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Reality Check - Geschichten rund ums Taxi in Berlin und weltweit - Materialsammlung, Bilder, Videos, Texte

  • Bär von Berlin: Wie das Wappentier im Titel der Berliner Zeitung bekämpft wurde
    https://www.berliner-zeitung.de/mensch-metropole/baer-von-berlin-wie-das-wappentier-im-titel-der-berliner-zeitung-be


    Berliner Original: 2008 lebten neben der 1979 im Berliner Zoo geborenen Bärin Petzi dort auch ihre Tochter Siddy (geb. 1991) und Bärenmann Bernie (gest. 2009). Petzi wurde berühmt, als sie 1983 ihrem Gehege entkam und durch den Zoo promenierte. Sie starb 2014 im hohen Bärenalter von 35 Jahren. imagebroker/imago

    21.5.2024 von Maritta Adam-Tkalec - Zum 79. Zeitungsgeburtstag: Der Berliner Bärenkrieg gegen „die berlinischste aller in Berlin erscheinenden Zeitungen“. Erinnerungen an eine Posse aus dem Kalten Krieg.

    Große Schnauze, dickes Fell, feines Gehör, guter Riecher. Mal wild, mal gemütlich – der Bär ist das Tier zur Stadt. Wäre er nicht seit 700 Jahren das Berliner Wappentier, man müsste ihn dazu machen.

    Berlin ohne Bär? Nicht vorstellbar. Die Stadt ist voller Bären: Buddy-Bären, Brunnen- und Brückenbären, Bären auf Polizeiuniformen, Briefköpfen, Dokumenten. Als Pandabären aus China in die Stadt kamen, war das eine Staatsaktion. Als Eisbär Knut aufwuchs, schmolzen die Berliner schneller dahin als das Eis der Arktis. In Zoo und Tierpark leben Malaienbären, Brillenbären, Schwarzbären. Die Berlinale verteilt goldene, silberne, bronzene …

    Aber ein Braunbär? Ein einziger? Sieben Jahre lang, 2016 folgende, lebte die Stadt ohne einen leibhaftigen Vertreter der einst heimischen Art. Die Stadt glaubte, ohne ihr Maskottchen auszukommen. Das konnte nicht gutgehen. Den letzten freien Bären Preußens traf übrigens 1741 eine Kugel – bei Stettin, das seinerzeit zu Brandenburg gehörte.

    Um 1280 war der Bär zum ersten Mal in einem Siegel der Stadt Berlin aufgetaucht. Von dem Historiker Werner Vogel, bis 1995 Direktor des Geheimen Staatsarchivs Preußischer Kulturbesitz in Berlin-Dahlem, stammt die These, die selbstbewussten Bürger der aufblühenden Kommune Berlin hätten in ihrem Siegel den Stadtnamen symbolhaft ausdrücken wollen und dafür volksetymologisch die erste Silbe gewählt – die klang wie Bär. Ursprünglich leitet sich der Stadtname allerdings ab von slawisch Brlo: trockene Stelle im Sumpf.

    Wie der Bär von Berlin auszusehen habe, darüber herrschte durch die Jahrhunderte Streit – man zankt ja gerne um Symbole! Mal lief er auf allen Vieren, mal zu voller Größe aufgerichtet. Mal sah er eher aus wie ein borstiges Wildschwein, mal wie glatt gestriegelt. Als der Hohenzoller Friedrich II., genannt Eisenzahn, den Berliner Bürgern 1433 ein kurfürstliches Schloss vor die Nase setzte und ihre profitablen Privilegien beschnitt, verpasste er auch dem Wappenbären ein Halsband samt Kette – auf dass sich die meckernden, stolzen Berliner gut merken, wer fortan der Herr in der Stadt war.

    Es war ein großer Moment, als vier Jahre nach der Gründung des Deutschen Reiches 1871 schließlich auch der Bär, nunmehr Symbol der kaiserlichen Reichshauptstadt, von seiner Kette befreit wurde und zum Zeichen der zunehmenden bürgerlichen Macht eine fünftürmige Mauerkrone aufs Haupt bekam.

    https://berliner-zeitung.imgix.net/2024/03/18/763d3696-8e54-413f-b749-4514beeff30f.jpeg?auto=format&fit=ma
    Am 22. August 1945 erschien die letzte Ausgabe der Berliner Zeitung ohne das Bärensignet im Titel.B erliner Zeitung.


    Einen Tag später, am 23. August 1945, hatten die Berliner die neu gestaltete Ausgabe in der Hand: mit der prägnanten Schrift im Zeitungstitel und dem Bärenwappen. Die Artikel künden von der dramatischen Lage im Sommer 1945. Berliner Zeitung.

    In den Titel der Berliner Zeitung trat der Berliner Bär am 23. August 1945, drei Monate nach dem Ersterscheinen am 21. Mai 1945. Das war genau vor 79 Jahren. Einer der Redakteure der ersten Stunde, er zeichnete mit dem Kürzel H.E., erinnerte sich zehn Jahre später: „Als es 1945 darum ging, für die Berliner Zeitung einen Zeitungskopf zu entwerfen – zunächst halfen wir uns mit den großen Lettern einer zwischen Trümmern aufgefundenen Plakatschrift – war man sich darüber einig, dass im Zeitungskopf selbstverständlich auch der Berliner Bär, das Stadtwappen der deutschen Hauptstadt seinen Platz finden müsste.“

    Der Zeichner Gunter Lupinski setzte ihn in die Mitte des Titels, und dabei blieb es. Er wählte die Form mit der fünftürmigen Mauerkrone und dem aufrecht gehenden Bären mit ausgestreckten Pranken und herausgestreckter Zunge.

    Um irrigen Geschichtsumdeutungen vorzubeugen: Das war kein russischer Bär, den die sowjetische Besatzungsmacht in den Titel befohlen hätte. Vielmehr wollte die erste Generation der Redakteure – eilig zusammengerufene, aus dem Untergrund aufgetauchte Antifaschisten und erste Exilheimkehrer – nach eigenem Bekunden zeigen: „Wir machen die berlinischste aller Zeitungen.“ Mit Wappenbär und im Bewusstsein von Berliner Traditionen.

    Rudolf Herrnstadt, legendärer Chefredakteur der Berliner Zeitung, war seit 20. Juni 1945 in diesem Amt (und sollte es bis 1949 ausüben). An eben jenem Tag übergab die sowjetische Kommandantur die Zeitung in die Verantwortung des Berliner Magistrats. Herrnstadt war also maßgeblich an der Aufnahme des Bären in den Titel beteiligt – und am Einsatz der kräftig-markanten und zugleich eleganten Frakturschrift, die seit dem 23. August 1945 die Zeitung unverwechselbar macht.

    1948 brach dann der Berliner Bärenkrieg los. Was da los war, teilte das angegriffene Blatt am 21. Januar mit – unter der Überschrift „Haben die Sorgen?“ und in betont spöttischem Tonfall: West-Berliner-Blättchen seien wieder einmal veranlasst worden, ihre Leser mit dem „ungewöhnlich zeitgemäßen und erschütternden Problem des Bären“ im Kopf der Berliner Zeitung zu behelligen: „Ausgeruhte Köpfchen des Magistrats waren in der Tat einfältig genug, die offensichtlich arbeitslose Rechtsabteilung der Stadt mit der feierlichen Eröffnung eines Bärenkrieges zu beauftragen.“

    „Auf in den Bärenkrieg“

    Als erste Kampfhandlung habe ein Rechtsanwalt die Berliner Zeitung beauftragt, den Bären zu entfernen, andernfalls werde man vor Gericht ziehen. Ein Rechtsgrund für die Forderung liege nicht vor. Der Magistrat arbeite in aller Eile an einem neuen Wappengesetz, „das offenbar als ‚Lex Berliner Zeitung‘ den lächerlichen Forderungen wenigstens nachträglich eine juristische Begründung verschaffen“ sollte. Der kampfeslustige Schlusssatz lautet: „Auf in den frischfröhlichen Bärenkrieg!“

    So putzig das klingen mag, so ernst waren die politischen Hintergründe – global wie lokal: Der Kalte Krieg war just in den Monaten davor voll ausgebrochen. Am 12. März 1947 hatte US-Präsident Harry S. Truman die sogenannte Truman-Doktrin verkündet. Ihr Kern, die Zwei-Lager-Theorie, garantierte allen Staaten, die sich von der Sowjetunion bedroht fühlten, die militärische Unterstützung „im Kampf um die Freiheit“.

    In Berlin hatten freie Wahlen am 20. Oktober 1946 der SPD einen Sieg beschert. Im April 1947 wählte die Stadtverordnetenversammlung Ernst Reuter zum Oberbürgermeister: Die sowjetische Kommandantur legte ihr Veto ein, Reuter konnte sein Amt vorerst nicht antreten. Bis zum 7. Dezember 1948 war deshalb die Sozialdemokratin Louise Schroeder Oberbürgermeisterin von Berlin. In ihre Amtszeit fiel der Bärenkrieg.

    Er endete am 10. November 1948 und die Berliner Zeitung titelte „Der Bär bleibt“. Das Kammergericht, das als letzte Instanz über die Klage des Magistrats auf Entfernung des Bärenwappens zu entscheiden hatte, hob das erstinstanzliche Urteil des Landesgerichts Zehlendorf (Der Bär soll weg) auf, wies die aus politischen Gründen und ohne Rechtsgrundlage geführte Klage des Magistrats ab. Die Kosten wurden dem Magistrat auferlegt – also dem Steuerzahler. Der Kommentator des siegreichen Blattes übermittelt den unterlegenen Klägern im Westen süffisant „herzliches Beileid“.


    Täglich erschien das „Bärchen“, eine Lokalglosse, ganz nah dran am Berliner Alltag. Mal brummte Bärchen, mal freute es sich. Hier (17. Dezember 1975) bekommt es Antwort nach einer Bärchen-Kritik am Service im Mitropa-Restaurant im Ostbahnhof. Berliner Zeitung

    Weil der Bärenkrieg den Redakteuren viel Spaß gemacht hatte, boten sie dem Petz vom Titel auch im redaktionellen Teil eine tragende Rolle: Von Dezember 1948 an erschien als tägliche Lokalglosse die „Bärchen-Ecke“. Da brummte Bärchen, wenn es etwas Ärgerliches zu berichten gab. Oder Bärchen freute sich, wenn es Löbliches sah. Bärchen wurde bald zur populärsten Rubrik im Ost-Berliner Zeitungswesen, es kamen Leserbriefe mit der Bitte „Bärchen brumm doch mal“ über dieses und jenes Ärgernis. Die gut gelaunte Kritik machte offenbar so manchem Amt Beine.

    Im Herbst 1949 entschloss sich der Berliner Verlag, den Berlinern zwei echte, lebende Wappentiere zu schenken: Jette und Nante zogen am 30. November in den seit 1945 verwaisten Bärenzwinger im Köllnischen Park, gleich neben dem Märkischen Museum. Sechs Jahre später wird berichtet: „Nante und Jette sind inzwischen dick und rund geworden und das lebende Beispiel dafür, dass es seither vorwärts und aufwärts geht.“ Zehntausend Menschen besuchten den Zwinger jedes Jahr, ein Verein feierte die Bärengeburtstage.

    Die letzte Stadtbärin, Schnute, starb 2015. Eine Nachfolge im Bärenzwinger durfte es aus Tierschutzgründen nicht geben. Das Interesse an dieser Art von Tierhaltung war ohnehin abgeflacht. Zudem bekommt man es seit ein paar Jahren ja wieder mit dem wilden Raubtier zu tun – und das kostet Sympathie: Als der sogenannte Problembär Bruno 2013 Bayern erschreckte, wurde er bald erschossen. Als 2023 Bärin Gaia in Norditalien einen Mann tötete, der durch ihr Revier gejoggt war, wurde sie gefangen genommen.


    Lucifer heißt einer der drei Braunbären-Brüder, die ein naturnah gestaltetes Gehege im Zoo Berlin bewohnen.

    Neu in der Stadt: Bärenbrüder im Zoo

    Seit Herbst 2023 bevölkern wieder drei Exemplare den Berliner Zoo: Die Bärenbrüder Lucifer, Lillebror und Momoa (jeweils vier Jahre alt) wurden aufgenommen, weil ihre Heimat, der schwedische Raubtierpark Orsa, schloss. Sie bekamen ein bäriges Gehege mit Felshöhlen, Totholz und einem Honigbaum. Braunbären leben übrigens die meiste Zeit vegetarisch. Tierpark- und Zoodirektor Andreas Knieriem freute sich und sagte: „Der Braunbär hat als Wahlzeichen der Stadt nicht nur einen Platz im Herzen der Berlinerinnen und Berliner, sondern nun auch wieder im Zoo Berlin ein Zuhause.“

    In der Berliner Zeitung hatte er immer einen Platz, zuletzt – in aller Bescheidenheit – als Stütze des Ganzen an der Basis der Titelseite. Und wer weiß, ob er nicht eines Tages zu neuer Größe wächst.

    #Berlin #Geschichte #Kalter_Krieg #SPD #Zehlendorf #Presse

  • Veranstaltung der Berliner Taxiinnung am 25. März.
    https://www.taxi-heute.de/de/news/unternehmens-wirtschaft-und-branchen-nachrichten-sonst-taxithemen-allg-ta


    Von links: Hermann Waldner, Gabriele Bischoff, Leszek Nadolski, Tino Schopf, Moderator Rolf Wiegand von Verdi, Lutz Kaden (IHK Berlin), Alexander Mönch.| Foto: Jürgen Jänen

    Um das Dauerbrenner-Thema der Missstände im plattformgetriebenen Mietwagengeschäft und die neue EU-Plattform-Richtlinie ging es auf einer Veranstaltung der Berliner Taxiinnung am 25. März.

    27.03.2024Matthias Roeser
    „Berlin ist immer vorne, im Guten wie im Schlechten“, sagte Hermann Waldner, Vizepräsident des Bundesverbandes Taxi und Mietwagen (BVTM) und Chef der größten Berliner Taxizentrale.

    „Wir haben in Berlin durch den Marktangriff von Uber & Co. mehr Taxis verloren als andere Großstädte je Taxis hatten. Und wir erleben hier einen Wildwuchs, wie es ihn in diesem Ausmaß sonst nirgends gibt.“

    In Berlin stünde inzwischen die Hälfte der Taxis vor der Pleite. Nur wenn man mit harten Kontrollen die schwarzen Schafe auf dem Personentransportmarkt aussortiere, habe das ehrliche Taxigewerbe eine Chance, zu überleben und Teil der individuellen Personennahverkehrs zu bleiben.

    Damit spielte Waldner unter anderem auf die Erkenntnisse zu zweifelhaftem Geschäftsverhalten im plattformbasierten Mietwagengeschäft an, die der verkehrspolitische Sprecher der SPD-Fraktion Tino Schopf bei Recherchen in der Genehmigungsbehörde Landesamt für Bürger- und Ordnungsangelegenheiten (LABO) gewonnen hatte. „Den Wildwuchs aber hat Berlin nicht exklusiv, den sehen wir auch in Städten wie München, Frankfurt, Düsseldorf oder Köln.“

    Tino Schopf selbst beschrieb die Zustände in Berlin als „beschämend“. Es gebe einen gewaltigen kriminellen Sumpf. Das LABO, eigentlich zuständig für das Trockenlegen dieses Sumpfes, nannte er ein „Teil des Problems“. Er sei kein Verwaltungsfachmann, aber selbst ihm sei aufgefallen, dass Firmen einen 19-jährigen Menschen für 960 Euro Brutto angestellt haben, um 50 Mietwagen rund um die Uhr zu organisieren. Erst recht müsse dies doch den Fachleuten des LABO auffallen, bemängelte Schopf..

    Schopfs Parteifreundin, die Europa-Abgeordnete Gabriele Bischoff, berichtete unter anderem über die EU-Richtlinie zur Plattformarbeit, für die sie mitverantwortlich war. Die Richtlinie spare das Taxi-Geschäft weitgehend aus, treffe aber Plattformen wie Uber und Bolt. Bischoff warnte, den enormen Lobby-Druck von Uber, Bolt und anderen nicht zu unterschätzen. Ein solcher Druck sei in der Intensität ungewöhnlich und werde nun bei der nationalen Umsetzung der EU-Richtlinie in den kommenden zwei Jahren sicher erneut zum Tragen kommen.

    „Deshalb ist es wichtig, dass wir weiter am Ball bleiben, und alle Rechtsmittel ausschöpfen, damit diese Strukturen, die prekäre Beschäftigung fördern und dulden, abschaffen. Das Taxigewerbe hat mich an seiner Seite, um bessere Bedingungen zu schaffen, damit es wieder fair und gerecht im Mobilitätsbereich vor sich geht“, betonte Bischoff.

    Alexander Mönch von FreeNow als Vertreter der Plattformwirtschaft gab selbstkritisch zu Protokoll, dass das, was Freenow vor zehn Jahren angestoßen habe, sich zu illegalen Strukturen entwickelt habe, die so nicht vorherzusehen waren. Er begrüßte die Initiative zum Datenaustausch zwischen Jobcenter und Finanzamt.

    „So können wir wenigstens versuchen, unsere Plattform sauber zu halten.“ Er sprach von einem „illegalen Gewerbezweig“, der sich hier entwickelt habe, und bekannte: „Ich kann hier ja nicht so tun, als wäre nichts gewesen.“

    Er bekräftigte, dass FreeNow die Zukunft im Taxi sehe und der taxiähnliche Mietwagen in der jetzigen Form keine Zukunft habe.

    Zum Abschluss dankte Leszek Nadolski, der Vorsitzende der Berliner Taxiinnung, für die rege und ehrliche Debatte und versprach, sich weiter für das Taxigewerbe in Berlin einzusetzen. Ein richtiger Schritt sei die Einführung von Festpreisen in Berlin. Diese sollen ab dem Frühsommer in Berlin möglich sein.

  • Schimmel, Ratten, gefangen im Kredit: Bauträger in Berlin treibt Wohnungskäufer in Verzweiflung
    https://www.berliner-zeitung.de/mensch-metropole/schimmel-ratten-gefangen-im-kredit-bautraeger-in-berlin-treibt-wohn


    Lisa Hohneck schaute fünf Jahre lang durch ihr Fenster auf ein Baugerüst. Markus Wächter/Berliner Zeitung

    20.5.2024 von Niklas Liebetrau - Immobilienkäufer in Berlin stehen vor dem Ruin, weil sie einer Firma vertrauten, die Häuser nicht fertigstellt: Hedera Bauwert. Deren Chef ist in der Stadt kein Unbekannter.

    Manchmal, wenn ihr alles zu viel wird, stellt sich Lisa Hohneck vor, wie sich plötzlich ein Riss im Boden auftut und ihr Haus darin untergeht. Ihre Wohnung in Berlin-Friedrichshain, die sie sich vor sechs Jahren kaufte, würde dann verschwinden. Und mit ihr all der Ärger: die Feuchtigkeit, die durch die Schlafzimmerwände kriecht, die Obdachlosen, die in den Hausfluren und Kellerräumen hausen. All das wäre weg, und für einen Moment denkt sie, dann hätte sie endlich Ruhe.

    Dann fällt ihr ein, dass zwar die Wohnung weg wäre – nicht aber der Kredit. „Finanziell wäre das mein Ruin“, sagt sie.

    Dabei hatte alles so vielversprechend begonnen. Lisa Hohneck, eine 33-jährige IT-Projektmanagerin aus der Nähe von Trier, hatte sich gleich nach dem Master und frisch im ersten Job entschieden, eine Eigentumswohnung in Berlin zu kaufen. Ihr bester Freund hatte ihr dazu geraten, auch er wollte in der Stadt, in der sie jetzt lebten, etwas erwerben. Besser einen Kredit abbezahlen, sagte er, als sein Leben lang zur Miete wohnen.

    Kurz darauf, im November 2017, entdeckten sie das Haus in der Weserstraße. Die Wohnung, für die sich Hohneck interessierte, lag im Hinterhof: 65 Quadratmeter im Erdgeschoss, drei Zimmer, Küche, Bad, 200.000 Euro. Ein Schnäppchen, auch damals schon. Die Maklerin sagte: „Mein Tipp, warten Sie nicht zu lange.“ Es gebe andere Interessenten, täglich Anfragen. Sie illustrierte, wie es in dem gelben Altbauhaus bald aussehen werde: gläserne Aufzüge, stählerne Balkone, ein begrünter Innenhof, eine neue Fassade.

    Mitte Dezember 2017 sagte Hohneck zu. Ihr bester Freund entschied sich für eine Wohnung im Vorderhaus. „Bis zum Kauf“, sagt Hohneck, „lief alles hervorragend.“


    Dort, wo in der Cranachstraße Anfang des Jahres ein Haus fertig sein sollte, sammelt sich Schrott.Markus Wächter/Berliner Zeitung


    Lisa Hohneck (r.) mit ihrer Schwester vor ihrer Eigentumswohnung. Seit fast sechs Jahren warten sie auf Fertigstellung. Markus Wächter/Berliner Zeitung


    Auf der Baustelle vor dem Haus in der Weserstraße sammelt sich Sperrmüll. Markus Wächter/Berliner Zeitung


    Beschmiertes Fenster in der Weserstraße.Markus Wächter/Berliner Zeitung


    Artem Rudenko vor einem offenen Spalt in seinem Treppenhaus in der Havelberger Straße. Markus Wächter/Berliner Zeitung


    Im Hausflur in der Havelberger Straße machen sich immer wieder Obdachlose breit, sagt Artem Rudenko. Markus Wächter/Berliner Zeitung


    Bauträger des Hauses in der Havelberger Straße: Hedera Bauwert. Markus Wächter/Berliner Zeitung


    Seit August 2021 steht ein Halteverbotsschild auf der Baustelle vor der Havelberger Straße. Markus Wächter/Berliner Zeitung


    Eine von mehreren Hausleichen in Berlin, das leerstehende Wohnobjekt in der Sickingenstraße sollte im vergangenen Sommer fertig sein. Markus Wächter/Berliner Zeitung


    Anspruch und Wirklichkeit gehen weit auseinander in der Sickingenstraße in Moabit.Markus Wächter/Berliner Zeitung

    Ein Unternehmer, der in Berlin kein Unbekannter ist

    Der Geschäftsführer des Bauträgers lud sie sogar zum Kennenlernen ein: Ioannis Moraitis, ein Unternehmer aus Hessen, der in Berlin seit einigen Jahren Altbauten kaufte, sanierte und in Eigentumswohnungen aufteilte. Hohneck erinnert sich an einen „typischen Geschäftsmann“. Selbstbewusst habe er gewirkt, davon überzeugt, erstklassige Bauprojekte zu realisieren. Sein modernes Büro in einem „wunderschön sanierten Altbau“ in der Nähe des Savignyplatzes machte Eindruck auf sie.

    Ioannis Moraitis ist in Berliner Immobilienkreisen kein Unbekannter. 2015 geriet er in die Schlagzeilen, weil er der Familie Caliskan in der Kreuzberger Wrangelstraße kündigen wollte, die im Erdgeschoss seit 28 Jahren den Gemüseladen „Bizim Bakkal“ führte. Auf die Kündigung folgten wochenlange Anwohnerproteste. Zeitungen, Radio- und Fernsehsender aus der ganzen Welt berichteten. Das Stadtmagazin Zitty zählte Moraitis zu den „bissigsten Haien im Becken“ der Berliner Immobilienbranche.

    Moraitis’ Unternehmen heißt Hedera Bauwert. Am goldenen Briefkasten der Hedera lässt sich ablesen, welch großes Firmengeflecht sie umgibt: Mehr als 80 GmbHs. Für Lisa Hohnecks Haus in der Weserstraße ist die hb 16. Wohnimmobilien GmbH verantwortlich. Doch auch Gewerbeflächen gehören zur Hedera. Ihr „Herkules Portfolio“ umfasst Büros und Einzelhandelsflächen in Dresden, Berlin, Rostock, Halle, Radebeul und Bernau, insgesamt über 100.000 Quadratmeter. Auf einer seiner Websites bezeichnet Moraitis sich als „Visionär und Geschäftsführer“. Auf der Seite der Hedera heißt es: „Zusammen zu bauen, heißt einander zu vertrauen.“

    Doch kann man auf Moraitis’ Unternehmen vertrauen? Die Berliner Zeitung hat Wohnungskäufer, Handwerker und Ingenieure gesprochen, die ihm vorwerfen, nicht nach den gängigen Regeln zu spielen, Rechnungen schuldig zu bleiben, vereinbarte Termine zu überziehen. Und sich möglicherweise sogar außerhalb des Rechts zu bewegen. Nach Informationen der Berliner Zeitung ermittelt das LKA Berlin gegen Moraitis: wegen des Verdachts auf Betrug.


    Lisa Hohneck macht sich Sorgen, dass das Haus, in dem sie ihre Wohnung kaufte, weiter Schaden nimmt.Markus Wächter/Berliner Zeitung

    Ausgefallene Heizung, aufgebrochene Türen, Feuchtigkeit in den Wänden

    Lisa Hohneck wusste all das nicht, als sie Moraitis traf. Sie wunderte sich zwar über den günstigen Preis der Wohnung, aber das Treffen mit ihm, sein schickes Büro, vertrieben ihre Zweifel. Außerdem arbeitete die Maklerin, die ihr die Wohnung gezeigt hatte, für Ziegert, eine renommierte Firma in Berlin. Ziegert betone stets, man arbeite nur mit geprüften Bauträgern zusammen, sagte die Maklerin. Und im Ziegert-Portfolio befanden sich mehrere Wohnhäuser von Hedera.

    Als Einzugstermin vereinbarten Hohneck und der Bauträger den 31. August 2018. Im Frühjahr wolle man noch die „staubintensivsten Sanierungsarbeiten“ am Haus in der Weserstraße erledigen, neue Fenster einsetzen, die Arbeiten in den Wohnungen abschließen, sagte man ihr. Dann werde auch die erste Rate abgerufen, etwa 30 Prozent des Kaufpreises.

    Doch es tat sich nichts. Es wurde nicht gebaut, nichts wurde abgerufen. Nicht im März, als Hohneck begann, immer wieder beim Haus vorbeizugehen. Nicht im Juli, einen Monat vor dem Übergabetermin. Ihr WG-Zimmer in Lichtenberg hatte sie da bereits gekündigt. Sie kontaktierte Hedera. Und merkte: „Die Kommunikation lief nicht.“ Sie erreichte selten jemanden, und wenn doch, wurde sie vertröstet. Der vereinbarte Einzugstermin verstrich.

