• Landgericht Berlin: Wertlose Digitaldrucke als Meisterwerke verkauft – Bande vor Gericht
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    Fahrgäste die ordentlich Trinkgeld geben, aber nur wenn sie besoffen sind: Der falsche Kunsthändler

    Diese Leute treffen wir öfter, wenn sie - wichtig, wichtig - auf dem Weg zu Tagesterminen sind oder nach getaner Arbeit bestgelaunt, noch im alkoholseligen Überschwang ihres Barbesuchs mit richtig Reichen, in den Fond der Kutsche stolpern. Im Grunde sind sie völlig harmlos, nicht bewaffnet, weil sie mit Worten und Psychologie arbeiten, aber als pathologische Lügner nie einer kleinen Grenzüberschreitung abgeneigt sind. Anfassen deshalb nur mit Glacéhandschuhen oder Kneifzange.

    Das Problem: Die Halbweltler sind schwer vom ehrlichen Geschäftsmann zu unterscheiden. Indizien: Businessmänner und andere Manger sind selten richtig betrunken und sehr fokussiert. Wenn sie zu mehreren auftreten, ähneln sie ihren Halbweltausgaben jedoch zum Verwechseln, denn sie pflegen die gleichen Männlichkeitsrituale und die selbe vorgespielte Liebe zu den schönen Künsten und Frauen. Der Hochstapler und Betrüger imitiert sie perfekt, weil er der gleichen Erfolgssucht im kapitalistischen Biotop verfallen ist.

    Das Abendgeschäft hat mir zu viele Exemplare aus beiden Welten ins Auto gespült, seitdem fahre ich lieber Omi zum Arzt. Und die Justiz mag diese Typen auch nicht, wie der Artikel beschreibt.

    14.6.2023 von Katrin Bischoff - Kopf der Bande soll Stephan W. sein, der einst Ex-Tennisstar Boris Becker einen Diplomatenpass der Zentralafrikanischen Republik besorgte.

    „Nila Brenninkmeijer“ soll Inhaberin einer großen Sammlung von Fotografien namhafter Fotokünstler gewesen sein und Werke von Cindy Sherman, Helmut Newton, Nan Goldin und Robert Mapplethorp besessen haben. Ihr niederländischer und ihr litauischer Pass, die interessierten, kaufwilligen Kunstliebhabern der Fotosammlung vorgelegt wurden, waren jedoch gefälscht. Eine Nila Brenninkmeijer gab es nicht. Das Foto in den Pässen, so ermittelte es die Berliner Polizei, zeigte keine Kunstsammlerin, es zeigte auch keine Frau aus Holland oder Litauen, sondern eine Ärztin aus Australien.

    Seit Mittwoch müssen sich vor dem Berliner Landgericht drei Männer verantworten, die die falschen Pässe genutzt haben sollen, um wertlose Digitaldrucke als wertvolle Kunst zu verkaufen. Die Staatsanwaltschaft wirft dem 55-jährigen Stephan W. und dem 73-jährigen Arnold V. bandenmäßigen Betrug, Verstoß gegen das Urhebergesetz und Urkundenfälschung vor. Dem 48-jährigen Denis M. wird Beihilfe zur Last gelegt. Zwei weitere Angeklagte, die 32-jährige Inna K. und der 60-jährige Carsten H., sind wegen Geldwäsche angeklagt.

    Stephan W., Arnold V. und Denis M. sollen sich im Oktober 2020 zusammengeschlossen haben, um mehrere Fotosammlungen von Digitaldrucken „international bekannter und hochpreisig gehandelter Künstler mit nachträglich angebrachten falschen Künstlersignaturen, Provenienzangaben und Stempeln“ zu veräußern, wie es die Staatsanwältin sagt. Dabei hätten sie die Drucke als handsignierte Fotoabzüge der Künstler ausgegeben. Ziel sei es gewesen, betrügerische Gewinne in Millionenhöhe zu erlangen.

    Als Eigentümerin der Sammlungen sollen Stephan W. und Arnold V. „Nila Brenninkmeijer“ genannt haben und bei den Verkaufsverhandlungen die notariell beglaubigten Kopien der Pässe der Frau vorgelegt haben. In der Anklage sind acht Fälle aufgelistet, in denen der Betriebswirt Stephan W. und der Rechtsanwalt Arnold V. die Sammlungen an Interessierte in Berlin, Köln und dem hessischen Kelsterbach angeboten haben sollen – für 1,5 bis 6,6 Millionen Euro. Dem gelernten Automechaniker Denis M. wird vorgeworfen, die Bilder zu den Besichtigungsterminen gebracht und dort einen „erdachten Transportbeleg“ von spezialisierten Kunstspeditionen vorgelegt zu haben.

    Käufer zahlte 1,5 Millionen Euro für wertlose Abzüge

    Lediglich in einem Fall gelang es den Männern laut Anklage, die wertlosen Abzüge zu veräußern. Dafür aber für einen hohen Preis. Der Käufer zahlte 1,5 Millionen Euro – zunächst auf ein Notaranderkonto. Nachdem der Kaufvertrag unterzeichnet war, sei das Geld auf das Konto von Arnold V. transferiert worden. Er soll dann Beträge hin und her überwiesen haben, auch auf Konten von Inna K. und Carsten H. Selbst die Mutter von Stephan W. soll 10.000 Euro bekommen haben.

