• Mehr Aufrüstung wagen !
    https://overton-magazin.de/top-story/mehr-aufruestung-wagen

    Non, les social-démocrates européens n’ont pas imtroduit l’état de providence, ils ne l’ont même pas inventé. Ils sont par contre responsables pour pour son démantèlement. Les ouvriers ont raison quand ils ne votent plus pour pour le parti qui a été findé par Karl.Marx en 1948. Au début il s’appellait encore parti communiste.

    13.5.2025 von Norbert Faulhaber - Überall in Europa verweisen die Sozialdemokraten stolz auf ihre Geschichte, die gekennzeichnet sei von ihren Verdiensten beim Aufbau des Wohlfahrtsstaates und der Etablierung der Entspannungspolitik gegenüber dem kommunistischen Osten in der Ära des Kalten Krieges. Aber ist diese Sichtweise auch wirklich historisch korrekt? Bei genauerer Betrachtung stellt sich heraus, dass es sich dabei eher um einen Mythos handelt.

    Auch wenn das „sozialdemokratische Jahrhundert“ (Ralf Dahrendorf) nun schon lange vorbei ist: Parteien, die sich ideologisch als „sozialdemokratisch“ verorten, sind in vielen europäischen Staaten Machtfaktoren ersten Ranges – auch wenn sie in den letzten Jahrzehnten ihre in vielen Fällen dominierende Stellung verloren haben. In Skandinavien stehen sie trotz erheblicher Stimmenverluste immer noch im Zentrum des jeweiligen Parteiensystems und sind stärkste Regierungs- oder stärkste Oppositionspartei. In Deutschland stellten sie bis vor kurzem den Regierungschef, allerdings auf einer recht schmalen Wählerbasis, und in Großbritannien haben sie erst letztes Jahr wieder einen (so zumindest schrieben es die Mainstream-Medien) „fulminanten“ Wahlsieg errungen – der sich allerdings stark relativiert, schaut man sich die Stimmen- und Prozentzahlen an. Mit gerade mal 33,7 Prozent der abgegebenen Stimmen bekam die traditionsreiche Labour Party unter ihrem Parteichef Keir Starmer, einem begnadeten Langweiler, eine überwältigende Mehrheit im Parlament. Jeremy Corbyn, sein dezidiert linker Vorgänger, verlor 2017 die Wahl, obwohl er damals erheblich mehr Stimmen für sich einsammeln konnte – Starmers Mega-Erfolg ist also ausschließlich ein Ergebnis des britischen Mehrheitswahlsystems.

    In Frankreich, Holland und Griechenland hingegen erzielten die jeweiligen Schwesterparteien von SPD und Labour in den letzten Jahren einen Minusrekord nach dem anderen; absoluter Tiefpunkt waren wohl die jämmerlichen 1,8 (!) Prozent der Kandidatin des „Parti Socialiste“, Anne Hidalgo, bei der Präsidentschaftswahl in Frankreich 2022. Auch wenn sich die einstige Partei Francois Mitterands bei der Europawahl im Juni letzten Jahres wieder etwas erholen konnte: Eine richtige Renaissance sieht anders aus, und die holländischen Sozialdemokraten beispielsweise, die noch vor 30 Jahren stärkste Partei des Landes waren, sind heute einzig und allein deswegen noch nicht im Mülleimer der Geschichte verschwunden, weil sie ein enges (und ideologisch sicherlich folgerichtiges) Wahlbündnis mit den Grünen eingingen – mittlerweile wird sogar über eine Fusion beider Parteien spekuliert.
    Die rechtspopulistische Herausforderung

    Wohin sind diese vielen ehemaligen Sozi-Wähler abgewandert? Viele natürlich in die Wahlenthaltung, das besagen alle ernstzunehmenden wissenschaftlichen Studien. Viele aber auch in die weit offenen Arme der diversen rechtspopulistischen Parteien, die in fast allen europäischen Parteiensystemen in den letzten zehn, zwanzig Jahren einen dramatischen Aufschwung erlebten. In Frankreich, in Ostdeutschland, in Österreich sind das Rassemblement National, die AfD und die FPÖ mittlerweile veritable Arbeiterparteien: politische Bewegungen, die eifrig und höchst erfolgreich die viel zitierten „kleinen Leute“ hinter sich versammeln – soziale Schichten also, die jahrzehntelang sozialdemokratisch (und in Frankreich und Italien sogar kommunistisch) gewählt haben.

    Warum sie es heute nicht mehr tun? Ganz einfach: Weil die allermeisten Parteien in Europa, die sich „sozialdemokratisch“ nennen, heute keine sozialdemokratische Politik im klassischen Sinne mehr machen. Klassische sozialdemokratische Politik hieß früher: Bekämpfung der Arbeitslosigkeit, Bau (oder zumindest Förderung) von Sozialwohnungen für Einkommensschwache, Stärkung der Arbeiterrechte, Ausbau des Gesundheits- und des Bildungssystems. Spätestens seit den 1990er Jahren steht das meiste davon schon lange nicht mehr auf der Agenda von „sozialdemokratischen“ Parteien und Regierungen – erinnert sei hier an das berühmt-berüchtigte „Schröder-Blair“-Papier von 1999, das die Wende hin zu einem „links“ verbrämten Neo-Liberalismus markierte. Der eigentliche soziale Roll-Back erfolgte in Deutschland vier Jahren später mit der nicht minder berüchtigten „Agenda 2010“ der damaligen rot-grünen Bundesregierung – in Großbritannien hatte Margaret Thatcher knapp ein Vierteljahrhundert zuvor in dieser Hinsicht schon Pionierarbeit geleistet.
    Die Begründer des Wohlfahrtsstaates?

    Aber wir haben doch den Wohlfahrtsstaat geschaffen (und passen ihn lediglich an die veränderten Verhältnisse an), lautet – nicht nur in Deutschland – das Credo der Sozialdemokraten. Das Problem hierbei: Das stimmt nur sehr bedingt. Zwar ist es durchaus richtig, dass in Skandinavien (etwa in Schweden und Norwegen) und in Holland es sozialdemokratische oder sozialdemokratisch dominierte Regierungen waren, die vor allem in den 1950er und 1960er Jahren die Grundlagen für einen modernen Sozialstaat, der die negativen Entwicklungstendenzen des Kapitalismus abfedert, geschaffen haben – aber eben nicht in (West-)Deutschland, in Österreich oder Belgien. Dort waren es nämlich christdemokratische Parteien in der Regierungsverantwortung, die dieses Verdienst für sich in Anspruch nehmen können. Und schon gar nicht stimmt dies in Frankreich und in Finnland, wo es kommunistische Sozialminister waren, die einst in Mitte-Links-Regierungen wegweisende Sozialgesetze auf den Weg brachten. Was Deutschland betrifft: Der Sozialstaat hier war im Wesentlichen das Werk eines beinharten Konservativen (nämlich Otto von Bismarck) und eines Christdemokraten (Konrad Adenauer) – die SPD hat demgegenüber in ihrer langen Regierungszeit in den 1970er Jahren außer dem Bundesausbildungsförderungsgesetz (das nach ein paar Jahren aus Haushaltskürzungsgründen ohnehin wieder kastriert wurde) und dem Mitbestimmungsgesetz wenig dazu beigetragen. Und, wie bereits erwähnt: 2003/2004 zeichnete sie dann verantwortlich für den rabiatesten sozialen Kahlschlag in der bundesrepublikanischen Geschichte…

    Dass es Regierungen der unterschiedlichsten politischen Couleur waren, die in West- und Nordeuropa den modernen Sozialstaat geschaffen haben, ist kein Zufall. Ebenso wie Reichskanzler von Bismarck in den 90er Jahren des vorletzten Jahrhunderts getrieben war von der Angst, eine von Reichstagswahl zu Reichstagswahl immer stärker werdende (sich damals noch revolutionär gebärdende) Sozialdemokratie könnte eines Tages auf parlamentarischem Wege an die Macht gelangen, fürchteten die ökonomisch und politisch Mächtigen in den Ländern westlich des „Eisernen Vorhangs“ nach dem Ende des Zweiten Weltkriegs einen dramatischen Linksruck in ihren Gesellschaften, befeuert noch durch die – trotz aller Nachkriegsschwierigkeiten – sozialen Reformen in den Ländern, die dann in den darauffolgenden Jahrzehnten den sozialistischen Block bildeten. Beachtliche materielle Zugeständnisse an die arbeitende Bevölkerung auch im Westen standen deshalb auf der Tagesordnung: Etablierung und Erweiterung von Sozialversicherungssystemen für den Fall von Arbeitslosigkeit oder den des altersbedingten Ausscheidens aus dem Berufsleben, massive Investitionen in den Gesundheits- und in den Bildungssektor, eine staatliche Ausgabenpolitik zur Konjunktursteuerung mit dem Ziel der Erreichung von Vollbeschäftigung.

    Ein spezieller Fall ist Großbritannien: Zwar war es die Labour-Regierung von 1945-51, die hier die Grundlegen für den dortigen Sozialstaat legte; dessen Grundzüge – sogar im Detail – waren jedoch nicht von einem sozialdemokratischen Vordenker konzipiert worden, sondern einem (linken) Liberalen. William Beveridge hieß der Mann, war Berater des Kriegskabinetts von Premier Winston Churchill und entwarf ein Wohlfahrtssystem, das sich interessanterweise grundlegend von dem im Rest Europas vorherrschenden Modell unterscheidet, das in seiner Grundkonzeption auf Fürst von Bismarck zurückgeht. Das „Bismarck-Modell“ ist ein Sozialversicherungssystem, das auf Lohnarbeit basiert: Jeder Arbeitnehmer zahlt während seiner Berufstätigkeit in eine Versicherung ein, die ihm dann im Falle von Arbeitslosigkeit Unterstützung zahlt – oder im Fall des Ausscheidens aus dem Arbeitsleben eine Rente. Die Höhe dieser Unterstützungszahlungen richtet sich nach der Höhe der Einzahlungen. Im „Beveridge-Modell“ erhält jeder Arbeitslose und jeder Rentner dieselbe Unterstützungszahlung (also eine Art „Flat Rate“), finanziert wird dies über den Staatshaushalt, also über Steuern.

    Die Auswirkungen dieser beiden Systems sind recht unterschiedlich, insbesondere in Bezug auf die gesellschaftliche Einkommensverteilung. Im Bismarck-System ändert sich diese nämlich überhaupt nicht: Wer sein ganzes Berufsleben lang wenig verdient hat, bleibt auch im Alter oder im Fall von Arbeitslosigkeit arm, weil er ja wenig einbezahlt hat. Wer viel verdient hat, hat viel eingezahlt und kann folglich mit einer vergleichsweise hohen Arbeitslosenunterstützung und einer hohen Rente rechnen. Angelsächsische Sozialwissenschaftler nennen diesen Effekt das „Piggy Bank“ (Sparschwein)-Prinzip im Gegensatz zum „Robin Hood“-Prinzip: Wie wissenschaftliche Studien zeigen, hat das Beveridge-Modell, kombiniert mit einer progressiv steigenden Einkommensteuer, in der Tat den Effekt, die Einkommensverteilung zugunsten der ärmeren Schichten der Bevölkerung zu verändern…

    Dies aber natürlich nur dann, wenn die „Flat Rates“ eine bestimmte Höhe nicht unterschreiten. Letzteres ist jedoch in Großbritannien heute der Fall, dank Margaret Thatcher, die sowohl das Arbeitslosengeld als auch die staatlichen Renten auf ein absolutes Minimum gekürzt hat – vermutlich wohl auch in der Absicht, dadurch das gesamte Wohlfahrtssystem zu diskreditieren. Wie das Beveridge-System wirkt, wenn es nicht verwässert wird, kann man heute in Australien sehen: Dort zahlt der Staat die – natürlich von anderen Renteneinkünften abhängige – höchste staatliche Mindestrente weltweit, mit dem Effekt, dass dem australischen Rentensystem von Experten heute bescheinigt wird, zu den fünf Besten der Welt zu gehören – Deutschland beispielsweise liegt auf Platz 19. Gut möglich, dass dies ein Faktor ist, der (neben anderen natürlich) erklärt, warum es in diesem Land im Unterschied zu Europa immer noch keine rechtspopulistische Massenpartei gibt und es der dortigen Sozialdemokratie zu gelingen scheint, den Löwenanteil ihrer traditionellen Wählerunterstützung auch heute noch hinter sich zu scharen – wie der geradezu historische Wahlsieg der Labor-Regierung unter Premierminister Anthony Albanese erst vor kurzem demonstrierte.
    Fürst von Bismarcks langer Schatten

    Wie alle wissenschaftlichen Studien der letzten Zeit zeigen, etwa die des französischen Ökonomen Thomas Piketty, steigt die soziale Ungleichheit in fast allen westlichen Gesellschaftssystemen seit Jahrzehnten steil an – auch in Deutschland, obwohl die SPD in den letzten 25 Jahren sage und schreibe 21 Jahre lang den Sozialminister in der Bundesregierung stellte. Das auch für viele politisch wenig informierte Bürgerinnen und Bürger unübersehbare Versagen der Sozialdemokraten in dieser Hinsicht mag sicherlich damit zu tun haben, dass insbesondere die SPD in Deutschland ganz offensichtlich die Aufgaben des Sozialstaates mit denen der Heilsarmee zu verwechseln scheint: Hier ein paar Almosen, da ein paar Euros oder – wie im Fall des gesetzlichen Mindestlohns – sogar nur ein paar Cents mehr. Aber auch Fürst von Bismarck wirft hier seinen langen Schatten, über 120 Jahre nach seinem Tod.

