• Halten und Parken – was ist erlaubt, was ist verboten?
    https://taxi-times.com/halten-und-parken-was-ist-erlaubt-was-ist-verboten

    6.3.2024 von Remmer Witte - Taxi- und Mietwagenchauffeure bewegen sich alltäglich in einer Grauzone, denn der Vorgang des Be- und Entladens von Fahrgästen oder Kuriergut erfordert oft doch noch einen Moment länger.

    Eigentlich ist das Be- und Entladen zwar klassisch ein Halte- und kein Parkvorgang, doch wenn die angebotene Dienstleistung länger dauert, klebt manchmal ruckzuck ein Knöllchen hinterm Scheibenwischer. Die gute Nachricht zum Thema: Die Protagonisten des mobilsten Gewerbes der Welt dürfen hier manchmal doch noch einen Tick mehr als die Normalsterblichen. Was geht also, was definitiv nicht?

    Im Volksmund und auch nach der Vorgehensweise vieler Ordnungskräfte gibt es eigentlich nur eine Regel: Steht ein Auto am Fahrbahnrand, so hält es maximal drei Minuten, danach parkt es. Aus Sicht der Ordnungsbehörden sind solch klare Regelungen notwendig, denn ansonsten verkäme die Kommunikation zwischen Knöllchengeber und Knöllchennehmer zum Diskutierclub. Aber – wir sind in Deutschland – eigentlich ist es viel komplexer, und gleichzeitig schwindet die Toleranz gegenüber Falschparkern immer mehr. Also sollten sich gerade „Berufshalter“ wie Taxi- und Mietwagenfahrer ganz genau mit den diesbezüglichen Regeln auskennen.

    Dies gilt besonders, da Parkverstöße seit November 2021 deutlich schärfer bestraft werden können und sogar zu Punkten in Flensburg führen. Dies gilt zwar nur für Verstöße, die die Sicherheit des Straßenverkehrs gefährden, aber dazu gehört auch die Gefährdung von Fußgängern und Radfahrern. Der Bußgeldkatalog widmet der Aufstellung der Bußgelder für falsches Halten und Parken etliche Seiten, deswegen hier nur ein Verweis.

    Zunächst ist deswegen die Definition des Haltens notwendig: Als Halten bezeichnet man eine kurze, freiwillige Unterbrechung der Fahrt. Freiwillig bedeutet, dass diese nicht durch die Verkehrslage, Schilder, Ampeln oder Polizisten verursacht wird. Wer in einem Stau oder vor einer roten Ampel anhält, hält also nicht, sondern wartet. Und auch wer wegen einer Panne nicht weiterfahren kann, hält nicht, sondern bleibt liegen. Das freiwillige Halten ist darüber hinaus an engen und an unübersichtlichen Straßenstellen, im Bereich von scharfen Kurven, auf Einfädelungs- und auf Ausfädelungsstreifen, auf Bahnübergängen und vor und in Feuerwehrzufahrten verboten, auch wenn dies nicht explizit so ausgeschildert ist. Auf Geh- und Radwegen sowie den durch eine durchgezogene Linie abgeteilten Radfahrstreifen auf der Fahrbahn dürfen Autos ebenfalls nicht halten.

    Gemäß Straßenverkehrsordnung (StVO) gibt es für die verbleibenden Flächen das generelle Halteverbot, Schild Nr. 283, landläufig als Parkverbot bezeichnet, und das eingeschränkte Halteverbot, welches das Halten zum Zweck des Be- und Entladens gestattet, ggf. ausgewiesen durch Schild Nr. 286. Weiter definiert die StVO dann: Wer ein Fahrzeug führt, darf nicht länger als drei Minuten auf der Fahrbahn halten, ausgenommen zum Ein- oder Aussteigen oder zum Be- oder Entladen. Ladegeschäfte müssen ohne Verzögerung durchgeführt werden.

    Wie lange man also freiwillig halten darf, ist gesetzlich nicht klar geregelt, sondern nur der Rechtsprechung zu entnehmen. Nach der Rechtsprechung soll z. B. das Warten auf einen Fahrgast über drei Minuten hinaus zulässig sein, wenn nach der mit diesem Fahrgast getroffenen Vereinbarung zu erwarten ist, dass er in Kürze erscheint. Selbst, wenn der Fahrgast dann nicht erscheint, soll kein Verstoß vorliegen. Entscheidend ist letztendlich ausschließlich die Zweckbestimmung des Haltens, wobei es nicht darauf ankommt, ob dieser Zweck auch tatsächlich erreicht wird (Bayer. Oberstes Landesgericht, DAR 1979, 198-199 – hier ging es um ein Halten von ca. fünf bis sechs Minuten, ohne dass die Ehefrau des Fahrers am verabredeten Ort erschien).

    Ebenso soll das Halten über drei Minuten hinaus zulässig sein, wenn zum Aussteigenlassen noch unvermeidbare Nebenverrichtungen gehören, z. B. das Verbringen eines Kindes in den Kindergarten. (KG Berlin VRS 59, 230 – 233) Aber: Das Mitgehen des Fahrers zum Bahnhof ist nach OLG Karlsruhe z. B. nicht zulässig. Außerdem zu beachten ist, dass ein Halten zum Zweck des Be- oder Entladens grundsätzlich nur zulässig ist bei Gegenständen von einiger Größe oder einigem Gewicht. Ein Tragen über eine längere Strecke darf daher nicht zumutbar sein. (OLG Karlsruhe VM 75, 21 KG VRS 33, 314). Im geschäftlichen Lieferverkehr ist aber auch das Be- oder Entladen leichterer Gegenstände zulässig. Allgemeingültige Aussagen dazu, ob gehalten oder geparkt wird, können somit also gar nicht getroffenen werden, da es letztlich immer um Einzelfälle geht. Allgemein gilt aber: Je stärker der übrige Verkehr durch das haltende Fahrzeug beeinträchtigt ist, desto eher ist vom Fahrzeugführer zu verlangen, dass er von einem (weiteren) Halten Abstand nimmt.

    Aber wo sind die Lücken für das mobile Gewerbe? Taxen dürfen gemäß StVO in zweiter Reihe halten, wenn die Verkehrslage es zulässt, denn sie dürfen neben anderen Fahrzeugen, die auf dem Seitenstreifen oder am rechten Fahrbahnrand halten oder parken, Fahrgäste ein- oder aussteigen lassen. Hier ist allerdings zu beachten, dass das Fahrzeug nicht verlassen werden darf und die Regelung auch nicht für Mietwagen, sondern explizit nur für Taxen gilt. Des Weiteren finden sich Hinweise auf minimale Sonderrechte in der Rechtsprechung: „Der Vorgang des Parkens zeichnet sich durch das Halten und Verlassen eines Fahrzeugs auf unbestimmte Zeit aus. Dieser kann neben der Handlung des Ein- und Aussteigens auch geringe Nebenverrichtungen, so z. B. das Warten auf Fahrgäste umfassen, solange dies nicht länger als wenige Minuten dauert. Die Benachrichtigung sofort zum Einsteigen bereiter Fahrgäste ist als Halte- und nicht als Parkvorgang zu werten. Ebenso sind Zimmernachfragen oder der Vorgang des Gepäckausladens zu werten. Ist mit dem Erscheinen des Fahrgastes in Kürze zu rechnen, so darf das Warten auf ihn über drei Minuten hinaus – auch zum Abholen aus einer Wohnung – ausgedehnt werden, ohne dass geparkt wird. (OLG Hamm VRS 36, 77, OLG Frankfurt NJW 52, 675, Bayrisches OLG VRS 57, 140, Kommentierung bei Hentschel, Straßenverkehrsrecht, 38. Auflage).“

    Wer solche Möglichkeiten ausreizen will, sollte aber immer darauf achten, dies so unauffällig und elegant wie möglich zu bewerkstelligen. Denn wer hier auffällt oder sich rechthaberisch verhält, der wird schnell zur Ordnung gerufen werden. Wer also nur dort hält, wo das Halten nicht verboten ist, der darf dort auch das Fahrzeug verlassen, um sich kurz an der Hotelrezeption, in der Arztpraxis oder der Krankenhausinformation zu melden oder das Kuriergut abzugeben, selbst, wenn dies vielleicht sechs Minuten dauert (danach dürfte es kritisch werden). Die Unterstützung von Fahrgästen, insbesondere Patienten, wird jedoch schnell zum Risiko, solange man sich nicht mehr im direkten Sichtbereich des Fahrzeugs aufhält. Dafür darf man beim Halten zum Be- und Entladen in engen Seitenstraßen aber auch mal ganz kurz den Verkehr blockieren, eine Einfahrt blockieren oder an größeren Straßen in zweiter Reihe halten, ohne dass gleich ein Ticket riskiert wird, auch wenn andere Verkehrssteilnehmer nicht begeistert sein werden. rw

    #Deutschland #Taxi #Recht #Rechtsprechung #Verkehr #StVO #Halten #Parken

  • Berlinale: Bloß keinen Ärger mit den Rechtsextremen
    https://www.telepolis.de/features/Berlinale-Bloss-keinen-Aerger-mit-den-Rechtsextremen-9621036.html


    Pressekonferenz, Berlinale 2024, 22. Januar. Bild: Elena Ternovaja / CC BY-SA 3.0 Deed

    Die Leitung der Berlinale hat kein Verständnis für den gesellschaftlichen und politischen Kontext in dem sie agiert. Das zeigt ihr Umgang mit den Anliegen der Berliner Taxifahrer und nun an den Einladungen für hochrangige Politiker der AfD. Das TaxiFilmFest als Grassroot-Veranstaltung hat es da leichter. In den Zuschauerraum dürfen nur Freunde und Freunde von Freunden, immer acht auf einmal, und das gilt auch für Freundinnen. Die gehören mit Sicheheit nicht zum rechten Pack. Das TaxiFilmFest ist garantiert nazifrei.

    7.2.2024 von Rüdiger Suchsland - Provokation: Filmfestival hofiert AfD und beweist: Die Demokratie ist nicht wehrhaft. Es gäbe viele Möglichkeiten, das Problem zu lösen. Kommentar.

    „Wie kann man in Deutschland eine Revolution niederschlagen? Indem man eine rote Ampel vor das Parlament stellt.“

    Es ist dieser alte, durchaus etwas abgehangene Witz, der auch hier wieder vollkommen zutrifft: Eine unzweideutige Haltung gegenüber den Antidemokraten und Faschisten von der AfD scheitert an formaljuristischen Einwänden, an Bürokratie und an falscher Nachsicht.

    Das neueste Beispiel dieser schlechten Charaktereigenschaften und der praktischen Schwächen unserer demokratischen Verhältnisse bietet gerade die Berlinale, die ohnehin von vielen internen Querelen gebeutelten „Internationalen Berliner Filmfestspiele“. Kommende Woche wird die 74. Ausgabe dieses größten und einstweilen noch wichtigsten deutschen Filmfestivals eröffnet.

    Zu der Eröffnungsgala sind mehrere AfD-Parlamentarier des Bundestags und des Berliner Abgeordnetenhauses eingeladen worden – der Bund und das Land Berlin sind Träger und mit einem Gesamtanteil von rund 40 Prozent am Etat öffentlicher Geldgeber des Festivals.
    Widerstand gegen formalistische Praxis

    Gegen diese Einladungen gibt es seit vergangener Woche massiven und wachsenden öffentlichen Widerstand. Dies kann eigentlich niemanden überraschen – nur die Berlinale hatte damit aber offenbar nicht gerechnet.

    Selber schuld, und zwar doppelt: Die Einladungen wären vermeidbar gewesen, und auf den jetzigen Shitstorm hätte man sich einstellen müssen. Sich zu wundern, ist mindestens sehr naiv.

    Das Ergebnis ist „ein PR-Desaster“, wie jetzt der Deutschlandfunk treffend kommentierte.

    Das Netz vergisst nie

    Auslöser des Streits war wieder mal ein offener Brief: Der kursierte seit vergangenem Freitag eine Weile im Netz, ist aber inzwischen verschwunden. Offenbar fehlten einigen unter den woken Unterzeichnern unter all den „Jews, women, members of the BIPOC, LGBTI+, disabled, Roma and Sinti, or Jehovah’s Witness communities“ die Palästinenser?

    Aber wer gut sucht, kann ihn noch finden, seine Spuren ohnehin. Denn das Netz vergisst nie und am vergangenen Samstag, als der Brief noch online war, berichteten längst alle relevanten internationalen Branchendienste darüber.

    Zuerst die Publikation Deadline, wo auch die Namen von rund 200 Unterzeichnern veröffentlicht wurden, dann auch Variety und der Hollywood Reporter.
    Würde die Berlinale auch Adolf Hitler einladen?

    In einer an The Hollywood Reporter gesendeten Erklärung behauptet die Berlinale in einem Versuch der Schadensbegrenzung, dass das Festival-Protokoll darin bestehe, „demokratisch gewählte“ Politiker einzuladen.

    Alle eingeladenen AfD-Abgeordneten wurden bei den letzten Wahlen entweder in den Bundestag oder das Berliner Abgeordnetenhaus gewählt. „Entsprechend sind sie auch in politischen Kulturgremien und anderen Gremien vertreten. Das ist eine Tatsache, und wir müssen sie als solche akzeptieren“, sagte das Festival.

    Genau diese Behauptung der Berlinale muss man bestreiten. Ein Protokoll ist kein Dogma, es lässt sich ändern.

    Sehr wohl stellt sich umgekehrt die Frage, was denn eigentlich erst passieren muss, damit die Berlinale ihr Protokoll ändert? Was wäre, würde Adolf Hitler heute noch leben? Ein „demokratisch gewählter Politiker“, oder? Würde man ihn einladen? Vermutlich.

    Und wer jetzt darauf verweist, dass das „doch ganz andere Umstände und Zeiten“ waren, könnte man erwidern, er habe beim Geschichtsunterricht nicht aufgepasst. Oder was tut die Berlinale, damit diese Zeiten und Umstände nicht wiederkommen?
    Selbstlähmung von Demokratien

    Der Rückzug aufs Formaljuristische und ein Einladungsprotokoll, das für entspannte liberale Zeiten, aber nicht für Kulturkämpfe zwischen autoritären und demokratischen Parteien entstanden ist, ist de facto eine Kapitulationserklärung von Demokraten.

    Sie belegt zwei Dinge: den fehlenden Instinkt der Berlinale. Und die Gefahr der Selbstlähmung von Demokratien, wenn demokratische Verfahren zum Fetisch und Selbstzweck werden.

    Der ganze Vorgang der formaljuristisch korrekten, politisch fatalen Einladung für Faschisten ist in Zeiten, in den viel von Übergriffen die Rede ist, natürlich selbst ein Übergriff – ein Übergriff auf der politisch-symbolischen Ebene.

    Und er ist ein Schlag ins Gesicht all jener, die mit weitaus weniger institutioneller Stützung und Hilfe als die Berlinale sie hat, und die mit weitaus weniger finanziellem Polster und politischen Backup heute tagtäglich gegen Rechtsextremismus demonstrieren.
    Schwächen der Kritik

    Der Offene Brief, der am Freitagabend veröffentlicht wurde, ist selbst ein Schnellschuss, der sowohl in manchen Formulierungen und inhaltlichen Exzessen, als auch im emotionalen, empörten Grundtenor, der durchdrehenden Rhetorik das Anliegen selbst eher beschädigt.

    Er wurde von vielen Leuten unterzeichnet. Etwa die Hälfte von ihnen sind Deutsche, andere kommen vor allem aus den USA, Großbritannien und anderen Teilen Europas. In dem Brief heißt es, die Einladung an AfD-Politiker sei „unvereinbar“ mit dem „Code of Conduct“ der Berlinale, „ein Ort der ’Empathie, des Bewusstseins und des Verständnisses’ zu sein“.

    Zugleich ist der Offene Brief aber auch zum Teil selbst sehr schrill formuliert und ebenso wie der Bericht auf Deadline ein Beispiel dafür, wie Konsens-Anliegen und Positionen der demokratischen Mehrheitsgesellschaft von der extremen Linken und in diesem Fall manchen erklärten Feinden der deutschen Kulturszene und ihrer Institutionen erwartungsgemäß instrumentalisiert werden.

    Deadline framed das Ganze in sehr einseitiger Weise, und spricht zum Beispiel fehlerhaft von „einem staatlich finanzierten Festival“ obwohl die Berlinale 60 Prozent ihres Etats selbst erwirtschaften muss.

    Fragwürdig sind auch bestimmte Formulierungen des Offenen Briefs, etwa jene:

    Die Einladungen ... sind ein weiteres Beispiel für das feindselige und heuchlerische Umfeld, mit dem Kunst und Kultur in Berlin und Deutschland konfrontiert sind. (...)

    Wir weigern uns, zu normalisieren oder rechten Politikern die Teilnahme an unseren Räumen zu erlauben.

    Im Ernst? Und wer ist das „wir“, dem die Räume gehören?

    Die Unterzeichner sind zugegeben meist eher Leute aus der dritten und vierten Reihe, wenn man mal von zwei, drei Namen, absieht, die unter ziemlich vielen Offenen Briefen der letzten Monate zu finden sind – etwa Candice Breitz, die längst nicht über alle Zweifel erhabene, südafrikanische Künstlerin und BDS-Unterstützerin. Aber auch deutsche Kuratoren finden sich auf der Liste.

    Das alles entschuldigt nicht das törichte Verhalten des Festivals, relativiert allerdings die Kritik an ihm.
    Was könnte die Berlinale jetzt tun?

    Was könnte die Berlinale denn tun? Eigentlich ist es gar nicht so schwer.

    Hier könnte ein maßvoll und konsensuell, nicht spalterisch formulierter offener Brief Wunder tun: Man könnte hier alle anderen demokratischen Parteien auffordern, auf ihren Sitz bei der Berlinale-Eröffnung öffentlich zu verzichten und ihre Einladung zurückzugeben.

    Das würde die Berlinale von dem angeblichen Zugzwang befreien, alle „demokratisch gewählten“ Parteien einladen zu müssen. De facto muss sie nämlich gar nicht die Mitglieder des Parlaments einladen, genauso wenig wie die Mitglieder des Verfassungsgerichts.

    Sie hat es nur bisher getan. Einladen muss sie allenfalls die Mitglieder der jeweiligen Regierung, an der die AfD ja nicht beteiligt ist. Also nur die erste Gewalt. Juristisch gesprochen, weil sich die Berlinale ja auf eine juristische Position zurückzieht.

    Vielleicht kommen die demokratischen Politiker ja auch von selber drauf.

    Oder die Berlinale traut sich noch, selbstständig zu handeln. Andere Institutionen machen es vor und entscheiden selbst, wen sie einladen. Das Prozedere, dass die Berlinale beschreibt, gehört der Vergangenheit an und ist unzeitgemäß. Tatsächlich hat man bei der Berlinale nicht daran gedacht, umzudenken.

    #Berlin #Taxi #AfD #Rechte #Berlinale #TaxiFilmFest

  • Die Methode Böhmermann: Wieso führte Correctiv die Recherche als szenische Lesung auf?
    https://www.berliner-zeitung.de/politik-gesellschaft/die-methode-boehmermann-wieso-fuehrte-correctiv-die-recherche-als-s

    Politik als Spektakel in der Gesellschaft des Spektakels.
    So geht’s offenbar.

    6.4.2024 von Nathan Giwerzew - Theateraufführungen sind von der Kunstfreiheit gedeckt. Hat Correctiv den „Geheimplan gegen Deutschland“ deshalb auf die Bühne gebracht? Jetzt kommen neue Details ans Licht.

    Der Saal ist bis auf den letzten Platz besetzt. Schauspieler des Berliner Ensembles und des Wiener Volkstheaters führen den „Geheimplan gegen Deutschland“ als szenische Lesung auf.

    Teilnehmer des Treffens in Potsdam Ende November – darunter Politiker von AfD, CDU sowie der rechtsextreme Aktivist Martin Sellner – werden zu Bühnenfiguren verfremdet. Die Schauspieler lesen ihren Text vom Blatt ab, auf Zuschauer wirkt die Inszenierung wie kurzfristig auf die Beine gestellt.

    Den zugrunde liegenden Recherchetext hatte Correctiv erst eine Woche zuvor veröffentlicht. Kernthema des Artikels: Martin Sellner, der Kopf der Identitären Bewegung, hält im Potsdamer Landhaus Adlon einen Vortrag. Es soll ihm und seinen Zuhörern um die „Remigration“ von Menschen mit Migrationshintergrund gegangen sein – Correctiv übersetzt dieses Konzept mit „millionenfacher Vertreibung“.

    Nur wenige Stunden nach Erscheinen der Recherche am 10. Januar gibt das Berliner Ensemble auf dem Kurznachrichtendienst X bekannt: Der „Geheimplan“ soll in einer Koproduktion des Berliner Ensembles und des Volkstheaters Wien am 17. Januar als szenische Lesung aufgeführt werden.

    Correctiv-Recherche im Berliner Ensemble: Investigativ-Journalismus, der sich blamiert

    Sprecherin: Aufführungsdatum hatte „logistische Gründe“

    Jetzt kommt heraus: Der künstlerische Direktor des Wiener Volkstheaters, Kay Voges, wusste seit Ende Dezember von der Correctiv-Recherche. Das teilte eine Sprecherin des Volkstheaters der Berliner Zeitung auf Anfrage mit. Er habe „bereits während seiner Zeit in Dortmund und auch am Volkstheater“ mit Correctiv zusammengearbeitet, so die Sprecherin weiter. Der Kontakt zum Berliner Ensemble sei „vor dem Hintergrund der Geschichte, geografischen Lage und Tradition des Hauses“ ebenfalls über Voges gelaufen. Dieser inszeniere „seit einiger Zeit regelmäßig“ beim Berliner Ensemble.

    Auffällig: Laut Sprecherin hatten die Schauspieler nur einen Tag, um das Skript einzustudieren. „Die Proben begannen am 16. Januar“, heißt es auf Anfrage. Für den zeitlichen Abstand zwischen der Veröffentlichung der Correctiv-Recherche und der szenischen Lesung führt die Sprecherin „logistische Gründe“ an. Man habe erst Anfang Januar mit der Ausarbeitung des Theaterskripts begonnen, teilt sie mit, das Skript habe erst zu Probenbeginn gestanden. Darin will sie jedoch nichts Ungewöhnliches erkennen: Dass die Schauspieler nur einen Tag zum Proben hatten, entspreche „theaterüblichen Abläufen“ für Lesungen „dieser Art, Größe und Tagesaktualität“. Insgesamt habe man drei Proben angesetzt.

    Mitautor Jean Peters: „Wir riefen zu Straftaten auf“

    Eine Person ist im Kontext der szenischen Lesung besonders pikant: Jean Peters, nach eigenen Angaben seit 2022 für Correctiv tätig. Er wird sowohl in der Autorenliste der Correctiv-Recherche als auch des Skripts für die szenische Lesung am Berliner Ensemble aufgeführt.

    Zuletzt hatte ihn das ARD-Magazin „Kontraste“ interviewt. „Wir hatten einen Reporter vor Ort. Der hat dort übernachtet und der hat beobachten können, wer reinkam, wer rausging“, so Peters in der „Kontraste“-Sendung. Weiter heißt es über die Teilnehmer des Potsdamer Treffens: „Die waren verunsichert und haben gefragt: Was macht denn da der Fremde im Raum?“ Was auffällt, ist der Detailreichtum seiner Schilderungen. Zur Identität des Correctiv-Reporters macht er jedoch keine Angaben.

    Bis 2021 war Jean Peters als Aktionskünstler im Künstlerkollektiv Peng aktiv. Er habe mit seinen Aktionen „in das politische und ökonomische Geschehen“ interveniert, schreibt er auf seiner Website. Es sei dem Kollektiv darum gegangen, „Strategien zu entwickeln, um Aufmerksamkeit zu erregen und dadurch den gesellschaftlichen Diskurs anzuregen und so zum Wandel beizutragen“.

    So habe das Kollektiv unter anderem zu „Straftaten“ aufgerufen, „die zu sozialer Gerechtigkeit beitragen sollten“ – wie etwa zu „Diebstahl in Supermärkten“ oder zu „innereuropäischer Fluchthilfe“. Und Peters erklärt weiter, diese Aktionen habe man meistens mit Kooperationspartnern „wie Theatern, NGOs oder Kunstbiennalen“ entwickelt, „finanziert durch Spenden oder Stiftungen“.

    Torte auf Beatrix von Storch und Arbeit für Böhmermann

    Eine Aktion findet jedoch auf seiner Website keine Erwähnung: „Tortaler Krieg“. So nannte das Peng-Kollektiv den Tortenanschlag auf die AfD-Politikerin Beatrix von Storch, den Jean Peters 2016 im Clownskostüm ausgeführt hatte. Die Aktion sei sicher nicht „der ästhetischste Moment“ in seiner künstlerischen Karriere gewesen, sagte Peters damals der Berliner Zeitung.

    Vor seiner Zeit bei Correctiv arbeitete Peters für mehrere Jahre bei Jan Böhmermanns „ZDF Magazin Royale“. Böhmermann kombiniert in seiner Sendung unterhaltende Elemente mit Recherchen, die mitunter politisch heikel sein können. Und er ist dafür bekannt, dass er jegliche Kritik an seinen Methoden ablehnt, indem er auf die Freiheit der Kunst verweist: Seine Sendung begreift er nicht als politisches Format, sondern als Satire.

    Während seiner Tätigkeit für Böhmermann stellte Peters 2019 den Kontakt zum Privatdetektiv Julian Hessenthaler her, der ein kompromittierendes Video des FPÖ-Politikers Hans-Christian Strache angefertigt und an mehrere Medien durchgestochen hatte. Für Strache war dies das Ende seiner politischen Karriere.

    Die Berliner Zeitung wollte jetzt vom Wiener Volkstheater wissen, inwiefern Jean Peters dem Regisseur Kay Voges bei der Abfassung des Theaterskripts geholfen hatte. Es habe sich um ein „gleichberechtigtes Autorenkollektiv“ gehandelt, antwortet die Sprecherin vage, „das den Text gemeinsam verfasst hat und verantwortet“. Die „finale Textfassung, die zum Download bereitsteht“, sei „während des Probenprozesses mit den Schauspielern“ entstanden. Zu Jean Peters’ konkreter Rolle machte sie keine Angaben.

    Rechercheergebnisse wollte man „breit vermitteln“

    Doch auch ein anderes Detail springt ins Auge. Aufmerksamen Lesern wie dem rechten Blogger Alexander Wallasch war schon früh aufgefallen, dass die Correctiv-Recherche selbst wie ein Theaterstück strukturiert ist. „Der Artikel ist aufgemacht wie ein Theaterstück“, schrieb er kurz nach der Veröffentlichung der Recherche.

    Tatsächlich leitet ein Prolog den Text ein, drei nach Szenen unterteilte Akte führen durch die Recherche und ein Epilog schließt sie ab. Correctiv rechtfertigt diese Erzählweise damit, dass man sich dadurch eine stärkere Wirkung auf die Leser erhofft habe – so zumindest die stellvertretende Correctiv-Chefredakteurin Anette Dowideit in einem Podcast von Übermedien.

