• Mehr umweltfreundliche Mobilität: Mit Chauffeur und E-Van zum Arzt - taz.de
    https://taz.de/!5690829

    Alter Wein + App + Neuer Schlauch = Innovation , so denkt nicht nur die TAZ.

    Die soziale Frage und die nach lebenswerten Infrastrukturen werden dabei so gut wie immer ausgeblendet. Es kommt einem vor, als ob bereits Roboter am Lenkrad all der schönen neuen Transportwelten sitzen würden. Dabei arbeiten dort Menschen, und die sind den Machenschaften der Grosskonzerne und ihrer Kompradoren in der Regel schutzlos ausgeliefert.

    Dazu steht nichts in der PBefG-Novelle. Wie auch. Die Regierungsparteien sind allesamt bereit, hunderttausende wenn nicht Millionen Menschenleben auf den Altar des digitalen Fortschritts zu opfern.

    Gegenrede? Fehlanzeige.

    8. 6. 2020 von HANNA GERSMANN - Es ist ein Baustein zur Modernisierung der Verkehrswelt. Wer auf dem Land wohnt, nicht selbst Auto fahren kann und zum Arzt muss, wenn die Praxis 15 Kilometer entfernt ist, hat kaum eine Wahl. Fährt der Bus nur zweimal am Tag, bleibt oft nur eines: Taxi rufen.

    Künftig soll es Alternativen geben – und mehr neue Mobilitätsanbieter, die etwa mit Kleinbussen oder auch mit dem Pkw Personen transportieren. Das soll die Modernisierung des Personenbeförderungsgesetzes ermöglichen. Die schwarz-rote Koalition hat sich jetzt in einem Papier auf die entscheidenden Eckpunkte dafür geeinigt. Damit ist ein langer Streit beendet.

    Die Taxi-Alternativen versuchen schon lange sich zu eta­blie­ren, bisher kommen sie aber allenfalls in Städten voran. Oft stecken große Unternehmen dahinter. Berühmt ist der US-Riese Uber, der Fahrten mit Chauffeur in Pkws vermittelt. Das ist das eine. Das andere: die Neuerfindung der Sammelbullis, Experten sprechen von „Pooling-Diensten“.

    Das macht etwa die Deutsche Bahn mit ihrem Angebot Clevershuttle. Oder der VW-Ableger Moia, der in Hamburg Elektrovans losschickt. In Berlin fährt der „Berl-König“, in München der „Isar-Tiger“. Das Prinzip jeweils: Die Kunden melden sich über eine App auf ihrem Handy, werden abgeholt und dorthin gebracht, wohin sie wollen. Sie müssen nur damit rechnen, dass noch andere neben ihnen sitzen, sie auch mal einen kleinen Umweg fahren, um einen weiteren Gast mitzunehmen, dessen Weg im Grunde auf der Strecke liegt. So teilen sich mehrere Fahrgäste ein Taxi, und der Preis wird quasi unschlagbar.

    Taxibranche fühlt sich unter Druck gesetzt

    Die Bundesregierung machte es den neuen Anbietern lange Zeit allerdings nicht leicht – sie sind derzeit meist nur mit befristeten Ausnahmeregelungen unterwegs. Der Hintergrund: Sie können zwar eine Ergänzung zu Bussen, Bahnen, Taxen sein, vor allem für Letztere sind sie aber auch eine Konkurrenz. TaxifahrerInnen sind darum schon mehrfach auf die Straße gegangen und haben ihren Unmut – besonders über Uber – immer wieder geäußert.

    Die klassische Taxibranche fühlt sich durch die neuen Anbieter unter Druck gesetzt. Dabei kommt sie sowieso schon schwer über die Runden. Für Taxis gelten, anders als für die taxiähnlichen Mietwagen oder Vans, strenge Regeln: Die Fahrpreise sind nicht frei kalkulierbar. Da Taxis Teil des öffentlichen Nahverkehrs sind, gelten für sie verbindliche kommunale Taxitarife, egal ob sie an Silvester fahren oder an einem öden Wochentag. Die Fahrer brauchen eine Ortskundeprüfung.Sie müssen alle Fahrgäste transportieren, auch wenn die Strecke kurz und wenig lukrativ ist.