    Es entbehrt nicht einer gewissen Ironie, dass seine Konzeption des Wohlfahrtsstaates, die ausdrücklich dazu entworfen wurde, das kapitalistische System zu stabilisieren und der damals noch zumindest verbal revolutionär gepolten deutschen Sozialdemokratie das Wasser abzugraben, heute diejenige ist, die von der SPD und vielen ihrer Schwesterparteien in Kontinentaleuropa verbissen verteidigt wird. Manche Parteien, die sich links von der Sozialdemokratie verorten, sind da schon deutlich weiter: Die deutsche Linkspartei etwa – die sich ansonsten allerdings eher auf „Identity Politics“ und den Kampf gegen echte und vermeintliche Faschisten konzentriert – fordert eine staatliche Grundrente von 1400 Euro im Monat, die französische Linkspartei „La France Insoumise“ immerhin eine in einer Höhe, die exakt der Armutsgrenze in Frankreich entspricht (derzeit 1216 Euro): Mehr Beveridge also, weniger Bismarck.
    NATO, CIA und sozialdemokratische Entspannungspolitik

    Nichtsdestotrotz war die Sozialdemokratie lange Zeit in vielen europäischen Ländern bei Wahlen zumindest in Bezug auf die Sozial- und Wirtschaftspolitik das sprichwörtliche „kleinere Übel“, verglichen mit dem programmatischen Angebot der Mitte-/Rechts-Parteien. Davon kann heute in den meisten Fällen keine Rede mehr sein. Die Sozialdemokraten haben sich – allen voran die der deutschen SPD – mittlerweile einer Politik verschrieben, die exakt jene „kleinen Leute“ existenziell bedroht, deren Interessen sie behaupten zu vertreten: Neoliberale Wirtschaftskonzepte, offener Sozialabbau, undurchdachte, ineffiziente und für die Betroffenen nicht stemmbare „Klimaschutzmaßnahmen“ – wie etwa das deutsche Heizungsgesetz – treiben ihre Stammwähler zuhauf in die Arme der Rechtspopulisten. Aber noch viel düsterer sieht die Bilanz der Sozialdemokraten heute in dem Bereich aus, in dem sie zumindest zeitweise tatsächlich viel mehr als nur das kleinere Übel waren: dem Bereich der Friedens- und Sicherheitspolitik.

    Man muss es zugestehen: Sozialdemokratische Staatsmänner wie Olof Palme, Willy Brandt (der in den 1950er Jahren noch ein eingefleischter kalter Krieger war!) und Bruno Kreisky haben in den 1970er Jahren eine Politik der Entspannung und des Ausgleichs mit den Staaten des Warschauer Pakts betreiben, die tatsächlich nicht nur die Kriegsgefahr in Europa drastisch verminderte, sondern auch eine Vielzahl von menschlichen Erleichterungen – wie etwa Verwandtenbesuche und Ähnliches – mit sich brachte. Dass diese Politik von den Falken in Washington, in der NATO und in vielen anderen westlichen Hauptstädten mit Stirnrunzeln betrachtet wurde – um es einmal milde zu formulieren – kann heute als historisch gesichert angenommen werden. Christopher Boyce, ein ehemaliger CIA-Mitarbeiter, der in den 1970er Jahren aus Empörung über die Verwicklung seiner Organisation in den Putsch in Chile Geheimmaterial der CIA an die UdSSR lieferte, nach seiner Festnahme und Verurteilung lange Jahre im Gefängnis saß und 2002 freigelassen wurde, gab 2013 dem „Guardian“ ein Interview, in dem er erzählte, dass vor allem Brandt, Palme und der von 1972-75 amtierende australische Labor-Premierminster Gough Whitlam auf der Abschussliste der CIA standen und die Organisation alles daran setzte, diese drei Regierungschefs zu stürzen. Brandt stürzte 1974 dann tatsächlich über den Guillaume-Skandal, Whitlam wurde in einer Art legalem Putsch aus dem Amt entfernt, und Palme starb 1986 bei einem Attentat, das bis heute nicht aufgeklärt ist…

    Rückblickend betrachtet war diese Periode der sozialdemokratischen Entspannungspolitik ohnehin nur eine relativ kurze Episode. Brandts Nachfolger Helmut Schmidt, ein ehemaliger Wehrmachtsoffizier im Zweiten Weltkrieg, war gerade mal drei Jahre im Amt, als er bei einem Vortrag in London eine so genannte „Raketenlücke“ entdeckt zu haben glaubte. Er behauptete, den sowjetischen Mittelstreckenraketen, die auf Ziele in Westeuropa ausgerichtet waren, habe „der Westen“ nichts entgegen zu setzen. Er schlug vor, US-Mittelstreckenraketen in Deutschland zu stationieren: die berühmte „NATO-Nachrüstung“. Es war der Auftakt für die wohl – noch vor der Kuba-Krise 1962 – gefährlichste Periode des Kalten Krieges: Im September 1983 war es lediglich der gesunde Menschenverstand des sowjetischen Oberstleutnants Stanislaw Petrow, der den Ausbruch eines globalen nuklearen Krieges verhinderte …

    Die Ur-Sünde

    Dass Sozialdemokraten sich für Waffen – wie jüngst auch der deutsche Kriegstüchtigkeitsminister Boris Pistorius – begeistern können, ist beileibe kein neues Phänomen. Der Ur-Sündenfall sozusagen trug sich vor exakt 110 Jahren, im August 1914 zu: Die sozialdemokratischen Parteien Europas, die noch wenige Wochen zuvor geschworen hatten, ihre jeweilige nationale Arbeiterschaft zu einem Generalstreik aufzurufen, sollte es zum Kriegsausbruch kommen („Arbeiter schießen nicht auf Arbeiter!“), erlagen kollektiv dem patriotischen, von den Medien und den bürgerlichen Parteien angefachten Kriegstaumel und solidarisierten sich mit ihren jeweiligen, entschlossen auf Krieg zusteuernden Regierungen – allen voran die SPD mit ihrer Zustimmung zu den kaiserlichen Kriegskrediten im deutschen Reichstag. Besonders perfide war dabei die Begründung der SPD-Führung für dieses Verhalten: Es gelte, der „russischen Tyrannei“ entgegen zu treten – und das von Politikern eines Staates, den Karl Marx einmal einen „parlamentarisch verbrämten Militärdespotismus“ nannte… In Wirklichkeit ging es natürlich um die geopolitischen Interessen der deutschen herrschenden Klasse – und der letzte Versuch eines Raubzugs gen Osten blieb es ja auch nicht.

    Beim zweiten Versuch standen die – meist exilierten, oft aber auch im KZ sitzenden – SPD-Führer in aller Regel auf der richtigen Seite der Geschichte, ausnahmsweise einmal. Aber kaum war der Zweite Weltkrieg zu Ende und das Kräftemessen zwischen den zwei neuen Weltmächten USA und UdSSR in vollem Gang, schlugen sich die Sozialdemokraten in Westdeutschland, in Großbritannien, in Frankreich und etlichen anderen Ländern auf die Seite derjenigen, die das alte Vorkriegs-Gesellschaftssystem wiederherstellen wollten – sprich die der USA und der alten, am Aufkommen des Faschismus oft ganz und gar nicht unschuldigen europäischen Herrschaftseliten. Die auf Betreiben der USA gegründete NATO wurde zum Instrument einer hemmungslosen Aufrüstung, und mindestens dreimal – 1962 während der Kuba-Krise, im September 1983 in der Nacht des Oberstleutnants Petrow und im November 1983 während des NATO-Manövers „Able Archer“ – stand die Menschheit am Rande der globalen Vernichtung. Immerhin sorgte die Fast-Katastrophe vom November 1983, nach allem, was man heute weiß, für ein Umdenken sowohl beim damaligen US-Präsidenten Reagan als auch beim damaligen sowjetischen Staats- und Parteichef Gorbatschow – Ergebnis waren zahlreiche Abrüstungsabkommen, allen voran der INF-Vertrag über ein Verbot der Stationierung von nuklear bestückten Mittelstreckenraketen in Europa.
    Eine neue Russophobie

    Die Ruhe währte allerdings nicht sehr lange. Ein Ex-Warschauer-Pakt-Land nach dem anderen schloss sich nach der „Wende“ in Osteuropa der NATO an, und 1999 startete diese den ersten völkerrechtswidrigen Angriffskrieg auf dem Kontinent seit 1945: den Überfall auf (Rest-)Jugoslawien, bejubelt insbesondere vom deutschen SPD-Verteidigungs“-Minister Rudolf Scharping und dem deutschen grünen Außenminister Joschka Fischer. Und obwohl der damalige russische Präsident Boris Jelzin ein eher westlich orientierter Politiker war, stand die Welt schon wieder am Rande eines neuen globalen Krieges: Wie der heutige britische Popmusiker James Blunt, der 1999 als Zeitsoldat Kommandeur einer britischen Brigade war, beteuert, hat lediglich seine Weigerung, gemäß dem Befehl eines ihm übergeordneten US-Generals den Flugplatz der kosovarischen Hauptstadt Pristina zu besetzen, damals eine direkte militärische Konfrontation mit russischen Soldaten verhindert („Ich war nicht gewillt, den Befehl für den Start eines Dritten Weltkrieges zu geben.“). Zum wiederholten Mal spielten reaktionäre Politiker und Medien in Deutschland und im gesamten restlichen Westen die russophobe Karte, lautstark sekundiert von führenden Sozialdemokraten, insbesondere in Deutschland. Entspannungspolitik? Im Mülleimer der Geschichte…

    Der Rest darf als bekannt vorausgesetzt werden – auch die unselige Rolle, die Sozialdemokratinnen und Sozialdemokraten im Zuge der „Zeitenwende“ beim neuen Ostfeldzug spielten und noch spielen. Wer führte Finnland und Schweden in die NATO? Die sozialdemokratischen Ministerpräsidentinnen Sanna Marin und Magdalena Andersson. Wer bugsierte die NATO auf einen beinharten Anti-Russland-Kurs? Ihr Chef, der ehemalige norwegische sozialdemokratische Premierminister Jens Stoltenberg (Ex-Premier einer rot-rot-grünen Regierung!). Wer beteuerte, die EU müsse der Ukraine bis zum Endsieg militärisch beistehen? Der EU-Außenbeauftragte“ und sozialdemokratische spanische Politiker Josep Borrell. Wer verkündete im deutschen Parlament die „Zeitenwende“? Wer postulierte, Deutschland müsse wieder „kriegstüchtig“ gemacht werden? Wer nannte den Beschluss zur Stationierung von neuen US-Mittelstreckenraketen in Deutschland ab 2026 eine „gute Entscheidung“?

    „Wer hat uns verraten? Sozialdemokraten!“ war jahrzehntelang in Deutschland ein Schlachtruf von Kommunisten und linken Sozialisten gegen die SPD. Der Spruch ist nicht ganz korrekt. Denn im Grunde genommen haben die Sozialdemokraten, allen voran die deutschen, sich in erster Linie selber verraten, haben sie nun auch noch das Letzte in die Tonne getreten, was nach der neoliberalen Wende in den 1990er Jahren an progressivem Gedankengut in ihrer Programmatik geblieben war: die Entspannungspolitik von Willy Brandt, Egon Bahr, Olof Palme, Bruno Kreisky und anderen. Der Kniefall des deutschen Bundeskanzlers in Warschau damals: eine Geste, die von heute aus betrachtet einer ganz, ganz fernen Vergangenheit anzugehören scheint.

    #social-démocrates #histoire

  • Der Preis der Kriegskredite
    https://www.unsere-zeit.de/der-preis-der-kriegskredite-4801375

    "Les assassins sont parmi nous" a été tourné en 1945/1946 parmi les décombres de Berlin

    Ils l’ont fait comme dans le passé, comme ils le feront dans l’avenir si personne ne les arrête. Les social-démocrates viennent de voter pour les crédits de guerre et cette fois il s’agit d’un montant illimité.

    Ce type de crédit n’a jamais été remboursé par des ponctions fiscales ordinaires. Dans le passé les profiteurs ont d’abord essayé de voler le nécessaire chez les voisins. La catastrophe qui en a été le résultat a rendu impossible le remboursement et la dette a été annulée par une réfome monétaire. Byebye Reichsmark , bonjour Deutsche Mark .

    Je me demande quelle monnaie on aura après la dévaluation totale de l’Euro. Pourtant, soyons un peu optimiste, peut-être cette fois on arrivera enfin à nous emparer des plaines ukrainiennes et russes. Avec le soutien de nos vousins occidentaux on a des chances d’y arriver.

    Le ministre de guerre social-démocrate nous annonce que l’Allemagne sera capable de commencer une guerre d’ici cinq ans. Allons, « crachons dans les mains », qu’on profite un peu de la manne libérée. Le premier l’empochera. Demain il sera trop tard.

    14.3.2015 von Vincent Ciesla - Da hilft auch kein „Sondervermögen“: alles für die Aufrüstung, nichts für die Beschäftigten

    Noch nicht einmal einen Namen gibt es. Dabei sind deutsche Regierungen geübt darin, gewaltige Schuldenberge mit klangvollen Bezeichnungen auszustatten. Da gab es den „Corona-Schutzschirm“ und den „Wumms“ gegen die Verwerfungen der Pandemie-Politik – noch heute scheitern Selbstständige an der Rückzahlung der damals gewährten „Soforthilfen“. Nicht mehr um vermeintliche Unterstützung, sondern um Kriegsfähigkeit ging es, als zwei Jahre später 100 Milliarden Euro für die Bundeswehr bereitgestellt wurden. Es folgte der „Doppelwumms“, den die SPD als „gigantisches“ Paket bezeichnete – 200 Milliarden Euro für den Wirtschaftskrieg gegen Russland, weil die verhängten Sanktionen vor allem die eigene Wirtschaft trafen.

    Die Schirm-und-Wumms-Politik der Vergangenheit, deren Kosten noch immer nicht ansatzweise bezahlt sind, wirkt mickrig im Vergleich zu dem namenlosen Paket, mit dem sich SPD und CDU jetzt aus der Krise herausbomben wollen. Unbegrenzte Kriegskredite und ein 500 Milliarden Euro schweres „Sondervermögen“ sollen die Fortsetzung der „Zeitenwende“-Politik ermöglichen, deren Scheitern ohne den zusätzlichen Kreditrahmen nicht länger zu vertuschen wäre. Damit setzt sich die Liste der Versuche fort, die selbstgemachte Krise mit geliehenem Geld zuzuschütten und sie weiter zu verschärfen.