    Warum man aus der ohnehin schon theatralisch strukturierten Recherche zusätzlich eine szenische Lesung gemacht hat? Auf Anfrage der Berliner Zeitung teilt das Wiener Volkstheater mit: Ziel der szenischen Lesung sei gewesen, die Debatte über die Rechercheergebnisse von Correctiv „nicht auf Presse, Politik oder soziale Medien zu begrenzen und möglichst breit gesellschaftlich zu vermitteln“.

    Correctiv hat inzwischen eigene FAQ zum Theaterstück eingerichtet, auf welche das Rechercheportal auch auf Anfrage verweist. Dort ist als Begründung lediglich zu lesen: „Theater ist Debatte. Kunst ist politisch. In Deutschland hat politisches Theater eine lange Tradition.“

    Auf Vorwürfe, wonach Correctiv vor allem aus juristischen Gründen auf das Medium Theater zurückgegriffen habe – für die Äußerungen fiktiver Figuren gilt Kunstfreiheit – wird im FAQ-Katalog von Correctiv schlichtweg nicht eingegangen. Inzwischen haben nach Informationen der Rechtszeitschrift juve zwei Teilnehmer des Potsdamer Treffens Correctiv abmahnen lassen.

    Kritik an szenischer Lesung? Berliner Ensemble sagt dazu nichts

    Auch andere Theater im deutschsprachigen Raum haben derweil den „Geheimplan gegen Deutschland“ inszeniert oder eine Aufführung angekündigt. Laut Berliner Ensemble stieß das Theaterstück in verschiedenen Schauspielhäusern auf reges Interesse: „Der Text ist seit dem 17. Januar öffentlich verfügbar, auch wir haben über unsere Kanäle darauf hingewiesen und bieten ihn zum Download an“, teilt eine Sprecherin mit.

    Neben begeisterten Theaterrezensionen wurde nach der Aufführung des „Geheimplans gegen Deutschland“ jedoch auch Kritik laut. Welt-Journalist Deniz Yücel etwa sprach auf dem Kurznachrichtendienst X von einer „kulturindustriellen Verramschung des Politischen plus der narzisstischen Selbstüberhöhung von Journalisten“. Was das Berliner Ensemble dazu sagt? „Nichts“, so die Sprecherin.

    #Berlin #Wien #Politik #Theater #Rechtsextremismus

  • Duden | Straßennamen
    https://www.duden.de/sprachwissen/rechtschreibregeln/strassennamen

    Für die Schreibung der Namen von öffentlichen Straßen, Plätzen, Brücken u. Ä. gelten im Allgemeinen dieselben Regeln wie für sonstige Namen. Abweichende Einzelfestlegungen durch die jeweils zuständigen Behörden kommen jedoch vor.

    D 161
    Das erste Wort eines Straßennamens wird großgeschrieben, ebenso alle zum Namen gehörenden Adjektive und Zahlwörter <§ 60 (2.2)>. (Vgl. auch D 87. https://www.duden.de/sprachwissen/rechtschreibregeln/Gro%C3%9F-%20und%20Kleinschreibung#D87)

    Zum Beispiel

    – Im Trutz
    – Am Alten Lindenbaum
    – Kleine Bockenheimer Straße
    – An den Drei Tannen
    – Von-Repkow-Platz

    D 162
    1. Zusammengesetzte Straßennamen schreibt man zusammen <§ 37 E2>.

    Zum Beispiel
    – Bahnhofstraße, Rathausgasse, Bismarckring, Beethovenplatz, Schlossallee
    – Neumarkt, Langgasse, Hochstraße
    (Aber bei dekliniertem (gebeugtem) Adjektiv: Neuer Markt, Lange Gasse, Hohe Straße)

    2. Getrennt schreibt man jedoch, wenn eine Ableitung auf -er von einem Orts- oder Ländernamen vorliegt <§ 38, 49 E>.

    Zum Beispiel
    – Leipziger Straße, Am Saarbrücker Tor, Thüringer Platz, Kalk-Deutzer Straße, Bad Homburger Weg oder Bad-Homburger Weg (vgl. D 145 https://www.duden.de/sprachwissen/rechtschreibregeln/namen#D145)
    (Aber, da keine Ableitungen, sondern selbst auf -er endende Orts-, Völker- oder Familiennamen: Drusweilerweg, Römerplatz, Herderstraße)

    3. Straßennamen, die mit mehrteiligen Namen zusammengesetzt sind, schreibt man mit Bindestrichen <§ 50>.

    Zum Beispiel
    – Georg-Büchner-Straße, Kaiser-Friedrich-Ring, Van-Dyck-Weg, E.-T.-A.-Hoffmann-Straße, Carl-Maria-von-Weber-Allee, Berliner-Tor-Platz, Am St.-Georgs-Kirchhof, Bad-Kissingen-Straße, Sankt-Blasien-Weg, Bürgermeister-Dr.-Meier-Allee

    📙 In der Schweiz werden Straßennamen, die die Ableitung eines geografischen Namens auf -er enthalten, zusammengeschrieben. (Vgl. auch Erläuterung zu D 64. https://www.duden.de/sprachwissen/rechtschreibregeln/getrennt-und-zusammenschreibung#D64)

    Zum Beispiel
    – Zürcherallee
    – Engadinerweg
    – Hottingerplatz

    D 163
    Bei der Zusammenfassung mehrerer Straßennamen setzt man einen Ergänzungsstrich, wenn ein Teil einer Zusammensetzung eingespart wird <§ 98>.

    Zum Beispiel
    – Ecke [der] Motz- und Kleiststraße
    – Ecke Motz-/Kleiststraße
    – Ecke [der] Motz- und Ansbacher Straße
    – Ecke Motz-/Ansbacher Straße
    – Ecke [der] Motz- und Albrecht-Dürer-Straße
    – Ecke Motz-/Albrecht-Dürer-Straße
    – Ecke [der] Albrecht-Dürer- und Motzstraße
    – Ecke Albrecht-Dürer-/Motzstraße
    – Ecke [der] Ansbacher und Motzstraße

    #Rechtschreibung #Straßennamen

  • »Manches offene Wort geführt«
    https://www.spiegel.de/politik/manches-offene-wort-gefuehrt-a-a88a5842-0002-0001-0000-000013496025

    Der Napoleon von #Lummerland starb 2019.

    3.9.1989 Der Generalbundesanwalt muß mögliche strafrechtliche Folgen einer sorgsam vertuschten Spionageaffäre prüfen: Der ehemalige Berliner Bürgermeister und Innensenator Heinrich Lummer, zeitweise einer der bestinformierten Politiker des Westens, verschwieg lange Zeit private Beziehungen zu einer jungen DDR-Agentin.

    Im Rathaus Schöneberg floß der Schampus. Heinrich Lummer, Stimmungskanone und damals Berliner Innensenator, feierte am 21. November 1982 seinen 50. Geburtstag mit einem feuchtfröhlichen Empfang. »Heinrich fürs Grobe«, wie der rechte Christdemokrat auch von Parteigängern genannt wird, genoß die Gratulationscour, zu der Freund und Feind angetreten waren.

    Unter den Präsenten fand Lummer auch einen üppigen Blumenstrauß aus Ost-Berlin, dem eine Glückwunschkarte beigefügt war. Die Botschaft kam von »Susanne, Micha und W. Lindner«, die ihre »Hoffnung auf ein persönliches Wiedersehen in Nah und Fern« ausdrückten und dem CDU-Politiker »Gesundheit und Mut für unsere weitere Partnerschaft« wünschten.

    Lummer allein wußte, was die Ost-Post in Wahrheit bedeutete: eine verschlüsselte Pression. Absender des Blumengrußes waren Spitzenspione des Ost-Berliner Ministeriums für Staatssicherheit (MfS), die dem Innensenator und obersten Chef des West-Berliner Geheimdienstes deutlich machen wollten, daß ihn die DDR politisch in der Hand habe - aufgrund intimer Lummer-Eskapaden mit einer Ost-Berliner Agentin, durch die der Christdemokrat sich erpreßbar gemacht hatte.

    Die Liebesgrüße vom MfS sind das wohl bizarrste Detail einer Spionageaffäre, die zumindest in der Geschichte der CDU ohne Beispiel ist und die den Berliner Christdemokraten ebenso peinlich sein muß wie die jahrelange Kette von Schmierfilz-Skandalen und Immobilienschiebereien örtlicher Unionsfreunde.

    In der geteilten Stadt, die auch nach dem Ende des Kalten Krieges weiterhin Hochburg internationaler Spionageaktivitäten und Kulisse ungezählter Polit-Thriller war, lief über Jahre eine östliche Geheimdienstoperation ab, wie sie sich Frederick Forsyth, John Le Carre oder andere Romanautoren kaum skurriler hätten ausdenken können.


    Klaus-Rüdiger Landowsky
    https://de.wikipedia.org/wiki/Klaus-R%C3%BCdiger_Landowsky

    Die Verquickung von Frauengeschichten und Politik im Fall Lummer erinnert ein wenig an den Skandal, den der britische Kriegsminister John Profumo 1963 seinem konservativen Kabinett bescherte: Der Politiker stürzte über eine Liebschaft mit dem rothaarigen Callgirl Christine Keeler, das von einem kommunistischen Masseur betreut wurde. Getroffen hatte sich Profumo mit seiner Mätresse in einer Wohnung, in der auch ein Agent des sowjetischen Militärgeheimdienstes verkehrte.

    In der jahrelang sorgsam vertuschten Affäre Lummer figurieren, neben West-Berlins einstigem Bürgermeister, eine offenbar betörende DDR-Spionin und ihre Führungsoffiziere im Stasi-Ministerium, ferner ein ranghoher Ost-Berliner KGB-Resident, der westdeutsche Generalbundesanwalt Kurt Rebmann und, am Rande, auch der derzeitige Bundespräsident und einstige Berliner Stadtregent Richard von Weizsäcker.

    Schauplätze sind die Bürgermeisterräume im Schöneberger Rathaus und die zerschossenen Bürgerkriegsstädte des Libanon, die Büros des West-Berliner Verfassungsschutzes sowie diverse Deckadressen in Ost-Berlin.

    Der Fall, in dem es um politisch motivierte Erpresserpost und um Fotos von verborgenen Techtelmechteln geht, hat hochpolitische und womöglich strafrechtliche Aspekte: Ausgerechnet der stramme Unionsrechtsaußen Lummer ("Ich bin Antikommunist, weil ich Demokrat bin") ist dem kommunistischen Nachrichtendienst Ost-Berlins mit schier unglaublicher Naivität auf den Leim gegangen.

    Nach amtlichen Feststellungen hat es der CDU-Sicherheitsexperte lange Zeit versäumt, den West-Berliner Verfassungsschutz, dessen oberster Vorgesetzter er von 1981 bis 1986 war, über seine Beziehungen zu östlichen Agenten rechtzeitig und umfassend zu informieren - eine Unterlassung, wie sie nicht einmal einem kleinen Polizeibeamten oder Bundeswehrsoldaten nachgesehen wird.

    Mehr noch: Der Senat, dem Lummer angehörte, und Lummer-Untergebene im Verfassungsschutz haben jahrelang dazu beigetragen, die Spionageaffäre zu verheimlichen - obwohl sich in deren Verlauf der CDU-Prominente nicht nur erpreßbar gemacht hat, sondern auch wiederholt handfesten Erpressungsversuchen ausgesetzt war.

    Die Bemühungen, den Fall aus politischen Gründen unter der Decke zu halten, führten dazu, daß ein östlicher Kontaktmann Lummers - obwohl dem Christdemokraten längst als Agent bekannt - ungehindert weiter in West-Berlin operieren konnte:

    Eine Festnahme hätte, wie Geheimdienstler warnten, womöglich zu unliebsamer Publizität und zum vorzeitigen Ausscheiden Lummers aus dem Senat geführt.

    Das Fehlverhalten des christdemokratischen Sicherheitsexperten begann vor fast zwei Jahrzehnten. Bereits 1970 setzte Ost-Berlin erstmals einen Agenten auf den Unionspolitiker an: einen langjährigen Bekannten Lummers namens Sven Bergmann, der CDU-Interna und das Privatleben des Politikers ausforschen sollte.

    Lummer, von seinem Bekannten von Anfang an eingeweiht, informierte dennoch weder seine Partei noch die zuständigen Behörden, sondern ließ den MfS-Kundschafter, angeblich nach Absprache mit ihm, in Ost-Berlin Bericht erstatten.

    Und zurück bis in das Jahr 1973 - damals trennte sich Lummer von seiner Ehefrau Aurelia - reichen intime Beziehungen, die er zu der damals 25jährigen DDR-Bürgerin Susanne Rau unterhielt, einer Frau, die sich ihm als ledig und im staatlichen Kunsthandel der DDR beschäftigt vorstellte, von der er aber spätestens seit 1981 weiß, daß auch sie für das MfS tätig war.

    Die Affäre mit Susanne, die rund acht Jahre lang dauerte, hatte harmlos angefangen. Zusammen mit West-Berliner Freunden Lummers und Kneipen-Bekanntschaften aus der DDR unternahm das Paar Ausflüge, so etwa an einem Vatertag, wahrscheinlich 1973, zum Müggelsee oder, 1975, nach Köpenick.

    Bei diesen Wanderungen wurde auch fotografiert. Am Müggelsee drückte unter anderem Kumpel Bergmann auf den Auslöser, von dem Trip nach Köpenick schickte später ein unbekannter Informant den Sicherheitsbehörden eine Aufnahme, die, neben anderen, Lummer und Susanne Rau zeigte - womöglich ein Indiz dafür, daß im Lummer-Umfeld schon damals die Beziehung zu Susanne politisch suspekt erschien.

    Gewißheit, auch beim Tete-a-tete Zielperson des MfS zu sein, erhielt Lummer, inzwischen zum Präsidenten des Berliner Abgeordnetenhauses avanciert, im März 1981. Telefonisch bat Langzeit-Freundin Susanne um einen Besuch Lummers in Ost-Berlin; als Treffpunkt wurde das Hotel Metropol verabredet.

    Das älteste und meistfrequentierte Devisenhotel am Bahnhof Friedrichstraße, gegenüber dem Internationalen Handelszentrum, ist bei kapitalistischer Kundschaft und Stasi-Kundschaftern gleichermaßen gefragt. An der Valuta-Bar bieten Damen diskret ihre Liebesdienste an, bei denen nach westlicher Geheimdienst-Einschätzung die Kunden für die Stasi ausgehorcht werden. In den noblen Salons tafeln nicht nur Diplomaten, Kaufleute und Notabeln des DDR-Außenhandelsministeriums, auch Stasi-Personal feiert dort bisweilen Betriebsfeste.

    An jenem Märztag aber wollte Susanne Rau nicht im Hotel bleiben. Und auch Lummers Wunsch, gemeinsam ein nettes Lokal aufzusuchen, fand sie nicht so passend. Sie überredete den CDU-Politiker, mit in ihre Wohnung im Neubauviertel Marzahn zu kommen. Lummer folgte der Bitte, wie er später behauptete, nur widerstrebend, weil er angeblich wenig Zeit hatte.

    Damals, zwei Monate vor der Wahl zum Abgeordnetenhaus, mußte Lummer im Westteil der Stadt, gemäß seinem Credo, nicht nur Wahlkampf für »die ethische Motivation der Politik durch die christliche Ethik« führen. Gleichzeitig hatte er mit Betty Bedecker, 22, einer Schauspielerin und Miterbin des Babynahrungsherstellers Hipp, wie Bild vermeldete, »Berlins größte Romanze«.

    Die Marzahner Heinrich-Rau-Straße 50, damalige Wohnadresse der Susanne Rau, ist Teil eines elfstöckigen, langgestreckten Häuserblocks; das Haus Nummer 50 besteht aus 33 Wohneinheiten. Den Eingang ziert ein Bronzeschild mit der sogenannten Goldenen Hausnummer, die vorbildlichen sozialistischen Wohnkollektiven verliehen wird.

    Das Beisammensein des Politikers mit der Agentin wurde jäh gestört. Kurz nach dem Eintreffen in der Wohnung klingelten zwei Männer, die sich unter den Namen »Wagner« und »Lindner« als Beauftragte der DDR-Regierung vorstellten und mit Lummer ein politisches Gespräch führen wollten.

    Der Christdemokrat akzeptierte den Vorschlag, die Unterhaltung in einem Lokal fortzusetzen. Statt in eine Kneipe fuhr das Quartett jedoch zu einer Wohnung, nach Lummers Erinnerung in der Karl-Marx-Allee. Das Zusammensein war nett arrangiert. Eine Serviererin reichte Speisen und Getränke.

    Zufall oder nicht: Im bundesdeutschen Nachrichtendienstlichen Informationssystem (Nadis) ist eine Frau Rau, Vorname unbekannt, unter der Deckadresse Gubener Straße 13 d registriert - unmittelbar hinter der Karl-Marx-Allee. Auf der Klingelleiste dieses Hauses steht auch heute noch der Name »Rau«.

    Daß der DDR-Geheimdienst über Jahre hinweg immer wieder versucht hat, gerade Lummer auszuforschen und zu erpressen, macht politisch Sinn. Als Mitglied des Sicherheitsausschusses des West-Berliner Abgeordnetenhauses hatte der Christdemokrat schon Anfang der siebziger Jahre Zugang zu mancherlei vertraulichen Informationen; in geheimer Parteimission operierte er bisweilen auch in der Grauzone zwischen CDU und Rechtsextremisten.

    Später, als Berliner Innensenator, zählte Lummer zu den bestinformierten Politikern des Westens. Seiner Behörde waren die Daten des Berliner Landesamts für Verfassungsschutz (LfV) zugänglich und darüber hinaus, aufgrund des Nachrichtenaustausches mit den Westalliierten, vielerlei Erkenntnisse der amerikanischen CIA, des britischen MI 5 und der französischen Securite, die in West-Berlin weiterreichende Abhörbefugnisse haben als in ihren Heimatländern. Über die Nadis-Computer war die von Lummer kontrollierte Senatsbehörde außerdem elektronisch vernetzt mit allen westdeutschen Geheimdiensten: dem Bundesnachrichtendienst, dem Militärischen Abschirmdienst und den Verfassungsschutzämtern von Bund und Ländern.

    Lummer will an jenem Abend mit Susanne Rau offengelassen haben, ob er der Aufforderung der beiden Männer zu weiteren Gesprächen folgen wolle. Die Gelegenheit ergab sich - unfreiwillig, wie Lummer später behauptete - etwa sechs Wochen darauf.

    Als Susanne Rau bei ihm anrief und um ein neuerliches Treffen bat, wollte Lummer sie angeblich unter vier Augen wegen des überfallartigen Besuchs der beiden Herren zur Rede stellen. Doch als er zum Treffen ins Hotel Metropol kam, erwartete ihn in der Empfangshalle schon wieder das komplette Trio, das ihn abermals zur Karl-Marx-Allee bugsierte.

    Auch diesmal war ein Essen vorbereitet. Nach einer politischen Tour d’horizon erboten sich »Wagner« und »Lindner«, dem damaligen West-Berliner Parlamentspräsidenten Lummer private Einladungen etwa zu Jagdausflügen in die DDR zu vermitteln - was der Christdemokrat indes ebenso ausschloß wie eine Fortsetzung der politischen Diskussionen.

    In der Folgezeit mied Lummer Ost-Berlin und die DDR. Ende Juli oder Anfang August 1981, Lummer war seit kurzem Innensenator und Stellvertreter des Regierenden Bürgermeisters von Weizsäcker, setzte die Stasi einen weiteren Sendboten auf ihn an: einen Mann namens Michael Piek, gemeinsamer Bekannter des Duos Lummer/Rau.

    Piek war Lummer, gelegentlich einer Prag-Reise im Sommer 1980, von Susanne Rau vorgestellt worden. Alle drei logierten damals, kaum zufällig, im selben Hotel. Der promovierte Ost-Berliner Piek, nach Erkenntnissen westlicher Dienste ein hochrangiger »Inoffizieller Mitarbeiter« des MfS, wohnte oder wohnt im Hatzenporter Weg 1 - unweit der Rau-Wohnung und der Liegenschaften prominenter DDR-Bürger wie des Anwalts und Honecker-Vertrauten Wolfgang Vogel.

    Gegenüber Lummer gab sich Piek als Pädagoge aus, der in der internationalen Jugendarbeit tätig sei und deshalb ohne weiteres jederzeit nach West-Berlin einreisen könne. Als Piek im Sommer 1981, nach telefonischer Verabredung, den kurz zuvor gewählten CDU-Innensenator im Flanier-Cafe Möhring am Kurfürstendamm traf, wurde Lummer an die aufdringlichen Ost-Berliner Gesprächspartner erinnert - Piek richtete Grüße von »Wagner« und »Lindner« aus.

    Im Auftrag dieser - laut Piek - hohen Regierungsvertreter versuchte der Emissär später, vom U-Bahnhof Krumme Lanke aus, den Christdemokraten telefonisch zur Wiederaufnahme der privaten Polit-Runde in Ost-Berlin zu überreden, notfalls auch an einem für Lummer unverfänglichen Ort im Ausland, etwa in Wien oder Triest. Doch der Senator (CDU-Schnack: »Lummer ist kein Dummer") blieb diesmal unnachgiebig: Mit MfS-Beauftragten rede er nicht, will er das Angebot abgewehrt haben.

    Nach weiteren erfolglosen Bemühungen Pieks, Lummer umzustimmen, schlug die Stasi eine härtere Gangart ein. Ende Mai 1982 avisierte Piek dem Innensenator telefonisch einen Brief, der bei einer Bekannten für ihn deponiert werde. Die Botschaft enthielt mehrere jener Fotos, die bei den Zusammenkünften und geselligen Treffen in Ost-Berlin aufgenommen worden waren. Lummer verstand die Drohung: Er beschimpfte Piek am Telefon, erklärte ihm, daß er sich nicht erpressen lasse, und brach das Gespräch ab.

    Daß Lummer in jenen Monaten nachdrücklicher als früher die Annäherungsversuche zurückwies, lag wohl kaum daran, daß der Senator plötzlich Skrupel wegen seiner jahrelangen Ost-Berliner Eskapaden bekommen hätte. Vielmehr wurden ihm im Februar 1982 neue Erkenntnisse des Verfassungsschutzes über Piek mitgeteilt - aus denen sich der dringende Verdacht ergab, daß der MfS-Agent gezielt auf Lummer angesetzt war.

    Der Diplom-Sportlehrer Kurt Johannes Mocker, 48, im Jahr zuvor von Berlin-Ost nach Berlin-West übergesiedelt, hatte beim Landesamt für Verfassungsschutz ausgepackt. Er berichtete von einem »Dr. Michael Piek«, der »im Jugendbereich« des MfS arbeite und Veranstaltungen organisiere.

    Diesen Dr. Piek, so Mocker, habe er Ende 1980 auf der Preußen-Ausstellung in Ost-Berlin beobachtet, wie er Lummer bei einem Rundgang durch die Ausstellungsräume führte. Argwöhnisch sei er geworden, weil er Piek als MfS-Mann kenne, dem jegliche fachliche Qualifikation als Museumsführer fehle.

    Seine Skepsis, berichtete der promovierte Sportlehrer, habe sich noch verstärkt, als er Piek Monate später in West-Berlin, nahe dem Schöneberger Rathaus, erneut begegnet sei. Die anzügliche Frage, ob er hinter Lummer herspioniere, habe den ehemaligen Studienkollegen verlegen gemacht. »Verstört« habe Piek erklärt, er kenne Lummer seit einer »privaten Prag-Reise«.

    Am 9. Februar 1982 wurde Lummer vom Verfassungsschutz schriftlich über die Mocker-Aussage unterrichtet. An den Rand der Mitteilung schrieb der Christdemokrat die handschriftliche Notiz »Trifft zu«, mehr nicht. Eine nähere Erläuterung zu seinen Ost-Kontakten gab er nicht.

    Erst fünf Monate später gab der Innensenator in einem Gespräch mit dem ihm unterstellten Chef des Landesamts für Verfassungsschutz, Franz Natusch, weitere Auskünfte, die aber teils unvollständig, teils falsch waren. So verschwieg er die lange Dauer seiner Beziehung zu Susanne Rau wie auch deren Namen und die wiederholten Anrufe Pieks vor der Brief-Zustellung. Und er unterschlug, daß er sich auf ausführliche Gespräche mit »Wagner« und »Lindner« eingelassen hatte.

    Doch selbst die geschönte Lummer-Version alarmierte den gestandenen Dienst-Mann. Natusch empfahl dem Senator, unverzüglich den Regierenden Bürgermeister von Weizsäcker zu informieren. Um den drohenden Schaden zu begrenzen, schlug er außerdem vor, Weizsäcker möge bei passender Gelegenheit dem sowjetischen Generalkonsul oder einem anderen hohen Sowjetfunktionär klarmachen, daß Piek als MfS-Agent enttarnt sei. Moskau solle auf die Stasi einwirken, die Finger von Lummer zu lassen.

    Die delikate Mission wurde, mit Weizsäckers Erlaubnis, dem damaligen Chef der Senatskanzlei, Hansjürgen Schierbaum, übertragen. Weizsäcker selbst wußte den kompetenten Ansprechpartner: Walentin Dmitrijewitsch Kosobrodow, 55, Botschaftsrat in der Sowjetbotschaft in Ost-Berlin, Generalmajor des KGB und vormals stellvertretender Generalkonsul in West-Berlin.

    Mit dem Russen ließ sich sogar deutsch reden. Der studierte Germanist kann, nahezu akzentfrei, auswendig Goethe rezitieren, vom »Faust« bis zum »Westöstlichen Divan«. Schierbaums Demarche blieb gleichwohl fruchtlos - wenige Monate später erhielt Lummer, wieder vorab von Piek telefonisch angekündigt, erneut Druck-Post vom MfS.

    Diesen zweiten Brief, zugestellt an die Adresse der Lummer-Tochter Barbara, beurteilte das LfV als noch handfesteren Pressionsversuch. Die Verfasser hoben besonders die »seit 1975« bestehenden intimen Kontakte Lummers zu ihrer »Mitarbeiterin« Susanne hervor - ein Umstand, den Lummer dem Verfassungsschutz bislang verheimlicht hatte. In einer späteren Analyse zog das Amt daraus den Schluß, daß die junge Frau von vornherein mit einem Ausspähungsauftrag Lummer zugeführt worden war.

    Die Geheimdienstler, die in West-Berlin an der Straße Auf dem Grat residieren, waren schon zuvor in heller Aufregung gewesen - ausgelöst offenbar durch Erkenntnisse aus dem Schierbaum/Kosobrodow-Gespräch. Amtschef Natusch war mittlerweile klargeworden, daß Lummer ihm eine lückenhafte Darstellung der Vorgänge gegeben hatte. Er drängte den Innensenator zu einem weiteren Gespräch, in dem Lummer, Ende August 1982, seine erste Aussage in wesentlichen Fakten korrigierte und ergänzte. Nun erinnerte sich Lummer etwas genauer. Er gab zu, daß er schon »bald nach 1972« mit Besuchen in Ost-Berlin begonnen habe, etwa viermal pro Jahr, »in unterschiedlichen Lokalen«. An den Zusammenkünften habe bisweilen auch Walter Sickert (SPD), der frühere Präsident des Abgeordnetenhauses, und sehr häufig sein Bekannter Bergmann teilgenommen.