    Bis heute ziehe sich diese Nichtkommunikation durch. Egal, ob die Heizung ausgefallen sei, ob Wasser entlang der Fassade laufe, weil keine richtigen Fallrohre installiert wurden, egal ob Feuchtigkeit in ihre Wohnung dringe, jemand die Haustür aufbreche oder die Müllabfuhr nicht komme, selten melde sich jemand zurück. Inzwischen, glaubt Hohneck, ist ihr Haus zum Geheimtipp für Obdachlose geworden. Weil man leicht einsteigen könne und die meisten Wohnungen auch heute noch leer stünden. Vor kurzem habe die Feuerwehr kommen müssen, sagt sie. Jemand hatte sich in einem Raum im Keller mit Matratzen eingerichtet und einen Standgrill angefeuert, um zu heizen.

    Ende Oktober 2018, die Arbeiten hatten immer noch nicht begonnen, bekam sie einen Schlüssel für ihre Wohnung. Über Monate hatte sie gedrängt, jeden zweiten Tag angerufen. Anders als ihr bester Freund hatte sie ihre Wohnung im Istzustand gekauft, ihm sollte sie renoviert übergeben werden. Der Freund wartet bis heute darauf.

    Hohe Zinsen dafür, das Geld nicht ausgeben zu können

    2019 wurde das Gebäude eingerüstet. „Das war der Hoffnungsschimmer“, sagt Honeck. Hedera rief die erste Rate ab. Doch abgesehen vom Gerüst passierte wieder lange wenig. In all der Zeit musste Hohneck Sonderzinsen an ihre Bank zahlen, weil der Kredit, den sie aufgenommen hatte, zwar bereitlag, aber nicht genutzt wurde – sogenannte Bereitstellungszinsen. Jeden Monat 500 Euro. Dafür, ihr Geld nicht ausgeben zu können. Erst im Sommer 2021 tauschte Hedera die Fenster aus. Als die Arbeiten wieder zum Erliegen kamen, reichte Hohneck Klage ein, zusammen mit elf weiteren Käufern, auf Fertigstellung. 2023 gewannen sie vor dem Landgericht. Hedera ging in Berufung. Das Verfahren läuft vor dem Kammergericht.

    Fünf Jahre lang war das ganze Gebäude eingerüstet, die Fenster in Hohnecks Wohnung mit Folie verklebt. Vor ein paar Wochen dann bauten Arbeiter das Gerüst ab. Weil Rechnungen nicht bezahlt worden seien, erfuhr Hohneck von ihnen. Die Arbeiten am Haus aber sind noch immer nicht abgeschlossen. Keine gläsernen Aufzüge, keine stählernen Balkone. Im betonierten Innenhof, der einmal begrünt werden sollte, stapelt sich der Müll. Bei starkem Regen fließt das Wasser zu langsam ab, im Hof bildet sich dann ein kleiner See.

    Vor ein paar Wochen hat sich Hohneck einen Feuchtigkeitsmesser gekauft. Sie hält das Gerät in ihrem Wohnzimmer an eine Außenwand. Von einer hundertprozentigen Feuchtigkeit würde man bei einem Wert von 140 sprechen. Der Wert auf dem Display landet bei 163. Feuchter als feucht.

    Es raubt ihr jeden Nerv. Nicht zu wissen, wie es mit dem Haus weitergeht, für das sie die größte Investition ihres Lebens getätigt hat. Der Kredit, den sie aufnahm, wird 33 Jahre laufen. Wenn sie ihn abbezahlt hat, steht sie kurz vor der Rente. Wenn sie je dazu kommt, ihn abzurufen. Hohnecks größte Angst: Dass die Schäden irgendwann so groß sein könnten, dass das ganze Haus nicht mehr zu retten ist.

    Wird eine Immobilie gebaut, wird der Kaufpreis aufgeteilt in Raten, je nach Baufortschritt. So steht es im Gesetz. Solange nicht hundert Prozent bezahlt wurden, geht das Eigentum nicht über. Hohneck hat bisher etwa 68.000 Euro gezahlt, 34 Prozent des Kaufpreises. Sie hat weitere Rechnungen erhalten, etwa für die Fertigstellung des Daches und des Estrichs, aber nicht bezahlt. Weil beides nicht fertiggestellt worden sei.


    Das Wohnobjekt in der Havelberger Straße in Moabit ist seit etlichen Jahren eingerüstet, seit zwei Jahren wurde nicht mehr gebaut.Markus Wächter/Berliner Zeitung

    Große Pleitewelle in der Baubranche

    Die Wohnung gehört ihr noch nicht. Den Vertrag rückabzuwickeln wäre juristisch schwer, das Risiko, das gezahlte Geld nicht zurückzubekommen, äußerst hoch. Sie steckt fest, kann weder vor noch zurück. Den jahrelangen Stillstand kann sie sich nicht erklären. Eine Möglichkeit könne sein, dass ihr Bauträger zahlungsunfähig sei. Vielen Projektentwicklern gehe es gerade so.

    Die Baubranche befindet sich in einer schwierigen Phase. Allein im ersten Quartal dieses Jahres ist die Zahl der Insolvenzen laut dem Institut für Wirtschaftsforschung Halle um 44 Prozent im Vergleich zum Vorjahr gestiegen. Grund dafür sind die gestiegenen Bauzinsen und die hohen Preise für Material und Energie. Bauträger gehen bei ihren Projekten in Vorleistung, sie müssen kalkulieren, wie hoch ihre Kosten sein werden. Aber Ereignisse wie Kriege und Pandemien lassen sich nicht vorhersehen. Viele Baufirmen sind inzwischen hoch verschuldet und zahlungsunfähig. Bauvorhaben werden gestoppt.

    Berlin ist von der Pleitewelle besonders betroffen. Bauträgerfirmen betreuen meist mehrere Wohnobjekte. Geht eine dieser Firmen in die Insolvenz, drohen hunderte Wohnungen nicht fertiggestellt zu werden. Ausgerechnet in der Stadt der Wohnungsnot.

    Sind die Hedera Bauwert und die damit verbundenen Unternehmen Teil der Pleitewelle? Bisher wurde keine Insolvenz angemeldet. Und Ioannis Moraitis geht mit Medienanwälten gegen Behauptungen dieser Art vor.

    Ende Januar erhielt Hohneck zudem einen Brief eines Anwalts des Bauträgers. Er sei gebeten worden, eine Regelung zu treffen, bei der Hohneck und die anderen Erwerber künftig selbst „das Heft in die Hand nehmen“ sollten. Es gebe Gründe für die Verzögerung. Die Planungen der Architekten für das Dach seien mangelhaft gewesen, zudem würden sich einige Altmieter im Haus gegen Sanierungsmaßnahmen stellen. Insgesamt beliefen sich die Arbeiten, die noch zu erledigen seien, auf etwa 2,5 Millionen Euro. „Unsere Mandantin bietet an, dass die Erwerber die bisher nicht erbrachten Leistungen gegen entsprechende Kaufpreisreduzierung selbst beauftragen.“

    Hohneck antwortete, sie sei grundsätzlich zu einer Vereinbarung bereit. Der Anwalt meldete sich nicht wieder zurück.


    Marlena Wenisch will sich für Geschädigte von Bauträgern einsetzen und einen Verein gründen. Markus Wächter/Berliner Zeitung

    Etliche Menschen in Berlin und Deutschland mit Moraitis in Konflikt

    Im vergangenen Jahr erfuhr Lisa Hohneck, wieviele Menschen in Berlin mit Moraitis und seinen Unternehmen in Konflikt stehen. Wieviele sich in einer ähnlichen Lage befinden wie sie. Hohneck hörte es ausgerechnet von der Maklerin, die ihr die Wohnung vermittelt hatte.

    Marlena Wenisch arbeitet heute nicht als Immobilienmaklerin. Sie macht eine Weiterbildung zur Immobilienökonomin. Die 35-Jährige ist selbst auf Moraitis reingefallen. Kurz nachdem sie vor sieben Jahren angefangen habe, für Ziegert zu arbeiten, erzählt sie, seien ihr viele seiner Objekte zugeteilt worden. In der Weserstraße verkaufte sie für Ziegert nicht nur an Lisa Hohneck, sondern auch noch drei weitere Wohnungen. Und in der Tellstraße, an der Grenze zwischen Kreuzberg und Neukölln, fand sie im Mai 2019 eine „kleine, süße Ein-Zimmer-Wohnung“ für sich selbst. Von der Hedera Bauwert.

    Bereits zwei Monate nach ihrem Kauf, sagt Wenisch, seien in der Tellstraße die Arbeiten ins Stocken geraten. Zwar seien neue Handwerker gekommen und hätten angefangen zu arbeiten, aber die seien offenbar nicht vollständig bezahlt worden und hörten wieder auf. Bis heute sei in ihrem Haus das Dach nicht fertig und sieben Wohnungen stünden leer, obwohl die meisten verkauft seien. Ein Käufer warte seit fast acht Jahren darauf, in seine Wohnung zu können.

    Durch Zufall kam Wenisch an die Nummer einer Frau, die in einem anderen Haus lebte, das von der Hedera betreut wurde, dort gab es ähnliche Probleme. Die beiden gründeten eine WhatsApp-Gruppe. In ganz Berlin hatten sich zu diesem Zeitpunkt bereits Käufer zu einzelnen Gruppen zusammengetan. Nur wussten sie nichts voneinander. Kurze Zeit später bemerkten Wenisch und ihre Mitstreiterin eine weitere WhatsApp-Gruppe: „Moraitis Albtraum“, gegründet bereits 2018 von einem Dachdeckermeister im Sauerland. In dieser Gruppe hatten sich Baufirmen, Handwerker und Ingenieure zusammengeschlossen, die berichteten, von Moraitis nicht bezahlt worden zu seien. Über diese Gruppe lernte sie Andreas Tesch kennen.

    Ende März sitzt Wenisch zusammen mit Tesch in dessen Wohnung am Tiergarten, nahe den S-Bahngleisen. Alle paar Minuten verdunkelt sich das Wohnzimmer, ein Zug rauscht vorbei. Tesch ist Bauingenieur, auch er hatte Probleme mit Moraitis, musste sein Honorar erst einklagen. Er und Wenisch haben aus der WhatsApp-Gruppe das „Starke Netzwerk 030“ gegründet, in dem etwa 70 Betroffene aus sechs Häusern in Berlin vertreten sind, sich treffen und Wege suchen, gegen Moraitis vorzugehen. Gerade sind sie dabei, einen Verein zu gründen, der sich für Geschädigte von Bauträgern einsetzt: Eigentun Jetzt.


    In
    In der Cranachstraße in Schöneberg sollten die Bauarbeiten im August 2022 beginnen.Markus Wächter/Berliner Zeitung

    Die Spur der unfertigen Häuser zieht sich durch ganz Berlin

    An diesem Nachmittag reden beide schnell und durcheinander, fallen sich ins Wort. Aufregung. Nach Jahren, in denen sie auf der Suche nach Öffentlichkeit kritische Google-Bewertungen über Moraitis schrieben und dafür von Medienanwälten abgemahnt wurden, hört ihnen endlich jemand zu. „Es ist davon auszugehen, dass hunderte Wohnungskäufer allein in Berlin betroffen sind“, sagt Marlena Wenisch. „Erwerber, die wie im Fegefeuer gefangen sind“, sagt Tesch. Anwaltskosten, Bereitstellungszinsen, endlose Stunden vergeudete Lebenszeit. „Nur weil einer sich nicht an die Regeln hält.“

    Tesch und Wenisch laden zu einer Tour durch Berlin ein. Sie wollen zeigen, wie groß das Ausmaß ist.

    In der Cranachstraße in Schöneberg sollten laut einer Vorankündigung im August 2022 die Arbeiten beginnen. An diesem Tag im März, mehr als anderthalb Jahre später, ist nicht mal eine Baugrube ausgehoben, Schrott sammelt sich auf dem Gelände, ein Hydraulikbagger steht herum. Laut der Website des Projekts sind bereits 66 Prozent der Wohnungen verkauft. In der Sickingenstraße in Moabit sind es sogar schon 100 Prozent. Das Haus, das im Juni 2023 fertig sein sollte, steht bis heute leer. So wie das Haus in der Saßnitzer Straße in Schmargendorf, das ebenfalls im vergangenen Jahr fertig sein sollte. 50 Prozent der Wohnungen sind hier bereits verkauft.

    Die Spur der leerstehenden und unfertigen Häuser, die der „verlässliche“ Unternehmer Moraitis hinter sich herzieht, führt durch die ganze Stadt: von Steglitz über Mitte und Neukölln bis nach Lichtenberg. Unvollendete Bauprojekte. Hausleichen, in denen kaum jemand wohnt.

    Warum lässt ein Bauträger reihenweise Wohnprojekte mitten in der Stadt stillstehen? Warum verkauft er Wohnungen, aber räumt den Käufern nicht das Eigentum ein? Ist er der unseriöse Unternehmer, für den ihn so viele halten – oder selbst ein Opfer der Baukrise?

    Die Berliner Zeitung hat Ioannis Moraitis einen Fragenkatalog geschickt und ihm angeboten, in einem persönlichen Gespräch seine Sicht auf die Dinge zu erklären. Auf die Anfrage meldete sich Anfang April eine bekannte Medienrechtskanzlei. Man wolle die Anfrage beantworten, weil „sich schon aus den Fragen herauslesen“ lasse, dass die Recherche „maßgeblich auf falschen Informationen“ beruhe. Eine Antwort auf die Fragen ist bis heute ausgeblieben.


    Artem Rudenko lebt mit seiner Familie als einer der wenigen in dem unfertigen Haus in der Havelberger Straße.Markus Wächter/Berliner Zeitung

    Schimmel, Ratten und seit Jahren keine freie Sicht

    Wie kann man Druck ausüben auf einen solchen Unternehmer? Diese Frage stellt sich Artem Rudenko, ein 36 Jahre alter Arzt, der eigentlich anders heißt. Ende 2020 kauften seine Lebensgefährtin und er eine Wohnung in der Havelberger Straße in Moabit für rund eine halbe Million Euro. Von der Hedera Bauwert. Als Fertigstellungstermin vereinbarten sie in ihrem Kaufvertrag den 31. August 2021. Bis heute ist das Haus komplett eingerüstet, es sieht aus wie eine verwaiste Baustelle.

    In den oberen Geschossen schimmelt es. Dort, wo eigentlich Türen für einen Fahrstuhl sein sollten, klaffen Spalten in der Hauswand, vor denen Plastikfolien flattern. „Im Winter ist das der Horror“, sagt Rudenko. Er macht sich Sorgen um die Sicherheit seiner Tochter. Auf seine E-Mails und Anrufe werde selten reagiert.

    Im vergangenen Sommer habe ein Aushang an der Tür gehangen, die Gasag kündigte an, das Haus nicht mehr mit Gas zu beliefern. Warum, erfuhr Rudenko nicht. Diesmal konnte er jemanden bei Hedera erreichen. Das Haus wird weiterhin beheizt. Kürzlich, so erzählt er, habe ihn seine Frau bei der Arbeit angerufen. Unter der Küchenzeile kratze es, sie hätten Ratten. „Ich will hier raus“, habe sie zu ihm gesagt, „ich kann nicht mehr.“ Aber aus dem Vertrag können sie nicht raus. Sie haben bereits mehrere hunderttausend Euro für die Kaufpreisraten und die eigene Sanierung der Wohnung bezahlt.

    Rudenko und weitere Käufer haben einen Insolvenzantrag gegen Hedera beim Amtsgericht Charlottenburg gestellt. Ihre Hoffnung ist, dass sie im Falle einer Insolvenz das Haus selbst fertigstellen können. Doch bislang hat sich nichts getan.

    Wie Lisa Hohneck haben auch Rudenko und Marlena Wenisch Briefe des Anwalts bekommen, der ihnen anbot, selbst „das Heft in die Hand“ zu nehmen. Der Wortlaut der Briefe unterscheidet sich nur in der Aufzählung der Gründe für die Bauverzögerungen. Ob der Bauträger versucht, die Objekte loszuwerden, oder nur Zeit gewinnen möchte, ist eine weitere Frage, die bisher unbeantwortet bleibt.

    Unter den Betroffenen kursieren derweil Medienberichte aus anderen Teilen Deutschlands. In der Goslarschen Zeitung wird über zwei Hotels geschrieben. Die denkmalgeschützten Häuser„Kaiserworth“ und „Brusttuch“ in der Altstadt stünden seit mehr als einem Jahr leer, Tagungen könnten nicht stattfinden, die Stadtgesellschaft sei besorgt. In Rostock, so schreibt die Ostseezeitung, würden zwei Einkaufszentren demnächst keine Fernwärme mehr geliefert bekommen, weil erneut Rechnungen nicht bezahlt worden seien. Eigentümer dieser Immobilien, so schreiben die Zeitungen: Ioannis Moraitis.

    #Berlin #Neukölln #Weserstraße #Moabit #Havelberger_Straße #Sickingenstraße #Schöneberg #Cranachstraße #Immobilien #Wohnen #Eigentumswohnung #Betrug #Insolvenz #Gentrifizierung

  • Karneval der Kulturen: Diese Straßen in Kreuzberg sind ab morgen gesperrt
    https://www.berliner-zeitung.de/news/karneval-der-kulturen-diese-strassen-in-kreuzberg-sind-ab-morgen-ge

    15.5.2024 von Charlotte Pfeifer - Wegen des #Karneval_der_Kulturen am Pfingstwochenende werden in #Berlin bereits ab Donnerstag erste Sperrungen eingerichtet. Autofahrer und andere Verkehrsteilnehmer müssen sich rund um den #Blücherplatz in #Kreuzberg auf Einschränkungen einstellen, wie die Verkehrsinformationszentrale (VIZ) mitteilte. Diese Straßen sind betroffen.

    Am Donnerstag, ab 10 Uhr, ist der Blücherplatz nicht mehr befahrbar. Ebenfalls für den Autoverkehr gesperrt werden die #Blücherstraße zwischen #Mehringdamm und #Mittenwalder_Straße, die #Zossener_Straße zwischen #Gitschiner_Straße und #Baruther_Straße sowie die #Johanniterstraße zwischen Zossener Straße und #Brachvogelstraße.
    Sperrungen in Kreuzberg: Diese Straßen sind ab Donnerstagabend dicht

    Am Donnerstagabend werden die #Zossener_Brücke, die #Hallesche-Tor-Brücke sowie das Tempelhofer Ufer, das #Waterloo-Ufer und die #Gitschiner_Straße gesperrt. Ab Samstag kann zudem die südliche Fahrbahn des #Südstern s zwischen #Bergmannstraße und #Lilienthalstraße nicht mehr befahren werden.

    Vom #Mariannenplatz zum #Görlitzer Park_findet am Samstag findet der Umzug des Kinderkarnevals statt. Die Strecke wird zwischen 12.30 Uhr und 14 Uhr gesperrt. Betroffen sind #Mariannenstraße, #Rio-Reiser-Platz, #Oranienstraße und Görlitzer Park.
    Großer Karnevalsumzug am Pfingstsonntag: Anreise mit dem ÖPNV

    Am Pfingstsonntag folgt der große Karnevalsumzug, bei dem Hunderttausende Besucher erwartet werden. Hierfür werden ab 7 Uhr die #Yorckstraße, #Hasenheide, #Karl-Marx-Straße zwischen #Hermannstraße und #Reuterstraße sowie der #Hermannplatz gesperrt.

    Durch die umfangreichen Sperrungen werden auch mehrere Buslinien umgeleitet. Betroffen sind die Linien M41, 248, N1 und N42. Am frühen Montagmorgen sollen die Streckensperrungen wieder aufgehoben werden.
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    Besucher werden gebeten, ihr Auto an den Tagen stehenzulassen und stattdessen mit dem Fahrrad oder den öffentlichen Verkehrsmitteln anzureisen. In und um den abgesperrten Bereich werden kaum Parkmöglichkeiten vorhanden sein.

    #Berlin #Verkehr

  • Exklusiv: Straftäter kommen frei, Polizei Berlin fährt nur noch zu dringendsten Einsätzen
    https://www.berliner-zeitung.de/mensch-metropole/exklusiv-straftaeter-kommen-frei-polizei-berlin-faehrt-nur-noch-zu-

    Kommt die Polizei in Zukuft noch rechtzeitig, um mir gegen renitente Fahrgäste zu helfen, oder muss ich zur Waffe greifen? Vielleicht wird auch wieder mal alles nicht so heiß gegessen wie gekocht. Aber klar, so ein Krieg und die Aufrüstung gehen vor. Wozu noch innere Sicherheit, wenn Deutschland mit dem Säbel rasselt. Es landen sowieso alle Verbrecher an der Front, oder?

    15.5.2024 von Andreas Kopietz - Die Berliner Zeitung erhielt exklusiven Einblick in die „Sparliste des Grauens“. Terroristen, Kriminelle und Verkehrssünder können sich freuen.

    Funkwagen können nur noch zu den wichtigsten Einsätzen fahren. Schwerstkriminelle aus der Organisierten Kriminalität werden vor Gericht aus Mangel an Beweisen freigesprochen, weil das Landeskriminalamt nicht mehr arbeitsfähig ist.

    Veranstaltungen und Demos werden verboten, weil die Sicherheit nicht mehr gewährleistet werden kann. Solche Szenarien befürchtet zumindest die Gewerkschaft der Polizei angesichts der vom Berliner Senat geplanten Einsparungen bei der Inneren Sicherheit.

    Die Haushälter der Berliner Innenverwaltung von Iris Spranger (SPD) haben in diesen Tagen Posten für Posten durchgerechnet, was die Sparvorgaben konkret bedeuten würden und ihre Anmerkungen dazu gemacht. Die Berliner Zeitung konnte in die „Sparliste des Grauens“ Einblick nehmen.

    Der Kauf neuer Fahrzeuge wird verschoben: Der Investitionsstau von 50 Millionen Euro für den Fuhrpark erhöht sich. Das Ausfallrisiko für den Einsatzdienst ist aus Sicht der Verwaltung nicht mehr tragbar. Eigentlich müssten für vier Millionen Euro unbedingt 45 Einsatzwagen neu beschafft werden. Doch dieses Geld wird eingespart.

    Videoüberwachung: Die geplante Videoüberwachung an kriminalitätsbelasteten Orten muss verschoben werden. Hierfür waren 1,5 Millionen Euro eingeplant. Die Videoüberwachung ist eigentlich ein Prestigeprojekt der CDU, das nach einer Änderung des Allgemeinen Sicherheits- und Ordnungsgesetzes umgesetzt werden soll.
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    Bodycams: Die Beschaffung von Körperkameras (Bodycams) und Dashcams für Polizeiautos wird verschoben, denn 2,1 Millionen Euro fallen weg. Das verursacht eine deutliche Verzögerung bei der Umsetzung eines bedeutsamen politischen Vorhabens von CDU und SPD.

    Falschparker wird’s freuen: Widerrechtlich abgestellte Autos auf Radwegen und Feuerwehrzufahrten können nur noch eingeschränkt umgesetzt werden. Denn mit den externen Abschleppunternehmen müssen neue Verträge geschlossen werden, um 200.000 Euro weniger auszugeben. Umsetzungen seien unumgänglich, heißt es aus der Innenverwaltung, insbesondere vor dem Hintergrund der bevorstehenden Fußball-EM.

    Tempo- oder Rotlichtsünder: Sie werden ebenfalls leichteres Spiel haben. Denn der Kauf und die Ersatzbeschaffung von Verkehrsüberwachungsanlagen für 1,34 Millionen Euro wird verschoben.

    Computer und Netzausbau: Gerade in Zeiten zunehmender Terrorgefahr können die Rechenzentren der Polizei Berlin nicht modernisiert werden. Bisher vorhandenes Geld ist für Verpflichtungen aus den Vorjahren gebunden. Das Netz zur Abwehr von Terror und Cybercrime kann nicht ausgebaut werden, obwohl es höchste Priorität hat.

    Kommunikationstechnik: Informations- und Kommunikationstechnik für das LKA wird aus Sicht der Innenverwaltung nur noch eingeschränkt funktionieren. Dringend erforderliche Ersatzbeschaffungen seien nicht mehr möglich und das LKA somit nicht mehr voll arbeitsfähig. Straftaten könnten nicht mehr aufgeklärt werden. 300.000 Euro fallen hierfür weg.

    Cybercrime und Organisierte Kriminalität: Massendatenauswertung, zum Beispiel aus Kommunikation organisierter Schwerkrimineller über den von der Polizei geknackten Kryptodienst Encrochat ist nur noch eingeschränkt möglich. Unter anderem wird die Beschaffung von Hardware und Spezialanwendungen zur Bekämpfung von Cybercrime verschoben, denn 842.000 Euro fallen weg. Und weil weitere 1,15 Millionen Euro gestrichen werden, kann auch keine Hard- und Software für Back-up-Speicher beschafft werden.

    Verdeckte Überwachung: Beschaffungen von verdeckter Überwachungstechnik der Spezialeinheiten müssen verschoben werden. Geplant waren 90.000 Euro.

    Islamistischer Terrorismus und Staatsschutzdelikte: Konspirative Wohnungen, etwa zur Überwachung islamistischer Gefährder, können nur noch eingeschränkt angemietet und Örtlichkeiten nur noch eingeschränkt technisch überwacht werden, weil 200.000 Euro fehlen. Auch diese Ausgaben sind nicht beeinflussbar, weil sie von den jeweiligen Ermittlungen abhängen.

    Digitalfunk: Noch immer gibt es beim digitalen Behördenfunk Funklöcher, etwa in Betongebäuden oder Tunneln. Doch die Ausstattung öffentlicher Gebäude mit Objektfunkanlagen muss wegen des Wegfalls von 1,5 Millionen Euro verschoben werden. So kann es passieren, dass bei Schadenslagen Einsatzkräfte nicht kommunizieren können.

    Kriminaltechnisches Institut: Dem Kriminaltechnischen Institut im Landeskriminalamt werden 500.000 Euro fehlen für die Beschaffung von Laborbedarf und kriminaltechnischem Verbrauchsmaterial. Auswertung und Beweissicherung werden damit eingeschränkt. Die Ausgaben sind abhängig von den Ermittlungsvorgängen in den Dienststellen der Berliner Polizei und sind nicht beeinflussbar, weil sie von den Ermittlungen abhängen.

    DNA-Untersuchungen: Forensische Dienstleistungen müssen verschoben werden, zum Beispiel DNA-Untersuchungen durch externe Labore, weil 300.000 Euro gestrichen werden. Auch diese Ausgaben können nicht beeinflusst werden, weil sie abhängig sind von den Ermittlungsvorgängen.