    Der Ausbruch aus diesem Teufelskreis kann nur durch einen grundsätzlichen Wechsel gelingen. Doch der ist nicht in Aussicht, auch nicht mit einem „Sondervermögen Infrastruktur“. Ein Blick in die Gesetzesvorlage reicht aus, um zu erkennen, dass es hier nicht zuerst um Schulen und Kindergärten, nicht um die Schlaglochpisten in der Nachbarschaft oder den heruntergewirtschafteten Nahverkehr geht. CDU und SPD schreiben, dass die Infrastruktur im Zusammenhang mit der „sehr zügigen und umfassenden Ertüchtigung der Verteidigungsfähigkeit ein wesentlicher, quasi komplementärer Faktor“ ist. Es geht um Autobahnen, auf denen Panzer rollen können, um Flughäfen, auf denen Bomber starten. Am Ende winken eben nicht das moderne Industrieland, der starke Sozialstaat und die guten und sicheren Arbeitsplätze, die sich die Führung der IG Metall vom „Sondervermögen“ erhofft. Am Ende winkt die Kriegswirtschaft.

    Für eine echte Modernisierung der Infrastruktur und für eine Stärkung des Sozialstaates fehlt es zuerst an Personal. Ein Bruchteil der derzeit diskutierten Geldmengen würde ausreichen, um die Forderungen der Gewerkschaft ver.di in der Tarifrunde des Öffentlichen Dienstes vollständig zu bezahlen und in den kommenden Jahrzehnten noch weiter nachzulegen. Doch dafür will Innenministerin Nancy Faeser (SPD) kein Geld haben.

    Für die Beschäftigten gibt es weder Schirm noch Wumms. Das gilt nicht nur für den Öffentlichen Dienst. In ihrem Sondierungspapier stellen SPD und CDU den Achtstundentag infrage. Sie drohen Arbeitslosen mit der vollständigen Streichung des Geldes, um sie in prekäre Jobs zu zwingen und dadurch den Arbeitskampf für alle zu erschweren. Vom Mindestlohn und von sicheren Renten wird nur geredet. Handfeste Beschlüsse sucht man vergebens.

    Der Angriff auf die Arbeiterrechte erfolgt in einer Situation, in der Autokonzerne mit massenhaften Entlassungen drohten und in der Hightech-Zulieferer oder Waggonbauer auf Rüstungsproduktion umsteigen, um den schnellen Profit abzugreifen. Die Kriegspolitik vernichtet zivile Arbeitsplätze und verspricht den Beschäftigten eine zweifelhafte Zukunft in der Rüstungsproduktion.

    Die Militarisierung der Industrie ist eine Geschichte mit zwei Enden. Sie führt entweder in einen großen Krieg oder in den vollständigen Ruin. Die Kosten dafür tragen in beiden Fällen die Arbeiterinnen und Arbeiter. Ein „Sondervermögen“ hilft da nicht – Widerstand hingegen schon. Der muss sich gegen die Politik richten, die derzeit nur über Finanzinstrumente, aber nicht über den grundsätzlichen Kurs diskutieren will. Und er muss überall stattfinden: auf der Straße, in den Betrieben, bei Streiks und Kämpfen für mehr Lohn, bessere Arbeitsbedingungen und den Erhalt der zivilen Arbeitsplätze.

    https://fr.m.wikipedia.org/wiki/Les_assassins_sont_parmi_nous

    #Allemagne #guerre #social-démocrates #impérialisme #russophobie #gzerre #économie

  • Guns Before Butter
    https://tribunemag.co.uk/2025/03/guns-before-butter

    3.3.2025 by Jeremy Corbyn - Running a government where starving children and freezing pensioners is the price to pay for funding endless wars, Keir Starmer’s only legacy will be a more dangerous and unequal world.

    Mahra was just 31 years old when she was forced to seek refuge in a camp. A mother of four, and expecting a fifth, Mahra was one of 4.5 million people in Yemen displaced by the Saudi-led war, and one of 21 million people in need of urgent humanitarian aid. Conflict had compounded an already dire famine in a country ravaged by drought, causing widespread malnutrition.

    One day, while fetching water, Mahra collapsed. With the help of UN-funded healthcare, Mahra survived. Her unborn child did not.

    On Tuesday, MP after MP stood up in Parliament to defend the Prime Minister’s enormous annual increase in ‘defence spending’. Did any of them stop for a moment to think about what this actually means? Since 2015, more than half of Saudi Arabia’s combat aircraft used for the bombing raids were supplied by the UK. Over that period, British arms companies earned more than £6 billion in sales. Even before Britain started bombing Yemen directly in 2024, it was providing the weapons for a campaign that killed more than 150,000 people from military action, and left hundreds of thousands more dead from disease and famine. This is the reality of ‘defence spending’.

    The government has been widely criticised for cutting foreign aid to fund its increase in military spending, and rightly so. This decision will not just harm the victims of war, like those in Yemen, but will fuel the very conditions that lead to war in the first place. Eight in ten of the world’s poorest countries are suffering – or have recently suffered – from violent conflict. A grown-up approach to foreign policy would look at the underlying causes of war and alleviate them. This government is choosing to accelerate the cycle of insecurity and war instead.

    It was only this month that the government published videos bragging about the deportation of ‘illegal’ migrants, parroting right-wing attacks on asylum seekers. Now, by spending more on bombs and spending less on aid, the government is actively pursuing a strategy it knows will increase displacement. This may appear contradictory, but it makes perfect sense for a government intent on abandoning vulnerable people, home and abroad. Cutting foreign aid was a ‘tough choice’, we were told. So, too, was cutting winter fuel allowance, cutting disability benefits and keeping the two-child benefit cap. Why is it that the ‘tough choices’ always seem to hit the poor?

    We will look back at this decision in years to come, and take stock of its lasting, catastrophic consequences. If the Prime Minister wants to take pride in militaristic jingoism, then he must accept the shame of a more unstable and unequal world it helps create. Perhaps he should take a moment to pause, reflect and ask himself what happened the last time a Labour Prime Minister appointed himself the messiah of the free world.

    This month was the third anniversary of Russia’s invasion of Ukraine. Reflecting on the deadly, daily grind of First World War-style trench warfare, I asked a simple question in Parliament: ‘Could we just, for one moment, take a moment to reflect on the hundreds of thousands of lives that have been lost?’ From the beginning, I opposed Russia’s invasion and called for an end to the conflict as soon as possible to save human life. Three years on, and hundreds of thousands of grieving mothers later, I renew this call. There is no glory to war – there is only death and destruction. When leaders neglect to use the language of peace, they should remember that it’s those who are sent to die on the battlefield who end up paying the price.

    Meanwhile, the government is failing to tackle what is by far the largest threat to global security: climate disaster. As we speak, people are dying from droughts and floods, yet their lives aren’t deemed important for emergency press conferences outside Downing Street. They don’t have a place in a macho political strategy based on beating one’s chest in the name of war.

    Instead, the government’s thoughts are reserved for those who profit from destruction. This week, the Defence Secretary said that military spending can be ‘a driver of economic growth’. What he really means is that taxpayers’ money will be paid directly to arms companies. If the government was really interested in building a safer world, it would understand that there is no such thing as growth on a dead planet, and spend the £13.4 billion on species-saving resources like renewable energy instead.

    The next time a politician tells you they need to increase ‘defence spending’ to keep people safe, think of people like Mahra, forced to escape British-made bombs. Think of the children in this country going hungry because money that could have been spent on their food is being spend on weapons and bombs instead. Security is not the ability to destroy your neighbour. Security is the ability to get on with your neighbour. Think of the kind of society we could build if politicians had the slightest interest in building a world of peace.

    #Riyaume_Uni #guerre #labour #social-démocrates #Palestine

  • Von der Kriegsdienstverweigerung zur Kriegstreiberei
    https://overton-magazin.de/top-story/von-der-kriegsdienstverweigerung-zur-kriegstreiberei

    Où sont passés les pacifistes des années 1980 ? Johanbes Schillo explique qu’ils sont toujours présents. Au fond ils n’ont pas changé. Leur pacifisme particulier justifie les guerres allemandes d’aujourd’hui.

    Les arguments des ennemis essentiels de toutes les guerres n’ont jamais compté. On a toujours refusé le droit de refuser le service armé aux communistes et anarchistes. Ne pas vouloir tuer ses camarades de classe n’est pas un argument acceptable pour les représentants état botugeois.

    17.12.2024 von Johannes Schillo - Wo sind sie hin, die Anhänger der Gewaltfreiheit im friedenspolitisch geläuterten Deutschland, all die Verweigerer, die es einmal gab? Ja, wo sind sie geblieben? Was ist geschehen?

    Die Wehrpflicht kommt wieder – erneuert, erweitert, verbessert, wie auch immer. Darüber gibt es, jedenfalls im Grundsatz, eine große christ- und sozialdemokratische Einigkeit. Im CDU/CSU-Wahlprogramm wird eine aufwachsende Wehrpflicht gefordert. Und das Verteidigungsministerium arbeitet schon einmal am Aufwuchs, auch wenn seinem Kanzler das Vertrauen fehlt. Pistorius hat es jedenfalls angewiesen, „die Parameter zur Einführung eines neuen Wehrdienstes weiter auszuplanen und gemeinsam mit der Umsetzung zu beginnen“.

    Wo die Pflicht zum Kriegsdienst auf die Tagesordnung gesetzt wird, kommt natürlich – speziell in Deutschland, wo dem WK-II-Verlierer einst eine Entmilitarisierung verordnet und ein Artikel 4,3 im Grundgesetz zugestanden wurde – wieder das Grundrecht auf Kriegsdienstverweigerung (KDV) zu politischer Bedeutsamkeit. Es besteht ja auch bei ausgesetzter Wehrpflicht weiter fort und wird in Anspruch genommen. In der Friedensbewegung wird über diese Option diskutiert, ihre Zeitschrift Friedens-Forum wird das in der Nr. 2/25 dokumentieren. Und im Netz gibt es bereits einschlägige Anleitungen für Interessenten (sogar Interessentinnen!), angeblich könnte es sich „lohnen, schonmal die Kriegsdienstverweigerung anzugehen“.
    Eine exemplarische bundesdeutsche Polit-Karriere

    Ein KDV-Antrag bedarf nämlich einiger Vorbereitung. Man kann diese Möglichkeit nicht wie das Grundrecht auf Meinungs- oder Glaubensfreiheit einfach so in Anspruch nehmen. Kriegsdienstverweigerung, von Anfang an mit gewissen bürokratischen Hürden versehen, führte auch in den zehn Jahren nach der Wiederbewaffnung ein Schattendasein und stieg erst danach, im Zuge der Unruhen von APO und antiautoritärer Revolte, zu einer Massenbewegung auf. Sie erwarb sich sogar später, als Zivis viele nützliche Dienste leisteten, ein positives Image. Und last but not least ist daran zu erinnern, dass sie wesentliche Teile der politischen Klasse geprägt hat, vor allem beim rotgrünen Nachwuchs, wo Verweigerung fast schon zum guten Ton gehörte.

    Kanzler Scholz und Vizekanzler Habeck konnten es z.B. damals nicht mit ihrem Gewissen vereinbaren, auf Menschen zu schießen. Regiert wurden wir ja in der letzten Zeit von einem „Ampelkabinett aus Wehrdienstverweigerern“. Thematisiert wird das in der Öffentlichkeit bei Gelegenheit. Im April 2022 war Olaf Scholz zu Gast bei „Deutschland3000“, um mit Eva Schulz über den russischen Krieg gegen die Ukraine zu sprechen – und über seine eigene Kriegsdienstverweigerung Ende der 70er Jahre. Auf die Frage der ARD-Moderatorin, wie er seine Verweigerung begründet habe, kam folgende Antwort:

    „Also, ich kannte mich mit dem Thema aus und deshalb hab ich das begründet mit Erfahrungen, die ich gemacht habe, Erzählungen auch meiner Eltern über ihre Kriegserfahrungen, mit Dingen, die mich später bewegt haben, mit humanistischen Perspektiven, wie sie mit Martin Luther King verbunden waren, aber eben auch, indem ich mir einen Witz erlaubt habe und gesagt habe, ich hätte alle Bücher von Karl May gelesen und die jeweiligen Helden hätten niemals jemanden getötet, auch wenn da viele Leute in den Büchern ums Leben gekommen sind. Das hätte mich moralisch sehr geprägt. Irgendwie bin ich mit dem Witz durchgekommen.“

    Kurz kommt Heiterkeit auf bei Herrn Scholz und Frau Schulz, die (laut Auszeichnung von 2020) Deutschlands besten Interview-Podcast moderiert. Was soll man dazu sagen? Bei lebensentscheidenden Stationen mit Witzen aufwarten und die Blödelei auch noch verbreiten? Hat man hier einen „inkompetenten Narren“ vor sich, wie der hochkompetente Elon Musk vermutet? Nein, es ist schlimmer, es handelt sich nicht um einen Einzelfall, sondern um einen typischen bundesdeutschen Karrierepfad.

    Gewaltfrei im Krieg ankommen

    Scholz war nicht nur Verweigerer, sondern auch von 1982 bis 1988 stellvertretender Juso-Vorsitzender sowie Verbindungsmann zur Friedensbewegung, wo er die Demonstrationen gegen den NATO-Doppelbeschluss mitorganisierte. Währenddessen formulierten die Grünen, die im Zuge der Friedensbewegung entstanden, als einen ihrer Grundwerte gleich die „Gewaltfreiheit“ und bewerkstelligten damit ihren Aufstieg zur Politikfähigkeit. Und jetzt sitzt diese Generation „an den Schaltstellen der Macht“, so wundern sich bei Gelegenheit immer noch Fachleute und Laien! Nicht die Scharfmacher vom konservativen Stahlhelmflügel der Nation sind es, sondern die ehemaligen Friedenshänger, die Deutschland in den großen, seit 70 Jahren anstehenden Krieg treiben.

    Eine Außenministerin Baerbock macht die Ansage, dass „wir“, moralisch gesehen, bereits im Krieg mit Russland sind. Rotgrün strebt dessen Ruin an und will, im Konsens mit Frei- oder Christdemokraten, alles für die weitere Kriegsertüchtigung tun. Das Ganze im Bunde mit einer NATO, die eine echte „Kriegsmentalität“ fordert und auch schon mit Terminangaben für den Dritten Weltkrieg aufwartet, sowie unterm Schutzschild der USA, deren Weltherrschaft gerade auf das Kommando eines (so US-Rivalen und auswärtige Experten:) wahnsinnigen Faschisten hört, was ein paar Unsicherheiten mit sich bringt.