    Bergmann, 59, nach eigenen Angaben »ein guter Freund Lummers«, hatte den Christdemokraten 1963 bei der Freiwilligen Polizeireserve, einer Art Bürgerwehr gegen Ost-Infiltration, kennengelernt. Schräg gegenüber von Bergmanns Wohnung in der Lankwitzer Gallwitzallee übten beide in einer Gruppe Objektschutz und Stadtverteidigung. Bergmann: »Ich war sein Unterführer, er führte mir das Wachbuch.«

    Bergmann, ehemals SPD-Mitglied, betätigte sich bisweilen als Fluchthelfer für DDR-Bürger. Bei einer Transitfahrt im Januar 1970 wurde er im Osten gestellt und unter Haftandrohung zum Spitzeldienst verpflichtet. Seine Aufgabe war es, über Veranstaltungen der West-Berliner Union und die Person des Polit-Aufsteigers Lummer zu berichten.

    Fünf Jahre lang lieferte Bergmann seine Berichte, die er mit Lummer abgesprochen haben will, nach Ost-Berlin. Der CDU-Politiker hat demnach 1971 in seiner Sicherheitserklärung die bei Geheimnisträgern obligatorische Frage nach »nachrichtendienstlichen Kontakten, Verpflichtungen oder Umständen, die auf entsprechende Versuche hindeuten können«, wissentlich falsch beantwortet - mit nein.

    Erst 1975 informierte Lummer den Verfassungsschutz und gab eine merkwürdige Begründung für das lange Stillhalten. Er habe »das Spiel mitgemacht«, um zu erfahren, was das MfS von ihm wollte. Zu seiner und Bergmanns rechtlichen Absicherung habe er einen Mitarbeiter des Bundesnachrichtendienstes (BND) konsultiert und ihm laufend berichtet.

    Das war, wieder mal, nur die halbe Wahrheit. Der BND bestätigte dem Berliner Verfassungsschutz lediglich eine »gesprächsweise« Erstinformation und bestritt ausdrücklich, über den weiteren Fortgang unterrichtet worden zu sein. Erst einen Monat vor seiner Offenbarung beim Verfassungsschutz bekannte Lummer seinem BND-Kontaktmann das ganze Ausmaß der MfS-Anforderungen an Bergmann, der inzwischen sogar mit technischem Gerät für Lauschoperationen ausgestattet worden sei.

    Sogar der Generalbundesanwalt beschwerte sich seinerzeit darüber, daß Lummer eigenmächtig gehandelt und wesentliche Tatsachen verheimlicht habe. Das Bundesamt für Verfassungsschutz forderte die Berliner Kollegen auf, Lummer in die Schranken zu weisen: Solche Fälle gehörten ohne Rücksicht auf parteipolitische Aspekte in die Hand der zuständigen Behörden.

    Bergmann ("Ich bin ein kleiner Mann im Öffentlichen Dienst") wollte vorige Woche auf Fragen des SPIEGEL nach seiner Tätigkeit für den »Konsum« (Insider-Jargon für das MfS) nicht eingehen. Den Namen von Lummers Ost-Berliner Bekannten Susanne Rau will er nie gehört haben: »Susanne wie?«

    Vor 13 Jahren, beim LfV, war Bergmann gesprächiger. Damals berichtete er, Lummer besuche seit langem Ost-Berlin, führe in Kneipen Gespräche mit DDR-Bürgern und habe dort ein Verhältnis mit einer Susanne. Er äußerte sogar die Befürchtung, daß die Dame die Beziehung nicht nur aus Liebe pflege.

    Als dann die Kontakte zwischen Weizsäckers Senatskanzlei und dem KGB-Residenten Kosobrodow nichts fruchteten und das MfS seine Erpressungsversuche fortsetzte, begannen die West-Berliner Verfassungsschützer unruhig zu werden. Amtschef Natusch erkannte, daß der Spionagefall Lummer nicht nur für Lummer, sondern auch für das Landesamt brenzlig werden könnte.

    Natusch und sein Spionageabwehrleiter befürchteten, daß Lummer auch zu Fall gebracht werden könnte, wenn er den Anwerbeversuchen widerstehe - allein dadurch, daß der gegnerische Dienst westlichen Medien gezielt Indiskretionen zuspiele. Selbst ein Eingreifen Weizsäckers oder gar des Bundeskanzlers, so die Einsicht, würde dies nicht verhindern.

    Mit einer verqueren Logik verwarfen die Verfassungsschützer die auch ihrer Meinung nach »an sich« gebotene Möglichkeit, Staatsanwaltschaft und Polizei einzuschalten, um den nach wie vor aktiven Kundschafter Piek bei einer seiner West-Touren zu fassen.

    Einerseits wäre das Amt nach der Rechtslage verpflichtet gewesen, den Fall an die Exekutivorgane abzugeben, weil die Verfassungsschützer sich vom Einsatz nachrichtendienstlicher Mittel nichts versprachen. Andererseits hätte eine Festnahme Pieks, wie das Amt realistisch urteilte, ebenso zwangsläufig den Sturz Lummers zur Folge gehabt.

    Die verunsicherten Verfassungsschützer faßten daher gar keinen Entschluß, sondern schoben die Entscheidung den Politikern zu. Am 22. November 1982, einen Tag nach Lummers Geburtstagsfete, sprach Natusch bei Weizsäcker vor. Doch es blieb beim Aussitzen: Im Februar 1984 schloß der Verfassungsschutz die Akte Lummer - bis zum Machtwechsel an der Spree.

    Denn der Hardliner Lummer, ein »populistischer Stimmenfänger«, wie ihn die Süddeutsche Zeitung nannte, mußte von dem liberalen Weizsäcker im Amt gehalten werden, um die konservative Stammkundschaft der West-Berliner CDU einzubinden. Außerdem stand im Herbst 1982 ein Bundestagswahlkampf bevor; da hätte die Enttarnung von Lummers Ost-Kontakten eine verheerende Wirkung gehabt.

    Auch in der Folgezeit bemühte sich die Ost-Berliner Spionagezentrale hartnäckig um Kontakte zu Lummer. Sogar als der Senator auf DDR-Fahrt mit Polizeischülern die Konzentrationslager Sachsenhausen und Ravensbrück besuchte, folgte ihm ein Stasi-Schatten.

    Aber auch Weizsäcker-Nachfolger Eberhard Diepgen wurde einer Entscheidung enthoben, weil Lummer, der des öfteren sorglos Kontakte knüpfte, über eine ganz andere Affäre stolperte: Als der CDU-Politiker am 8. April 1986 zum letzten Mal einen Drohbrief vom MfS erhielt, hatte er tags zuvor als Innensenator zurücktreten müssen - vor allem deshalb, weil der SPIEGEL enthüllt hatte, daß Lummer 15 Jahre zuvor einer Neonazi-Gruppe, die SPD-Plakate überkleben sollte, 2000 Mark aus der CDU-Kasse gezahlt hatte.

    Sieben Jahre nach Lummers Einlassungen beim Verfassungsschutz wird nun die Akte doch noch zum Fall - und wohl auch zum Politikum. Ein anonymer Brief, der im Juli vorigen Jahres bei den Nachrichtendienstlern einging, bezichtigte Mocker, den Hinweisgeber in der Lummer-Sache, selber für das MfS aktiv gewesen zu sein. Bei ihren Recherchen stießen die Verfassungsschützer im Tresor des LfV-Leiters auf die alten Vermerke über Lummers MfS-Connection.

    Dabei stellten die Geheimdienstler fest, daß die frühere Behördenleitung sträflich geschlampt hatte. Der - 1986 pensionierte - LfV-Chef Natusch (SPD) hatte, aus Furcht vor einem politischen Skandal, nichts unternommen, um den Hintergrund der dubiosen Lummer-Kontakte aufzuhellen. Auch unter dem parteilosen Natusch-Nachfolger Dieter Wagner, der bis März dieses Jahres amtierte, wurden die Papiere im Tresor nicht angerührt: Während Natusch sich erinnert, beim Amtswechsel den Panzerschrank »Ordner für Ordner« übergeben zu haben, will Wagner »lediglich den Schlüssel vorgefunden« haben.

    Erst die Nachschau unter dem vom rot-grünen Senat eingesetzten neuen Amtschef Dieter Schenk offenbarte, daß noch erheblicher Aufklärungsbedarf besteht. Eine erste Überprüfung verstärkte die Befürchtung, daß Lummer jahrelang von der DDR »abgeschöpft« (Geheimdienstjargon) worden sei, außerdem habe der CDU-Politiker durch das Verschweigen seiner Kontakte die Festnahme eines Ost-Agenten vereitelt. Der Vorgang wurde daraufhin an den Generalbundesanwalt weitergereicht.

    Bei Kurt Rebmanns Behörde, die bisher »keine Ermittlungen« führt, aber die strafrechtliche Relevanz des Falles prüfen muß, liegt nun ein brisantes Bündel von Beweisstücken und internen Bewertungen. Dazu zählen Vermerke, die Natusch, um den Kreis der Mitwisser im Amt klein zu halten, handschriftlich gefertigt hatte.

    Das Material bietet tiefe Einblicke in die hartnäckigen Anwerbungsversuche der Ost-Berliner Stasi und das leichtfertige Verhalten des West-Berliner Grenzgängers Lummer, der sich jenseits der Mauer mehr als eine Blöße gab.

    Das Ausmaß der Affäre um Heinrich Lummer, 56, mit zweitem Vornamen Jodokus (keltisch: »Krieger"), ist kaum abzusehen. Denn bislang sind keinerlei Ermittlungen angestellt worden, um herauszufinden, was der leutselige CDU-Politiker, der einem Ohrenzeugen zufolge auch in Ost-Berlin »manches offene Wort geführt« hat, in geselliger Runde oder trauter Zweisamkeit drüben ausgeplaudert haben könnte.

    Umgarnt worden war von der DDR-Staatssicherheit ein ethisch motivierter Katholik, dessen umtriebiges Nachtleben seit Jahren in Berlin für Gesprächsstoff sorgt und der offen zugibt, daß er weiblichen Reizen gern erliegt. Die mit ihm befreundete Stasi-Mitarbeiterin, die sich Susanne Rau nannte und möglicherweise auch so heißt, hatte daher mutmaßlich leichtes Spiel.

    Dabei mußte sich der Sicherheitspolitiker Lummer, aufgewachsen in der Kalten-Kriegs-Atmosphäre der Frontstadt Berlin, bei seinen Beziehungen zu Susanne Rau über das von östlichen Nachrichtendiensten bevorzugte »Mata-Hari-Modell« im klaren gewesen sein: Experten umschreiben damit die Methode, Informanten durch geheimdienstlich geschulte Frauen zu ködern - nach dem Vorbild jener holländischen Nackttänzerin, die im Ersten Weltkrieg in Paris für die Deutschen spioniert haben soll und 1917 erschossen wurde.

    Wenn nichts sonst, dann hätte spätestens die Enttarnung des Bonner Kanzleramtsspions Günter Guillaume 1974 den Innenpolitiker alarmieren müssen - zumal Lummer damals umgehend Strafanzeige gegen den zurückgetretenen Bundeskanzler Willy Brandt wegen angeblich fahrlässiger Preisgabe von Staatsgeheimnissen erstattete. Der Christdemokrat war zu jenem Zeitpunkt selber bereits seit vier Jahren in die geheimdienstlichen Aktionen des Ostens verwoben.

    Wie bei der Stasi-Verstrickung wurde Lummer auch bei der 2000-Mark-Spende an die Rechtsextremisten ein Opfer zweier ihn kennzeichnender Mängel an Gespür: Bei der Wahl seiner Freunde verliert der Christdemokrat allzuoft das Gefühl für politische Hygiene, und wenn er durch derlei Umgang in die Bredouille gerät, behindert er die Wahrheitsfindung regelmäßig durch sein fast pathologisch schlechtes Gedächtnis - er erinnert sich grundsätzlich an nichts, bis zum Beweis des Gegenteils.

    Ins Zwielicht geriet Lummer auch durch seine Beziehung zu dem Wuppertaler Autohändler Otto Putsch. Der inzwischen zu zwei Jahren Haft verurteilte Kaufmann hatte Lummer um Vermittlung beim geplanten Billig-Erwerb des Erbbaurechts für 2000 landeseigene Wohnungen bemüht. Lummer will seinen Bekannten lediglich an die »zuständigen Fraktionsstellen« weitergereicht haben. Während Putsch an Eides Statt versicherte, es habe 1984 deswegen vier Treffen mit Lummer gegeben, mag sich der nur an zwei erinnern.

    Die Putsch-Behauptung, der CDU-Baustadtrat Wolfgang Antes habe mit Wissen Lummers von ihm »Parteispenden oder Schmiergelder« kassiert, konterte der Senator mit der Erklärung, »wenn der Begriff Forderung gefallen sein sollte«, könne sich das »nur darauf« bezogen haben, ob etwa die Charlottenburger Verwaltung »irgendwelche Preisforderungen« gestellt habe.

    Daß der Christdemokrat seinem Bekannten Putsch durchaus zu Gegenleistungen verpflichtet gewesen sein könnte, legten weitere Putsch-Enthüllungen nahe: »Herr Lummer wurde von mir bzw. meiner Firma auf Wunsch einer Bonner Dienststelle im Frühjahr 1973 nebst zwei weiteren Herren zu einer Libanon-Reise nach Beirut eingeladen.«

    Eine ganz andere Version, wer den Libanon-Flug - neben einer weiteren »Gesellschaftsreise« (Bergmann) nach Syrien im selben Jahr - mitfinanziert hat, kommt aus dem Dunstkreis der Lummer-Bandeleien mit der Staatssicherheit der DDR. Die westlichen Dienste gehen davon aus, daß das MfS aus Informationsinteresse beide Reisen mit je 1200 Mark bezuschußt hat - was Lummer auch bekannt gewesen sei.

    Dafür sprechen weitere Indizien. Libanon-Freund Lummer, der in den siebziger Jahren insgesamt 17mal zu den bedrängten Christenmilizen reiste, bekam für die beiden ersten Trips, 1970 und an der Jahreswende 1971/72, die Flugkosten vom Bundespresseamt erstattet. 1973 hingegen haben, wie der damalige Staatsminister im Kanzleramt, Friedrich Vogel, vor dem Bundestag versicherte, weder das Presseamt noch die anderen »drei in Frage kommenden Bundesressorts« - Auswärtiges Amt, Entwicklungshilfeministerium und das Ministerium für innerdeutsche Beziehungen - Lummers Libanon-Reise bezahlt.

    Welche Dienste der Antikommunist Lummer der DDR womöglich unwissentlich geleistet hat, läßt sich aufgrund der nachlässigen Aufklärung kaum abschätzen. Der über viele Hintergründe Bonner Politik informierte CDU-Bundestagsabgeordnete ist auch heute noch Mitglied des Auswärtigen Ausschusses, des Unterausschusses für Abrüstung und Rüstungskontrolle sowie für Menschenrechte und humanitäre Hilfe. Jede Äußerung einer Zielperson, zumal eines Politikers wie Lummer, in Anwesenheit eines feindlichen Agenten gilt nach CIA-Sprachgebrauch als »human intelligence«, von Personen beschaffte Nachrichten. Informationen dieser Art »sind im allgemeinen die spärlichsten, am schwersten zu beschaffen, aber potentiell am wertvollsten«, schreibt der US-Spionagekenner Thomas Powers.

    Strafrechtlich ist es gleichgültig, wie ergiebig eine von Ost-Agenten angezapfte Polit-Quelle sprudelt. Wie genau es die westdeutsche Justiz mit Ost-Kontakten nimmt, machte Ende 1978 ein Urteil des Oberlandesgerichts Hamburg deutlich. Der dritte Strafsenat verurteilte damals den Hamburger Kriminaloberkommissar Rolf Grunert wegen geheimdienstlicher Agententätigkeit zu zweieinhalb Jahren Freiheitsstrafe.

    Der Angeklagte, früher Vorsitzender des Bundes Deutscher Kriminalbeamter, hatte zwischen 1971 und 1977 etwa 30mal seine Schwester in Ost-Berlin besucht und sich dabei regelmäßig mit einem ihrer Bekannten, angeblich einem Gewerkschaftssekretär, unterhalten.

    Das Gericht sah es als erwiesen an, daß der Mann MfS-Agent gewesen sei, an den der Kripo-Beamte Geheimnisse verraten habe. Grunert bestritt die Vorwürfe vehement, Beweise gegen ihn gab es nicht. Doch Indizien und der Augenschein genügten den Richtern für ihren Schuldspruch. Der gebürtige Thüringer Grunert, durch das Urteil in seiner bürgerlichen Existenz ruiniert und hoch verschuldet, wanderte sieben Jahre später in die DDR aus.

    Die Parallelen dieses Falles zur fast zeitgleichen Ost-Connection Lummers sind augenfällig. Der CDU-Politiker konnte an der wahren Identität seiner Gesprächspartner schließlich eher noch weniger Zweifel haben, als sie der Verurteilte Grunert nach Ansicht des Gerichts gegenüber seinem Ost-Berliner Bekannten hätte haben dürfen.

    Wer sich zur »Mitteilung oder Lieferung von Tatsachen, Gegenständen oder Erkenntnissen« a n einen gegnerischen Geheimdienst »oder einen seiner Mittelsmänner« bereit erklärt, riskiert laut Strafgesetzbuch bis zu fünf, in schweren Fällen bis zu zehn Jahre Freiheitsstrafe.

    Dabei »braucht der Täter nicht selbst Agent im technischen Sinne zu sein«, erläutert ein Strafrechtskommentar, es genüge »für die mittäterschaftliche Beteiligung das Sicheinspannenlassen« in die Agententätigkeit.

    Die Kriterien könnte Heinrich Lummer erfüllt haben. Der jetzige Innensenator Erich Pätzold (SPD) mochte sich vorige Woche, vom SPIEGEL befragt, zu den »unterstellten Vorgängen nicht äußern« - jedenfalls »noch nicht«.

    https://www.mz.de/mitteldeutschland/seltsame-allianzen-wie-die-stasi-versuchte-westdeutsche-neonazis-zu-unterwandern-

    Aktion Reiskorn e.V. - Wir über uns
    http://www.aktion-reiskorn.de/Verein/Wir-ueber-uns

    Wir haben weltweit mehr als 100.000 Menschen in Not geholfen

    Es fing damit an, daß Joachim Siegerist Anfang der „Achtziger“ als Chef-Reporter der HÖRZU ins „Goldene Dreieck“ nach Thailandreiste und dort unglaubliches Elend sah. Sterbende Kinder, Sklavenarbeit, Kinder-Prostitution. Danach nur noch die Idee im Kopf „Du darfst nicht nur berichten, Du mußt berichten und helfen zugleich.“

    Mit Hilfe von Max Schmeling gründete Joachim Siegerist das Kinderhilfswerk AKTION REISKORN e.V. Joachim Siegerist ist Vorsitzender dieses gemeinnützigen Vereins, Vorsitzender der Deutschen Konservativen und der Motor des DEUTSCHLAND-Magazin. Mit diesem „Trio“ wurden im Laufe der vergangenen 25 Jahre mehr als 100 000 Menschen weltweit geholfen.

    Nie nach Rasse und Religion gefragt

    Dabei wurde nie nach Rasse, Religion oder Herkunft gefragt. Ohne die vielen Freunde dieser Zeitung wäre solche Hilfe gar nicht möglich. Hilfe für verarmte Deutsche in Namibia, Deutsch-Balten, Letten, Juden, Russen, Muslimen auf der Flucht vor fanatischen Serben, evangelischen und katholischen Projekten in siebenbürgischen Rumänien, von Medizinmännern gejagten Albino-Kindern in Afrika. Hilfsprojekte gegen Kinder-Prostitution in Thailand. Die Liste der Hilfe ist ellen lang, würde mehr als ein dickes Buch füllen.

    Konservativ – das heißt auch sozial

    Joachim Siegerist: „Konservativ bedeutet für mich auch immersozial – was mit sozialistisch absolut nichts zu tun hat.“

    Während andere Hilfsorganisationen unter Vertrauensverlust leiden, bekommt die AKTION REISKORN e.V. mehr und mehr Zustimmung.

    http://homepagedesigner.telekom.de/imageprocessor/processor.cls/CMTOI/cm4all/com/widgets/PhotoToi/11/93/82/54/13f67442683/scale_1200_0%3Bdonotenlarge/13f67442683
    Heinrich Lummer (rechts) und Joachim Siegeristreisten im Kosovo-Krieg nach Albanien und halfen dort von fanatischen Serben verfolgtenMuslimen – hier auf dem Foto in einem Kinderdorf. Der Berliner Bürgermeisterund Innensenator a. D. Heinrich Lummer ist Ehren-Präsident der Konservativen.

    #Berlin #CDU #Stasi #Prostitution #Rechte #Politik

  • New York Vehicle and Traffic Law § 1194 (2019) - Arrest and Testing. :: 2019 New York Laws :: US Codes and Statutes :: US Law :: Justia
    https://law.justia.com/codes/new-york/2019/vat/title-7/article-31/1194

    2019 New York Laws
    VAT - Vehicle and Traffic
    Title 7 - Rules of the Road
    Article 31 - Alcohol and Drug-Related Offenses and Procedures Applicable Thereto
    1194 - Arrest and Testing.

    #USA #New_York #Recht #Straßenverkehr #Alkohol #Polizei

  • Frohe Weihnachten
    https://txsl.de/weihnachtsgaben.html

    13.12.2022 von Klaus Meier - Über siebentausend Euro per Urteil und eintausendzweihundert Euro per Vergleich haben in der letzten Adventswoche zwei Taxikollegen an den Berliner Arbeitsgerichten erkämpft. Es ist interessant die Umstände zu vergleichen, wie es dazu kam.

    Die erstrittenen siebentausend Euro sind kein Pappenstiel und doppelt hart verdientes Geld. Der Kollege brauchte zwei Jahre Geduld und starke Nerven, bis ihm endlich Gerechtigkeit zuteil wurde. Ein Streit durch zwei Instanzen, ein in der ersten Instanz vereinbarter Vergleich, den der Arbeitgeber platzen ließ, Wochen Arbeit für die Auswertung von Arbeitszeitaufzeichnungen auf Papier, immer wieder Treffen mit seinem Anwalt, Diskussionen über das juristische Prozedere, Erwiderungen auf Schriftsätze des Arbeitgebers und vier Verhandlungen bei Gericht waren erforderlich, bis er in dieser Woche mit vierjähriger Verspätung den vollständigen Lohn für seine Arbeit im Jahr 2018 zugesprochen bekam.

    Möglich war das, weil dem mittellosen Kollegendie Prozess- und Anwaltskosten vom Land Berlin verauslagt wurden. Das nennt sich Prozeßkostenbeihilfe, die allen Armen zusteht. So gut wie alle Taxifahrer fallen heute in diese Kategorie und dürfen darauf zählen, dass auch sie vor Gericht ziehen können, um nicht gezahlten Lohn und andere Verletzungen ihrer Rechte geltend zu machen.

    Es brauchte auch den von der Sache überzeugten, für das Gericht überzeugenden Anwalt Benedikt Hopmann, der sich in die für Außenstehende schwer verständlichen Zusammenhänge des Taxigewerbes intensiv eingearbeitet hat. So konnte er den Richtern in beiden Instanzen erklären, wieso sein Klient viel länger gearbeitet hatte als es die Lohnabrechnungen des Taxiunternehmens behaupteten. Kurz ist es ihm gelungen vor Gericht eine neue Regel durchzusetzen, die besagt, dass die Arbeitszeit eines Taxi- oder Mietwagenfahrers vom Einsteigen in sein Auto und der Anmeldung an Taxameter oder App bis zur Abmeldung von der Zeiterfassung dauert. Abzuziehen von dieser Zeit sind nur die gesetzlich vorgeschriebenen Pausen, denn die vom Taxameter in eine Datenbank geschriebenen Pausen sind in aller Regel nicht nachvollziehbar und entbehren damit jeglicher Beweiskraft.

    Das zweite Verfahren dauerte keine Jahre sondern nur eine halbe Stunde wie viele Arbeitsgerichtsverfahren unter zivilisierten Parteien. Unser Kollege hatte neben dem Taxifahren eine Tätigkeit als Schulhelfer angetreten. Pech für ihn passte seine Nase den Berufspädagoginnen nicht und er wurde in der Probezeit gekündigt. Dabei hatte es der Arbeitgeber unterlassen, alle Vorschriften zu beachten, und musste den vom Gericht vorgeschlagenen Vergleich akzeptieren, der eine Entschädigung in Höhe eines knappen Monatsgehalts und ein gutes Arbeitszeugnis beinhaltet.

    Hier benötigte der Kollege keine staatliche Unterstützung, denn die Gewerkschaft ver.di stellte seine Anwältin und übernahm die Kosten. Die erfahrene Arbeitsrechtlerin hatte das Verfahren routiniert gut vorbereitet und schaffte es ungeachtet der Probezeit, innerhalb derer eine Kündigung jederzeit möglich ist, für ihren Mandanten eine Entschädigung zu verhandeln.

    Die Weihnachtsgaben vom Arbeitsgericht werden erst im neuen Jahr auf den Konten der Kollegen eingehen, aber wir dürfen uns schon jetzt für sie freuen. Wir profitieren alle davon. Auch Taxifahrer haben Rechte, wir müssen sie nur einfordern. Am besten zusammen mit unserer Gewerkschaft.

    Frohe Weihnachten !

    #Berlin #Tiergarten #Mageburger_Platz #Taxi #Recht #Justiz #Arbeitsgericht #Arbeit

  • Liste der rechtschreiblich schwierigen Wörter | Duden
    https://www.duden.de/Liste-der-rechtschreiblich-schwierigen-Woerter

    Deutsche Sprache, schwere Sprache, und auch die verschiedenen Rechtschreibreformen erleichtern das Verfassen verständlicher Texte nicht. Die Redaktion des Duden hat zur Erläuterung eine Liste der schwierigsten deutschen Wörter zusammengestellt.

    Damit sind wir bereits bei einer der hinterhältigsten Fehlerfallen der deutschen Sprache:

    Für „Wort“ gibt es zwei Pluralformen. Idealtypisch ist die folgende semantische Unterscheidung üblich:

    Wörter bezieht sich auf einzelne oder vereinzelte Objekte.
    Worte bezieht sich auf eine Äußerung, einen Zusammenhang bildende Wörter.
    Der Plural von Wort lautet dann Wörter , wenn es um das Auftreten mehrerer einzelner davon geht („Das Verzeichnis enthält 100.000 Wörter“). Von Worten spricht man hingegen bei der Verwendung von Wörtern in feststehenden Zusammenhängen (Dankesworte, Grußworte, i. W.) oder geläufigen Ausdrücken (ehrliche Worte, leere Worte, letzte Worte).

    Soweit Wikipedia https://de.wikipedia.org/wiki/Wort
    Und nun folgen die schwierigsten deutschen Wörter .

