Taxi

Reality Check - Geschichten rund ums Taxi in Berlin und weltweit - Materialsammlung, Bilder, Videos, Texte

  • Das Lächeln der Könige / Eine Erwiderung. Teil 1
    http://www.spiegel.de/spiegel/print/d-125443767.html


    Im Spiegel 11/2014 schreibt Jochen-Martin Gutsch über Berliner Taxifahrer. Der Artikel versucht positiv bis neutral zu sein. Irgenwie ist er fair, dann aber doch ganz falsch. Das gehört kommentiert.

    ORTSTERMIN: In Seminaren sollen Berliner Taxifahrer zu höflichen Dienstleistern gemacht werden.

    Was heißt hier Ortstermin ? Hat ein Verbrechen stattgefunden, das Staatsanwalt und Richter mit anderen Verfahrensbeteiligten vor Ort untersuchen muß ? Und warum sollen Taxifahrer zu höflichen Dienstleistern gemacht werden ? Das sind wir doch bereits, seit Jahrzehnten und mit nicht nachlassender Begeisterung. Also was soll das ?

    Erzählen wir die Geschichte doch mal richtig, so wie sie beim Ortstermin, hätte der denn stattgefunden, sichtbar geworden wäre.

    Der Ort
    Ein Schulungsraum bei Taxi Berlin, der größten Taxivermittlung in Berlin und ganz Deutschland. Die TZB GmbH von Hermann Waldner hat vier unabhängige Taxivermittlungen aufgekauft. Nur der schwer angeschlagene „Innungsfunk“ und das kleine türkische „Speedcab“ machen dem Berliner Vermittlungs-Monopolisten noch symbolische Konkurrenz.

    Etwas mehr Ortsbestimmung wäre gut gewesen. Sie fehlt ganz, und der Leser muß dem Autor nun wohl oder übel durch seine Dramaturgie folgen.

    Beim Thema „Berufsbild: Personenbeförderer“ angekommen, Unterpunkt „Kontaktaufnahme“, fragt Detlev Freutel: „So, und was heißt das nun, Kontaktaufnahme?“

    Freutel schaut in den engen Schulungsraum. Schaut auf die 19 Berliner Taxifahrer. Seine Schüler. Niemand hebt den Finger. „Erst mal Blickkontakt mit den Fahrgast herstellen!“, sagt Freutel. „Das ist weltweit so üblich.“

    „Und Lächeln?“, fragt jemand unsicher.
    „Kann nicht schaden“, sagt Freutel. „Aber vor allem immer: Begrüßung! Guten Morgen, Guten Tag, Guten Abend.“

    Das ist journalistisch professionell geschrieben und bleibt an der Oberfläche. Wer die Schulungsteilnehmer sind, welche Haltung und Erwartung sie haben, erfährt der Leser nicht.

    19 gestandene Männer und Frauen, echte Individualisten, setzen sich einer Schulung aus, von der sie, durch lange Jahre auf Berliner Straßen skeptisch geworden, wenig erwarten. Zwei halbe Tage lang hält der Kurs sie vom Arbeiten und Geldverdienen ab. So eine Unterbrechung kann sich eigentlich kein Berliner Kutscher leisten. Bei einem Stundenverdienst von fünf Euro ist das schon fast existenzbedrohend. Trotzdem gelingt es dem Dozenten, ihre Aufmerksamkeit zu gewinnen, auch wenn sie zunächst durch den Vortrag von Selbstverständlichkeiten genervt bis verunsichert sind. Aber eine Einleitung muß sein, der Dozent macht seinen Job gut.

    Einige der Taxifahrer nicken stumm. Einige machen sich Notizen. Sie sind alle freiwillig hier, sie haben 40 Euro bezahlt für den zweitägigen Fortbildungskurs „VIP Quality Taxi Service“. Sie sind gekommen, um zu lernen: bargeldlose Zahlung, Verkehrsrecht, Fahrstil, Kundenservice. Unter anderem.

    Klar sind die Kutscher stumm. Reden soll der Dozent, er soll erzählen, ob sie jetzt etwas anders oder besser machen können als bisher, ob sie womöglich die Einführung neuer Verkehrsregeln verpaßt haben, oder was sonst noch so sein kann. Taxi Berlin hat ein neues Projekt, und sie wollen es verwirklichen. Irgendetwas muß man ja tun, um von den fünf Euro pro Stunde wegzukommen.

    Der Dozent versteht sich mit seinen Teilnehmern. Taxifahrerhumor ist schwarzer Humor, im besten Fall so schwarz und böse wie britischer. Jedes Mal, wenn in den letzten 25 Jahren am Halteplatz geunkt wurde, daß das Geschäft nicht mehr schlimmer werden könnte, wurde es schlimmer. Das prägt den Humor unter Kollegen. So ist dem Journalisten die Pointe entgangen, als ein Kollege fragte, ob man Fahrgäste mit einem Lächeln willkommen heißen soll.

    Teil zwei der Besprechung folgt.

    #taxivermittlung #schulung #VIP #berlin