    Strafprozesse können platzen: Dem Kriminaltechnischen Institut werden weitere 150.000 Euro gestrichen für den Ersatz dringend erforderlicher Geräte. Straftaten können dadurch nicht aufgeklärt werden. Nach Ansicht von Experten könnten ganze Strafprozesse platzen, weil Analysegeräte nicht auf dem neuesten Stand sind, deshalb ihre Akkreditierung verlieren und Berlin dadurch nicht in der Lage ist, Beweismittel richtig auszuwerten.

    Arbeitsbedingungen: Eine Million Euro werden eingespart für die Beschaffung bei Büroausstattung und Mobiliar. Das bedeutet eine Verschlechterung der Arbeitsbedingungen und der Erfüllung von Arbeitsschutzvorschriften, worüber sich bereits der Personalrat beschwert hat.

    Auch die Berliner Feuerwehr muss sparen

    Auch bei der Feuerwehr muss erheblich gespart werden. Hier eine Auswahl einiger Sparpositionen:

    Löschfahrzeuge: Der Kauf von drei Löschhilfsfahrzeugen wird gestrichen, weil 2,09 Millionen Euro wegfallen. Somit erhöht sich der Investionsstau auf derzeit 140 Millionen. Die geplanten Aufbauten für die Fahrzeuge im nächsten Jahr mit einem Preis von insgesamt 2,79 Millionen Euro entfallen somit auch.

    Tanklöschfahrzeuge: Zwei Fahrgestelle für Tanklöschfahrzeuge werden gestrichen, weil 339.000 Euro wegfallen. Somit erhöht sich der Investitionsstau auf 140 Millionen Euro. Geplante Aufbauten für die Fahrzeuge im nächsten Jahr in Höhe von 372.000 Euro fallen ebenfalls weg.

    Drehleitern: Drei Fahrgestelle für Drehleitern werden gestrichen, weil 424.000 Euro wegfallen. Die für das kommende Jahr vorgesehenen Aufbauten (insgesamt 2,5 Millionen Euro) entfallen.

    Höhenrettung: Ein geplanter Gerätewagen für die Höhenrettung und ein Wechsellader werden ebenfalls nicht kommen, weil 752.000 Euro wegfallen.

    Katastrophenschutz: Fahrzeuge für den Katastrophenschutz können nicht angeschafft werden, denn 2,7 Millionen Euro werden gestrichen. Es besteht das Risiko, dass Fahrzeuge außer Dienst genommen werden müssen.

    Blackout: Bei Stromausfall wird es mit der Überwachung der Notstromversorgung in den Feuerwachen schwierig, weil 100.000 Euro fehlen. Das Tanknotstromsystem überwacht die Tankfüllstände der Aggregate und den Zustand der Starter-Batterien dafür.

    Funk: Auch Digitalfunkgeräte für die Fahrzeuge können nicht erneuert werden, weil 100.000 Euro gestrichen werden. Die Fahrzeuge können zudem nicht mit Navigations- und Datendisplays ausgestattet werden.

    Risiko für Einsatzkräfte:
    Ersatzbeschaffungen für Drohnen werden reduziert, weil 480.000 Euro wegfallen, die Beschaffung eines Roboters zur Fernerkundung und Gefahrgutanalyse entfällt. All dies würde das Risiko für die Einsatzkräfte erhöhen.

    Ausbildung: Für Aus- und Fortbildung werden bei der Feuerwehr insgesamt 450.000 Euro eingespart. Das betrifft unter anderem Seminare oder auch die Anschaffung von Übungsmaterialien, was zu Qualitätsverlusten im Unterricht führen wird.

    „Diese Auflistung zeigt jedem deutlich, dass das 29-Euro-Ticket zulasten der Inneren Sicherheit finanziert wird“, sagt der Landeschef der Gewerkschaft der Polizei, Stephan Weh. „Die Menschen in dieser Stadt werden diese wahnsinnigen Einsparforderungen spüren.“ Der Senat müsse gemäß seiner Verantwortung für die Bevölkerung Polizei und Feuerwehr priorisieren, verlangt Weh. „Sollte das nicht passieren, kann nur ein Sondervermögen Innere Sicherheit, Justiz und Bevölkerungsschutz den Kollaps verhindern.“

    #Berlin #Polizei #Feuerwehr #Sicherhei #Austerität.

  • Denkzeichen zur Erinnerung an die Ermordeten der NS-Militärjustiz am Murellenberg, Berlin-Charlottenburg

    Ein Denkmal für Deseteure und Befehlsverweigerer, das man nicht sieht. Wie praktisch, könnte von Kriegsminister Pistorius stammen !

    http://www.denkzeichen-am-murellenberg.de

    Auf dem Gelände der ehemaligen Wehrmachtserschießungsstätte Ruhleben am Murellenberg, Berlin-Charlottenburg, wurden nach den bisherigen Ermittlungen zwischen dem 12.August 1944 und dem 14.April 1945 über 230 Personen, überwiegend Wehrmachtangehörige, wegen Fahnenflucht oder Kriegsdienstsverweigerung erschossen. Der authentische Ort der Erschießungen befindet sich heute auf einem für das Publikum unzugänglichen Polizeigelände. Seit Mai 2002 steht das Denkzeichen zur Erinnerung an die Ermordeten der NS-Militärjustiz am Murellenberg entlang des Waldweges bis zum Ort der Erschießungen.

    http://www.denkzeichen-am-murellenberg.de/deserteure_denkzeichen.html

    Entlang des ca. 700 m langen Waldweges zum authentischen Erschießungsort, der links der Waldbühne verläuft, wurden 104 Verkehrsspiegel installiert. Die Menge der Spiegel verdichtet sich von der Glockenturmstrasse aus in Richtung des Erschießungsplatzes. Die Verkehrsspiegel markieren den Weg. Einige Spiegel sind auf dem zur Zeit eingezäunten Polizeigelände aufgestellt. Durch sie wird der authentische Erschießungsplatz von dieser Stelle aus einsehbar bzw. virtuell zugänglich.

    #Murellenberg #Murellenschlucht

    Murellenschlucht und Mahnmal Wehrmachterschießungsstätte Ruhleben Murellenberg
    https://www.andondo.com/2021/04/03/murellenschlucht-und-mahnmal-wehrmachterschiessungsstaette-ruhleben-murelle

    3.4.2021 · Aktualisiert 6.11.2022 von hundertzwanziger - Hinter der Berliner Waldbühne zwischen der S-Bahn und der Glockenturmstrasse liegt die Murellenschlucht und der Schanzenwald. Der Schanzenwald diente bereits ab 1840 militärischen Zwecken und als Schiessstand, dessen Nutzung mit dem Abzug der Alliierten 1994 endete. Danach wurde das Gebiet in den Folgejahren renaturiert und auch der Öffentlichkeit wieder zuganglich gemacht. Während des Nationalsozialismus befand sich auf dem Gelände des Schanzenwaldes auch eine Erschiessungsstätte der Wehrmacht. An die Ermordeten der NS-Militärjustiz erinnert seit dem Jahre 2002 ein aus 104 Verkehrsspiegeln bestehendes Kunstwerk der argentinischen Künstlerin Patricia Pisani. Einige Spiegel tragen dabei Zitate aus den Urteilen der Militärgerichte sowie zum Umgang mit Deserteuren im Nachkriegsdeutschland.

    Berlin: Mahnmal für ermordete Deserteure: Zutritt zur Gedenkstätte verboten
    https://www.tagesspiegel.de/berlin/mahnmal-fur-ermordete-deserteure-zutritt-zur-gedenkstatte-verboten-7671

    28.2.2001 von Ingo Bach - In den letzten Wochen des Zweiten Weltkrieges starben in der Murellenschlucht in der Nähe der Waldbühne insgesamt 223 deutsche Soldaten durch die Kugeln ihrer eigenen Kameraden. Standgerichtlich verurteilt, weil sie desertiert waren oder Zweifel am Endsieg ausgesprochen hatten - „Wehrkraftzersetzung“ nannte das die NS-Militärjustiz und ahndete es mit dem Tod.

    In den letzten Wochen des Zweiten Weltkrieges starben in der Murellenschlucht in der Nähe der Waldbühne insgesamt 223 deutsche Soldaten durch die Kugeln ihrer eigenen Kameraden. Standgerichtlich verurteilt, weil sie desertiert waren oder Zweifel am Endsieg ausgesprochen hatten - „Wehrkraftzersetzung“ nannte das die NS-Militärjustiz und ahndete es mit dem Tod. Nach einer über fünfjährigen Diskussion soll nun endlich am Ort der Hinrichtungen ein Mahnmal für die Ermordeten entstehen. Der Wettbewerb, den der Senator für Stadtentwicklung im Herbst letzten Jahres ausschrieb, steht kurz vor dem Abschluss. Der Siegerentwurf soll Ende dieser Woche feststehen.

    Die Ausschreibung erfolgte im Herbst 2000 - im diskreten Rahmen, denn die Initiatoren hatten sich für einen „engeren Wettbewerb“ entschieden, in dem neun ausgewählte Künstler direkt angesprochen und gebeten wurden, Vorschläge für ein Mahnmal einzureichen. Einen offenen Wettbewerb, wie zum Beispiel beim Mahnmal für die ermordeten Juden Europas, wo hunderte Vorschläge eingingen, sei nicht finanzierbar gewesen, begründet eine Sprecherin der Senatsverwaltung das Verfahren.

    Eigentlich hatten sich schon 1997 das Bezirksparlament von Charlottenburg und die Initiatoren des Mahnmals, die Kreissynode der evangelischen Kirche Charlottenburg, auf einen Entwurf geeinigt: symbolische Nachbildungen der Erschießungspfähle mit den Porträts und Biographien einiger der ermordeten Männer. Aber es fehlte das Geld, um das 400 000 Mark teure Projekt zu finanzieren. Eine Spendenaktion brachte ganze 600 Mark ein.

    Im Herbst 2000 zog dann Stadtentwicklungssenator Peter Strieder das Projekt an sich. Gleich in der ersten Runde des neuen Auswahlverfahrens flog der 1997er Vorschlag aus dem Rennen. Jetzt ist auch das nötige Geld da. Im Haushalt für 2001 und 2002 sind die Mittel für die Realisierung des neuen Siegerentwurfs schon reserviert.

    Boulevard Berlin: Was die Stadt bewegt...

    Doch die Finanzierung war nicht das einzige Problem für ein Mahnmal in der Murellenschlucht. Die Berliner Polizei nutzt das etwa 130 Hektar große Gelände als Übungsgelände und Lagerfläche - und der Ort der Erschießungen befindet sich mitten im sensibelsten Bereich in der Nähe eines Munitionslagers. Deshalb wird das Mahnmal nicht öffentlich zugänglich sein - nicht gerade ideal für eine Installation, die der Erinnerung und des Nachdenkens dienen soll. Als Gründe nennt die Polizei „Sicherheitsaspekte“. Aber der Ort werde vom Begrenzungszaun 30 Meter entfernt und damit sichtbar sein, sagt ein Polizeisprecher. Man könne am Zaun auch eine Hinweistafel anbringen, die Spaziergänger auf das Mahnmal aufmerksam machen soll.

    #Berlin #Ruhleben #Murellenschlucht #Geschichte

  • 60. Geburtstag DT 64: Power von der Eastside
    https://www.jungewelt.de/artikel/475354.60-geburtstag-dt-64-power-von-der-eastside.html

    Die Protestakion fürs Taxi ...

    15.5.2024 von André Scheer -Tanzen bis zum Hungerstreik: Vor 60 Jahren nahm das Jugendradio DT 64 den Sendebetrieb auf

    Pfingsten 1964: Hunderttausende Jugendliche aus allen Teilen der DDR und einige zehntausend aus Westdeutschland kamen in Berlin zusammen und feierten das dritte – und letzte – Deutschlandtreffen der Jugend. Auf der Karl-Marx-Allee wurde getanzt, Bands spielten, Schriftsteller lasen –, und auf dem Alexanderplatz stand ein gläserner Pavillon. Das war das Jugendstudio Deutschlandtreffen, kurz DT 64. Gerhart Eisler, der Chef des staatlichen Rundfunkkomitees, gab am 15. Mai 1964, dem Vorabend des Treffens, den Startschuss und wünschte im Namen aller Mitarbeiter des Rundfunks und Fernsehens der DDR einen »herzlichen Empfang über die Ätherwellen eures Senders – DT 64!« Die Redakteure und Reporter lieferten den Soundtrack zum Festival, berichteten von den Kundgebungen und Demonstrationen, vermittelten Übernachtungsgelegenheiten.

    Ursprünglich sollte das Festivalprogramm nach 99 Stunden Geschichte sein, doch der Erfolg war so groß, dass der Ruf nach einer Fortsetzung laut wurde. Der Berliner Rundfunk machte Platz in seinem Programm, so dass das Jugendstudio DT 64 ab dem 29. Juni 1964 täglich mehrere Stunden lang auf Mittelwelle und UKW zu hören war. Am 7. März 1986 folgte dann der nächste Schritt – aus dem Jugendstudio wurde das Jugendradio mit eigener Senderkette und einem Programm von vier bis 24 Uhr. Während in den westdeutschen öffentlich-rechtlichen Anstalten peinlich genau darauf geachtet wurde, dass die Moderatoren regelmäßig in die Lieder reinquatschten, um im Interesse der Schallplattenkonzerne Mitschnitte zu ruinieren, sendete DT 64 »Musik für den Rekorder« – komplette Alben, gerne von westlichen Bands, ohne Gerede dazwischen.

    Nicht jedem in den Machtzentralen der DDR gefiel, was da an Musik und Sprüchen über den Sender ging. Auf die Aneinanderreihung von Titeln wichtiger Persönlichkeiten und protokollarische Hofberichterstattung, wie sie bei Radio DDR Standard war, wurde auf DT 64 weitgehend verzichtet. Man stand treu zur Republik und zur Partei, aber formulierte das anders – lockerer, prägnanter, frecher. Und man spielte Punk und Rock, gerne laut und schräg, antifaschistisch und rebellisch. In den Protokollen diverser Gremien finden sich zwar immer wieder Beschwerden von Erich Honecker, aus dem Zentralrat der FDJ oder von anderen. An eine Abschaltung jedoch dachte niemand.

    Die kam erst, als sich der goldene Westen der Brüder und Schwestern annahm. Am 7. September 1990, wenige Wochen vor der »Wiedervereinigung«, war auf den Frequenzen des Jugendradios plötzlich der RIAS aus Westberlin zu hören. Der geschäftsführende Generalintendant des DDR-Rundfunks, Christoph Singelnstein, stotterte eine Erklärung in die Mikrofone, nach der die Journalisten des RIAS ihren Kollegen in der DDR die Hand reichten, »um beim Aufbau eines demokratischen und pluralistischen Rundfunks zu helfen«. Am besten durch Abschalten: »RIAS, dessen Programm ab sofort auf einigen Frequenzen von Jugendradio ausgestrahlt wird, baut mit Journalisten und Redakteuren von Radio DDR Arbeitsgruppen auf, die insbesondere die spezifischen Probleme der Bevölkerung auf dem Gebiet der DDR aufarbeiten.« Wäre es nach Singelnstein gegangen, wäre DT 64 nur noch ein Berliner Lokalsender mit unsicherer Zukunftsperspektive gewesen.

    jW-Shop: Marx seiner Nützlichkeit wegen

    Die Junge Welt (damals noch mit großem J) meldete den Piratenakt mit der Schlagzeile »Skandal: DT 64 von RIAS gekillt!« Eine Redakteurin des Senders wurde zitiert: »Für mich ist das Verrat an unseren Hörern.« Viele von denen sahen das auch so. Spontan demonstrierten Tausende vor allem junge Menschen für ihren Sender. In Dresden blockierten 2.000 Jugendliche die Ernst-Thälmann-Straße nahe dem Kulturpalast. Hörer versammelten sich mit Kerzen vor Sendetürmen, am Sitz von DDR-Ministerpräsident Lothar de Maizière versammelten sich einige zu einem Hungerstreik, Hunderte belagerten die Studios in der Nalepastraße. Sie hatten Erfolg. 24 Stunden nach der Abschaltung, am 8. September 1990 um Punkt 20 Uhr war auf den vorübergehend vom RIAS gekaperten Wellen wieder der markante Jingle »Power von der Eastside« zu hören. Reporter Lutz Deckwerth meldete sich aus Dresden: »Das kann man nicht beschreiben, hier knallen die Sektkorken, und die Leute freuen sich, die Leute freuen sich einfach. Es wird angestoßen auf die Wiedergeburt von Jugendradio!« Aus dem spontanen Protest entstanden festere Strukturen, es bildeten sich Freundeskreise des Jugendradios, die sich für ihr Programm engagierten. Und das blieb nötig, denn im Einigungsvertrag zwischen BRD und DDR war festgelegt worden, dass die Programme des DDR-Rundfunks spätestens zum 31. Dezember 1991 abgeschaltet werden müssten, um Platz für neue öffentlich-rechtliche Anstalten und Kommerzkanäle zu machen. Für ein überregionales Jugendradio fehlte den Regierenden der größer gewordenen Bundesrepublik die Phantasie.

    DT 64 probte den Ernstfall. Am 13. September 1991 wurde den verdutzten Hörern mitgeteilt, dass »Teile der Belegschaft« der Abschaltung zum Jahreswechsel getrotzt hätten und nun auf der Flucht vor den Peilwagen der Post seien. Man sendete angeblich wechselnd aus Schwerin, Dresden, Berlin und Leipzig – das »vielleicht längste Hörspiel der Rundfunkgeschichte«, wie es Chefredakteur Michael Schiwack nannte. Gegen 18 Uhr endete das »illegale« Treiben abrupt. Zu hören war nur noch ein schriller Testton, dann eine amtlich klingende Stimme: »1. Januar 1992. Dieser Sender ist abgeschaltet.«

    Der anhaltende Protest sorgte für eine Gnadenfrist. Der Mitteldeutsche Rundfunk (MDR) erklärte sich bereit, DT 64 zunächst für ein halbes Jahr in Sachsen, Sachsen-Anhalt und Thüringen weiterfunken zu lassen. In Berlin und Brandenburg musste sich DT 64 die Frequenzen mit dem neu gegründeten – und letztlich nur kurzlebigen – Rockradio B teilen. In Mecklenburg-Vorpommern wurde dem Jugendradio der Saft komplett abgedreht, als sich der NDR am 1. Januar 1992 das nördliche Bundesland als Sendegebiet einverleibte. Doch es kam noch schlimmer. Im Juni 1992 entschied der MDR, DT 64 auf die Mittelwelle zu verbannen, um die UKW-Frequenzen kommerziellen Privatsendern zur Verfügung zu stellen. Vier Tage später nahm DT 64 die Umstellung vorweg und strahlte zwölf Stunden lang eine Parodie unter dem Namen Superradio 2000 O aus: Dudelfunk, hektische Talks, kurze Nachrichtenblöcke, gesponserte Zeitansagen (»Meine Prolex-Uhr zeigt jetzt …«) und Werbespots: »Probieren Sie Aknesil Ultra Pickelcreme, mit 32 noch Akne wie mit 14!«

    Ab Juli 1992 war DT 64 noch ein Jahr lang über die Mittelwelle zu hören, später dann nur noch über Satellit – unter dem neuen Namen MDR Sputnik. Diesen Sender gibt es bis heute, zu hören inzwischen auch im Kabel, Internet, via App usw. Doch der rebellische Geist, die Power von der Eastside ist auf der Strecke geblieben. Was bleibt, ist die Erinnerung an einen Sender, der dazwischenfunkte. Herzlichen Glückwunsch zum 60. Geburtstag, DT 64!

    André Scheer ist Autor des Buchs »Klassenkampf im Äther – 100 Jahre Radio in Deutschland«, erschienen im September 2023 im Verlag 8. Mai, 216 Seiten, 19,90 Euro

    #Radio #Geschichte #DDR #Protest

  • Ausbildung: Wie der Einsatz von KI den Fachkräftemangel verschärfen kann
    https://www.telepolis.de/features/Ausbildung-Wie-der-Einsatz-von-KI-den-Fachkraeftemangel-verschaerfen-kann-

    Vom Schaden, den KI anrictet können Taxibetriebe ein Lied singen. Seit der Abschaffung der Ortskundeprüfung durch den legendären Uber-Libbyisten auf dem Stuhl des Bundesverkehrsministers verbringt kein neuer Fahrer mehr seune Wartezeit am Halteplatz mit dem Büffeln der Umgebung.

    Die Navi-KI wirds schon richten. Das Qualifikationsniveau sinkt auf Uber-Niveau und droht den Untergang des Qualitätstaxis zu bewirken.

    19.5.2024 von Bernd Müller - KI steigert die Produktivität von Experten, hemmt aber die Kompetenzentwicklung bei Berufsanfängern. Wird die Weitergabe von Wissen gefährdet?

    KI steigert die Produktivität von Experten, hemmt aber die Kompetenzentwicklung bei Berufsanfängern. Wird die Weitergabe von Wissen gefährdet?

    Künstliche Intelligenz (KI) hat das Potenzial, viele Arbeitsabläufe und Prozesse besonders effizient zu gestalten. Aber: Wo Licht ist, ist auch Schatten. Der Einsatz von KI in der Arbeitswelt kann auch die Weitergabe von Wissen und Fähigkeiten an nachfolgende Generationen gefährden.

    Davor warnt Matt Beane, Forscher an der University of California Santa Barbara. In seinen Studien konnte er zeigen, dass die Produktivität von Experten durch Künstliche Intelligenz steigt, Berufsanfänger aber deutlich weniger einbezogen werden. Das blockiere die Entwicklung von Kompetenzen bei Nachwuchskräften, so Bean.
    Die Auswirkungen von KI auf die Ausbildung von Berufsanfängern

    Seit mehr als einem Jahrzehnt beobachtet Beane die Interaktion zwischen Mitarbeitern und intelligenten Maschinen wie Robotern und KI. In der Ausbildung von Chirurgen zum Beispiel hat er deutliche Veränderungen festgestellt.

    Früher assistierten die Auszubildenden dem leitenden Chirurgen während der gesamten Operation. Mit der Einführung von Robotern im Operationssaal ist der Auszubildende jedoch oft nur noch optional beteiligt und beobachtet den Eingriff auf einem Monitor.

    Schattenlernen: Ein neuer Weg zur Kompetenzentwicklung

    Trotz dieser Hindernisse konnte Beane eine kleine Gruppe identifizieren, die ihre Fähigkeiten verbesserte. Diesen Prozess nennt der Forscher „Schattenlernen“. Dabei suchen die Auszubildenden intensiv nach neuen Wegen, sich Kompetenzen anzueignen, und umgehen dabei manchmal die traditionellen Ausbildungsmethoden.

    In diesem Fall nutzten die Auszubildenden intensiv neue Medien. Sie verbrachten etwa Hunderte Stunden damit, sich Videos von Operationen auf YouTube anzusehen. So konnten sie ihre Fähigkeiten in der Roboterchirurgie verbessern.

    Skepsis gegenüber neuen Lernmethoden

    Ihre Mentoren standen dieser Lernmethode jedoch skeptisch gegenüber und hielten sie für ineffizient und unangemessen. Beanes Datenanalyse zeigte jedoch das Gegenteil: Bestimmte Videoüberprüfungspraktiken verbesserten das Lernen dramatisch und waren für den Kompetenzfortschritt der Auszubildenden notwendig.

    In seinem neuen Buch „The Skill Code: How to Save Human Ability in an Age of Intelligent Machines“ empfiehlt Beane, Nachwuchskräfte nicht nur beobachten zu lassen, sondern sie aktiv in die Arbeit einzubeziehen. Er betont, dass nicht die Technologie das Problem ist, sondern der Umgang mit ihr.

    Um die Weitergabe von Wissen und Fähigkeiten an die nächste Generation sicherzustellen, müsse das Drehbuch umgeschrieben und die Technologie als Teil der Lösung und des neuen Systems für den Aufbau von Fähigkeiten genutzt werden.

    #Taxi #kuenstliche_Intelligenz

  • Das neue Berlin - Golda-Meir-Steig
    https://europacity-berlin.de/en/official-opening-of-the-golda-meir-steg


    #Bezirk: #Berlin-Mitte
    Ortsteil: #Mitte, Moabit
    Verlauf: #Kieler_Straße an der #Promenade_am_Berlin-Spandauer_Schifffahrtskanal bis #Otto-Weidt-Platz über den #Berlin-Spandauer_Schifffahrtskanal

    8.12.2024 - Today, Europacity’s new pedestrian and cycle bridge, the Golda-Meir-Steg, was opened to the public.

    However, its debut in Berlin was months earlier when the city’s latest landmark was hoisted into position over the Berlin-Spandau shipping canal in a spectacular heavy lifting operation in October 2020. Together with the new public square Otto-Weidt-Platz, the bridge forms an important link connecting the once divided districts of Moabit and Mitte. Now, the square, as well as the promenade along the banks of the canal, are even easier to access as tranquil places to sit back, relax, and enjoy the view.

    Guests at the event were served with hot mulled wine to celebrate the occasion, which was hosted by the Senate Department for the Environment, Transport and Climate Protection. Berlin’s Senator for Transport Regine Günther performed the ribbon-cutting ceremony, and then the gathering was invited to walk across the bridge to visit Otto-Weidt-Platz.

    https://de.m.wikipedia.org/wiki/Berlin-Spandauer_Schifffahrtskanal

    Berlin-Spandauer Schifffahrtskanal (BSK; ehemals #Hohenzollernkanal; #Spandauer_Canal; #Spandauer_Schiffahrtskanal)

    Viele Berliner und Touristen kennen den Berlin-Spandauer Schifffahrtskanal unter dem Namen #Hohenzollernkanal. So steht er auch in topografischen Karten, bis kurz vor dem Jahr 2000 auch in mehreren Stadtplänen, darunter auch der Online-Plan von www.berlin.de. Im Portal von Geoinformation Berlin ist der ältere Name in Klammern hinter den amtlichen gesetzt: „Berlin-Spandauer Schifffahrtskanal (Hohenzollernkanal)“.

    Otto-Weidt-Platz
    https://berlin.kauperts.de/Strassen/Otto-Weidt-Platz-10557-Berlin

    Otto-Weidt-Platz hat die Hausnummern 1-16, gehört zum Ortsteil Moabit und hat die Postleitzahl 10557
    Allgemeines zu Otto-Weidt-Platz
    Postleitzahl 10557
    Ortsteil Moabit
    ÖPNV Zone A Tram M5, M8, M10 — Bus TXL, M27, M41, 120, 123, 142, 147, 245 — U‑Bahn 6 Reinickendorfer Straße ♿ — U‑Bahn 55 Hauptbahnhof ♿ — S‑Bahn 5, 7, 75 Hauptbahnhof ♿
    Straßenverlauf an Heidestraße
    Falk‑Stadtplan Planquadrat K 15
    Geschichte von Otto-Weidt-Platz
    Ehemaliger Bezirk Tiergarten
    Name seit 18.05.2018

    Im Auge der Berliner Europacity: Systemgastronomie und kurze, haarige Beine
    https://www.berliner-zeitung.de/mensch-metropole/im-auge-der-berliner-europacity-li.2211373

    9.5.2024 von Sabine Röthig - Niemand interessiert sich für die Europacity. Ein Besuch auf dem zentralen Platz der Siedlung lässt erahnen, warum das so ist.