    Aa
    abgeschlossen adäquat Adresse Agentur Aggression aggressiv akquirieren Akquise Akquisition Akupunktur akustisch am besten Ammenhai Amurtiger angsterfüllt anhand anhand Annalen annullieren Anschluss Antipathie Apartheid Apparat Armatur Arzt asozial Astralkörper Asymmetrie asymmetrisch Atmosphäre Attrappe auf einmal aufgrund aufgrund aufgrund dessen aufhören aufrechterhalten Aufwand aufwendig außerdem Autor autorisieren autorisiert avisieren
    Ää
    Ärgernis
    Bb
    Ballett bar barfuß Barzahlung Beeinflussung Beredsamkeit Bezug nehmend Billard bis auf Weiteres Biskuit bisschen bloß bloß bombardieren Bowle Brezel Brillant brillant Büfett Burgverlies
    Cc
    Charisma Chrysantheme Clementine Commitment
    Dd
    darüber hinaus dass definitiv Dekolleté delegieren Delegierte Delegierter dementsprechend derselbe des Weiteren detailliert dezidiert Diarrhö diffizil Dilettant dilettantisch Diphtherie diskriminieren Dissens
    Ee
    E-Mail eben eben Eiffelturm eigentlich eigentlich eigentlich Einfaltspinsel einmal einzig Ekstase Elefant Empathie endgültig endlich endlich Entgelt Epidemie Epikureer Ergebnis erst mal eruieren essenziell explizit exzellent
    Ff
    Fitness Flachbettscanner Frondienst frönen Fronleichnam Furnier Fuß Fußball
    Gg
    Galerie Galionsfigur galoppieren Garderobe Gebaren gebären geboren Gecko gegebenenfalls Gehör gehören Geisel Geißel geißeln Geiselnahme Geißelung Gelatine gemäß genießen Geratewohl gesamt Ginkgo googeln Graffito Gratwanderung Grieß Griesgram griesgrämig grölen Guerilla Guerilla Guerillakrieg
    Hh
    Häkchen Hals über Kopf hältst hanebüchen Hasardeur heißen heute Morgen Hobby hoffentlich hören
    Ii
    ihrerseits im Einzelnen im Folgenden im Voraus im Wesentlichen immer noch in puncto Inbus Inbusschraube Incentive infolge infolgedessen Inkrafttreten insbesondere insgesamt interessant Interesse inwieweit
    Jj
    Jackett Joghurt
    Kk
    Kai Kaninchen Kannibale Karosserie Karussell katastrophal Katastrophe Katzenhai kennenlernen Kenntnis Kernspintomografie kohärent kolossal Komitee Kommentar Kommilitone Konkurrenz Konsens kopfüber korrigieren Koryphäe krakeelen Kreißsaal Kumulation kumulieren Kuss
    Ll
    Lappalie Laptop Lärche lässt Lerche Libyen Lid Lizenz lizenzieren Loser lynchen
    Mm
    mahlen Mai Mandarine Maschine mindeste minimal Mischpoche Mischpoke Misere mithilfe Mobiliar morgen morgendlich
    Nn
    nach wie vor nämlich nämlich nichtsdestotrotz noch mal
    Oo
    Obolus obsolet ohne Weiteres Oleander online original Ouvertüre
    Pp
    Paket Paneel
    Pappenstiel Papst parallel peripher persönlich Philippinen piken piksen Pinnwand platzieren Platzierung Pogrom Portemonnaie Portfolio potenziell präferieren projizieren prophylaktisch Prozess Pubertät
    Qq
    Quarzuhr
    Rr
    rau recht haben redundant Reflexion Reling Renommee renommiert Rentier Reparatur respektive Ressource Resümee Revanche revanchieren Revision reziprok Rhetorik Rhythmus Rückgrat
    Ss
    Säbelzahntiger Saite Satellit Schlafittchen Schloss schloss Schluss Schmalz Schmalz schmälzen schmelzen schnellstmöglich seid seit seit seit Kurzem selbstständig selig separat Seriosität Silhouette Silvester Siphon Sisyphosarbeit Sisyphusarbeit skurril Smiley sodass sogenannt Souterrain soweit sowie Spaghetti Spaghetto spazieren spülen Stakeholder Standard Stanniol stattdessen Stegreif Stele Stracciatella Stracciatella Strang Straße stringent Strophe subsumieren subtil Symmetrie Sympathie sympathisch
    Tt
    Terabyte Terrasse Tiger Tipp todlangweilig todtraurig tolerant Toleranz Trilogie Triumph triumphieren Turnier
    Üü
    übersät übrigens
    Uu
    unendlich unentgeltlich unsympathisch unter anderem
    Vv
    verhören Verlies vermeintlich verpönt Verwandtschaft verwandtschaftlich Verzeichnis vielleicht vielleicht von klein auf vor allem vor Kurzem vor Ort voraus Voraus Voraussetzung voraussichtlich vorbeikommen
    Ww
    währenddessen wahrnehmen wart weiß weiß weismachen weißt Wermut wider widerfahren widerlegen widerspiegeln Widerspruch widerstehen wie viel wiederum willkommen willkommen heißen
    Zz
    zartbesaitet ziemlich ziemlich zu Ende zu Hause zu viel Zucchini zugrunde liegen zum einen … zum anderen zumindest zurzeit zuwider zuwider

    Zur Klärung von Bedeutung und Schreibweisen dient die Seite des Duden Verlags.
    https://www.duden.de/Liste-der-rechtschreiblich-schwierigen-Woerter
    Sie gibt dabei ausschließlich die zur Zeit übliche sozusagen „offizielle“ Schreibweise wieder. Ältere, häufig mit erweiterten Bedeutungen verbundene Schreibweisen, müssen mit Hilfe anderer Quellen erschlossen werden. Wie wärs mit einer Goethe Erstausgabe? Die „Deutsche Grammatik“ des Jacob Grimm von 1819 wäre auch ein schöner Einstieg in die Materie.
    https://de.wikipedia.org/wiki/Br%C3%BCder_Grimm#Die_%E2%80%9EDeutsche_Grammatik%E2%80%9C

    #Sprache #Rechtschreibung #Orthographie #deutsch

  • Daniel Halmer: Der Robin Hood der Berliner Mieter hat „viele Feinde“
    https://prod.berliner-zeitung.de/mensch-metropole/daniel-halmer-der-robin-hood-der-berliner-mieter-hat-viele-fei

    25.9.2022 von Anja Reich - Ein Berliner Start-up erkämpft Mietsenkungen, vor allem für Mieter im Osten der Stadt. Wegen 25 Euro ging man bis zum Bundesgerichtshof.

    Ein Großraumbüro am Paul-Lincke-Ufer, dritter Hinterhof. Daniel Halmer bietet Kaffee und Wasser an. Er ist der Chef von „Conny“, einer Legal-Tech-Firma, die seit 2016 für ihre Kunden Mietsenkungen erkämpft, wenn sich deren Vermieter nicht an die Mietpreisbremse halten – im Notfall auch vor Gericht.

    Halmer, 46, Wirtschaftsanwalt aus Bayern, hat an der Harvard-Law-School geforscht und bei großen Kanzleien in München, Düsseldorf und New York gearbeitet. Er ist sowas wie der Robin Hood von Berlin-Kreuzberg, jemand, der sogar wegen 25 Euro Mietsenkung vor den Bundesgerichtshof gezogen ist – und gewonnen hat. Mieter lieben ihn, Vermieter fürchten ihn, Anwälte sehen ihn als Konkurrenz. Sein erstes Büro war in seinem Wohnzimmer, sein zweites ein Tisch in einem italienischen Restaurant. Seit 2017 ist er hier in Kreuzberg, 50 Mitarbeiter und 14 externe Rechtsanwälte arbeiten für ihn. Sie sind auch heute wieder in der ganzen Stadt unterwegs. Halmer guckt auf sein Handy und liest vor: Amtsgericht Mitte zwei Verhandlungen, Schöneberg auch zwei, Kreuzberg vier, außerdem Neukölln, Mitte, Köpenick.

    Wieviele Berliner, die sich an Sie wenden, zahlen zu hohe Miete, Herr Halmer?

    Drei von vier. Das ist unsere Erfahrung der letzten sechs Jahre: Bei drei von vier Anfragen kommt, wenn wir die Mietangaben durch den Rechner geben, eine zu hohe Miete heraus.

    Und wieviel Miete bezahlen sie zu viel?

    Wir konnten im Schnitt pro Kunde 304 Euro Mietsenkung pro Monat durchsetzen. Mehr als 3500 Euro jährlich! Diese Größenordnung muss man sich mal klarmachen. Aus dem Nettogehalt bezahlt.

    Sie haben daraus ein Geschäftsmodell entwickelt, erkämpfen für fremde Menschen Mietpreissenkungen. Wie kamen Sie darauf?

    Alles fing mit einer SMS an, an einen Freund, im Jahr 2016. Die Mietpreisbremse jährte sich das erste Mal. Die Presse war voller Häme. Mietpreisbremse ist eine Totgeburt, hieß es überall. Ich holte Freunde vom Flughafen ab und las in der Zeitung, dass der erste Fall vor Gericht gewonnen worden war. Ich dachte, es scheint doch zu funktionieren, das Gesetz, es ist gar keine Totgeburt.

    Und was stand in der SMS?

    Der Link zu dem Artikel. Und die Frage, ob man die Mietpreisbremse dann nicht auch gegen große Immobilienfirmen einsetzen könnte. Ich dachte, es kann ja wohl nicht wahr sein, dass in der Bundesrepublik Deutschland, einem der besten Rechtsstaaten der Welt, so eine riesige Kluft zwischen Recht haben und Recht bekommen besteht. Und ich fragte mich: Was sind die Gründe, warum das Gesetz so schwer umzusetzen ist?

    Was sind die Gründe?

    Das Gesetz an sich ist ein scharfes Schwert. Wenn die Miete über das zulässige Maß hinausgeht, können Mieter eigentlich sofort die Miete senken, ohne Zustimmung des Vermieters, müssten auch gar nicht klagen. Aber in den juristischen Details und den praktischen Auswirkungen klappt es einfach nicht. Das scharfe Schwert kommt in der Realität nicht an.

    Warum nicht?

    Es ist zu kompliziert. Die Leute wissen nicht, wie es genau geht, die Mietspiegel sind total unterschiedlich, in jeder Stadt sieht es anders aus. Vor allem aber wissen die Vermieter, dass sie kein Risiko eingehen, wenn sie das Gesetz verletzen und zu hohe Miete verlangen. Ihnen passiert nichts. Es gibt keine Sanktionsandrohung. Wenn sie erwischt werden, müssen sie das Geld, das sie in der Vergangenheit illegal behalten haben, nur zurückzahlen. Aber auch das ist erst so, seit ich den Rechtsausschuss des Bundestages auf diese Ungerechtigkeit aufmerksam gemacht habe. Und die Wahrscheinlichkeit, erwischt zu werden, liegt unter fünf Prozent.

    Die Mietpreisbremse

    gilt für alle ab 1. Juni 2015 abgeschlossenen Mietverträge. Danach darf die Miete zu Beginn des Mietverhältnisses die ortsübliche Vergleichsmiete höchstens um 10 Prozent übersteigen.
    Die Höhe der ortsüblichen Vergleichsmiete kann mit Hilfe des Berliner Mietspiegels ermittelt werden. Die mögliche Mietersparnis über Connys Rechner.

    Und woran liegt das?

    Die Leute gehen lieber auf die Straße und protestieren für niedrigere Mieten, als sich gegen den Vermieter zur Wehr zu setzen.

    Weil sie froh sind, überhaupt eine Wohnung zu haben?

    Es ist einfach, auf die Straße zu gehen und Dampf abzulassen. Effektiver aber ist es, gegen den eigenen Vermieter vorzugehen, zu sagen: Rüge, Klage, ich lass mir das nicht mehr gefallen. Aber es ist eben auch psychologisch kompliziert. Der Mieter hat vielleicht sechs Monate nach einer Wohnung gesucht, ist froh, eine gefunden zu haben, und kaum hat er den Mietvertrag unterschrieben, sagt er: Sorry, ich will aber eine Mietsenkung. Das fühlt sich unmoralisch an.

    Zumal, wenn es ein paar hundert Bewerber für die Wohnung gab und der Vermieter dem Mieter vertraut hat.

    Ja, aber der Mieter hat ja auch dem Vermieter vertraut, dass er sich ans Gesetz hält. Das ist die erste Bürgerpflicht, sich ans Gesetz zu halten. Wir sagen unseren Kunden: Der Vermieter hat die Marktlage ausgenutzt, und du, lieber Mieter, wehrst dich dagegen. Es gibt trotzdem einen Webfehler im Gesetz, wenn man Menschen zu einem gefühlt unmoralischen Verhalten motivieren muss.

    Verzichten Mieter deswegen auf ihre Forderungen?

    Wir stellen fest: Expats sind viel mutiger. Bei deutschen Mietern hat sich über Jahrzehnte so eine Art Untertanenkomplex herausgebildet.

    Woher kommt der?

    Die Mietpreise sind einfach schon so lange im Steigen. Man hat sich daran gewöhnt. Vielleicht spielt auch ein Statusdenken eine Rolle, der Eigentümer hat Eigentum, ich bin nur Mieter. Ich sehe es andersherum. Der Vermieter ist der Dienstleister. Der muss springen, wenn der Wasserhahn tropft. Ich bin selbst Vermieter, und meine Mieter sind sich ihrer Rechte bewusst.
    Expats werden besonders oft betrogen

    Aber sind Expats aus New York, London, Tel Aviv nicht noch höhere Mieten gewöhnt?

    Ja, aber sie sind oft jung und mutig und bereit, sich zu wehren. Und sie werden besonders oft betrogen. Weil sie nur drei Jahre bleiben, weil der Vermieter danach den nächsten Mietaufschlag vornehmen kann. Kurzfristmiete ist ihm viel lieber, als wenn ein Mieter 20 Jahre in derselben Wohnung bleibt und er nur alle drei Jahre die Miete um 15 Prozent erhöhen kann. Auch die Kaution wird gerne einbehalten. Es geht fast nie glimpflich aus mit der Kautionsrückerstattung.

    Was sind das für Leute, die Sie verklagen?

    Vom Privatvermieter über Wohnungsbaugesellschaften bis hin zu ausländischen Konzernen. Die meisten Privatvermieter sind rechtliche Laien, die haben gehört, die Berliner Mieten sind hoch, und wissen nicht, dass man nach dem Mietpreisspiegel nicht 15 Euro pro Quadratmeter, sondern nur zehn Euro nehmen darf. Die großen Vermieter wissen es natürlich, die sind mit Sicherheit bösgläubig. Zum Teil haben sie ihr Mietpreismodell um die Mietpreisbremse herumgestrickt, modernisieren die Wohnung nur ein bisschen und behaupten, sie hätten umfassend modernisiert. Wohnungen, die umfassend modernisiert sind, fallen aus der Mietpreisbremse heraus.

    In welchen Bezirken haben Sie die meisten Kunden?

    In den Ostbezirken: Prenzlauer Berg, Mitte, Friedrichshain, weil es da einfach die meisten Preissteigerungen gab, aber auch Kreuzberg und Neukölln.

    Gehen Sie selbst zu den Gerichtsterminen?

    Nee. Ich habe es zum Anfang gemacht und mich zu sehr aufgeregt.

    Ich dachte, wir rennen offene Türen ein und die Richter sagen: Endlich macht mal einer was. Das Gegenteil war der Fall.

    Conny-Chef Halmer

    Was hat Sie aufgeregt?

    Die Fälle werden ja vor dem Amtsgericht verhandelt, und das ist häufig mehr Amt als Gericht. Damit hatte ich nicht gerechnet. Als Wirtschaftsanwalt war ich vorher noch nie vor Gericht und dachte, da sind Richter, die schauen ins Gesetz, gucken sich den Sachverhalt an und kommen dann zum Ergebnis. Ich war naiv. Ich dachte: Wir stellen uns auf die Seite der Schwachen, der Mieter, wir rennen offene Türen ein. Die Richter sagen: Endlich macht mal einer was. Das Gegenteil war der Fall. Und das hat uns wahnsinnig viel Ärger gemacht.

    Das heißt, ihre Klagen wurden abgewiesen zum Anfang?

    Ja. Und wir haben jeden Monat ein paar hundert bis tausend Klagen eingereicht.

    Was war der Grund für die Abweisungen?

    Es ist immer einfacher, eine Klage abzuweisen. Ein Grund reicht, eine halbe Seite Begründung. Gebe ich einer Klage recht, füllt das mindestens fünf Seiten. Aufgeregt habe ich mich vor allem, weil viele Gerichte auf das Argument aufgesprungen sind, das, was wir als Legal Tech machen, sei ein Verstoß gegen das Rechtsdienstleistungsgesetz. Dabei wurde vom Bundesverfassungsgericht schon einmal ein sehr vergleichbares Geschäftsmodell beurteilt. Und was das Bundesverfassungsgericht sagt, hat Gesetzeskraft. Das gilt. Ich hatte immer die Urteile in meinem Rucksack, und wenn wieder eine Klage abgewiesen werden sollte, bin ich nach vorne zum Richter gegangen und habe gesagt: Schauen Sie hier! Warum halten Sie diese Passage für nicht einschlägig? Warum sehen Sie das anders?

    Und die Antwort?

    Herr Halmer, wir sind hier nicht im juristischen Examinatorium! Abgewiesen! So war das. Es hat mein Vertrauen, vor allem ins Amtsgericht, anfangs erheblich erschüttert. Umgekehrt war ich mir sicher, juristisch Recht zu haben. Und da bin ich mir sonst fast nie sicher. Wir sind dann vor den BGH gegangen, mit einem ganz normalen Mietbremse-Fall, wir wollten 25 Euro zurück für einen Monat. Vorher habe ich zu meinem Team gesagt: Wenn wir vor dem BGH verlieren, gebe ich meine Anwaltszulassung zurück.

    Mussten Sie aber nicht.

    Gott sei Dank nicht. Die Vorsitzende Richterin vom 8. Zivilsenat hat gleich zum Anfang gesagt: Das Geschäftsmodell von Conny ist überraschend, aber Verwunderung ersetzt noch keine Subsumtion. Ein paar Monate später haben sie dann auf hundert Seiten begründet, warum es rechtlich geht.

    Und seitdem gewinnen Sie Ihre Fälle?

    Wir haben eine außergerichtliche Einigungsquote von etwas über 50 Prozent. Und die Rate steigt. Es gibt aber auch immer noch harte Knochen, die sich verklagen lassen.

    Wieviele gewinnen Sie davon?

    Fast alle. Wir haben eine hohe Erfolgsquote, höher als die von Anwälten oder dem Mieterverein, weil die Vermieterseite, die uns ja mittlerweile kennt, weiß: Wir verdienen nur Geld, wenn wir erfolgreich sind. Es ist in unserer DNA, die Fälle zum Erfolg zu bringen und Fälle, die nicht aussichtsreich sind, nicht voranzutreiben.

    Lohnt sich Ihr Geschäftsmodell?

    So langsam kommen wir auf eine schwarze Null, nachdem wir viele Jahre Miese gemacht haben. Die Mitarbeiter, die Anwälte – das ist teuer. Und am Anfang mussten wir ja erstmal drei Jahre warten, bis das Geschäftsmodell überhaupt geklärt war. Auch die Prozesskosten müssen wir vorschießen. Wenn ich heute einen Fall zur Mietpreisbremse habe, der sich außergerichtlich klären lässt, haben wir das Geld in drei, vier Monaten auf dem Konto. Und der Mieter auch. Wenn wir vor Gericht gehen, dauert es zusätzlich mindestens zwölf Monate, weil die Gerichte überlastet sind. Wenn wir in die zweite Instanz, zum Landgericht, müssen, 24 Monate. So lange verdienen wir keinen Euro und müssen alle Kosten tragen.

    Was ist Conny?

    Conny wurde 2016 als Legal Tech gegründet. Das bedeutet, dass juristische Forderungen vor allem durch digitalisierte Verfahren durchgesetzt werden.
    Über einen Rechner wird kostenlos ermittelt, ob eine Forderung nach Mietpreissenkung Aussicht auf Erfolg hat und wie hoch der Anspruch ist.
    Außergerichtliche Einigungen werden angestrebt. Wenn die Gegenseite diese verweigert, wird mit Einverständnis des Kunden Klage erhoben.
    Conny übernimmt alle Kosten. Im Erfolgsfall werden sechs Monate Mietersparnis als Provision berechnet.
    Die Kreuzberger Firma hat ihr Geschäftsmodell inzwischen auf Finanz- und Arbeitsrecht erweitert.

    Was, wenn Mieter versuchen, allein vor Gericht zu ziehen?

    Dann scheitern sie meistens. Einige versuchen es, weil sie sich hundertprozentig sicher sind, dass sie zu viel bezahlen. Das Problem ist nur, keiner kann sich hundertprozentig sicher sein. Denn es gibt Ausnahmen, die nur der Vermieter kennt: Neubau, Modernisierung, die Höhe der Vormiete. Juristisch ist die Mietpreisbremse im Detail leider viel komplizierter, als man es auf den ersten Blick sieht. Ein Mieter geht also, wenn er die Miete eigenhändig kürzt, immer das Risiko ein, dass der Vermieter ihm sagt, du bist jetzt im Zahlungsverzug. Fristlose Kündigung!

    Wenn jetzt jeder in Berlin, der zu viel Miete bezahlt, zu Ihnen kommt, würde dann ihre Firma zusammenbrechen?

    Im Gegenteil: Wir würden weiter wachsen und könnten noch mehr Mietern helfen. Vieles, was wir machen, ist ja automatisiert. Also Schreiben und Entgegnungen an den Vermieter verschicken oder Klagen einreichen. Maschine und Mensch arbeiten Hand in Hand. Weil es sich oft um kleine Mietsenkungen handelt, lohnt sich unser Unternehmen nur durch unsere Technologie, nur durch Legal Tech, automatisierte Rechtsdurchsetzung, finanziert von Risikokapitalgebern. Sobald sich ein Mensch mit Mindestlohn hinsetzt und das durchrechnet, schon nicht mehr. In anderen Ländern sind Legal Techs gang und gäbe, in Deutschland noch nicht.
    „Wir haben viele Feinde.“

    Warum nicht?

    Weil im Bundestag viele in die Jahre gekommene Anwälte sitzen, die uns als Bedrohung empfinden. Und nicht nur sie. Wir haben viele Feinde. Rechtsanwaltskammern fürchten, wir nehmen ihren Mitgliedern ihr Geschäft weg, weil wir Legal Tech machen. Das stimmt natürlich nicht. Ein Rechtsanwalt, der nach RVG – der Gebührentabelle für Rechtsanwälte – arbeitet, verdient bei Streitwerten von wenigen 100 Euro einfach nicht genug, als dass sich seine Tätigkeit lohnen würde. Dann gibt es noch ganze Chat-Gruppen gegen Conny, Anwälte, die sich auf Abwehrstrategien gegen uns spezialisiert haben. Ein Vorsitzender Richter vom Landgericht Berlin lehnt nahezu alle unsere Klagen ab.

    Wie kann das sein?

    Das fragen wir uns auch. Er findet seit fünf Jahren immer wieder Gründe, unsere Klagen abzuweisen. Wir haben schon Verfassungsbeschwerden gegen ihn gewonnen. Das Bundesverfassungsgericht und der Bundesgerichtshof finden deutlichste Worte. Die Urteile seien „willkürlich“, also an der Grenze zur Rechtsbeugung. Es gab Zeitungsberichte über ihn und seine Praktiken. Aber es ist wie bei vielen Ungerechtigkeiten kein Skandal, der es auf die Titelseite der Bild-Zeitung schafft, macht aber die Leute fertig und krank, zermürbt sie. Jede zehn Euro, die man zu viel bezahlt, sind letztlich eine Bedrohung für die Demokratie. Ich glaube nicht, dass es damit zu tun hat, wie sich unsere Gesellschaft gerade polarisiert, gut ist es trotzdem nicht. Dabei könnte der Gesetzgeber das Gesetz über die Mietpreisbindung durch einen Federstrich vereinfachen.

    Wie das?

    Ganz einfach, das habe ich auch im Rechtsausschuss gesagt: Wenn ein Mieter aufgrund der Mietpreisbremse seine Miete kürzt und sich später herausstellt, er hat zu viel gekürzt, kann er deswegen nicht gekündigt werden. Wenn es so im Gesetz stünde, dann könnten wir unseren Mietern sagen, kürzen Sie die Miete und wir sehen, was passiert.

    Warum wird der Satz nicht reingeschrieben?

    Das kann ich nicht sagen. Es gibt Lobbyinteressen und die Immobilienindustrie ist sehr mächtig.

    Sie setzen sich für das Recht ein, brauchen aber den Rechtsbruch für den Erfolg Ihres Unternehmens. Ist das nicht ein Widerspruch?

    Die Frage kommt häufig von Investoren: Wenn ihr einen Marktanteil von hundert Prozent habt, wird doch die Gegenseite nicht mehr freiwillig das Gesetz verletzen. Overcompliance sozusagen. Das ist aber nicht so, solange es keine Sanktionen gegen Vermieter gibt.
    Als Nächstes sind die Banken dran

    Und wenn es doch einmal Sanktionen geben sollte, was machen Sie dann?

    Ach, der Verbraucher wird so oft betrogen. In der Summe kann man sagen, dass 99,9 Prozent der Verbraucherrechte nicht durchgesetzt werden. Recht haben und Recht bekommen – wie bei der Mietpreisbremse – sind zwei verschiedene Paar Schuhe. Unser Betätigungsfeld ist weit, die Liste von Themen riesig. Nehmen Sie die Bankgebühren. Der BGH hat letztes Jahr entschieden, dass die einseitige Gebührenerhöhung unwirksam ist. Nach unserer Schätzung liegen drei Milliarden Euro bei den Banken, die eigentlich den Kunden gehören. Die holen wir jetzt zurück.

    Sie gehen gegen Vermieter und Banken vor. Wie politisch sind Sie?

    Wir sind als Firma nicht politisch. Und wir haben unser Unternehmen bewusst nicht als Nonprofit gegründet. Man braucht den Druck des Markts, muss erfolgreich sein, um sich gegen Großkonzerne durchzusetzen und Investoren zu bekommen.

    Haben Sie schon mal überlegt, in die Politik zu gehen?

    Das könnte ich nicht, noch nicht, weil ich viel zu ungeduldig und zu polarisierend bin. Ich rege mich ständig auf. Ein Beispiel: Der Staat zahlt Hartz-IV-Empfängern die Wohnung. Und dreiviertel dieser Wohnungen sind vermutlich zu teuer. Der Staat sollte bitte sein eigenes Gesetz anwenden, um die Kosten zu reduzieren! Wir haben der Arbeitsagentur sogar unseren Mietspiegelrechner angeboten, haben gesagt, wir schicken dem Vermieter die Schreiben, kostenlos.

    Und?

    Keine Reaktion. Auch mit dem Mieterverein würden wir zusammenarbeiten, der ja ebenfalls staatlich finanziert wird. Erst neulich haben wir wieder gefragt und vorgeschlagen: Wir empfehlen jedem Kunden den Berliner Mieterverein und im Gegenzug bietet ihr euren 160.000 Mitgliedern unseren Service an. Wir kommen uns dabei überhaupt nicht in die Quere. Wir sind ein Legal-Tech-Unternehmen und ihr macht Beratung. Wir wollen auch keine Mitgliedsbeiträge kassieren. Abgelehnt. Zum fünften Mal.