    Wer sich darüber wundert, hat allerdings zwei Dinge übersehen. Erstens die Vorgeschichte des neuen deutschen Militarismus und zweitens den systematischen Grund, der politisch denkende Menschen zu diesem eigenartigen Übergang – von der Verweigerung zum glatten Gegenteil – bewegt. Dazu hier einige Anmerkungen.
    Deutsches Militär wieder da

    Der erste Punkt dürfte den heutigen Resten der Friedensbewegung kein Geheimnis sein. Es war ja gerade der grüne Anspruch auf „robuste“ Durchsetzung von Menschenrechten, der neue „Bellizismus“ von Gutmenschen, der nach der Wende im Osten die Weichen hin auf Kriegsbeteiligung stellte und der schließlich im Bündnis mit der Sozialdemokratie 1999 – in einem völkerrechtswidrigen Angriffskrieg, wie Kanzler Schröder später einräumte – Serbien zur Räson brachte. Nämlich Jugoslawien abschließend mit einem Bombenhagel beibrachte, wie die Regeln im vielbeschworenen Gemeinsamen Haus Europa aussehen. Und damit klarstellte, dass die EU mit ihrer Führungsmacht Deutschland bei der Neuordnung des Kontinents das Sagen hat – und nicht Moskau, das unter Gorbatschow ja gerade zu erkennen gegeben hatte, dass es der NATO-Feindschaft mit ihrer Nach- und Totrüstungsdrohung nicht mehr gewachsen war.

    Bei den ersten Bürgerkriegen in Kroatien oder Bosnien, deren nationalistischen Furor der Westen anheizte und antiserbisch dirigierte, schürten die Grünen an vorderster Front die Stimmung, um die direkte militärische Beteiligung Deutschlands auf den Weg zu bringen. Kanzler Kohl dagegen zögerte und berief sich auf die „historische Verantwortung“. Deutsche Schuld hatte ihn natürlich vorher bei keiner antisowjetischen Auf- oder Nachrüstungsmaßnahme belastet. Aber in dieser Umbruchphase der 90er kriegerisch vorzupreschen – das zeigte ja dann die spätere Einschaltung der USA – setzte militärische Potenzen voraus, die Deutschland nicht zu bieten hatte. Es setzte also die maßgebliche US-Entscheidung voraus, die dann von Figuren wie Albright, Biden, Clinton kam.

    Aber ideologisch waren die Grünen als Wegbereiter wichtig. In der Partei bedurfte dies einiger Auseinandersetzungen, mit alter Politikdistanz musste aufgeräumt werden. Außenminister Fischer befragte seine KontrahentInnen und die politische Öffentlichkeit, in der man wahlkämpferisch Punkte machen wollte: „Können Pazifisten, kann gerade eine Position der Gewaltfreiheit den Sieg der brutalen, nackten Gewalt in Bosnien einfach hinnehmen? Können wir Prinzipien höher stellen als Menschenleben, und was wird aus unserem Prinzip der Gewaltfreiheit, wenn es sich vor der menschenverachtenden Gewalt beugt?“ (Frankfurter Rundschau, 2.8.1995)

    Aus dem Prinzip wird erst dann etwas, wenn es selber bereit ist, Menschenleben zu opfern! Denn das ist ja die Realität von Kriegen, die in den 90ern freilich noch (und das galt auch lange für den folgenden Afghanistankrieg) unter dem Ticket „Friedenseinsätze“ liefen. Das Prinzip gebot also nach der neuen Linie sein genaues Gegenteil – eine irre Logik, die sich aber durchsetzte. Und so war mit der Unterscheidung zwischen menschenverachtender und menschenachtender Gewalt das bekannte Geschäft dieser Partei etabliert, mit fundamentalistischer Sicherheit gute und böse politische Kräfte zu sortieren.
    Gewissenhafte Verweigerer

    Die weitere Entwicklung ist bekannt. Deutschland machte bei der militärischen „Befriedung“ Jugoslawiens mit, dann in Afghanistan, im Irakkrieg nur am Rande, da hier der nationale Ertrag zweifelhaft erschien, und wurde schließlich zu einem der größten NATO-Truppensteller bei Auslandseinsätzen. Insofern ist die Verwunderung darüber, dass Sozialdemokraten und Grüne heute Einiges an Militarismus aufzubieten haben, fehl am Platz. Es handelt sich um die konsequente Fortsetzung der Linie, die unter Schröder & Fischer eingeschlagen wurde. Und auch gegenwärtig ist es ja, wie damals gegen Milošević, noch nicht der ganz große Krieg gegen die feindliche Atommacht Russland. Man hat schließlich einen willfährigen Stellvertreter gefunden, der die Rolle des Frontstaates unter rücksichtsloser Opferung seines Menschenmaterials spielt.

    Gerade über diese Rolle – die Möglichkeit, dass Deutschland zum atomaren Schlachtfeld wird – machten sich ja seinerzeit große Teile der Friedensbewegung Sorgen. Hier war mehr Nationalismus als Pazifismus im Spiel. Aber man muss sich auch einmal klar machen, dass im Pazifismus, wie ihn etwa der KDVler repräsentiert, selber eine Schwäche liegt, dass der dort übliche Moralismus auch zu blanker Selbstgerechtigkeit fähig ist. Ob stimmt, was Scholz über seine damalige Verweigerung erzählt, mag dahin gestellt bleiben (bekanntlich leidet er fallweise an Erinnerungslücken). In dem Bericht über deren läppischen Charakter steckt aber eine Wahrheit in Sachen KDV: Man muss sich dort als „moralisch geprägtes“ Individuum vorstellen.

    Das ist die logische Konsequenz des hoch geschätzten Grundrechts aus Artikel 4,3 Grundgesetz. Man darf den Kriegsdienst nur aus Gewissensgründen verweigern. Man darf nicht mit politischen Einwänden gegen die Beteiligung an einem Krieg antreten, etwa mit einer Kritik am imperialen Ausgreifen der eigenen Nation auf fremde Herrschaften oder der Behauptung gegen deren Sicherheitsinteressen, und natürlich auf keinen Fall mit dem simplen Wunsch, sich lieber aus solch mörderischen Angelegenheiten herauszuhalten. Ein Ole Nymoen hätte mit seiner – ein paar rationale Gründe ins Feld führenden – Weigerung, sich an den Händeln der regierenden Warlords zu beteiligen, keine Chance auf Anerkennung.

    Man ist nämlich als sittliche Person gefragt, daher die Rede vom Gewissen. Das soll ja eine Instanz im Menschen sein, die berühmte Stimme des Gewissens, die ihm dies und das ge- oder verbietet – tendenziell schon eine Mystifikation, denn wer in seinem Kopf Stimmen hört, ist bekanntlich ein Problemfall. Aber man muss sich nicht unbedingt religiös zur Nächsten- und Feindesliebe oder ähnlichen Kuriositäten bekennen, sondern nur die eigene Moralität als Berufungsinstanz ins Spiel bringen, sich also inszenieren, mit welchem Quatsch auch immer und sei es Karl May (natürlich nicht mit Karl Marx!). „Mit dem Thema“ kannte sich Scholz – gewiefter Taktiker von Jugend an – in der Tat aus.

    Dem Gesetzgeber und den Prüfungsausschüssen reicht es dabei, diese Art der Personalisierung vorzuschreiben und damit eine Haltung der Kandidaten zu befördern, die als staatsbürgerliches Plus zu Buche schlägt: Hier bekennt sich jemand zur Ablehnung von Gewalt, die ja im Alltag der Konkurrenzgesellschaft sowieso gefordert ist, obwohl dort dauernd Anlässe zur Grenzüberschreitung geschaffen werden und, beginnend mit Sandkasten & Schulhof, entsprechende Ausraster produzieren. Hier dokumentiert also eine Person, dass sie die staatlichen Gebote buchstäblich verinnerlicht hat.

    Und geprüft wird in dem Verfahren beim gewissenhaften Jungvolk noch eine andere staatsbürgerliche Leistung: die Bereitschaft, dem Kommando der Obrigkeit an allen anderen Stellen zu gehorchen und dort, wo man gebraucht wird, seinen Ersatzdienst zu leisten. Ein Ersatz für Personal, das sonst staatlicherseits Kosten verursachen würde, so dass dank seiner Einsparung mehr Geld in die Rüstung gesteckt werden kann. Und im Kriegsfalle sind die zivilen Dienste in der Nation ja sowieso also Hinterland der Front verplant, wobei die Neujustierung des zivil-militärischen Verhältnisses, wie die Ansagen der Ampel-Regierung gezeigt haben, jetzt schon auf der Tagesordnung steht.

    Man wird abwarten müssen, wie die Neufassung oder Wiederinkraftsetzung der Wehrpflicht im Einzelnen aussieht. Die Abschaffung des KDV-Rechts ist dabei kaum zu erwarten. Wird es nach dem Geist des Gesetzes ausgeführt, schafft es eine individualisierte Haltung, die nicht zu Opposition anregt. Natürlich kann man es als Möglichkeit zum antimilitaristischen Einspruch nehmen. Doch ist das mehrstufige Prüfverfahren so angelegt, dass auf dem Verwaltungswege die Anerkennungskriterien ohne großen Aufwand verschärft werden können: Die Ausschussmitglieder brauchen im Prinzip nur zu sagen, dass sie vom persönlichen Auftreten des Prüflings nicht beeindruckt sind, dass sie also nicht, wie im Fall Scholz, ein x-beliebiges Bekenntnis zur Menschenliebe durchgehen lassen…

    #Allemagne #guerre #pacifisme #verts #social-démocrates

  • Der schlimmste Feind
    http://www.zeno.org/Literatur/M/Tucholsky,+Kurt/Werke/1926/Der+schlimmste+Feind?hl=der+schlimmste+feind

    Für Ernst Toller

    Der schlimmste Feind, den der Arbeiter hat,
    das sind nicht die Soldaten;
    es ist auch nicht der Rat der Stadt,
    nicht Bergherrn, nicht Prälaten.
    Sein schlimmster Feind steht schlau und klein
    in seinen eignen Reihn.

    Wer etwas diskutieren kann,
    wer einmal Marx gelesen,
    der hält sich schon für einen Mann
    und für ein höheres Wesen.
    Der ragt um einen Daumen klein
    aus seinen eignen Reihn.

    Der weiß nichts mehr von Klassenkampf
    und nichts von Revolutionen;
    der hat vor Streiken allen Dampf
    und Furcht vor blauen Bohnen.
    Der will nur in den Reichstag hinein
    aus seinen eignen Reihn.

    Klopft dem noch ein Regierungsrat
    auf die Schulter: »Na, mein Lieber . . . «,
    dann vergißt er das ganze Proletariat –
    das ist das schlimmste Kaliber.
    Kein Gutsbesitzer ist so gemein
    wie der aus den eignen Reihn.

    Paßt Obacht!

    Da steht euer Feind,
    der euch hundertmal verraten.
    Den Bonzen loben gern vereint
    Nationale und Demokraten.
    Freiheit? Erlösung? Gute Nacht.
    Ihr seid um die Frucht eures Leidens gebracht.
    Das macht: Ihr konntet euch nicht befrein
    von dem Feind aus den eignen Reihn.

    · Theobald Tiger
    Die Weltbühne, 28.12.1926, Nr. 52, S. 998, wieder in: Mona Lisa.

    #mouvement_ouvrier #fonctionnaires #parlamentarisme #lutte_des_classes #poésie #chanson #Allemagne #histoire #social-démocrates #communistes

  • Labour has ordered the Home Office to begin mass deportations of undocumented migrants.
    https://linke.social/@alanferrier@mastodon.scot/112826436911377669


    Writing in The Sun, Yvette Cooper says she has told the Home Office to raid car washes, nail bars and salons. 1,000 staff will be deployed to fast-track deportations.

    “Change,” eh?

    #social-démocrates #UK #labour #migrants

  • Rezension zu: Helmut Schmidt
    https://www.hsozkult.de/publicationreview/id/reb-24837

    Claudia Hiepel, Historisches Institut, Universität Duisburg-Essen - Die geradezu kultische Verehrung, die Helmut Schmidt in seinen letzten Lebensjahren in der Öffentlichkeit erfuhr, kontrastiert merkwürdig mit dem doch eher kritischen Bild während seiner Kanzlerschaft in den Jahren 1974–1982. Zwei biographische Arbeiten über den 2015 verstorbenen Bundeskanzler a.D. Helmut Schmidt gehen diesem scheinbaren Widerspruch nun aus unterschiedlichen Perspektiven auf den Grund.

    Kristina Spohr, Associate Professor für Internationale Geschichte an der London School of Economics, behandelt die acht Jahre seiner Kanzlerschaft und konzentriert sich dabei inhaltlich auf die globale Wirtschafts- und Sicherheitspolitik. Anhand umfangreicher Quellenrecherchen im Privatarchiv Helmut Schmidts wie in weiteren Archiven in Deutschland, Großbritannien und den USA liefert sie eine Analyse dieser beiden Pfeiler der Außenpolitik Schmidts. Sie setzt ihm postum ein Denkmal als „Weltkanzler“, der eine einflussreiche weltpolitische Rolle gespielt und Entwicklungen angestoßen habe, die in ihren Nachwirkungen bis in die Gegenwart hineinragen. Im Gegensatz zur positiven öffentlichen Wahrnehmung Schmidts werde seine Rolle jedoch von der wissenschaftlichen Forschung nicht hinreichend gewürdigt. Schon die zeitgenössische Rezeption seiner Kanzlerschaft fiel nicht uneingeschränkt positiv aus. Für den „SPIEGEL“ war Helmut Schmidt im Herbst 1982, kurz vor dem Misstrauensvotum im Bundestag, ein guter Kanzler mit schlechter Bilanz – sein ständiger Rivale Willy Brandt hingegen ein schlechter Kanzler mit guter Bilanz.[1] Die Wissenschaft verwehrte Schmidt laut Spohr zu Unrecht den Platz in der „hall of fame“ (S. 11) der ganz großen Kanzler der Bundesrepublik. Den meisten galt er als ,bloßer‘ Macher und Krisenmanager, aber nicht als eigenständiger Denker und Stratege. Selbst sein politischer Freund Henry Kissinger schrieb ihm lediglich die Rolle eines „Übergangskanzlers“ (S. 299) in einem schwierigen Krisenjahrzehnt zu, der aber nichts Bleibendes, nichts historisch Herausragendes hinterlassen habe.

