Comment une entreprise de RDA est devenue leader international de la fabrication de moteurs électriques et comment ella été récupérée pour une fraction de sa valeur de marché par un concurrent de l’Ouest.
On découvre dans ce texte une des raisons essentielles pour l’absence historique de la criminalité omniprésente dans les pays capitalistes. Tout le monde avait un emploi et le collectif de l’entreprise proposait des services comme les centres de vacances, des compagnies de théâtre et d’autres activités culturelles tout en prenant soin de la réinsertion sociale des rares délinquants. L’entreprise était le centre de la vie de ses employés.
11.6.2023 von Maritta Adam-Tkalec -Krippe bis Kampfgruppe: Die Treuhand begrub das Herzstück der DDR-Gesellschaft
Undenkbar für Kapitalismus-Sozialisierte: Im Osten war der Betrieb Lebensmittelpunkt. Ein Direktor erzählt vom Alltag und „Verrat am Volk“ durch die Treuhand.
Die Motorenbauer hatten die Zeichen der Zeit erkannt, und sie waren schnell: Mit der Nummer 002 im Register der Treuhandanstalt wurde am 5. April 1990 der ehemals volkseigene Betrieb Elektromotorenwerk Wernigerode (Elmo) als GmbH eingetragen und das ehemalige Kombinat Elektromaschinenbau, zu dem das Werk gehörte, als Aktiengesellschaft.
Die Registriernummer 001 der fünf Wochen zuvor noch von der Modrow-Regierung gegründeten Treuhandanstalt war für das Reich Alexander Schalck-Golodkowskis reserviert – die Koko. Der Bereich Kommerzielle Koordinierung im DDR-Außenhandelsministerium hatte mit kapitalistischen Methoden Valuta für den devisenklammen Staat zu erwirtschaften. Ein Bereich mit absoluter Sonderstellung – ganz klar die 001.
Aber der erste in marktwirtschaftliche Eigentumsverhältnisse überführte Normalbetrieb der DDR war Elmo. Ein Pionier: Als erste Ostfirma hatte Elmo zudem mit seiner West-Vertriebsgesellschaft ein Westunternehmen übernommen, und mit Wolfgang Beck war der einst jüngste Betriebsdirektor der DDR zu einem der neuen Geschäftsführer der GmbH geworden.
Motoren für Trolli bis Tagebau
Der Betrieb hatte Grund für Selbstbewusstsein: Man lieferte Motoren in 47 Länder, auch in sämtliche heutige EU-Staaten. Im Angebot fand sich die ganze Palette von klein bis riesengroß: Motoren für den DDR-Rasenmäher Trolli, für Landmaschinen, Druckereien, Tagebaugroßgeräte, Werkzeugmaschinen, Schienenfahrzeuge oder Schiffe – alles Erzeugnissen, die den Ruf der DDR als Industrieland mitbegründeten.
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Mit Weitsicht hatte Wolfgang Beck sein Top-Unternehmen rechtzeitig auf die neue Zeit nach dem politischen Umbruch von 1989 vorbereitet. Schon drei Wochen vor der Wahl vom 18. März, die die Regierung von Lothar de Maizière ins Amt brachte und mit ihr einen beschleunigten Kurs in Richtung Wiedervereinigung, war die Umwandlung von Volkseigentum in marktwirtschaftliche Eigentumsformen eingeleitet. Noch hatten Beck und seine Mitstreiter eine reformierte DDR im Sinn. Das Wahlergebnis rückte die Wiedervereinigung im Schweinsgalopp in den Blick.
In anderen Betrieben der DDR verhinderten Belegschaften die Transformation durch Proteste gegen „alte Kader, Wendehälse und Seilschaften“; Beck war es gelungen, „seine Leute“ zu überzeugen: Der neue Betriebsrat stimmte der Umwandlung zu, die VEM-Elektromotorenwerke GmbH Wernigerode ging an den Start. Das wichtigste Ziel: Erhalt der Arbeitsplätze.