    Haben Sie mal mit dem Senat geredet?

    Dem grünen Justizsenator der letzten Koalition haben wir den Vorschlag gemacht, dass der Staat Werbung für die Mietpreisbremse macht, weil sie viel zu komplex ist. Wir haben gesagt: Warum händigt ihr nicht jedem, der sich amtlich ummeldet, einen Flyer zur Mietpreisbremse aus, wie in der Corona-Krise zur Maskenpflicht? Auch dazu keine Reaktion. Aber wir geben nicht auf.

    Sie geben nie auf, oder?

    Wir sind Rechtspositivisten, wir sind für die Demokratie. Und Gesetze der Demokratie sollten angewandt werden.

    #Berlin #Wohnen #Recht

  • Handelsregister.de: Onlineabfrage verrät private Daten
    https://www.heise.de/news/Digitalisierung-Handelsregister-de-verraet-private-Daten-7202516.html

    05.8.2022 von Jo Bager - Auf der zentralen Registerplattform des Bundes unter handelsregister.de lassen sich seit dem 1. August sämtliche Einträge im Handels-, Genossenschafts-, Partnerschafts- und Vereinsregister abrufen – einfach so, per Webformular. Die für die Allgemeinheit nun leicht zugänglichen Dokumente enthalten oft sensible persönliche Daten wie Adressen, Geburtsdaten, Bankverbindungen oder auch Unterschriften.

    Bisher musste man sich für Auskünfte beim Portalbetreiber Amtsgericht Hamm per Fax registrieren und für viele Dokumente auch Gebühren entrichten. Das Portal diente bisher als zentrale Onlineauskunft der deutschen Registergerichte. Auf Grundlage des Gesetzes zur Umsetzung der Digitalisierungsrichtlinie der EU, dessen Umsetzungsfrist am 1. August ablief, wurde die Registerauskunft vereinheitlicht und die Zugangsbeschränkungen entfielen. Mit der Richtlinie will die EU die Gründung von Gesellschaften und die Verfügbarkeit von Registerinformationen vereinfachen.

    Ist Martin Kind noch Geschäftsführer bei Hannover 96? Solche und ähnliche Fragen lassen sich nun gratis und schnell bei Handelsregister.de checken.

    Ein Portal, in dem jeder Bürger mal schnell nachsehen kann, wer hinter einem bestimmten Unternehmen steht, ist grundsätzlich eine gute Sache. Das fördert die Transparenz. Allerdings hat ein Leser, seines Zeichens Datenschutzbeauftragter in einem Unternehmen, einige Schönheitsfehler gefunden. Ihm ist aufgefallen, dass man in vielen Datensätzen private Daten oder Daten mit Missbrauchspotenzial findet.

    So sind in etlichen Dokumenten Unterschriften nicht geschwärzt. Es finden sich private Anschriften im Klartext, häufig werden Geburtstage genannt. Bei Schriftsätzen von Vereinen sind auch im Klartext persönliche Kontonummern enthalten und bei Bestätigungen von Notaren sind zum Teil die Verifikationsnummern des Personalausweises enthalten.
    Transparenz sticht Datenschutz

    Wir haben bei der Bundesdatenschutzbehörde nachgefragt, was sie zu den Einwänden sagt. Diese hat uns an die Landesdatenschutzbehörde in Nordrhein-Westfalen verwiesen, weil das Portal vom dortigen Justizministerium betrieben wird. Die Landesbeauftragte für Datenschutz und Informationsfreiheit in NRW betont, dass es das Portal schon länger gibt. Neu sei nur, „dass Abrufe aus dem Register nicht mehr kostenpflichtig sind und keine Nutzerregistrierung mehr vorgesehen ist.“

    Die Datenschützer verweisen auf die rechtlichen Grundlagen, die sich aus einer Reihe von Paragrafen unter anderem des Handelsgesetzbuches (HGB) und der Handelsregisterverordnung ergeben. Insbesondere betont die Behörde unter Verweis auf Paragraf 10a HGB, das Portal diene „der Transparenz im Rechtsverkehr und der damit verbundenen Wirkungen gegenüber Dritten. Daher finden die Rechte nach der Datenschutzgrundverordnung grundsätzlich nur sehr eingeschränkt Anwendung.“
    Möglicher Missbrauch

    Die nordrhein-westfälischen Datenschützer sehen aber auch, dass der neue Zugang zum Handelsregister „eine höhere Sensibilität bei den Betroffenen ausgelöst hat, die sich um einen möglichen Missbrauch ihrer Daten sorgen“. Sie regen daher an, rechtliche Einschränkungen der freien Veröffentlichung aller Registerdaten im Netz im Interesse des Schutzes der betroffenen Personen zu erwägen, soweit europarechtliche Vorgaben dem nicht entgegenstehen.

    Das scheint angezeigt, denn die Daten bergen Missbrauchspotenzial. Die Sicherheitsexpertin und „Krawall-Influencerin“ Lilith Wittmann hat bereits angekündigt, eine Programmierschnittstelle (API) für das Handelsregister-Portal zu bauen. Eine solche Schnittstelle dürfte es noch einmal einfacher machen, schnell viele Inhalte aus dem Portal abzurufen – auch sensible.
    „Krasses Versagen des Gesetzgebers“

    Den Justiziar und Datenschutzbeauftragten des Heise-Verlags, Joerg Heidrich, lässt die aktuelle Umsetzung des Handelsregisterportals ratlos zurück: „Ich halte das für ein krasses Versagen des Gesetzgebers bei der Abwägung zwischen berechtigten Forderungen nach Transparenz auf der einen und den Rechten der Betroffenen auf der anderen Seite.“ Das Portal sei gut mit dem Domain-Register vergleichbar, meint Heidrich: „Dort sind die Einträge ja auch nicht öffentlich einsehbar und nur ausnahmsweise mit berechtigtem Interesse abrufbar. Warum die Ungleichbehandlung?“

    Auskunft aus dem Handelsregister
    https://www.handelsregister.de

    Handelsregister API
    https://github.com/bundesAPI/handelsregister

    Gesetz zur Umsetzung der Digitalisierungsrichtlinie der EU
    https://www.bmj.de/SharedDocs/Gesetzgebungsverfahren/DE/Digitalisierungsrichtlinie.html?nn=6705022

    https://www.heise.de/news/GmbH-Gruendungen-und-Handelsregistereintragungen-jetzt-online-moeglich-7194185

    https://www.heise.de/news/GmbH-Gruendungen-und-Handelsregistereintragungen-jetzt-online-moeglich-7194185

    #Deutschland #Recht #Wirtschaft

  • Uber ist illegal, na und ? - AG Taxi Berlin
    https://www.ag-taxi.de/uber_illegal_na_und.html


    Man fragt sich, weshalb die Geschäftsführung von Uber noch nicht in Beuge- oder Untersuchungshaft genommen wurde.

    Ein mittlerweile zweieinhalb Jahre altes Urteil gegen Uber wird nicht durchgesetzt.

    Leider ist es keine Ausnahme sondern die Regel im deutschen Rechtsbetrieb, daß Urteile kaum etwas ändern, wenn Klein gegen Groß gewinnt . Da kann Klein noch so sehr Recht haben und bekommen, es nützt nichts, wenn Groß am längeren Hebel sitzt. Die deutsche Justiz ist immer dann am wirkungsvollsten, wenn sie über leicht verständliche Konflikte zwischen Gleichen urteilt: Nachbar gegen Nachbar, Bäcker gegen Bäcker. Bus- gegen Autofahrer.

    Die Justiz der kleinen Leute ...

    Kennen Sie Heinrich von Kleists Dorfrichter Adam aus dem Theaterstück Der zerbrochne Krug? [2] Das Königlich Bayerische Amtsgericht im Zweiten Deutschen Fernsehen? [3] Neuere Gerichtssendungen im Privat-TV? [4] So etwas kann die deutsche Justiz gut und die Streitenden halten sich an ihre Urteile, weil sie sonst mit harten Sanktionen belegt werden.

    ... gilt nicht für alle.

    Multinationale Konzerne rufen eher private Schiedsgerichte an. Bevor es dazu kommt, verhandeln die Justiziare aller Seiten, denn Krähen hacken sich bekanntlich die Augen nicht gegenseitig aus. Die Bundesrepublik Deutschland hat große Teile dieser privaten Gerichtsbarkeit anerkannt, und sich damit zum Spielball privatwirtschaftlicher Interessen gemacht. Die Führer multinationaler Strukturen wie Uber sind deshalb der Meinung, daß sie und ihre Vertreter vor Ort nur dieser überstaatlichen Privatjustiz unterliegen. Entscheidungen staatlicher Gerichte und sogar die des EUGH sind in ihren Augen belanglos. Mit dieser Haltung stellen sie sich auf eine Stufe mit den internationalen Strukturen der Organisierten Kriminalität, auch bekannt als „Mafia“.

    Der kleine Klaus und der große Klaus

    Beispiele für diese Haltung von Großkonzernen gibt es viele. Kurz gesagt: Der große Klaus gewinnt. Dem ist nur mit List beizukommen. [5]

    – Mit dreckigen Dieselkisten geprellte Autokäufer vs. VW/BMW/Mercedes und andere : die Industrie zahlt und produziert ihre Raum- und umweltfressenden Kisten einfach weiter.
    – Durch Contergan Geschädigte vs. Pharma: die Firma zahlt, aber Big und Small Pharma vergiften die Menschen einfach weiter. [6] [7]
    – Haftung von Anstiftern zum Lohnraub durch Subunternehmen in der Baubranche: das funktioniert so gut wie nie.
    – Noch wirkunsgloser sind die Haftungsregeln im internationalen Textilbusiness: kein Gericht der Welt setzt hier Schadensersatz oder gute Arbeitsbedingungen gegenüber den Konzernen durch.
    Alle tun es

    In keiner Subbranche der individuellen Personenbeförderung wird Mindestlohn gezahlt, wobei interessante Ausnahmen die Regel bestätigen. Die Ausnahmen sind deshalb interessant, weil sie beweisen, daß existenzsichernde Löhne auch in diesen Branchen möglich sind. Wenn unter Milo-Niveau gezahlt wird, handelt es sich auf Seiten der Unternehmer ausnahmslos um Fälle von Gier gepaart mit Abwesenheit von Rechtsbewußtsein.

    Liebe Leserin, Sie haben bestimmt verstanden: Obwohl multimationale Unternehmen mehr Schaden anrichten können, gibt es rechtlich keinen Unterschied zwischen „bösen“ Großkonzernen und „guten“ Kleinunternehmern. Das gilt überall, für Mietwagen- ebenso wie für Taxibetriebe. Ob ein Unternehmer persönlich mehr oder weniger als den gesetzlichen Mindestlohn verdient spielt dabei keine Rolle. Es ist auch nebensächlich, ob seine Lage durch die kriminelle Uber-Konkurrenz oder handlungsunfähige Behörden ausgelöst wurde. Wenn er seine Angestellten nicht richtig beschäftigt und entlohnt, also entsprechen dem MiloG (Mindestlohngesetz), dem Arbeitszeit- und dem Arbeitsschutzgesetz, sondern wie üblich Angestellte zum Akzeptieren von Einkommen unterhalb des Mindestlohns zwingt, dann verkürzt er Steuern, Abgaben an Berufsgenossenschaft und Sozialversicherungen, und macht sich strafbar.

    Verantwortlich sind ...

    Kräht ein Hahn danach? Nein. Die Zuständigen (Hähne) heiraten auf Sylt [8] und lassen durch ihre Untergebenen erklären, daß es beim Schutz der Arbeitnehmer vor Ausbeutung zum Besten stehe. [9]

    Keine Ausnahme: Uber vs. Taxi.

    Seit Uber von Gerichten in München und Frankfurt an Main [10] das Vermittlungsgeschäft untersagt wurde, ist genau das passiert, was wir immer wieder beobachten können, wenn die Ziviljustiz betrügerische Unternehmer zu Zahlungen an kleine Handwerker, Arbeitnehmer und Verbraucher verurteilt: Es geschieht nichts. Das Urteil bleibt folgenlos. Sollte das verurteilte Großunternehmen in die Berufung gehen können, wird es das tun, um möglichst viel Zeit zu schinden. Die Berufungsgerichte sind gut ausgelastet und es verstreicht oft ein Jahr und länger, bis ein Termin in der Sache zustande kommt. Im Berufungsverfahren kann wieder auf Zeit gespielt werden, so daß zwischen ursprünglicher Klage und endgültigem Urteil Jahre vergehen können. Im Lauf dieser Zeit geht immer mal wieder einem Kläger die Luft aus und das Verfahren endet sang- und klanglos.

    Die Taxibranche läßt jedoch nicht nach, und so bestätigt der Bundesgerichtshof am 21.04.2022 ein Urteil des OLG Frankfurt (Az. 6 U 18/20) bestätigt, das Uber untersagt, ohne die hierzu erforderliche behördliche Genehmigung Fahrten anzubieten. Nach dem Personenbeförderungsgesetz kann das Befördern von Personen ohne die hierzu erforderliche Erlaubnis in jedem einzelnen Fall mit Geldstrafen bis zu 20.000 € sanktioniert werden. Was ist seitdem passiert? Uber hat einen Laden in der Köpenicker Straße aufgemacht und vermittelt fleißig weiter. Immerhin kann jetzt gegen eine in Deutschland ansässige Firma vorgegangen werden. Das ist besser als Klage gegen eine ominöse Unternehmen Uber BV, Niederlande zu führen.

    Juristische Winkelzüge

    In der Zeit zwischen den Gerichtsterminen werden von den Beklagten immer wieder Änderungen am Gegenstand der Klage, am liebsten an „der App“, gemacht, so daß bei jedem Verfahrensschritt vorgebracht werden kann, die Klage sei hinfällig, weil der beklagte Umstand bzw. das beklagte Verhalten abgestellt wäre oder nicht mehr vorliege. [11] Damit soll das Verfahren ins Leere laufen oder im schlimmsten Fall ein neues Verfahren erzwungen werden. Das zieht sich dann wieder über Jahre hin. Zum Glück enthält das neue PBefG in § 6 einen Passus, der es erlaubt, aus dieser Endlosschleife auszubrechen. [12]

    Bislang kein mutiges Handeln von Politik und Justiz

    Dabei ist im Fall Uber die Sache im Grunde klar. Es gibt eine Uber Germany GmbH, 10179 Köpenicker Straße 126, eingetragen beim AG Charlottenburg unter „HRB 146780 B“, die vermutlich für alle Gesetzesverstöße ihrer Erfüllungsgehilfen, vulgo „Uber Fahrer“ und „Mietwagenunternehmen“ verantwortlich ist. Als „Beförderer“ unterliegt sie den Regeln und Sanktionen des PBefG. Da diese Firma und alle ihre Konzern- und Partnerunternehmen seit Jahren immer wieder gegen alle erdenklichen deutschen Gesetze, europäischen Richtlinien und Urteile verstoßen, sollte ihre Zuverlässigkeit grundsätzlich in Frage gestellt und der Konzern in Deutschland genauso verboten werden wie ein krimineller Rockerklub. So eine Idee kann von kompetenten Juristinnen mit Sicherheit in Verwaltungshandeln übersetzt werden.

    Nachbemerkung

    Dieser Text ist keine kabarettistische Fingerübung und kein laienhaftes Sich-Luft-Machen. Es geht um zehntausende Uber- und Taxifahrer und Fahrerinnen in Deutschland, denen der Mindestlohn und damit ein menschenwürdiges Leben in Folge der Praktiken des Uber-Konzerns vorenthalten wird.

    In Mietwagenbetrieben werden viele arglose Anfänger durch kriminelle Bosse zum Unterlassen der Angaben über ihrer vollständigen Bezüge gegenüber den Jobcenter angeleitet und damit in die Abhängigkeit einer Gaunergemeinschaft mit ihren ausbeuterischen Chefs manövriert. Uber macht das möglich, weil der US- Konzern bislang den deutschen Behörden keine Daten zur Verfügung stellt. Das neue PBefG sollte hier zusammen mit dem MiloG Abhilfe ermöglichen.

    Wenn es nicht gelingt, das Grundsatzurteil eines hohen Gerichts durchzusetzen, wie soll es dann gelingen, die Voraussetzungen für die wirkliche Zahlung des Mindestlohns für jede geleistete Arbeitsstunde in Mietwagen und Taxis zu schaffen?

    Wir brauchen offensichtlich tiefgreifende Reformen der Aufsichtsbehörden, neue politische Herangehensweisen und ein Bewußtsein für Gute Arbeit, um das Verharren im Elend zu beenden. Das gilt vor allem in Berllin.

    Logo / Illustration: Fluid traffic in SF for two days? Or the opposite ? von Antoine Imbert Lizenz CC-by 2.0

    [1] Bundesgerichtshof: Uber ohne Lizenz illegal / Taxi-Genossenschaft Chef Dieter Schlenker: Wie lange tolerieren Politik und Behörden noch das rechtswidrige Geschäftsmodell von Uber? 27.04.2022
    https://www.wallstreet-online.de/nachricht/15370910-bundesgerichtshof-uber-lizenz-illegal-taxi-genossenschaft

    [2] Heinrich von Kleist - Der zerbrochne Krug
    https://de.wikipedia.org/wiki/Der_zerbrochne_Krug

    [3] ZDF - Königlich Bayerisches Amtsgericht
    https://de.wikipedia.org/wiki/K%C3%B6niglich_Bayerisches_Amtsgericht

    [4] Gerichtssendung
    https://de.wikipedia.org/wiki/Gerichtssendung#Vorl%C3%A4ufer

    [5] Der kleine Klaus und der große Klaus
    https://de.wikipedia.org/wiki/Der_kleine_Klaus_und_der_gro%C3%9Fe_Klaus

    [6] Contergan-Skandal
    https://de.wikipedia.org/wiki/Contergan-Skandal

    [7] Insektenkiller - Wie Chemieriesen unser Ökosystem zerstören (verfügbar bis zum 3.8.2022)
    https://www.arte.tv/de/videos/098073-000-A/insektenkiller

    [8] 9.7.2022 - Es hagelt Spott und Kritik an Lindner-Hochzeit auf Sylt: Merz im Privatjet angereist
    https://de.euronews.com/2022/07/09/es-hagelt-spott-und-kritik-an-lindner-hochzeit-auf-sylt-merz-im-privatj

    [9] 1.10.2020 - Antwort des Bundesfinanzministrium auf eine Anfrage der Linken zu Kontrollen durch die Finanzkontrolle Schwarzarbeit
    https://www.bundestag.de/webarchiv/presse/hib/2020_10/795922-795922

    [10] 22.05.2021 Taxi vs Uber: OLG bestätigt Verbot der Mietwagenvermittlung​ per Uber-App
    https://www.heise.de/news/Taxi-vs-Uber-OLG-bestaetigt-Verbot-der-Mietwagenvermittlung-per-Uber-App-60523
    „Uber ist mit seiner Berufung gegen ein gerichtliches Verbot der Mietwagenvermittlung durch die App des US-Unternehmens gescheitert. Das Oberlandesgericht Frankfurt hat Ubers Berufung am Freitag zurückgewiesen und damit das Urteil der Vorinstanz bestätigt (Az. 6 U 18/20). Die hatte Uber die Vermittlung von Fahrten mit Mietwagen in der App unter anderem deshalb untersagt, weil Uber dafür keine Lizenz habe. Uber sieht keine Konsequenzen für sein Deutschlandgeschäft.“

    [11] 28.12.2019 - Verhindert Ubers neues Geschäftsmodell ein Verbot der App?
    https://www.taxi-times.com/verhindert-ubers-neues-geschaeftsmodell-ein-verbot-der-app

    [12] Personenbeförderungsgesetz (PBefG) § 6 Umgehungsverbot
    https://www.gesetze-im-internet.de/pbefg/__6.html
    Die Verpflichtungen des Unternehmers nach diesem Gesetz werden durch rechtsgeschäftliche oder firmenrechtliche Gestaltungen oder Scheintatbestände, die zur Umgehung der Bestimmungen des Gesetzes geeignet sind, nicht berührt.

    #Uber #Deutschland #Recht #Klassenjustiz

  • Urteil des Landgerichts Frankfurt/Main: Das Geschäftsmodell von Uber ist rechtswidrig - Politik - Tagesspiegel
    https://www.tagesspiegel.de/politik/urteil-des-landgerichts-frankfurt-main-das-geschaeftsmodell-von-uber-ist-rechtswidrig/25354296.html
    EIn mittlerweile zweieinhalb Jahre altes Urteil wird nicht durchgesetzt.

    Interessant daran ist der Umstand, dass dies keine Ausnahme sondern die Regel im deutschen Rechtsbetrieb darstellt, wenn es um Klein gegen Gross geht. Da kann Klein noch so Recht haben und bekommen, es nützt nichts, wenn Gross am längeren Hebel sitzt. Die deutsche Justiz ist immer dann am wirkungsvollsten, wenn sie über leicht zu verständliche Konflikte zwischen Gleichen kümmert: Nachbar gegen Nachbar, Bäcker gegen Bäcker. Bus- gegen Autofahrer.

    Kenen Sie Heinrich von Kleists Richter Adam aus dem Theaterstück Der zerbrochne Krug? Das Königlich Bayerische Amtsgericht im Zweiten Deutschen Fernsehen? So etwas kann die deutsche Justiz gut und die Streitenden halten sich in der Regel an ihre Urteile, weil sie anderenfalls mit ausreichend harten Sanktionen belegt werden.

    Multinationnale Konzerne rufen eher private Schiedsgerichte an. Bevor es dazu kommt, verhandeln die Justiziare aller Seiten, denn Krähen hacken sich bekanntlich nicht gegenseitig die Augen aus. Die Bundesrepublik Deutschland hat große Teile dieser privaten Gerichtsbarkeit anerkannt, und sich damit zum Spielball privatwirtschaftlicher Interessen gemacht. Die Leiter von Strukuren wie Uber gehen deshalb davon aus, dass sie und ihre Vertreter vor Ort nur dieser überstaatlichen Privatjustiz unterstehen, und rechtsstaatliche Entscheidungen, sei es von Amts- Land- oder Verfassungsgerichten oder sogar durch den EUGH, für sie keine Bedeutung haben.

    Beispiele für diese Haltung gibt es genug, und wir begeben uns hier in Gefahr, vom Thema Uber vs. Taxi abzukommen.

    – Mit dreckigen Dieselkisten geprellte Autokäufer vs. VW/BMW/Mercedes und andere : die Industrie zahlt und produziert ihre Raum- und Umweltfressenden Kisten einfach weiter.
    – Von Contergan-. Geschädigte vs. Pharma: die Firma zahlt, aber Big und Small Pharma injizieren der Menscheit einfach weitere krankmachende Gifte.
    – Haftung von Anstiftern von Lohnraub in der Baubranche durch Subunternehmer: das funktioniert so gut wie nie.
    – Noch wirkunsgloser sind die Haftungsregeln im internationalen Textilbusiness: kein Gericht der Welt setzt hier Schadensersatz oder gute Arbeitsbedingungen gegenüber den Konzernen durch.

    In keiner Subbranche der individuellen Personenbeförderung in deutschsprachigen Raum wird Mindestlohn gezahlt, wobei interessante Ausnahemn die Regel bestätigen. Die Ausnahmen sind deshalb interessant, weil sie beweisen, dass existenzsichernde Löhne auch in diesen Branchen möglich sind. Wenn unter Milo-Niveau gezahlt wird, handelt es sich auf Seiten der Unternehmer ausnahmslos um Fälle von Gier gepaart mit Abwesenheit von Rechtsbewußtsein.

    Liebe Leserin, Sie haben die Pointe verstanden: Es gibt keinen Unterschied zwischen „bösen“ Großkonzernen und „guten“ Kleinunternehmern. Ob ein selbst fahrender Taxiunternehmer mehr oder weniger als den Milo verdient spielt keine Rolle. Wenn er seine Angestellten nicht richtig entlohnt und beschäftigt, also entsprechen dem Milo-Gesetz, dem Artbeitszeit- und Arbeitsschutzgesetz, sondern wie üblich Angestellte zum Akzeptieren von Sub-Milo-Einkommen zwingt, dann verkürzt er Steuern, die Abgaben an Berufsgenossenschaft und Sozialversicherung, und macht sich strafbar.

    Kräht ein Hahn danach? Nein. Die Zuständigen (Hähne) heiraten auf Sylt und lassen durch ihre Untergebenen erklären, dass bei der Durchsetzung des Schutz der Arbeitnehmer vor Ausbeutung alles zum Besten stehe.

    Zurück zu Uber vs. Taxi.

    Seit Uber vom Landgericht München und damit quasi für ganz Deutschland das Vermittlungsgeschäft untersagt wurde, passiert genau das, was wir immer wieder beobachten können, wenn die Ziviljustiz betrügerische Unternehmer zu Zahlungen an kleine Handwerker, Arbeitnehmer und Verbraucher verurteilt: Es geschieht zuunächst nicht. Sollte das verurteilte Großunternehmen in die Berufung gehen können, wird es das tun, um möglichst viel Zeit zu gewinnen. Die Berufungsgerichte sind gut ausgelastet und es vergeht viel Zeit, manchmal ein Jahr und länger, bis ein Termin in der Sache zustande kommt. Im Berufungsverfahren kann wieder auf Zeit gespielt werden, so dass zwischen ursprünglicher Klage und endgültigem Urteil Jahre liegen können.

    In dieser Zeit werden von den Beklagten immer wieder Änderungen am Klagegenstand, am liebsten „der App“ gemacht, so dass bei jedem Verfahrensschritt vorgebracht werden kann, dass die Klage hinfällig sei, weil der beklagte Umstand bzw. das beklagte Verhalten abgestellt wäre bzw. nicht mehr vorliege. Damit soll ein neues Verdahren erzwungen werden, das sich erneut über Jahre hinzieht. Zum Glück enthält das neue PBefG mit § 6 (Umgehungsverbot) einen Passus, der es erlaubt, aus dieser Endlosschleife auzubrechen. Es wird intelligentes und mutiges Handeln von Politik und Justizverwaltung brauchen, um das Urteil von 2019 durchzusetzen.

    Im Fall der Geschäftstätigkeit von Uber ist die Sache im Grunde klar. Es gibt eine Uber Germany GmbH, 10179 Köpenicker Straße 126, eigetragen beim AG Charlottenburg unter „HRB 146780 B“, die vermutlich für alle Gesetzesverstöße ihrer Erfüllungsgehilfen, vulgo „Uber Fahrer“ und „Mietwagenunternehmen“ verantwortlich ist. Als „Beförderer“ unterliegt sie den Regeln und Sanktionen des PBefG. Da diese Firma und alle ihre Konzern- und Partnerunternehmen seit Jahren immer wieder gegen alle erdenklichen deutschen Gesetze und europäischen Richtlinien und Urteile verstoßen, sollte ihre Zuverlässigkeit grundsätzlich in Frage gestellt und der Konzern genauso verboten werden wie ein Rockerklub aus der traditionellen Halbwelt. Soweit die Idee die von kompetenten Juristinnen mit Sicherheit in Verwaltungshandeln übersetzt werden kann.

