothing more than to return their homeland, and invariably driving home rather than taking the next flight to Tel Aviv. Nor insufferably loud Americans declaring, without a hint of irony or self-awareness, the right of the Jewish people to Palestine “because they were there first”.

    Back to the Romans, about a century after their arrival a series of Jewish rebellions over the course of several decades, coupled with internecine warfare between various Jewish factions, produced devastating results.

    A large proportion of the Jewish population was killed in battle, massacred, sold into slavery, or exiled. Many towns and villages were ransacked, the Temple in Jerusalem destroyed, and Jews barred from entering the city for all but one day a year.

    Although a significant Jewish presence remained, primarily in the Galilee, the killings, associated deaths from disease and destitution, and expulsions during the Roman-Jewish wars exacted a calamitous toll.

    With the destruction of the Temple Jerusalem became an increasingly spiritual rather than physical center of Jewish life. Jews neither formed a demographic majority in Palestine, nor were the majority of Jews to be found there.

    Many of those who remained would in subsequent centuries convert to Christianity or Islam, succumb to massacres during the Crusades, or join the diaspora. On the eve of Zionist colonization locally-born Jews constituted less than five per cent of the total population.

    As for the burning desire to return to Zion, there is precious little evidence to substantiate it. There is, for example, no evidence that upon their expulsion from Spain during the late fifteenth century, the Sephardic Jewish community,
    many of whom were given refuge by the Ottoman Empire that ruled Palestine, made concerted efforts to head for Jerusalem. Rather, most opted for Istanbul and Greece.
    Similarly, during the massive migration of Jews fleeing persecution and poverty in Eastern Europe during the nineteenth century, the destinations of choice were the United States and United Kingdom.

    Even after the Zionist movement began a concerted campaign to encourage Jewish emigration to Palestine, less than five per cent took up the offer. And while the British are to this day condemned for limiting Jewish immigration to Palestine during the late 1930s, the more pertinent reality is that the vast majority of those fleeing the Nazi menace once again preferred to relocate to the US and UK, but were deprived of these havens because Washington and London firmly slammed their doors shut.

    Tellingly, the Jewish Agency for Israel in 2023 reported that of the world’s 15.7 million Jews, 7.2 million – less than half – reside in Israel and the occupied Palestinian territories.
    According to the Agency, “The Jewish population numbers refer to persons who define themselves as Jews by religion or otherwise and who do not practice another religion”.

    It further notes that if instead of religion one were to apply Israel’s Law of Return, under which any individual with one or more Jewish grandparent is entitled to Israeli citizenship, only 7.2 of 25.5 million eligible individuals (28 per cent) have opted for Zion.

    In other words, “Next Year in Jerusalem” was, and largely remains, an aspirational religious incantation rather than political program. For religious Jews, furthermore, it was to result from divine rather than human intervention.

    For this reason, many equated Zionism with blasphemy, and until quite recently most Orthodox Jews were either non-Zionist or rejected the ideology altogether.

    Returning to the irrelevant issue of ancestry, if there is one population group that can lay a viable claim of direct descent from the ancient Israelites it would be the Samaritans, who have inhabited the area around Mount Gerizim, near the West Bank city of Nablus, without interruption since ancient times.

    Palestinian Jews would be next in line, although unlike the Samaritans they interacted more regularly with both other Jewish communities and their gentile neighbors.

    Claims of Israelite descent made on behalf of Jewish diaspora communities are much more difficult to sustain. Conversions to and from Judaism, intermarriage with gentiles, absorption in multiple foreign societies, and related phenomena over the course of several thousand years make it a virtual certainty that the vast majority of Jews who arrived in Palestine during the late 19th and first half of the 20th century to reclaim their ancient homeland were in fact the first of their lineage to ever set foot in it.

    By way of an admittedly imperfect analogy, most Levantines, Egyptians, Sudanese, and North Africans identify as Arabs, yet the percentage of those who can trace their roots to the tribes of the Arabian Peninsula that conquered their lands during the seventh and eighth centuries is at best rather small.

    Ironically, a contemporary Palestinian, particularly in the West Bank and Galilee, is likely to have more Israelite ancestry than a contemporary diaspora Jew.

    The Palestinians take their name from the Philistines, one of the so-called Sea Peoples who arrived on the southern coast of Canaan from the Aegean islands, probably Crete, during the late second millennium BCE.

    They formed a number of city states, including Gaza, Ashdod, and Ashkelon. Like Judah and Israel they existed primarily as vassals of regional powers, and like them were eventually destroyed by more powerful states as well.

    With no record of their extermination or expulsion, the Philistines are presumed to have been absorbed by the Canaanites and thereafter disappear from the historical record.

    Sitting at the crossroads between Asia, Africa, and Europe, Palestine was over the centuries repeatedly conquered by empires near and far, absorbing a constant flow of human and cultural influences throughout.

    Given its religious significance pilgrims from around the globe also contributed to making the Palestinian people what they are today.

    A common myth is that the Palestinian origin story dates from the Arab-Muslim conquests of the seventh century. In point of fact the Arabs neither exterminated nor expelled the existing population, and the new rulers never formed a majority of the population.

    Rather, and over the course of several centuries, the local population was gradually Arabized, and to a large extent Islamized as well.

    So the question as to who was there first can be answered in several ways: “both” and “irrelevant” are equally correct.
    Indisputably, the Zionist movement had no right to establish a sovereign state in Palestine on the basis of claims of ancient title, which was and remains its primary justification for doing so.

    That it established an exclusivist state that not only rejected any rights for the existing Palestinian population but was from the very outset determined to displace and replace this population was and remains a historical travesty.

    That it as a matter of legislation confers automatic citizenship on millions who have no existing connection with the land but denies it to those who were born there and expelled from it, solely on the basis of their identity, would appear to be the very definition of apartheid.

    The above notwithstanding, and while the Zionist claim of exclusive Israeli sovereignty in Palestine remains illegitimate, there are today several million Israelis who cannot be simply wished away.

    A path to co-existence will need to be found, even as the genocidal nature of the Israeli state, and increasingly of Israeli society as well, makes the endeavor increasingly complicated.

    The question, thrown into sharp relief by Israel’s genocidal onslaught on the Palestinian population of the Gaza Strip, is whether co-existence with Israeli society can be achieved without first dismantling the Israeli state and its ruling institutions. END

    @johannes_rath 2. While the circumstances of their arrival in the western hemisphere are fundamentally different, their situation today is not all that different from e.g. Italian-Americans or Japanese-Americans.

    @johannes_rath 3. Unlike Palestinians, African-Americans have neither asserted claims or rights to their former homes and homeland, nor sought to have these recognized, nor achieved an internationally-recognized right of return

    • Contrairement aux Australiens et Africains les Allemands et les juifs sionistes ont le droit de réclamer leurs terres et maisons historiques après la disparition des entités légales qui protégeaient ses habitants récents.

      Do Australians who can trace their roots to convicts who were involuntarily transported Down Under by the British government have a right to return to Britain or Ireland and repossess homes from the present inhabitants even if, with the help of court records, they can identify the exact address inhabited by their forebears? Of course not.

      Voilà moment cela s’est passé en Allemagne.

      En 1948 et 1990 respectivement les habitants de la Palestine et de la #RDA perdaient le droit à leur propriété ou leur appartement loué si un propriétaire suivant le droit d’un état historique y réclamait ses terres, son château où sa maison.

      En Allemagne en 1990 l’état bourgeois agissait suivant la devise « restitution avant dédommagement » et obligait un nombre important d’institutions sociales et d’individus à quitter leurs locaux et habitations. Les nouveaux anciens propriétaires furent de riches capitalistes, nobles et héritiers dont beaucoup de juifs qui avaient préféré rester aux USA ou en Israël plutôt quede récupérer leurs biens après 1945/1949.

      En ce qui concerne l’Israël l’histoire est encore plus absurde et injuste car après 2000 ans il n’y a plus de cadastre ou hêritier direct pouvant réclamer un bien précis.

      L’état bourgeois allemand a suivi les revendications des associations juives de restituer les biens des familles juives éteintes à des associations juives sans autorité légale. On ne sait d’ailleurs pas bien qui a touché les sommes importantes après la vente des biens immobiliers par ces associations.

      On trouve de nombreux cas pour ce type d’enrichissement des nantis en cherchant pour « Rückgabe vor Entschädigung ».
      https://de.m.wikipedia.org/w/index.php?search=R%C3%BCckgabe+vor+Entsch%C3%A4digung&title=Spezial%

      #Allemagne #Wiedervereinigung #DDR #BRD #capitalisme #Volkseigentum #propriêtê #contre-révolution

  • Das mediale Erbe der DDR - Ein kleines bisschen wie im Westen
    https://medienerbe.hypotheses.org/3527

    Est-ce que les musiques composées ou enrégistrées en #RDA sont-elles libres de droits ? Non, parce que d’abord en RDA/DDR existait une société des droits d’auteur en musique « AWA ». Ses membres ont rejoint la société GEMA qui les représente depuis l’an 1990.

    Cet article décrit la transition AWA/GEMA vue par une employée qui a travaillée pour les deux sociétés.

    Musik ist ein mediales Erbe. Und ein Konsumgut. Und eine Einnahmequelle. Auch im Sozialismus. Was vielleicht nur wenige wissen: Analog zur bundesdeutschen GEMA etablierte sich in der DDR die „AWA“, „die Anstalt zur Wahrung der Ausführungs- und Vervielfältigungsrechte auf dem Gebiet der Musik“. Zu ihren Mitgliedern gehörten „Die Puhdys“, „Silly“ oder Reinhard Lakomy. Die Studentin der Kommunikationswissenschaft Christina Zander kennt die GEMA aus ihrem Berufsalltag. Um mehr über das DDR-Pendant zu erfahren, interviewte sie eine ehemalige AWA-Mitarbeiterin, die anonym bleiben möchte. Die Erkenntnisse aus Recherche und Gespräch hat Zander zusammengefasst. Nicht nur eine Fußnote: Eine Fusion aus GEMA und AWA lehnte die GEMA 1990 ab – Grund dafür dürfte die Angst vor „DDR-Altlasten“ gewesen sein.

    Die „GEMA“ des Ostens?

    Zur AWA, der musikalischen Verwertungsgesellschaft der DDR

    von Christina Zander

    Eine kurze Geschichte der musikalischen Verwertungsgesellschaften

    Das Jahr 1903 markiert im deutschen Urheberrecht einen Umbruch im medialen Verwertungswesen: Die „Tantiemenbewegung“ nahm ihren Anfang. Damals wurde die „Genossenschaft Deutscher Tonsetzer“ (kurz: GTD) und die von ihr getragene „Anstalt für musikalisches Aufführungsrecht“ (kurz: AFMA) gegründet. Die AFMA war das Ergebnis einer langen Entwicklung und die Antwort auf zwei Versuche zur Einrichtung einer Anstalt für musikalisches Aufführungsrecht (Schmidt , Riesenhuber, Mickler 2008: 5).

    Ein besonderes Wahrnehmungsrecht entstand erst 1933 mit dem „Gesetz über die Vermittlung von Musikaufführungsrechten“. Auf Basis dieses Gesetzes wurde die STAGMA (Staatlich genehmigte Gesellschaft zur Verwertung musikalischer Urheberrechte) gegründet, die dann von 1933-1945 im NS-Staat eine rechtliche Monopolstellung innehatte, sofern es um die Wahrnehmung von musikalischen Urheberrechten ging. Dadurch wurde dem NS-Staat eine effektive Kontrolle aller öffentlichen Musikaufführungen ermöglicht. Lag ein Konfliktfall vor, konnte die Polizei direkt eingreifen. Ein Konflikt konnte durch die Berechtigten selbst nicht gelöst werden (Schmidt, Riesenhuber, Mickler 2008: 17).