Die Westrivalen waren schwach: „Wir produzieren an einem Tag mehr Motoren als die gesamte Bundesrepublik“, stellte Beck damals fest. Seinen Betrieb sah er gut positioniert: „Wir lieferten von der Physikalisch-Technischen Bundesanstalt in Braunschweig zertifizierte Motoren in alle Industriebereiche, auch schon im Westen.“ Bald aber nahm er erstmals wahr, dass sich dieser Erfolg gegen das Unternehmen richten könnte: „Es war leider nicht vorauszusehen, welche Begehrlichkeiten diese Ausnahmestellung noch wecken sollte.“
Ein authentisches Zeugnis
Das alles kann man nun lesen – sachlich, kenntnisreich, ohne Gejammer, gleichwohl mit Herzblut aufgeschrieben in dem Buch „Alles hat ein Ende – auch die Marktwirtschaft“, versehen mit dem Untertitel: „Wolfgang Beck, der letzte Betriebsdirektor des VEB Elektromotorenwerk Wernigerode (Elmo), erzählt von der Planwirtschaft und dem wirtschaftlichen Ab- und Aufbruch“.
Das Thema mag zu speziell, Wernigerode vielleicht zu abgelegen erscheinen. Aber es wäre ein Fehler, das Buch als Nischenprodukt für DDR-Experten beiseitezuschieben. Denn es ist in seiner Authentizität ein einzigartiges Zeugnis nicht nur der Ost-West-Transformationserfahrung, sondern vor allem eines aus dem Herzstück des untergegangenen Staates. Denn das waren die Betriebe: für Millionen Männer und Frauen ein zweites Zuhause, viel mehr als Arbeits- und Produktionsstätte. Die Betriebe bildeten einen eigenen Kosmos, stifteten Gemeinschaft und boten Geborgenheit – schwer vorstellbar für Kapitalismus-Sozialisierte. Viele trauern dem heute noch nach. Ein Gutteil der Phantomschmerzen ehemaliger DDR-Bürger rührt aus dem Verlust dieser verlorenen Alltagswelt.
Phantomschmerz der DDR-Bürger
Beck erzählt exemplarisch die Innensicht eines solchen Volkseigenen Betriebes (VEB), die DDR in der Nussschale. Man erkennt, wie die DDR im Inneren funktionierte, wie alles miteinander verwoben war, wie die Partei überall steuerte und kontrollierte, die Menschen zugleich erzog und behütete. Er beschreibt, wie Karrieren gelenkt wurden, wie der sozialistische Wettbewerb lief – Jugendobjekte, Brigadeleben, Traditionskabinett, das Parteilehrjahr.
Auch wenn die Planerfüllung seine oberste Pflicht war – ein Betriebsdirektor trug nicht nur die Verantwortung für Produktion und Verwaltung, sondern auch für Betriebskinderkrippe und -garten, das Ambulatorium, die Ferienheime und Kinderferienlager, für Gästehäuser, Betriebsküche, Betriebszeitung, Kampfgruppeneinheit, Betriebsgewerkschaftsorganisation. Im Jahreskreis waren Feiern zu organisieren, von Frauentag bis Karnevalssitzung.
Beck benennt die Lenkungs- und Kontrollgremien, die Machtstrukturen, die Bedeutung der persönlichen Beziehungen, der solidarischen Gefälligkeiten der Betriebsdirektoren untereinander. Auf Schleichwegen half man einander immer wieder über Mängel, Engpässe und Notsituationen hinweg.
Er wägt die Vor- und Nachteile einer zentralistischen Führung gegeneinander ab – eine Debatte, die in Zeiten verschärfter Konkurrenz mit zentralistisch organisierten Großmächten wie China von wachsender Aktualität ist. Als Nachteil sieht er die unflexiblen diktatorischen Abläufe, zu den Vorteilen rechnet er die soziale Sicherheit und die „exzellente Bildung für alle“. Wegen solcher Vorteile habe „eine große Mehrheit die Diktatur nicht als solche“ empfunden, schreibt Beck. 160.000 Kritiker des Systems habe es gegeben, „das entsprach einem Prozent der DDR-Bevölkerung“. Im Wernigeröder Werk war jeder vierte Mitarbeiter ein Genosse, also Mitglied der SED.