    Eine junge Mutter gähnt, ohne sich die Hand vor den Mund zu halten. Sie starrt mich dabei an. Mir wird mulmig. Ich schaue nach unten in meinen Cappuccino, den ich mir gerade für vier Euro inklusive Trinkgeld gekauft habe. Ich sitze in einem Frühstücklokal in der Europacity, weil ich einen Artikel über den Otto-Weidt-Platz schreiben möchte.

    Das weitläufige Areal ist so etwas wie der Dorfplatz der Siedlung. Hier gibt es Systemgastronomie, Fahrradständer und lange Sitzbänke. Jetzt wimmert der Spross der müden Mutter. Der ebenfalls anwesende Vater spricht zum Kind in einer Sprache, die ich nicht verstehe. Der Nachwuchs schaut brüskiert. Die Atmosphäre ist ein wenig beklemmend. Ich fühle mich wie auf einer Party, auf der ich zu früh erschienen bin. Ein junges asiatisches Pärchen setzt sich an den Nebentisch, sie haben einen Hund mit einem großen wuscheligen Oberkörper und sehr kurzen Beinen mitgebracht. Das Tier macht unter dem Stuhl von Frauchen Platz.

    Über die vor einigen Jahren als riesiger Wohnkomplex aus dem Boden gestampfte Europacity haben sich die Berliner im Vergleich zu anderen zentralen Großbauprojekten erstaunlich wenig echauffiert. Man erinnere sich nur an die Empörung über die Neubauten auf dem Potsdamer Platz in den 90er-Jahren oder an den Dauerstress um den Alexanderplatz. Vielleicht gewöhnen sich die Leute so langsam an das fensterreiche Wohnungsregal, das sich als architektonischer Topos der Epoche endgültig durchzusetzen scheint. Oder die Gegend um die Heidestraße ist einfach nicht wichtig genug, um sich über die neuen Häuser aufzuregen.

    Ich verlasse das Café. Draußen zerrt der Wind an jungen Baumkronen und den Blumenröcken der Frauen. In der Mitte des Platzes entsteht ein Brunnen, seit Jahren wird hier gewerkelt. Die Erde war wohl mit Industrieabfällen verseucht gewesen, sie musste komplett ausgetauscht werden. Einige organisch geformte Grünflächen sind jetzt angelegt, doch vieles ist noch unfertig. Kopfsteinpflaster überzieht die Ränder des Platzes – eine interessante stilistische Entscheidung in dieser Umgebung.

    Ich gehe in Richtung Fluss. Das Spektakuläre an der Europastadt ist ja, dass sie direkt am Wasser liegt. Genauer am Berlin-Spandauer-Schifffahrtskanal – eine Mitte des 19. Jahrhunderts angelegte Wasserstraße, die Spree und Havel verbindet sowie Moabit von Mitte trennt. Seit einiger Zeit gibt es hier sogar eine Uferpromenade, die extra für Fußgänger und Fahrradfahrer angelegt wurde. Kilometerlanges Nichts am Kanal lädt hier jetzt zur inneren Einkehr und körperlichen Ernüchterung ein.


    Das Uglymeter fällt ein strenges Urteil über den Otto-Weidt-Platz in der Europacity. BLZ

    Am nordöstlichen Ende des Otto-Weidt-Platzes bietet ein vietnamesisches Restaurant neben Eiskaffee auch Cocktails und Sushi an. Ich laufe zügig daran vorbei und passiere eine große Eistüte aus glänzendem Kunststoff, als sich plötzlich direkt vor mir eine bizarre Petunien-Pyramide erhebt. Das florale Riesengesteck ist mindestens zwei Meter hoch. Wider Erwarten preist hier aber kein Blumenladen Blumen an, sondern eine Pizzeria Pizzen. Ich staune nicht schlecht. Festlich klimpert das Besteck unter den orangefarbenen Schirmen, die für Schaumwein werben und die Essenenden vor der Frühlingssonne schützen.

    Eine ältere Dame flaniert an den locker besetzten Plastikstühlen vorbei. An der Leine läuft ein Hund mit sehr kurzen Beinen. Schon wieder so ein Tier, denke ich. Gehen die Leute in der Europacity hier etwa alle mit ihren Lügen Gassi? Doch bevor ich noch tiefer ins Grübeln komme, stehe ich schon auf der nigelnagelneuen Fußgängerbrücke, die mich aus Moabit direkt zurück nach Mitte führt. Dort werde ich jetzt mal auf die Hundebeine achten.

    #Berlin #Stadtentwicklung

  • Liebermann-Gärtner Sven Lieberenz: „Der Klimawandel ist real, aber er macht mir keine Angst“
    https://www.berliner-zeitung.de/panorama/berlin-max-liebermann-gaertner-sven-lieberenz-der-klimawandel-ist-r


    Sven Lieberenz am Birkenweg, der von der Terrasse der Liebermann-Villa hinunter zum Wannseeufer führt. Sabine Gudath

    10.5.2024 von Anne Vorbringer - Der Berliner Impressionist Max Liebermann malte mit Leidenschaft seinen eigenen Garten. Heute stellt das blühende Kleinod am Wannsee hohe Ansprüche an seinen aktuellen Gärtner.

    Der Mann mit dem Cowboyhut und der grünen Gärtnerkluft hört uns nicht kommen. Er hockt versunken am Rande eines von Frühblühern übersäten Blumenbeetes, das Maßband ausgerollt, den Blick auf den Pflanzplan gerichtet. In penibel ausgerechnetem Abstand müssen hier ein paar neue Sommerstauden in die Erde: eine Großblumige Kokardenblume in die eine Ecke, eine rot blühende „Excalibur“-Dahlie in die andere.

    Sven Lieberenz ist bei der Arbeit, in seinem Element. Genauigkeit ist wichtig in seinem Geschäft, es kommt nicht nur auf Abstände an, sondern auch auf Farben, Formen, Symmetrieachsen. Lieberenz ist Gärtner, aber nicht in irgendeinem Privatgarten, sondern in der Liebermann-Villa am Wannsee, tief im Berliner Südwesten.

    Mehr als 70.000 Besucher wandeln hier jedes Jahr über die Kieswege zwischen Blumenrabatten, Gemüsebeeten und Heckengärten hindurch. Viele bemerken die strenge Ordnung – und nicht allen gefällt sie. „Hin und wieder erklärt mir mal jemand, dass man doch heute so gar nicht mehr gärtnert. Dass man jetzt naturnah unterwegs ist“, erzählt der 36-Jährige und schiebt seinen Hut in den Nacken. „Dann erkläre ich ihm, dass das hier ein Gartendenkmal ist. Dass wir dem Erbe Max Liebermanns verpflichtet sind und versuchen, alles so zu gestalten, wie es vor 100 Jahren war.“
    Ein Rückzugsort für Max Liebermann – und eine blühende Inspirationsquelle

    Der Garten der Liebermann-Villa ist einer der schönsten der Stadt – und einer der bedeutendsten Reformgärten des Landes. Als der berühmte Berliner Maler Liebermann im Sommer 1909 eines der letzten Wassergrundstücke der Villenkolonie Alsen erwarb, war ihm der Garten seines „Schlosses am See“ besonders wichtig. Mit viel Liebe zum Detail schuf er abseits der Großstadt einen Rückzugsort für seine Familie – und eine blühende Inspirationsquelle für sein impressionistisches Spätwerk.


    Sven Lieberenz kümmert sich um den Garten in der Liebermann-Villa. Die Frühjahrsbepflanzung wird jedes Jahr penibel genau erneuert. Sabine Gudath

    In einem Brief von Liebermann an seinen Freund Alfred Lichtwark, den Gartenreformer und damaligen Direktor der Hamburger Kunsthalle, der Liebermann bei der Gestaltung des Gartens unterstützte, heißt es: „Gestern habe ich den ganzen Tag gebaut, und über den Grundriß sind wir so ziemlich klar (ich bringe die Pläne mit). Nicht so über die Facade, die zu sehr nach einem Bauernhaus aussieht: ich möchte ein Landhaus, das sich ein Städter gebaut hat. Wie überall ist das einfachste das schwerste.“

    Mehr als 200 Gemälde entstanden in diesem grünen Paradies, einem Arrangement aus unterschiedlichen Gartenräumen: dem Bauerngarten mit üppig blühenden Stauden, dem Nutzgarten, der Blumenterrasse zum See hin, drei Heckengärten sowie einer sich bis zum Ufer des Wannsees erstreckenden Rasenfläche, auf der der Maler während der Hungersnot im Ersten Weltkrieg ein großes Beet anlegen ließ, um Kohl und Kartoffeln anzubauen.

    Ab 1910 verbrachte Liebermann die Sommermonate dort, wo heute an sonnigen Sonntagen Hunderte Besucher auflaufen. Er frage sich manchmal, wie der Maler das wohl finden würde, sagt Sven Lieberenz, dass sein einstiges Refugium nun ein gefragter Ausflugsort ist. Lieberenz arbeitet mit einem Team von 30 Ehrenamtlichen, er ist der einzige festangestellte Gärtner in der Liebermann-Villa.

    Jeden Tag ist er vor Ort, pflanzt, wässert, gräbt um, schneidet Hainbuchenhecken und jätet Unkraut. Das Liebermann-Objekt gehört dem Land Berlin, aber regelmäßige öffentliche Gelder erhält es nicht, betont Lieberenz. Vergangenes Jahr haben sie 450 neue Rosen gepflanzt, er hat das Bewässerungssystem erneuert und muss nun nach und nach die vom Zünsler geplagten Buchsbäume ersetzen. Das Geld dafür kommt aus Spenden, den jährlichen Mitgliedsbeiträgen des Trägervereins Max-Liebermann-Gesellschaft – und aus den Eintrittsgeldern.

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    Sabine Gudath

    Kunst und Führungen

    Die Liebermann-Villa am Wannsee ist das ehemalige Sommerhaus des Malers Max Liebermann (1847–1935). Heute erinnern das Kunstmuseum und der denkmalgeschützte Garten an die Geschichte der Familie. Das Museum in der Colomierstraße 3 wird von der Max-Liebermann-Gesellschaft getragen. Geöffnet ist es täglich außer dienstags zwischen 10 und 18 Uhr. Der Eintritt kostet 10, ermäßigt 6 Euro. Jeden ersten und dritten Donnerstag im Monat lädt Sven Lieberenz zu Benefizführungen im Garten ein.
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    Deswegen weiß Sven Lieberenz natürlich um die Bedeutung der Besucher, auch wenn er sich manchmal über sie ärgern muss. Es ist schon vorgekommen, dass Leute im Museumsgarten einen Einweggrill ausgepackt haben und drauf und dran waren, Würstchen auf den Rost zu legen. Trotz Beschilderung laufen auch immer wieder Besucher über die Rasenflächen, um abzukürzen. Oder sie lassen Kohlrabi, Tomaten und Erdbeeren mitgehen.

    Dabei sind die Früchte des Gartens für die Ehrenamtlichen gedacht, die hier jeden Dienstag werkeln. Darunter sind viele Pensionäre und Alleinstehende, die unter Gleichgesinnten so etwas wie eine zweite Familie gefunden haben, erzählt Lieberenz. Sie kommen aus Potsdam, aus Zehlendorf, aber auch aus dem hohen Norden Berlins mit zwei Stunden Anfahrtsweg. Die älteste Gartenhelferin ist 85 Jahre alt.

    Gärtnern in Corona-Zeiten: „Die Totenstille, das war gruselig“

    Ohne sein Team und die Wertschätzung der meisten Gäste wäre der hauptamtliche Gärtner aufgeschmissen. Das hat er spätestens in den Corona-Lockdowns gemerkt, als er plötzlich allein zwischen seinen Beeten stand. „Die Totenstille, das war gruselig“, erinnert sich Lieberenz, der damals YouTube-Videos drehte, um den Kontakt zu den Gartenfans zu halten.

    In den Beruf kam der gebürtige Potsdamer, weil er schon früh im Garten seines Großvaters mithalf. Und da aus seinem Kindheitstraum, als Dampflokführer zu arbeiten, nichts wurde, ließ sich Sven Lieberenz im Botanischen Garten Potsdam am Nordrand der Parkanlage Sanssouci zum Gärtner ausbilden.


    Liebermann mochte es symmetrisch. Und so sind auch heute noch jede Menge Hecken in Form zu halten. Sabine Gudath

    Bevor er zum Wannsee wechselte, arbeitete er in einer anderen noblen Villengegend – und unter ganz anderen Vorzeichen. Fünf Jahre lang kümmerte er sich um die Grünanlagen des Axel-Springer-Chefs Mathias Döpfner in Potsdam. Satte acht Hektar allein am Pfingstberg – das wurde irgendwann einfach alles zu viel.

    In der Liebermann-Villa sind es „nur noch“ 7000 Quadratmeter Grundstück, die Lieberenz seit nunmehr sechs Jahren beackert. Die Vorarbeit haben andere geleistet. Nachdem das Grundstück jahrzehntelang von Fremdnutzung bestimmt war, führten erst die Bemühungen der Liebermann-Gesellschaft dazu, dass die Villa ab 2002 zum Museum umgebaut wurde. Seit 2006 sind Haus und Garten originalgetreu wiederhergestellt und für die Öffentlichkeit zugänglich.

    Anhaltspunkt für die Rekonstruierung des Gartens waren Fotografien und natürlich die zahlreichen Gemälde Liebermanns. Die alten Pflanzpläne hatten die Nationalsozialisten vernichtet, die im Jahr 1940, fünf Jahre nach Liebermanns Tod, dessen Witwe Martha zum Verkauf des Grundstücks zwangen.

    Heute wird der Garten wieder durch die Villa unterteilt. Durch die Mittelachse des Hauses und über die große Rasenfläche hinweg schweift der Blick ungehindert auf den See, auf dem heute Segelboote und kleine Jachten dümpeln. An der Westseite stehen die Birken Spalier, durch deren noch zartes Blattwerk der Wind leise rauscht.


    Der Birkenweg, gemalt von der Hand des Meisters: Max Liebermann, Haus am Wannsee, 1926, Öl auf Holz SMB/Nationalgalerie

    Der Birkenweg ist eine der markantesten Gestaltungsideen des Liebermann-Gartens. Die wild gewachsenen Birken fand der Maler bereits vor, als er 1909 das Grundstück kaufte. Die unregelmäßigen Abstände zwischen den Bäumen und im Kontrast dazu die von Menschenhand geschaffenen geometrischen Formen der gegenüberliegenden Heckengärten übten wohl einen besonderen ästhetischen Reiz auf Liebermann aus. Seine Birkenweg-Bilder können heute noch als Blaupause für den Gärtner dienen.

    Doch wie lange noch, fragt sich Sven Lieberenz mit Blick auf die weißen Stämme. „Birken brauchen viel Wasser und vertragen die Hitze nicht gut“, sagt er. Ein Baum ist ihm letztes Jahr unter den Händen weggestorben. Noch darf er ohne Einschränkungen gießen, auch die große Rasenfläche sprengen. Wo es geht, hat er bereits auf die sparsame Tropfbewässerung umgestellt.

    Doch die Trockenheit und die steigenden Temperaturen stellen ihn vor Herausforderungen in einem Garten, in dem ja eigentlich nichts verändert werden darf. Jede Neupflanzung wird mit der Denkmalschutzbehörde abgestimmt. Das klingt zunächst einmal nach wenig kreativem Spielraum – doch wegen des Klimawandels muss der Liebermann-Gärtner erfinderisch bleiben.

    Da wäre zum Beispiel der schon angesprochene gefräßige Buchsbaumzünsler: Der Schädling kann hier wegen zunehmend milder Winter reichlich Nachwuchs produzieren. Lieberenz zeigt auf einen befallenen Busch mit traurigen braunen Stellen. Er hat inzwischen schon viele Pflanzen durch Euonymus japonicus ersetzt, einen immergrünen Strauch aus Japan, der mit seiner aufrechten Wuchsform dem Buchsbaum relativ nahe kommt.

    Auch der alte Rosenbestand aus Liebermanns Zeiten ist längst ausgetauscht worden. „Jetzt nehmen wir Sorten, die mit Hitze und Trockenheit besser klarkommen. Die Beetrosen Rotilia oder Kosmos zum Beispiel“, sagt Lieberenz. Bald wird es im Rosengarten, dessen Kletterspaliere und Rundwege der Maler so eindrucksvoll auf Leinwand bannte, wieder weiß, rosa und rot blühen.

    Man muss flexibel bleiben, findet der Gärtner, und die Herausforderungen annehmen. „Der Klimawandel ist real, das merke ich bei meiner Arbeit jeden Tag. Aber Angst macht mir das nicht. Gärten waren schon immer einem stetigen Wandel unterworfen. Wir müssen mit den Bedingungen klarkommen, wie sie sind, und das Beste daraus machen. Es bleibt in jedem Fall spannend.“


    Die Liebermann-Villa am Wannsee ist heute ein Museum und ein beliebtes Ausflugsziel. Wolfgang Kumm

    Gartenliebhaber jedenfalls kommen derzeit bei einem Besuch im Liebermann-Garten schon voll auf ihre Kosten. Die Blumenterrasse ist jetzt im Frühjahr mit gelben und blauen Stiefmütterchen bepflanzt. Demnächst werden sie durch Geranien ausgetauscht. Es heißt, Liebermann habe Jahr für Jahr die sommerliche Bepflanzung mit roten Geranien gegen den Willen seiner Familie durchgesetzt. „Er war eben Künstler, und kein Gärtner“, sagt Sven Lieberenz. Die lange Blühdauer und der starke Komplementärkontrast zwischen Rot und Grün waren dem Maler wichtig.

    Sein Reformgarten war eine Symbiose aus Natur und Kunst, ein reizvolles Spiel zwischen Strenge und freier Form. Die dazugehörige Bewegung, die gegen Ende des 19. Jahrhunderts aufblühte, war der vom englischen Landschaftsgarten mit seinen geschwungenen Wegen und malerischen Baumgruppen geprägten Grünanlagen überdrüssig. Stattdessen sah man den Garten nun als gleichwertigen Wohnraum zum Haus, der nach den Bedürfnissen seiner Besitzer nützlich und klar in verschiedene Aufenthaltsräume gestaltet sein sollte.

    In puncto Nützlichkeit gehörte auch dazu, den Vorgarten als Nutzgarten zu bewirtschaften. Heute kann der geneigte Gemüsegärtner von Sven Lieberenz’ Arbeit so einiges mitnehmen. Der 36-Jährige düngt organisch mit Pferdemist, betreibt eine Fünffelderwirtschaft, bei der die Beete mit Starkzehrern wie Rotkohl immer eine Fläche weiterrücken, um den Boden nicht überzustrapazieren.

    Rotkohl baute übrigens auch Max Liebermann schon an. Allerdings weniger als schmackhafte Wildbeilage, sondern, wie könnte es anders sein, als pittoreske Malvorlage.

    #Berlin #Wannsee #Colomierstraße #Kunst #Geschichte #Malerei #Tourismus #Sehenswürdigkeit

  • „Sterben“ im Kino: „Es gruselte mich ein wenig“
    https://www.berliner-zeitung.de/open-source/sterben-im-kino-es-gruselte-mich-ein-wenig-li.2211517

    5.4.2024 von Michael Hellebrand - Der Film „Sterben“ von Matthias Glasner gewann in Berlin die Goldene Lola. Unser Autor sah das Familiendrama kürzlich im Delphi Filmpalast. Das Publikum reagierte unheimlich.

    Im Gegensatz zu früher, gehe ich heute nicht mehr allzu oft ins Kino. Immerhin bin ich inzwischen 64 Jahre alt. Eigentlich nur noch ins Delphi. Das Interieur dort ist gediegen und zollt der Geschichte dieses Hauses seinen Tribut. Und es gibt KEIN Popcorn! Schon in den frühen 1980ern war ich ein Fan der spätabendlichen Sondervorführungen von sogenannten Sandalenfilmen wie „Ben Hur“ in 70-mm-Qualität und gutem Ton. Heute ist die Vorführung voll automatisiert. So läuft das auch am Eingang: Die Eintrittskarte wird gescannt. Alles wird zu Nullen und Einsen verarbeitet. Schwarz oder Weiß. Licht oder Schatten.

    Der Film, den ich mir kürzlich im Delphi ansah, widersetzte sich dieser Entweder-oder-Logik: „Sterben“ von Matthias Glasner. Das Thema Tod steht nur anscheinend im Vordergrund, ist aber der Aufhänger für weitere, viel tieferliegende Gefühle, die oft mit großer Ambivalenz einhergehen. Und in unserer Gesellschaft deswegen gerne verdrängt werden: Wut und Angst zum Beispiel, oder Trauer.

    Ich kaufte mir eine Eintrittskarte für 6. Reihe Mitte. Während ich den Film sah, doppelte sich die Atmosphäre im Kino auf unheimliche Art und Weise mit dem Inhalt des Films. Mir fiel die zwischenmenschliche Kontaktlosigkeit plötzlich besonders auf. Jeder ist ganz bei sich und bleibt es auch gerne. Ein Gemeinschaftserlebnis will sich im Kinosessel kaum einstellen. Es ist eher wie eine Zusammenkunft von Menschen, die im Leben zwar viel erlebt haben und viel wissen, aber nun einsam und regungslos dort sitzen, wie vergessene Puppen.

    Der Film „Sterben“ zeigt, wie es ist, wenn man so einsam und allein leben und sterben muss. Die Atmosphäre im Saal war entsprechend. Mucksmäuschenstill. Die ganze Zeit. Man hätte eine Stecknadel fallen hören können, so betroffen waren die Menschen anscheinend. Es gruselte mich ein wenig. Die Luft war zum Schneiden.

    Das Publikum lechzte nach Erleichterung. Auch physisch.

    Noch nicht einmal bei diesen grandiosen Slapstick-Szenen beim Zahnarzt, in denen Patienten vom Behandlungsstuhl fielen oder in die Backe gebohrt bekamen, zeigte das anwesende Publikum irgendeine Regung oder lachte womöglich. Das Publikum wirkte geschockt – wie gelähmt. Und so lachte ich ganz alleine. Immerhin wurde ich nicht dafür gerügt.

    Unheimlich – fast magisch – war auch, dass just nach zwei Stunden zum ersten Mal ein frischer Wind durch das Kino wehte. Genau in der Szene, als die Tochter nach vielen Jahren wieder ihren sterbenden Vater besucht und sagt: „Ich mach mal das Fenster auf; etwas frische Luft.“ Als hätte die Klimaanlage auf den Satz reagiert.

    Das Publikum lechzte nach Erleichterung. Auch physisch. Der Film dauerte drei Stunden. Mit der Zeit wurde immer häufiger das WC aufgesucht. Ich weiß nicht, ob ich es lustig oder traurig finden soll, dass die körperlichen Bedürfnisse dieser Menschen sich in den Bildern körperlicher Gebrechlichkeit auf der Leinwand spiegelten. Wie in einem Schattenspiel, das vor der Leinwand extra für mich aufgeführt wurde, stolperten und schwankten sie geduckt zum Ausgang. Auf dem Rückweg – durch das Tageslicht wie erblindet – tasteten sie sich zurück zu ihrem Sitzplatz.

    Da hatte ich es besser. Als alter Delphi-Kenner wusste ich um die besten Plätze für ein solch langes Kino-Erlebnis. Ich konnte fast unbemerkt aufstehen, um ebenfalls die Toilette aufzusuchen. Aber nur einmal in 3 Stunden – ich wollte nicht zu viele einsame Lacher verpassen!

    Michael Hellebrand hat als Taxifahrer, Beleuchter an der Volksbühne, Filmvorführer am Zoo-Palast und Musiker gearbeitet. Bis 2023 war er Stadtführer und Rikschafahrer in Berlin. Heute ist der Lebenskünstler gemütlicher Großvater von zwei Enkelchen.

    #Berlin #Kino #Charlottenburg #Kantstraße #Taxi

  • Mann der Kultur
    https://taz.de/!866677

    21. 4. 2015 NACHRUF Qpferdach, tazler der ersten Stunde, ist tot

    Er war ein tazler der ersten Stunde. Einer, der wie die meisten den Job als Taxifahrer, am Zapfhahn einer Kneipe oder im Hörsaal einer Uni mit dem taz-Kollektiv tauschte, ohne genau zu wissen, wie das geht: Redaktion, Zeitung, Journalismus.

    Einer, der das „learning by doing“ ebenso praktizierte wie das Wollen und den Willen, eine andere, bessere Tageszeitung zu machen – und dem das Omen der Medienbranche, dass dieses Projekt eines Haufens von Spontis und ChaotInnen ohnehin zum Scheitern verurteilt sei, herzlich egal war.

    Aus dem Ruhrgebiet nach Berlin gekommen, kannte ihn hier unter seinem Namen Hans-Joachim Wacker niemand, er war „Qpferdach“ – seine rote Mähne lieferte den Namen und passte bestens zum linken, radikalen Programm der frühen taz.

    „Qpfer“, wie wir ihn im Hause nannten, war eine Marke, er baute den Kulturteil der Berliner Lokalausgabe auf und war in der Berliner Szene bald bekannt wie ein bunter Hund. In den 1990ern ging er zum Berliner Stadtmagazin Tip, wo er als Chef vom Dienst und stellvertretender Chefredakteur zu einer Institution wurde – bis zu seinem Abschied vor einigen Jahren, der aber nicht in einen klassischen Ruhestand mündete. Vielmehr in noch mehr Zeit, seiner großen Leidenschaft – dem Radfahren – zu frönen, nicht nur in Berlin und Umgebung, sondern auch im Ausland.

    Vergangene Woche kam Qpferdach auf Mallorca ums Leben – durch einen Hirnschlag nach einem Sturz vom Rad. Ein schneller und „schöner“ Tod für einen passionierten Radler? Vielleicht, aber mit 66 Jahren war Qpfer doch eigentlich noch zu jung, um sich aus der Welt zu verabschieden. Was nicht nur seine Frau, Kinder und Enkel so empfinden, sondern auch seine alten Mitstreiter aus der taz. Möge er in Frieden ruhen. MATHIAS BRÖCKERS

    #Berlin #Zeitung #Kultur #Journalismus #Geschichte

  • Tagesspiegel Plus Beschränktes Brutzel-Vergnügen: Wo und wie das Grillen in Berlin noch erlaubt ist
    https://www.tagesspiegel.de/berlin/beschranktes-brutzel-vergnugen-wo-und-wie-das-grillen-in-berlin-noch-er

    Ein Blick auf die letzten legalen Grillwiesen.