    Andere Kaufinteressenten sprangen ab, weil ihre Anwälte offenbar dazu geraten hatten. Schließlich war es wohl ein verdeckter Ermittler, der als angeblicher Kunstinteressent das Verfahren ins Rollen brachte. Laut Anklage trug er den „Arbeitsnamen Stefan Wolter“. Der Angeklagte Stephan W. soll ihm eine Fotosammlung in den Räumen einer Frankfurter Kunstspedition gezeigt haben.

    An diesem ersten Verhandlungstag kommt die Staatsanwältin nicht dazu, die vollständige Anklage zu verlesen. Der Vorsitzende Richter Knut Weyand muss die Verhandlung am Mittag unterbrechen, weil es Stephan W. nicht gut geht. Er ist der einzige der Angeklagten, der in Untersuchungshaft sitzt. Erst vor wenigen Tagen wurde er operiert. Den Antrag seiner Verteidiger, das Verfahren aus gesundheitlichen Gründen einzustellen und den Beginn um vier Wochen zu verschieben, lehnte das Gericht zu Beginn des Prozesses ab. Der Angeklagte sei verhandlungsfähig, so die Begründung. Zudem werde er durch drei Anwälte vertreten.

    Stephan W. gilt als Kopf der mutmaßlichen Betrügerbande. Ende März dieses Jahres wurde er am Flughafen festgenommen, als er von einer Auslandsreise zurückgekehrt war. W. gilt als umtriebiger Geschäftsmann mit einem großen Netzwerk. Bei Wikipedia wird er Diplomat genannt. In Berichten gilt er als „Mann der ungeahnten Möglichkeiten“ – „Markenzeichen Rollkoffer“. Er war es auch, der Boris Becker im Jahr 2018 einen Diplomatenpass der Zentralafrikanischen Republik beschaffte, der den einstigen Tennisstar vor einem Insolvenzverfahren und einer Haftstrafe schützen sollte.

    Die Verteidiger von Stephan W. bestreiten den Tatvorwurf. „Wir werden herausarbeiten, dass die Ermittlungen sehr einseitig geführt wurden“, sagt Marcel Börger. Der Ermittlungsführer habe nicht von seinem roten Faden abweichen wollen. Dabei gehe aus den Akten ganz klar hervor, dass Stephan W. nicht zentraler Kopf einer Betrügerbande sei.

    Die vermeintlichen Kunstwerke seien schon Jahre zuvor von „ganz anderen Leuten“ aus den Niederlanden und Belgien angeboten worden. Das Verfahren gegen sie sei jedoch abgetrennt worden. Laut Börger sei Stephan W. lediglich wegen seiner guten Kontakte zu internationalen und reichen Leuten gefragt worden, ob er für die Fotos Interessenten hätte. „Er ist ein ausgenutzter Vermittler mit guten Kontakten.“

    Stephan W. ist jedoch auch vorbestraft. Nach Auskunft seines Verteidigers wurde sein Mandant allerdings vor 13 Jahren letztmalig verurteilt. Derzeit wird gegen den 55-Jährigen in München ermittelt – wegen Betrugsvorwürfen in Investmentsachen. In dem Verfahren passiere jedoch seit zwei Jahren nichts, sagt Börger. Stephan W. habe eine hohe Kaution bezahlt, um aus der Untersuchungshaft entlassen zu werden.

    Nun sitzt er seit fast drei Monaten in Berlin in Untersuchungshaft. Nicht etwa, weil er fliehen könnte. Haftgrund ist Wiederholungsgefahr. Eine Haftbeschwerde hat das Kammergericht erst am Montag verworfen.

    Weshalb gibt das nur richtig Schmalz, wenn es besoffen ist? Lest den Puntila, dann wisst ihr es. Außerdem kommt das Betrügerle aus einfachen Verhältnissen, nicht aus der Großbourgeoisie und ist deshalb im tiefsten Inneren geizig. Fettes Trinkgeld wird gegeben, weil es die Rolle des Wohlhabenden ein bischen zu gut spielt. Das Reiche ist nämlich auch geizig, sonst wäre es nicht reich. Nur ist das bei ihm kein Charakterfehler sondern Kalkül aus tiefsitzendem Klassenbewußtsein.

    #Berlin #Justiz #Kunst #Hochstapler #Taxigeschichten #life_on_a_string

  • Kolumne Immer bereit: Nie wieder einen anderen - taz.de
    http://taz.de/Kolumne-Immer-bereit/!147067

    Der Taxifahrer hält sich selbst für die Krone der verkehrstechnischen Schöpfung. Aber traf ich Peter.

    Kolumne von Lea Streisand
    ...
    Peter kam, sah und sagte: „Setz disch ma vorne rinn, Mädschen, ick mach ditt schon!“ Dann öffnete er die Seitentür seines Kleinbusses und stellte mein Fahrrad ins Auto. Peters Taxi ist nämlich das einzige in ganz Berlin, das in der zweiten und dritten Reihe nur je zwei Sitzplätze hat. Deshalb können auch große Fahrräder aufrecht stehen. Ich war sofort verliebt. In Peter. In sein Taxi. Und als Peter sich neben mich setzte, den Motor anließ und fragte: „Willste watt trinken?“, während er das Handschuhfach zwischen uns öffnete: „Ick habe Schnaps, Wasser, Apfelschorle. Oder ’n Schokoriegel? Kost’ nüscht extra“, da wusste ich: Ich will nie wieder einen anderen Taxifahrer anrufen.

    Tja, Ehre wem Ehre gebührt.

    #taxigeschichten #berlin