Dem Idealismus vieler DDR-Wirtschaftsfunktionäre mit ihren mickrigen, gleichmacherischen Gehältern stellt Beck die gelegentlich eigenwillige Interpretation von Volkseigentum durch Funktionäre gegenüber. Ein besonderes Exemplar dieser gar nicht seltenen Gattung muss der SED-Parteisekretär seines Betriebes gewesen sein, mit Hauptinteresse Schnaps- und Wurstbeschaffung aus „Werbegeschenken“.
Als Beck 1984 im Alter von 34 Jahren zum jüngsten DDR-Betriebsdirektor berufen wurde, hatten die zuständigen Genossen seine Fähigkeiten erkannt und seine Eignung, eine neue Ära der Industrieproduktion zu gestalten: Wollte die DDR mit ihren Maschinen auf dem Weltmarkt bestehen, ging es ohne Elektronik nicht weiter – CAD-Komponenten mussten her. CAD steht für Computer Aided Design. Unter Beck stieg das Werk in die Produktion von Motoren der nächsten Generation ein.
1989 schwollen wie überall in der DDR die Diskussionen um Perestroika und Glasnost an, auch und gerade unter Leitungskräften und SED-Genossen. Das Kapitel für das Jahr 1989 stellt Wolfgang Beck unter die Überschrift „Macht der Emotionen“: In der Werksführung wuchs der Wunsch nach Veränderungen, zugleich aber auch der nach einer gesicherten Zukunft. Der Plan war zu erfüllen; die alte Staatsspitze erwies sich als handlungsunfähig. Die Ereignisse überschlugen sich. Als die Mauer fiel, gehörte besagter Parteisekretär zu den Ersten, die sich auf den Weg über die nahe Staatsgrenze machen, um das Begrüßungsgeld, die DM des Klassenfeindes, abzugreifen.
Fortan ersetzte Unternehmergeist den Plandruck, statt Meinungsmonopol galt Vielfalt. Die Idee, das Volkseigentum über die Ausgabe von Anteilsscheinen an den Betrieben zu retten, stand zur Debatte. Beck erinnert sich, wie Treuhandchef Detlef Rohwedder für eine Ertüchtigung der DDR-Wirtschaft statt ihres Ausverkaufs plädiert habe und ihn im persönlichen Gespräch aufgefordert habe, den eingeschlagenen Weg weiterzugehen. Man müsse verhindern, dass „Ostdeutschland das Land der Tochterunternehmen wird“.
Technologiediebstahl im Sinn
Nun wurden auch Anzeichen manifest, dass ein westlicher Elektromotorenbetrieb „unter dem Mantel des Altruismus die Chance sah, durch Übernahme und Umbewertung an in seinem Betrieb fehlendes Eigenkapital zu kommen“, schreibt Beck. Mit Rohwedders Ermordung bekamen solche Tendenzen nach 1991 ihre Chance.
Unter der neuen Treuhandchefin Birgit Breuel (kein Studienabschluss, „Vertreterin des Großkapitals“) seien „Betriebe systematisch liquidiert und verkauft“ worden. Auch die soeben entstandene Elektromaschinenbau AG bekam neue Chefs. Beck schreibt: „Der neue Aufsichtsratsvorsitzende Reinhard Engel von der Buderus AG machte bei seinem ersten Besuch im Elmo deutlich, dass ein naher Verwandter von ihm an bestimmten Technologien des Werkes interessiert sei, womit er höflich den Technologiediebstahl umschrieb, der ihm im Sinn stand.“
Der Betrieb kämpfte nun um seine Selbstständigkeit. Becks Erfahrung: „Um das Elmo zu destabilisieren, war jedes Mittel bis zur Diffamierung willkommen.“ Die Überlebenschancen sanken. Beck berechnet den Verkaufswert nach dem üblichen Verfahren: Umsatz mal Faktor drei bis vier. Da der Elmo-Umsatz bei 300 bis 400 Millionen D-Mark lag (allein für das West-Geschäft, sozialistische Staaten und Inland nicht eingerechnet), „wäre dies auf einen Verkaufspreis von einer bis eineinhalb Milliarden DM hinausgelaufen“.