    Nach dem zweiten Weltkrieg verlief die Entwicklung in Ost und West unterschiedlich. Die „Gesellschaft für musikalische Aufführungs-und mechanische Vervielfältigungsrechte“ (kurz: GEMA) konnte in der Bundesrepublik unter Fortgeltung des „STAGMA-Gesetzes“ von 1933 Rechtsnachfolgerin der STAGMA werden (ebd.: 20). Parallel dazu entstand in der DDR eine Verwertungsgesellschaft mit Namen „Anstalt zur Wahrung der Aufführungs- und Vervielfältigungsrechte auf dem Gebiet der Musik“ (kurz: AWA). Dies weckte mein Interesse und so habe mich auf die Suche nach jemanden gemacht, der selbst bei der AWA arbeitete, heute auch noch bei der GEMA beschäftigt ist und mir aus eigener Erfahrung über die Arbeit in der musikalischen Verwertungsgesellschaft in der DDR berichten konnte. Glücklicherweise konnte ich für meine Arbeit eine ehemalige AWA-Mitarbeiterin gewinnen. In unserem Gespräch ging es vor allem um Unterschiede und Gemeinsamkeiten zwischen AWA und GEMA.

    Anfang und Ende der AWA

    Die Abkürzung AWA steht für „Anstalt zur Wahrung der Aufführungs-und Vervielfältigungsrechte auf dem Gebiet der Musik“ und stellte das Pendant zur GEMA dar. Die AWA vertrat, wie auch die GEMA, die Interessen der Musikschaffenden in der DDR. Gegründet wurde die AWA am 01.01.1951 als eine rechtlich eigenständige Einrichtung, welche aber als „volkseigener Betrieb“ dem Ministerium für Kultur unterstand. Formal konnte die AWA selbstständig arbeiten, sie wurde jedoch in allen Belangen durch das Ministerium für Kultur geführt. Die GEMA hingegen ist ein wirtschaftlicher Verein gemäß § 22 BGB, der als solcher seine Rechtsfähigkeit kraft staatlicher Verleihung erlangt hat und ansonsten nur den allgemeinen Gesetzen (insbesondere auch des Wettbewerbs- und Kartellrechts) unterliegt. Am 14.08.1953 hatten sich die GEMA und AWA darauf geeinigt, dass mit Wirkung vom 01.01.1951 die Urheber und Verleger in der DDR und des „Demokratischen Sektors von Groß-Berlin“ (Ostberlin) dem In-und Ausland gegenüber nur noch durch die AWA vertreten wurden und nicht, wie bisher, von der GEMA (Schulze 1981: 99).

    Am 02.10.1990 wurde die AWA im Zuge der Wiedervereinigung kurzfristig aufgelöst. Die AWA befand sich jedoch noch etliche Jahre in Liquidation und bestand rund fünf Jahre als „Gesellschaft in Liquidation“ weiter. Die ehemalige Mitarbeiterin der AWA beschrieb, dass sich die AWA während dieser Zeit der Abwicklung nur noch „mit sich selbst“ beschäftigt habe, unter anderem mussten Lösungen für die hauseigenen Immobilien gefunden werden. Viele Mitarbeitende wären nach der Wiedervereinigung nur noch zwei bis drei Monate für die AWA tätig gewesen, um den Übergang der Geschäfte zur GEMA zu begleiten. Für sie selbst war die Verbindung zur AWA nach der Wende allerdings bereits beendet.

    Wäre denn keine Fusion denkbar gewesen? Meine Gesprächspartnerin war zur Zeit der Auflösung Abteilungsleiterin in der AWA und deshalb oftmals in der Generaldirektion in Berlin. Der ehemalige Generaldirektor der AWA wünschte sich damals eine „starke“ AWA und unterbreitete der GEMA im Mai 1990 den Vorschlag einer Fusion. Meine Gesprächspartnerin erinnert sich noch heute an seine Worte: „Wenn es eine Fusion geben soll, dann wird die AWA auch so weiterarbeiten wie bisher.“ Dazu kam es jedoch nicht, das stand Ende Juli 1990 fest. Eine Fusion entsprach nicht den Vorstellungen der GEMA. Grund dafür könnte gewesen sein, dass die GEMA keine „Altlasten“ aus der DDR übernehmen wollte. Die Übernahme der Mitglieder der AWA war für den 01.12.1990 oder den 01.01.1991 vorgesehen. Ab dem 03.10.1990 existierte dann nur noch die GEMA als musikalische Verwertungsgesellschaft in der Bundesrepublik.

    Der Prozess der Abwicklung

    Wie stand es während des Auflösungsprozesses hinsichtlich der Kommunikation mit den Mitarbeitenden und den Mitgliedern der AWA? Wurden insbesondere die Mitarbeitenden umfassend in den Prozess miteingebunden und informiert? Da sich meine Gesprächspartnerin damals in einer Führungsposition befand, war sie intensiv in den Auflösungsprozess involviert. An eine Geheimhaltungspflicht kann sie sich nicht erinnern. Alles wurde offen an die Mitarbeitenden kommuniziert, denn es stand viel Arbeit an. Da am 01.07.1990 in der DDR die D-Mark gesetzliches Zahlungsmittel wurde, musste sichergestellt werden, dass die Einkünfte der Mitglieder auf der DDR-Staatsbank, der Sparkasse und dem Postscheckamt auch weiterhin verfügbar waren. Ende Juli stand fest, dass die AWA in der GEMA aufgehen wird. Die Mitarbeitenden fragten sich, wie es mit ihnen weiterginge, wie mit den ihnen zustehenden Urlaubstagen sowie ihren Arbeitszeiten verfahren würde. Das Tagesgeschäft lief weiter, aber es war eine zeitgleich eine sehr aufregende Zeit. Am 02.10.1990 wurde den Mitarbeitenden der AWA dann ein Aufhebungsvertrag und gleichzeitig ein (zunächst) befristeter Arbeitsvertrag mit der GEMA angeboten. Dieser wurde auch von allen unterschrieben. Personen, die kurz vor der Rente standen, wurden in diesen Prozess allerdings nicht mit eingebunden.

    Auch die Standorte der AWA, die sogenannten Bezirksdirektionen, wurden erst einmal beibehalten. Es gab insgesamt acht Bezirksdirektionen und eine Generaldirektion, die in der GEMA allerdings nicht als solche, sondern als eine der Außenstellen der GEMA weitergeführt wurden. Meine Gesprächspartnerin selbst hat in der Bezirksdirektion Chemnitz gearbeitet, die dann zur Außenstelle Chemnitz der GEMA wurde. Dresden erhielt ebenfalls eine Bezirksdirektion. Bis 1997 hat die GEMA alle Außenstellen aufgelöst und umstrukturiert. Die Standorte der AWA waren in Chemnitz, Leipzig, Dresden, Magdeburg, Halle, Erfurt, Berlin und Schwerin. Nicht für jeden DDR-Bezirk existierte ein eigener AWA-Standort. So wurde beispielsweise Neubrandenburg von Schwerin und Suhl von Erfurt aus betreut. Die Generaldirektion hatte ihren Standort in Ost-Berlin, in der Storkower Straße. Die heutige GEMA hat ihre Generaldirektionen in Berlin und München, das Kundencenter befindet sich in Dresden und die Geschäftsstellen liegen in Stuttgart, Nürnberg, Wiesbaden, Hamburg und nochmals Berlin (GEMA 2021).

    Insgesamt hatte die AWA vor der Wende ca. 8000 Mitglieder. Demgegenüber hatte die GEMA damals ca. 25.000 Mitglieder, also deutlich mehr. Bis heute hat sich die Anzahl der Mitglieder mehr als verdreifacht und liegt bei ungefähr 80.000. Alle 8000 Mitglieder der AWA hatten damals ein Schreiben und die Möglichkeit bekommen, der GEMA ohne Mitgliedsbeitrag beizutreten. Da die AWA aufgehört hatte zu existieren, war es für die Urheber:innen wichtig, dass ihr Anspruch auf ihre Rechte nicht verloren geht. Die Rechte wurden dann an die GEMA übertragen, so dass alle Urheber:innen der AWA weiterhin geschützt waren. Unter den Mitgliedern der AWA waren namhafte Künstler wie „Die Puhdys“, „Silly“ oder Reinhard Lakomy. Sie entschieden sich nach der Wende alle für eine Mitgliedschaft in der GEMA. „Die Puhdys“ waren in der DDR eine echte Kultband. Sie wurden viel und oft gehört und waren auch in der Bundesrepublik beliebt.

    Die Struktur der AWA

    Wie bereits erwähnt, unterstand die AWA dem Ministerium für Kultur und war insofern ein wichtiges Instrument, um die Kulturpolitik der SED, der Sozialistischen Einheitspartei Deutschlands, durchzusetzen. Damit verbunden war die Einhaltung der sogenannten „60/40“-Regel. Diese Vorgabe besagte, dass 60 % des Repertoires der DDR-Musik vorbehalten war, 40 % durften von Künstler:innen aus dem Ausland kommen. Dies hing mit den Devisen zusammen, denn die AWA musste auch die Verteilung der Erlöse mit anderen Schwester- und Urheberrechtsgesellschaften vornehmen. Wie bei der GEMA mussten z.B. Veranstalter die Musikfolgen, also die Reihenfolge der Titel, welche auf der jeweiligen Veranstaltung gespielt wurden, melden. Dabei wurde strikt auf die Aufteilung 60/40 geachtet – sie wurde in der DDR streng kontrolliert.

    Der „Vorstand“ der AWA nannte sich Generaldirektor und hatte seinen Dienstsitz in der Generaldirektion in Berlin. Einen Aufsichtsrat gab es ebenfalls, dieser nannte sich Mitgliederbeirat und bestand aus Urheber:innen und Textdichter:innen. Bei der GEMA besteht der heutige Aufsichtsrat aus den Berufsgruppen der Verleger:innen, Textdichter:innen und Komponist:innen (GEMA 2021). Auch die AWA vertrat diese drei Berufsgruppen, also Textdichter:innen, Verleger:innen und Komponist:innen. Außerdem hatte die AWA bilaterale Verträge mit 36 Urheberrechtsgesellschaften in 25 Ländern und war somit auch als internationale Verwertungsgesellschaft anerkannt.

    In unserem Gespräch konnten wir durchaus einige Unterschiede und Gemeinsamkeiten zwischen beiden Verwertungsgesellschaften feststellen. Es gab jedoch, insbesondere in Bezug auf die Arbeitsweise und die Struktur, keine grundlegenden Unterschiede zwischen der AWA und der GEMA – entgegen meiner Annahmen. Ein wesentlicher Unterschied bestand jedoch darin, dass die Schutzfrist, also die Frist innerhalb derer die Urheber:innen für ihre Werke vergütet werden, bei der AWA 50 Jahre und bei der GEMA 70 Jahre betrug. Dies hat sich nach der Wende positiv für die Urheber:innen der ehemaligen DDR ausgewirkt, da ihre Werke nach Beitritt in die GEMA länger geschützt wurden. Die AWA hat auf regionaler Ebene Pauschalverträge z.B. mit dem Deutschen Sportbund oder Parteien geschlossen, wie auch die GEMA heute Pauschalverträge, z.B. mit Parteien oder YouTube hat. Die oben erwähnten Musikfolgen mussten schon damals auch in West-Deutschland vom Veranstaltungsbetreiber ausgefüllt und an die GEMA geschickt werden. Bei der AWA geschah übernahm das das Ordnungsamt, die AWA stellte die entsprechenden Lizenzen aus. Ein weiterer Unterschied war, dass es bei der AWA keinen Betriebsrat gab, der sich für die Belange der Belegschaft eingesetzt hätte. Bei den Mitarbeitenden wurde der Wunsch nach einem Betriebsrat immer größer. Glücklicherweise hat sich dies nach der Wende schnell ergeben.

    Wie war bei der AWA die Vergütung geregelt? Sie erfolgte nach demselben Prinzip wie bei der GEMA. Die angemeldeten Werke wurden zunächst gelistet. Nach einem festgelegten Punktesystem hat die AWA dann die entsprechenden Tantiemen an die Künstler:innen im In-und Ausland ausgezahlt. Auf der Grundlage der genannten internationalen Verträge konnte die AWA auch die Rechte von DDR-Musikschaffenden im Ausland schützen. Wurden z.B. „Die Puhdys“ im Westen gespielt, haben diese einen prozentualen Anteil in Devisen-Valuta ausbezahlt bekommen. Valuta war ein übergreifendes Zahlungsmittel in der DDR.