    4.5.2024 - von Henning Onken
    ...
    Auf öffentlichen Grünflächen ist das Grillen grundsätzlich verboten – und kann mit einer Geldbuße bis zu 5000 Euro geahndet werden. Wegen des immensen Müllaufkommens, Nutzungskonflikten mit anderen Erholungssuchenden und Schäden an der Vegetation sind die Grillmöglichkeiten in Parks in den vergangenen Jahren weiter eingeschränkt worden. Bei steigender Waldbrandgefahr kann das Grillen auch komplett untersagt werden. Etliche Berliner Bezirke haben das öffentliche Grillen während der vergangenen Jahre komplett gestrichen oder weiter eingeschränkt.

    Charlottenburg-Wilmersdorf

    In Charlottenburg darf nur am Goslarer Ufer in der Nähe des alten Gaswerks gegrillt werden. Für Wilmersdorf nennt der Bezirk den Rudolf-Mosse-Platz in der Mecklenburgischen Straße und den Preußenpark (Württembergische Straße).

    Friedrichshain-Kreuzberg

    Im Volkspark, wo die verräucherte Luft an schönen Nachmittagen oft die Jogger vertrieb, hat der Bezirk den bis dahin einzigen Grillplatz auf dem Kleinen Bunkerberg abgeschafft. Legendär bleibt ein Grillfest mit zwölf Schafen, die dort an Spießen gedreht wurden, bis Polizei und Feuerwehr den Spaß beendeten.

    Regeln für öffentliche Grillplätze:

    Immer einen mobilen Grill mitbringen, Grillkohle niemals direkt auf dem Rasen/Boden anzünden (mindestens 30 Zentimeter Abstand).
    Glut nach dem Grillen nicht wegkippen, sondern mit einer Flasche Wasser ablöschen.
    Grillrückstände, Verpackungen und Speisereste nicht liegen lassen. Mitnehmen und im Hausmüll entsorgen, falls die Müllbehälter im Park überfüllt sind.
    Keine Ausnahmen für Gas- oder Elektrogrills. Auch diese dürfen (wenn überhaupt) nur auf ausgewiesenen Flächen benutzt werden.
    Nur feste Grillanzünder, keine Brandbeschleuniger verwenden.
    Keine unzerteilten Tiere auf den Grill legen.

    neue legale Feuerstelle im Volkspark - 46 Parzellen am Café „Neuer Hain“ muss man vorab online registrieren. Eine Pfandplakette ist am Grill zu befestigen, und wer keine der zehn Regeln außer Acht lässt, erhält anschließend seine 20 Euro zurück.

    Görlitzer Park Grillwiese gegenüber vom Rodelhügel.
    Wiese auf dem Blücherplatz, zwischen Waterloo-Ufer und Zossener Straße.

    Lichtenberg

    Seit Herbst 2022 besteht ein generelles Grillverbot in allen öffentlichen Grünanlagen Lichtenbergs.

    Marzahn-Hellersdorf

    „Unseren letzten Grillplatz haben wir wegen Vandalismus geschlossen“, sagt Bezirksbürgermeisterin Nadja Zivkovic auf Anfrage.

    Mitte

    In Mitte ist nur noch eine kleine Fläche im Monbijoupark übrig, entlang der Oranienburger Straße.

    Neukölln

    Die einzige öffentliche Grillwiese des Bezirks befindet sich im Osten des Tempelhofer Feldes, nahe Oderstraße. Auf der großen und gut belüfteten Freifläche sind wenig Nutzungskonflikte zu erwarten, weshalb auch kurz hinter den Eingängen im Norden (Columbiadamm) und Südwesten (Tempelhofer Damm) Grillflächen zu finden sind. Diese zählen allerdings zu Tempelhof.

    Pankow

    Der Mauerpark hat eine Grillfläche gegenüber des Amphitheaters, die allerdings wegen Bauarbeiten voraussichtlich noch bis zum Frühsommer gesperrt bleibt.

    Reinickendorf

    Der Bezirk verweist auf drei mietbare Grillplätze auf der Familienfarm Lübars. Dort sind bereits Elektrogrills vorhanden. Allerdings muss schon fünf Tage im Voraus online gebucht werden (5 Euro für zwei Stunden).

    Spandau

    Der Bezirk hat keine öffentlichen Grillflächen.

    Steglitz-Zehlendorf

    Grillen in Grünanlagen ist „grundsätzlich nicht gestattet und wird auch auf Antrag nicht genehmigt“, schreibt das Bezirksamt.

    Tempelhof-Schöneberg

    Die einzige Gelegenheit im Bezirk sind die drei Grillflächen auf der großen Freifläche des Tempelhofer Feldes, wie bereits oben für Neukölln erwähnt.

    Treptow-Köpenick

    Derzeit gibt es keine öffentlichen Grillflächen im Bezirk

    Zuhause grillen

    Auf Balkon oder Hinterhof ist die Grillerei grundsätzlich erlaubt, wenngleich auch dort Mietverträge oder Hausordnungen Verbote enthalten können.

    #Berlin #Picknick #grillen

  • Der Untermensch
    https://archive.org


    Kein „Uber“ ohne „Unter“. Ein direkter Link zu diesem Machwerk verbietet sich von selbst, aber die Quelle ist von Bedeutung, denn eine Auseinandersetzung mit der elitären und menschenverachtenden Ideologie der Ubers unserer Epoche und den alten Nazis steht noch aus.

    Es heißt nun viel lesen, vergleichen, analysieren und dabei falsche, voreilige und zu kurz gedachte Schlussfolgerungen umschiffen.

    https://de.wikipedia.org/wiki/Der_Untermensch

    Der Untermensch ist eine Schrift des SS-Hauptamtes beim Reichsführer SS von 1942 mit zahlreichen Auflagen bis 1943

    Das Buch enthält verschiedene Textbeiträge sowie zahlreiche Fotografien von Juden, und Angehörigen östlicher Völker in grob entstellender Form.

    Beteiligt waren die Autoren und Fotografen Friedrich Franz Bauer, Georg Ebert, Helga Glassner, Max Göllner, Erna Hehmke, Walter Hege, Heinrich Hoffmann, Lieselotte Kattwinkel, Erna Lendvai-Dircksen, Hans Retzlaff, Risch-Lau, Charlotte Rohrbach, Hans Saebens, Jutta Selle, Ilse Steinhoff, Hans Tschira, Paula Wehr und Anna Winterer.

    Die Schrift war angeblich sogar unter den Nationalsozialisten umstritten und wurde nach kurzer Zeit zurückgezogen.

    Wenn ich mich nicht täusche, sind wir Fahrerinnen und Fahrer die Untermenschen der Ubers, gerade noch gut genug um ausgebeutet und dann entsorgt zu werden.

    #Uber #Ideologie #Ayn_Rand #Objektivismus #Rassismus

  • Confronting the Parasite Economy
    https://prospect.org/labor/confronting-parasite-economy

    Bemerkenswerte Argumente eines venture capitalist für #Mindestlohn und angemessene Bezahlung

    00.07.2016 by Nick Hanauer - There are two types of businesses in America today: those that pay their workers a living wage-the real economy-and those that don’t-the parasite economy. And all of us who live and work in the real economy should be royally pissed at the way the parasite economy is sucking us dry.

    Here in the real economy, we solve the problems, build the things, and pay the wages that make America great. When politicians of both parties promise to attract “good jobs” to their districts or states, they’re talking about the kind of real-economy jobs that pay a decent middle-class wage-jobs that provide the income, benefits, and security necessary to participate robustly in the economy as a consumer and taxpayer. It is the real economy that drives both production and demand, and that fills our tax coffers with the money needed to educate our children, maintain our infrastructure, invest in research and development, fund our social safety net, and provide for the national defense.

    But in the parasite economy-where companies large and small cling to low-wage business models out of ignorance or habit or simple greed-"good jobs," and the economic dynamism they produce, are in short supply. This is the economy in which tens of millions of Americans work for poverty wages with few if any benefits, often in the face of abusive scheduling practices that make it impossible to plan their life from day to day, let alone month to month.

    The difference between these two economies is stark. The real economy pays the wages that drive consumer demand, while the parasite economy erodes it. The real economy generates about $5 trillion a year in local, state, and federal tax revenue, while the parasite economy is subsidized by taxes. The real economy provides our children the education and opportunity necessary to grow into the next generation of innovators, entrepreneurs, and civic leaders, while the parasite economy traps them in a cycle of intergenerational poverty.

    The real economy delivers on the promise of capitalism.

    The parasite economy relentlessly undermines it.

    If, as many on the right are wont to do, we divide our nation into one of “makers” and “takers,” it’s not the working poor who deserve our derision, but the low-wage businesses that exploit them. These are the real deadbeats of the parasite economy: companies with a business model predicated on a cheap supply of taxpayer-subsidized labor, growing fat on the vast wealth of consumer demand generated by the middle-class wages of the real economy, while leaving employees with little if any discretionary income of their own.

    To be clear, I am not making a moral argument for the real economy (though there is surely a moral argument to be made), but rather a cold and calculated economic appeal based on self-interest properly understood. You see, I am an entrepreneur and venture capitalist invested mostly in technology companies that pay the sort of middle-class wages that enable our workers to fully participate in the economy as consumers of other companies’ products. That’s the way a market economy is supposed to work. We buy your products. You buy ours. But low-wage workers at parasite companies-mostly giant and profitable corporations like Walmart and McDonald’s-cannot afford to robustly consume our products, or most anybody else’s, in return. The parasite economy is simply bad for business.

    At best, a worker earning the federal minimum wage of $7.25 an hour can barely manage to the pay the rent, buy some groceries, and maybe a bus pass, leaving little disposable income for anything else. No restaurants. No hair salons. No health club or yoga studio memberships, let alone the latest tech gadget or service from one of my companies. In business, the first, second, and third most important thing is demand. If demand is high, almost any other obstacle can be overcome. Workers earning $7 or $8 an hour cannot demand most products and services. They can barely subsist.

    As an entrepreneur and investor, I have founded or financed 35 companies across a wide range of industries: manufacturing, retailing, software, e-commerce, robotics, health care, financial services, and banking. I know a thing or two about sales and customers. And I have never been in a business that considered minimum-wage workers earning $10,000 to $20,000 per year as our target customer. Except for pawnshops or payday lenders, a typical business’s core customers very likely earn more than minimum wage. It is demand from middle-income workers that supports the small local businesses that create 64 percent of new private-sector jobs and 49 percent of all jobs in America. So a fair question to ask is:

    If no business wants customers who make $7.25 an hour, why in the world would we tolerate-or even worse, subsidize-businesses that pay their workers so little?

    A leading advocate of the parasite economy is the National Restaurant Association (the other NRA), which has worked assiduously to keep wages low. The federal minimum wage for tipped workers, unchanged since 1991, is a shocking $2.13 an hour. Lest you think all those workers are raking in tips, as a small elite of servers in high-end urban restaurants do, the median hourly wage for restaurant servers, including tips, is just $9.25 per hour. Tipped workers are more than twice as likely as the average worker to fall under the federal poverty line, and restaurant servers nearly three times as likely, according to a 2011 study by the Economic Policy Institute. Ironically, in its 2014 edition of “Consumer Spending in Restaurants,” the NRA notes that “[t]he primary influencer on consumer spending in restaurants is disposable income.” American households earning less than $30,000 a year-about a third of all households-make up only 15 percent of all restaurant spending, the NRA reports. Can you imagine how much more profitable the restaurant industry would be if one out of three Americans had more disposable income to spend at restaurants? The NRA appears to want every American to eat in restaurants-except restaurant workers.

    And it’s not just the rise of the service sector that’s to blame for falling wages. America has lost millions of manufacturing jobs since 2000, but those that remain are no longer the golden ticket into the middle class they once were. According to a new study from the UC Berkeley Labor Center, the families of one in three manufacturing production workers now rely on public assistance at a cost of $10.2 billion a year to state and federal taxpayers. Blue-collar manufacturing workers didn’t earn solid middle-class incomes because they were better trained, better educated, or more productive than their service-sector counterparts, or because their employers were larger or more profitable than the giant service companies of today. Manufacturing workers earned middle-class wages because they were unionized, and as their bargaining power declined, so did their incomes.

    I used to take parasitic business practices for granted, believing that they were an inherent and unavoidable feature of capitalism. But the more I examined the evidence, the more I realized that this just isn’t true. Some companies just choose to pay their workers as little as possible, and others don’t-while some companies have simply never bothered to imagine that there might be any other way. And yes, some companies reluctantly keep wages low in the face of market pressure from more willfully parasitic competitors. But in the end, all of us-workers and business owners alike-pay the price in the form of decreased demand, higher taxes, and slower economic growth.

    And yes, these low-wage business models are a choice. While there are parasite companies and parasite jobs, there are no parasite industries or occupations, and there is no line of work worth doing that cannot command a living wage. For every Walmart, there’s a Costco. For every McDonald’s, there’s an In-N-Out Burger. For every single mom waiting tables at the local diner for $2.13 an hour, there’s a healthier, wealthier counterpart earning $13 an hour or more (soon to be $15!) in Seattle or San Francisco or in the thousands of real-economy businesses nationwide where management understands that the “minimum wage” is meant to be a minimum, not a maximum.

    In any industry there are many different strategies for running a profitable business-some of which honor the contributions of their workers and some that don’t. And if these businesses that choose to follow a low-wage model represented isolated incidents, I would shower them with moral opprobrium and leave it at that. But there’s nothing isolated about it: It’s a pervasive pattern that warps the entire economy. Economists have a name for this sort of strategy; they call it “free riding.” And make no mistake-free riding doesn’t come free.

    According to data compiled by the Brookings Institution, 73 million Americans-nearly one-quarter of our population-live in households eligible for the Earned Income Tax Credit (EITC), a benefit exclusively available to the working poor. I want to underscore this point. Nearly a quarter of our fellow citizens are poor-not because they don’t have jobs, but because they or their family members do-mostly working for giant profitable corporations. These are people who labor long hours preparing our food, stocking our shelves, cleaning our offices, caring for our children, and performing the many other tasks and services that define our modern way of life.

    Today, a majority of the money we collectively spend on anti-poverty programs doesn’t go to the jobless, it goes to the working poor. According to a recent analysis by the Economic Policy Institute, 69.2 percent of all public benefits go to non-elderly households with at least one working member, nearly half of whom work at least full-time. In 2014, the EITC alone cost U.S. taxpayers $67 billion, directly supplementing the incomes of the working poor and, thus indirectly, the payrolls of their parasite employers. The Child Tax Credit (CTC) cost the federal government another $58 billion; food stamps, $80 billion; housing vouchers and rental assistance, $38 billion-again, all programs that largely benefit families of the working poor.

    These numbers keep growing; the most recent 10-K filings of food manufacturer Mead Johnson reported that “approximately 47% of all infants born in the United States during the 12-month period [that] ended December 31, 2015 benefited from the WIC [Women, Infants, and Children] program,” which provides food assistance to “those considered to be at nutritional risk, including low-income pregnant, postpartum and breastfeeding women and infants and children up to age five.” It is a national disgrace that the parents of nearly one in two infants born in America require government aid just to meet the daily nutritional needs of their children.

    And then there’s Medicaid. According to the Kaiser Family Foundation, total state and federal Medicaid spending cost U.S. taxpayers $475 billion in 2014. Conservatives disparage Medicaid as a costly “entitlement,” but an entitlement to whom? Workers can’t work when they’re sick or dead; that’s why real-economy companies provide their workers with health insurance and paid sick leave. But parasite economy companies pass that cost off to taxpayers.

    This is a ridiculously inefficient way to run an economy. Complex bureaucracies like food stamps, Medicaid, and housing assistance are expensive to administer, while the relentless task of applying, qualifying, and maintaining eligibility for the various state and federal programs can be a time-consuming and humiliating process for those compelled to use them. Being poor is hard work in and of itself. So why spend billions on a bureaucratic redistribution system when employers could simply pay workers enough to afford food, medical care, and housing on their own?

    I am not making an argument against anti-poverty programs; the EITC alone lifted 6.2 million Americans out of poverty in 2013 (more than half of them children), while reducing the severity of poverty for another 21.6 million working Americans and their families. But while the EITC has done an admirable job incentivizing low-wage work, it also has the unintended consequence of incentivizing employers to keep wages low-indeed, a 2010 study by Andrew Leigh in The B.E. Journal of Economic Analysis & Policy finds that “a 10 percent increase in the generosity of the EITC is associated with a 5 percent fall in the wages of high school dropouts and a 2 percent fall in the wages of those with only a high school diploma.”

    Why in the world would you pay your workers enough to clothe, house, and feed themselves, a growing number of my fellow CEOs apparently figure, when taxpayers are willing to do it for you?

    In the fast-food industry, more than half of all families-52 percent-are enrolled in at least one public assistance program, at a combined cost of $7 billion a year. (Until 2013, McDonald’s even provided a “McResources” hotline to help its impoverished workers apply for government aid.) And Walmart alone, according to a 2014 report from Americans for Tax Fairness, costs U.S. taxpayers an estimated $6.2 billion a year in public assistance to its 1.4 million mostly low-wage workers-coincidentally, an amount roughly equal to the $6.5 billion a year the company lavished on stock buybacks over the previous decade. Quite simply, McDonald’s and Walmart and other businesses in the parasite economy have grown to rely on the tax dollars of other companies and other workers to indirectly subsidize their payroll-and their immense profits. In effect, many real-economy companies end up subsidizing their parasite-economy competitors.

    Compare Walmart’s Sam’s Club chain of warehouse discount stores with its rival Costco-perhaps the most elegant (and studied) head-to-head comparison of low-wage versus living-wage business models in America today. In an effort to reverse high turnover costs, a reputation for poor customer service, and stagnant same-store sales, notoriously low-wage Walmart recently made news by raising starting wages at all its stores, including Sam’s Club, to $9 an hour in April 2015, and to $10 an hour 2016. “Bottom line-it’s working,” Walmart CEO Douglas McMillon reassured nervous investors in a recent a blog post. But don’t mistake this minor course correction for a change in business models; Sam’s Club wages remain substantially lower than those at rival Costco.

    To the casual observer, the two chains look virtually identical: cavernous warehouses stacked high with pallets of heavily discounted goods, from groceries to apparel, electronics to major appliances, and everything in between. Both chains earn a substantial portion of their profits from annual membership fees ($45 a year at Sam’s Club, $55 at Costco), and both chains offer myriad other discounted services to their members, from insurance to travel to banking. Together, the two chains dominate the warehouse retail category: Sam’s Club claims the largest geographic footprint, with 652 stores located throughout the U.S. and Puerto Rico, compared with Costco’s 492 stores. But Costco is the perennial market leader in paid members (currently 84 million, while Sam’s Club had 47 million in 2012), gross revenue ($113 billion in 2014 versus $57 billion), and pre-tax earnings ($3.2 billion versus $2 billion).

    But the biggest difference? Costco offers its average worker the opportunity to earn a living wage, while Sam’s Club does not.

    Neither company publishes its wage scale, so exact numbers are hard to pin down, but Costco is famous for its generous compensation policies. Walmart is infamous for the opposite. Glassdoor.com, which relies on worker-reported data, lists an average wage for a Sam’s Club cashier at less than $10 an hour, while a Costco cashier earns nearly $15. Costco’s wages may start only a couple bucks an hour higher than at Sam’s Club, but Costco quickly rewards workers for their loyalty and experience. A 2008 article in Slate reported that a Costco cashier with five years’ experience earns $40,000 a year plus benefits-enough for a two-cashier Costco family to find themselves firmly ensconced in the American middle class, enough to pay into the federal treasury rather than draw out of it.

    Which brings us to the cruelest irony of these dueling business models: High-wage Costco and its workers are essentially subsidizing through their taxes their competition from low-wage Sam’s Club. But it isn’t just the tax subsidies that are so maddening. Costco employees can afford to shop at Sam’s Club, while impoverished Sam’s Club employees cannot afford to shop at Costco.

    This irony is repeated throughout the nexus between the real and parasite economies: Low-wage McDonald’s (just over $8 an hour) is subsidized by higher-wage In-N-Out Burger (about $11.50 an hour). Low-wage Macy’s (about $9 an hour) is subsidized by higher-wage Nordstrom (nearly $12 an hour). Low-wage Kroger (just over $8 an hour) is subsidized by higher-wage Safeway (more than $11 an hour).

    In industry after industry, direct competitors are paying employees vastly different wages to perform the exact same job.

    But there is little difference between a Sam’s Club cashier and a Costco cashier other than the fact that one qualifies for government assistance while the other helps pay for it.

    Both models can be highly profitable-both Costco and Sam’s Club have returned billions of dollars to shareholders. But only one model lifts workers into the Great American Middle Class that is the primary engine of economic growth. So why should we subsidize a low-wage parasite economy when the high-wage real economy offers so much more?

    Of course, some will argue that the question is moot-that the labor market efficiently determines wages, not well-meaning CEOs or self-serving policymakers (or meddling know-it-alls like me), and that if a Sam’s Club cashier is worth $15 an hour, then that is what the labor market would force Sam’s Club to pay. “Supply and demand,” and all that.

    That is nonsense. Take it from someone who has created dozens of businesses-people don’t get paid what they are “worth.” They get paid what they negotiate. We can all point to examples of CEOs who negotiated far more than they are worth, but there are many, many more people in our country who are worth far more than they negotiated.

    That’s because more than any other market, the labor market is distorted by a profound imbalance of power between buyers and sellers; in fact, other than the small share of workers who have a collective-bargaining agreement, the vast majority of workers enjoy little bargaining power at all. Most workers have limited resources and immediate needs-to eat, to pay rent, to provide for their children-while most employers could leave any particular position unfilled indefinitely without suffering any personal hardship at all. As Adam Smith noted in The Wealth of Nations: “In the long run the workman may be as necessary to his master as his master is to him; but the necessity is not so immediate.”

    So why do parasite employers keep wages low? Because they can. And in recent decades, employers have relentlessly exploited this power imbalance, eroding labor’s share of the economy from an average of 50 percent of GDP between 1950 and 1980 to a ten-year-average of only 43 percent today, while profits’ share of GDP has risen by a similar amount. That’s about a trillion dollars a year that used to go to wages that now goes to profits. But that trillion dollars isn’t profit because it needs to be, or has to be, or should be. It’s profit because powerful people like me prefer it to be, and workers no longer have enough power to negotiate a fairer and more economically sensible split.

    Clearly, wages are low in the parasite economy because many employers choose to keep them low and workers lack the power to affect that choice. And in highly price-competitive markets, even the most noble and generous CEOs are limited by the dynamics of competition.

    This brings me to an uncomfortable confession, and the part of this essay that is least fun to write: I’m a parasite, too. And I hate it.

    I worked my way up through the family business, Pacific Coast Feather Company, one of the largest domestic manufacturers of textile products in the nation. We employ roughly 750 workers in factories across the United States, making pillows, comforters, and mattress pads. And I’ll admit it: I am not proud of the wages we pay many of our workers. We do pay more than 90 percent of our employees above the state minimum wage-and the majority of those minimum wage workers are in California, where the wage floor was recently raised to $10 an hour (and will go to $15 over the next five years)-but at any given time, between 20 and 30 percent of our workforce (around 250 people, give or take) come from temporary labor firms, which very likely do not pay those employees enough to sustain anything close to a middle-class life.

    Today, I co-chair the board with my brother; a non-family CEO manages the day-to-day operations. But like many other business owners in the parasite economy, I feel trapped by the low standards and competitive dynamics of our highly price-sensitive industry. The retailers we sell our product through are viciously price-competitive; if our prices inch higher than our competitors’ on pillows and comforters of comparable quality, we’d lose the bulk of our market share in a New York minute. I desperately want to pay our workers a living wage, but while labor only accounts for a fraction of our costs, we just couldn’t compete against manufacturers paying at parasitic wage levels. No doubt our better-paid workers would be more productive, happy, and loyal, but I fear the labor cost differential might be too great and our margins too small for us to survive.

    And yet.

    If every company paid a reasonable wage, everybody would benefit as a result. Every worker would benefit from higher wages. Every company would benefit from higher worker productivity, lower turnover, and from increased demand for goods and services, without being squeezed by low-wage competitors. Every community would benefit from the jobs created by that extra demand. Every taxpayer would benefit from decreased need for poverty programs. Imagine an economy in which every worker could afford to treat themselves daily to a fancy espresso drink-how great would this be for Starbucks, even if Starbucks had to pay its own workers a little bit more, too?

    If you give the poorest Americans a raise, they will spend that money within their community. We have plenty of data to back this up. When San Jose increased its minimum wage by $2 in 2013, the organization Puget Sound Sage reports, registered businesses in San Jose increased by 3 percent in the year after the raise, and small-retailer registration increased by 19 percent. Furthermore, unemployment decreased by a full percent, and more than 4,000 jobs were added in the restaurant and hospitality sector alone.

    Which brings me to my main point. We could collectively solve the problem of the parasite economy quickly and fairly, simply by raising the federal minimum wage back to a reasonable level-say $12 to $15 an hour. And the ironic part is that everyone would benefit-even the companies that currently pay low wages.

    Markets are defined by rules; indeed, no high-functioning market economy is possible without the effective rule of law. Some of these rules are necessary to prevent companies from cheating-for example, the enforcement of standard weights and measures. Some of these rules are necessary to protect the health and safety of consumers, such as food and drug standards. And some of these rules are necessary to prevent companies from gaining an unfair advantage by externalizing their costs-such as dumping toxic chemicals rather than paying the cost of safe disposal. In a very real sense, that is exactly what parasite companies are doing: externalizing their costs. They pay their workers so little that that they are forcing the rest of us to pick up part of the cost. And in the process, these parasite companies gain an unfair labor cost advantage over their higher-wage competitors, setting off a downward spiral of lower wages and lower consumer demand.

    A race to the bottom isn’t how you build an economy; it’s how you take advantage of it.

    So let’s stop conflating collectivism-which is bad-with collective action-which is indispensable to the success of every social human endeavor. Collective action can enable individuals to take actions they know are beneficial-for themselves and others-but that they feel constrained from doing by themselves. Throughout the 1970s, most National Hockey League players refused to wear helmets, despite the known risk of serious head injuries. Some players went helmetless out of vanity, or fear of being ridiculed, while others believed that wearing a helmet imposed a slight competitive disadvantage. In 1969, one player admitted to Newsweek: “It’s foolish not to wear a helmet. But I don’t-because the other guys don’t. I know that’s silly, but most of the players feel the same way. If the league made us do it, though, we’d all wear them and nobody would mind.” A decade later, the NHL began requiring helmets, and now every player-and the league as whole-is better off as a result. Both the NHL’s helmet rule and the minimum wage are forms of collective action; they solve collective problems that no individual could solve on his or her own. Collective action is not anti-capitalist or anti-market; in fact, a functional market would not be possible without it.

