Ohne Krankenversicherung, wie Heinz Hoenig ? Die Clearingstelle der Stadtmission Berlin hilft
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Kurz vor 10 Uhr in der Zinzendorfstraße 18. Kurz darauf beginnt die Beratung für Menschen, die nicht krankenversichert sind. Die Termine sind stark nachgefragt.
A Berlin tu peux crever par absence de soins quand tu n’as pas d’assurance. Il y a plusieurs groupes de personnes à qui on refuse systématiquement l’accès à la sécurité sociale et aux soins :
– On refuse le retour dans l’assurance publique aux autoentrepreneurs en faillite qui sont tombés dans le piège de l’assurance privée. Il y a de nombreux artiste parmi eux.
– Les travailleurs étrangers europeens que leurs employeurs n"inscrivent pas à la sécurité sociale afin de faire baisser le prix de la main d’oeuvre
– les sans-papiers et demandeurs d’asile refusés
– les victimes de la traite des êtres humains dont beaucoup de vietnamiens
– les prostituées originaires de l’Europe de l’Est
– les personnes trop malades ou handicapées pour gérer les procédures bureaucratiques de l’assurance maladie et d’impôts.
Pour les exclus du système d’assurance semi-privé il n"y a à Berlin qu’un unique centre de conseil géré par la une mission religieuse.
17.5.2024 von Ida Luise Krenzlin - Schauspieler Heinz Hoenig sammelt Geld, um seine Operationen zu zahlen. Er ist nicht krankenversichert. In Berlin teilen viele sein Schicksal.
Die Räume sind hell und licht. Großzügig erstrecken sie sich über das gesamte Erdgeschoss eines großen Eckhauses. Früher war hier einmal eine Kneipe. Seit knapp drei Jahren betreibt die Berliner Stadtmission in den sanierten und ausgebauten Räumen in Berlin-Moabit eine Beratungsstelle für Menschen, die dringend Hilfe benötigen.
Viele von ihnen sind krank, manche schwer krank, sie alle haben aber keine Krankenversicherung. Damit sind sie in ihrer Situation aufgeschmissen: Arztpraxen schicken sie weg. Ämter schieben sich die Zuständigkeiten zu. Viele haben Schulden, nicht nur wegen nicht bezahlter Arztrechnungen.
Kurz vor 10 Uhr in der Zinzendorfstraße 18. Kurz darauf beginnt die Beratung für Menschen, die nicht krankenversichert sind. Die Termine sind stark nachgefragt.
Kurz vor 10 Uhr in der Zinzendorfstraße 18. Kurz darauf beginnt die Beratung für Menschen, die nicht krankenversichert sind. Die Termine sind stark nachgefragt.Ida Luise Krenzlin/Berliner Zeitung
Louise Zwirner leitet die Beratungsstelle. Ihr 20-köpfiges Team, viele arbeiten in Teilzeit, besteht aus Sozialberatern, medizinischen Fachleuten und Juristen. Oberstes Ziel ist, die unversicherten Menschen in das Regelsystem mit Krankenversicherung (zurück) zu vermitteln. Wenn das nicht möglich ist, kann die Clearingstelle notwendige medizinische Behandlungen über von der Senatsverwaltung für Wissenschaft, Gesundheit und Pflege bereitgestellte Gelder finanzieren.
Was tun? An Krebs erkrankt und nicht krankenversichert
Der Bedarf ist offenbar sehr groß. Im Jahr 2023 hat die Stelle 1027 Personen erstmals beraten, dazu kommen solche, die sich schon länger begleiten lassen. Die Geschichten der ratsuchenden Menschen sind gänzlich unterschiedlich. Hierher kommen Deutsche, die nach einer Scheidung aus der Familienversicherung fallen oder die nach einer gescheiterten Selbstständigkeit nicht mehr in die gesetzlichen Krankenkassen zurückkommen. Viele können sich die hohen Beiträge der privaten Krankenversicherung nicht mehr leisten und haben sich bereits verschuldet.
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Informationen in vielen Sprachen. Aus der ganzen Welt stammen die Ratsuchenden.
Informationen in vielen Sprachen. Aus der ganzen Welt stammen die Ratsuchenden.Ida Luise Krenzlin
Schöne helle Räume und viel Platz. Der Bedarf an Beratung ist groß.
Schöne helle Räume und viel Platz. Der Bedarf an Beratung ist groß.Ida Luise Krenzlin
Manchmal kann man nichts machen – außer weiter. Trost und Zuversicht spendet dieser Kalender wie auch die Mitarbeiter der Clearingstelle.
Manchmal kann man nichts machen – außer weiter. Trost und Zuversicht spendet dieser Kalender wie auch die Mitarbeiter der Clearingstelle.Ida Luise Krenzlin
Eine Kinderecke im Warteraum. Es gibt auch Kinder, die ohne Krankenversicherung in Berlin leben.