    Aus Sicht Spohrs sind dies krasse Fehlurteile über einen Politiker, dessen Fähigkeiten und Qualitäten ihn weit über das Normalmaß hinaushoben. Schmidt war für die Autorin vielmehr einer derjenigen Kanzler, mit denen die kleine Bundesrepublik gleichsam in eine internationale Liga aufstieg, in der sie als nicht-nuklearer und halb-souveräner Staat eigentlich nicht als gleichberechtigter Mitspieler oder gar Spielführer vorgesehen war. Schmidts Expertise, seine außergewöhnliche Fähigkeit zu konzeptionellem Denken und die daraus resultierende politische Praxis weisen für Spohr „Merkmale echter Staatskunst“ auf (S. 16). Er habe als „Verteidigungsintellektueller“ und „Weltökonom“ brilliert; er sei der Zeit und den Zeitgenossen weit vorausgewesen, indem er die neuen Anforderungen erkannt habe, die die zunehmende Interdependenz der Staatenwelt in den 1970er-Jahren an die Nationalstaaten und ihre Akteure herantrug.

    Als Schmidt nach dem Rücktritt Brandts das Amt des Bundeskanzlers übernahm, war das drängendste Problem die globale Wirtschafts- und Währungskrise, verbunden mit dem Ende des Währungssystems von Bretton Woods 1973, dem Floating der Währungen, der Ölkrise 1973/74, Inflation und Arbeitslosigkeit. Die Krise der 1930er-Jahre vor Augen, sah Schmidt Demokratie und Weltfrieden gleichermaßen bedroht. Eine isolierte nationale Lösung hielt er angesichts der zunehmenden wechselseitigen Abhängigkeiten und Verflechtungen nicht für möglich. Weltwirtschaft wurde zur Kernaufgabe der Staats- und Regierungschefs der führenden Industrienationen, die erstmals 1975 in Rambouillet zu alljährlichen Gipfeltreffen zusammenkamen. Schmidt war maßgeblich an der Implementierung dieser Gipfel beteiligt, ein als Krisenmechanismus entstandenes multilaterales Forum, das bis heute Bestand hat und aus der internationalen Politik nicht wegzudenken ist. Das Europäische Währungssystem (EWS), das Schmidt mit dem französischen Staatspräsidenten Giscard d’Estaing initiierte und das die Wechselkursstabilität innerhalb der Europäischen Gemeinschaft sichern sollte, ist als Antwort auf die Krise der 1970er-Jahre zu sehen und zugleich als Vorgeschichte des Euro. Beides, G7-Gipfel und EWS, lassen sich mit einiger Berechtigung auf der Habenseite der Kanzlerschaft Schmidts verbuchen.

    Aber auch bei den großen sicherheitspolitischen Themen der Zeit ist die Sache für Spohr klar: Die von Schmidt lancierte NATO-Doppelstrategie könne als Vorgeschichte der Abrüstungsverhandlungen zwischen Gorbatschow und Reagan betrachtet werden und als „wichtiger Beitrag zur Entschärfung des Kalten Krieges“ (S. 17). Die „Staatskunst“ Schmidts basierte demnach auf einer Kombination aus intellektueller Durchdringung eines komplexen Gegenstandes und einer den Realitäten angemessenen, im Prinzip alternativlosen Strategie, die er in politische Entscheidungsmacht transformieren konnte. Ähnlich wie in ökonomischen Fragen habe Schmidt auch hier auf seine Kompetenz bauen können. Seit den 1950er-Jahren gehörte er zu den wenigen sicherheitspolitischen Experten in der SPD. Spohr spart wiederum nicht mit Superlativen: Als „Vordenker in Verteidigungsfragen“ sei Schmidt in der Bundesrepublik „konkurrenzlos“ gewesen (S. 77).

    Militärisches Gleichgewicht war das zentrale Credo von Schmidts sicherheitspolitischen Vorstellungen. Dieses sah er mit dem Beschluss der Sowjetunion zur Stationierung der SS 20-Raketen bedroht. Schon 1977 entwickelte er eine Doppelstrategie: Rüstungsbegrenzung war das Ziel, aber im Zweifel sollte die Aufstockung des Waffenarsenals erfolgen. Spohr kann anhand zahlreicher Äußerungen Schmidts nachweisen, dass dieser immer eine Null-Lösung bevorzugt hätte. Dennoch hielt er an einer „ziemlich mechanischen Vorstellung“[2] von militärischem Gleichgewicht fest, wonach die strategische Parität bei den Mittelstreckenwaffen nicht mehr gewährleistet sei und daher die westliche Seite nachziehen müsse. Diese Auffassung teilte man in der US-Administration durchaus nicht. Antworten auf die Modernisierung des sowjetischen Waffenarsenals hätte es auch jenseits der Stationierung neuer Raketensysteme gegeben, und das strategische Gleichgewicht war nicht zwangsläufig aus den Fugen geraten. Der NATO-Doppelbeschluss vom Dezember 1979 war daher vor allem das Ergebnis der beharrlichen Interventionen Schmidts.

    Neuland zu betreten ist bei diesem mittlerweile gut erforschten Thema schwierig. Spohrs Verdienst ist es, hier sehr tief in die Feinheiten der sicherheitspolitischen Implikationen einzelner Waffensysteme einzudringen. Die Autorin zeichnet zudem ein farbiges Bild der Gipfeldiplomatie, das mitunter beim Lesen das Gefühl hervorruft, mit am Verhandlungstisch zu sitzen. Allerdings birgt diese Erzählweise die Gefahr des Distanzverlustes, vor der Spohr leider nicht gefeit ist. Sie erzählt die Geschichte konsequent aus der Perspektive ihres Protagonisten. Der Bewunderung für Schmidt lässt sie dabei freien Lauf. Lediglich seine Launenhaftigkeit und Arroganz werden kritisch angemerkt (S. 312). Dass er damit maßgeblich für das zerrüttete Verhältnis zum US-Präsidenten Carter verantwortlich war, spricht nicht für seine „Staatskunst“.

    In einem Anflug von Überidentifikation übernimmt Spohr bestimmte Feindbilder Schmidts. Egon Bahr wird hier zum „Quälgeist“ (S. 123), der aus Eitelkeit und Opportunismus einen Proteststurm gegen Neutronenbombe und Nachrüstung inszenierte, den es ohne ihn nicht gegeben hätte. Dass Bahr und andere Kräfte in der SPD aus Überzeugung und aus einem anderen Sicherheitsverständnis heraus handelten, zieht Spohr nicht einmal in Erwägung, wie überhaupt der linke Flügel in der SPD und die Friedensbewegung nur als lästige Störfaktoren wahrgenommen werden. Von einer kritisch-reflektierenden Zeitgeschichtsschreibung wären differenziertere Urteile zu erwarten.

    Die Marginalisierung anderer Akteure gehört ebenfalls zu den Fallstricken biographischen Erzählens. Ohne die enge Kooperation und politische Freundschaft mit Giscard d’Estaing aber wären weder die G7-Gipfel zustande gekommen noch das EWS. Überhaupt waren Gipfeltreffen als Kriseninterventionsmechanismus nicht neu, sondern wurde bereits seit 1969 erfolgreich im Rahmen der Europäischen Gemeinschaft angewandt. Und auch bei der NATO-Doppelstrategie spielten Giscard und der britische Premierminister Callaghan auf der Konferenz von Guadeloupe 1979 eine wichtige Rolle, als sie gemeinsam auf den US-Präsidenten einwirkten.

    Zuzustimmen ist Spohr, dass die „langen“ 1970er-Jahre keine bloße Übergangsperiode waren, sondern als eine Art Frühgeschichte der zweiten Globalisierung zu lesen sind, die von den Zeitgenossen wahrgenommen, aber noch nicht so bezeichnet wurde. Damit allerdings rennt man in der Forschung offene Türen ein. Helmut Schmidt spielte in diesem Kontext sicher eine wichtigere Rolle als bislang wahrgenommen. Ihn als „Weltkanzler“ derart herauszuheben schießt aber über das Ziel hinaus.

    Thomas Karlaufs Schmidt-Biographie tappt nicht in die biographische Falle. Ihm gelingt es, sich seinen Helden „vom Leib zu halten“ (Christian Meier), obgleich er Schmidt als dessen langjähriger Lektor auch persönlich sehr gut kannte. Er genoss das Vertrauen des Altkanzlers und hatte uneingeschränkten Zugang zum Privatarchiv und zu Schmidt selbst, mit dem er in ständigem Kontakt stand. Trotz dieser Nähe ist ihm ein ausgewogenes, nüchternes und facettenreiches, mitunter auch kritisches Porträt Schmidts gelungen.

    Es geht um die „späten Jahre“ vom Kanzlersturz 1982 bis zu Schmidts Tod, immerhin 33 Jahre, in denen Schmidt „außer Dienst“, aber in der Öffentlichkeit präsent war. Während dieser Zeit avancierte er zum Welterklärer und Idol der Deutschen, der sich gerade im letzten Jahrzehnt immenser Beliebtheit erfreute. Karlauf erzählt diese zweite Karriere Schmidts als Elder Statesman – ohne politisches Amt, aber nicht ohne politischen Einfluss. Karlauf sucht die Gründe und Hintergründe für diese einzigartige Rolle, die Schmidt als „Altkanzler“ in der Geschichte der Bundesrepublik auch nach seinem Sturz spielte. Der späte Ruhm speiste sich demnach aus zwei Quellen: zum einen aus der Sehnsucht der Deutschen nach Orientierung, zum anderen aus Schmidts besonderer Fähigkeit, auch komplizierte Dinge verständlich darzustellen und die langen Linien der Entwicklung im Blick zu haben.

    Das Zusammenspiel dieser Faktoren ergab sich nicht von allein, und Karlauf verfolgt die Genese in seiner chronologischen Darstellung. Nach dem Schock des Kanzlersturzes und dem Verlust der politischen Ämter gab es zunächst „Jahre der Zurückhaltung“ (1982–1990, Teil I), in denen Schmidt versuchte, mit sich und der Partei ins Reine zu kommen. Die Tätigkeit als Herausgeber bei der ZEIT half ihm, über den Bedeutungsverlust hinwegzukommen und die Basis für seine zweite Karriere zu legen. Es folgten „Jahre der Einmischung“ (1991–2003, Teil II), in denen Schmidt seine vielfältigen internationalen Netzwerke ausbaute und in verschiedenen Organisationen und Diskussionsforen Einfluss nahm auf die politischen Debatten. Erst spät beschritt er dann die „Wege des Ruhms“ (2003–2015, Teil III), die ihn zu dem unantastbaren Status führten, den er bis zu seinem Tod innehatte. Er besaß eine Autorität wie kaum ein anderer ehemaliger Politiker. Am ehesten wäre Brandt zu nennen, der aber als Parteivorsitzender noch lange nach seiner Kanzlerschaft auf ganz andere Weise in den politischen Betrieb eingebunden war. Sicher spielte auch Kohls Gegenwart eine Rolle, die Schmidts Vergangenheit gleichsam vergoldete (S. 199). Als „Kanzler der Einheit“ hätte Kohl seinem Vorgänger dennoch Konkurrenz machen können. Bezeichnenderweise aber begann der Aufstieg des einen Altkanzlers mit dem Abstieg des anderen im Zuge der CDU-Spendenaffäre um das Jahr 2000.

    Dass Schmidt sehr konsequent an seinem Bild für die Geschichtsbücher arbeitete, hat man immer schon geahnt. Wie intensiv, mit welchen Finessen und welcher Beharrlichkeit, das erhält man hier kenntnisreich und überzeugend belegt. Seine mehrbändigen, vielgelesenen Memoiren, die in jahrelanger sorgfältiger Arbeit entstanden, sollten ebenso dazu beitragen wie alle anderen schriftlichen und mündlichen Äußerungen Schmidts. Seine Geschichtsdeutung begann bereits mit seinem Sturz 1982. Schon hier ließ er sich, obwohl in der Defensive, das Heft des Handelns nicht aus der Hand nehmen und arbeitete an dem Bild vom „Verrat“ der FDP. Tatsächlich waren es die auseinanderdriftenden wirtschaftspolitischen Vorstellungen in der Krise, die den sich lange ankündigenden Sprung der FDP begründeten. Vor allem aber ging es Schmidt darum, die SPD unbeschädigt aus der Krise herauszubringen. Es war die Version der CDU, dass der Kanzler an seiner eigenen Partei gescheitert sei – eine Auffassung, die im Übrigen bei Kristina Spohr durchklingt. Das Leiden an der störrischen, von Linkskräften dominierten SPD, die dem eigentlich vernünftigen und alternativlosen Kurs des Kanzlers nicht habe folgen wollen, ist bei Spohr eine ständig durchklingende Melodie. Karlauf dagegen weist in diesem Zusammenhang auf eine Selbstverständlichkeit hin: Die Partei ist ein Ort der politischen Willensbildung und insofern nicht zu übergehen oder abzutun. Das war auch Schmidt bewusst, der intensiv für seinen Kurs warb – mit dem Ergebnis, dass die SPD ihm auf dem Parteitag im April 1982 durchaus (noch) folgte. Die eigentliche Zerreißprobe blieb Schmidt erspart, denn die definitive Entscheidung über den zweiten Teil des Doppelbeschlusses, die Stationierung, stand erst im Herbst 1983 an. Hier wäre die Partei Schmidt vermutlich in der Tat nicht mehr gefolgt. Dass die SPD aber auch später das Ende des Kalten Krieges nicht ihm, sondern der Friedenspolitik Brandts zuschrieb, schmerzte ihn sehr.