    Hat man für die Arbeit bei der AWA eine spezielle Ausbildung gebraucht? Nein. Wie bei der GEMA war keine bestimmte Ausbildung vorausgesetzt. Die AWA hatte rund 300 Mitarbeitende. In 8 Bezirksdirektionen wurden ca. 15-20 Mitarbeitende beschäftigt. Im Vergleich dazu hatte die GEMA damals ungefähr 1.200 Mitarbeitende. Heute arbeiten bei der GEMA mehr als 1.000 Mitarbeitende.

    Fazit

    Für mich war das Gespräch sehr wertvoll. Meine Erwartung war, dass zwischen GEMA und AWA viel größere Unterschiede bestanden. Konzepte und Arbeitsweise ähnelten sich jedoch sehr. Trotzdem sind die Leitmotive des DDR-Staatsapparates in der AWA verwirklicht worden. Meine Gesprächspartnerin hat die Zeit bei der AWA als sehr positiv empfunden und denkt heute noch nicht ungern daran zurück. Die AWA ist ein gutes Beispiel für das „mediale Erbe der DDR“. Nicht zuletzt deshalb, weil viele ehemalige AWA-Bands heute noch von der GEMA vertreten werden.

    Literatur:

    Manuela Maria Schmidt, Karl Riesenhuber, Raik Mickler: Geschichte der musikalischen Verwertungsgesellschaften in Deutschland. In: Reinhold Kreise, Jürgen Becker, Karl Riesenhuber (Hrsg.). Recht und Praxis der GEMA. Handbuch und Kommentar. Berlin: De Gruyter 2008. S. 5-24.

    Erich Schulze: Urheberrecht in der Musik. Berlin: De Gruyter 1981.

    Empfohlene Zitierweise:

    Christina Zander: Die “GEMA” des Ostens? Zur AWA, der musikalischen Verwertungsgesellschaft der DDR. In: Michael Meyen (Hrsg.): Das mediale Erbe der DDR 2022. https://medienerbe.hypotheses.org/3527.

    #DDR #droit_d_auteur #histoire #musique

  • DDR-Geschichte : Abenteuer mit der Freundschaftsbrigade in Afrika
    https://www.berliner-zeitung.de/politik-gesellschaft/ddr-geschichte-abenteuer-mit-der-freundschaftsbrigade-in-afrika-li.

    L’état socialiste allemand poursuivait une politique d’aide au développement solidaire. Des milliers de jeunes diplomés y participaient et construisaient des logements et d’autres infrastructures. A la fin d’un projet les partenaires locaux en prenaient la gestion autonome. L’auteure raconte son expérience personnelle .


    Fast 13.000 Lastwagen W50 lieferte die DDR nach Angola, manche rollen noch heute. Hier zwei Exemplare im Jahr 2020 in der Stadt Calulu.

    14.1.2024 von - Maritta Adam-Tkalec - Ein Weg in die Welt führte für etliche Tausend junge Leute nach Asien, Afrika und Lateinamerika – für viele Monate zur Entwicklungshilfe. Was für eine Erfahrung!

    Die Freie Deutsche Jugend musste ran, sobald die DDR Außerordentliches anging – ob der Bau einer Erdgastrasse in der Sowjetunion, des Zentralflughafens Berlin-Schönefeld, des Kernkraftwerks Lubmin oder der Umbau der alten Berliner Mitte zur repräsentativen DDR-Hauptstadt.

    Zentrale Jugendobjekte profitierten von der Allgegenwart der FDJ, die über straffe Strukturen für solche klar definierte und zeitlich begrenzte Projekte verfügte.

    Solche Großvorhaben setzten natürlich auch auf die Begeisterungsfähigkeit junger Leute, in der Anfangszeit der DDR mit Riesenerfolg. Dem Aufruf zur Aktion „Max braucht Wasser“ 1949 folgten 2400 Jugendliche und bauten eine Wasserleitung von der Saale zum Stahlwerk Maxhütte in Unterwellenborn. Die Schüler und Studenten schliefen in Güterwagen mit Kanonenöfen und legten die fünf Kilometer lange Leitung binnen 90 Tagen.

    Im Geiste dieses legendären Vorbilds zogen 1964, vor 60 Jahren, die ersten FDJ-Freundschaftsbrigaden in junge Nationalstaaten. Sie sollten Dörfer aufbauen, aber auch von der Solidarität der DDR mit den ehemals kolonial unterdrückten Völkern künden – als Botschafter im Blauhemd. Entsandt wurden keineswegs allein von Idealismus getriebene Laien, sondern qualifizierte und nach persönlicher Eignung ausgewählte Leute – SED-Mitgliedschaft erwünscht, aber es ging auch ohne.
    Freundschaftsbrigaden aus der DDR in 26 Staaten

    Die ersten reisten als Agrarberater ins 1960 unabhängig gewordene Mali, kurz darauf begann eine Brigade in Algerien mit dem Wiederaufbau eines im Unabhängigkeitskampf gegen Frankreich zerstörten Ortes. 1966 ging eine Brigade an den Aufbau eines Musterdorfes in Sansibar, samt einer Berufsschule für Schlosser, Klempner sowie Tischler und einer Moschee.

    „Über ein Vierteljahrhundert lang arbeiteten wir in 26 Staaten an mehr als 40 Standorten und halfen mit, dort aus der Jugend Tausende eigene Fachleute für die Wirtschaft auszubilden“, schreibt eine Gruppe ehemaliger Brigadisten zu Beginn des Jahres 2024 zum 60. Jahrestag an einstige Mitaktivisten.


    Straße mit DDR-Plattenbauten in Sansibar – Ergebnis der Arbeit einer FDJ-Freundschaftsbrigade imago

    Diese Einsätze in Asien, Afrika und Lateinamerika sind heute wenig bekannt. Die nach der Wende verfassten, dürftigen Studien fallen hoffnungslos einseitig aus. Zumeist fußen sie auf bürokratischen Arbeitsberichten oder auf den in der Regel als ideologischer Kulissenzauber produzierten „Brigadetagebüchern“.

    Die ehemals Beteiligten erinnern sich an Schönes und Schwieriges: „Im engen freundschaftlichen Kontakt – oft weit entfernt von den Zentren der Einsatzländer und unter komplizierten Bedingungen mit einfachen Mitteln – gaben wir mit großem persönlichem Einsatz unsere beruflichen Erfahrungen und Fähigkeiten aus dem Bauwesen, dem Handwerk, dem Gesundheitswesen und der Landwirtschaft an unsere jungen, wissbegierigen Freunde vor Ort weiter.“ Einsatzbereitschaft auch über die Aufgabe hinaus und Bescheidenheit verschafften den Brigaden hohes Ansehen – zumindest hört man das noch heute aus den Gastländern.

    In Angola arbeiteten mehr als 20 Jahre lang Hunderte Kfz-Schlosser, -Elektriker, -Klempner, Fahrschullehrer, auch einige Ärzte und Krankenschwestern. Die Autorin dieses Textes war als Dolmetscherin von Juli 1978 bis März 1979 dabei, davon fünf Monate in der südlichen Basis Lobito, eindrucksvoll gelegen zwischen Gebirge, Wüste und Atlantik. Das größte denkbare Abenteuer ihrer bis dahin 22 DDR-Lebensjahre.

    Abenteuerlust, Neugier auf die ganz andere Welt da draußen und die Aussicht, dauerhaft Reisekader zu werden – das nennt auch Roland Scholz, von 1978 bis 1988 (mit Unterbrechung) Leiter der Zentralen Einsatzleitung der Brigaden in Angola, als Hauptmotive für die Entscheidung, sich für viele Monate, ohne Familie in unkomfortable Lebensumstände zu begeben, in Mehrbettzimmer, große Hitze, meist ohne Klimaanlage, mit instabiler Wasser- und Stromversorgung – und Myriaden von Malariamücken.


    Auch nach dem Ende der DDR arbeitete das Krankenhaus Carlos Marx in Managua weiter. Es war 1985 als eines der größten Solidaritätsprojekte der DDR gegründet worden. 2008 reiste Margot Honecker aus ihrem Exil in Chile zum Besuch an.Esteban Felix/AP

    Angola wuchs zu einem der größten Einsätze von Freundschaftsbrigaden. Doch die Zuständigkeit lag bis 1986 gar nicht beim Zentralrat der FDJ, sondern in den Händen von Fachministerien (Verkehr und Maschinenbau). Auch rührte der Einsatz nicht allein aus dem Motiv, Angola nach dem Ende der portugiesischen Kolonialmacht 1975 zu helfen.

    Die DDR hatte handfeste Interessen: politische, weil sich die neue Führung Angolas für einen sozialistischen Weg offen zeigte, und wirtschaftliche. Die Kaffeepreise auf dem Weltmarkt waren 1977 extrem gestiegen, die devisenschwache DDR litt und das Volk murrte, weil es nicht genug „guten Bohnenkaffee“ gab. Angola verfügte über erstklassige Kaffeeanbaugebiete. Statt „Max braucht Wasser“ galt nun „Heinz und Erika brauchen Kaffee“.

    Als der Kaffee in der DDR plötzlich eine teure Mangelware wurde

    Reiseweltmeister DDR: Von wegen Urlaub im Zwangskollektiv

    1977 fädelte Werner Lamberz, Mitglied des SED-Politbüros, den Deal Kaffee gegen Lastwagen aus Ludwigsfelde ein, was einer Direktumwandlung von DDR-Mark in Dollar gleichkam. Allradgetriebene W50, geeignet für den Einsatz in gebirgigen Kaffeeplantagen, hatte man auf Lager – Restbestände von Militärlieferungen, ursprünglich für Verbündete in der arabischen Welt produziert, daher die saharagelbe Lackierung. Seinerzeit munkelte man, sie seien für den Einsatz im Jom-Kippur-Krieg 1973 gedacht gewesen. Das hieße: im Aggressionskrieg gegen Israel.

    Den Lkw-Service in Angola sollten die Freundschaftsbrigaden etablieren und obendrein Kaffeeschälmaschinen reparieren – alles schnell, improvisierend, kostengünstig. Wer als Brigadist nach Angola wollte, sollte neben der Fachqualifikation auch Grundwehrdienst geleistet haben, tropentauglich, verheiratet und Parteimitglied sein. In meiner Brigade erfüllten die wenigsten die letzten beiden Punkte. Auch ich nicht – ledig, parteilos.

    Westgeld für zu Hause

    Das Gehalt (plus Tropenzuschlag) wurde zu Hause gezahlt, Unterkunft und Verpflegung hatte laut Vertrag der angolanische Staat zu stellen, dazu ein Taschengeld in der Landeswährung Kwanza im Gegenwert von 90 US-Dollar pro Monat. Wer das nicht verbrauchte, konnte es als Devisengutschein nach Hause transferieren. Das machten alle. Für die Privatkasse betrieb jeder je nach Talent einen (DDR-offiziell streng verbotenen) Tauschhandel. Billige Ruhla-Armbanduhren waren der Renner.

    Zum Vorteil für alle geriet die in der „ersten Heimwerkerdiktatur auf deutschem Boden“ (so ein namhafter Historiker) antrainierte Fähigkeit zum Improvisieren. Also: mit wenig oder nur halb passendem Material kreativ umgehen und das fehlende zu „organisieren“. Für Schlosser einer Autowerkstatt in Angola waren Schrottplätze und Unfallstellen solche Quellen. Dort lagen Ersatzteile – leider auch in kurz nach der Lieferung verunfallten W50.