    Yes, the parasite economy is a choice. But while there are some individual bad players, it is largely a choice that we as a nation have collectively made. In Washington, D.C., and in state capitols nationwide, we have chosen to erode the minimum wage and the overtime threshold and the bargaining power of labor. We have chosen to sit quietly by as corporate America has stripped workers of the benefits that define what it means to be middle class. We have chosen not just to tolerate the parasite economy, but also to subsidize it.

    But the great news is: Collectively, we can make a different choice.

    Stagnant wages are a collective-action problem that Pacific Coast Feather Company cannot solve on its own; but if Congress were to solve it for us by gradually raising the minimum wage for all American workers-including those of our competitors-it would be no problem for us at all. In fact, it would be fantastic-not just for workers, but also for my family business. Obviously, the three million hourly workers currently scraping by at or below the $7.25 federal minimum wage aren’t buying many new pillows-and neither are the tens of millions of Americans earning just a few bucks more. Nineteen percent of American workers currently earn under $12.50 an hour; 42 percent earn under $15. Every dollar an hour amounts to another $2,080 in annual income. In 2010, Americans spent $740 million on pillows. How many more would be sold if half of America could afford one more pillow per year? Sure, the price of a new pillow might rise a few pennies to cover the higher labor costs. But what a trade-off! What a difference! What a great nation in which to sell pillows!

    Given a choice between a high-wage America and a low-wage America, I’d happily choose higher wages. But I can’t make this choice on my own. I need you to make me do it. I need you to level the playing field by forcing me and my competitors to raise our wages, so that one low-wage employer can no longer drag the rest of us down with him. I need you to raise the minimum wage.

    Many readers will claim this is all a pipe dream, that it could never work in practice. But in fact, it is working-right where I live, in Washington state. Washington has long recognized the fundamental law of capitalism-that when workers have more money, businesses have more customers and hire more workers. That is the model that we have been following here, and our economy has been booming as a result. At $9.47 an hour (indexed to inflation), Washington state’s minimum wage had long been the highest in the nation, and as one of a handful of states with no tip penalty, our tipped workers already earn four and a half times the $2.13-an-hour tipped minimum wage in much of the rest of the country.

    And yet according to Bloomberg, high-wage Seattle supports the second-highest concentration of eateries per capita in the nation-trailing only even-higher-wage San Francisco. And according to the Paychex IHS Small Business Jobs Index, Washington also enjoyed the highest rate of small-business job growth in the nation, while even higher-wage Seattle ranks second by major metropolitan areas.

    Why are small businesses booming here despite our high minimum wage? Because that’s how capitalism works!

    Our minimum-wage workers spend so much more on the things that drive small businesses than they ever could while earning just $7.25 an hour. They eat at restaurants. They get haircuts and manicures. They send their mom flowers on Mother’s Day.

    When workers have more money, businesses have more customers. And when businesses have more customers they create more jobs.

    In 2014, Seattle took its high-wage model one step further, passing the first $15 minimum wage in the nation. Restaurateurs and right-wing think tanks warned of ruin. Businesses would close. Workers would lose their jobs. The invisible hand would punch us in the mouth. But it never happened.

    As the Puget Sound Business Journal recently reported in a front page story titled “Apocalypse Not: $15 and the cuts that never came,” six months after the first wage increase went into effect, Seattle’s restaurant industry is growing faster than ever. Even celebrity chef Tom Douglas, who had warned that Seattle could lose a quarter of its downtown restaurants, has continued to add restaurants to his local empire. “Douglas has now changed his mind about the law,” the PSBJ reports, “saying he was ’naïve’ to think that restaurants would raise pay on their own.” That he was. And then on February 15, 2016, The Seattle Times reported that ADP’s national survey of economic vitality ranked Washington state number one in the country for both wage and job growth. And you thought higher wages killed jobs. Not hardly.

    It is appealing to believe that the parasite economy will eventually correct itself. Or that a few high-road employers will set an example that will eliminate it. But trust me when I tell you: This is wishful thinking. I know because I am one of those employers. People, like me, when faced with brutal competitive dynamics, will not pay workers a living wage unless all of our competitors do the same. And the only way that will happen is if citizens like you require employers like us to do it. Until then, corporate America will continue to build its record profits on the backs of cheap labor.

    “I do not prize the word ’cheap,’” President William McKinley once said. “[Cheap] is not a badge of honor. It is a symbol of despair. Cheap prices make for cheap goods; cheap goods make for cheap men; and cheap men make for a cheap country.”

    In the absence of collective action, the parasite economy will continue to pay parasite wages, cheapening the real economy with it. But when we lift wages through reasonable increases in the minimum wage, everyone prospers-and more than just financially. Dezi Bonow, the head chef at Douglas’s new Carlile Room, told the PSBJ that $15 is a particular boon to kitchen employees, who don’t get tips. “It legitimizes cooking as a craft,” he said.

    Imagine an economy where all work is honored as craft, and all craftsmen are compensated accordingly. Imagine a country where no labor is dismissed as “cheap.”

    #Ausbeutung

  • Purging the Parasitic Economy
    https://www.brookings.edu/articles/purging-the-parasitic-economy


    Parasitenwirtschaft ist mehr als #Uber. Dank Abwesenheit von Regulierung können Kredithaie in Florida migrantische Familien schamlos ausbeuten.

    2004.09.7 by Bruce Katz - People often point to Miami’s informal economy when trying to explain the city’s dismal poverty statistics. And it’s true. Miami has its share of cash-only, under-the-table car detailers, landscapers and housekeepers.

    But that alone doesn’t explain Miami’s miserable median income ($23,483 vs. $42,000 nationally) or the paucity of its middle class.

    In clear daylight, in storefronts around the city, above-board businesses take their cut right off the top of the wages of those struggling to build assets and join the middle class.

    This parasitic economy—the check cashers, payday lenders, tax refund advance firms and envie dinero shops—thrives on low-income customers conventional banks don’t pursue and contributing to Miami’s weak middle class.

    The disconnect between working families without bank accounts and mainstream financial institutions carries a huge price. According to the U.S. Treasury, a worker earning $12,000 annually pays about $250 of that to cash pay checks at a check cashing store, not including additional fees for money orders or wire transfers.

    While credit card interest rates range from the mid-single digits to about 20 percent, payday loans carry an average annual percentage rate (APR) of 474 percent.

    Four hundred seventy-four percent.

    What would be the response to an offer like that in the raft of daily credit card junk mail?

    Additionally, with Miami’s large immigrant population, steep fees for the overseas transfer of funds cause particular pain.

    The high costs of these services also undermine government efforts to reward work and bootstrap families out of poverty.

    Brookings Institution research shows that in 2001, $32.4 billion in Earned Income Tax Credit (EITC) refunds, designed specifically to aid the working poor, were issued. However, fully $1.9 billion went to loan fees, tax preparation services and filing fees.

    Studies have shown that ownership of a bank account directly correlates with access to credit, like mortgage loans. So, the costs of this parasitic economy particularly hinder the key stepping stone to the middle class: homeownership.

    For these reasons, the goal of helping low-income families build assets was one of the key policy recommendations of our report “Growing the Middle Class: Connecting All Miami-Dade Residents to Opportunity.”

    Though these alternative financial service providers are regulated by state and federal government—and federal reforms on such practices are direly needed—there is much that can be done at the local level.

    First off, campaigns to increase awareness of programs benefiting working families like the EITC should be expanded. The Greater Miami Prosperity Campaign has made great strides in informing many families who might otherwise miss out on the credit about how to claim it. But nearly two-thirds of EITC filers in Miami-Dade still pay to have their taxes prepared and filed. The campaign needs additional capacity to provide these services for free. Alternatively, local leaders could explore partnering with commercial preparers who charge low-income clients reasonable fees, and who do not sell high-priced refund loans.

    There is a role as well for financial and homeownership education. Advice on budgeting could help families maintain small amounts of savings that allow them to avoid predatory payday and tax refund loans. Education could also work to boost consumer credit ratings, expanding the pool of prospective urban homebuyers.

    In the end, though, only mainstream financial institutions have the scale to provide these workers with reasonably-priced services and opportunities to build assets over time. The nonprofit community and local government should partner with these institutions on research and development initiatives to create products tailored to the needs of Miami’s lower-income families.

    Applied holistically, this policy medicine can help purge the parasitic economy, provide working families with more choices and build Miami’s middle class.

    #USA #Florida #Wucher #Wirtschaft

  • ’Parasites’ : Restaurants ask customers to shun services like Uber Eats
    https://www.smh.com.au/business/small-business/parasites-restaurants-ask-customers-to-shun-services-like-uber-eats-20180808

    Anfangs gab es Widerstand ... was ist daraus geworden ? Hat Uber-Eats ind Australien überlebt ?

    8.8.2018 by Emma Koehn - Restaurants in Australia’s biggest cities have started speaking out against food delivery services such as Uber Eats and Menulog, claiming the third-party operators are exploiting small businesses and delivery drivers.

    On Tuesday, iconic Melbourne eatery Marios Cafe called the food delivery platforms “parasites”, imploring customers to never use ordering systems like Uber Eats. In Sydney, Upper North Shore restaurant Taste of Texas BBQ stopped accepting delivery requests via Menulog.

    The moves come days after delivery service Foodora signalled it was exiting the Australian market.
    ’A certain ugliness’: Delivery platforms like UberEats are getting pushback from local restaurants.

    ’A certain ugliness’: Delivery platforms like UberEats are getting pushback from local restaurants.Credit: Akio Kon

    Marios Cafe, a stalwart of Melbourne’s Brunswick Street Fitzroy since the 1980s, took to Facebook to plead with customers to “get up off your ass” and go pick up takeaway orders instead of relying on third-party sites, which hurt small hospitality venues.

    The business said the tendency for these platforms to take commissions of up to 30 per cent wasn’t fair given the number of people - including restaurants and delivery drivers - losing money.

    “Do not order from any of the delivery groups call the restaurant direct and make sure they have their own delivery,” the business wrote on Facebook.

    “Please spare a thought for the people who are loosing [sic] money for your comfort factor and the delivery people are earning next to nothing for their work, while the people in their ivory towers are earning big time for doing nothing: PARASITES.”

    Marios co-founder Mario Maccarone told Fairfax Media that while he thinks food delivery services may work “brilliantly” for some businesses, he and business partner Mario de Pasquale have never bought in.
    Mario de Pasquale and Mario Maccarone have decided to steer clear of food delivery platforms - and are asking customers to do the same.

    Mario de Pasquale and Mario Maccarone have decided to steer clear of food delivery platforms - and are asking customers to do the same. Credit: Penny Stephens

    “We’ve been approached by all of the platforms - but with those huge big plastic backpacks, well, there’s a certain ugliness about it,” Maccarone says.

    He says “the way they [the platforms] employ people” also has to be considered, observing there’s a “whole generation of kids” becoming more reliant on gig economy jobs.

    “It’s a thing that may work brilliantly for some, but we’re not interested in buying into it.”

    When contacted by Fairfax Media, an Uber Eats spokesperson said the company’s 13,000 active restaurant users were evidence its system was “proving popular” with hospitality venues wanting to grow their businesses.

    “Uber Eats can be a cost-effective channel for reaching an entirely new customer base,” the company said.
    ’Unsustainable’ cost

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    Marios isn’t the only one saying the time has come for a tough choice on food delivery services. In Sydney, Waitara-based Taste of Texas BBQ has decided to no longer accept delivery requests via Menulog.

    Owner Prabhakar Raj told Fairfax Media “the big challenge for small businesses” at the moment was making tough choices about the food delivery platforms they can afford.

    Menulog takes a lower commission on orders than its peer in Uber Eats, and while it has recently launched a in-house delivery option, restaurants have traditionally had to supply their own drivers.

    This is a cost that is “unsustainable” despite the loyalty of customers ordering through the app, Raj says.

    Customers of Taste of Texas BBQ will still be able to place takeaway orders through Menulog if they pick it up themselves, but the business says it’s done offering delivery through the app.

    The business will stay on the Uber Eats platform, but Raj says his restaurant “doesn’t make a cent out of it”.

    “I’m only using it [Uber Eats] as a promotional platform,” he said.

    Taste of Texas only offers a restricted menu via the platform and Raj says he believes other businesses are also limiting what they offer via Uber Eats in order to make it sustainable.

    Menulog says that, for the most part, restaurants are very happy with its service, and restaurants like Taste of Texas can choose whether they offer delivery through the platform or just pick-up orders.

    “Menulog offers a suite of solutions, including both restaurant-own and delivery services, ‘click and collect’ and catering, which allows restaurants to tailor their offering to digital customers in line with their business strategy and operating model,” the company’s commercial director Rory Murphy told Fairfax Media.

    Last week, delivery competitor Foodora signalled it was exiting the Australian market, a move small businesses said was unsurprising.

    “At the end of the day these aggregators all take a percentage so the fewer you have, the better it is for your business,” owner of Sydney business Fratelli and Co, Robert Galati, said on Friday.

    #Australien #Uber #Uber-Eats #disruption #Gastronomie

  • Berliner Clubs von Watergate bis Æden: Mitarbeitende klagen über Mobbing und Diskriminierung
    https://www.tagesspiegel.de/berlin/berliner-wirtschaft/berliner-clubs-von-watergate-bis-aeden-mitarbeitende-klagen-uber-mobbin

    1.5.2024 von Amélie Baasner, Cristina Plett - Zum Tag der Arbeit ein Blick hinter die Kulissen beliebter Berliner Techno-Clubs: Beschäftigte berichten über miese Bedingungen. Die Szene scheint weniger modern, als viele meinen.

    Eine holzvertäfelte Wand auf der einen Seite, eine Glasfront zur Spree auf der anderen, dazwischen die Tanzfläche; eine zweite Tanzfläche mit einer Decke aus kleinsten Lichtern an der Decke – und der einzigartige Blick auf die Oberbaumbrücke: Das ist der Club Watergate, eine Institution der Berliner Clubszene, schon seit 2002. Oft wird es in einem Atemzug mit dem Berghain genannt. Beide Clubs locken Partytourist:innen aus der ganzen Welt.

    Clubs leben von Neugierigen, die etwas von der sagenumwobenen Berliner Szene erleben wollen: Partys, die 24 Stunden lang dauern und bei denen auf der Tanzfläche alle gleich sind, der Postbote mit der Start-up-CEO tanzt, sexuelle Orientierung und Herkunft keine Rollen spielen, es Raum für Sex und ja, wohl auch Drogen, gibt, zum Beat von Techno und House. Das Motto der Love-Parade hallt noch immer im Selbstverständnis der Szene nach: Friede, Freude, Eierkuchen.

    Seit einigen Wochen rumort es jedoch auf sozialen Medien. Zunächst hatten sich zwei ehemalige Angestellte auf Instagram zu den Arbeitsbedingungen im Watergate geäußert, sprachen von angeblichem Mobbing und Diskriminierung. In den Kommentarspalten kommen weitere Stimmen aus der Szene und anderen Clubs dazu, auf Telegram hat sich eine Gruppe zur Vernetzung mit über 400 Mitgliedern gebildet.

    400 Mitglieder zählt ein Telegram-Channel, in dem sich Mitarbeitende über Missstände austauschen.

    Der Tagesspiegel hat mit zwölf Betroffenen persönlich gesprochen, um sich ein Bild der Arbeitsbedingungen hinter den Kulissen zu machen und sich die Aussagen teils mit eidesstattlichen Erklärungen belegen lassen. Vor allem zwei Clubs stehen dabei im Fokus, Watergate und Æden. Dabei verdichtete sich der Eindruck, es handle sich nicht um Einzelfälle, sondern um ein strukturelles Problem der Berliner Clubs: Diskriminierung am Arbeitsplatz, Mobbing, schlechte Arbeitsbedingungen sollen stark verbreitet sein und stören das Bild einer freien und toleranten Stadt, die sich mit ebendieser Szene so gern schmückt.

    Die Schilderungen der Beteiligten ereignen sich in einem Umfeld, in dem zum überwiegenden Teil der Clubs Männer die Geschäftsführer sind. Ein Umfeld, das weniger divers und progressiv zu sein scheint, als es auf der Tanzfläche wirkt, und damit die Marke Berlins weltweit prägt.
    Bookerin im Watergate fühlt sich rausgemobbt

    Lisa (Name geändert) begann laut eigener Aussage Ende November 2023 als Bookerin für den Watergate Club zu arbeiten. Zuvor war sie bereits als Bookerin für einen anderen Berliner Club tätig. Sie war also dafür zuständig, den Kalender mit Partys zu füllen, DJs zu buchen und die Feiern zu organisieren, sprich zu „produzieren“. Spezialisiert sei sie auf queere Veranstaltungen, was für das Watergate noch weitgehend Neuland sei, erzählt sie dem Tagesspiegel.

    Erst seit der Pandemie habe das Watergate langsam jüngere Partyreihen ins Programm genommen, sprach damit eine weniger touristische und zunehmend hippe, auch queere Zielgruppe an. Lisa wollte dies verstärken.

    Aber: „Ich habe nie einen Arbeitsvertrag bekommen, obwohl ich mehrmals nachgefragt habe“, sagt Lisa. Stattdessen sei sie vertröstet worden, dass es noch etwas dauern würde. Auch ein mündlicher Arbeitsvertrag ist gültig. Bis zum Ende ihrer Tätigkeit im März soll sie den Vertrag nicht bekommen haben.

    Mit den Vorwürfen konfrontiert, bezieht das Watergate in einem anwaltlichen Schreiben ausführlich Stellung. Allen Angestellten würden Arbeitsverträge vorgelegt, nur „im Einzelfall kann es vorkommen, dass aufgrund von krankheitsbedingter Abwesenheit der Zeichnungsberechtigten, Feiertagen o. ä. eine schriftliche Ausfertigung erst später erfolgt.“ Arbeitsbedingungen seien einvernehmlich und abschließend ausgehandelt, bevor jemand ein Arbeitsverhältnis eingehe.

    Nach anfangs guter Zusammenarbeit bekommt Lisa schnell das Gefühl, ausgeschlossen zu werden, Kollegen sollen sie ignoriert haben, Entscheidungen über ihren Kopf hinweg getroffen worden sein. Sie fühlt sich zunehmend unwohl. Ihr Lebenspartner bestätigt der Redaktion, dass Lisa immer stiller wurde, beinahe depressiv wirkte: „Von dem, was sie erzählte, wusste ich, dass sie gemobbt wurde.“

    Lisa soll das Gespräch mit den Vorgesetzten mehrmals im Beisein ihres Partners gesucht haben. Nach dem zweiten Gespräch mit den Geschäftsführern, bei dem sie einen Brief vorgelesen habe, in dem sie Mobbing und Diskriminierung schildere, habe man ihr gekündigt. Da befände sie sich noch in der Probezeit. Außer dem Buchhalter habe zunächst niemand mehr mit ihr gesprochen.

    Das Watergate lässt dazu über seine Anwältin verlauten: „Kritik am Management oder an Kollegen wird bei der Mandantin ernst genommen. Ihr ist kein Fall bekannt, in dem ein Arbeitsverhältnis wegen geäußerter Kritik gekündigt wurde. Allerdings kommt er immer wieder vor, dass Arbeitsverhältnisse beendet werden, zum Teil auch auf ausdrücklichen Wunsch der Beschäftigten.“

    Das Unternehmen stünde der Kritik seitens der Angestellten positiv gegenüber und bemühe sich um eine „geschlechtergleichstellende Beschäftigungslage“. An der Tür und an der Bar, aber auch im Managementbereich seien Frauen tätig. Darüber hinaus sei das Unternehmen nach Kritik durch Beschäftigte mit einer Diversity-Beratung in Kontakt getreten, um sich für die „Implementierung weiterer Maßnahmen für mehr Diversität beraten zu lassen“. Auch auf der Webseite des Clubs wird auf diese Maßnahmen hingewiesen.

    Auch ein anderer ehemaliger Mitarbeiter hatte in den vergangenen Monaten auf Social Media von negativem Arbeitsklima berichtet. Die Beiträge sind inzwischen gelöscht. Er soll jedoch über mehrere Jahre für den Club gearbeitet haben und dabei immer wieder aufgrund seines Migrationshintergrundes diskriminiert worden sein. Er soll dies angesprochen haben. Ihm seien danach die Stunden gekürzt und schließlich gekündigt worden.

    Das Watergate lässt dazu verlauten, niemand werde „gekündigt wegen einer Kritik am Management. Im Gegenteil, diese ist gewünscht und kommt auch vor, ohne dass es deshalb zu Kündigungen gekommen wäre.“
    Clubs im oberen Managements von Männern dominiert

    Eine der neuen Partyreihen, die über Lisa ins Watergate kamen, ist „Hoe__mies“. Gizem Adiyaman hatte sie 2017 gegründet. „Eingangs war unser Ziel, einen Raum zu schaffen für Flinta, BiPoc und die queere Szene, denn es gab in Berlin damals fast nichts“, erzählt sie am Telefon. FLINTA ist eine Abkürzung für female, lesbisch, intersex, non-binär, trans und agender; BiPOC für „Black People, Indigenous People and People of Colour“.

    Inzwischen zieht Adiyamans Party regelmäßig über 1000 Leute in die Clubs. „Was mir heute wichtig ist bei meiner Arbeit, ist, auch die Strukturen hinter den Kulissen zu ändern, im Booking, im Management der Clubs.“ Dort seien kaum Flinta* zu finden, bis heute. „Die Clubbesitzer sind immer Männer, immer“, sagt Adiyaman.

    73 Prozent von 26 Berliner Technoclubs werden von Männern geleitet.

    Eine Tagesspiegel-Analyse zu den Geschäftsführungen in 26 Berliner Technoclubs zeigt: In 73 Prozent der Clubs sind ein Mann oder ein Team aus Männern die Geschäftsführer. In nur zwei Clubs leitet eine Frau den Club allein. Damit ist die Frauenquote in der Szene ähnlich niedrig wie in den 40 börsennotierten Unternehmen im deutschen Leitindex Dax: 77 Prozent der Vorstände in Dax-Unternehmen sind Männer.

    Im Booking, also bei den Personen, die entscheiden, wer auf einer Party auflegt, sieht es kaum besser aus: Einzelne große Clubs haben Frauen in der Position, viele jedoch Männer. Auch die Veranstalter beliebter Techno-Partyreihen sind oft ausschließlich Männer, berichten Szene-Insider.

    Adiyamans gesamtes Team, von den Türsteher:innen bis zum Awareness-Team, ist handverlesen. Am 22. März fand die erste Party im Watergate statt. Es wird die vorerst letzte bleiben. „Als ich die Kritik an dem Club auf sozialen Medien gesehen habe, war für mich sowieso klar, dass keine weitere Kooperation möglich ist.” Die Werte des Clubs seien nicht mit den Werten ihrer Party vereinbar.

    Andere Partyreihen mit queerfeministischen Werten, die erst seit einigen Monaten im Watergate stattfinden, sollen sich mit dem Watergate getroffen haben. Dabei sollen sie dem Club gegenüber Forderungen gestellt haben, die er in den nächsten Monaten einhalten müsse. In der Stellungnahme des Clubs wird betont, keine Partyreihen zu veranstalten, die Personenkreise bestimmter sexueller Orientierung ausschließen, „folglich veranstaltet sie (die Mandantin) keine Parties, die sich ausschließlich an ein queeres oder FLINTA-Publikum richten.

    Der Watergate Club veranstaltet allerdings regelmäßig seit vielen Jahren „Multisex“-Parties, die ausdrücklich als sexpositive Veranstaltung alle Menschen jedweder sexuellen Orientierung adressieren.“ In der Selbstbeschreibung der Multisex-Party auf ihrer Webseite wird das Wort „sexpositiv“ nicht verwendet.
    Altertümliche Machtstrukturen auch in einem neuen Club

    Nicht nur das Watergate, auch der Club Æden wurde szeneintern heftig kritisiert. Er liegt nur wenige Gehminuten vom Watergate entfernt, auf der Lohmühleninsel. Anders als das Watergate ist das Æden eher ein Neuling; eröffnete der Club 2021 mitten in der Pandemie an der gleichen Stelle, an der zuvor der Club Burg Schnabel war.

    Mit hippen Partyreihen mauserte es sich schnell zu einem renommierten Club. Doch auch hier könnte die Kündigung ein beliebter Schutzmechanismus der Clubleitung sein, so berichtet jedenfalls Resident Advisor, ein Branchenmagazin der Szene. Offenbar hätten mehrere Mitarbeitende einen Betriebsrat gründen wollen, weil sie sich unterbezahlt wähnten, ihnen Schichten kurzfristig abgesagt worden seien oder sie die Beiträge zur Krankenversicherung nicht bekommen hätten. Als die Geschäftsführung von dem Vorhaben erfuhr, sei mehreren Mitgliedern der Whatsapp-Gruppe zur Gründung des Betriebsrats gekündigt worden.

    Die kreative Leitung des Æden weist die Verhinderung der Gründung eines Betriebsrats von sich, auf die hohen Bußgelder habe man keine Lust: „Wir kündigten im September 2023 an, dass unser Geschäft saisonal bedingt ist und wir für den Winter ausschließlich jenes Personal übernehmen, das die von den Teamleitern erwartete Leistung erbracht hat. Faktoren wie Leistung, Pünktlichkeit und Zurechnungsfähigkeit während der Nachtarbeiten waren unter anderem ausschlaggebend.“

    Eine ehemalige Mitarbeiterin bestätigte hingegen dem Tagesspiegel im Gespräch, was die Plattform Resident Advisor berichtete. Angestellte zu entlassen, sei eine übliche Problemlösestrategie im Æden. Dies schaffe eine Atmosphäre der Angst, besonders für die dort arbeitenden Flinta*. „Niemand sagt etwas, aus Angst, den Job zu verlieren”, so die Kontaktperson weiter. „Diese Praxis widerspricht allem, wofür die Berliner Clubszene steht und wofür sie in der ganzen Welt bewundert wird."

    Ich wurde von Kollegen ignoriert, von Vorgesetzten schikaniert und angeschrien. Ich hatte oft das Gefühl, dass es daran lag, dass ich eine Frau bin.
    Ehemalige Mitarbeiterin des Æden

    Sicherheit und körperliches Wohlbefinden sollten an erster Stelle stehen, nicht Gewinnmaximierung auf dem Rücken der Menschen und 15-Stunden-Schichten, die gerne mal länger dauerten, erklärt die ehemalige Mitarbeiterin. Ein weiterer ehemaliger Mitarbeiter bestätigt, dass regelmäßig Schichten von mehr als zwölf Stunden erwartet worden seien.

