Ludwig Renn und sein Kinderbuch „Nobi“ : Wie woke war die DDR ?
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Eine Illustration aus „Nobi “von Ludwig Renn, in der DDR erschienen. Kinderbuchverlag Berlin/Repro : Henseke
Le communiste et commandant de la brigade internationale Ernst Thälmann Ludwig Renn (Arnold Friedrich Vieth von Golßenau) a vécu en #RDA comme auteur de livres de voyage et pour enfants. Son "Nobi" s’appellait initialement "Le nègre Nobi". Le mot "Neger" étant considéré de plus en plus désuète et raciste il disparu du titre après les premières éditions.
Cet article évoque plusieurs exemples de la gestion des expressions jugées inadéquates en RDA.
31.08.2024 - Bis heute wird über eine Geschichte gestritten, die in der DDR zur Schulbuch-Literatur gehörte. Es geht darum, wer das Wort „Neger“ aus dem Buchtitel gestrichen hat.
Negerkuss, Mohrenstraße, Zigeunerschnitzel, Indianer: Es gibt immer mehr Wörter, die aus dem Sprachgebrauch verschwinden, weil sie eine rassistische Bedeutung haben, auch wenn sie oft gar nicht so gemeint sind. Es wird heftig darüber gestritten, viele fühlen sich bevormundet. Eines der Paradebeispiele in der Diskussion ist noch heute ein DDR-Kinderbuchklassiker, der einst Schulliteratur war. Ein Buch von Ludwig Renn: „Nobi“, 90 Seiten dünn.
Spanischer Bürgerkrieg.- vlnr: Joris Ivens, Ernest Hemingway (mit Baskenmütze), Ludwig Renn (in Uniform)Nobi ist so eine Art ostdeutsche Variante von Mogli. Ein kleiner, schwarzer Junge, der tierische Freunde hat. Gingu, die Giftschlange. Mafuka, das Gorilla-Kind, Pongu, das Flusspferd. Es geht um Sklavenjäger und den Widerstand des Urwalds. Hunderttausende Kinder in der DDR haben das kurzweilige Buch gelesen und etwas über Afrika und seine Geschichte gelernt – kindgerecht erzählt.
„Unautorisierte Eingriffe späterer Sprachwächter“
In der Diskussion von heute geht es vor allem um den alten Titel des Buches – „Der Neger Nobi“. Im Internet gibt es erregte Diskussionen über die Verkürzung, die ersten beiden Worte wurden gestrichen, übrig blieb nur „Nobi“. In den 2000ern wurde das Buch im Eulenspiegelverlag neu aufgelegt.
Geschimpft wird über die Wokeness unserer Zeit, die keinen Respekt vor geschichtlichen Zusammenhängen habe, über eine Sprachpolizei, die einem vorschreiben will, was man sagen darf und was nicht. Woke ist zu einem Schimpfwort geworden und bedeutet laut Duden eigentlich „in hohem Maß politisch wach und engagiert gegen (insbesondere rassistische, sexistische, soziale) Diskriminierung“.
Die 19. Auflage von „Nobi“ in der DDR, Mitte der 70er-Jahre erschienen.Kinderbuchverlag Berlin/Repro Henseke„Das Original dieses Buches heißt ‚Der Neger Nobi‘, geschrieben von dem des Rassismus absolut unverdächtigen Schriftsteller Ludwig Renn, einem Mann mit ausgesprochen linken und sozialistischen Ansichten. Und nicht ‚Nobi‘“, schreibt ein User erregt im Internet. „Wer schützt eigentlich Texte ehrbarer Autoren vor unautorisierten Eingriffen späterer Sprachwächter? Wer schützt die deutsche Sprache vor bewussten Begriffs- und Bedeutungsverdrehern?“
Die Sprachpolizei der DDR
Doch wann ist der Buchtitel verändert worden, erst in den vergangenen Jahren? Ich habe die Geschichte auch in der Schule in Berlin-Köpenick gelesen und wusste, dass das Büchlein noch irgendwo versteckt in meinem Bücherregal steht. Bei meinen Büchern aus der Kinderzeit – höchstwahrscheinlich zwischen P wie Benno Pludra („Die Reise nach Sundevit“) und R wie Götz R. Richter („Die Nacht auf der Wanachi-Farm“). Siehe da, es ist noch da, die 19. Auflage, irgendwann zwischen 1974 und 1975 erschienen. Titel: „Nobi“, also schon damals ohne den Vorsatz „Der Neger“.
Wenn also eine Sprachpolizei zugeschlagen hat, dann war es die der DDR. Schon seit 1962 (8. Auflage), sieben Jahre nach dem Erstdruck, erschien das Kinderbuch mit dem verkürzten Titel. Und das mit Einverständnis des Autors. Denn Ludwig Renn (geboren als Arnold Vieth von Golßenau), Offizier im Ersten Weltkrieg, später Kommunist und Spanienkämpfer, war auch in den 60ern noch ein angesehener, viel beschäftigter Autor, er starb erst 1979 in Berlin-Kaulsdorf. Und das Wort Neger war schon in den 60ern komplett aus der Zeit gefallen, schon damals ein herabwürdigendes Schimpfwort, das oft aber unbedacht, ohne nachzudenken, benutzt wurde.
Ludwig Renn (links) mit dem polnischen Politiker Ignacy Loga-Sowiński (1954)Günther Weiß/Bundesarchiv/Wikimedia CommonsUnd ja, in der DDR gab es so etwas wie eine Sprachpolizei. Die hieß damals nur Abteilung „Agitation und Propaganda“, einmal in der Woche bekamen die Chefredakteure Anweisungen von oben, aus dem Politbüro der SED. Oft ging es dabei gar nicht um große Politik, sondern um Mangelwirtschaft, um religiöse Dinge. In den späten 80er-Jahren gab es in der BZ am Abend zum Beispiel die Anweisung, das Wort „Putte“ (Kindergestalt in Skulptur und Maler) nicht mehr zu schreiben. Grund: An den heruntergekommenen Hauseingängen der Vorkriegsaltbauten, in Prenzlauer Berg und Friedrichshain, waren eben diese Skulpturen meist kaputt. Und es hagelte jedes Mal Briefe von erbosten Lesern, wenn man auch nur das Wort Putte erwähnte, von Lesern, die sich darüber beschwerten, wie die DDR die Stadt zerfallen ließ.
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