    Bildstrecke


    _Völkerfreundschaft live: Der kubanische Koch (Mitte) aus der Nachbarschaft hat gefüllte Tintenfische serviert. Dolmetscherin Maritta hats geschmeckt. Maritta Tkalec


    Brigadist vor FDJ-Fahne im Gemeinschaftsraum der Basis Lobito. Maritta Tkalec


    Unterkunft der FDJ-Brigade Lobito, vom Atlantikstrand aus gesehen, ehemals Wohnungen portugiesischer Postbeamter. Maritta Tkalec


    Weihnachten 1978/79 am Atlantikstrand, eine eher traurige Versammlung Maritta Tkalec


    Der Schriftsteller Jürgen Leskien, der die Arbeit der Brigade einige Monate lang begleitete, schenkt Hochprozentiges aus. Maritta Tkalec

    Ansonsten floss viel Energie in den Alltag: Sauberes Wasser herbeischaffen, Moskitonetze und Stromgenerator erzwingen, Bananenkisten durch ein paar Möbelstücke ersetzen, Kontakt zur Brauerei pflegen, denn Bier hebt die Laune in jedem Schützengraben und diente in Angola als Tauschwährung. Der Bauer des Ananasfeldes mit köstlichen Riesenfrüchten nahm gerne Bier, während der deutsche Farmer, seit Jahrzehnten ansässig im Hochland von Gabela, sich über ein Neues Deutschland freute.

    Vom Mut des jeweiligen Basisleiters hing ab, wie viel Abenteuer möglich war: Ausflüge ins Umland, in atemberaubende Landschaften, in abgelegene Dörfer, mit dem kubanischen Krabbenfischer auf den Atlantik, zur nächtlichen Festa mit Trommeln unter Palmen, der Besuch in der Zaubermittel-Apotheke eines Heilers. Wer zu Hause von solchen Erlebnissen berichten konnte, war der beneidete Star der Familienfeier.

    Für die Partei- und Jugendarbeit gab es in Luanda zwei Verantwortliche, aber Lobito lag Hunderte Kilometer weit weg. Als sie uns besuchten, hing natürlich im „Wohnzimmer“ die gebügelte FDJ-Fahne. Das Verbot, über die Arbeitskontakte hinaus keine Beziehungen in die Bevölkerung hinein zu pflegen, unterhöhlte die propagierte Grundidee von der Freundschaft der Völker, ließ sich aber umgehen.

    Roland Scholz erinnert sich an die politische Stimmung der Brigadisten: „Der Solidaritätsgedanke war nicht motivierend. Und von FDJ war da anfangs noch gar nichts.“ Dennoch: Die Bereitschaft, den angolanischen Nachbarn zu helfen, den Werkstattkollegen etwas beizubringen war groß – Ehrensache ebenso wie der reparierte Motor, auch wenn es mal über den Feierabend hinausging.


    W50 als Busersatz im kubanischen Baracoa. Auch in Kuba arbeitete eine Freundschaftsbrigade. Sarang/CC0 1.0 Universal

    Immer wieder rückten wir camaradas alemães aus zu Sonderaktionen am Wochenende oder wenn die örtliche Verwaltung ein besonders großes Problem hatte. Zu offiziellen Anlässen wie Kundgebungen an Feiertagen oder Kulturereignissen erschienen wir im Blauhemd. Man war froh über jede Abwechslung.

    Heimweh und Seelenkasper

    Und nicht jeder blieb in den langen Monaten fern von zu Hause – ohne Telefon und nur alle vier Wochen Postlieferung – psychisch stabil. Da konnten die Palmen noch so rauschen und der Atlantik in der Sonne blitzen: Zu Weihnachten kam zum Heimweh der Seelenkasper, nach reichlich Bier flossen auch die vom Vater oder Opa gehörten Landsersprüche. Ansonsten erlebten wir eine Region im Krieg. Die Rebellenorganisation der Unità überfiel Transporte, zündete Bomben vor Krankenhaus und Volksladen. Es galt nächtliche Ausgangssperre. Kubanische Militärs wohnten in der Nachbarschaft.

    In den DDR-Zeitungen, die über die Freundschaftsbrigaden berichteten, fehlte das Wort „Solidarität“ niemals – dennoch blieben die Texte überwiegend in offiziösem und emotional trockenem Tonfall. Unkontrollierte Begeisterung für Abenteuer in Afghanistan, Somalia, Guinea-Conakry oder Kuba zu wecken, lag offenbar nicht in der Absicht. Dafür bekamen wir den vermessenen Anspruch zu hören, man stehe als Brigadista gemeinsam mit den natürlichen Verbündeten in den Entwicklungsländern an „vorderster Front im Kampf für den weltweiten Übergang vom Kapitalismus zum Sozialismus/Kommunismus“.

    Gleichwohl: Die Männer der DDR-Führung meinten es mit der Botschaft der Brigaden – Internationalismus und Solidarität – ernst. Bei Begegnungen mit Vertretern junger Nationalstaaten gingen ihnen die Herzen auf. Auch die Taschen. Als Dolmetscherin habe ich das erlebt: Wenn DDR-Offizielle Afrika besuchten, brach sich sentimentale Erinnerung an die Träume der eigenen Jugend Bahn. Wirtschaftlich ertragreich arbeiteten die Freundschaftsbrigaden nicht. Doch sie brachten Renommee – wichtig in den Jahren, als die DDR um staatliche Anerkennung kämpfte, dann bei Abstimmungen in der Uno und schließlich bei der Suche nach Wirtschaftspartnern.

    Die DDR kannte sich aus im Metier Berufsausbildung; und jeder hielt das für nützlich und sinnvoll. Die Partner wussten, dass die DDR-Brigaden mit Plan und Auftrag auch in entlegenen Gegenden arbeiteten, koordiniert und nicht nach dem Gießkannenprinzip.

    Der Berliner Afrikaspezialist Professor Ulrich van der Heyden hat in seiner Studie „Freundschaftsbrigaden, Peace Corps des Ostens“ die Strategie der Berufsausbildung beschrieben: die Besten aus den Berufsausbildungszentren zur Lehrmeisterausbildung in die DDR schicken, nach deren Rückkehr Übernahme der Projekte in lokale Hände.

    Das Ziel bestand von vornherein darin, sich wieder aus dem Projekt herausziehen, statt dauerhafte Abhängigkeiten zu erzeugen. Vorbildlich im Sinne der Hilfe zur Selbsthilfe. In den wenigen Projekten, die nach der Wiedervereinigung vom DED (Deutscher Entwicklungsdienst) übernommen wurden, verloren die Ortskräfte die Verantwortung. Dies erfuhr Ulrich van der Heyden von einer DED-Mitarbeiterin. Die DDR-Erfahrung interessierte nicht mehr.

    #histoire #DDR #RDA #Angola #FDJ #tier_monde #Afrique #solidarité_internationale

  • Der größte DDR-Hit und die wahre Geschichte dahinter: „Über sieben Brücken musst du gehn“
    https://www.berliner-zeitung.de/open-source/peter-maffay-herbert-dreilich-ueber-sieben-bruecken-karat-sozialism


    Peter Maffay und Herbert Dreilich, Sänger von Karat, singen gemeinsam „Über sieben Brücken musst du gehn“.

    12.1.2024 von Werner Fritz Winkler - Ein Schriftsteller auf einer Großbaustelle, eine Liebe zwischen Polen und der DDR, ein Film-Song, der nicht erscheinen sollte: Das ist die Geschichte der Karat-Ballade.

    Für nicht wenige Ostdeutsche ist das Lied „Über sieben Brücken musst du gehn“ eine Art Hymne. Quasi ein Symbol ostdeutscher Lebensleistung, die eng mit ihrem Leben, ihren Gefühlen und ihrer Sozialisierung verbunden ist. Dagegen sind noch immer nicht wenige „Altbundesbürger“ überrascht, wenn sie erfahren, dass der Hit nicht von Peter Maffay getextet und komponiert wurde.

    Die beiden Hauptakteure, der Literat Helmut Richter sowie der Musiker und Komponist Ulrich „Ed“ Swillms, denen wir diese Rock-Ballade verdanken, weilen nicht mehr unter uns. Sie starben am 3. November 2019 bzw. am 27. Juni 2023. Aber bis heute lassen sich die einzigartige Geschichte und die emotionalen Erinnerungen an dieses Lied, das bisher in 30 Sprachen übersetzt und von mehr als 100 Interpreten gesungen wurde, fortschreiben. Die Geschichte des Liedes ist zugleich auch ein Zeugnis der Widersprüche und Konflikte, mit denen Künstler der DDR umgehen mussten.

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    Im Frühjahr 1967 erhält der seit drei Jahren freiberuflich tätige Journalist und Schriftsteller Helmut Richter eine Einladung in das Leipziger Ernst-Thälmann-Haus, dem Sitz des FDGB. Dort wird ihm vom Kultursekretär ein Vertrag für ein Auftragswerk vorgelegt. Die Zielstellung lautet: Literarische Begleitung der Arbeit auf der Großbaustelle des Braunkohlenkraftwerks Thierbach. Dessen Bau ist ein Gemeinschaftsprojekt des Rates für Gegenseitige Wirtschaftshilfe (RGW), dem Gegenstück des Ostblockes zur EWG, der heutigen Europäischen Union. Die Kraftwerksbauer nehmen den „Schreiberling“ für mehre Monate bei sich auf.

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    Helmut Richter: Er schrieb „Über sieben Brücken musst du gehn“

    Auf dieser Vertrauensbasis entstehen mehrere Reportagen. Sie handeln von der Zusammenarbeit, dem Zusammenleben und den Problemen der polnischen, sowjetischen, ungarischen und deutschen Arbeiter und Ingenieure auf der Baustelle und darüber hinaus. Aber auch von Missständen berichtet er. Und er schreibt von der jungen Liebe zwischen dem polnischen Brigadier Roman und einer Deutschen. Sie wollen heiraten, doch die Hochzeit platzt. Diese Episode beschäftigt Richter auch Jahre später noch.

    Das Braunkohlenkraftwerk Thierbach während des Baus.

    Sofortige Beachtung finden seine Schilderungen des Alltags und vom Miteinander der unterschiedlichen Nationalitäten auf der Großbaustelle. Im Rundfunk werden Lesungen gesendet. Der mit 15.000 DDR-Mark dotierte FDGB-Literaturpreis ist im Gespräch. 1969 erscheinen die Reportagen unter dem Titel „Schnee auf dem Schornstein“ in einem kleinen Taschenbuch im Mitteldeutschen-Verlag. Geplant als „Schwerpunkttitel“ zu Ehren des 20. Jahrestages der DDR. Auflagenhöhe: 5000 Stück. Das gelb-schwarze Büchlein ist überall im Angebot, auch im Buchladen im ZK der SED.

    Von dort ziehen Anfang September 1969 plötzlich dunkle Wolken auf. Der Grund: Mitarbeiter der Abteilung Maschinenbau und Metallurgie finden das Buch nicht linientreu. Nach ihrer Überzeugung wird über „Ereignisse vom Aufbau des KW Thierbach ohne Wahrung des Vertraulichkeitsgrades ausführlich berichtet“ und Probleme der Zusammenarbeit der RGW-Länder nicht „wahrheitsgemäß“ geschildert. Des Weiteren sind sie der Auffassung, die „Klassenwachsamkeit“ wird nicht eingehalten und Staats- und Wirtschaftsfunktionäre werden verunglimpft. Die Information geht zunächst an den ZK-Sekretär für Wirtschaft, Günter Mittag. Wenig später erhält sie auch Erich Honecker, damals schon der zweitmächtigste Mann im Parteiapparat.

    Nach einer teilweise kontrovers geführten Diskussion setzen sich Ende November 1969 die Hardliner durch. Das Buch wird aus dem Handel genommen. Die noch vorhandenen 1600 Exemplare im Lager des Leipziger Kommissions- und Großbuchhandels werden eingestampft. Auch das in der Deutschen Bücherei in Leipzig hinterlegte Belegexemplar darf nicht mehr ausgeliehen werden.

