Taxi

Reality Check - Geschichten rund ums Taxi in Berlin und weltweit - Materialsammlung, Bilder, Videos, Texte

  • RLS - Plattform-Kooperativismus
    http://www.rosalux.de/publication/42282/plattform-kooperativismus.html


    Die deutsche Übersetzung des Texts von Trebor Scholz gibt zahlreiche Hinweise, wie die Lage der Taxifahrer zu verbessern wäre. Hier nur die Taxi-spezifischen Textpassagen.

    Zahllose digitale TagelöhnerInnen stehen jeden Morgen nur deshalb auf, um an einer Auktion ihrer Arbeitskraft teilzunehmen. Laut der Ökonomin Juliet Schor bietet die Sharing Economy in zunehmendem Maße der gebildeten Mittelklasse einen Zugang zu Arbeit mit geringem Anforderungsprofil – wo sie nun Taxi fahren oder Möbel montieren kann –, während sie gering bezahlte ArbeiterInnen aus diesen Beschäftigungsverhältnissen verdrängt.
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    Die Sharing Economy ist innovativ, wenn es darum geht, Profite für einige wenige zu generieren. Die Software, die die Sharing Economy vorantreibt, steckt voller schlauer Ideen. Die ameisengroße Darstellung eines Taxis etwa, das sich einer bestimmten Position auf dem Bildschirm nähert, ist eine brillante Idee; es ist ein design for scale. UnternehmerInnen und SoftwareentwicklerInnen haben neue Märkte entdeckt und aufgebaut, aber gilt das als Innovation? Sollte es bei Innovationen lediglich um Profite für einige wenige gehen, während sie in ihrem Kielwasser eine Arbeiterschaft halten, die zum größten Teil ohne ausreichende soziale Absicherung auskommen muss?
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    Für die Sharing Economy ist die Illegalität Methode, kein Fehlverhalten, und zumindest bislang schreitet die US-amerikanische Regierung nicht ein. Gleichzeit besteht die Möglichkeit, die Regulierung der Arbeitsplattformen zu kommunalisieren. Beispielsweise arbeitet Bürgermeister Bill de Blasio ständig daran, die Größe des Fahrdienstes Uber in New York einzuschränken.
    Seoul, die selbsternannte sharing city in Südkorea, hat bereits einen Präzedenzfall geschaffen, indem sie Uber verboten und eine von der Stadt betriebene Taxi-App eingeführt hat.

    Auch an den steuernden Eingriffen, die gerade in Montgomery County im US-Bundesstaat Maryland in Kraft treten, könnten sich viele Städte ein Beispiel nehmen. Dort hat das Parlament beschlossen, Uber und Lyft zu regulieren, indem eine Abgabe von 0,25 US-Dollar für jede Fahrt mit diesen Unternehmen erhoben wird. Die Einnahmen werden verwendet, um leichter zugängliche Taxidienste für anspruchsberechtigte ältere MitbürgerInnen sowie Geringverdienende anzubieten.
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    (4) Arbeitsvermittlungsplattformen mit gewerkschaftlicher Unterstützung

    Von Denver bis Newark gibt es mehrere Beispiele für Kooperationen zwischen TaxifahrerInnen und Gewerkschaften. Firmen tun gut daran, die Mitarbeit von Gewerkschaften zu begrüßen; Studien beweisen, dass gewerkschaftlich organisierte ArbeiterInnen eine bessere Bindungsrate und mindestens die gleiche Produktivität aufweisen wie die nicht organisierte Belegschaft (vgl. Triplett 1983: 101).[44]

    In Newark, New Jersey, startete der Trans Union Car Service als gemeinnütziger Taxidienst im März 2015. Seine FahrerInnen sind Mitglieder der United Transportation Alliance of New Jersey und Partner der Communications Workers of America (CWA). Sie profitieren von den vielen Leistungen und Absicherungen, die die Gewerkschaft bietet: unter anderem eine Genossenschaftsbank, Unterstützung für Einwanderer, Gesundheitsfürsorge und Rentenleistungen. Die Firma hat vor, nach Atlantic City, Elizabeth (New Jersey) und Hoboken zu expandieren.