Eine Kinderecke im Warteraum. Es gibt auch Kinder, die ohne Krankenversicherung in Berlin leben.Ida Luise Krenzlin
Gabi Herrmann ist eine von ihnen. Sie hat Rachenkrebs und wird gerade im Krankenhaus behandelt, Chemotherapie. Hinter ihr liegt eine Odyssee. Als sie davon erzählt, kommen ihr am Telefon die Tränen, so verzweifelt ist sie. Nach einer langen Selbstständigkeit wurde sie krank, dauerhaft. Die bürokratischen Abläufe sind kompliziert, die Versicherungen gehen mitunter knallhart vor. Gabi Herrmann flog aus der privaten Krankenversicherung, die sie nicht mehr bezahlen konnte, eine gesetzliche Krankenversicherung nimmt die Patientin bis heute nicht auf. Die Clearingstelle hat ihr geholfen, überhaupt eine medizinische Behandlung zu bekommen. „Die haben mich gerettet!“, ist Gabi Herrmann dankbar. Wie es nach der Chemotherapie weitergeht, weiß sie nicht. Um jede einzelne Behandlung muss sie kämpfen, zu ihrem Glück hat sie nun eine starke Beraterin an der Seite.
Diese nennt die größten Hürden: „Die Ämter sind schlecht erreichbar. Wir haben keine festen Ansprechpartner bei den Krankenkassen, Sozialämtern und Ausländerbehörden“, erzählt Patricia Schöne. Die Diplompädagogin arbeitet als Sozialberaterin für die Clearingstelle. Die Mitarbeiter müssten äußerst hartnäckig an den Fällen dran bleiben, mitunter jeden Tag nachhaken, bis sie ein Problem gelöst haben. Auch sie hängen in den langen Warteschleifen der Hotlines, echte Zeitfresser. „Wir brauchen aber oft schnell Lösungen.“ Wenn jemand etwa eine Krebserkrankung hat oder süchtig ist oder HIV hat – und deshalb die Zeit drängt, schnellstmöglich eine medizinische Behandlung zu bekommen. Die Menschen kommen meist erst in die Beratung, wenn sie schon am Ende sind, wenn sie ganz dringend Hilfe brauchen.
Gabi Herrmann kämpft seit Jahren darum, wieder in eine gesetzliche Krankenversicherung zu kommen. Die Clearingstelle hat ihr geholfen, eine medizinische Versorgung zu bekommen. Gabi Herrmann hat Krebs.
Gabi Herrmann kämpft seit Jahren darum, wieder in eine gesetzliche Krankenversicherung zu kommen. Die Clearingstelle hat ihr geholfen, eine medizinische Versorgung zu bekommen. Gabi Herrmann hat Krebs.privat/Gabi Herrmann
Viele ausbeuterische Arbeitsverhältnisse in Berlin
Eine weitere große Gruppe Ratsuchender kommt aus EU-Staaten. Unter ihnen Studenten, die nicht wissen, ob sie in Deutschland versichert sind. Angestellte, die vorher etwa in Spanien gearbeitet haben und hier seit Monaten nicht zum Arzt gehen, weil die Krankenversicherung nicht geklärt ist. Da kann die Clearingstelle helfen. Ihr erstes Ziel ist es, die Patienten in eine Regelversicherung zu bekommen.
Deshalb machen sie hier bei den deutschen Krankenkassen Druck. Diese müssen Informationen aus den Ländern über Versicherungszeiten einholen. Viele Ratsuchende kommen aus Rumänien, Bulgarien oder Polen. Sie befinden sich in „ausbeuterischen Arbeitsverhältnissen“, so heißt es hier, oft auf dem Bau. Dort werden sie nicht versichert, obwohl sie in Deutschland versichert werden müssten.
Louise Zwirner erzählt, wie schwer sich diese Menschen tun, ihren Arbeitgeber anzuzeigen. Oft würden andere Familienangehörige oder Bekannte auf denselben Baustellen arbeiten. „Sie schweigen deshalb lieber und nehmen den Zustand in Kauf, nicht versichert zu sein“, sagt Zwirner. Die meisten würden deshalb erst in die Beratung kommen, wenn sie akut erkrankt sind, Schmerzen haben, unbedingt zum Arzt müssen.
Aus der ganzen Welt kommen die Ratsuchenden in die Clearingstelle der Berliner Stadtmission. Eine Karte im Warteraum zeigt die Herkunft der Klienten.
Aus der ganzen Welt kommen die Ratsuchenden in die Clearingstelle der Berliner Stadtmission. Eine Karte im Warteraum zeigt die Herkunft der Klienten.Ida Luise Krenzlin
Ärztliche Betreuung für Schwangere ohne Papiere
In Deutschland ist der Zugang zur Gesundheitsversorgung für diejenigen geregelt, die über Ausweispapiere verfügen, die mit einem Wohnsitz gemeldet sind. Die Gesundheitsversorgung über das Sozialamt ist zwar kompliziert, aber möglich – trotzdem schaffen es viele nicht: „Menschen, die Berührungsängste mit Ämtern haben“, erklärt Zwirner. Die Leiterin der Beratungsstelle wünscht sich seitens der Ämter mehr Unterstützung für die Hilfesuchenden.