    Für Helmut Richter folgt eine Zeit der großen Enttäuschung. Richter ahnt zu diesem Zeitpunkt nicht, dass die in Kritik geratenen und verbotenen Reportagen zur Triebfeder für sein größtes literarisches Werk und zu einer deutschsprachigen Rockballade werden. Die Erlebnisse auf der Thierbacher Großbaustelle lassen ihn nicht los. 1975 entsteht die deutsch-polnische Liebesgeschichte „Über sieben Brücken musst du gehn“.


    Helmut Richter im Jahr 2002.

    Die Kritik an Richter hält jedoch weiter an. Seine Arbeiterfiguren und realistischen Beschreibungen der gelebten Freundschaft der sozialistischen Bruderländer werden als „problematisch“ eingeschätzt. Mitte der 70er-Jahre verschärft sich das politische Klima in der DDR. Die ersten 10.000 DDR-Bürger stellen einen Antrag auf Ausreise. Der Liedermacher Wolf Biermann wird 1976 ausgebürgert und wenig später siedelt Manfred Krug in die BRD über. Ein anderes, weltoffeneres Erscheinungsbild zeigt dagegen die Volksrepublik Polen. Auf Märkten werden amerikanische Jeans, Schallplatten, die in der DDR nicht erhältlich sind, und sogar Symbole der amerikanischen GI aus dem Vietnamkrieg angeboten. Der politisch verordnete Freundschaftsgedanke wird vom Ansturm auf diese Waren überlagert.

    Ed Swillms von Karat: Wie der Song komponiert wurde

    Der DDR-Fernsehfunk erhält deshalb den Auftrag, möglichst schnell einen Film zum Thema Freundschaft mit dem polnischen Volk zu machen. 1976 kauft er überraschend die Rechte an Richters Liebesgeschichte. Der bis vor kurzem noch geschmähte Literat darf das Szenarium für den Film mit den Hauptfiguren Gitta Rebus, einer deutschen Chemielaborantin, und dem polnischen Bauarbeiter Jerzy Roman schreiben. Ort der Handlung sind das Braunkohlenveredlungswerk Espenhain, im Film Zaspenhain genannt, und die Thierbacher Großbaustelle. Verknüpft werden das während des Zweiten Weltkrieges in dieser Region erlittene Schicksal polnischer Zwangsarbeiter und die Nachwirkungen auf eine deutsch-polnische Liebesbeziehung in der Gegenwart.


    Die Band Karat. Ganz links: Ed Swillms.

    Gedreht wird der Film in Hagenwerder bei Görlitz, Pößneck in Thüringen und in Borna bei Leipzig. Die Regie für den Film führt Hans Werner. Es ist sein erster Film. Bisher hat er als Regieassistent des Erfolgsregisseurs Lothar Bellag („Daniel Druskat“) gearbeitet. Der hatte „keinen großen Bock“ auf diesen Film und meldete sich krank. Trotz der vielen ungeklärten Probleme nutzt Werner diese Chance. Sofort hat er eine große „Baustelle“: Es gibt noch keine Filmmusik. Viele der damals populären Komponisten werden angefragt. Doch keiner hatte Zeit oder Lust.

    Werner bringt schließlich den Keyboarder und Komponisten der jungen Rockband Karat, Ulrich „Ed“ Swillms, ins Gespräch. Dieser braucht etwa 14 Tage, bis er die zündende Idee hat. Schließlich wird das Ganze über den Preis, 4000 Westmark, auf den Weg gebracht. Erst am Ende der Dreharbeiten entsteht die Idee, dem Film einen Titelsong zu geben. Die Textzeile „Über sieben Brücken musst du geh’n“ soll ihn emotional aufwerten. Richter stellt sich dieser Herausforderung. Er hat bis dahin noch nie einen Songtext geschrieben. Die Erinnerungen an sein eigenes Schicksal sind ihm hilfreich. Er kam 1945 als Flüchtlingskind aus Tschechien nach Deutschland.


    Karat bei einem Auftritt 1976.

    Ende 1977 wird die Rockballade unter ungünstigen Bedingungen in einem Studio in Berlin-Grünau produziert. Sänger ist Herbert Dreilich (verstorben am 12.12.2004) der Frontmann von Karat. Die Übergabe des Demobandes erfolgt bei einem Treffen im Interhotel Gera. Mehr scherzhaft sagt Helmut Richter nach dem ersten Anhören: Das wird ein Welthit. Am Abend des 30. April 1978 wird der Film im Ersten Programm des Fernsehens der DDR erstmals ausgestrahlt. Völlig überraschend laufen unmittelbar nach dem Abspann in Adlershof die Telefone heiß. Die Anrufer, darunter auch 28 aus West-Berlin und der BRD, wollen wissen, wann und wo es die Schallplatte mit dem Titelsong zu kaufen gibt.

    Peter Maffay bittet um Erlaubnis für eine Coverversion

    Um das zu erreichen, müssen wiederum einige DDR-typische Hürden genommen werden. Es wird die Meinung vertreten, Text und Musik seien zu sentimental und es gebe Titel, die die Ziele des Sozialismus besser widerspiegeln. Zu den prominenten Befürwortern gehört die einflussreiche Autorin Gisela Steineckert. Als die Platte endlich gepresst ist und in den Handel kommen soll, fehlt es im Druckhaus Gotha an der roten Farbe für das Plattencover. Sie war wegen des Druckes der vielen Plakate für den 1. Mai ausgegangen. Noch im selben Jahr siegt die Gruppe Karat mit dem Lied beim Internationalen Schlagerfestival in Dresden. Eine Teilnahme des Filmes bei einem renommierten Festival in Prag wird dagegen von den DDR-Oberen verhindert. Der Grund: Die Schauspielerin Barbara Adolf, Darstellerin der Mutter von Gitta Rebus, ist im selben Jahr in die BRD übergesiedelt. Bei der Abnahme des Films kommentiert der anwesende Karl-Eduard von Schnitzler („Der schwarze Kanal“) den Satz „Ich gehe hier nicht weg!“ ihrer Figur mit den Worten: „Jetzt hat sie es sich wohl anders überlegt.“


    Karat bei der „ZDF-Hitparade“ 1982.

    Der Erfolgsgeschichte des Titelsongs konnten diese ideologischen Machtspiele nichts anhaben. 1979 erscheint von Karat das Album „Über sieben Brücken“, welches wenig später unter dem Namen „Albatros“ in der BRD veröffentlicht wird. Insgesamt liegen die Verkaufszahlen in den folgenden Jahren in Ost und West fast bei einer Million. Als Peter Maffay den Song zum ersten Mal im Rundfunk hört, ist er sofort begeistert und bemüht sich um Kontakt zu Karat. 1980 trifft er die Gruppe bei einem Konzert in Wiesbaden. Er bittet sie um Erlaubnis für eine Coverversion. Karat willigt ein und Maffay arrangiert das Lied neu. Die markanteste Veränderung wird das Saxofon-Solo. Der Song erlangt in dieser Version eine noch größere Bekanntheit. Maffays Album „Revanche“ verkauft sich mit dem Titel über zwei Millionen Mal. Ab 1990 singen Maffay und Karat ihn auch bei gemeinsamen Auftritten.

    Weitgehend unbekannt geblieben ist – die Hauptfiguren Gitta und Jerzy sind keine Erfindung. Sie gab es tatsächlich. Beide trugen im Film und der ihm zugrundeliegenden Liebesgeschichte nur andere Namen. Sie arbeiteten und wohnten einige Jahre in der Industriegemeinde Espenhain. Im Unterschied zum Film haben beide geheiratet und ein gemeinsames Kind. Später ziehen sie nach Hoyerswerda. Die Beziehung hält nicht und er kehrt nach der Trennung in seine Heimat zurück. Nur die Geschichte, dass die Figur Jerzy das Kind von polnischen Zwangsarbeitern ist, welches in Espenhain zur Welt kam und dessen Vater dort starb, hat Richter frei erfunden.

    Ostdeutsche Identität: „Im Westen wird auch nur mit Wasser gekocht“

    Ideologie und Urlaubsreisen in der DDR: Welche Rolle spielten die FDGB-Gewerkschaften?

    Bis ins hohe Alter hielt Helmut Richter freundschaftliche Verbindungen zu den Menschen aus der Kohleregion im Süden von Leipzig. Sein Grabstein aus Rochlitzer Porphyr auf dem Gohliser Friedhof in Leipzig trägt die Inschrift „Über 7 Brücken musst du gehn“. Wenige Tage vor Weihnachten 2023 hat der Leipziger Schriftsteller Ralph Grüneberger Richters Leben und Werk in einem sehr persönlichen Filmporträt („Über sieben Brücken. Helmut Richter“) der Öffentlichkeit präsentiert.

    Werner Fritz Winkler lebt im Leipziger Südraum und kannte Helmut Richter persönlich. Er erinnert mit Vorträgen an den Film und das Lied „Über sieben Brücken musst du gehn“.

    #histoire #DDR #RDA #Allemagne #culture #musique #politique

  • „Ein anderes Land“ im Jüdischen Museum Berlin : Eine Ausstellung ohne Realitätsbezug ?
    https://www.berliner-zeitung.de/open-source/berlin-ddr-osten-ein-anderes-land-im-juedischen-museum-eine-ausstel

    La nouvelle exposition sur les juifs en RDA du musée juif à Berlin est un bel example pour la distortion systématique et les cibles manquées à cause d’une perspective occidentale capitaliste. Par exemple on n’y trouve pas de réponse à la question pourquoi une partie des juifs opta pour un retour dans l’Allemagne socialiste alors qu’ils n’étaient pas communistes. Apparamment l’exposition évite la moindre référence à la question de la qualité et sincérité de l’antifascisme dans les deux états allemands. On n’y trouve pas non plus d’explication de l’apport des juifs à la vie, à la justice et la politique en RDA.

    Cette perspective biaisée marque également le catalogue de l’exposition qui peut être intéressant quand même á cause du grand nombre d’objets et informations contenus.

    3.9.2023 von Ellen Händler - Unsere Autorin hat die Ausstellung „Ein anderes Land – jüdisch in der DDR“ besucht – und hatte danach mehr Fragen als zuvor.

    Blick in die Ausstellung „Ein anderes Land“ im Jüdischen Museum
    Blick in die Ausstellung „Ein anderes Land“ im Jüdischen Museum
    Emmanuele Contini/imago

    Die Ausstellung „Ein anderes Land – jüdisch in der DDR“ habe ich mit Sehnsucht erwartet und war gleichzeitig in großer Sorge, wie man dieses schwierige Thema unserer Geschichte – die bewusste Entscheidung der überlebenden Juden und Jüdinnen, ein anderes antifaschistisches Deutschland aufzubauen – bewältigt.

    Meine Sorge war nicht unberechtigt. Trotz allem bedanke ich mich bei den Kurator:innen, dass sie sich dieser schwierigen Aufgabe gestellt haben. Allerdings sehe ich essenzielle Defizite in der Ausstellung.

    Davon ausnehmen möchte ich den Beginn mit dem Transparent und dem Zitat zum Titel der Ausstellung sowie die Kinderhymne von Brecht/Eisler. Der Start ist gelungen. Was die Ausstellung nicht leistet, findet man etwas differenzierter im Katalog. Dafür danke ich besonders. Aber eine Ausstellung lebt eben zunächst von der visuellen und gehörten Wahrnehmung. Viele Lücken bleiben auch trotz des Katalogs offen.

    Das „andere Jüdische“ wird nicht gezeigt

    Die Chance, die Vielfalt und Widersprüchlichkeit, eben das „andere Jüdische“ zu zeigen, wurde vertan.

    Meine Grundkritik: Die Ausstellung ist unter dem Blick des Scheiterns der DDR, des Widerstandes oder der Schwierigkeiten des jüdischen Lebens in der DDR gestaltet. Das, was das „andere“ war, was die Überlebenden, die Remigranten gerade in die DDR zog und sie am Aufbau dieses anderen Deutschlands fesselte, abstieß oder anspornte, es anders zu machen, und sie nicht vor den Widersprüchen wegliefen, wird einfach nicht deutlich.