    Dass sie Mitarbeitende für längere Schichten einteilen, als die maximal erlaubte Arbeitszeit von acht, in Ausnahmefällen zehn Stunden vorsieht, bestätigt die kreative Leitung des Clubs auf Anfrage: „Dies geschieht nur in äußersten Ausnahmefällen und erst mit Zustimmung des im Dienst befindlichen Mitarbeiters oder der Mitarbeiterin – verweigern kann man immer.“

    Die ehemalige Mitarbeiterin berichtet weiterhin von Druck: „Ich wurde von Kollegen ignoriert, von Vorgesetzten schikaniert und angeschrien. Ich hatte oft das Gefühl, dass es daran lag, dass ich eine Frau bin.“ Nachdem ihr Arbeitsverhältnis beendet worden sei und sie freiberuflich weiter für den Club gearbeitet habe, habe sie mit rechtlichen Schritten drohen müssen, damit ihr die Honorare ihrer Rechnungen überwiesen wurden. Der E-Mail-Verlauf liegt der Redaktion vor.

    Auch andere ehemalige Mitarbeitende, sowohl Festangestellte als auch freiberuflich Tätige, erzählen von regelmäßig zu spät ausgezahlten Gehältern und unbezahlten Überstunden.

    „Wir sollten über Musik sprechen und nicht in Angst leben, unseren Job zu verlieren, nur weil wir unsere Rechte einfordern“, führt die ehemalige Mitarbeiterin des Club Æden fort. Drei Personen, die dem Club und der Leitung nahe stehen, bestätigen die Zustände. Insbesondere Mitarbeitende aus dem Ausland, die nicht mit der Rechtslage in Deutschland vertraut seien, träfen die beschriebenen Arbeitszustände und unklaren Arbeitsverhältnisse, erläutern sie.

    Die Leitung des Club Æden nimmt in einer langen E-Mail dazu Stellung. Mobbing sei in ihrem Unternehmen inakzeptabel. „Je nach Schwere kann es auch zu einer Kündigung führen“, sagt die Kreativdirektion. Mehrere Schulungen seien in der Vergangenheit von externen Dienstleistern organisiert worden, um soziales Miteinander zu fördern. Man nehme sich Kritik und Anregungen, „solange sie die Expertise der Beteiligten nicht überschreiten, immer zu Herzen.“

    Weiter wird die Diversität des Unternehmens betont, „wir beschäftigen Menschen aus Ägypten, Australien, Belgien, Brasilien, Deutschland, Ghana, England, Irland, Italien, Kroatien, den Niederlanden, Spanien, Südafrika, Vietnam, der Türkei und der Ukraine.“ Der Club lege Wert auf Chancengleichheit.

    Zu den kritischen Stimmen führt die Mail weiter aus, dass es sich um Arbeitnehmer:innen handle, die „vermeintlich bei uns beschäftigt sind oder waren“, ohne zu erläutern, was unter einem „vermeintlichen“ Arbeitsverhältnis zu verstehen sei. Auch wird die Unkenntnis vieler Angestellter betont, die „undifferenziert die ausschließlich vereinbarte Bruttovergütung mit der Nettovergütung gleichsetzen und zudem (…) davon ausgehen, dass eine geringfügige Beschäftigung mit einer sozialversicherungspflichtigen Beschäftigung deckungsgleich ist.“ Man hält fest: „Bisher ist uns kein Vorgang bekannt, bei dem ein Mitarbeiter seine Abrechnung im Hinblick auf die Höhe der abgerechneten Vergütung beanstandet hat.“

    Schaden auch für das Image Berlins als Wirtschaftsstandort

    Miserable Arbeitsbedingungen sind in der Veranstaltungsbranche insgesamt keine Seltenheit. Auf Berlin und seine Clubs wirft es jedoch in einem weiteren Sinne ein fragwürdiges Licht: Wie vielfältig, international und progressiv die Szene ist, ist auch für das Image Berlins als Wirtschaftsstandort von Bedeutung.

    Stefan Franzke, Geschäftsführer von Berlins Wirtschaftsförderagentur Berlin Partner, ist als Vertreter der Berliner Wirtschaft weltweit und auch privat gern mal in Clubs unterwegs: „Berlin steht für eine offene Gesellschaft und Respekt. So leben zu können, wie man möchte, unabhängig davon, welches Geschlecht man hat, wen man liebt, welche Hautfarbe man hat, sind die Eigenschaften, die Berlin weltweit attraktiv machen“, sagt er.

    „Genau diese Offenheit lockt auch Talente an.“ In Gesprächen mit Unternehmen, die überlegen, sich in Berlin anzusiedeln, erlebe er immer wieder, dass das Nachtleben, zusammen mit Kultur und Gastronomie, „ein ganz, ganz wichtiger Faktor“ sei. Bei Veranstaltungen von Berlin Partner nutzt man das, da spielen auch mal DJs aus dem KitKat oder Berghain. Franzke ist wichtig, klarzustellen: „Diskriminierung und Verhinderung von Teilhabe geht gar nicht – weder in der Clubszene noch irgendwo anders.“

    #Arbeit #Tourismus

  • An introduction to the parasite economy
    http://www.gorling.se/files/texts/04_AV_Goerling.pdf

    20 Jahre später : Die Parasiten haben die Welt übernommen. Nur ein kleines Dorf leistet beharrlich Widerstand ...

    This paper gives an introduction to a number of immoral business-models that have been established as a part of the Internet-economy. It discusses how breaking into computers has become a viable business model for corporations and how the Internet-underground is challenging our view of what a company is. The paper tries to group a number of similar business models such as spyware, adware, viruses, spam etc. under a common term, parasites, and discuss how they are a part of viable business-models rather than merely an annoyance to the computer users.

    Die „Résistance“.
    https://degooglisons-internet.org/fr

    #Internet #disruption #Uber #platform_economy #Kapitalismus #computervirus #Erpressung

  • Why Are New York Taxi Drivers Killing Themselves?
    https://www.wired.com/story/why-are-new-york-taxi-drivers-committing-suicide

    28.3.2018 by Miranda Katz - Drivers say competition from Uber and Lyft is lowering their incomes, contributing to four recent driver suicides.

    It was a somber scene outside New York’s City Hall on Wednesday afternoon. Four coffins sat at the foot of the steps; one by one, taxi drivers covered them with white flowers, before assembling on the steps and shouting for the city to “stop Uber’s greed” and “stop making us slaves.” It was the second such gathering in two months, as drivers and their advocates mourned another suicide that they attribute to the rise of ride-hailing services like Uber and Lyft. That sudden increase in the number of for-hire vehicles on the city’s streets, they claim, has made it impossible for drivers to earn a decent living.

    On March 16, Nicanor Ochisor, a 65-year-old yellow cab driver, took his own life in his Queens home. According to his family and friends, he had been drowning financially as his prized taxi medallion, on which he had hoped to retire, plummeted in value. The circumstances surrounding Ochisor’s death were upsettingly familiar: In February, driver Douglas Schifter shot himself outside City Hall after posting a lengthy statement to Facebook blaming politicians for letting the streets get so saturated. According to the New York Taxi Workers Alliance, a nonprofit group that advocates for drivers, at least two other drivers have killed themselves since December in response to mounting financial pressures.

    At Wednesday’s rally, Bhairavi Desai, the executive director of NYTWA, described the situation as “a living nightmare.” The assembled drivers echoed her sentiment. Noureddine Afsi said he began driving a yellow cab in 2001 when a friend said it would be easier money than his job in retail. “You could work nine hours and easily make $200 in a day,” he recalled. “Now, you’re lucky if you make $50 or $60.” Beresford Simmons, who has been driving a yellow cab for more than 50 years, expressed a similar frustration: At 71 years old, he said, he had just had heart surgery and was on dialysis—and he was in no financial position to take a break from driving. “We have guys at home who are losing their houses,” he said. “I know cab drivers who are homeless today.”

    The anguish and anger on display at City Hall offer an unsettling look at the cost of disrupting long-standing industries. Until recently, driving a cab in New York was a gateway to the middle class, especially if drivers could get their hands on a coveted medallion (essentially a permit to operate their own cabs, rather than leasing cars from others). With the number of medallions fixed, prices generally rose, peaking in 2014 at over $1 million—well outside the budget of many drivers, but good news for medallion owners who sometimes borrowed against them. Since then, though, prices have fallen sharply, as competition from ride-hailing services intensified. In January, seven medallions sold for under $200,000 each. Many drivers are deeply in debt—and a long way from the stable lifestyle they once expected.

    “To call it an engine of social mobility would be overstating it, but [driving a taxi] is definitely a way that men without college educations have found to raise families, to provide family wages, for a long time,” says Julia Ticona, a sociologist studying technologies of work, emotions, and inequality at the Data & Society research institute in New York. For taxi drivers, disruption is not only financially destabilizing, but also demoralizing, as it recasts their careers as gig work. A longtime taxi driver who prides himself on knowing the ins and outs of the city’s streets is now competing with tens of thousands of newcomers, some of whom may only be driving as a part-time side hustle. “There’s this tension between older sets of professional norms and the ways that labor platforms are encouraging workers to promote themselves and be entrepreneurial,” Ticona says.

    Though New York City caps the number of yellow cabs at just over 13,600, it doesn’t limit the number of drivers for Uber, Lyft, or other services. (It does, unlike most US cities, require that ride-share drivers be licensed by the Taxi and Limousine Commission.) The lack of regulation has led to rapid growth: Uber launched in the city in 2011 with just 105 cars on the road; by 2015, that had ballooned to 20,000, and today, there are more than 63,000 black cars providing rides through various ride-hailing apps, 60,000 of which are affiliated with Uber. Those rallying on Wednesday argued that growth is affecting all drivers—including those for Uber and Lyft. “The business model of Uber and Lyft…is destroying every driver across the sector,” said Desai. “They are destroying the full-time jobs of professional yellow [cab], green [cab], livery, and black car drivers, and replacing them with poverty-paid gigs where Uber and Lyft drivers themselves cannot survive.” A 2017 survey of drivers by the Independent Drivers Guild, which represents app-based drivers, found that 57 percent of respondents earn less than $50,000 per year, and 22 percent earn less than $30,000 per year.

    As much as some taxi and app-based drivers may see each other as competition, they also are united on several fronts. They all want more money: The IDG is petitioning the city to require apps to raise driver pay by 37 percent, and the NYTWA is demanding that the city raise yellow cab rates and make them the minimum for all app-based services. Both groups also want the city to cap the number of new entrants, as they worry that demand isn’t keeping pace with increasing supply of drivers. Uber and Lyft bring on hundreds of new drivers per week—though some quickly quit. A recent analysis by Bruce Schaller, a former NYC traffic and planning commissioner, showed that the hours that taxis and ride-share vehicles spend unoccupied in central Manhattan increased by 81 percent between 2013 and 2017. Without passengers, drivers don’t earn money. “We don’t care about competition,” said Afsi, who began driving for Uber after leasing a yellow cab for nine years. “When you work 14, 15 hours and go home with $50, it’s not good. It’s not about competition. It’s about survival.”

    Drivers and their advocates hope that, if anything, the recent string of suicides will compel New York City to further regulate the industry and avoid a full-throttled race to the bottom. The city last considered capping the number of for-hire vehicles on the road in 2015; however, Uber campaigned against the cap, and the City Council did not pass the legislation. Now, City Council Member Stephen Levin is again proposing a temporary freeze on new for-hire vehicle licenses while the city studies on the impact of the industry’s growth.

    That’s one of several proposals for mitigating the effects of more ride hailing. Last fall, Council Member Ydanis Rodriguez introduced a bill that would allow medallion owners to operate two vehicles under a single medallion, helping boost the value of medallions. Rodriguez has previously suggested that the city bail out medallion owners, saying that “we should find a form of restitution to those who have invested in our city’s future through the purchase of medallions.” Another Council Member, Ruben Diaz Sr. introduced a bill last month meant to slow the growth of app-based for-hire services with, among other things, a $2,000 annual fee on every vehicle affiliated with an app-based service. And the TLC is considering piloting a program that would let taxi drivers offer up-front cost estimates. In theory, that could help them attract passengers who currently prefer the cost predictability of Uber to the traffic-dependent price of yellow cabs.

    All those proposals share one critical element: They place the burden for change on the city, rather than the ride-share companies. And perhaps for good reason. Though app-based companies could theoretically raise wages or cap their pool of drivers on their own, they have no incentive to curb their growth. “The only place [a solution] will possibly come from is from public policy,” says Schaller, the former NYC traffic and planning commissioner. “The [app-based services] are hellbent on growth, and if I were the CEO at Uber and had announced that I planned to take the company public next year, I would be, too.” In a statement, Uber pointed to steps it has taken recently to win back its drivers’ trust, such as introducing in-app tipping and allowing drivers to earn more while waiting to pick up riders. “Drivers told us we needed to do better and we have been working hard to earn back their trust and improve the driver experience,” a spokesperson said. A Lyft spokesperson said that the company is “in ongoing conversations to find solutions to complex challenges in New York in order to provide the best transportation for passengers and earning opportunity for those who drive with Lyft.”

    The New York City Council created a new committee on for-hire vehicles in 2018, and that committee had its first hearing shortly after Schifter’s suicide in February. For several hours, drivers and advocates delivered emotional testimony and asked for a cap on the number of vehicles on city streets. TLC Commissioner Meera Joshi appeared receptive to the idea of stricter regulation, acknowledging at the hearing that “the expanding industry will continue to make driving a very stressful career without any growth-control mechanism.”

    Some sort of “growth-control mechanism” would likely ease the impact that the ride sharing boom has had on drivers across the industry. But the days of being able to retire on a yellow cab medallion might be a thing of the past. “People are frozen in place, dreaming of the idea that the medallion system is about to recover,” says Schaller. “This can turn out perfectly fine for yellow cab drivers. It’s very difficult to see how it could be fine for yellow cab medallion owners.” In other words, it may not be possible to protect every worker from the negative effects of disruption—but there is hope that new regulations might keep drivers from going to the desperate extremes that the city has seen in recent months.

    #Taxi #Uber #New_York

  • Why Is Uber Über Alles ? Public Platform Infrastructure for the ‘Gig Economy’
    Robert Hockett
    https://www.forbes.com/sites/rhockett/2023/01/15/why-is-uber-ber-alles--public-platform-infrastructure-for-the-gig-economy

    15.1.2023 by Robert Hockett - Two needs of cardinal interest to all major metropolitan areas, if not indeed all towns and cities, seem to go under-appreciated these days: First, the need for readily available livery and delivery services, which have amounted to a species of essential infrastructure since the earliest days of our republic. And second, the need of a decent quality of life for local residents who provide such services, which amounts among other things to a prerequisite to the sustainability of any means of satisfying the first need.

    A city like New York, for example, benefits immensely from, and could hardly get on without, readily available and affordable livery for persons and delivery of things (letters, documents, medicines, groceries, meals, etc.), hence also from arrangements that sustainably attract and retain local providers of such services. That’s why you see taxis, busses, small trucks and other delivery vehicles everywhere, and indeed always have.

    It is quite troubling, then, after multiple taxi driver suicides in recent years, to learn now that Uber UBER and Lyft LYFT drivers as well have begun finding it difficult to live and hence operate in and around New York City. New York needs its drivers, and cannot afford to see them go. Mindful of that fact, the City’s Taxi Commission announced plans to require greater pay for Uber and Lyft drivers this past November. Yet in a near miracle of expedition on behalf of the wrong side, a court halted New York’s move one month later at the behest of Uber. (Lyft didn’t take part in the suit, but its owners like Uber’s gain by the decision.)

    The Court’s unfortunate decision invites an obvious query: if New York cannot ‘beat’ Uber and Lyft, why doesn’t it ‘join’ them – join them, that is, as a competitor? Why not, in other words, offer a ‘public option’ where livery and delivery services in and around New York are concerned?

    To see why this question is worth posing, note that the typical Uber driver receives only between 40 and 60% of each fare charged to riders, about 52% on average. The lion’s share of the remainder – between 25 and 43%, depending on ride length – goes to Uber itself, while the remaining 15% goes to the City. The figures for Lyft, which employs the same platform model as Uber, are comparable.

    Yet what do Uber, Lyft, and the City contribute to the ride? Uber and Lyft provide no more than technically simple, easily replicated ‘two-sided marketplace’ platforms, while the City oversees operations to maintain safety.

    Given how little is involved in maintaining the platforms themselves, which utilize an age-old and very simple model, New York and other cities should be able quite readily to establish and maintain safe platforms of their own with the 15% cut of ride fees that New York and other cities already take, allowing all licensed drivers to pocket the remaining 85% of ride charges. Meanwhile, allowing drivers to compete on vehicle comfort and even price within some reasonable range could help lower costs to riders, while allowing the City to add congestion surcharges at certain times of day (as Uber and Lyft themselves do) could help manage volume.

    Of course firms like Uber and Lyft and the politicians to whom they ‘contribute’ will argue that this sounds like ‘socialism,’ that ‘capitalism’ is more efficient and inexpensive, and so on. But there is no reason to credit such clichés in the present, infrastructural context. All that Uber and Lyft are ‘efficient’ at now that a city would not be is gratuitously extracting high fees from riders and profits from drivers. They add no value in return for these forms of extraction that cities couldn’t provide just as well on a not-for-profit basis, again given how old, familiar, and inexpensive the matching-technology used by their algorithms are.

    Uber and its ilk are, in other words, mere rent-extractors at this point. And where public goods and essential infrastructures like livery and delivery are concerned, we have long as a nation viewed rent-extraction as no more than a form of extortion or piracy. Those who invented the relevant technologies were paid handsomely for the intellectual property long ago, and all that such companies as Uber and Lyft now trade on is broad public ignorance of how readily available and usable the technology now is.

    What New York and other cities should do, then, is provide their own platforms to their own livery and delivery drivers. Cut out the literally now-parasitic middlemen, and you’ll have both cheaper rides and deliveries and better-paid drivers and deliverers. That will in turn better the quality of life of all New Yorkers, not merely a few rent-extractors way over in Silicon Valley. And because the rideshare industry is still growing rapidly in response to still-growing demand, acting now will also preempt more extraction in future even than now.

    It might be thought that New York and other cities already are doing this via the Curb taxi-hailing app, which are now as available for download on smartphones as the Uber and Lyft apps. That would be a mistake. Curb simply functions as an easier way to hail a taxi than is the old wave-in-the-street method. It doesn’t augment the taxi fleet with additional cars and drivers as Uber and Lyft do, but rather makes hailing existing cabs easier. As such, it leaves in place most of the disadvantages of taxi rides – long waits, sometimes unpredictable fares, etc. – that have spurred the demand for Uber and Lyft in the first place, while adding app user fees.

    One further, more general point: The so-called ‘platform’ and ‘gig’ economies, we now know, include far more than livery and delivery services. They include sales of all sorts, temp work and handyman work, hotel and apartment rentals, and all manner of other markets requiring no more than easy means by which buyers and sellers can find one another – that is, two-sided matching platforms. The Bureau of Labor Statistics (BLS) reports that over 55 million Americans, or 36% of the workforce, work in the gig economy, while 33% of American companies use gig workers extensively.

    Platforms like Facebook Marketplace make clear that such services can be made available at virtually no extra cost to sellers or buyers. Why don’t all cities, then, make such platforms freely available in all realms where they’re not already available? For that matter, why doesn’t the US Department of Labor do so for the entire American economy? If a large part of the American economy is ‘the gig economy,’ why not cheaply and publicly provide that economy’s infrastructure just as we do for the non-gig economy?

    Let us then literally cut out superfluous private intermediaries, and mediate all our ‘gig’ relations through that original form of mediacy that we discovered thousands of years ago on a civic, not profit-extracting, basis: the polis, the civitas, the ‘public sector’ – that which we establish to work for all of us, not extract from most of us. This will amount to gains not only along the fairness and efficiency dimensions, but along the productivity dimension as well, forcing as it does those who now extract rents to start adding value instead.

    Start with our cities, then move up higher and higher to our state and federal governments, making them truly the servants of all rather than recognizing Silicon Valley firms as masters of us all.

    #Uber #Stadtentwicklung #Arbeit #New_York

  • Uni erkennt Doktortitel ab: Berlins Verkehrssenatorin Manja Schreiner tritt zurück


    Und Tschüß ! Manja verpiss dich, keiner vermisst dich , höre ich schon die Fahrradfanatiker aller Geschmacksrichtungen blöken. Dabei war sie gar nicht so schrecklich im Vergleich mit den grünen Ignorantionnen auf dem Senatorinnensessel vor ihr. Mal sehen, wer sich jetzt in den Ring traut. Die Berliner Verkehrspolitik ist nach Murks-Jahrzenten fast so eine mission impossible wie als Bundesgesundheitsminister etwas für Patienten rausholen.

    Berlins Verkehrssenatorin Manja Schreiner (CDU) hat ihren Rücktritt erklärt. „Dies tue ich, um Schaden vom Berliner Senat abzuwenden“, teilte Schreiner am Dienstag mit. Die Universität Rostock habe ihr mitgeteilt, dass sie ihr ihren 2007 verliehenen Doktorgrad entziehen werde. „Aus diesem Grund habe ich den Regierenden Bürgermeister von Berlin gebeten, eine Entlassung vom Amt als Senatorin für Mobilität, Verkehr, Klimaschutz und Umwelt“, sagte Schreiner. Die CDU-Politikerin war vor knapp einem Jahr, am 27. April 2023, als Verkehrssenatorin im schwarz-roten Senat in Berlin angetreten.

    „Ich habe an keiner Stelle meiner Dissertationsarbeit vorsätzlich getäuscht oder betrogen. Als Privatperson werde ich deshalb gegen diese Entscheidung der Fakultät Widerspruch einlegen“, erklärte Schreiner.

    Schreiner promovierte 2007 an der juristischen Fakultät der Universität Rostock zum Thema „Arbeitnehmerberücksichtigung im Übernahmerecht“. Anfang August wurden erste Plagiatsvorwürfe gegen die Arbeit erhoben. Schreiner bat daraufhin die Universität, ihre Dissertation zu prüfen und verzichtete seitdem auf das Tragen ihres Doktortitels.

    #Berlin #Politik #CDU #Verkehr #Umwelt

  • Berliner Bombennacht 1943: Erlebnisbericht einer Postbotin als Warnung vor einem neun Krieg
    https://www.berliner-zeitung.de/open-source/berliner-bombennacht-1943-erlebnisbericht-einer-postbotin-als-warnu


    Gerda Deckwardt, Postbotin, in einer Berliner Trümmerszenerie, wie sie noch jahrzehntelang typisch war für die Stadt. Der Krieg sollte noch 17 Monate dauern, als die Frau eine der schlimmsten Bombennächte erlebte. Sammlung Stefan Elfenbein

    28.4.2024 von Stefan Elfenbein - Unser Autor entdeckt in seiner Wohnung einen vergilbten Erlebnisbericht. Seinen Inhalt findet er beklemmend aktuell.

    „Berlin, den 23. November 1943, Angriffstag. Mein eigenes Erlebnis“, steht als Überschrift auf dem vergilbten Schreibmaschinenblatt, die Buchstaben sind verblasst, ein Holzwurm hat sich durchs Papier genagt. Gleich darunter beginnt der Text:

    „Ich hatte einen schweren Arbeitstag hinter mir“, heißt es, „und nun saß ich wie an jedem Abend vor meinem kleinen Radiogerät, um die Sendungen des Auslandes anzuhören. Somit war ich immer auf dem Laufenden, was in der Welt geschah, und was geschehen konnte. Eigentlich war ich mächtig müde, aber wer konnte hier seit Wochen an Schlafengehen denken, wo Tag für Tag die Alarmsirenen heulten, und Tag für Tag die Menschen ärmer und ärmer wurden.“

    Aufgeschrieben hat dies Gerda Deckwardt, die beinahe vergessene alte Dame, die vor mir hier in der Nostitzstraße in Berlin-Kreuzberg wohnte. Vor mittlerweile über drei Jahrzehnten zog ich in ihre Wohnung ein – und in ihr Leben. Alles war noch da, Kleidung, Bücher, Medikamente, ein letztes Frühstück stand auf dem Küchentisch.

    Erst jetzt jedoch, vor wenigen Wochen, kam – sonderbar schicksalhaft, fast wie gewollt – das Schreibmaschinenblatt zum Vorschein, in einer Zeit, in der deutsche Industrie und Politik Krieg erneut als Option sehen. Wer warnt und Frieden fordert, wird allzu schnell öffentlich denunziert.

    Sorgsam in einen vergilbten Umschlag gefaltet, verbarg sich Gerdas Nachricht unter Nadeln, Knöpfen, Zwirn ganz unten in ihrem Nähkästchen. Die Worte erscheinen wie ein Fingerzeig.

    Zwischen Nadeln, Knöpfen, Zwirn verbirgt sich ein Umschlag

    „Kaum war es neun Uhr, als die Alarmsirenen heulten, und ich mich beeilen musste, mein kleines Radiogerät einzupacken, denn das tat ich jeden Tag zur selben Stunde, da ich ohne Radio gar nicht sein konnte. Ich rannte förmlich die vier Treppen aus meiner Wohnung herunter und suchte einen sogenannten Luftschutzkeller auf. Der Keller lag unter einem abgebrannten Haus, war aber am ehesten erreichbar von meinem Heim aus.

    Schreckliche Gedanken, in solch einem Loch aushalten zu müssen, während die Herren, die den Krieg machten, in der Nähe hier die bestgesicherten Keller einnahmen. Ich weiß nur, dass mich so die Wut darum packte, dass ich, gleich im Keller angekommen, vor allen Menschen tobte, dass es uns so gehen muss, nur weil die Deutschen so zänkisch und so verkommen seien. Oftmals ist es mir wegen dieses Aufregens beinahe schlecht ergangen, aber dessen ungeachtet, habe ich nie aufhören können, mich zu empören.“

    Und weiter schreibt sie , „plötzlich aber kam Stille um uns herum. Draußen tobten die Bomber und die Wächter teilten uns mit, dass hier alles herum ein Flammenmeer sei. Brandbomben ohne Zahl waren heruntergekommen. Alles schrie wild durcheinander, alte Frauen weinten, weil sie seit Langem schon keine Hoffnung mehr hatten. Drei Stunden lang tobten draußen auf der Stadtmitte die Bomben, doch dann kam die Entwarnung, wobei alle Menschen aus dem Keller stürmten. Die, welche ihre Angehörigen hatten, fassten sich bei den Händen.“

    1943 war Gerda Deckwarth Briefträgerin in Mitte, ihre Wohnung war in der Schützenstraße 14. Auf einem Foto aus der Zeit von ihr in Postuniform hat sie Reichsadler und Hakenkreuz auf ihrer Mütze mit Kugelschreiber übermalt. Auf anderen Fotos aus unterschiedlichen Lebensphasen wirkt sie als junge Frau verträumt und hoffnungsvoll, später eher nachdenklich, dann introvertiert, einsam, still. „Tage, an denen ich nur eine Mark als Geld besitze, keine Butter, kein Zipfel Wurst, keine Zigarette“, schreibt sie 1962 in ihr Tagebuch.