Gar keinen Zugang zur gesetzlichen Gesundheitsversorgung haben die „Sans Papiers“, Menschen ohne gültige Ausweispapiere, Illegale, die in Berlin leben. Es gibt zum Beispiel eine große vietnamesische Gemeinschaft, viele von ihnen sind illegal in Berlin, arbeiten etwa in Nagelstudios, sind nicht versichert. „Diese Menschen fallen komplett durchs Raster“, sagt Zwirner, die Leiterin der Einrichtung.
Menschen ohne Aufenthaltstitel arbeiten meist in prekären Jobs: als Putzfrauen und in der Kinderbetreuung oder als Prostituierte. „Sie sind aber hier. Und sie bleiben hier“, so die Einschätzung von Louise Zwirner. „Wer krank ist, muss versorgt werden“, bekräftigt sie. Oft handele es sich auch um Eltern, die zu ihren Kindern nach Berlin aus dem Ausland nachziehen. Da sie keine Chancen auf Asyl haben, bleiben sie ohne Papiere und ohne Krankenversicherung. Sie müssen mit der unzureichenden Behandlung bei chronischen Krankheiten leben.
Für diese Menschen fordert Zwirner eine „City-ID-Card“, einen Stadtausweis für Menschen ohne gültigen Aufenthaltsstatus. Denn ohne Ausweis gibt es keinen Mietvertrag, keine Krankenversicherung, keine Sozialhilfe. New York hat eine solche ID-Card etwa längst eingeführt. In Berlin leben nach Schätzungen etwa 50.000 Menschen ohne Papiere.
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Krankenhäuser bleiben auf unbezahlten Rechnungen sitzen
Das Gesundheitssystem ist eh schon überlastet. Wenn jemand dann auch noch ohne Krankenversicherungskarte in eine Arztpraxis geht, wird er meist abgewimmelt. Die Praxen können sich die Kosten zwar beim Sozialamt oder eben bei der Clearingstelle holen, das erfordert aber Schriftwechsel und Zeit. Und die ist überall knapp. Louise Zwirner hat dafür auch Verständnis. Das System sei dysfunktional. Auch die Krankenhäuser würden auf hohen Summen unbezahlter Rechnungen sitzen bleiben. Denn Krankenhäuser müssen Notfallbehandlungen durchführen: bei Schlaganfällen oder Herzinfarkten müssen sie jeden Menschen behandeln. Zumindest akut.
Die Rechnung für die Behandlung können die Krankenhäuser dann zwar beim Sozialamt beantragen, doch diese könnten diese Kostenübernahmen auch ablehnen. So wachsen die Außenstände bei den Krankenhäusern. Es ist also kompliziert.
Eine Folge ist, dass Kranke, die akut versorgt wurden, viel zu früh entlassen würden. Manche würden mit dem Rettungswagen direkt in die Clearingstelle gefahren werden. Auch dafür hat Louise Zwirner Verständnis: „Die wissen ja auch nicht, wohin mit den Menschen.“ Es gibt zwar Anlaufstellen für zum Beispiel Obdachlose, die eine medizinische Versorgung brauchen. Aber diese reichen nicht aus. In Berlin gibt es noch vergleichsweise viele medizinischen Hilfen wie etwa das Caritas-Arztmobil, eine Ambulanz der Berliner Stadtmission am Hauptbahnhof und Zentren für sexuelle Gesundheit und Familienplanung, die etwa Vorsorge für Schwangere ohne Krankenversicherung anbieten.
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„Krank und papierlos in Deutschland“
Die Clearingstelle der Stadtmission gibt es seit 2018. Sie wächst seither stetig. Angefangen hat Louise Zwirner mit zwei Mitarbeitern, nun sind es insgesamt 20. Die Beratungsstelle erhält Geld von der Berliner Senatsverwaltung für Wissenschaft, Gesundheit und Pflege. Betrieben wird sie von der Stadtmission. „Um auch Menschen in Krisensituationen ausreichend sozial abzusichern, brauchen wir dringend langfristige bundespolitische und europäische Lösungen“, fordert sie.
Übergreifend setzt sich die Bundesarbeitsgruppe Gesundheit/Illegalität (BAG) für den ungehinderten Zugang zur medizinischen Versorgung unabhängig von Herkunft und Aufenthaltsstatus ein. Engagiert sind in der BAG Sachverständige aus dem Gesundheitswesen. Auf das humanitäre „Problem krank und papierlos in Deutschland“ macht die Initiative seit vielen Jahren aufmerksam. Doch als der Schauspieler Heinz Hoenig zuletzt am Herzen operiert werden musste und seine Frau um Spenden bat, weil er nicht krankenversichert sei, ging ein Aufschrei durch Deutschland: Viele konnten sich nicht vorstellen, warum es überhaupt Menschen gibt, die hierzulande nicht krankenversichert sind.
Dazu erklärte der Vertreter des Bundesverbands Schauspiel BFFS, Schauspieler Heinrich Schafmeister: „Altersarmut tritt bei sehr, sehr vielen Schauspielern auf, nicht nur bei den unbekannten, auch durchaus bei vielen namhaften. Viele wären überrascht, wenn sie wüssten, bei wem das alles zutrifft.“
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