    „Sowohl der Taxi- wie auch der Mietwagenbetrieb soll von regulatorischen Entlastungen profitieren“, nahmen sich CDU, CSU und SPD in ihrem Koali­tions­vertrag vor. Unions-Fraktionsvize Ulrich Lange (CSU) sagte es nun so: „Das gute alte Personenbeförderungsrecht bekommt ein Digital-Update.“ Es liege ein ausgewogener Kompromiss für moderne Mobilitätsangebote in der Stadt und gerade auch auf dem Land auf dem Tisch.

    Die entscheidenden Punkte erklärt Andreas Knie. Er ist einer der führenden Mobilitätsforscher in Deutschland und leitet die Forschungsgruppe „Digitale Mobilität und gesellschaftliche Differenzierung“ am Wissenschaftszentrum Berlin (WZB). Als Punkt eins nennt er: „Mit der Reform sollen die neuen Anbieter dauerhaft erlaubt werden.“

    Rückkehrpflicht ist umstritten

    Zweite wichtige Neuerung: „Für die klassischen Taxen können Preiskorridore festgelegt werden – mit Ober- und Untergrenzen.“ Dritter Punkt: „Die Kannibalisierung der Taxibranche durch Uber wird es nicht geben.“ Denn taxiähnliche Mietwagen müssten auch in Zukunft, damit sie von klassischen Taxen abgegrenzt werden können, nach jedem Beförderungsauftrag zum Betriebssitz zurückkehren. Sie dürften, anders als die Taxen, nicht auf der Straße auf zufällige Kunden warten.

    Diese Rückkehrpflicht ist umstritten. Die Regierung wollte sie ursprünglich aufheben, um den Neulingen Leerfahrten zu ersparen. Für Uber ist sie ein Rückschlag. Die modernen Sammeltaxen, die sich mehrere Personen teilen, die ein ähnliches Ziel haben, dürfen indes noch hoffen: Ob für sie die Rückkehrpflicht gelten wird, werde noch verhandelt, so Knie. Der Professor ist froh über die Reform.

    Knie sagt: „Es ist noch nicht die Verkehrswende, aber nach langem Stillstand bewegt sich was. Auf das private Auto wird sich leichter verzichten lassen, neue kostengünstige und umweltfreundliche Mobilitätsangebote werden kommen.“ Bis Ende des Jahres will die Koalition die Regeln rechtlich festzurren. Da liege „schon noch ein langer Weg“ vor ihnen, so CSU-Bundesverkehrsminister An­dre­as Scheuer. SPD-Fraktionsvize Sören Bartol meinte, der Teufel stecke im Detail.

    #Verkehr #disruption #pooling #Uber #Clevershuttle #Taxi

  • Car-Sharing-Dienst Clever Shuttle vergrößert Flotte – und greift Taxis an | Berliner Zeitung
    https://www.berliner-zeitung.de/berlin/verkehr/angriff-auf-taxibranche-clever-shuttle-vergroessert-flotte-auf-das-

    Angriff auf Taxibranche Clever Shuttle vergrößert Flotte auf das Fünffache
    Von Peter Neumann 03.03.1

    Mit zehn Autos fing es an, inzwischen sind 30 in Betrieb. Doch sie reichen schon lange nicht mehr aus, um alle Fahrtwünsche zu erfüllen. Nun darf der Fahrdienst Clever Shuttle seine Berliner Flotte kräftig aufstocken – auf die fünffache Größe. „Vor kurzem haben wir den Bescheid bekommen“, sagte Bruno Ginnuth, Mitgründer und Geschäftsführer des Unternehmens, der Berliner Zeitung. Im Taxigewerbe stößt das auf Ablehnung – und Angst.

    Ein paarmal mit dem Finger auf die App tippen, und im Idealfall fährt bald ein Elektroauto vor. Seit 2016 gibt es den Fahrdienst Clever Shuttle in Berlin. Anders als im Taxi werden die Sitzplätze einzeln vergeben. Es kommt also vor, dass man sich den Wagen mit anderen Fahrgästen teilt. Dafür ist der Fahrpreis bis zu 50 Prozent niedriger als im Taxi, heißt es .

