• “Islam in der Krise – Eine Weltreligion zwischen Radikalisierung und stillem Rückzug”

      11. Juli 2017| Von Michael Blume

      https://scilogs.spektrum.de/natur-des-glaubens/mein-neues-buch-islam-der-krise-bei-patmos-erscheint-im-august-2017

      “Islam in der Krise – Eine Weltreligion zwischen Radikalisierung und stillem Rückzug” ist nun im Druck, erscheint im August und kann bei Patmos, (....[online/oAnth]) oder auch jeder Buchhandlung bereits vorbestellt werden.

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      Und tatsächlich war ja die Beschäftigung mit der Integration von Muslimen, dem Islam und den Fragen des Verstehens schon als Jugendlicher mein Ausgangspunkt für das Interesse und spätere Studium von Religion(en) (genauer: von Religions- und Politikwissenschaft) gewesen. Auch meine Magisterarbeit von 2003 befasste sich mit der Auffächerung der Identitäten junger Menschen muslimischer Herkunft, von säkular über liberal, konservativ und orthodox bis islamistisch.

      Doch gerade weil ich in all den knapp über 20 intensiven Jahren sehr viel über den real existierenden Islam las, Abertausende Beobachtungen und Gespräche in immer mehr Ländern führte, auch unzählige Vorträge hielt und Artikel veröffentlichte, entschied ich mich, erst dann ein Buch dazu zu schreiben, wenn ich wirklich tiefer verstanden und wissenschaftlich Neues beizusteuern hätte. Ich wollte hinter die Allgemeinplätze a la “Das hat nichts mit dem Islam zu tun.” – “Der Islam ist böse.” gelangen und interdisziplinäre Antworten finden, die sowohl Nichtmuslimen wie auch Muslimen neue Perspektiven und Begriffe erschließen, anregen, aber sicher auch wehtun würden. Ich wollte nicht “noch ein Islambuch” schreiben, sondern das eine – und vielleicht einzige – Werk meines Forscherlebens dazu. Die Erfahrungen mit dem selbsternannten “Islamischen Staat” im zerfallenden Irak in 2015/2016 gaben dabei noch einmal einen massiven Erkenntnisschub.

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      Inhaltlich steige ich noch einmal vertieft hinter den oft geäußerten Allgemeinplatz, dass es “den Islam” so gar nicht gebe. Ich zeige auf, dass es tatsächlich unklar ist, wie viele “Muslime” noch Muslime sind, dass ein großer und schnell wachsender Teil der Menschen muslimischer Herkunft Säkularisierung und Glaubenszweifel erlebt, sich still – zunehmend aber auch laut – aus der Religion verabschiedet. Absurde Fehler auch offizieller Statistiken weltweit, auch in Deutschland und Europa, wie wir sie bei Christen und Kirchen nie zulassen würden, überdecken diesen Prozess (noch).

      Ich gehe der lange tabuisierten Frage nach, wie die einstige (und lange Europa zivilisatorisch und wissenschaftlich überlegene!) Hochkultur der islamischen Welt so erstarren und zerfallen konnte – und zeige auf, was das Verbot des Buchdrucks ab 1485 im gesamten Osmanischen Reich (später für die islamische Welt bestätigt durch den ersten osmanischen Kalifen) bewirkte und anrichtete. Während sich Europa durch Reformation, Konfessionskriege und schließlich Aufklärung und Humanismus arbeitete, erstarrte die islamische Wissensproduktion samt der Bildungseinrichtungen – und als Folge davon Wirtschaft, Technologien und schließlich Militär. Weitere, bis heute wirksame Folgen betrafen zum Beispiel die arabische Sprache und das Verhältnis von Autoritäten und Geschlechtern, sogar die eingeübten Denkmuster.

      Als der Niedergang der islamischen Zivilisation(en) nicht mehr zu übersehen war, reagierten islamische Gesellschaften verstört, dann panisch und mit Verschwörungsglauben – so zerstörte ein Mob eine Druckerpresse, die Napoleon Bonaparte (neben zahlreichen Wissenschaftlern!) mit ins eroberte Ägypten gebracht hatte. Ist Ihnen schon einmal aufgefallen, dass muslimische Verschwörungsmythen fast nie um “koranisch denkbare” Verschwörungsakteure wie zum Beispiel Dschinn kreisen – stattdessen aber um europäisch entstandene Motive wie Freimaurer, Geheimdienste und die gefälschten “Protokolle der Weisen von Zion”? Auch dies ist ein Zeichen der “Krise” des islamischen Denkens, in dem inzwischen häufiger dualistisch als monotheistisch argumentiert wird.

      Ab dem 20. Jahrhundert haben wir dann den Aufstieg des Öl- und Gasverbrauchs und damit der autoritären und gewaltaffinen Rentierstaaten gerade auch (aber nicht nur!) in der arabischen Welt. Wenn heute zum Beispiel ein Donald Trump einerseits antimuslimische Stimmungen bedient, andererseits aber mit seinem halben Kabinett und den saudisch-wahhabitischen Regenten zum Säbeltanz antritt, dann wird es höchste Zeit, auch diese Zusammenhänge zu verstehen.

      Last but not least beschreibe ich auch die Geburtenentwicklung unter Musliminnen weltweit – und gleiche sie mit den Thesen beispielsweise von Thilo Sarrazin (SPD) und Michel Houellebecq ab. Das dessen DuMont-Verlag uns keine Freigabe zur Verwendung von Originalzitaten erteilte, lässt mich auf inhaltlich wie auch literarisch spannende Debatten hoffen…

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