    Bereits 2007 traten TaxifahrerInnen der CWA in Denver bei; zwei Jahre später gründeten sie Union Taxi, die erste taxifahrereigene Genossenschaft in Denver. Sie werden unterstützt von der Organisation 1worker1vote, die ihnen bei der Aushandlung von Gehältern, Gesundheitsversorgungsplänen und Trainingsprogrammen hilft. All dies wurde zu einem großen Teil dadurch möglich, dass die FahrerInnen ihre Taxis und damit das Startkapital schon besaßen, dessen Bereitstellung oft eine große Herausforderung für Genossenschaften darstellt.

    Die California App-Based Drivers Association (CADA)[45] ist eine gemeinnützige Mitgliederorganisation, die FahrerInnen der Firmen Uber, Lyft, Sidecar sowie anderer App-basierter Unternehmen zusammenbringt. Diese FahrerInnen sind nicht bei den Firmen angestellt und können deswegen keine Vollmitglieder der Gewerkschaft werden. Die Teamsters Local 986 in Kalifornien kann sich jedoch für CADA einsetzen, indem sie für fahrerfreundliche Verordnungen eintritt und dafür sorgt, dass FahrerInnen mit vereinter Stimme sprechen.

    (5) Genossenschaften, die «von innen heraus» entstehen

    Eine weitere verlockende, wenn auch imaginäre Vorstellung ist die von Arbeitergenossenschaften, die sich im Inneren der Sharing Economy bilden. Uber-FahrerInnen etwa könnten die technische Infrastruktur des Unternehmens nutzen, um ihre eigenen Firmen zu leiten. Das wäre eine Art feindlicher Übernahme durch die ArbeiterInnen.
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    Benutzerdesign für komfortable Solidarität

    Viel zu oft wird die Wichtigkeit des Front-End-Designs geleugnet. Das ist bedauerlich, denn auf der Ebene des benutzerorientierten Designs müssen freie Softwareplattformen mit dem zur Gewohnheit gewordenen nahenden Uber-Taxi auf dem Bildschirm des Telefons konkurrieren. Zumindest müssen DesignerInnen entscheiden, inwieweit sie die Verbrauchermentalität integrieren wollen.

    Was kann das Design für Plattformgenossenschaften anders machen? Cameron Tonkinwise, Leiter der Design Studies an der Carnegie Mellon University, fordert ein Design, das «komfortable Solidaritäten» ermöglicht, ein Design, das kleine Akte der Solidarität einfacher und nahtloser macht.[69] Er schlägt ein Design vor, das die Solidarität mit bestimmten ArbeiterInnen buchstäblich provoziert. So kann etwa jemand, der eine Dienstleistung in Anspruch nehmen will, sehen, dass Arbeiter A teurer ist als Arbeiter B, aber drei Kinder hat und davor steht, von TaskRabbit oder Uber gekündigt zu werden. KundInnen sehen sich dann der Entscheidung gegenüber, diesen Arbeiter zu unterstützen oder nicht. Ein solcher Ansatz brächte allerdings neue Schwierigkeiten bezüglich der Privatsphäre mit sich.
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    Ich halte es ebenfalls für sinnvoll, Mozillas Open-Badge-System[70] zu verwenden, das bezeugen könnte, ob eine bestimmte Plattform die oben aufgeführten Prinzipien befolgt. Ein Beispiel hierfür ist der Fairtrade-Kaffee, der trotz seiner Schwachpunkte ein Marktsegment erobert hat. Solche Badges (dt. Abzeichen) könnten die VerbraucherInnen darüber informieren, was hinter den Kulissen passiert; sie könnten zertifizieren, ob die Arbeitsbedingungen auf ethischen Grundsätzen beruhen oder nicht.

    Den vollständige Originaltext gibt es hier:
    http://www.rosalux-nyc.org/platform-cooperativism-2

    Am 8.7.2015 fand eine Diskussionsveranstaltung mit dem Autor statt.
    Platform Cooperativism vs. the Sharing Economy, Talk and Discussion with Trebor Scholz (New School, New York/USA).
    http://www.rosalux.de/event/53713

    Tonaufzeichnung
    https://soundcloud.com/rosaluxstiftung/platform-cooperativism-vs-the-sharing-economy

    #platform_cooperativism