    Schmidt wollte nicht als Krisenmanager oder Übergangskanzler in die Geschichte eingehen, sondern als Europapolitiker, als Weltökonom und Sicherheitsexperte. Kristina Spohr leitet dieses Bild aus der „realen“ Außenpolitik seiner Kanzlerjahre ab. Thomas Karlauf macht hingegen deutlich, wie sehr diese Sicht das Ergebnis einer retrospektiven Geschichtskonstruktion ist. Ob das Krisenmanagement bei der Sturmflut in Hamburg 1962 oder Schmidts Geradlinigkeit gegenüber dem Terror der Roten Armee Fraktion dieses gewünschte Narrativ nicht doch am Ende überlagern werden, muss die Zukunft zeigen.

    Spohr, Kristina: Helmut Schmidt. Der Weltkanzler. Aus dem Englischen von Werner Roller. Darmstadt 2016 : Theiss Verlag, ISBN 978-3-8062-3404-6 384 S., 17 SW-Abb. € 29,95

    Karlauf, Thomas: Helmut Schmidt. Die späten Jahre. München 2016 : Siedler Verlag, ISBN 978-3-8275-0076-2 555 S. € 26,99

    Anmerkungen:
    [1] Wolfram Bickerich, Dreizehn Jahre geliehene Macht, in: SPIEGEL, 27.09.1982, S. 40–56, hier S. 40, http://www.spiegel.de/spiegel/print/d-14353616.html (07.06.2017).
    [2] Wilfried Loth, Die Rettung der Welt. Entspannungspolitik im Kalten Krieg 1950–1991, Frankfurt am Main 2016, S. 205.

    #Allemagne #histoire #politique #SPD #social-démocrates #biographie

  • Die Welt : Sabine Pamperriens Biografie wird Helmut Schmidt nicht gerecht
    https://www.welt.de/geschichte/zweiter-weltkrieg/article135130653/So-eine-Biografie-verdient-Helmut-Schmidt-nicht.html

    Helmut Schmidt avait vingt ans en 1935 et trente en 1945. Il fait partie de le génération qui a rendu possible la guerre allemande et les méfaits des nazis. Le journaliste du journal de droite Die Welt pense au contraire que les allemandes de l’age de H.S. étaient trop jeunes pour être responsables de quoi que ce soit. Le mensonge national sépare toujours la majorité conservatrice des provinces allemandes de leurs compatriotes oeuvrant pour le progrès social et la paix dans le monde. Pour la droite une biographie critique de la jeunesse du grand homme ne peut contenir que de fausses dénonciations.

    He’s the one who gives his body as a weapon of the war
    And without him all this killing can’t go on.

    Buffy Sainte-Marie, Universal Soldier , 1964

    8.12.2023 von Sven Felix Kellerhoff - Die Journalistin Sabine Pamperrien wollte den Erfahrungen Helmut Schmidts im Zweiten Weltkrieg nachforschen. Doch ihr Buch geht an der Wirklichkeit des Lebens im Nationalsozialismus weit vorbei.

    Exakte Erinnerung gehört nicht zu den allergrößten Stärken von Helmut Schmidt. Und das liegt keineswegs nur an seinem Alter von inzwischen fast 96 Jahren – Geburtstag feiert der mit weitem Abstand beliebteste Ex-Politiker der Deutschen kurz vor Weihnachten. Bekanntermaßen hat der Altkanzler die Neigung, unangenehme Dinge tatsächlich oder angeblich zu vergessen. Legendär ist sein Satz „Das erinnere ich nicht!“ in Interviews, wenn es etwa um den Preis für die Erlaubnis geht, die deutschen Geiseln 1977 aus der Lufthansa-Boeing in Mogadischu zu befreien.

    Erstaunlich deshalb, dass die Journalistin Sabine Pamperrien in ihrer jetzt erschienenen Biografie „Helmut Schmidt und der Scheißkrieg“ über sein Leben in den Jahren 1918 bis 1945 mit dem Gegenteil der bekannten Tatsache einsteigt: „Schmidt ist berühmt für sein glänzendes Gedächtnis“.

    Schon bald zeigt die Lektüre, dass die Autorin diese falsche Prämisse unbedingt braucht. Denn ihr Buch besteht wesentlich aus der Konfrontation von Schmidts zahlreichen Äußerungen über seine Jugend und Soldatenzeit mit in Akten überlieferten Darstellungen.

    Das ist keineswegs grundsätzlich illegitim. In Pamperriens Fall jedoch war es zugleich die einzige Möglichkeit, ihr Projekt zu vollenden. Denn offenbar entzog der Protagonist der Autorin die Unterstützung, als er erkannte, in welche Richtung die Biografie sich entwickelte.
    Sabine Pamperrien: Helmut Schmidt und der Scheißkrieg. Die Biografie 1918 bis 1945. Piper Verlag München. 352 S., 19,99 Euro.

    Sabine Pamperrien: Helmut Schmidt und der Scheißkrieg. Die Biografie 1918 bis 1945. Piper Verlag München. 352 S., 19,99 Euro.

    Quelle: Piper Verlag

    Jedenfalls gibt Pamperrien offen zu: „Trotz anfänglich positiver Signale“ zu ihrem Buchprojekt habe Schmidt „nicht zur Beseitigung von Widersprüchen und Unklarheiten“ beigetragen. „Alle an ihn gerichteten Fragen und Bitten um Stellungnahmen blieben unbeantwortet.“

    Wer das Ergebnis betrachtet, versteht warum. So hält die Autorin fest: „Klare Strukturen und Ordnungen, Kameradschaft als Einstehen für den anderen, Fürsorge für den Schwächeren: das sind die Werte, die Helmut Schmidt im Innersten prägen.“ Das stimmt sicher, und es ist uneingeschränkt positiv.

    Bei Pamperrien aber liest es sich unangenehm ähnlich wie der infame Vorwurf des damaligen SPD-Nachwuchsstars Oskar Lafontaine. Der hatte Schmidt 1982 „Sekundärtugenden“ vorgeworfen, mit denen man „auch ein KZ betreiben“ könne.

    Zwar schreibt die Autorin, die bisher lediglich zwei Bücher über die Rezeption von Heiner Müllers Werken und über den DDR-Schriftstellerverband veröffentlicht hat: „Verwunderlich ist, wie schwer Schmidt sich mit seiner eigenen Geschichte tut, obwohl kaum jemand seiner Generation (und schon gar nicht ihm, zu Recht) die Verstrickung zum Vorwurf macht.“

    Doch beim Lesen des Buches stellt sich ein anderer Eindruck ein. Seite für Seite treffen den Altkanzler Vorwürfe wegen seines Lebens während des NS-Regimes und des Zweiten Weltkrieges. Fast genauso häufig wundert man sich über die nicht offen ausgesprochene, aber stets zu spürende Unterstellung, Schmidt habe seine eigene Vergangenheit bewusst verbogen.

    Schmidts Erinnerung entspricht in mehr als einem Detail nicht der Aktenlage

    Etwa 20 Seiten des Kapitels „Hitler-Jugend“ sind den „Widersprüchen“ gewidmet, eingeleitet von gleich zweimal derselben These: Schmidt erinnere sich falsch. Mal heißt es „an eine andere Version“, mal: „Schmidts Erinnerung entspricht in mehr als einem Detail nicht der Aktenlage.“

    Zum Problem wird diese schlichte Banalität nur, weil Pamperrien eingangs zu Unrecht das vermeintlich hervorragende Gedächtnis des Altkanzlers so sehr gelobt hat. Es wäre von jedem Menschen zu viel verlangt, dass er sich Einzelheit für Einzelheit an die Version seines Lebens erinnert, die etwa in Schul- oder Sportvereinsakten steht. Die übrigens auch nicht immer die reine Wahrheit enthalten.

    Ist Helmut Schmidt nun freiwillig oder unfreiwillig in die Hitler-Jugend eingetreten? Aus der zeithistorischen Forschung ist bekannt, dass auf Jugendliche in den 1930er-Jahren ein hoher Konformitätsdruck lastete. Und Schmidt hat ja auch selbst eingeräumt, zeitweise fasziniert gewesen zu sein vom Nationalsozialismus, wovon ihn dann aber spätestens der Krieg kuriert habe.

    Hat der Altkanzler in seinen vielen, von Pamperrien sorgfältig zusammengetragenen autobiografischen Äußerungen immer schlüssig sein eigenes Leben beschrieben? Mit Sicherheit nicht; um das zu wissen, braucht man ihr Buch allerdings nicht. Ein sensibler Historiker weiß um die Stärken, aber eben auch Schwächen von Zeitzeugen und ihren Erinnerungen. Diese Sensibilität vermisst man in „Helmut Schmidt und der Scheißkrieg“ sehr.

    Einen weiteren, eklatanten Fall von ahistorischer Argumentation hat das Magazin „Der Spiegel“ in einem furiosen Verriss des Buches aufgespießt. Ausführlich zitiert Pamperrien aus den Beurteilungen von Vorgesetzten des Luftwaffen-Leutnants Helmut Schmidt. Da wurde ihm etwa attestiert, „auf dem Boden der nationalsozialistischen Weltanschauung“ zu stehen.
    Bundestagsabgeordneter, verteidigungspolitischer Sprecher und Reservist, aber sicher kein „Soldatenkanzler“: Helmut Schmidt 1958 während einer Übung der Bundeswehr

    Bundestagsabgeordneter, verteidigungspolitischer Sprecher und Reservist, aber sicher kein „Soldatenkanzler“: Helmut Schmidt 1958 während einer Übung der Bundeswehr

    Quelle: picture-alliance / dpa

    Allerdings wiesen sowohl eher linksliberale und eher konservative Militärhistoriker wie Wolfram Wette und Manfred Messerschmidt oder Rolf-Dieter Müller den daraus gezogenen Schluss zurück, Schmidt sei „von Nazi-Ideologie kontaminiert“ gewesen.

    Jedenfalls, wenn es die Form eines Vorwurfs annimmt. Wieder einmal gilt, wie fast in Pamperriens gesamtem Buch: Das Ausblenden des historischen Kontextes und das Urteilen von einem heutigen, moralisierenden Mainstreamstandpunkt aus führt in die Irre.

    Sehr deutlich wird das in einer Passage im Kapitel „In der Etappe“, in der es über Helmut Schmidt heißt: „Die Lektüre von Remarques ‚Im Westen nichts Neues‘ hatte ihm zwar die Schrecken des modernen Krieges plastisch vor Augen geführt, doch hatte ihn das offenbar nicht zum Nachdenken über den Pazifismus und auch nicht zur Entwicklung einer Antikriegshaltung gebracht.“ In einer in den Anmerkungen versteckten Bemerkung steht dann sogar noch: „Später wird er den Pazifismus als unrealistisch abtun.“

    Hier wird also der durch grausame Erfahrung getriebene Pazifismus eines Erich Maria Remarque unterschiedslos gleichgesetzt mit der gesinnungsethischen Beliebigkeit der westdeutschen „Friedensbewegung“ der 70er- und 80er-Jahre – verbunden durch die Erwartung, ein bei Kriegsbeginn 1939 gerade einmal 20-Jähriger müsse doch eine „Antikriegshaltung“ gehabt haben. Viel weiter daneben liegen kann man kaum.

    Man muss kein Freund des „Überkanzlers“ Helmut Schmidt sein, als der er sich selbst sah und heute wohl immer noch sieht. Seine jüngsten Auslassungen zum Regime in China etwa, das die Nachteile von Kommunismus und Kapitalismus vereint, sind ziemlich schwer erträglich. Unabhängig davon ist die angedeutete, aber natürlich gleich relativierte Unterstellung in Pamperriens Buch, er sei ein „Soldatenkanzler“ gewesen, hinterhältig.
    Schmidts Gedächtnis funktioniert strategisch

    Ja, Helmut Schmidt hat sich vieles in seinen Erinnerungen zurechtgebogen. Und ja, sein Gedächtnis funktioniert durchaus strategisch. Das hebt ihn aber nicht heraus gegenüber anderen Menschen; es ist einfach bei jedem so, ob in der NS-Zeit oder, mit erheblich geringeren Herausforderungen, heute.

    Eine Biografie wie diese hat niemand verdient. Zuallerletzt Helmut Schmidt. Es gibt genug Kritisches über ihn zu sagen. Wahrscheinlich nicht zuletzt über seine Zeit in der Wehrmacht während des „Scheißkriegs“. Lesenswert ist das aber nur, wenn es seriös beschrieben wird.

    #Allemagne #histoire #guerre #nazis #SPD #social-démocrates #biographie

  • The Good Die Young : The Verdict on Henry Kissinger
    https://jacobin.com/store/product/kissinger-book

    If the American foreign policy establishment is a grand citadel, then Henry Kissinger is the ghoul haunting its hallways. For half a century, he was an omnipresent figure in war rooms and at press briefings, dutifully shepherding the American empire through successive rounds of growing pains.

    Avec cette petite explication sur l’oiseau déplumé par @EmissaryOfNight

    Emissary of Night 🔆🍉
    @EmissaryOfNight
    Jacobin hated Henry Kissinger so much that they wrote a book-length obituary years ago and commissioned 50,000 copies and just let them sit until the motherfucker finally died. Unbeatable levels of hater. I am inspired.

    https://twitter.com/EmissaryOfNight/status/1730061710189359399

    • Bundeskanzler Helmut Schmidt
      https://www.helmut-schmidt.de/helmut-schmidt/biografie

      L’homme qui a géré la tranformation du SPD du progrès social, de la démocratisation et de la paix en parti du patronat et du transatlantisme. Bourreau de la gauche et superviseur de l’assassinat des prisonniers de Stammheim, fier souteneur de l’OTAN et d’Israël H.S. est le metteur en scène de l’année de plomb 1977.

      Le grand public l’adorait un peu à la manière des ouailles de Trump parce qu’il était la preuve vivante qu’on pouvait fumer ses cinquante clopes par jour à quatre vingt dix ans et être en bonne forme.