    Elf Euro pro Stunde plus Zuschläge

    Ride Sharing oder Ride Pooling: Das sind die Stichworte. Es ist eine Form der Mobilität, die immer mehr Freunde findet. Die Fahrgastzahlen bei Clever Shuttle steigen kräftig – zum Teil um 20 Prozent im Monat, wie Ginnuth berichtet. Mittlerweile ist das Unternehmen, das zu 82 Prozent der Deutschen Bahn gehört, in sieben Städten aktiv und befördert pro Monat mehr als 140.000 Menschen. Die Zahl der Beschäftigten ist auf 800 gewachsen. Nun steht ein weiterer Wachstumsschub bevor.

    Vor Kurzem gab das Landesamt für Bürger- und Ordnungsangelegenheiten dem Antrag statt, die bis April 2020 geltende Genehmigung zu erweitern. „Die Fahrer haben wir bereits eingestellt, jetzt kommen die Fahrzeuge“, so Ginnuth. Bis September oder Oktober wächst die Berliner Flotte auf 150 Autos. Bestellt wurden elektrische Versionen des Vans Nissan Evalia mit Platz für fünf Fahrgäste. Mit geladenen Akkus können sie rund 200 Kilometer zurücklegen.

    Clever Shuttle fährt in ganz Berlin – anders als der Berlkönig
    Das Gebiet, in dem Clever Shuttle in Berlin Fahrgäste befördern darf, ändert sich nicht: Es umfasst weiterhin 300 Quadratkilometer, rund ein Drittel des Stadtgebiets. Während sich der Berlkönig der Berliner Verkehrsbetriebe (BVG) auf das östliche Stadtzentrum beschränkt, ist Clever Shuttle in der gesamten Innenstadt und vielen angrenzenden Bereichen unterwegs – „bis nach Hohenschönhausen und Spandau“, so Ginnuth.

    Umstrittenes BVG-Sammeltaxi Allein mit dem Berlkönig durch die Nacht
    Auch der Status der Fahrer ändere sich nicht: „Sie sind sozialversicherungspflichtig bei uns angestellt. Der Grundlohn beträgt elf Euro pro Stunde, nachts kommt ein 25-prozentiger Zuschlag dazu. Wer gut und energiesparend fährt, bekommt außerdem eine Zulage von 1,50 Euro pro Stunde.“ Das sind Bedingungen, die in diesem Gewerbe selten sind.

    Anteil der gepoolten Fahrten liegt bei über 50 Prozent
    Mit der Flottenvergrößerung reagiere Clever Shuttle auf die steigende Nachfrage: „Am Wochenende kann es passieren, dass wir nicht genug Kapazität haben, um alle Fahrgäste zu befördern.“ Weil es immer mehr Fahrgäste gibt, werden die Autos immer besser ausgelastet: „Seit Anfang des Jahres liegt der Anteil der gepoolten Fahrten in Berlin über 50 Prozent.“

    Das heißt: Im Schnitt sitzen bei mehr als der Hälfte der Touren mehrere Passagiere im Wagen. Am 23. Februar erreichte der Anteil sogar 83 Prozent. Der Computer bringt Fahrgäste mit ähnlichen Routen zusammen. Mit jeder gepoolten Fahrt verringern sich die Betriebskosten.

    Taxi-Vereinigung kritisiert ungleiche Bedingungen

    Schadet Clever Shuttle dem Taxigewerbe? „Wir sehen keine Kannibalisierungseffekte“, sagt Bruno Ginnuth. Die meisten Kunden hätten sich vorher nicht per Taxi, sondern anders fortbewegt. „Mich würde sehr interessieren, ob Clever Shuttle belastbare, von neutraler Stelle erhobene und überprüfte Zahlen darüber vorlegen kann, woher ihre Fahrgäste kommen“, entgegnet Richard Leipold von der Berliner Taxi-Vereinigung. „Da Clever Shuttle die Fahrten deutlich billiger anbietet als das Taxi, besteht die ,Kannibalisierungsgefahr’ nicht nur gegenüber dem Taxigewerbe, auch gegenüber der BVG.“

    Wenn finanzkräftige Investoren im Hintergrund stehen, herrschen ungleiche Wettbewerbsbedingungen, bei denen Taxibetreiber nur verlieren können. Leipold: „Auf wen würden Sie wetten, wenn Öffentlichkeit und Politik ein 50-Kilo-Leichtgewicht gegen einen 100 Kilo schweren Schwergewichtsboxer antreten lassen?“ Wenn es so weitergehe, habe das Taxigewerbe nicht mehr Chancen als ein „Schneeball in der Hölle“.

    #Berlin #Verkehr #Taxi #Clevershuttle