    Gerdas Nähkästchen und die Dokumente, die Stefan Elfenbein darin fand. Sammlung Stefan Elfenbein

    Mit dem Mauerbau wurde auch die Schützenstraße 14 erst von Stacheldraht umzäunt, dann abgerissen. Unterkunft fand sie bei ihrer Mutter hier in der Nostitzstraße. 1991 starb sie, allein, ohne Angehörige. Sie war 86 Jahre alt. Ein entfernter Verwandter schlug das Erbe in Anbetracht anstehender Bestattungskosten aus. Ich war gerade aus New York gekommen. „Nehmen sie die Wohnung, so wie sie ist – ungesehen!“, hieß es bei der Hausverwaltung. Mit einem Koffer und dem Schlüssel in der Hand zog ich ein. Im Wohnzimmer zeigten Schatten an der Wand, dass Bilder fehlten, auf dem Teppich war eine Schmuckschatulle ausgekippt - ein Nachlassverwalter hatte nach Verwertbarem gesucht. Gerdas Fotoalbum und Tagebuch lagen am Bett. Das Nähkästchen stand am Küchentisch. Ich räumte es in den Hängeboden – Nähen ist nicht mein Ding. Erst die Suche nach einem Knopf für die Vintage-Bluse einer Freundin, brachte den Umschlag ans Licht. Aber lassen wir Gerda weitererzählen:

    „Bis weit über den Vororten sah man dieses Flammenmeer“

    „Ich selbst war ganz allein, denn meinen Mann hatten sie eingezogen in den Krieg, und lange hatte ich schon keine Post mehr. Verbittert war mein Herz gegen alles, was den Krieg unterstützte, und ich drückte meine Finger zu einer Faust zusammen, und wünschte mir somit, dass ich wenigstens mein Heim behalten kann. Als ich die Straße betrat, war ringsumher nichts als ein rotes züngelndes Feuer. Die Ortsmitte brannte ringsherum, bis weit über den Vororten sah man dieses Flammenmeer.

    Ich stürmte die vier Treppen bis zu meiner Wohnung herauf, doch auch hier waren die Brandbomben hereingeflogen und sechs Brandherde drohten Gefahr zu bringen. Einige Männer waren schon dabei, zu löschen, und ich selbst schleppte vom Hofe Eimer für Eimer Wasser heran, bis die Herde gelöscht waren. Die Männer verließen dann meine Wohnung, und ich war allein in meiner Wohnung. Alles war schwarz. Mauersteine, Holzstücke, Ruß und nochmals Ruß. Die Übergardinen waren verbrannt, die Fetzen hingen an der fensterlosen Scheibe und pendelten hin und her, und ich sah hinaus in die rote leuchtende Nacht. Die Hitze nahm mehr und mehr zu, ich musste auf meinem Balkon stehen und immer Wasser, nur Wasser auf die zischenden Mauern sprengen, damit das Feuer nicht eindringen konnte.

    Dann plötzlich wieder Alarm, hundemüde, das Herz voller Traurigkeit, stürmte ich die Treppen wieder herunter und hinein in den Keller und wieder kamen Brandbomben auf Brandbomben vom Himmel herab. Licht war schon längst nicht mehr in den Kellern vorhanden, nur kleine Kerzen erleuchteten den Raum. Die Wache schreit dann plötzlich „alle heraus“, der Keller brennt. Und das mitten bei den Angriffen. Nun mussten wir alle gegenüber in einen Keller. Kein Mensch wollte das wagen, denn die ganze Schützenstraße war hell erleuchtet durch die Brände, und die Flieger zum Greifen nahe über uns.

    Ach, manchmal habe ich geglaubt, dass sie ein Herz haben müssten, und ich winkte oftmals mit den Händen als Zeichen, dass doch auch wir ihre Freunde seien, im roten Feuerschein hatte man diese Flammen aber wohl nie sehen können.

    Gerade als auch ich die Fahrstraße überqueren wollte, flog so eine Brandbombe dicht vor mir herab. Glück muss man haben, dachte ich, und ich konnte das wohl behaupten, denn als ich ein Endchen wartete, kamen noch mehr solcher Dinger herab. Ich bin dann nicht mehr in den Keller gegangen, ich blieb vor dem Hause stehen, stellte mich in Deckung und habe somit den Schluss des Angriffabends abgewartet. Wenig Menschen haben miterlebt, wie die Ärmsten der Armen wimmerten um ihr Heim, um ihre letzte Habe. Manche tröstete ich, indem ich sagte, lassen Sie nur, es dauert ja nicht mehr lange. Aber was war schon ein Trost gegen dieses Leid.“


    Gerda Deckwardt in der für Zustellerinnen üblichen Uniform der Deutschen Reichspost. Sammlung Stefan Elfenbein

    Der Angriff der Alliierten in der Nacht vom 22. auf den 23. November 1943 war einer der schwersten, die Berlin erlebte. Zerstört wurden große Teile von Charlottenburg, Schöneberg, Mitte sowie auch KaDeWe, Gedächtniskirche, Zoo, Ufa-Palast, Tell-Halaf-Museum und Neue Synagoge. Wind und Trockenheit entfachten diverse Feuerstürme. Mehrere Tausend Menschen starben in der Nacht, Hunderttausende wurden obdachlos.

    Manche Augenzeugenberichte enden mit „Heil Hitler“. Dieser nicht.

    „Wieder in meiner Wohnung angekommen, fand ich die Küche brennend vor. Wieder war ich allein, aber ich besaß die Kraft zu löschen“, fährt Gerda fort. „So löschten wir in unserem Hause noch andere Brände und das ging bis zum Morgen um sieben Uhr weiter. Völlig verdreckt, zum Umsinken ermüdet warf ich mich dann zwischen die Klamotten in meiner Wohnung, um ein bisschen zu schlafen. Der Brandgeruch und die Hitze hüllten mich ein, und ich schlief dann zwei Stunden lang, nicht wie eine Dame, nein, richtig wie ein Tier.“

    Erhalten sind auch andere Augenzeugenberichte – von dieser, wie von anderen Bombennächten –, erschreckend allerdings ist die Regimetreue. In so gut wie allen, so zeigen Auswertungen, fehlt es an jeglicher Kritik, Selbstzweifel oder gar Schuldzuweisung, manche enden mit „Heil Hitler!“. Gerdas Bericht ist völlig anders. Er zeigt, dass sie, die einfache Berliner Postbotin, ihren Gehorsam selbst in einer Zeit schlimmsten Unrechts, Lüge, Angst und Propaganda innerlich strikt verweigert hat.

    Vor ihrem Tod zum letzten Mal gesehen habe man sie, hat mir eine Nachbarin erzählt, als sie bei einem Fest hier im Hof im zweiten Stock am offenen Küchenfenster stand und auf ihrer Ziehharmonika spielte. Treppen konnte sie nicht mehr laufen. Ihre Bestattung auf einem der Friedhöfe an der Bergmannstraße war ein Armenbegräbnis. Ihr Grab ist längst verschwunden. Für uns aber hinterlassen hat sie eine klare Botschaft. Und ja, liebe Gerda – wir hören dich, wir hören deine Warnung! Hier ihre letzten Sätze zum Erlebten:

    „Am anderen Mittag habe ich nach Dienstschluss meine Umgebung näher besehen, aber was man vorfand, war alles trostlos. Doch meine größte Freude war, dass die Bomben diesmal auch das Richtige getroffen hatten. Nämlich die Häuser jener, die den Krieg machten. Der 23. November brachte großes Leid unter die Armen des Berlins, und doch einen Tag näher der Befreiung. Unvergesslich ist in meinem Herzen dieser große Feuerschein, der über Berlin lag, geblieben – nur so kann die Hölle sein!“

    Dr. Stefan Elfenbein ist Amerikaner und Deutscher, lebt in New York und Berlin und war von 1997 bis 2001 der USA-Korrespondent der Berliner Zeitung.

    #Berlin #Mitte #Schützenstraße #Kreuzberg #Nostizstraße #Geschichte #Nazis #Krieg #Bombardierung #Augenzeugen

  • Otto Nagel: Der berühmte Berliner Maler im Porträt seiner Enkelin
    https://www.berliner-zeitung.de/open-source/otto-nagel-der-beruehmte-berliner-maler-im-portrait-seiner-enkelin-

    15.04.2024 von Salka-Valka Schallenberg - Vor 130 Jahren wurde Otto Nagel geboren. Seine Enkelin erinnert an den „zeichnenden Rabauken“ aus dem wilden Wedding.

    Der altehrwürdige Gendarmenmarkt in Berlins Mitte lockt immer wieder Touristen mit drei monumentalen Bauten: den Zwillingen Deutscher und Französischer Dom sowie dem Schauspielhaus, einem imposanten Fotomotiv. Das Theater, jetzt Konzerthaus Berlin, ein typischer Schinkel-Bau im Stil des Klassizismus, wurde 1821 eröffnet. Im Pflaster neben der Haupttreppe lässt uns Beethoven wissen: „Das ganze Berliner Publikum ist fein gebildet.“ Sieben Tafeln mit Berlin-Zitaten rahmen den Aufgang. Alle Platten sind etwas brüchig, vielleicht auch zertreten. Der Künstler Otto Nagel wird ebenfalls zitiert: „Ich habe sie schon immer geliebt, die alte Stadt; geliebt in achtungsvoller Verehrung.“

    Aber so recht passen will das nicht: Nagel malte das alte, wenig beachtete Berlin, die stillen Winkel und Gassen, wo das Volk lebte; nicht das bürgerlich-repräsentative Berlin, wie es sich am Gendarmenmarkt zeigte. Der Ehrenbürger von Berlin Otto Nagel ist ein Kind aus dem proletarischen Wedding.

    Der Vater Carl heiratet 1877 Emma Barschin aus einer Hugenottenfamilie. Eine erste Wohnung findet das Paar in der Liebenwalder Straße. Die Familie wächst, vier Söhne bis 1886. Später, in der nunmehr Wilhelminischen Ära, gesellt sich Otto dazu – 1894. Vor 130 Jahren leben in Berlin etwa 1,7 Millionen Menschen. Die Familie Nagel findet in der Reinickendorfer Straße 67 ein neues Zuhause; eine typische Mietskaserne aus der Gründerzeit um 1870.

    Mit der Geburt von Otto als siebentem Bewohner ist es sehr eng in der Wohnung. Im zweiten Hof im Parterre leben die Nagels: kein Flur, gleich geht es in die Küche. In der Berliner Stube stehen die Betten, ein Vertiko, ein Sofa und ein kleiner Tisch. Der Vater Carl hat in der zweiten Stube seine Werkstatt. Als Tischler baut er Kommoden oder repariert Stühle. Die Mutter poliert die Kommoden und singt dabei gern. Das Fenster lässt zum dunklen Hof hinausblicken. Hier wächst Otto Nagel auf.
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    Die übrigen drei Hofseiten gehen steil vier Stockwerke hinauf. Ab und an schwebt über dem Fensterbrett auf magerem Stängel eine rote Geranie. In einer solchen Mietskaserne lebt der Industriearbeiter genauso wie der Schlosser, Dreher, Bauarbeiter oder Tischler. Sonderbare Berufe gibt es genauso. So einen hat die „dicke Berta“, als stärkste Dame Norddeutschlands ist sie sonntags auf dem Rummel zu sehen.

    Aufregung im Wedding: Kneipen, Parks, Fröhliche Proletarier

    Otto, der Spätgeborene, entdeckt den Wedding. Wenige Hundert Meter entfernt ist das dörfliche Reinickendorf. Eine bunt gemischte Straße, mal eine Mietskaserne, mal ein altes Gehöft. Die Stadt in das Land hinein gebaut. Tausende Menschen wohnen hier. Man soll es kaum für möglich halten, aber einer kennt den anderen. Viele Kneipen gibt es. Nur kurz über die Straße, schon ist Otto im Lausepark. Drei Bänke laden vormittags die Penner zum Fläzen ein. Eine grüne Blechbude und fünf, sechs kümmerliche Bäume geben etwas Farbe zum tristen Grau.

    Sonntags gibt es viel Kultur. Gern besucht Otto mit der Mutter und Tante Berta Weimanns Spezialitätentheater in der Badstraße. In der Straße am Gesundbrunnen gibt es auch das Marienbad und das Bernhard-Rose-Theater.

    In Weihmanns Gaststätte mit Theaterbühne feiern die Arbeiter den 1. Mai. Man trinkt Berliner Weiße mit Schuss. Die Kinder fahren Karussell. Im Rose-Theater tritt in den Vorstellungen der alte Bernhard Rose persönlich auf. Die Stücke sind sehr volkstümlich. Oft geht es um irgendeine Ungerechtigkeit, die einem alten Handwerker geschieht. Im Arbeitertheaterverein Fröhliche Proletarier wirken die älteren Brüder mit.

    Seit seiner frühesten Kindheit malt und zeichnet Otto. Zuerst vom Fenster der Wohnung. Der Blick über das Haus hinter der Mauer mit dem blauen Himmel darüber. Dann ein Panorama der Rehberge, des allseits beliebten Volksparks. Auch den grauen Stadtrand mit den unzähligen Mietskasernen. Oft zeichnet er seine Mutter, meist wenn sie liest oder am Tisch eingenickt ist. Den Vater wagt der Junge nur zu zeichnen, wenn er schläft. Zeigt Otto seiner Mutter ein Porträt von ihr, sagt sie: „Ach Junge, so’ne alte hässliche Frau zu malen!“ In der Familie Nagel interessiert sich keiner für Ottos zeichnerische Versuche. Ein gelegentliches Lob des Zeichenlehrers und von erstaunten Schulkameraden erfreut ihn.

    Sonst ist Otto ein Weddinger Junge, der alles mitmacht. Ganz gleich, ob es Keilereien sind oder irgendwelche dummen Streiche. „Ich war also eine merkwürdige Mischung von zeichnendem Rabauken, war weder verträumt noch absonderlich“, schreibt der alte Maler rückblickend. Kaum aus der Schule ist Otto Nagel Hilfsarbeiter, mal hier, mal dort.

    In der Nazizeit gelten seine Werke als „entartet“

    1919 lernt Otto Nagel den Kunstkritiker Adolf Behne kennen. Er fördert den jungen Arbeiter. 1921, nach dem großen März-Streik fristlos entlassen und auf der Schwarzen Liste, wagt Nagel es, als freier Künstler zu arbeiten. Eine erste erfolgreiche Ausstellung ebnet den Weg. Im Sommer desselben Jahres macht sich Otto Nagel mit Zeichenutensilien im Gepäck auf die „Walz“ in Richtung Niederbayern. Ohne Staffelei und Keilrahmen. Studien in Kreide und Pastell entstehen, meist an Ort und Stelle verkauft. So füllt sich die Reisekasse wieder auf. Nagel verdient als Zeichner sein Herbergsgeld.

    Kaum zurück im Wedding ist der junge Künstler unter den Menschen, mit denen er lebt. Das Ölporträt reizt Nagel. Der Obdachlose, der ausgemergelte Arbeiter, die Ausgestoßenen, sie alle finden sich und ihre Welt in seinen Bildern wieder. Otto Nagel, die Menschen und seine Bilder sind eins. Dort, wo Kommunisten, Parteilose und vor allem Arbeitslose verkehren, im Weddinger Lokal Sängerheim, zeigt der Künstler schon 1926/27 um die hundert Arbeiten. Es ist die erste große Ausstellung mit sozialkritischen Bildern.

    In der Nazizeit gelten Nagels Werke als „entartet“. Schikanen gegen den Kommunisten folgen. Nagel wählt notgedrungen die Straße als sein Freiluftatelier. Der Theaterkritiker Herbert Ihering (1888–1977) schreibt: „Der von den Nazis verfolgte Otto Nagel setzt sich in die Hinterhöfe, in die Ecken und Winkel und malt das alte Berlin, seine Vaterstadt. Und – seltsam oder nicht – diese innere Ergriffenheit spürt man vor den Pastellen. Eine Anteilnahme, die aber niemals in ein Romantisieren und Sentimentalisieren übergeht.“ Für den Künstler ist eine Straße nie völlig leer. „Auf fast allen diesen Altberliner Pastellen sind wenig Menschen, oft nur, wie sie gerade eine Straße verlassen, dem Betrachter den Rücken zugekehrt. Und doch sprechen diese Straßen, sprechen sie Berliner Dialekt“, so Ihering.

    Die Berliner Altstadt bewahrt bis zum Krieg ihr mittelalterliches Flair. Der Künstler entdeckt in den 1940er-Jahren hier, in seinem Alt-Berlin, so vieles. Cölln, die ältere der Doppelstadt Berlin-Cölln, entstand als Fischersiedlung auf der Spreeinsel. Am Spreearm entlang führt die Friedrichsgracht. Schmale Häuser aus dem 17. Jahrhundert, das unberührte Berlin. Einst lebten hier wohlhabende Leute, später arme Menschen.

    Die Fischerstraße, wohl die älteste Straße, führt direkt zum Wasser an der Friedrichsgracht. Die schweren Holztüren aufgeschoben, geht Nagel immer wieder durch die Dielen – rechts und links durch uralte Bohlen abgestützt –, an den Treppenhäusern vorbei auf die Höfe. Direkt am Wasser liegend, ziehen sich die Höfe hin aus der Zeit, in der hier Fischer lebten und arbeiteten. Das älteste Hauszeichen in der Fischerstraße von 1604 zeigt ein lustig-krummes Wappenschild mit einem Männchen machenden Eichhörnchen. Der Blick nach oben über das Wappen erfreut den Künstler: zwei übereinanderliegende zierlich geschnitzte Holzgalerien, grüne Blätter und Rosen geben Farbtupfer. Den Eichhörnchenhof hält Nagel 1941 in einem Pastell fest. Nach dem Krieg kehrt der Maler für sein Buch „Berliner Bilder“ (1955) an den Ort zurück. Ein trauriger Anblick, vieles zerstört. Auch der Name der Straße verschwindet 1969 zugunsten der heutigen Fischerinsel.

    Bei glühender Hitze malte der 71-Jährige seinen „Abschied vom Fischerkiez III“

    Parallel zur Fischerstraße läuft die Petristraße, für Nagel die Schwesterstraße. Die schmalen, zwei bis drei Fenster breiten Häuser sind mehr als 300 Jahre alt. Ein lustiges Bild, wie diese Häuser, den Orgelpfeifen gleich immer größer werdend, sich nebeneinanderdrängen. Hier versteckt sich der wohl schönste Hof Berlins. Eine mit Wein umrankte Galerie läuft ringsum. Blumen inmitten von Kopfsteinpflaster – südliche Kleinstadtidylle. Wie oft findet der Künstler an diesem Ort ein Motiv.

    1965 kehrt Otto Nagel noch einmal zurück in sein altes Berlin, angespornt durch seine Tochter Sybille, die sich 1968 an die Episode erinnert: „Wir fuhren zur Fischerstraße. Ungefähr eine Stunde lang gingen wir durch die alten Häuser und Höfe; dann meinte er: ‚So, hier bleiben wir.‘ Und in knapp fünf Stunden, bei glühender Hitze, malte der damals 71-Jährige seinen ‚Abschied vom Fischerkiez III‘.“ Viel Raum gibt der Künstler den krummen und schiefen alten Häusern in Pastell auf grauem Papier mit gut 50 mal 60 Zentimetern. Später entsteht an dem Ort das heutige Wohngebiet Fischerinsel.

    Hier eröffnet 1973 am Märkischen Ufer 16–18 das Otto-Nagel-Haus. Einst malte der Künstler die alte Treppe in dem Baudenkmal aus dem 18. Jahrhundert. Es ist der richtige Ort für eine Stätte der Kultur im Sinne Nagels, geführt von den Erben bis Ende 1978.

    Kurz kehren die Motive der Fischerstraße, der Petristraße und der Friedrichsgracht zurück in das zur Nationalgalerie gehörende Otto-Nagel-Haus. 1994, zum hundertsten Geburtstag, zeigt das Museum 82 Werke des Malers. Ein leises Verschwinden, die Bilder sind nun in Depots gut verwahrt. Dieses Jahr wäre Otto Nagel 130 Jahre alt geworden. Eine gute Gelegenheit, sich mit seinem Werk und seinem Berlin zu beschäftigen.

    Salka-Valka Schallenberg, geboren 1972, ist die Enkelin Otto Nagels. Sie arbeitet als Journalistin. Kürzlich erschien ihr Buch „Erzähltes & Ungesagtes meiner Großeltern Walentina und Otto Nagel“ im Verlag EDITION Schallenberg.

    #Berlin #Mitte #Fischerinsel #Fischerstraße #Petristraße #Kunst #Malerei #Geschichte

  • Palästina-Demonstranten stören Rede von Claudia Roth im HKW Berlin
    https://www.berliner-zeitung.de/kultur-vergnuegen/palaestina-demonstranten-stoeren-rede-von-claudia-roth-im-hkw-berli

    Woke, woker, Bundeskultur - Platten „sichern“ und Straßen umbenennen anstelle von Kampf gegen Siedler- und Neokolonialismus heute, darum geht es bei „Claudia hat nen Schäferhund“ Roth. Kein Wunder, dass da wer protestiert.

    25.4.2024 von Susanne Lenz - Wie soll Berlin an seine Kolonialgeschichte erinnern? Am Donnerstag wurde das Erinnerungskonzept vorgestellt. Es ging nicht ohne Störung.

    Eine Feierstunde sollte es sein, mit Musik, Film, Poesie. Eine Veranstaltung, die die „Herzen öffnet“, wie es die Moderatorin sagt, performative Einbettung für die Vorstellung des Erinnerungskonzepts zu Geschichte und Folgen des Kolonialismus für Berlin. Der Gastgeber Bonaventure Ndikung, Leiter des Hauses der Kulturen der Welt, in dem die Veranstaltung stattfindet, kann noch ungestört reden. Aber kaum steht die Kulturstaatsministerin Claudia Roth auf der Bühne, geht es los: Sieben oder acht Personen mit Palästinensertüchern stürmen auf die Bühne, entrollen eine Palästinafahne und rufen „Viva, viva Palästina“ und „Genozid“.

    Koloniale Erinnerung: Bei der Vorstellung des Erinnerungskonzepts für Berlin kaperten Pro-Palästina-Protestierende zeitweise die Veranstaltung. pic.twitter.com/mXnDyAPsWT — Susanne Lenz (@LenzSusanne) April 25, 2024

    Es dauert, es gibt Applaus aus dem Publikum, auch Buhrufe. Dann gelingt es, die Protestierenden aus dem Auditorium zu führen. „Das gehört zur Demokratie“, sagt Claudia Roth, „aber zur Demokratie gehört auch Respekt.“ Dann beginnt sie mit der vorbereiteten Rede, aber sie kommt nicht weit. Die nächsten stehen auf: „40.000 Tote in Gaza, Genozid.“ Leute aus dem Publikum mischen sich ein, darum gehe es heute nicht, es gehe um afrikanische Menschen. „Die Menschen in Gaza sind auch Menschen.“

    Dann ist erstmal Ruhe, aber die Stimmung ist hin. Keine offenen Herzen, sondern Anspannung. Claudia Roth spricht von Verdrängung und Vergessen, was die deutsche Kolonialgeschichte angeht. Aber kann man das wirklich noch so sagen? In Berlin gab und gibt es doch zahlreiche Initiativen, Ausstellungen, Stolpersteine, Straßenumbenennungen. Sicher sind das Anfänge, aber die Erinnerung an die Kolonialgeschichte als „völlig weißen Fleck“ zu bezeichnen, wie Claudia Roth es tut, scheint übertrieben.

    Eine junge Frau tritt ans Rednerpult, sie wirkt, als sei sie die nächste Rednerin, stellt sich als Koreanerin vor. Sie wolle über den Kolonialismus von heute sprechen. „Siedlerkolonialismus.“ Ein aufmerksamer Tontechniker dreht den Ton ab. Sie spricht von den israelischen Siedlern im Westjordanland. Die Koreanerin wird weggeführt.
    Joe Chialo will die Wilhelmstraße 92 sichern, den Ort der „Kongokonferenz“

    Ibou Diop tritt auf. Er leitet das vom Senat geförderte Modellprojekt Dekoloniale Erinnerungskultur in Berlin, das maßgeblich für die Entwicklung des Konzepts verantwortlich ist. Ibou Diop kann kaum sprechen, er muss mehrmals Wasser trinken. „Das ist eine Veranstaltung von mir“, sagt er. Er bittet um diesen Raum. Auftritt des Berliner Kultursenators Joe Chialo. Er geht mit keinem Wort auf den Protest ein. Aber er prescht vor mit etwas Konkretem: Er wolle das Haus in der Wilhelmstraße 92 sichern.

    Das ist der Ort, an dem sich 1884/85 die Gesandten der europäischen Mächte, der USA und des Osmanischen Reichs über die Regeln für die koloniale Aufteilung und Ausbeutung des afrikanischen Kontinents verständigten. Er halte diesen Ort auch für den zentralen Lern- und Erinnerungsort zur Kolonialherrschaft geeignet, den der Bund will. Jetzt werden propalästinensische Protestplakate hochgehalten, auf denen von Schweigen und Heuchelei die Rede ist.

    Ibou Diop: „Deutschland ist nicht weiß, war nie weiß und wird auch nie weiß sein“

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    Im Folgenden wird klar: Das Erinnerungskonzept für Berlin formuliert viel Bekanntes: Straßenumbenennungen (was allerdings Sache der Bezirke ist), Markierung der authentischen Orte durch vielfältige Erinnerungszeichen, dezentrale Erinnerungsorte, Gedenkveranstaltungen, Bildung. Einiges bleibt abstrakt: Was etwa ist mit der Dekolonisierung von Machtstrukturen an bestimmten Orten gemeint? Das Konzept ist im erst Werden, das hat ein Projekt, an dem zahlreiche zivilgesellschaftliche Akteure beteiligt sind, vielleicht einfach an sich.

    #Berlin #Mitte #Wilhelmstraße #Geschichte #Kongokonferenz #Kultur #Politik