      Pourtant Schmidt n’a jamais été apprécié en public par les idéologues et puissants.

      https://www.hsozkult.de/publicationreview/id/reb-24837

      Selbst sein politischer Freund Henry Kissinger schrieb ihm lediglich die Rolle eines „Übergangskanzlers“ (S. 299) in einem schwierigen Krisenjahrzehnt zu, der aber nichts Bleibendes, nichts historisch Herausragendes hinterlassen habe.

      https://www.welt.de/geschichte/zweiter-weltkrieg/article135130653/So-eine-Biografie-verdient-Helmut-Schmidt-nicht.html

      Oskar Lafontaine ... hatte Schmidt 1982 „Sekundärtugenden“ vorgeworfen, mit denen man „auch ein KZ betreiben“ könne.

      On n’a pas encore vu de biographie qui dénonce ses méfaits.

      Biografie
      1918 – 1974 Vor der Kanzlerschaft
      1974 – 1982 Kanzlerschaft
      1982 – 2015 Nach der Kanzlerschaft

      1918

      Helmut Schmidt wird am 23. Dezember 1918 in
      Hamburg geboren.

      1937

      Reifeprüfung an der Hamburger Lichtwarkschule Ableistung des Reichsarbeitsdienstes
      Einberufung zu einem zweijährigen Wehrdienst

      1939 – 1945

      Als Soldat bei der Luftwaffe, Teilnahme u.a. am Krieg gegen die Sowjetunion, ansonsten Verwendung zumeist im „Heimatkriegsgebiet“, zuständig beim Reichsluftfahrtministerium für Ausbildung (letzter Dienstgrad Oberleutnant der Reserve)

      1942

      Heirat mit Hannelore ("Loki") Glaser in Hamburg (1944 Geburt des Sohnes Walter, der vor seinem ersten Geburtstag stirbt; 1947 Geburt von Tochter Susanne)

      1945

      Rückkehr aus britischer Kriegsgefangenschaft
      Aufnahme eines Studiums der Volkswirtschaftslehre und der Staatswissenschaften zum Wintersemester an der Universität Hamburg (Abschluss 1949)

      1946 – 1948

      Eintritt in die Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD) (1946)
      Übernahme des Vorsitzes des Sozialistischen Deutschen Studentenbundes (1947)

      1949 – 1953

      Zunächst Referent, später Abteilungsleiter in der Behörde für Wirtschaft und Verkehr in Hamburg unter dem Senator (und späteren Bundesminister für Wirtschaft und Finanzen) Karl Schiller

      1953 – 1961

      Mitglied des Deutschen Bundestages, Wahl in den Bundesvorstand der SPD (1958)
      Mitglied in mehreren Ausschüssen (u.a. Verkehr, Wirtschaft, europäische Sicherheit)

      1961 – 1965

      Nach der für die SPD verlorenen Bundestagswahl 1961 Rückkehr nach Hamburg, dort zunächst Polizeisenator, später Innensenator
      Sturmflut in Hamburg: Bei der Rettung tausender Bürger*innen im Februar 1962 begründet Helmut Schmidt seinen Ruf als Krisenmanager

      1965

      Rückkehr nach Bonn als Bundestagsabgeordneter, vorgesehen als Minister in der Regierungsmannschaft des SPD-Kanzlerkandidaten Willy Brandt, die SPD verliert die Bundestagswahl jedoch erneut

      1966 – 1969

      Nach dem vorzeitigen Ende der CDU/CSU/FDP-Regierung Bildung der ersten Großen Koalition von CDU und SPD
      Übernahme des SPD-Fraktionsvorsitzendes im Bundestag vom schwer erkrankten Fritz Erler (1966/1967)

      1968 – 1984

      Stellvertretender Verteidigungsminister

      1969 – 1972

      Im Oktober als Verteidigungsminister im ersten sozialliberalen Kabinett Willy Brandt vereidigt
      Veröffentlichung der verteidigungspolitischen Schrift „Strategie des Gleichgewichts“ (1969)

      1972 – 1974

      Finanzminister im zweiten Kabinett Willy Brandt (zwischenzeitlich zusätzlich das Ressort des Wirtschaftsministers)

      1974 – 1975

      Wahl zum fünften Bundeskanzler der Bundesrepublik Deutschland (Übernahme des Amtes vom zuvor zurückgetretenen Willy Brandt) (16. Mai 1974)

      Unterzeichnung der Schlussakte der Konferenz für Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa (KSZE) in Helsinki (1975)
      Gemeinsam mit dem französischen Staatschef Giscard d’Estaing Initiierung des ersten Weltwirtschaftsgipfels in Rambouillet (1975)
      Treffen mit Chinas Staatspräsident Mao Tse-tung (1975)

      1976 – 1977

      3. Oktober 1976: Bestätigung der Kanzlerschaft bei der Bundestagswahl gegen den CDU-Spitzenkandidaten Helmut Kohl
      Serie von Groß-Demonstrationen und Protesten gegen Atomkraftwerke und -anlagen in Deutschland (Brokdorf, Gorleben usw.), die Bundesregierung hält an der Kernkraft fest
      Reise nach Auschwitz/Polen (1977); Helmut Schmidt spricht von einer seiner schwersten Reisen
      Im „Deutschen Herbst“ (1977) und darüber hinaus entschiedene und konsequente Haltung gegenüber den Terroristen der Rote Armee Fraktion (RAF)
      Im gleichen Jahr vielbeachtete Rede im Londoner International Institute for Strategic Studies, Entwurf eines Konzepts zur Herstellung eines strategischen Gleichgewichts von Atomwaffen in Europa

      1978 – 1980

      Besuch des Staats- und Parteichefs der Sowjetunion Leonid Breschnew im Haus Helmut und Loki Schmidts in Hamburg-Langenhorn (1978), Gespräche u.a. über nukleare Abrüstung
      Die Regierungschefs Frankreichs, Großbritanniens, Deutschlands und der USA treffen eine Vorentscheidung für den NATO-Doppelbeschluss auf der karibischen Insel Guadeloupe (Januar 1979, formeller Beschluss der NATO-Mitgliedstaaten am 12. Dezember des Jahres)
      Giscard d’Estaing und Helmut Schmidt setzen gemeinsam die Gründung des Europäisches Währungssystems (EWS) um (Inkrafttreten 1979) und schaffen damit die Basis für die spätere Einführung des Euro
      Veröffentlichung der Schriften „Als Christ in der politischen Entscheidung“ (1976) und der „Der Kurs heißt Frieden“ (1979)

      1980 – 1981

      Abrüstungsgespräche mit der sowjetischen KP-Führung in Moskau und Bonn
      5. Oktober 1980: Helmut Schmidt gewinnt die Bundestagswahl gegen Franz Josef Strauß (CSU) und tritt am 5. November 1980 seine zweite Amtszeit an
      Gespräche mit DDR-Staats- und Parteichef Erich Honecker (Fortsetzung der Politik „Wandel durch Annäherung“)
      Beginn einer Serie großer Friedensdemonstrationen gegen die nukleare Nachrüstung in Deutschland (bis Mitte der 1980er Jahre), Helmut Schmidt setzt seine Position pro-NATO-Doppelbeschluss gegen starke Widerstände in der Gesellschaft wie auch in der Partei durch

      1982

      Die sozialliberale Koalition aus FDP und SPD zerbricht im Spätsommer 1982 an Differenzen über den Kurs in der Wirtschaftspolitik
      1. Oktober: Nach einem konstruktiven Misstrauensvotum im Deutschen Bundestag scheidet Helmut Schmidt aus dem Amt des Bundeskanzlers aus, seine Nachfolge tritt Helmut Kohl (CDU) in einer christlich-liberalen Koalition an.

      1983 – 1993

      Mitherausgeber (und zwischenzeitlich Geschäftsführer und Verleger) der Wochenzeitung Die Zeit Abschied aus dem Deutschen Bundestag (1987)
      Mitbegründer des Interaction Council früherer Regierungschefs (1983), der Helmut- und Loki Schmidt-Stiftung (1992) und der Deutschen Nationalstiftung (1993)

      1993 – 2015

      Weiterführung seiner umfassenden Publikationstätigkeit („Menschen und Mächte“, „Allgemeine Erklärung der Menschenpflichten“, „Außer Dienst“ uvm.), viele der insgesamt rund 50 Publikationen werden zu Bestsellern, außerdem hunderte Beiträge in Büchern, Zeitungen und Zeitschriften
      Ausgedehnte internationale Vortragsreisen, fortgesetzte Konsultationen zur Überwindung internationaler Probleme und Krisen mit Politikern, Wissenschaftlern, Ökonomen und anderen wichtigen Persönlichkeiten in aller Welt; Überreichung zahlreicher Preise, Doktorwürden, Auszeichnungen und Ehrenbürgerschaften

      #Allemagne #histoire #guerre #néolibéralisme #SPD #social-démocrates

    • En 1929, elle rejoint le Parti social-démocrate et la presse commence à la surnommer « l’Archiduchesse rouge » en raison de son association et de son soutien financier au parti socialiste. Néanmoins, l’Autriche reste un pays conservateur et Leopold Petznek est emprisonné de la fin 1933 à juillet 1934.

      Ce soutien financier au parti politique socialiste conduit Élisabeth-Marie à être accusée de dilapider la fortune familiale par son mari et son fils, qui déclenchent une procédure de mise sous curatelle en 1934, mais sans aboutissement.

      Elle est centriste, y’a pas de quoi s’enflammer.

  • What happened to the Squad? | Opinion | Chicago Reader
    https://www.chicagoreader.com/chicago/squad-medicare-for-all/Content?oid=89328235

    What passes for the left in the Democratic Party has mastered the art of performative resistance. They tweet out antiestablishment rhetoric. But behind closed doors, they play for Team Blue, which means they play for Team UnitedHealthcare, Team Humana, and Team Raytheon.

    The collapse of the Squad shows that change will not come from inside the Democratic Party. The two corporate parties that control Washington, D.C., are rotten to the core. It is a fool’s errand to think that we can make the Democrats fight for working people while the party’s major donors are telling them to keep the status quo. It’s time for progressives to walk away from the Democratic Party and support a third party that is free of corporate influence. v

    • Ce qui est vraiment intéressant c’est la méthode employée par les corporate democrats qui ont fait obtempérer la nouvelle gauche au sein du parti. Il s’agit de routines utilisées quotidiennement dans nos parlements.

      As I wrote in a previous column, because of the Democrats’ slim majority in the House, just a handful of progressives had the power to demand a vote on M4A, if they chose to exercise that power on behalf of working people. AOC and her colleagues did not force a vote on M4A. Instead, they stood with Pelosi and the donors in keeping the bill off the floor of the House.

      The Squad did finally coordinate their votes last month. But it was not to help working people. Rather, three out of six Squad members, including AOC, agreed to vote “present” to assure passage of a bill to increase funding for the Capitol police. All six members of the Squad told activist groups that they opposed the bill. AOC and the other abstainers spent a year chanting and tweeting that the police should be defunded. But then behind closed doors, they coordinated their votes so the bill could pass by a one-vote margin.

      Even worse, the Squad have run interference for President Biden, discouraging their millions of followers on social media from demanding that he keep his campaign promises. Biden has already abandoned every promise he made to working people, including a $15 minimum wage, a public option to compete with the for-profit insurance industry, forgiveness of student loan debt, lowering of the Medicare eligibility age, and a promise to negotiate drug prices. Yet AOC asserted that Biden has exceeded her expectations while Representative Pramila Jayapal gave Biden an “A” grade for his performance thus far.

      What passes for the left in the Democratic Party has mastered the art of performative resistance. They tweet out antiestablishment rhetoric. But behind closed doors, they play for Team Blue, which means they play for Team UnitedHealthcare, Team Humana, and Team Raytheon.

      Au fond il s’agit d’une forme de corruption des individus qui gangrène les structures démocratiques de l’état bourgeois. Il semble que seulement quelques individus exceptionnels soient assez forts et indépendants pour résister à la pression intense et constante de se plier aux mots d’ordre des chefs de fraction .

      En Allemagne c’est job de ces inquisiteurs dans les groupes parlementaires de garantir que

      change will not come from inside the ... Party

      Les initiatives et petits partis politiques qui ont précédé le parti vert allemand en étaient conscients quand ils se sont réunis pour créer un nouveau parti écologiste et pacifiste appellé Die Grünen . Leurs élus étaient censés ne constituer que la jambe libre ( Spielbein ) d’un mouvement dont la partie citoyenne devait constituer la jambe d’appui ( Standbein ). On imposait le principe de rotation et de l’interdiction des postes payés aux élus ( Unvereinbarkeit von Amt und Mandat ).

      Au fil des années pourtant les politiciennes et politiciens professionnels au sein du parti ont fait sauter ces barrages contre la corruption qui limitaient leur pouvoir politique et leur pouvoir d’achat individuel. Aujourd’hui les verts allemands ne sont rien d’autre qu’un parti politique typique dont la raison d’être est de nourrir ses élus et fonctionnaires à travers des deals avec le véritable pouvoir, à savoir les groupes industriels et capitalistes les plus importants.

      C’est grave.

      #USA #Allemagne #politique #démocration #verts #social-démocrates

  • Scholz’ Rettungsarchitekt : Der Mann hinter der Corona-„Bazooka“ - Politik - Tagesspiegel
    https://www.tagesspiegel.de/politik/scholz-rettungsarchitekt-der-mann-hinter-der-corona-bazooka/25918484.html

    Vous voulez savoir comment a fait la banque Goldmann-Sachs pour s’emparer du gouvernail de l’Allemagne économique ? Très bien, lisez ce portrait de l’homme qui a inventé la réponse du gouvernement fédéral au coronavirus. Attention, Goldman-Sachs tient les rênes au ministère des finances par son ex-employé Jörg Kukies, oui, mais ce n’est pas l’unique facteur qui a du poids. Les élections, les autres lobbyistes et les structures démocratiques y sont également pour quelque chose.

    15.06.2020 von Georg Ismar - Vom Juso über Goldman Sachs zum Staatssekretär: Mit Jörg Kukies werde der Bock zum Gärtner gemacht, hieß es - dann pflügte Corona den Garten um.