    Wie wäre es mit einem europäischen Haftbefehl gegen sämtliche Uber Vorstände und Manager der Welt? Die Mißachtung der staatlichen Gerichtsbarkeit und damit auch der deutschen Rechtsstaatlichkeit vertreten sie allesamt.

    Der vorstehende Text ist keine kabarettistische FIngerübung und kein amateurjuristisches Sich-Luft-Machen. Es geht um die zehntausenden Uber- und Taxifahrer und Fahrinnen, denen der Mindestlohn und damit ein menschenwürdiges Leben durch die Praktiken des Uber-Konzerns vorenthalten wird.

    Wenn es nicht gelingt, das Grundsatzurteil des hohen Gerichts eines Bundeslandes durchzusetzen, wie soll es dann gelingen, die Voraussetzungen für die wirkliche Zahlung des Mindestlohns für jede geleistete Arbeitsstunde in Mietwagen und Taxis zu schaffen?

    Wir brauchen offensichtlich tiefgreifende Reformen der Aufsichtsbehörden, neue politischen Herangehensweisen und ein Bewußtsein für Gute Arbeit, um das Verharren im Elend vor allem in Berlin zu beenden.

    19.12.2009 von JANA KUGOTH - Ein Gerichtsurteil untersagt dem Fahrdienst Uber die Vermittlung von Beförderungsaufträgen. Der App-Dienst will weitermachen, obwohl das Verbot ab sofort gilt.

    Schlappe für Uber: Das Landgericht Frankfurt am Main hat dem App-Dienst untersagt, in Deutschland Beförderungsaufträge an Mietwagenunternehmer nach dem bisherigen Verfahren zu vermitteln. Das Gericht gab in dem am Donnerstag verkündeten Urteil damit der Unterlassungsklage von Taxi Deutschland, einem Zusammenschluss verschiedener deutscher Taxizentralen, statt.

    Die mit dem heutigen Urteil (Az.: 3-08 O 44/19) ausgesprochene Untersagung der Fahrvermittlung durch Uber gilt ab sofort, teilte das Landgericht mit. Uber habe wegen einer vorangegangenen Abmahnung und anderer gerichtlicher Verfahren mit einer Untersagung rechnen müssen, sagte eine Justizsprecherin.

    Das heißt jedoch nicht, dass Uber-Kunden den Dienst nun nicht mehr nutzen können: „Wir werden die Urteilsbegründung genau prüfen und dann die notwendigen Schritte einleiten, um unseren Service in Deutschland weiterhin zuverlässig anbieten zu können“, sagte ein Uber-Sprecher.

    Aus Sicht von Uber wurden lediglich einzelne Aspekte des Vermittlungsmodells beanstandet. Die Firma betont, dass man in Deutschland nur mit professionellen und lizenzierten Mietwagen- und Taxiunternehmen zusammenarbeite.

    Laut Urteil ist Uber als „Unternehmer im Sinne des Personenbeförderungsgesetzes“ anzusehen, der zur Geschäftstätigkeit über eine entsprechende Konzession verfügen müsse. „Diese Konzession hat Uber unzweifelhaft nicht“, sagte die Vorsitzende Richterin Annette Theimer in der Urteilsbegründung.

    Sichtweise der Fahrgäste entscheidend

    Zur Feststellung der Unternehmereigenschaft sei dabei die „Sichtweise der Fahrgäste“ entscheidend. Uber nehme die Aufträge entgegen, entscheide über die Auswahl der entsprechenden Fahrer und bestimme den Fahrpreis. Dass sich Uber selbst nur als Vermittler von Dienstleistungen an selbstständige Mietwagen-Unternehmer sehe, entnehme man lediglich dem Kleingedruckten, was den normalen Fahrgast aber in der Regel nicht interessiere.

    „Wir begrüßen das Urteil, denn das Landgericht Frankfurt hat klargestellt, dass das System Uber in Deutschland rechtswidrig ist“, erklärte der Geschäftsführer des Bundesverbandes Taxi und Mietwagen, Michael Oppermann. „Wir fordern Uber auf, seine illegale Tätigkeit unverzüglich einzustellen.“ Betreibt Uber sein derzeitiges Geschäftsmodell weiter, drohten pro Verstoß Ordnungsgelder im sechsstelligen Bereich.

    Die Daimler- und Mietwagen-Tochter Free Now operiert ähnlich wie Uber. In Berlin und fünf weiteren deutschen Städten vermittelt das im Zuge der Fusion der Mobilitätsdienste von Daimler und BMW umbenannte Unternehmen (früher: Mytaxi) Mietwagen über seine Plattform. Das Uber-Urteil hat jedoch keine Konsequenzen für diesen Dienst – dafür müsste erst jemand separat gegen Free Now klagen.

    Verhindert Ubers neues Geschäftsmodell ein Verbot der App?
    https://www.taxi-times.com/verhindert-ubers-neues-geschaeftsmodell-ein-verbot-der-app

    1.10.2020 - Antwort des Bundesfinanzministrium auf eine Anfrage der Linken zu Kontrollen durch die Finanzkontrolle Schwarzarbeit
    https://www.bundestag.de/webarchiv/presse/hib/2020_10/795922-795922

    ZDF - Königlich Bayerisches Amtsgericht
    https://de.wikipedia.org/wiki/K%C3%B6niglich_Bayerisches_Amtsgericht

    Heinrich von Kleist - Der zerbrochne Krug
    https://de.wikipedia.org/wiki/Der_zerbrochne_Krug

    Gerichtssendung
    https://de.wikipedia.org/wiki/Gerichtssendung#Vorl%C3%A4ufer

    Contergan-Skandal
    https://de.wikipedia.org/wiki/Contergan-Skandal

    Insektenkiller - Wie Chemieriesen unser Ökosystem zerstören (verfügbar bis zum 3.8.2022)
    https://www.arte.tv/de/videos/098073-000-A/insektenkiller

    Es hagelt Spott und Kritik an Lindner-Hochzeit auf Sylt: Merz im Privatjet angereist
    https://de.euronews.com/2022/07/09/es-hagelt-spott-und-kritik-an-lindner-hochzeit-auf-sylt-merz-im-privatj

    #Uber #Deutschland #Recht #Justiz #Urteil #Verbot #Konzerne #Disruption #USA

  • Gesetze und Regelungen – Bundesverband Taxis und Mietwagen e.V.
    https://bundesverband.taxi/gesetze-und-regelungen

    Schöne Zusammenstellung, aber ein paar Gesetze hat der Unternehmerverband vergessen. Es sind natürlich die wichtigsten, welche die Voraussetzungen regeln, unter denen die Unternehmen Autos betreiben, Angestellte beschäftigen und Geld einnehmen dürfen.

    – das Arbeitszeitgesetz (ArbZG)
    https://www.gesetze-im-internet.de/arbzg

    – das Mindestlohngesetz (MiLoG)
    https://www.gesetze-im-internet.de/milog/BJNR134810014.html

    – Die Straßenverkehrs-Zulassungs-Ordnung (StVZO)
    https://www.gesetze-im-internet.de/stvzo_2012/BJNR067910012.html

    – Das Umsatzsteuergesetz (UStG)
    https://www.gesetze-im-internet.de/ustg_1980

    Es fehlen noch ein paar weitere praxisrelevante Gesetze, aber mit der ansatzweise komplettierten Liste könnten wir schon mal starten. Ein Taxiunternehmer muss ja auch nicht alle Gesetze kennen und sich immer an alle halten, oder?

    Gesetze und Regelungen der Taxi- und Mietwagenbranche

    Die gesetzliche Grundlage für den Taxiverkehr in Deutschland ist das Personenbeförderungsgesetz (PBefG) und die dazu erlassene Verordnung über den Betrieb von Kraftfahrunternehmen im Personenverkehr (BOKraft). 

    Das Personenbeförderungsgesetz definiert genau, was als Taxiverkehr und was als Mietwagenverkehr zu betrachten ist.

    Taxiverkehr ist nach § 47 PBefG so bestimmt, dass

    Personenbeförderung mit Personenkraftwagen durchgeführt wird,
    wobei die Personenkraftwagen von Taxiunternehmern entweder an behördlich zugelassenen Stellen (Taxihalteplätzen) bereitgehalten werden oder die Beförderungsaufträge während einer Fahrt oder am Betriebssitz entgegengenommen werden und mit dem Pkw Fahrten durchgeführt werden, deren Ziel der Fahrgast bestimmt.

    Mietwagenverkehr ist nach § 49 Abs. 4 PBefG dadurch charakterisiert, dass

    Personenbeförderung mit Personenkraftwagen durchgeführt wird,
    wobei die Personenkraftwagen nur „im ganzen“ gemietet worden sind,
    die Beförderungsaufträge für den Mietwagenverkehr am Betriebssitz oder in der Wohnung des Unternehmers entgegengenommen worden sind,
    mit dem Pkw Fahrten durchgeführt werden, deren Zweck, Ziel und Ablauf der Fahrgast bestimmt und diese Fahrten nicht Taxenverkehr sind.

    Gesetzliche Vorgaben

    – Im Pflichtfahrgebiet besteht für Taxis eine Beförderungspflicht. Eine Beförderung darf nur abgelehnt werden, wenn die Betriebssicherheit gefährdet ist.
    – Das Pflichtfahrgebiet wird durch kommunale Behörden festgelegt.
    – In den Pflichtfahrgebieten gelten durch die Behörden festgelegte Fahrpreise, die durch ein Taxameter ermittelt werden. Außerhalb des Pflichtfahrgebietes ist der Fahrpreis frei verhandelbar.
    – In einem Taxi dürfen maximal 9 Personen einschließlich Fahrer befördert werden.

    Umsatzsteuer

    Für Taxifahrten zur Personenbeförderung von bis zu 50 Kilometern Entfernung oder innerhalb einer Gemeinde (unabhängig von der Entfernung) gilt der ermäßigte Umsatzsteuer-Satz von 7 %.

    Bei allen anderen Fahrten (auch Besorgungsfahrten, Starthilfe und anderen Sonderleistungen außerhalb der Personenbeförderung) gilt der Umsatzsteuersatz von 19 %.

    Taxiwerbung

    Werbung und Kenntlichmachung von Taxis ist in § 26 BOKraft geregelt, nach dem Werbung an der Außenseite von Taxis nur an den Seitentüren erlaubt ist. Seit einigen Jahren sind auch Dachwerbeträger längs der Fahrtrichtung erlaubt. In den meisten Bundesländern gilt weiterhin die vorgeschriebene Farbe „Hellelfenbein“, in den anderen wird teilweise die gesamte Fahrzeugoberfläche mit Werbung beklebt.

    Politische und religiöse Werbung ist auf Taxis verboten.

    Weitere Dienstleistungen

    – vorbestellte Abholung vom Flughafen o. a.
    – Großraumfahrzeuge für den Transport von mehr als vier Fahrgästen (bis maximal acht Fahrgäste).
    – Transport von sperrigem Gepäck oder Gütern (z. B. Einkäufe oder Kunstobjekte)
    – Gepäcktransport (und ggf. zusätzl. Verbringen auf Bahnsteig, Haustüre o. ä.)
    – Einkaufsdienste
    – Kurierdienste
    – Botenfahrten
    – Pilotenfahrten, auch Rettungsring oder Engelfahrten genannt. Diese Dienstleistung beinhaltet das Kundenfahrzeug durch einen zweiten Taxifahrer nach Hause gefahren zu bekommen.
    – Lotsenfahrten
    – Kfz-Starthilfe (oft im Auftrag des ADAC)
    – Tiertransporte
    – bargeldlose Zahlung
    – Wartezeiten auf Wunsch des Fahrgastes (zum Beispiel Halt an der Apotheke, Geldautomat oder etwas aus der Wohnung holen)

    Personenbeförderungsschein

    Wer Fahrgäste befördern möchte, braucht wegen der dafür erforderlichen persönlichen Zuverlässigkeit neben seinem „normalen“ Führerschein die Fahrerlaubnis zur Fahrgastbeförderung nach § 48 FeV, im Taxijargon fast immer „P-Schein“ genannt.

    Einer Fahrerlaubnis zur Fahrgastbeförderung bedarf exakt derjenige, welcher

    • einen Krankenkraftwagen führt, oder
    • wenn in dem Fahrzeug entgeltlich oder geschäftsmäßig Fahrgäste befördert werden, oder
    • wer ein Kraftfahrzeug führt, wenn in dem Fahrzeug Fahrgäste befördert werden und für diese Beförderung eine Genehmigung nach dem Personenbeförderungsgesetz erforderlich ist.

    Mit dieser Formulierung fallen Beförderungen in Taxen, Mietwagen, Krankenkraftwagen, Personenkraftwagen im Linienverkehr, Personenkraftwagen bei gewerbsmäßigen Ausflugsfahrten oder Ferienziel-Reisen, Mietomnibusse sowie in Kraftfahrzeugen, die nach § 2 Abs. 6 oder 7 PBefG genehmigt werden, unter die besondere Führerscheinpflicht des § 48 FeV.

    Weiterführende Informationen finden Sie hier. http://taxipedia.info/personenbefoerderungsschein

    Pflichten des Fahrers

    Es gibt grundlegende Pflichten für Fahrer. Die Grundregel für den Fahrdienst lautet, dass das im Fahrdienst eingesetzte Betriebspersonal, also auch der selbstfahrende Unternehmer, die besondere Sorgfalt anzuwenden hat, die sich daraus ergibt, dass ihmPersonen zur Beförderung anvertraut sind (§ 7 BOKraft).

    Daraus folgen für den Taxi- und Mietwagenfahrer insbesondere Verhaltenspflichten gegenüber den Fahrgästen:

    – Er hat sich gegenüber den Fahrgästen rücksichtsvoll und besonnen zu verhalten.
    – Es ist ihm untersagt, während des Dienstes und der Dienstbereitschaft alkoholische Getränke oder andere die dienstliche Tätigkeit beeinträchtigende Mittel zu sich zu nehmen oder die Fahrt anzutreten, obwohl er unter der Wirkung solcher Getränke oder Mittel steht.
    – Im Taxi und Mietwagen darf nicht geraucht werden. Das gilt für den Fahrer auch dann, wenn sich keine Fahrgäste im Fahrzeug befinden, also zum Beispiel bei Betriebs- und Werkstattfahrten oder leeren Rückfahrten zum Betriebssitz.
    – Beim Lenken des Fahrzeugs darf ein Fernsehempfänger nicht benutzt werden.
    – Wenn er oder ein häuslicher Angehöriger an einer übertragbaren Krankheit wie Diphtherie, virusbedingtes hämorrhagisches Fieber, ansteckungsfähige Lungentuberkulose, Meningokokken-Infektion oder Pest leidet, ist die Ausübung der Fahrtätigkeit verboten.
    – Leidet er an einer sonstigen Krankheit, die seine Eignung beeinträchtigt, ein Fahrzeug sicher im Verkehr zu führen, so darf er ebenfalls keine Fahrten ausführen. Erkrankungen dieser Art sind dem Unternehmer unverzüglich mitzuteilen.

    Zu den Pflichten des Fahrer gehört es auch, stets folgende Papiere mitzuführen:

    – Führerschein,
    – Fahrerlaubnis zur Fahrgastbeförderung,
    – Fahrzeugschein,
    – Genehmigungsurkunde oder eine gekürzte amtliche Ausfertigung,
    – Personalausweis, Pass, Passersatz oder Ausweisersatz,
    – der Taxifahrer hat darüber hinaus die geltende Taxi-Tarifordnung mitzuführen, in die auf Verlangen des Fahrgasts diesem Einsicht zu gewähren hat.

    #Taxi #Deutschland #Recht #Taxenordnung #Personenbeförderungsgesetz

  • Aushilfsbeschäftigung ohne Arbeitsvertrag ist riskant
    https://www.taxi-times.com/aushilfsbeschaeftigung-ohne-arbeitsvertrag-ist-riskant

    25.4.2022 von Remmer Witte - Im Niedriglohnbereich, zu dem wohl auch die Taxi- und Mietwagenbranche zählt, gibt es selten arbeitsrechtliche Auseinandersetzungen. Ein zu laxer Umgang mit dem Thema kann dennoch nach hinten losgehen, selbst wenn der Arbeitnehmer eigentlich gar keinen Stress machen will.

    Beispiel: Fahrer X war seit ein paar Jahren immer mal wieder für Arbeitgeber Y als Minijobber aktiv. In seinem Vertrag wurde nichts zur Arbeitszeit vereinbart oder es gibt gar keinen Vertrag. Im Schnitt wurden zehn Stunden in der Woche gearbeitet, ordentlich verbucht und ausgezahlt. Kommt Ihnen das bekannt vor? Dann Achtung: Selbst wenn Sie ein ausnehmend gutes Verhältnis zu ihrem Arbeitnehmer haben – würden Sie ihm tatsächlich freiwillig einen Blankoscheck über 20.000 Euro oder mehr in die Hand drücken in dem Vertrauen, dass dieser nie eingelöst werden wird? Sicherlich nicht, aber genau das tut Arbeitgeber Y in diesem Fall. Treibt nun beispielsweise eine Unterhaltsstreitigkeit den Minijobber in die Enge, haben Arbeitsrechtler schnell ihre helle Freude an dem Fall.

    Warum? Wird die Arbeit allein entsprechend dem Arbeitsanfall erbracht, und genau das entspricht ja der Arbeitsrealität bim Minijob Taxifahrer*In in den meisten Fällen, handelt es sich um ein Abrufarbeitsverhältnis im Sinne des § 12 Teilzeit- und Befristungsgesetz. Ist bei einem solchen Arbeitsverhältnis keine wöchentliche Arbeitszeit vereinbart, gelten aufgrund der gesetzlichen Regelungen mindestens 20 Stunden pro Woche als vereinbart! Das Risiko des Arbeitgebers liegt hier somit zunächst einmal bei weiteren zehn Wochenstunden, die bisher nicht vergütet wurden.

    Gemäß Mindestlohngesetz aber dürfen Restlohnansprüche auf Mindestlohnbasis selbst dann, wenn ansonsten eine Befristung von üblicherweise drei Monaten für mögliche Restlohnansprüche vereinbart wurde, ohne Wenn und Aber noch rückwirkend für volle drei Jahre eingefordert werden. Wurde diesbezüglich keine gültige Ausschlussvereinbarung getroffen, beispielweise auch, weil es gar keinen Arbeitsvertrag gibt, existiert der Nachzahlungsanspruch auch für alle weiteren, über den Mindestlohn hinaus gehenden Lohnansprüche.

    Multipliziert man den so errechneten Restlohnanspruch dann mit zwölf Monaten, wiederum multipliziert mit drei Jahren, so landet man aktuell bei einem Betrag von 14.352 Euro brutto, ggf. zuzüglich Provisionen. Die mögliche Rückrechnung bezieht sich allerdings im Zweifel immer auf den aktuellen Mindestlohn, ab Juli lautet die Forderung dann also schon 16.302 Euro und ab Oktober 2022 stünden voraussichtlich schon stolze 18.270 Euro im Raum. Falls der Minijob regelmäßig nachts erledigt wurde, kommen noch minimal 20 Prozent Nachtzuschläge hinzu.

    Dies ist wohlgemerkt das Risiko für einen einzigen Mini-Jobber ohne oder mit unzureichendem Arbeitsvertrag. Wie viele Mini-Jobber haben Sie? Multiplizieren Sie den Wert noch einmal mit dieser Anzahl, denn wenn ein Kollege nachträglich erst einmal risikofrei solch einen Betrag erstreiten kann, wollen andere Kollegen im Zweifel vielleicht gern nachziehen.

    Das dicke Ende folgt möglicherweise noch zum Schluss. Im Sinne der Rentenversicherung ist Fahrer X nun nämlich gar kein Mini-Jobber mehr! Auf Basis einer 20-Stunden-Woche und dem gesetzlichen Mindestlohn kommt er auf einen monatlichen Verdienst von mehr als 800 Euro brutto. Dafür sind ggf. natürlich nachträglich Sozialversicherungsbeiträge und Steuern abzuführen, höchstwahrscheinlich sogar auf Basis der Steuerklasse 6, wenn Ihr Minijobber hauptberuflich anderweitig tätig war! Und diese Beiträge können sogar für vier Jahre in die Vergangenheit zurückgefordert werden und lassen sich auch bezüglich der Lohnsteuer und den Arbeitnehmeranteilen voraussichtlich nur bedingt auf den Arbeitnehmer umlegen.

    Dieses Risiko der nachträglichen Sozialversicherungspflicht besteht im Übrigen auch in einer anderen Konstellation schon für ein kleines Zeitfenster in diesem Jahr, falls zwar eine ordentliche arbeitsvertragliche Vereinbarung über den Minijob vorliegt, diese aber nicht an die steigenden Mindestlöhne angepasst wurde. Bis Oktober dieses Jahres dürfen Minijobber maximal 450 Euro verdienen, und erst ab Oktober soll dieser Betrag auf 520 Euro angehoben werden. Von Juli bis Oktober dieses Jahres aber liegt der Mindestlohn bei 10,45 Euro. Das Ergebnis: Sind für diesen Zeitraum 10 Wochenstunden vereinbart, ergäben sich multipliziert mit 4,33 Wochen und 10,45 Euro 452,48 Euro. Fehlt hier einfach nur die Option eines Arbeitszeitkontos im Vertrag, ergibt sich im Streitfall ein sogar ein gar nicht so einfach wieder kündbarer sozialversicherungspflichtiger Job, vor allem, falls die Beschäftigten zuvor schon mehr als sechs Monate als Minijobber bei Ihnen tätig waren.

    Als Nebenkriegsschauplatz werden im Zusammenhang mit solchen Streitigkeiten gelegentlich auch andere Behörden auf mögliche Missstände in Betrieb hingewiesen. Auch wenn ein sauberes Unternehmen hier vermeintlich nichts zu befürchten hat, vielleicht gibt es ja dann doch noch die eine oder andere Schwachstelle, beispielsweise bei der Arbeitszeitaufzeichnung. Neben möglichen daraus folgenden Bußgeldern tritt bei den meisten Ordnungswidrigkeiten dann eine für viele Unternehmen drastische Folge ein, auf die im Bescheid zunächst kein direkter Hinweis steht: Bußgelder über 200 Euro werden standardisiert in das Gewerbezentralregister eingetragen und können dann bei der gewerbeüblichen Abfrage der persönlichen Zuverlässigkeit im Rahmen einer anstehenden Konzessionsverlängerung noch zu weiteren Problemen führen.

    Im Alltag haben die Arbeitsgerichte im Zweifel zwar diesbezüglich überraschenderweise kein großes Interesse daran, aus einer Mücke einen Elefanten zu machen, solange die Arbeitnehmer trotzdem zu ihrem Recht kommen, und sind daher beim Aushandeln alternativer Abfindungskompromisse oftmals recht kooperativ. Trotzdem kann so schnell einfach nur aufgrund einer unzureichenden oder nicht vorhandenen Arbeitsvertragsgestaltung für manche Unternehmen sogar ein Insolvenzrisiko entstehen. Daher macht es auch im Taxi- und Mietwagengewerbe vielfach Sinn, die arbeitsrechtlichen Risiken immer wieder einmal zu analysieren oder auch professionell analysieren zu lassen, um im Zweifel bei einem Arbeitsrechtsstreit nicht aus dem Nichts vor die Wand zu fahren.

    #Taxi #Arbeit #Recht

  • Promillegrenze – Wikipedia
    https://de.wikipedia.org/wiki/Promillegrenze

    In der Bundesrepublik Deutschland legte der Bundesgerichtshof 1953 erstmals eine Grenze von 1,5 Promille Alkohol im Blut fest, ab welcher, ohne weitere Voraussetzungen, eine Ordnungswidrigkeit vorliegt. Am 14. Juni 1973 verabschiedete der Deutsche Bundestag das Gesetz über die höchstzulässige Grenze der Alkoholkonzentration bei Benutzung von Kraftfahrzeugen auf 0,8 Promille und 2001 wurde die Grenze auf 0,5 Promille gesenkt.

    Auf dem Gebiet der DDR galt ab 1956 bis zur Wiedervereinigung eine Null-Promillegrenze. Diese Regelung in § 7 StVO der DDR blieb auch nach der Wiedervereinigung gemäß Einigungsvertrag in Kraft. Eine vorgesehene Neuregelung wurde nicht getroffen, sodass am 1. Januar 1993 die westdeutsche Regelung gesamtdeutsch wurde. Das führte unter anderem dazu, dass sich durch Berlin zeitweise eine Promillegrenze zog.

    #Recht #Verkehr #Alkohol

  • Bußgeldkatalog § 24a StVG: Fahren mit Alkohol/Drogen im Blut
    https://www.bussgeldkatalog.net/strassenverkehrsgesetz/24a-stvg

    Lohnt sich ein Einspruch gegen Bußgeld, Punkte oder Fahrverbot?
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    Strafen bei Alkohol am Steuer
    Der Paragraph 24a des Straßenverkehrsgesetzes definiert das Bußgeld in puncto Alkohol am Steuer. Führt die Polizei eine Verkehrskontrolle durch und die Promillegrenze wurde überschritten, kann es neben dem Bußgeld auch zum Führerscheinentzug, Fahrverbot oder einer Geldstrafe kommen. Auch Punkte sind möglich. Mehr dazu finden Sie in unserer Bußgeldtabelle.

    Tatbestände § 24a StVG
    Bußgeldrecher: Alkohol am Steuer

    #Recht #Verkehr #Alkohol

  • Strafgesetzbuch (StGB) § 315c Gefährdung des Straßenverkehrs
    https://www.gesetze-im-internet.de/stgb/__315c.html

    (1) Wer im Straßenverkehr
    1.
    ein Fahrzeug führt, obwohl er
    a)
    infolge des Genusses alkoholischer Getränke oder anderer berauschender Mittel oder
    b)
    infolge geistiger oder körperlicher Mängel
    nicht in der Lage ist, das Fahrzeug sicher zu führen, oder
    2.
    grob verkehrswidrig und rücksichtslos
    a)
    die Vorfahrt nicht beachtet,
    b)
    falsch überholt oder sonst bei Überholvorgängen falsch fährt,
    c)
    an Fußgängerüberwegen falsch fährt,
    d)
    an unübersichtlichen Stellen, an Straßenkreuzungen, Straßeneinmündungen oder Bahnübergängen zu schnell fährt,
    e)
    an unübersichtlichen Stellen nicht die rechte Seite der Fahrbahn einhält,
    f)
    auf Autobahnen oder Kraftfahrstraßen wendet, rückwärts oder entgegen der Fahrtrichtung fährt oder dies versucht oder
    g)
    haltende oder liegengebliebene Fahrzeuge nicht auf ausreichende Entfernung kenntlich macht, obwohl das zur Sicherung des Verkehrs erforderlich ist,
    und dadurch Leib oder Leben eines anderen Menschen oder fremde Sachen von bedeutendem Wert gefährdet, wird mit Freiheitsstrafe bis zu fünf Jahren oder mit Geldstrafe bestraft.
    (2) In den Fällen des Absatzes 1 Nr. 1 ist der Versuch strafbar.
    (3) Wer in den Fällen des Absatzes 1
    1.
    die Gefahr fahrlässig verursacht oder
    2.
    fahrlässig handelt und die Gefahr fahrlässig verursacht,
    wird mit Freiheitsstrafe bis zu zwei Jahren oder mit Geldstrafe bestraft.