    Besucher während der Vorbesichtigung der Ausstellung
    Besucher während der Vorbesichtigung der Ausstellung
    Emmanuele Contini/imago
    Die Ausstellung ist aus der Sicht Westdeutscher, nicht der Ostdeutschen kuratiert. Die weitaus größte Mehrzahl der Porträtierten hatte die DDR verlassen. Chancen von Porträts jüdischer DDR-Persönlichkeiten und Familien, die beides in sich vereinten, Jüdisches und Engagement in der DDR-Politik, wurden vertan.

    Es gibt einige Beispiele für fehlende Informationen in der Ausstellung, die meines Erachtens für Menschen, die nie etwas damit zu tun hatten, wichtig wären. Zum einen stellt sich die Frage, warum die Überlebenden der Zuchthäuser, Konzentrationslager, der Verstecke, die Remigranten in die DDR kamen und nicht in die Bundesrepublik oder ins Ausland gingen.

    Meine Eltern heirateten am 17. März 1945 in London. Sie hatten sich in der dortigen FDJ kennengelernt. Mein Vater war im Internierungslager in Kanada politisiert worden und kam zu der Überzeugung: „Die Nazis dürfen es nicht geschafft haben, Deutschland judenfrei zu machen.“ Deshalb war das Jawort meiner Mutter mit der Zustimmung verbunden, sich von ihrer einzigen überlebenden Verwandten, ihrer Schwester in England, zu trennen und nach Deutschland zu gehen.

    Sie landeten 1946 in Hamburg. Beim NWDR begann mein Vater seine Rundfunkkarriere und wurde gekündigt, weil er in Reportagen fragte: „Was haben Sie oder Ihre Eltern in der Nazizeit gemacht?“ Das durfte man in der Bundesrepublik nicht fragen, aber in der DDR, in die er dann zog.

    Viele Fragen bleiben ungeklärt
    Welche Vorstellungen hatten die Remigranten und Überlebenden vom anderen Deutschland? Antifaschismus, Suche nach den Mördern, Aufklärung über die Verbrechen der Nazis, Leben ohne Antisemitismus und Rassismus, Aufbau eines neuen sozialistischen Deutschlands. Keineswegs alle Verfolgten waren kommunistisch. Das wird geradezu unterstellt, wenn man vom Engagement für die DDR spricht.

    Außerdem bleibt völlig unklar, wie viele es in die DDR zog – obwohl es dazu Publikationen und Archive, beispielsweise der VVN oder des Komitees der Widerstandskämpfer, gibt.

    Eine wichtige Frage, die die Ausstellung auch nicht klären konnte, war, warum sich so wenige in der Jüdischen Gemeinde engagierten. Den Holocaust, die Verfolgung und Vernichtung könne ein jüdischer Gott, wenn es ihn geben sollte, nicht gewollt haben, meinte meine Mutter. Die Jüdische Gemeinde hätte ihr nie geholfen, lediglich englische Quäker retteten sie und ihre Schwester durch Kindertransport. Trotzdem stiftete meine Mutter ihre Erinnerungsstücke dem JMB.

    Zu einseitig?
    Warum wurden für die Ausstellung noch hier lebende jüdische Aktivisten in der Gemeindearbeit nicht befragt? Es leben noch Erzieher und Mitglieder aus den Kinder- und Jugendgruppen oder Juden, die die DDR nicht verließen und die als Zeitzeugen berichten könnten. Gerade die 80er-Jahre waren für die Entwicklung des Umfelds der Jüdischen Gemeinde sehr wichtig. Denn durch den beginnenden Verfall der DDR wurden gerade bei den Kindern und Enkeln der Familien nach Alternativen, nach Identitäten und nach Nischen gesucht. Dazu findet sich nichts in der Ausstellung.

    Was außerdem unbeantwortet bleibt: Was leisteten diese jüdischen DDR-Bürger für die Suche und Aburteilung der Naziverbrecher, für den Antifaschismus, für die Arbeit in den Lagerkomitees, besonders im Auschwitz-, Buchenwald-, Sachsenhausen- und Ravensbrück-Komitee, in der internationalen Organisation der Widerstandskämpfer, in der Gedenkstättenarbeit, für das internationale Ansehen Deutschlands?

    Nur einige Beispiele: Kurt Julius Goldstein, Überlebender der KZ Auschwitz und Buchenwald und Vizepräsident sowie Ehrenvorsitzender des Internationalen Auschwitz-Komitees, hätte porträtiert werden müssen.

    Das betrifft auch Klaus Gysi als Minister für Kultur und späterer Staatssekretär für Kirchenfragen der DDR, der gerade für die Zusammenarbeit von Staat und Gemeinde zuständig war. Auch Friedrich-Karl Kaul mit seinen Prozessen gegen Nazis und seinen Filmen. Mein Vater hatte Kaul als einen der Nebenkläger im Auschwitzprozess beauftragt.

    In der Ausstellung gibt es nur ein Foto von Peter Kirchner, der von 1971 bis 1990 Vorsitzender der Jüdischen Gemeinde von Berlin war. Auch er hätte mit seiner Arbeit porträtiert werden müssen.

    Oder Albert Norden: Hier wurde lediglich dargestellt, dass er Rabbinersohn war und die nach ihm benannte Straße umbenannt wurde. Warum? Was er für die Suche, Auffindung, Entlassung und Verurteilung von SS- und Naziverbrechern leistete, fehlt völlig.

    Fotos von durch die Deutschen und im Krieg zerstörten Synagogen in der Ausstellung
    Fotos von durch die Deutschen und im Krieg zerstörten Synagogen in der Ausstellung
    epd/imago
    Fehlende Darstellung der sozialen Absicherung
    Ein wirkliches Versäumnis ist die fehlende Darstellung der sozialen Absicherung des Lebens der Verfolgten in der DDR. Ja, die DDR gab das Vermögen, weil es verfassungsbedingt Volkseigentum war, leider nicht zurück. Aber sie zahlte monatliche Entschädigungsrenten. Leider – und das muss man hier auch sehr kritisch anmerken – unterteilte sie ideologisch in Verfolgte des Naziregimes und Kämpfer gegen den Faschismus.

    So betrug die Rente für Verfolgte des Naziregimes 1966 600 Mark und stieg bis 1988 auf 1400 Mark. Die Ehrenpension für Kämpfer gegen den Faschismus war höher: Sie lag 1966 bei 800 Mark und 1988 bei 1700 Mark. Im Vergleich dazu betrug das Bruttogehalt in der DDR 1949 290 Mark und stieg bis 1989 auf 1300 Mark.

    Dazu kamen jährlich medizinische Untersuchungen und Kuraufenthalte in eigenen Kurheimen. Die Verfolgten bekamen Wohnungen, Autos und Telefone – Luxusgüter, auf die ansonsten mindestens zehn Jahre gewartet wurde. Deren Kinder erhielten Stipendien und Wohnungen.

    In Berlin wurde außerdem ein Spezialgeschäft mit koscherem Fleisch eröffnet. Nur das wurde erwähnt, aber dazu flog sie monatlich einen Schächter aus Ungarn ein und ließ eine eigene koschere Schächterei auf dem Berliner Schlachthof errichten. Die Westler kauften den Laden mit umgetauschtem Geld schnell leer, sodass die Gemeinde zur Sicherung der Versorgung für ihre Mitglieder Bezugsscheine ausgab.

    Die Ausstellung gibt außerdem keine Auskunft darüber, wie die jüdischen DDR-Bürger in den Verfolgtenorganisationen, in der VVN, dem Komitee der Widerstandskämpfer, in den VdN-Referaten der Stadtbezirke, im Rundfunk, im Fernsehen oder in der Presse arbeiteten. Lediglich die Darstellung des Bereiches Film ist gut vertreten. Doch gibt es auch zu den anderen Bereichen gute Veröffentlichungen, beispielsweise Wolfgang Herzbergs „Jüdisch & links“. Diese hätte gut verwendet werden können.

    Zu guter Letzt fragt sich doch, warum sich so viele jüdische DDR-Bürger vor und nach der Wende im Jüdischen Kulturverein engagierten? Die Ausstellung bezog die Protagonisten leider gar nicht ein.

    Vieles sollen natürlich Interviews, aber vor allem die Begleitprogramme zur Ausstellung leisten. Das ist lobenswert, aber für den Ausstellungsbesucher selbst unbefriedigend, denn auch die Auswahl der Interviewten ist einseitig.

    Letztlich ist mir außerdem völlig unverständlich, warum heutige Bilder und Filmsequenzen in der Ausstellung das andere jüdische Leben von damals in der DDR bezeugen sollen – und was war an dem Film „Coming out“ eigentlich jüdisch?

    Viele meiner Freunde wollen mit mir in die Ausstellung gehen, weil sie hoffen, dort Neues über das „andere Land“ zu erfahren. Da muss ich sie leider etwas enttäuschen.

    Dans le secteur français du site officiel l’institution est appellée "Musée juif de Berlin" alors qu’il ne s’agit pas d’une institution de la ville de Berlin mais d’une fondation publique auprès du gouvernement fédéral. Trous quarts de son budget sont contribués par le Bund. On devrait traduire son nom par "Musée juif à Berlin" parce qu’il n’a aucune relation officielle avec la ville de Berlin apart l’occupation des anciens locaux du Berlinmuseum supprimé au profit du Märkisches Museum et du musée juif .

    Über die Organisation | Jüdisches Museum Berlin
    https://www.jmberlin.de/ueber-die-organisation

    Das Jüdische Museum Berlin hat die Rechtsform einer öffentlich-rechtlichen Stiftung und heißt daher vollständig „Stiftung Jüdisches Museum Berlin“. Die Stiftung dient dem Zweck, jüdisches Leben in Berlin und Deutschland zu erforschen und darzustellen sowie einen Ort der Begegnung zu schaffen.

    Als bundesunmittelbare Stiftung ist das Museum eine eigenständige juristische Person des öffentlichen Rechts. Es ist Bestandteil der so genannten mittelbaren Staatsverwaltung des Bundes. Deshalb gelten – im Unterschied zu privat-rechtlich organisierten Stiftungen – die Regeln der „Öffentlichen Hand“, sodass beispielsweise sämtliche Beschaffungen des Museums den Bestimmungen des Vergaberechts unterliegen.
    Finanzierung

    Die Stiftung Jüdisches Museum Berlin erhält von der Bundesrepublik Deutschland aus dem Etat der Beauftragten der Bundesregierung für Kultur und Medien, die auch die Rechtsaufsicht über die Stiftung ausübt, eine jährliche Zuweisung, die etwa drei Viertel des Gesamtbudgets abdeckt. Die restlichen Mittel werden durch Einnahmen des Hauses erwirtschaftet und durch Spenden aufgebracht.

    Organigramm des Jüdischen Museums Berlin, Stand : Okt 2023
    https://www.jmberlin.de/sites/default/files/organigramm-okt-2023-de.pdf

    Ellen Händler (*1948) – Antifaschismus liegt mir im Blut
    https://nachkommen-netzwerk-berlin.de/ellen-haendler-antifaschismus-liegt-mir-im-blut

    Ich entstamme einer jüdischen Familie, die während der Nazizeit mehr als 80 Angehörige verloren hat. Meine Eltern überlebten, weil ihre Eltern sie als Kinder nach England zu völlig fremden Menschen schickten. Den Zurückbleibenden blieb nur die Hoffnung auf Menschlichkeit, dass wenigstens die Kinder überleben. Meine Eltern kehrten als Waisen nach Deutschland zurück, weil sie sich sagten: Die Nazis dürfen es nicht geschafft haben, dass Deutschland judenfrei ist. Sie wollten sich dafür engagieren, dass so ein Genozid nie wieder von deutschem Boden ausgeht.
    ...
    Wir haben es geschafft, was keiner zur Gründung des Vereins 1990 dachte: Der Bund der Antifaschisten Treptow e.V. lebt nach 28 Jahren noch, ist aktiv und engagiert sich für Antifaschismus, gegen Fremdenfeindlichkeit und Rassismus, und das im Bündnis mit vielen Gleichgesinnten.