Elmo ging dann für wahrscheinlich ungefähr 50 bis 70 Millionen DM an die Merkle-Gruppe. Diesen Preis schließt Beck aus bekannt gewordenen Zahlen wie einem „Verlustvortrag“ von 800 Millionen DM – die „Mitgift“ des Deals, wie Beck sagt. Statt 50 Millionen Verkaufspreis wäre mindestens das Zehn- bis 20-Fache gerechtfertigt gewesen.
Nicht jeder DDR-Betrieb hatte eine solche Substanz, Verschleiß- und Abschreibungsgrade waren unterschiedlich hoch. Aber generell gelte, so Beck: „Werte wurden einfach verschenkt.“ Das Vorgehen im Fall Elmo nennt er „einen Verrat am Volkseigentum der DDR“ – prototypisch für die neue Treuhand-Zielrichtung.
Die neuen Manager übertrafen dann den alten Parteisekretär : „Einer begann seinen Tag im Elmo immer mit einem Glas Champagner, ein anderer hatte bereits einen großen Motorenbetrieb im Westen in die Insolvenz geführt, der nächste ließ sich per Taxis die Zigarren ins Büro bringen …“, schreibt Beck. Bald wurde ihm nahegelegt, „den Umstrukturierungsprozess nicht weiter zu stören“.
Als Ossi-Exot beim West-Adel
Als er noch als Ossi-Exot zu noblen Westpartys eingeladen wurde, erlebte Beck noch andere Überraschungen: Auf dem Anwesen eines adeligen Wirtschaftslenkers entdeckte er ein Trainingsgerät für die Pferde – angetrieben mit einem Elektromotor aus Wernigerode.
In seinem Fazit führt Beck Ost- und mehr als 30 Jahre Westerfahrung zu Vorschlägen zusammen, wie eine Gesellschaft aussehen könnte, die anders als die Marktwirtschaft die eigenen Lebensgrundlagen nicht zerstört. Ihm schwebt eine „wissenschaftlich fundierte Lenkung der Gesellschaft, kontrolliert von einem Gremium, etwa einem Parlament oder Konzil“ vor. Mithilfe von Digitalisierung sollten die Emotionen „zunehmend eliminiert werden: „Das Gezänk von Parteien wäre überflüssig. Es siegten Vernunft, Logik und Bildung und es entstünde eine Bedarfswirtschaft. Die Zeit dafür ist reif.“ Alles hat ein Ende, auch die Marktwirtschaft.
Aber wohin mit den vermeintlich störenden Emotionen? Wohin mit den emotionalen Menschen? Einige von Becks zehn Thesen klingen plausibel, andere krass oder zumindest utopisch. Aber man wird ja darüber debattieren können.
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Wolfgang Beck als Werkdirektor/privatBiografisches
Werdegang: Abitur, Lehre als Elektromonteur, Militär, Studium in Dresden mit Abschluss Diplomingenieur für Elektroniktechnologie, Promotion, gleichfalls auf dem Gebiet der Elektronik.
Karriere: Im Alter von 34 Jahren wurde er als Werkdirektor des VEB Elektromotorenwerke Wernigerode eingesetzt – er war der jüngste Werkdirektor der DDR. Er blieb auf diesem Posten bis zum Ende der DDR.
Das Buch
Autor: Dr. Wolfgang Beck
Titel: Alles hat ein Ende – auch die Marktwirtschaft. Wolfgang Beck, der letzte Betriebsdirektor des VEB Elektromotorenwerk Wernigerode (Elmo), erzählt von der Planwirtschaft und dem wirtschaftlichen Ab- und Aufbruch nach 1990
Verlag: Rohnstock Biografien, Berlin, Mai 2023
Umfang & Preis: 268 Seiten, 19,90 Euro