    Rechtsprechung BGH, 28.06.1990 - 4 StR 297/90 - dejure.org
    https://dejure.org/dienste/vernetzung/rechtsprechung?Gericht=BGH&Datum=28.06.1990&Aktenzeichen=4+StR%20297%2F90#

    Volltextveröffentlichungen (5)
    Wolters Kluwer
    Kraftfahrer - Absolute Fahruntüchtigkeit - Grenzwert - Blutalkoholkonzentration - Neubestimmung

    kanzlei-heskamp.de
    Juristenzeitung(kostenpflichtig)
    Zum Grenzwert der alkoholbedingten absoluten Fahruntüchtigkeit eines Kraftfahrers im Sinne der §§ 315 c Abs. 1 Nr. 1 a, 316 StGB

    rechtsportal.de(Abodienst, kostenloses Probeabo)
    StGB (1975) § 315c Abs. 1 Nr. 1a, § 316
    Herabsetzung der Grenze der absoluten Fahrunsicherheit

    juris(Abodienst) (Volltext/Leitsatz)
    Kurzfassungen/Presse (3)
    verkehrslexikon.de (Auszüge)
    Kraftfahrer sind bei einem Blutalkoholgehalt von 1,1 Promille absolut fahruntüchtig

    anwaltonline.com(Abodienst, kostenloses Probeabo) (Kurzinformation)
    Absolute Fahruntüchtigkeit - 1,1 Promille

    kostenlose-urteile.de (Kurzmitteilung)
    Absolute Fahruntüchtigkeit bei Autofahrern liegt bei 1,1 Promille - Seit 1966 geltender Grenzwert von 1,3 Promille aufgehoben

    Papierfundstellen
    BGHSt 37, 89
    NJW 1990, 2393
    MDR 1990, 838
    NStZ 1990, 491
    NZV 1990, 357
    NJ 1990, 510
    StV 1990, 353
    VersR 1990, 1177
    VersR 1990, 177
    nach Datum nach Relevanz
    Wird zitiert von ... (113)

    #Recht #Verkehr #Alkohol

  • Benedikt Hopmann, Emmelys Anwalt : Unerhört 11
    https://www.youtube.com/watch?v=vB8xuwJCTGg

    „Dass jemand wegen des Verdachts 1 Euro 30 an sich genommen zu haben, nach 31 Jahren gekündigt werden können soll, von einem Tag auf den anderen, das will und kann niemand einsehen.“ Das sagt Emmely-Anwalt Benedikt Hopmann. „Denn es geht ja um die Existenzgrundlage eines Menschen.“

    Denn seine Klientin wurde aus genau diesem Grund in Berlin von der Supermarktkette Kaisers fristlos gekündigt. Hopmann will mit seiner Klientin zur Not bis vors Bundesverfassungsgericht ziehen. Inzwischen will das Bundesarbeitsgericht immerhin das Urteil noch einmal prüfen.

    Aus Sicht von Hopmann herrsche unter den Richter eine regelrechte Betriebsblindheit vor: „Ein Jurist, der die Rechtsprechung tausendmal durchgekaut hat, für den gewinnt das eine Normalität, was niemals eine Normalität sein dürfte.“

    #Recht #Justiz #Arbeit

    Hopmann hat selbst erleben müssen, was eine Kündigung bedeutet: „Ich war lange Schweißer, ich bin selbst auch gekündigt worden. Ich weiß, was das für eine Demütigung ist.“

    Die herrschende Rechtsprechung sagt aber: Schon der Verdacht eines Diebstahls reicht zur Kündigung. „So etwas passiert in Deutschland etwas einmal im Monat.“ Etwa der „Bienenstichfall“: „Eine Verkäuferin hat kurz vor Feierabend einen Bienenstich gegessen, der danach sowieso schlecht geworden wäre - und das Bundesarbeitsgericht hat gesagt: das ist rechtens.“

    Die Richter bräuchten so nicht urteilen, sagt Hopmann: „Sie machens trotzdem.“ Seine Forderung: „Wenn der Arbeitgeber kündigen will, dann muss er es schon beweisen. Allein auf den Verdacht hin, soll niemals eine Kündigung ausgesprochen werden dürfen.“

    Dafür müsse das geltende Gesetz nicht mal geändert werden, es genüge eine Ergänzung: „In Bagatellfällen darf ohne eine vorherige Abmahnung keine Kündigung ausgesprochen werden.“ Aus allen großen Parteien außer der FDP hätten sich Politiker gegen das Emmely-Urteil gewandt. Jetzt müssten sie ihre Worte in die Tat umsetzen.

  • Berliner Zustände Ausgabe 2009
    https://digital.zlb.de/viewer/metadata/15455411_2009_00/1/LOG_0003

    Vollständiger Titel: Berliner Zustände : ein Schattenbericht über Rechtsextremismus, Rassismus und Diskriminierung / Hrsg.: MBR & Apabiz
    Berlin: Mobile Beratung gegen Rechtsextremismus Berlin, 2006ä

    Fallbeispiel: „Ausländer“ sind „Penner“

    Im September 2009 stieg im Bezirk Mitte ein Fahrgast in ein Taxi. Er wollte in Richtung Kurt-Schumacher-Platz gefahren werden. Es entwickelte sich ein kurzes, belangloses Gespräch zwischen ihm und dem Taxifahrer, Herrn F. In der Müllerstraße bei einer Fahrgeschwindigkeit von 50 km/h wurde Herr F. unvermittelt mit der Faust an den Kopf und Hals geschlagen. Fast hätte es einen Unfall gegeben, der nur durch die besonnene Reaktion von Herr F. verhindert wurde. Der Fahrgast würgte Herrn F. von hinten und sagte, dass er ihn töten wolle. Herrn F. gelang es einerseits die Hände des Angreifers zu packen und ihn daran zu hindern zuzudrücken und andererseits, den Wagen am Rand der Straße zum Halten zu bringen. Er konnte auch den Notruf an die Polizei absetzen.

    Ein Autofahrer, der die Szene zufällig beobachtete, hielt an, riss die Tür des Taxis auf und zerrte den Angreifer aus dem Auto. Die Polizei nahm den Täter fest. Sogar in der Anwesenheit der Polizei wiederholte der Mann, dass er Herrn F. töten wollte und betonte, dass er Deutscher sein und Herr F. schließlich „Ausländer“ und demzufolge ein „Penner“. Herr F trug u.a. Verletzungen am Kopf davon. Als er wegen Schmerzen seinen Arzt aufsuchte, wandte sich dieser an die Beratungsstelle ReachOut, da seines Erachtens eine Gewalttat mit rassistischer Motivation vorlag. Ermittlungsverfahren wegen Körperverletzung und schwerem Eingriff in den Straßenverkehr und wegen der nicht bezahlten Taxifahrt wurden von der Polizei eingeleitet. Der rassistisch motivierte Hintergrund der Tat spielte zu diesem Zeitpunkt für die Polizei keine Rolle.

    Download: https://digital.zlb.de/viewer/api/v1/records/15455411_2009_00/files/images/Schattenbericht2009.pdf/full.pdf

    #Taxi #Berlin #Rechtsradikalismus #Rassismus

  • Neue Regeln für Taxi und Uber - Addendum
    https://www.addendum.org/uber/lex-uber

    10.2.2020 - Lex Uber“: Wenn der Markt nicht passt, wird er passend gemacht

    Dieser Artikel gehört zum Projekt Uber und ist Teil 2 einer 3-teiligen Recherche.

    Der Wettkampf auf der Straße geht in eine neue Runde: Ab 1. September gelten für die Personenbeförderung neue Regeln. Des Taxlers Freud ist Ubers Leid. Der US-Fahrdienstvermittler ist aber längst Spezialist darin, die Gesetze zu umkurven.

    Der US-Fahrdienstanbieter Uber stellt die Gesetze der individuellen Personenbeförderung seit Jahren auf den Kopf. Staatliche Regulierungen hinken dem Angebot des kalifornischen Startups und anderen Anbietern stetig hinterher. Der Kampf um den Kundenmarkt auf der Straße gleicht einem Katz-und-Maus-Spiel: Uber schafft mit seiner einfach zu bedienenden App und günstigen Preisen eine steigende Nachfrage – zum Leidwesen der alteingesessenen Taxi-Industrie. Gesetze werden angepasst, und die Online-Anbieter finden neue Wege.

    Folgt man dieser Logik, müssen als Nächstes wieder die Gesetze nachziehen. Der erste Schritt dazu wurde bereits gemacht. Vergangenen Sommer wurde im österreichischen Nationalrat mit den Stimmen von ÖVP, SPÖ und FPÖ das neue Gelegenheitsverkehrsgesetz beschlossen, das besagt: Ab 1. September gelten für Taxi- und Mietwagenfahrer dieselben Regeln.

    Von einer simplen Idee zum Milliardenunternehmen

    Doch wie kam es eigentlich dazu? Was macht Uber so besonders und worüber geraten der Online-Anbieter, Taxifahrer und die Gesetze aneinander? Ein kurzer Überblick:
    2008

    Die Geburt von Uber

    An einem kalten Dezemberabend in Paris konnten die späteren CEOs Travis Kalanick und Garrett Camp kein Taxi bekommen. Da soll der Legende nach die Idee für Uber entstanden sein. 2009 entwickelten die beiden Unternehmer eine Smartphone-App, mit der man per Knopfdruck eine Fahrt bestellen kann. Uber war geboren.

    5. Juli 2010 Der erste Auftrag

    Am 5. Juli 2010 nahm Uber seinen ersten Auftrag an: Die erste Fahrt führte quer durch San Francisco. Von dort ausgehend legte das Startup einen Erfolgslauf hin und verbreitete sich zuerst über die USA und bald über alle Kontinente.

    Egal wo Uber hinkommt, überall steigen Taxiverbände auf die Barrikaden, und Gesetze werden angepasst. Für Uber ist sein Service somit in vielen Ländern zu einem rechtlichen Drahtseilakt geworden, der von Konkurrenz und Behörden argwöhnisch beobachtet wird.

    2014 Uber goes Österreich

    Seit Februar 2014 bietet Uber seinen Service auch in Österreich an, genauer gesagt in und um Wien. Im Februar mit der Luxusvariante „Uber Black“, ab August mit „UberX“. Seit Sommer 2019 fährt Uber auch in Graz, Linz, Salzburg und Innsbruck. Während Uber in einigen Ländern Fahrgäste auch an private Fahrer mit eigenem Auto vermittelt (dieses Angebot heißt UberPOP), ist das in Österreich nicht möglich. Lizenz als Taxi-Anbieter oder Mietwagenfirma hat Uber keine: Es wird lediglich die Technologie zur Vernetzung von Fahrer und Fahrgast zur Verfügung gestellt.

    Daher sei Uber weder Arbeitgeber noch Vermittler. Das hätte entscheidende Vorteile: Im Gegensatz zu Taxis können Mietwagenunternehmen den Preis mit den Kunden nämlich frei verhandeln, die Autos brauchen auch kein geeichtes Taxameter. Allerdings müssen sie nach jedem Arbeitsauftrag zurück zu ihrem Standort, der üblicherweise am Stadtrand liegt. Uber stützt sich auf die Ausnahme für Aufträge, die während der Rückfahrt „in der Betriebsstätte“ eingehen.

    2017 Widerstand aus der Taxibranche

    Die Wirtschaftskammer und mit ihr die Taxiinnung sieht darin wiederum einen Rechtsmissbrauch. Ab 2015 geht die Taxibranche gegen den neuen Konkurrenten juristisch vor: Im Oktober erlässt das Handelsgericht in Wien eine einstweilige Verfügung gegen ein Mietwagen-Unternehmen, das mit Uber zusammenarbeitet.

    Dezember 2017 Wegweisendes EUGH-Urteil

    Am 20. Dezember 2017 erlitt Uber vor dem Europäischen Gerichtshof eine schwere Niederlage. Der EuGH stellte in einem Urteil fest, dass Uber nicht bloß ein Onlinedienstleister ist, der es mit seiner Plattform erlaubt, Kunden und Autofahrer zu vernetzen. Uber erbringe in Wirklichkeit eine Verkehrsdienstleistung. Der Dienst unterscheide sich rechtlich nicht wesentlich von klassischen Taxidiensten.

    März 2018 Tödlicher Unfall mit selbstfahrendem Uber-Auto

    Bei einem Unfall mit einem selbstfahrenden Uber-Auto wurde in Arizona (USA) eine Fußgängerin getötet. Unfallursache war laut US-Ermittlern eine fehlerhafte Software. Nachdem Uber zunächst alle Testfahrten mit autonomen Fahrzeugen eingestellt hatte, fahren mittlerweile wieder einige software-gesteuerte Uber-Autos – allerdings mit starken Einschränkungen.

    Juni 2018 Wiener Taxis erreichen Etappensieg gegen Uber

    Nachdem man sich anfangs auf die Mietwagenanbieter konzentriert hat, zieht der Taxidienst 40100 verstärkt direkt gegen Uber ins Feld. Bei einer Protestfahrt von Taxifahrern gegen den digitalen Fahrdienstvermittler verstopften 2.000 Taxis die Wiener Innenstadt. Kurz zuvor erwirkte das Wiener Handelsgericht einen Fahrstopp für Uber, das nach einer kleinen „Anpassung“ des Bestellsystems allerdings sogleich wieder den Betrieb aufnimmt.

    40100 kämpft weiter und „spioniert“, um Beweise zu den Geschäftspraktiken von Uber zu sammeln – laut Gericht ist das erlaubt.

    2018 10 Milliarden Fahrten

    Am 10. Juni 2018 um 10:12 Uhr startete die zehn Milliardste Uber-Fahrt.

    25. September 2018 OGH: Uber „Verkehrsdienstleistung“

    Der Oberste Gerichtshof bestätigt die einstweilige Verfügung gegen Uber. Auch ihm zufolge ist die Uber-App eine „Verkehrsdienstleistung“ und keine bloße „Technologiefirma“ wie anfangs behauptet. Die Bestellung einer Fahrt muss direkt beim Mietwagenunternehmer eingehen, der auch den Arbeitsauftrag erteilen müsse – die Entscheidung, eine Fahrt anzunehmen, liegt also nicht beim Fahrer, sondern beim Mietwagenunternehmer.

    2019 100 Millionen User nutzen die Angebote von Uber.

    Das Unternehmen bietet (laut Eigeninformation) seine Dienste heute in mehr als 700 Städten in 70 Ländern weltweit an.

    Juli 2019 Uber in Österreich offiziell Reisebüro

    Aufgrund von Klagen der Taxifunkzentrale 40100 verhängt das Wiener Handelsgericht zum zweiten Mal einen kurzfristigen Fahrstopp gegen Uber. Nach der nötigen Abänderung seiner Formalien ist Uber in Österreich seit Juli des Vorjahres offiziell als Reisebüro tätig – schließlich erfüllt es den Wortlaut der Gewerbeordnung punktgenau, es vermittelt „von durch Verkehrsunternehmen durchzuführenden Personenbeförderungen“.

    Nach einer Klage der Wiener Taxizentrale hat der OGH am 7. Februar entschieden, dass Uber weiterhin unter Reisebüro-Lizenz fahren darf. Uber vermittle Personenbeförderungsleistungen und erbringe diese nicht selbst, so das Gericht.

    Uber, Bolt und Co. sind in Österreich mit Mietwagen unterwegs. Mietwagenservices sind ursprünglich dafür gedacht, längere Fahrten samt Fahrer zu buchen. In Österreich werden auch Krankentransporte und touristische Fahrten mit Mietwägen durchgeführt. Im Normalfall muss ein Mietwagen nach jedem Auftrag in die Betriebsstätte zurückkehren. Nicht zu verwechseln sind Mietwägen mit Leihwägen, die man selbst lenkt und viele etwa aus dem Urlaub kennen.
    Ab September: Gleiche Regeln für alle

    Derzeit sind Mietwagen und Taxis noch mit unterschiedlichen Regelungen auf den Straßen unterwegs. Fahrer von Services von Uber oder Bolt benötigen zum Beispiel keinen Taxischein, und wegen der sogenannten Rückkehrpflicht müssen sie nach jeder absolvierten Fahrt zu ihrer Betriebsstätte zurück. Ab 1. September soll in der Branche alles anders werden. Für Taxis und Online-Vermittler gelten dann dieselben Regeln, auch Uber-Fahrer müssen ab September einen Taxischein vorweisen können und sich an fixe Taxitarife halten. Das neue Gelegenheitsverkehrsgesetz entspricht vor allem auch den Wünschen und Vorstellungen der Wirtschaftskammer, die sich klar auf der Seite der Taxis positioniert, obwohl sie eigentlich beide Branchen – Taxi- und Mietwagengewerbe – vertritt. Für Uber und andere Online-Fahrdienstvermittler bedeutet das neue Gesetz jedoch eine Niederlage. Sein Geschäftsprinzip mit flexiblen Preisen, die von Angebot und Nachfrage abhängig sind, kann Uber dann in dieser Form nicht mehr anbieten, und dann wäre das Unternehmen nicht mehr rentabel.

    Der ehemalige Infrastrukturminister und SPÖ-Verkehrssprecher Alois Stöger stimmte im Nationalrat für das neue Gelegenheitsverkehrsgesetz und setzt sich für stärkere Regulierungen des Marktes ein. Der Mietwagenunternehmer Selman Topal hält nicht viel von der Gesetzesnovelle und diskutiert mit Alois Stöger über die „Lex Uber“ – während einer Uber-Fahrt.

    „Lex Uber“ als Gefahr für freien Wettbewerb?

    Glaubt man den Verfassungsexperten, stehen die Chancen für einen erfolgreichen Antrag beim VfGH, die Novelle für verfassungswidrig zu erklären, nicht schlecht. Das neue Gesetz würde den Wettbewerb in der Branche ausschalten und zerstöre das Grundrecht auf Erwerbsfreiheit. Diesem Vorwurf geht auch die Bundeswettbewerbsbehörde (BWB) nach, die für Mitte Februar den Zwischenbericht ihrer Branchen-Prüfung ankündigte. „Wir erhielten über einen längeren Zeitraum Beschwerden bzgl. des Taxi- und Mietwagenmarkts. Die Bundeswettbewerbsbehörde vermutet daher, dass der Wettbewerb eingeschränkt oder verfälscht ist“, sagt BWB-Generaldirektor Theodor Thanner. „Regulierung darf nicht so weit gehen, dass Wettbewerb ausgebremst wird. Eine Konsequenz davon könnte sein, dass Innovation am Markt minimiert wird oder sogar verschwindet“, so Thanner. Die Inhomogenität des Marktes erschwere jedoch eine aussagekräftige Erhebung der Marktdaten, heißt es vonseiten der BWB, weshalb sich der Bericht einige Wochen verzögern wird.

    Nationalratsabgeordneter Douglas Hoyos-Trauttmansdorff (NEOS) ist gegen stärkere Regulierungen und Einschränkungen des freien Wettbewerbs. Für Taxilenker Christian Krause ist das unverständlich, denn für ihn ist die neue Konkurrenz existenzbedrohend.

    Neues Regierungsprogramm: Darf sich Uber Hoffnungen machen?

    Auch im neuen türkis-grünen Regierungsprogramm findet sich ein kleiner, aber durchaus bemerkenswerter Punkt zum Gelegenheitsverkehrsgesetz: Die Rede ist von einer „Weiterentwicklung des Gelegenheitsverkehrsgesetzes“. Aufbauend auf der umstrittenen Novelle des Vorjahres bekennt sich die Bundesregierung in ihrem Programm zu einem „klar regulierten Mischgewerbe, in dem traditionelle Taxiunternehmen und digitale Mobilitätsunternehmen in fairem Wettbewerb ihre Dienste anbieten können“.

    Was das für die Branche genau bedeuten soll, geht aus dem Regierungspapier freilich noch nicht hervor, denkbar ist aber eine Entschärfung der Regeln, um Uber und anderen Anbietern wie Free Now (ehemals myTaxi) und Bolt (ehemals Taxify) das Leben zu erleichtern. Für Uber und andere Mobilitäts-Startups durchaus ein Grund, vorsichtig optimistisch zu sein.

    Umsetzung ist Landessache: Stadt Wien als Zünglein an der Wage?

    Die Umsetzung der nunmehr einheitlichen Tarifgestaltung für Taxi und Mietwagen obliegt aber ohnehin den Landesgesetzgebern. Alle warten derzeit gespannt auf die Stadt Wien, die voraussichtlich als Erste ihre Tarifordnung anpassen wird. Denn obwohl die Bundes-SPÖ im Sommer des Vorjahres für ein Einheitsgewerbe gestimmt hat, zögern die Wiener Genossen nun mit der Umsetzung. Vor der nötigen Änderung der Landesbetriebsordnung muss nämlich erst einmal die Bundesbetriebsordnung geändert werden, heißt es aus dem Büro des roten Wirtschaftsstadtrats Peter Hanke. Er kritisiert, dass die Stadt Wien in der Erarbeitung des Gelegenheitsverkehrsgesetzes nicht eingebunden war.

    Aktuell lässt Hanke die Tarifvereinheitlichung in einer Studie überprüfen – erste Ergebnisse erwarte man Ende Februar. Die Fixtarife scheinen also zumindest in Wien noch nicht in Stein gemeißelt zu sein. Sollten doch keine einheitlichen Tarife kommen, werden die Karten am Markt komplett neu gemischt. Dann würde allein der freie Markt den Preis bestimmen.
    Internationaler Vergleich: Wie gehen andere Länder mit Uber um?

    Nicht nur in Österreich mutierte das US-Unternehmen in den vergangenen Jahren zum Schreck der Taxi-Industrie. In vielen Ländern haben Taxiverbände rechtliche Schritte gegen den unliebsamen Konkurrenten gesetzt. Gesetze wurden angepasst, und immer wieder fand Uber neue Ansätze, um seinen Service überhaupt noch anbieten zu können. Die Liste der Vorwürfe gegenüber Uber ist lang, die Voraussetzungen sind von Land zu Land unterschiedlich. In manchen Dingen unterscheidet sich das Angebot von Uber gar von Stadt zu Stadt. Während etwa in den USA Fahrgäste auch an private Fahrer mit eigenem Auto vermittelt werden, ist das nach einem EuGH-Urteil von 2017 innerhalb der EU nicht mehr möglich. Was aber sind die gesetzlichen Konfliktlinien, mit denen Anbieter wie Uber weltweit zu kämpfen haben? Ein paar Beispiele:

    Deutschland

    Nach einer Unterlassungsklage von Taxiverbänden erklärte das Landgericht Frankfurt Ende des Vorjahres die bisherige Vorgehensweise von Uber in Deutschland für unzulässig. Der Fahrdienstvermittler darf künftig nur noch mit einer Mietwagenfirma pro Stadt kooperieren. Das Frankfurter Landgericht entschied, dass Uber künftig auch selbst eine Mietwagenkonzession benötige – weil das Unternehmen dem Kunden als Anbieter der Beförderungsleistung erscheine, den konkreten Fahrer auswähle und den Preis bestimme. Uber passte daraufhin seine App in Deutschland an, was der deutschen Taxi-Genossenschaft aber nicht weit genug ging. Sie will bei Verstößen gegen das Urteil Strafen von bis zu 250.000 Euro pro Fahrt durchsetzen.

    Spanien

    Spaniens Medien sprachen von einem regelrechten „Taxikrieg“. Tagelang streikten Taxifahrer in Madrid und Barcelona, blockierten wichtige Hauptverkehrsachsen und sorgten für chaotische Verkehrsverhältnisse. Die Taxistas forderten eine stärkere staatliche Regulierung der privaten Fahrdienstleister. In Barcelona zeigten die Proteste Wirkung: Infolge strengerer gesetzlicher Regulierungen zogen sich Uber (und Konkurrent Cabify) Anfang 2019 aus der katalanischen Hauptstadt zurück.

    Das Beispiel des US-Fahrdienstanbieters verdeutlicht, wie die Angebote der Gig-Economy bestehende Märkte und Regulierungen weltweit vor Herausforderungen stellen. Damit stellt sich unweigerlich auch die Frage, wie weit der Staat in das Postulat des freien Marktes von Angebot und Nachfrage eingreifen sollte.

    In Österreich bereitet sich die Brache bereits auf die neuen gesetzlichen Grundlagen vor – ob diese ab Herbst tatsächlich umgesetzt werden, ist aber längst nicht fix. Und dass mit dem neuen Gesetz ohnehin längst nicht alle Problem der Branche gelöst sind, zeigt ein Blick hinter die Kulissen des Taxi-Gewerbes , in dem Korruption und unlautere Geschäftspraktiken keine Seltenheit sind.

    #Österreich #Taxi #Uber #Recht

  • Rechts-FAQ: Mobiles Arbeiten
    https://www.heise.de/ratgeber/Rechts-FAQ-Mobiles-Arbeiten-6147195.html

    1.8.2021 - von Christian Wölbert

    Durch Corona ist das Arbeiten zu Hause alltäglich geworden. Aber gibt es ein Recht darauf? Darf man auch aus dem Ausland arbeiten? Macht es einen Unterschied, ob man „mobil arbeitet“ oder ob man im „Homeoffice“ ist? Wir geben einen Überblick über die Rechtsgrundlagen.
    Homeoffice vs. Mobilarbeit

    Was ist rechtlich gesehen eigentlich der Unterschied zwischen Homeoffice und mobilem Arbeiten?

    Gesetzlich ist keiner dieser beiden Begriffe definiert. In der Praxis sprechen die meisten Unternehmen von „mobilem Arbeiten“, wenn Beschäftigte irgendwo außerhalb des Büros arbeiten. Das kann auch zu Hause sein, also im Homeoffice.

    Den Begriff Homeoffice vermeiden viele Unternehmen, weil er leicht mit „Telearbeit“ verwechselt werden kann, einer Arbeitsform mit strengen rechtlichen Anforderungen: Vereinbart ein Unternehmen mit einem Angestellten Telearbeit, muss es laut der Arbeitsstättenverordnung die nötigen Möbel und die technische Ausstattung finanzieren und „im Privatbereich des Beschäftigten“ installieren.
    Pflicht ausgelaufen

    Gibt es eigentlich einen Rechtsanspruch auf Homeoffice oder mobiles Arbeiten?

    In Deutschland, Österreich und der Schweiz haben Arbeitnehmer keinen solchen Rechtsanspruch, abgesehen von temporären Regeln in der Coronazeit. Laut der deutschen Gewerbeordnung darf der Arbeitgeber „Inhalt, Ort und Zeit der Arbeitsleistung nach billigem Ermessen näher bestimmen“, soweit in Arbeits- oder Tarifverträgen oder Betriebsvereinbarungen nichts Bestimmtes vereinbart ist. Aufgrund der Coronapandemie hatte die Bundesregierung die Arbeitgeber nur vorübergehend verpflichtet, ihren Beschäftigten anzubieten, „in deren Wohnung“ zu arbeiten. Diese Regel lief Ende Juni 2021 aus.