    #exposition #musée #Berlin #Kreutberg #Lindenstraße #RDA #juifs #histoire #antifascisme

  • Depuis le début de l’ère capitaliste on a toujours été en guerre, mais on a tendance à l’oublier pendant les périodes de cessez-le-feu.

    Caitlin Johnstone - I Was 19
    https://caitlinjohnstone.com/2023/07/05/i-was-19

    Les souvenirs de jeunesse en temps de paix et prospérité de la future journaliste indépendante australienne.

    I was 19 the first time I was raped.

    Backpacking through Europe, drugged, woke up being sodomised over a toilet bowl in some Italian hotel bathroom.

    Blood everywhere.

    Memories were fuzzy through whatever it was he slipped me, but I recall fumbling with the doorknob trying to get out, unable to understand why it wasn’t opening, then looking down and seeing that he had his foot up against the bottom of the door.

    Earlier that day I’d felt like I was flying. Here I was, traveling in Europe just like a grownup, making it work somehow even in a country where I didn’t speak the language.
    ...

    CaitlinJohnstone.Com Is Now At CaitlinJohnstone.Com.Au
    https://caitlinjohnstone.com.au/2023/07/24/caitlinjohnstone-com-is-now-at-caitlinjohnstone-com-au

    Konrad Wolf - Ich war neunzehn
    https://de.m.wikipedia.org/wiki/Ich_war_neunzehn

    Il y a des moments qui nous font croire qu’on puisse établir une paix durable.

    Les souvenirs de jeunesse en temps de guerre et famine du futur réalisateur et président de l’académie des beaux arts de la #RDA .

    Film von Konrad Wolf (1968) - Am 16. April 1945 ziehen der Deutsche Gregor Hecker als Soldat der Roten Armee mit seiner kleinen Truppe im Gefolge der 48. Armee von der Oder her kommend durch Brandenburg nach Westen. Gregor Heckers Eltern sind deutsche Kommunisten, die noch vor dem Zweiten Weltkrieg in die Sowjetunion fliehen konnten.

    Als die Truppe nach Bernau kommt, das nach der Besetzung durch sowjetischen Panzerspitzen inzwischen wieder geräumt worden ist, wird Hecker kurzerhand zum Kommandanten der Stadt ernannt. Mit einer Handvoll Leuten versucht er, eine Kommandantur einzurichten. Sie kommen mehrfach mit Zivilisten in Kontakt, darunter ein heimatloses Mädchen, das um schützende Unterkunft bittet.
    ...

    Moi, à dix neuf ans j’étais heureux et décidé à passer ma vie à me battre contre les responsables des crimes de guerre et dans notre quotidien faussement considéré comme paisible. On voulait stopper leur guerre contre la terre et l’humanité.
    Quelle illusion.

    Heureusement il y a Bert Brecht.

    Die Bitten der Kinder
    https://www.berlin.de/projekte-mh/netzwerke/spaetlese/themen/politik-wirtschaft-und-soziales/artikel.471296.php

    „Die Häuser sollen nicht brennen.
    Bomber sollt man nicht kennen.
    Die Nacht soll für den Schlaf sein.
    Leben soll keine Straf sein.
    Die Mütter sollen nicht weinen.
    Keiner sollt töten einen.
    Alle sollen was bauen.
    Da kann man allen trauen.
    Die Jungen sollen`s erreichen.
    Die Alten desgleichen.“

    1951

    Uraufführung vor 75 Jahren „Der gute Mensch von Sezuan“
    https://www.deutschlandfunk.de/brecht-urauffuehrung-vor-75-jahren-der-gute-mensch-von-100.html

    Käthe Reichel spielte die Rolle 1957 in der berühmten Inszenierung von Benno Besson am Berliner Ensemble. In einem Interview vor der Premiere wurde sie nach der Botschaft des Stückes gefragt:

    „Na, die ist einfach: dass es unter gewissen Umständen, solche Umstände, wie sie im Stück gezeigt werden, in einer durch und durch korrupten kapitalistischen Welt, nicht möglich ist, gut zu sein.“

    Der Krieg, der kommen wird
    https://lyricstranslate.com/de/bertolt-brecht-der-krieg-der-kommen-wird-lyrics.html

    Liedtext
    Der Krieg, der kommen wird
    Ist nicht der erste. Vor ihm
    Waren andere Kriege.
    Als der letzte vorüber war
    Gab es Sieger und Besiegte.
    Bei den Besiegten das niedere Volk
    Hungerte. Bei den Siegern
    Hungerte das niedere Volk auch.

    Morgendliche Rede an den Baum Griehn
    http://www.planetlyrik.de/bertolt-brecht-gedichte-fuer-staedtebewohner/2018/11

    1
    Griehn, ich muß Sie um Entschuldigung bitten.
    Ich konnte heute nacht nicht einschlafen, weil der
    Sturm so laut war.
    Als ich hinaus sah, bemerkte ich, daß Sie schwankten
    Wie ein besoffener Affe. Ich äußerte das.

    2.
    Heute glänzt die gelbe Sonne in Ihren nackten Ästen.
    Sie schütteln immer noch einige Zähren ab, Griehn.
    Aber Sie wissen jetzt, was Sie wert sind.
    Sie haben den bittersten Kampf Ihres Lebens gekämpft.
    Es interessierten sich Geier für Sie.
    Und ich weiß jetzt: einzig durch Ihre unerbittliche
    Nachgiebigkeit stehen Sie heute morgen noch gerade.

    3
    Angesichts Ihres Erfolgs meine ich heute:
    Es war wohl keine Kleinigkeit, so hoch heraufzukommen
    Zwischen den Mietskasernen, so hoch herauf, Griehn, daß
    Der Sturm so zu Ihnen kann wie heute nacht.

    #Brecht #guerre

  • ✨ Il y a 70 ans...

    Le 17 juin 1953 en RDA - Socialisme libertaire

    Le 17 juin 1965, c’était jour de vacances en Allemagne de l’Ouest ; comme chaque année depuis onze ans, on profite du soleil (quand il y en a) pour aller saucissonner à la campagne. A peine écoute-t-on au transistor les discours officiels tant il est bon de se promener sous les arbres, et le soir on rentre à la maison. Sur les routes de l’Ouest, on aura laissé beaucoup plus de morts dans les voitures calcinées qu’il n’y en eut en tout, au cours du soulèvement de l’Allemagne de l’Est, le 17 juin 1953, jour, que cette fête nationale est censée commémorer. Selon l’auteur de ce récent petit livre, ce chiffre est estimé à vingt et un morts connus pour les 16 et 17 juin 1953. 

    Arnulf Baring a voulu dissiper certaines légendes sur cet événement. En effet, en Allemagne de l’Ouest, les discours officiels proclament rituellement que le soulèvement fut une levée en masse de tout un peuple, avide de liberté, de démocratie et de réunification allemande. C’est faux, et les documents le montrent bien. Les cadres, les petits-bourgeois (commerçants, artisans) et les paysans restèrent à l’écart du mouvement (en tout cas à l’échelle de masse). Le soulèvement eut un caractère strictement ouvrier et limité à certaines villes et branches professionnelles. Selon les sources, on estime le nombre des participants à la grève du 17 juin 1953 à 5 % ou 7 % du total des salariés. Certes, il est possible que la proportion réelle fût supérieure ; mais en tout, cas, ce pourcentage exprime un ordre de grandeur très vraisemblable (...)

    #RDA #communismeautoritaire #dictature #stalinisme #révolte

    ⏩ Lire l’article complet…

    ▶️ https://www.socialisme-libertaire.fr/2019/02/le-17-juin-1953-en-rda.html

  • Zum Tod von Fritz Wengler : „Ick vasteh dit janze Ding nich, Alexander“
    https://www.berliner-zeitung.de/mensch-metropole/zum-tod-von-fritz-wengler-ick-vasteh-dit-janze-ding-nich-alexander-

    Ce texte fait froid dans le dos. On sent la fin qui approche et on comprend comment une génération entière de socialistes a ruiné la société qu’ils avaient construit. A mon avis c’est le meilleur texte sur la fin de la #RDA.

    10.1.2023 von Alexander Osang - Alexander Osang erinnert sich an seinen Chef bei der Berliner Zeitung, der ihm 1989 ein Versprechen gab, das er nicht halten konnte. Wengler ist vor wenigen Tagen gestorben.

    Die Pappeln stehen wie eine grüne Wand um den grauen Neubauturm auf der Fischerinsel, wo Fritz Wengler wohnt, der mir vor 20 Jahren ein Versprechen gab, das er nicht halten konnte. Wengler lebt seit 40 Jahren in einer Wohnung im zweiten Stock, die langsam zugewachsen ist wie ein Dornröschenschloss. Ich habe ihn angerufen und gefragt, ob er mit mir reden will.

    Worüber, hat er gefragt.

    Ich will herausfinden, wer ich war, hab ich gesagt.

    Ach so, sagte er, und ich habe mir vorgestellt, wie er dort, am anderen Ende der Leitung, lächelte. Über den naiven Ansatz.

    Vor 20 Jahren war Fritz Wengler erster stellvertretender Chefredakteur der Berliner Zeitung, und weil der Chefredakteur Probleme mit dem Herzen hatte, regierte Wengler die Zeitung durch den Revolutionsherbst. Ich war damals Mitte zwanzig und Jugendredakteur. Wir hatten nie viel miteinander zu tun, aber in der Nacht zum 7. Oktober 1989 kreuzten sich unsere Leben.

    Ich sollte über den Fackelzug der FDJ berichten, der am Vorabend des 40. Jahrestags der DDR durch die Innenstadt zog. Die Republik ging gerade unter, der Fackelzug war die Bordkapelle auf der „Titanic“. Ich rannte hinein, fragte die Leute, was sie hier machten, und schrieb einen Text, der mit vielen Fragen begann. Sind Fackelzüge noch zeitgemäß?, war die erste. Ich schrieb keine Antwort hinter die Fragen, denn mein Mut reichte nicht für ein Nein. Mir zitterten schon so die Hände. Ich zitierte Leute aus dem Zug. Ein Mädchen sagte, dass es traurig sei, weil seine Freundin in den Westen ging. Es habe sehr wohl geweint, sagte es, nachdem Honecker ein paar Tage vorher den Flüchtlingen hatte hinterherrufen lassen: Wir weinen euch keine Träne nach. Gorbatschow kam bei mir vor, Daniel Ortega auch, aber nicht Honecker.

    Ich gab den Text nach unten in die vierte Etage, wo die Chefredaktion saß. Irgendwann klingelte mein Telefon und Fritz Wengler bestellte mich ein. Er saß am Schreibtisch des Großraums und starrte auf das Manuskript.

    Vor ein paar Monaten hatte er mir einen Text über eine unzufriedene Mädchenbrigade aus dem Kosmetikkombinat noch mit den Worten zurückgegeben: „Ick vasteh dit janze Ding nich, Alexander.“ Er hatte mich angesehen, eine Pause gemacht und gesagt: „Aber ick bin mir sicher, du kriegst dit hin.“ Ich war zurückgefahren zu der Mädchenbrigade und hatte sie nach den Dingen gefragt, mit denen sie zufrieden waren, bei ihrer Arbeit, in ihrem Land. Sie hatten mir all die positiven Dinge zusammengekratzt, die ihnen einfielen. Die hatte ich in den Text geschrieben, den auch Fritz Wengler verstand.

    Er war nie laut, kein Schreihals wie andere, er versteckte seine Macht hinter einem Berliner Arbeiterakzent und einem Gesicht, das aussah, als hätte Loriot es gezeichnet. Aber er war hart. Wir kämpften um meinen kleinen, hasenmutigen Text wie die Löwen. Am Ende standen Honecker drin, der FDJ-Chef Eberhard Aurich und ein konstruktiver Schlusssatz, aber es gab auch noch das Mädchen, das seine Freundin beweinte, und die Fragen am Anfang.