    Le ministre des finances Olaf Scholz a licencié son secretaire d’état et embauché à sa place le banquier Goldmann-Sachs Jörg Kukies . CC-BY spd-sh sur Flickr .

    Als Jörg Kukies auf viel Geld verzichtete und zum Staatssekretär im Bundesfinanzministerium berufen wurde, schallte es aus dem linken Lager: Da wird doch der Bock zum Gärtner gemacht. Und das auch noch von einem Sozialdemokraten, von Finanzminister Olaf Scholz. 17 Jahre arbeitete Kukies bei der Investmentbank Goldman Sachs, zuletzt als Co-Chef in Deutschland – um dann aus der Wirtschaft in die Bundespolitik zu wechseln, verantwortlich für die Themen Europa und Finanzmarkt.

    Gemäß des Sprichworts pflegt der Ziegenbock den ihm übertragenen Garten nicht, sondern er verwüstet ihn. Hier gab es also den Verdacht, der Ex-Banker könne Gesetze zum Wohle der Finanzwirtschaft schreiben. Nun ist der finanzpolitische Garten mit seiner lange behutsam gepflegten schwarzen Null durch die Coronakrise in der Tat ziemlich umgepflügt worden. Zusammen mit dem nun geplanten zweiten Nachtragshaushalt wird Deutschland in diesem Jahr rund 218,5 Milliarden Euro neue Schulden machen, um den Totalabsturz zu vermeiden.

    Der Rettungsarchitekt

    Kukies ist einer der entscheidenden Rettungsarchitekten und selbst im linken Lager wird manches Vorurteil über ihn revidiert. Wenngleich vor Ausbruch der Krise eines seiner Hauptprojekte am Ende gescheitert ist, die Fusion von Commerzbank und Deutscher Bank. Scholz wollte einen deutschen Bankenchampion, der international mehr Gewicht hat. Es sei ein Problem für eine große Volkswirtschaft wie die deutsche, „dass die Banken (...) nicht die Größe und die Globalität haben, um die Wirtschaft zu begleiten“, so Scholz. Stattdessen galt es zuletzt, mit bis zu neun Milliarden Euro durch einen staatlichen Teileinstieg einen Champion der Luftfahrt zu retten, die Corona-gebeutelte Lufthansa. Ob Scholz und Kukies die richtigen Entscheidungen treffen, wissen sie nicht – keiner hat zuvor eine Pandemie gemanagt.

    Vom Juso zum Banker

    Kukies war als Vorgänger von Andrea Nahles Juso-Chef in Rheinland-Pfalz, bevor er in der Wirtschaft Karriere machte. Anders als zum Beispiel in den USA ist es in Deutschland unüblich, dass ein Investmentbanker in die Politik wechselt, zumal solche Seitenwechsel kritisch beäugt werden. Aber die internationalen Vernetzungen sind immer komplexer geworden, gerade in der Finanzwirtschaft. „Olaf Scholz hatte den Mut, es zu machen“, sagt ein Kenner der damaligen Abläufe.

    Bei der Vermittlung spielte neben der damaligen SPD-Chefin Andrea Nahles auch der hessische Landeschef Thorsten Schäfer-Gümbel sowie der Unternehmer Harald Christ eine Rolle. Scholz veröffentlichte die Personalie am Rande eines G-20-Finanzministertreffens in Buenos Aires – für den mit ihm nach Argentinien gereisten Staatssekretär Thomas Steffen bedeutet Kukies’ Berufung das Aus.

    Verquatscht mit Scholz

    „Ich kannte Olaf Scholz bis dahin nicht, er war ja die Juso-Generation vor mir, ich habe aber damals schon seine Theorieausführungen zur Lage der SPD gelesen“, berichtet der 52-Jährige rückblickend. Das Gespräch zwischen Scholz und Kukies, als es darum ging, ob er als Staatssekretär ins Ministerium wechselt, war am Tag von Scholz’ Vereidigung als Finanzminister und er hatte eigentlich nur 30 Minuten Zeit. Es dauerte dann zwei Stunden. „Wir haben alles durchdekliniert, von ESM-Reform über den Euro- Zonen-Haushalt bis zur deutschen Antwort auf Macron“, berichtet Kukies.

    Statt im Frankfurter Bankenviertel sitzt der eingefleischte Fan des FSV Mainz 05 und passionierte Langstreckenläufer (Bestzeit beim Marathon: 2:47 Stunden) nun im von Ernst Sagebiel konzipierten früheren Prestigebau der Nationalsozialisten mit seinen 2100 Räumen, 17 Treppenhäusern und 6,8 Kilometer langen Fluren. Wenn man ihn fragt, ob er seinen Schritt heute bereut, sagt er: „Klares Nein, im Gegenteil.“

    Der „Bazooka“-Moment

    Er ist quasi der Erfinder der Bazooka. Kukies war es, der intern schnell klarmachte, die Losung müsse lauten: „Whatever it takes“. Ein anderer früherer Goldman-Sachs-Banker, Mario Draghi, hatte auf dem Höhepunkt der Euro-Krise als Notenbankchef mit diesen Worten am 26. Juli 2012 klargemacht, dass die Europäische Zentralbank alles tun werde, um den Euro durch den unbegrenzten Aufkauf von Staatsanleihen zu stabilisieren. Das beruhigte die Märkte.

    Wann war klar, jetzt braucht es die Corona-„Bazooka“? Auf diese Frage antwortet Kukies mit einem Wort: „Lockdown.“ Um dann zu erläutern: „In dem Moment war klar, dass nur noch der Staat stabilisieren kann. Das ist logisch, wenn man Volkswirtschaften überall auf der Welt aus gesundheitlichen Gründen bremsen muss, kann das keine Privatwirtschaft alleine stemmen.“

    War für ihn das zügige staatliche Handeln überraschend? Scholz habe gesagt, „wir müssen jetzt schnell sein, gebt mir was zum Entscheiden“. Die Achse Finanzministerium, Wirtschaftsministerium und Kanzleramt habe „extrem gut, schnell und effizient funktioniert“. Neben knapp 430 Milliarden Euro Hilfen zur Bekämpfung der Pandemiefolgen gibt der Staat 829,2 Milliarden Euro an Garantien. Das Paket ist bewusst sehr üppig dimensioniert.

    Ein wichtiger Baustein sind die Kredite der staatlichen KfW-Bank für Unternehmen, damit eine Insolvenzwelle verhindert werden kann, hier musste wiederholt nachgebessert und dafür grünes Licht der EU-Kommission eingeholt werden. Die Hausbanken hatten sich bei der Beteiligung an den Krediten zögerlich gezeigt, nun übernimmt die KfW bis zu 100 Prozent des Ausfallrisikos. Die Vorarbeit für das – noch nicht final geregelte – deutsch-französische Rettungspaket in Höhe von 500 Milliarden Euro auf EU-Ebene leistete ebenfalls Kukies.

    „Deutschland öffnet den Geldhahn“

    Der „Economist“ schrieb zuletzt: „Deutschland öffnet den Geldhahn“. Die ganzen Maßnahmen inklusive des Konjunkturpakets zeigten, „wie weit sich Deutschland von seiner Karikatur als defizitbesessener Geizkragen entfernt hat“. Es ist ein Paradigmenwechsel, mehr Keynes, weniger schwäbische Hausfrau. Und auch eine gemeinsame Schuldenaufnahme auf europäischer Ebene ist kein Tabu mehr.

    Kukies gab Scholz ein Brüsseler Thinktank-Dokument von 2012 zum Lesen, dass einen Plan des US-Finanzministers Alexander Hamilton aus dem Jahre 1790 als Blaupause auch für befristete Verschuldungsmöglichkeiten der Euro-Staaten zur Befriedung der Krise empfahl. Dem Hamilton-Plan zufolge wurden Kompetenzen auf der Ebene des Zentralstaats gebündelt, um eigene Einnahmen zu erzielen und eigene Verschuldungsfähigkeiten zu ermöglichen. Scholz erwähnte schließlich Hamilton auch in einem „Zeit“-Interview.
    Der Hamilton-Plan für Europa?

    Ein gewagter Plan, gerade bei den Vorbehalten deutscher Steuerzahler. Aber die größte Sorge ist, dass die Krise noch auf den europäischen Finanzsektor überschwappen könnte. Ob noch mal nachgesteuert werden muss? Kukies kann es nicht ausschließen. „Bund und Länder haben jedenfalls alles dafür getan, dass wir besser als viele andere durch die Pandemie gekommen sind.“

    Der Finanzexperte der Linken, Fabio de Masi, findet einige Konditionen des Hilfsprogramms zu lasch. An die Adresse von Kukies gerichtet sagt er, dass das Programm nicht umfassend genug Dividenden- und Boni-Zahlungen bei Inanspruchnahme von Hilfen untersage. So werde für Kredite oberhalb von 500 Millionen Euro ein Verzicht auf Bonuszahlungen lediglich „erwartet“.

    Beim Wirtschaftsstabilisierungsfonds, über den die Lufthansa gerettet werden soll, fordert er, dass auch strenge Klima- und Umweltschutzvorgaben verlangt werden müssten. De Masi lobt bei Kukies, dass er den Bundestagsabgeordneten oft sehr ausführlich Rede und Antwort stehe. „Wenn er in den Ausschuss kommt, fällt das Mittagessen aus. Er ertränkt kritische Fragen in Details, ist aber sehr verbindlich.“ Er sei am Markt sehr gut vernetzt.

    Die Linken sehen „den frühen und den späten Kukies“

    Aber de Masi sagt auch: „Es gibt den frühen Kukies und den späten Kukies.“ Er sei sehr präsent gewesen bis zu den gescheiterten Fusionsgesprächen von Commerzbank und Deutscher Bank. „Danach ist er abgetaucht und hat die Bühne des Parlaments gemieden.“ Kukies sagt, er wisse nicht, wann er mal eine Einladung in einen Ausschuss ausgeschlagen habe. De Masi kritisiert die mangelnde Transparenz über den Lufthansa-Einstieg. „Die Entscheidungen darüber gehören in das Parlament.“ Ferner müsse die Praxis beendet werden, dort Gewinne in Steueroasen auszulagern, und es brauche feste Arbeitsplatzgarantien.

    Die letzten Wochen haben gezeigt: Der Einfluss des Ministeriums, die Verpflichtung kluger Köpfe lassen Scholz’ Entscheidung, als Vizekanzler dieses Ressort zu wählen (und nicht wie Sigmar Gabriel 2013 das Wirtschaftsministerium), als strategisch klug erscheinen. Es gilt als sehr wahrscheinlich, dass er der nächste SPD-Kanzlerkandidat wird – und Kukies könnte dann als Ideengeber noch einmal an Bedeutung gewinnen.

    Le sécretaire d’état Kukies est ni le premier ni l’unique représentant des grandes structures capitalistes au sein du gouvernement, de l’administration, des parlements et tribunaux. Son histoire est intéressante parce qu’elle met en évidence comment l’acteur virtuel que Friedrich Engels appelle ideeller Gesamtkapitalist arrive à vendre ses intérêts particuliers comme l’intérêt général de toute la société. Nous savons que c’est faux car il suffit d’imaginer un meilleur monde pour comprendre que les administrateurs n’ont une place que dans le système présent. Avec lui disparaitront tous les rôles et fonctions qui lui sont essentiels.

    –---

    Friedrich Engels - Anti-Dühring - 3. Abschnitt
    http://www.mlwerke.de/me/me20/me20_239.htm

    Aber weder die Verwandlung in Aktiengesellschaften noch die in Staatseigentum, hebt die Kapitaleigenschaft der Produktivkräfte auf. Bei den Aktiengesellschaften liegt dies auf der Hand. Und der moderne Staat ist wieder nur die Organisation, welche sich die bürgerliche Gesellschaft gibt, um die allgemeinen äußern Bedingungen der kapitalistischen Produktionsweise aufrechtzuerhalten gegen Übergriffe, sowohl der Arbeiter wie der einzelnen Kapitalisten. Der moderne Staat, was auch seine Form, ist eine wesentlich kapitalistische Maschine, Staat der Kapitalisten, der ideelle Gesamtkapitalist . Je mehr Produktivkräfte er in sein Eigentum übernimmt, desto mehr wird er wirklicher Gesamtkapitalist, desto mehr Staatsbürger beutet er aus. Die Arbeiter bleiben Lohnarbeiter, Proletarier. Das Kapitalverhältnis wird nicht aufgehoben, es wird vielmehr auf die Spitze getrieben. Aber auf der Spitze schlägt es um. Das Staatseigentum an den Produktivkräften ist nicht die Lösung des Konflikts, aber es birgt in sich das formelle Mittel, die Handhabe der Lösung

    –---

    IDEOLOGICAL HEGEMONY permeates ideas and social relationships.
    http://www.sociologyindex.com/ideological_hegemony.htm

    Ideological Hegemony arises in a situation where a particular ideology is pervasively reflected throughout a society in all principal social institutions and permeates cultural ideas and social relationships. Ideological hegemony is a system of thought control. Ideological hegemony is linked to a set of ideas and beliefs that act to uphold and justify an existing or desired arrangement of power, authority, wealth and status in a society.

    The kind of ideological hegemony that operates in America is different from the mechanisms used by totalitarian states to maintain control. Hegemony is a concept of Italian Marxist Antonio Gramsci which refers to political and social domination.

    Social power can be exercised within any given society through ideology hegemony. A socialist ideology advocates the transformation of society from capitalism to collective ownership and economic equality. A liberal ideology associated with capitalism and capitalist societies upholds that system as the best, most moral, most desirable form of social arrangement.

    Patriarchal ideology also has this characteristic of asserting claims and beliefs that justify a social arrangement: in this case, male social domination of women. A racist ideology claiming that people can be classified into distinct races and that some races are inferior to others. Racist ideologies are used as justifications for systems of slavery or colonial exploitation.

    Although there is often a dominant ideology in a society, there can also be counter-ideologies that advocate transformation of social relationships. Ideological hegemony operates through many institutions and mechanisms. The focus is on how each of these institutions acts to create and reinforce ideological hegemony. Government regulations can also act to pressure private schools to reproduce bourgeois ideological hegemony.

    #Allemagne #économie #politique #banques #covid-19 #social-démocrates