    In den Koalitionsverhandlungen nach der Bundestagswahl wird wohl wieder über das Thema diskutiert werden. Dass dabei ein Rechtsanspruch herauskommt, ist aber unwahrscheinlich. 2020 lehnte die Union bereits einen Vorschlag von Arbeitsminister Hubertus Heil (SPD) ab, einen Anspruch auf mindestens 24 Tage im Jahr zu schaffen. Nun fordert Heil nur noch, dass Arbeitgeber mit ihren Beschäftigten den Wunsch nach mobiler Arbeit erörtern und eine Ablehnung schriftlich begründen müssen.

    Doch fehlender Rechtsanspruch hin oder her: In der Praxis erlauben trotzdem immer mehr Firmen mobiles Arbeiten.
    Hauptsache, produktiv

    Mein Arbeitgeber erlaubt „mobiles Arbeiten“. Heißt das, ich darf nun überall arbeiten, wo ich möchte?

    In vielen Unternehmen regeln Betriebsvereinbarungen die Details des mobilen Arbeitens individuell, in manchen finden sich auch Aussagen zu möglichen Arbeitsorten. Falls der Arbeitgeber mobile Arbeit erlaubt, ohne solche Details vorzugeben, dürfen Beschäftigte nach herrschender Rechtsmeinung grundsätzlich frei wählen, müssen aber Bedingungen beachten: „Man muss bei der Wahl des Arbeitsortes seine Arbeitsfähigkeit und Erreichbarkeit sicherstellen“, fasst Martina Hidalgo, Leiterin des Bereichs Arbeitsrecht bei der Kanzlei CMS, im Gespräch mit c’t zusammen. Außerdem müsse man sonstige Pflichten wie die Wahrung der Vertraulichkeit oder den Datenschutz beachten. „An öffentlichen Orten wie Cafés kann man kaum ausschließen, dass fremde Personen Telefonate mithören oder Bildschirminhalte einsehen.“

    Ähnlich sieht der Deutsche Gewerkschaftsbund (DGB) die Rechtslage: Die Umstände vor Ort müssten „eine ordnungsgemäße Leistungserbringung ermöglichen“, erklärte eine Sprecherin auf Anfrage. „Unter dieser Voraussetzung geht es aber den Arbeitgeber nichts an, ob Beschäftigte ihr Homeoffice in ihre Stadtwohnung oder im Ferienhaus im Umland einrichten.“

    Auch die Entfernung zum Büro kann in der Praxis eine Rolle spielen, denn häufig gestatten Firmen das mobile Arbeiten nur nach Absprache für einzelne Tage. Wird für den nächsten Tag spontan ein Termin im Büro angeordnet, zählt die Ausrede nicht, dass man gerade in einer Ferienwohnung im Allgäu weilt. „Der Arbeitgeber behält im Regelfall das Direktionsrecht, auch wenn er eine gewisse Flexibilität gestattet“, erklärt Hidalgo.
    Spezialfall Ausland

    Darf ich auch von meiner Ferienwohnung auf Mallorca aus mobil arbeiten?

    Auch wenn der Strand lockt: Im Ausland dürfen Angestellte nur arbeiten, wenn der Arbeitgeber explizit im Einzelfall zustimmt. Denn das Arbeiten vom Ausland aus hat komplexe sozialversicherungsrechtliche und steuerrechtliche Konsequenzen – nicht nur für den Arbeitnehmer, auch für den Arbeitgeber.

    Bei TUI heißt die Mischung aus Urlaub und Homeoffice „Workation“. Wer aus dem Ausland heraus arbeiten will, braucht jedoch grünes Licht vom Arbeitgeber.

    (Bild: tui.com)
    Geld-zurück-Garantie

    Kann ich die Kosten für Laptop, Monitor & Co. von der Steuer absetzen?

    Im Winter sind neue Steuerregeln fürs Homeoffice in Kraft getreten, diese gelten aber nicht fürs Arbeiten unterwegs: Für jeden Tag, den man „in der häuslichen Wohnung“ arbeitet, kann man bei der Steuererklärung 5 Euro geltend machen. Der Betrag ist auf 600 Euro im Jahr begrenzt, und er wird vom Finanzamt in den allgemeinen Arbeitnehmer-Pauschbetrag von 1000 Euro eingerechnet. Man profitiert also nur, wenn man mehr als 400 Euro an sonstigen Werbungskosten hat. Die Regel gilt zunächst befristet für die Steuererklärungen 2020 und 2021. Arbeitsmittel wie Notebooks, Headsets, Webcams oder Schreibtische kann man ebenfalls als Werbungskosten absetzen, wobei man schätzen muss, zu wie viel Prozent man diese Dinge beruflich nutzt. Computer, Peripherie und Software kann man seit 2021 grundsätzlich auf einen Schlag absetzen. Bei anderen Arbeitsmitteln ist es komplizierter: Übersteigt der Kaufpreis 952 Euro, muss man über mehrere Jahre abschreiben.
    Risikozone Arbeitszimmer

    Wer zahlt bei Unfällen?

    Bei allen Unfällen im Büro springt die gesetzliche Unfallversicherung ein. Im Homeoffice und unterwegs ist es komplizierter: Versichert sind dort nur Unfälle bei Tätigkeiten, die betrieblichen Interessen dienen, also zum Beispiel der Weg zum Drucker. Stürzt man hingegen auf dem Weg zur Kaffeemaschine in der Küche, ist die Unfallversicherung laut einem Urteil des Bundessozialgerichts nicht zuständig. Auch der Weg zwischen Kindergarten und Homeoffice ist nicht versichert – anders als der Abstecher zum Kindergarten auf dem Weg ins Büro. Arbeitsminister Hubertus Heil hat einen Gesetzentwurf vorgelegt, der diese Ungleichheit beseitigen soll. Über dieses Gesetz wird wegen der Bundestagswahlen aber wohl erst im nächsten Jahr im Bundestag diskutiert werden.

    #Arbeit #Recht #Homeoffice

  • „Der EuGH ist aus der Zeit gefallen“ - AKTUELL - Brennpunkt | Fachartikel | Arbeit und Arbeitsrecht - Personal | Praxis | Recht
    https://www.arbeit-und-arbeitsrecht.de//node/5979

    Die Mehrzahl der Kommentatoren sieht die EUGH Entscheidung anders als dieser Autor, siehe https://dejure.org/dienste/vernetzung/rechtsprechung?Gericht=EuGH&Datum=31.12.2222&Aktenzeichen=C-55/18

    Im Gegensatz zur hier vertretenen Auffassung gibt es dringenden Regelungsbedarf in allen Branchen mit prekären und Niedriglohn-Arbeitsverhältnissen. Insbesondere die vielen Kleinbetriebe, welche sich bisher um eine effektive Arbeitszeiterfassung drücken konnten, sollten nun zu verpflichten sein, endlich eine solche einzuführen. Das Personentransport- und besonders das Taxi- und Mietwagengewerbe sind dafür ein herausragendes Beispiel.

    03. Juli 2019 - Mit dieser Feststellung wurde aus Kreisen der deutschen Wirtschaft das Urteil des EuGH vom 14.5.2019 (C-55/18, „CCOO“) charakterisiert, demzufolge nun alle europäischen Arbeitgeber dazu verpflichtet sein sollen, ein System einzurichten, mit dem die von einem jeden Arbeitnehmer geleistete tägliche Arbeitszeit gemessen werden kann.

    Der Entscheidung zugrunde liegt ein spanischer Rechtsfall, in dem die Gewerkschaft CCOO die Deutsche Bank auf Feststellung verklagte, ein solches System zur Erfassung der von deren Mitarbeitern geleisteten täglichen Arbeitszeit einzurichten.

    Nach spanischem Recht ist der Arbeitgeber –ähnlich wie im deutschen Recht (§ 16 Abs. 2 ArbZG)– lediglich zur Führung einer Aufstellung der von den Arbeitnehmern geleisteten Überstunden verpflichtet. Diese Auffassung vertritt ersichtlich auch das oberste Gericht Spaniens (Tribunal Supremo). Das Prozessgericht, nämlich der nationale Gerichtshof Spaniens (Audiencia Nacional), hatte Zweifel, ob dieses Ergebnis europäischem Recht entspricht und legte deshalb die Frage dem EuGH vor, was zu dem oben genannten Urteil führte.

    Keine Pflicht aus Charta, Richtlinie oder Gesetz
    Der EuGH begründet seine Entscheidung einmal mit der Charta der Grundrechte der Europäischen Union, der Arbeitszeitrichtlinie (RL 2003/88/EG v. 4.11.2003), der Richtlinie 89/391 EWG vom 13.6.1989 und einer entsprechenden Auslegung dieser drei Rechtsinstitute, wobei sich die Arbeitszeitmessung auf alle Gestaltungsformen von Arbeitszeit zu erstrecken habe.

    Es ist zunächst festzustellen, dass weder die Grundrechtscharta noch die beiden Richtlinien expressis verbis eine Vorschrift über eine solche Arbeitszeitmessungspflicht enthalten. Art. 31 Abs. 2 der Charta regelt lediglich ein Recht der Arbeitnehmer auf Begrenzung der Höchstarbeitszeit, ebenso wie die Richtlinie in Art. 6 lediglich die Höchstarbeitszeiten und Ruhezeiten regelt. Auch aus der Sozialcharta – die der EuGH allerdings nicht in Bezug nimmt – ergibt sich aus Art.2 Ziff. 1 lediglich eine Begrenzungspflicht auf eine angemessene tägliche und wöchentliche Arbeitszeit.

    Nun ist dem Urteil eine gewisse innere Logik nicht abzusprechen, die allerdings weniger juristischer und mehr physikalisch-mathematischer Art ist: Wer in ein Gefäß nachgießen will, das nicht überlaufen darf, muss zunächst wissen, wieviel das Gefäß beinhaltet. Allerdings sagen die vom EuGH indirekt in Bezug genommenen Messungssysteme (z. B. Stechuhren etc.) über Arbeitszeit überhaupt nichts aus, sondern lediglich über Anwesenheitszeit. Gem. Art. 2 Ziff. 1 RL ist Arbeitszeit jede Zeitspanne, während der ein Arbeitnehmer gemäß den einzelstaatlichen Rechtsvorschriften und/oder Gepflogenheiten arbeitet, dem Arbeitgeber zur Verfügung steht und seine Tätigkeit ausübt oder Aufgaben wahrnimmt. Dies entspricht auch ungefähr der nationalen Definition (§ 2 Abs. 1 Satz 1 ArbZG: „Arbeitszeit ist die Zeit vom Beginn bis zum Ende der Arbeit ohne die Ruhepausen“). Somit müsste gemessene Anwesenheitszeit erst in messbare Arbeitszeit umgewandelt werden, wozu der Arbeitgeber nach deutschem Recht allerdings aufgrund seines Direktionsrechts (§106 GewO) verpflichtet ist, was wiederum mit dem Beschäftigungsanspruch – nicht Anwesenheitsanspruch – des Mitarbeiters im Einklang steht.

    Sollen und Können
    Bevor man die Frage nach der Messung der Arbeitszeit stellt, ist zuerst die Frage zu beantworten, welche Arbeitszeit geschuldet ist. Hierbei hilft uns das BAG mit seinem ebenso einfachen wie intelligenten Grundsatz: „Der Arbeitnehmer schuldet, was er soll, so gut, wie er kann“. (Urt. v. 11.12.2003 – 2 AZR 667/02, AuA 2/04, S. 44).

    Das „was er soll“ ergibt sich aus Vertrag und Direktionsrecht, wobei sich allerdings Letzteres nicht auf den Umfang der Arbeitszeit erstreckt, sodass diesbezüglich lediglich die vertragliche Arbeitszeitvereinbarung feststeht, wenn nicht im schriftlichen Vertrag dann nach § 2 Abs. 1 Ziff. 7 NachwG. Steht diese vereinbarte Arbeitszeit im Einklang mit den europarechtlichen und nationalen Höchstarbeitszeiten und fordert der Arbeitgeber keine längere Arbeitszeit ein – worauf er grundsätzlich auch keinen Anspruch hat–, ist die zulässige mit der vertraglichen Arbeitszeit identisch, sodass beides feststeht, weshalb nicht einzusehen ist, warum „Feststehendes“ zu messen ist.

    Leistet der Beschäftigte ohne Wissen und Wollen des Unternehmens mehr Arbeit, als er vertraglich schuldet, ist auch diesbzgl. nichts zu messen und aufzuzeichnen, weil sich der Arbeitgeber Mehrarbeit/Überstunden vom Mitarbeiter nicht aufdrängen lassen muss. Ordnet er dagegen – wozu er ausnahmsweise berechtigt sein kann – Überstunden an oder einigt er sich mit dem Arbeitnehmer auf einen bestimmten Umfang von Überstunden, ist klar, dass es sich hierbei nur um die über die vertragliche Arbeitszeit hinausgehende Zeit handeln kann, sodass auch hier die Aufzeichnung der Überstunden ausreicht und nicht einzusehen ist, warum eine vertraglich eingebrachte und feststehende Arbeitszeit zusätzlich noch aufgezeichnet bzw. gemessen werden soll.

    Leistet der Mitarbeiter eigenmächtig weniger als die vertragliche Arbeitszeit, ist eine Verletzung von Arbeitsschutz ebenfalls nicht zu befürchten, sodass auch diesbezüglich kein Anlass für eine Aufzeichnung besteht.

    Fazit

    Als Ergebnis ist somit festzuhalten, dass die genannte Entscheidung des EuGH in Deutschland ins Leere geht und deshalb auch ein Nachbesserungsbedarf des Deutschen Arbeitszeitrechts nicht erforderlich ist.

    #Recht #Arbeitsrecht #Arbeitszeiterfassung #EUGH

  • EuGH: Pflicht zur umfassenden Arbeitszeiterfassung | Personal | Haufe
    https://www.haufe.de/personal/arbeitsrecht/pflicht-zur-umfassenden-arbeitszeiterfassung_76_484268.html

    15.05.2019 von Claudia Knuth - Unternehmen sind verpflichtet, anhand von Arbeitszeiterfassungsystemen die Arbeitszeit ihrer Mitarbeiter zu protokollieren. Nur so könne die Wirksamkeit des Unionsrechts garantiert werden, entschied der EuGH. Die Folgen des Urteils für Arbeitgeber erläutert Rechtsanwältin Claudia Knuth. 

    Mit Urteil vom 14. Mai 2019 (C-55/18) hat der Europäische Gerichtshof (EuGH) entschieden, dass die Mitgliedstaaten Arbeitgeber dazu verpflichten müssen, ein System einzurichten, mit dem die tägliche Arbeitszeit der Mitarbeiter gemessen werden kann. Die Mitgliedstaaten müssen alle erforderlichen Maßnahmen treffen, dass den Arbeitnehmern die täglichen und wöchentlichen Mindestruhezeiten und die Obergrenze für die durchschnittliche wöchentliche Arbeitszeit der Arbeitszeitrichtlinie tatsächlich zugutekommen. Nur so könne der durch die EU-Grundrechtecharta und die Arbeitszeitrichtlinie bezweckte Gesundheitsschutz der Arbeitnehmer tatsächlich einer Kontrolle durch Behörden und Gerichte zugeführt werden.

    Arbeitszeiterfassung zum Schutz der EU-Arbeitnehmerrechte
    Ohne ein System, das die tägliche Arbeitszeit misst, sei es äußerst schwierig oder gar praktisch unmöglich, dass Arbeitnehmer ihre Rechte durchsetzen können, so der EuGH. Für die Frage, ob die Mindestruhezeiten oder die wöchentliche Höchstarbeitszeit eingehalten sind, sei die objektive und verlässliche Feststellung der täglichen und wöchentlichen Arbeitsstunden daher unerlässlich. Eine Regelung, die keine Verpflichtung der Arbeitgeber vorsehe, die Arbeitszeit systematisch zu erfassen, gefährde mithin den Schutzzweck der Arbeitszeitrichtlinie (Schutz von Sicherheit und Gesundheit).

    Ein System zur Arbeitszeiterfassung erleichtere den Arbeitnehmern im Zweifelsfall den Nachweis der Überschreitung von Arbeits- bzw. Unterschreitung von Ruhezeiten und biete Behörden und Gerichten ein wirksames Mittel zur Kontrolle. Die Mitgliedsstaaten müssen Arbeitgeber daher verpflichten, ein objektives, verlässliches und zugängliches System einzurichten, mit dem die von jedem Arbeitnehmer geleistete tägliche Arbeitszeit gemessen werden kann.

    EuGH: Alle Arbeitnehmer sind von der Arbeitszeiterfassung betroffen
    Der EuGH dehnt den Umfang der Rechtsprechung aus. Der Generalanwalt hatte – wie auch der nationale Gerichtshof – die Vorlagefragen lediglich bezogen auf Vollzeitarbeitnehmer, „die nicht ausdrücklich individuell oder kollektiv die Leistung von Überstunden akzeptiert haben und die keine mobilen Arbeitnehmer“ sind (Schlussanträge vom 31. Januar 2019, Az. C-55/18, Rn. 29). Der EuGH ist dem Generalanwalt zwar in Bezug auf die zusammenhängende Prüfung der Vorlagefragen gefolgt, bezieht seine Antwort jedoch auf die täglich geleistete Arbeitszeit jedes Arbeitnehmers. Die durch den Nationalen Gerichtshof und den Generalanwalt bereits ausgeklammerten individual- bzw. kollektivrechtlichen Vereinbarungen sowie mobile Arbeitnehmer fanden in der Zusammenfassung der Vorlagefragen durch den EuGH jedenfalls keine Berücksichtigung.

    Arbeitszeitmodelle müssen angepasst werden
    Ähnlich dem spanischen Recht sieht das derzeitige deutsche Recht in § 16 Abs. 2 S. 1 ArbZG vor, dass der Arbeitgeber verpflichtet ist, die über die werktägliche Arbeitszeit hinausgehende Arbeitszeit der Arbeitnehmer (also Überstunden und Mehrarbeit sowie Sonn- und Feiertagsarbeit) zu erfassen. Eine darüber hinausgehende Verpflichtung zur Aufzeichnung der Arbeitszeit findet sich, außer für die nach § 17 MiLoG erfassten Wirtschaftsbereiche, im deutschen Recht nicht.

    Nach der Rechtsprechung des EuGH ist die gesamte Arbeitszeit vollständig zu dokumentieren. Bereits bestehende Zeiterfassungssysteme müssen gegebenenfalls geändert werden. Sofern eine Betriebsvereinbarung zur Arbeitszeit vereinbart ist, könnte Anpassungsbedarf bestehen. Flexible Arbeitszeitmodelle müssen möglicherweise neu durchdacht werden, von dem bürokratischen Aufwand, den eine Arbeitszeiterfassung eines jeden Mitarbeiters mit sich bringt, ganz abgesehen.

    Fazit: Rückschritt für die Flexibilität
    Die Entscheidung des EuGH ist ein Rückschritt für die digitale Arbeitswelt, die Vorgaben des Arbeitszeitgesetzes sind in vielerlei Hinsicht nicht mehr vereinbar mit flexiblen Arbeitszeitmodellen. Homeoffice und mobiles Arbeiten haben bereits Einzug in den Arbeitsalltag vieler Mitarbeiter gefunden. Durch die Verpflichtung zur aktiven Zeiterfassung könnte diese neue Flexibilität wieder stark eingegrenzt werden.

    Abzuwarten bleibt, wie der deutsche Gesetzgeber die Verpflichtung zur Arbeitszeiterfassung ausgestalten wird. Jedenfalls betonte der EuGH, dass es den Mitgliedsstaaten obliegt, konkrete Modalitäten der Umsetzung eines solchen Systems zu treffen und den Besonderheiten des Tätigkeitsbereichs und der Größe bestimmter Unternehmen Rechnung zu tragen.

    Hinweis: EuGH, Urteil vom 14.05.2019 in der Rechtssache C 55/18

    #Recht #Arbeitsrecht #Arbeitszeiterfassung #EUGH

  • Arbeitszeitschutz 4.0 für Arbeit 4.0 - Neue Richtervereinigung e.V.
    https://www.neuerichter.de/details/artikel/article/arbeitszeitschutz-40-fuer-arbeit-40-629

    15.5.2021 vonTanja Keller - Der Europäische Gerichtshof hat am 14.5.2019 (C-55/18) entschieden, dass ein objektives, verlässliches und zugängliches System einzurichten ist, mit dem die von jedem Arbeitnehmer geleistete Arbeitszeit gemessen werden kann.

    Ohne ein System, mit dem die tägliche Arbeitszeit eines jeden Arbeitnehmers gemessen werden könne, könne weder die Zahl der geleisteten Arbeitsstunden und ihre Verteilung noch die Zahl der Überstunden verlässlich und objektiv ermittelt werden.

    Die objektive und verlässliche Bestimmung der täglichen und wöchentlichen Arbeitszeit sei für die Einhaltung des Arbeitszeitschutzes unerlässlich.

    Objektive und verlässliche Daten erleichterten den zuständigen Behörden und nationalen Gerichten die Kontrolle der tatsächlichen Beachtung der Rechte. Ein Arbeitszeiterfassungssystem biete außerdem den Arbeitnehmern ein besonders wirksames Mittel, um zu objektiven und verlässlichen Daten über die tatsächlich geleistete Arbeitszeit zu gelangen. Ohne diese Daten sei es für Arbeitnehmer äußerst schwierig oder gar praktisch unmöglich, ihre Rechte durchzusetzen.

    Diese Vorgabe muss für die private Wirtschaft in nationales Recht umgesetzt werden. Im öffentlichen Dienst gilt sie ab sofort.

    Die Neue Richtervereinigung begrüßt dieses Urteil uneingeschränkt.

    Die Neue Richtervereinigung teilt Bedenken nicht, flexible Arbeitszeiten würden durch dieses Urteil erschwert. Es geht nicht um Flexibilität als solche, sondern um die Erfassung der in diesen Arbeitszeitmodellen geleisteten Arbeit.

    Das EuGH-Urteil führt auch nicht zu mehr Bürokratie. Arbeitszeiten können heute problemlos auch per Computer oder über eine App zuverlässig erfasst werden.

    Der Zwang zur Registrierung der tatsächlich geleisteten Arbeit wird sich auch in Deutschland vielmehr zugunsten eines effektiven Arbeitszeitschutzes auswirken. Die Neue Richtervereinigung hofft, dass nach diesen bindenden Vorgaben des EuGH zum Arbeitszeitschutz bei den zuständigen Arbeitsschutzbehörden künftig sowohl der Wille als auch die Kapazität vorhanden sein, solche Arbeitszeitkontrollen durchzuführen.

    Darüber hinaus haben die betrieblichen Interessenvertretungen nun eine einfache und leicht zugängliche Möglichkeit, ihrerseits die Einhaltung der Arbeitsschutzbestimmungen zu überprüfen. Sie sind aufgerufen, von ihren Rechten zur Überwachung geltenden Rechts Gebrauch zu machen. Dort wo noch keine Arbeitszeiterfassung praktiziert wird, dürfte nun ein Initiativrecht der betrieblichen Interessenvertretungen bestehen.

    Auch für die Arbeitnehmer bringt dieses Urteil des EuGH Vorteile. Bisher lehnen die Arbeitsgerichte Klagen auf Bezahlung von Überstunden auf Basis einer rigiden Verteilung der Darlegungs- und Beweislast häufig ab. Die geleisteten Überstunden seien den Arbeitgebern nicht zuzurechnen, da diese hiervon keine Kenntnis hätten. Diese seien also auch nicht zu vergüten (BAG 10.4.2013 – 5 AZR 122/12).

    Diese rechtlichen Konstruktionen lassen sich nunmehr nicht mehr aufrechterhalten. Tatsächlich geleistete und registrierte Arbeit muss nach der Rechtsprechung des EuGH vielmehr auch vom Arbeitgeber zur Kenntnis genommen und vergütet werden. Insoweit kann auf die vom BAG schon bislang praktizierte Rechtsprechung beim Vorliegen einer Fahrerkarte verwiesen werden, BAG vom 21.12.2016 – 5 AZR 362/16.

    Während bisher über die Hälfte der geleisteten Überstunden in Deutschland weder bezahlt noch durch Freizeit ausgeglichen werden (dies betrifft ca. 1 Mrd. Überstunden; nicht nur 1 Mio, wie der Arbeitsminister fälschlich verlauten lässt), dürfte sich nun die Chance deutlich erhöhen, dass sich diese Praxis verändert. Im Gegenteil, nach jüngster Rechtsprechung müssen Überstundenzuschläge auch Teilzeitbeschäftigten gezahlt werden, BAG vom 19.12.2018 – 10 AZR 231/18. Finanzielle Fehlanreize („unbezahlte Überstunden“) werden mit diesem Urteil unterbunden.

    Da der EuGH den Zwang zur Registrierung auch aus einem Grundrecht der Arbeitnehmer ableitet, wirkt dieses Grundrecht direkt im Verhältnis zum Arbeitgeber. Nur die Ausgestaltung von Modalitäten erfordert noch eine Tätigkeit des nationalen Gesetzgebers. Eine effektive Registrierung der Arbeitszeit hat aber schon jetzt zu erfolgen.

    #Recht #Arbeitsrecht #Arbeitszeiterfassung #EUGH

  • PBefG-Novelle: Leitfaden für die Genehmigungsbehörden
    https://www.taxi-times.com/pbefg-novelle-leitfaden-fuer-die-genehmigungsbehoerden

    23.6.2021 von Jürgen Harttmann - Der Bundesverband Taxi und Mietwagen e.V. (BVTM) hat einen Leitfaden zur PBefG-Novelle erstellt und diesen all seinen Landesverbänden und Zentralen zur Verfügung gestellt. Er richtet sich an die Kommunen und Behörden. 

    „Der Leitfaden umfasst 36 Seiten“, berichtete BVTM-Geschäftsführer Michael Oppermann am Rande eines Verbands-Webinars zum neuen Personenbeförderungsgesetz. Er trägt den Titel „Das PBefG in der Verwaltungspraxis“ und wurde am gestrigen Dienstag an Mitgliedsorganisationen als PDF verschickt. In ihm seien speziell jene Fragen und Antworten zur PBefG-Novelle formuliert, mit denen sich die regionalen Genehmigungsbehörden aufgrund der neuen Gesetzgebung künftig auseinandersetzen müssen. Oppermann nennt exemplarisch einige der Fragen: Muss eine Genehmigungsbehörde die Tarifordnung anpassen? Muss eine Behörde bzgl. des Festpreises aktiv werden und wie muss er berechnet werden?

    „Auf all diese Fragen geben wir erste Antworten“, berichtet Oppermann. Er bezeichnet den Leitfaden, denn es ausschließlich digital gibt, als lebendes Dokument, denn die eine oder andere Frage werden mittelfristig wahrscheinlich Gerichte entscheiden. „Solange es aber nicht entschieden ist, sollten wir als Taxigewerbe erst einmal mit unserer Position reingehen“ gibt der BVTM das Ziel vor.

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    Das neue PBefG habe bewusst sehr viele Freiräume geschaffen, damit Kommunen die unterschiedlichen Begebenheiten vor Ort berücksichtigen können, fasst Oppermann sinngemäß zusammen. An die Mitglieder appellierte er, den Leitfaden speziell an die örtlichen Personen in den Behörden zu adressieren und darüber in den Meinungsaustausch zu gehen. „Vor Ort sind wir stark, das sollten wir nutzen.“

    #Taxi #Deutschland #Recht #PBefG