    Kurz vor Mitternacht kam der Andruck mit dem Text aus der Setzerei. Der Großraum war fast leer. Fritz Wengler und ich lasen ihn noch mal durch. „Versprich mir, dass es wenigstens so bleibt, Fritz“, sagte ich, und er gab mir die Hand. Als ich am nächsten Tag die Zeitung aufschlug, stand hinter meinen Fragen, auf die ich keine Antwort hatte, ein Ja.

    Braucht die Jugend unserer Zeit Fahnenwälder und Hochrufe, um ihre Empfindungen auszudrücken?

    Ja.

    Ich hatte das Gefühl, als öffnete sich der Boden unter mir. Ein Kollege sagte mir, er würde verstehen, wenn ich kündigte, aber es wäre irgendwie schade, jetzt, da wir auch bald Glasnost bekämen. Wengler war nicht da und ließ mir später ausrichten, er habe kalte Füße bekommen.

    Wir blieben beide bei der Zeitung. Ich machte Karriere, Wengler nicht. Er blieb stellvertretender Chefredakteur, aber man gab ihm keine Aufgaben mehr. Wengler kümmerte sich um den journalistischen Nachwuchs und um das Jagdwesen, weil einer seiner Freunde Jäger war. Am Ende sah ich ihn mit einem kleinen Leiterwagen über die Flure ziehen und Büromaterial verteilen. 1993 bot ihm der Herausgeber Erich Böhme eine Abfindung an. Er nahm sie und ging in den Ruhestand. Ich habe nie mit ihm über die Oktobernacht geredet, über sein gebrochenes Versprechen.

    Es riecht nach Müllschlucker im zweiten Stock des Hochhauses. Fritz Wengler ist 75 Jahre alt, hat sich aber kaum verändert, ein klares, freundliches Gesicht mit unergründlichen dunklen Augen. Er führt mich in ein kleines, schattiges Zimmer, es gibt zwei Bücherregale und einen runden Tisch. Auf dem Tisch stehen eine Thermoskanne und zwei Tassen. Seine Frau stellt sich kurz vor, dann zieht sie sich zurück. Fritz Wengler schließt die Tür. Nur wir beide. Ein Gespräch unter Männern.

    „So“, sagt er, und ich erzähle ihm, dass ich über den Fackelzugtext reden will.

    „Ick weeß“, sagt Fritz.

    „Woher weißt du denn das?“

    „Worüber denn sonst. Ein einziges Ja, mit dem ick allet umjedreht habe. In so ’ner Situation war ick auch noch nicht. Hab ick oft dran jedacht in den letzten Jahren“, sagt er. „Zucker?“

    Er sagt, dass er sich an den Tag minutiös erinnern kann. Er erzählt von den Anleitungen, in die er als Chefredakteur gehen musste. Anleitungen bei Joachim Herrmann, Agitationssekretär im Politbüro und früher Wenglers Chefredakteur bei der Jungen Welt. Er taucht ein in die Kapillaren des Anleitungssystems. Sie kannten sich ja alle, sagt er. Es gab Anordnungen, die er nicht verstand, aber sie kamen nie aus dem Dunklen. Sie kamen von Leuten, die er seit Jahren kannte, Vertrauten sozusagen.

    „Theoretisch begründet wurde es mit dem demokratischen Zentralismus, weeste ja allet“, sagt er.

    Ich nicke.

    „Marx war als Chefredakteur ein Diktator“, sagt Wengler und lächelt leicht. Marx. Er hat jetzt festen Boden unter den Füßen.

    „Die Anordnung für die Feier zum Republikgeburtstag war: Wir lassen uns nicht in die Suppe spucken. Wir haben allen Grund, stolz uff uns zu sein. Und der Fackelzug ist dit Kernstück. Wir wussten ja, dass draußen allet in heller Uffregung war. Aber die Jugend der DDR sollte der Welt zeigen, wat wir geleistet haben, daran hat mich Achim Herrmann am Telefon immer wieder erinnert. Ick weeß nich, wie oft der mich an dem Abend anjerufen hat. Ununterbrochen, wirklich. Jeht doch allet klar mit dem Fackelzug, Fritz? Immer ditselbe. Ausm Palast muss der anjerufen haben. Und dann krieg ick dein Ding uff’n Tisch. Und ick wusste: So jeht es nicht.“

    Er macht eine Pause, trinkt einen Schluck Kaffee, dann sagt er: „Aus drei Gründen“, und ich merke, wie er wächst, während ich langsam zum Jugendredakteur schrumpfe. Es waren immer drei Gründe, aus denen irgendetwas nicht ging.

    „Also erst mal die Fragen. Dann die Gorbi-Rufe und Honecker, der nich vorkam, und schließlich die Mieke, die heult, weil ihre Freundin abjehaun war“, sagt er. „Dit Mädel wollte ick drinbehalten, ick hab wirklich mit mir gerungen. Aber am Ende war ick mir nicht sicher. Deswegen hab ich das Ja reingeschrieben. Ick musste den Kopp hinhalten.“

    „Aber du hast es mir doch versprochen?“

    „Es ging nicht um eine Meinungsäußerung von Osang. Es ging um die Haltung der Redaktion. Und ick bin mit einem schlechten Gewissen ins Bett gegangen in der Nacht, dit kannste mir glooben.“

    „Mir gegenüber?“

    „Meiner Partei gegenüber. Meinem Land“, sagt er und sieht mich ungerührt an. Ich bin ein Zahnrad, ein Teilchen einer Maschine. Mir fallen all die Momente ein, in denen ich ermahnt wurde, meine persönlichen Interessen mit den gesellschaftlichen in Übereinstimmung zu bringen. Es ging immer gleich um alles. Ein Versprechen zwischen zwei Männern ist unter diesen Bedingungen nicht viel wert.

    In seinen Bücherregalen stehen historische Abhandlungen über die Habsburger, die Hohenzollern, die Hunnen und die Kelten, neben den Erinnerungen von Frank Schöbel, Eberhard Esche und Inge Keller. Mein Individualismus muss ihm lächerlich vorkommen, selbstbezogen und weinerlich. Er sagt, dass er sich hinter niemandem verstecken will. Wenn man Papst werden will, muss man katholisch sein. Wo gehobelt wird, fallen Späne.

    „Hast du wirklich nicht einen Moment an mich gedacht, als du das Ja hingeschrieben hast?“, frage ich.

    „Ach, komm. Es ist mir nicht egal gewesen, dass ich hier einem jungen Journalisten seinen Artikel versaue und möglicherweise auch seinen Ruf, aber ich hatte da eine Aufgabe zu lösen“, sagt Fritz Wengler. „Ich hatte einen Auftrag meiner Partei. Und ick hab mich damit identifiziert. Ick war überzeugt, dass wir das Land halten können, wenn wir stark bleiben. Durch Konsens erreichste gar nischt.“

    Er erzählt, wie er als FDJ-Schüler am 17. Juni 1953 vorm Haus der Ministerien Stellung in der Leipziger Straße bezog, um die Aufständischen abzuwehren. Er redet von Krawallmachern und Truppenteilen und kitzlijen Situationen. Aber letztlich bekamen sie alles unter Kontrolle, und er konnte zurückgehen an die FDJ-Schule, wurde Jugendbrigadier im Kabelwerk Oberspree, wo er ein mitreißendes Brigadetagebuch schrieb, das ihn zur Bitterfelder Konferenz brachte und schließlich zur Jungen Welt.

    „Da hab ick so wat jemacht, wie du später bei der Berliner Zeitung. Rausfahren, uffschreiben, wieder rausfahren. Ick war schneller als die andren und hatte immer einen besonderen Blick“, sagt er. Er erzählt, wie er mit seinen Texten aneckte, wie er ständig die Möglichkeiten auslotete, um die Wirklichkeit einzufangen. Er holt mich ins Boot, denke ich. Vielleicht will er sagen, dass der 7. Oktober 1989 für mich so etwas hätte werden können wie für ihn der 17. Juni 1953. Eine Erfahrung, die mich härter, weiser, einsichtiger und vielleicht irgendwann zu einem ersten stellvertretenden Chefredakteur gemacht hätte, der einmal die Woche in die Agitationskommission des Zentralkomitees ging, wo er Anleitungen bekam, die er nicht immer verstand, aber dennoch umsetzte, weil sie nicht aus dem Dunkeln kamen, sondern von Menschen, die er kannte, Vertrauten sozusagen. Ein weiterer Stellvertreter einer Macht, die es gar nicht gab ohne ihn. Später bringt Wenglers Frau eine Schale mit Kartoffelchips, und wir knabbern ein bisschen wie alte Bekannte, Vertraute sozusagen.

    „Jetzt ham wa vier Stunden über dit eine Ja jeredet“, sagt Wengler.

    Ich erzähle ihm, dass der Fackelzugartikel mir immer mal wieder um die Ohren fliegt. Wenn irgendjemand eine Rechnung mit mir offen hat, kopiert er ihn und schickt ihn durch die Gegend, um zu zeigen, was für ein Mensch ich war, damals.

    „Dit willste nun aus der Welt räumen“, sagt Fritz Wengler und lächelt mich mitleidig an.

    Er sagt, dass er alles über die Französische Revolution gelesen hat, was es auf dem deutschen Büchermarkt gibt. Die Jakobiner haben 50 Jahre gebraucht, bis ihnen die Geschichtsschreiber einigermaßen Gerechtigkeit haben widerfahren lassen, sagt Fritz Wengler. 50 Jahre. Papier ist geduldig. Fritz, mein Chefredakteur, sitzt einfach da, liest in seinen historischen Büchern und wartet, dass ihm Recht geschieht. Er hat einst ein Versprechen gegeben, das größer war als das, das er mir in besagter Oktobernacht gab. Er hat das eine gehalten, indem er das andere brach. So sieht er das, und damit bin ich im Boot. Sein Ja steht in meinem Text für die Ewigkeit. Auch wenn die lebendige Erinnerung längst verloschen ist, hängen Fritz Wengler und ich immer noch zusammen in diesem Text in dieser Zeitung fest. Bestimmte Dinge sind nicht richtigzustellen.

    Dies ist eine gekürzte Fassung des Textes „Das Versprechen“, erschienen im Buch „Das letzte Einhorn“, Ch. Links Verlag Berlin, 2022

    #histoire #DDR #socialisme #SED #presse #journalisme

    • A mon avis c’est le meilleur texte sur la fin de la RDA.

      Effectivement, merci @klaus

      une traduction en français ici, un peu améliorable par endroits, mais surtout qui ne rend pas le dialecte berlinois (je suppose…)

      “Je ne comprends pas cette chose, Alexandre” – .
      https://fr.trenddetail.com/aujourd/288761.html

      Si vous voulez être pape, vous devez être catholique.

    • Ou c’est une traduction automatique et la machine n’a rien compris à l’histoire ou la personne devant l’écran n’a pas fait son travail. La qualité est suffisante pour comprendre la trame du récit mais l’âme du texte s’est perdu en route.

    • Tous les problèmes évoqués dans ce texte étaient connus depuis les années 1970. Malheureusement la génération qui était née en RDA n’était pas en mesure y changer quelque chose. C’est les vieux qui bloquaient tout parce qu’ils pensaient que le moindre espace d’ouverture allait se transformer en terrain d’attaque pour l’ennemi de classe. En fin de compte ils ont eu raison parce que l’absence de développement politique et les mensonges omniprésentes sur l’état de la société ont rendu la RDA tellement vulnérable qu’il suffisait d’un leger vent de liberté pour permettre aux capitalistes de prendre le contrôle de toutes les institutions. Nous en connaissons le résultat.

  • Comment obtenir des informations sur un nom de domaine avec RDAP ? Explications avec Stéphane Bortzmeyer https://www.afnic.fr/observatoire-ressources/papier-expert/rdap-obtenir-des-informations-sur-un-nom-de-domaine

    #PointFR #Whois #ndd #DNS #RDAP

    How to obtain information on a domain name using RDAP with Stéphane Bortzmeyer https://www.afnic.fr/en/observatory-and-resources/expert-papers/rdap-obtaining-information-on-a-domain-name

    #DotFR #Afnic #whois #domains #DNS #RDAP