#donauwörth

  • Terrorist, sagt Erdoğan

    Ein in Deutschland aufgewachsener Kurde wird in die Türkei abgeschoben und flüchtet zurück nach Deutschland. Nun lebt er in einem #Ankerzentrum.

    #Murat_Akgül sitzt in einem Café in der Nürnberger Südstadt und legt einen Finger auf seine Stirn. Dort, wo die Haut noch leicht gerötet ist, ist der Anflug einer Beule zu sehen. Die Narbe ist seine Erinnerung an Bosnien und die Balkanroute. Akgül lebt seit 30 Jahren in Nürnberg, er ist hier aufgewachsen, hat hier die Schule besucht, eine Lehre gemacht, eine Familie gegründet, Eigentumswohnung, vier Kinder. Ende Mai erhielt der Kurde aus dem Südosten der Türkei einen Ausweisungsbescheid.

    Man hat ihn abgeschoben und Akgül ist zurückgeflüchtet. Das ist die Geschichte. Jetzt sitzt er hier, unweit seiner Wohnung, und darf nicht die Nacht dort verbringen. Er muss zurück ins Ankerzentrum Donauwörth. Er scheint noch nicht einmal wütend, nur müde. „Manchmal denke ich“, sagt Murat Akgül, „sie sollen mich einfach nur in Ruhe lassen.“

    Als Akgül Ende Mai der Brief mit dem Ausweisungsbescheid erreicht, hat er eine Niederlassungserlaubnis. Dass er jetzt, als politisch aktiver Kurde in die Türkei abgeschoben werden soll, kann er zuerst nicht glauben. Als Begründung listet der Verfassungsschutz auf 35 Seiten „sicherheitsrechtliche Erkenntnisse“ auf.

    Das heißt: Akgül hat an zahlreichen Demonstrationen, Versammlungen, Kundgebungen und Festen des kurdischen Vereins Medya Volkshaus teilgenommen, das zuweilen auch Funktionäre der #PKK empfängt. Von Teilnehmern dieser Veranstaltungen seien verbotene Parolen gerufen und verbotene Symbole gezeigt worden. Gleichzeitig ist das Medya Volkshaus ein Treffpunkt für Kurdinnen und Kurden in Nürnberg und erhält regelmäßig städtische Kulturförderung.

    Akgül bespricht sich mit seinem Anwalt Peter Holzschuher, klagt gegen den Bescheid und erhebt einen Eilantrag, die Abschiebung bis zur Entscheidung über die Klage auszusetzen. Dass er als Vater deutscher Kinder tatsächlich abgeschoben werden würde, glauben beide nicht. Der Eilantrag wird abgewiesen und Akgül reicht Beschwerde ein. Noch während die Beschwerde bearbeitet wird, seien nicht weniger als acht Polizisten zu ihm nach Hause gekommen: Sie holen ihn aus dem Bett, verfrachten ihn in einen Transporter.

    Am selben Nachmittag landet Akgül in Istanbul. Wenn die türkischen Behörden erfahren, dass er sich auf Demos in Deutschland für die kurdische Sache starkgemacht hat, gilt er hier als Terrorist. Akgül erfindet einen Grund. Zwar hätten die Beamten, im Flughafen wie auf der Station in Istanbul, ihm nicht geglaubt, dass er wegen einer Schlägerei abgeschoben worden sei, doch: Noch liegen den Türken keine Akten zu ihm vor, man lässt ihn gehen.
    Bei 30 Grad sitzen 35 Flüchtende im Lkw

    Akgül kann abtauchen, er schläft bei Bekannten, nirgends bleibt er länger als drei Tage. Dann zurück nach Istanbul. „Zuletzt habe ich die Schlepper gefunden“, sagt er, als spräche er von einer Muschel am Strand. Wie, gefunden? „Die findest du.“ 6.500 Euro soll Akgül bezahlen, damit er zurück nach Deutschland geschleust wird. Er werde mit dem Auto heimgefahren. „Nichts, was sie gesagt haben, hat gestimmt.“ Auf den vier Wochen auf der Balkanroute, sagt er, habe er die Hölle erlebt, den Tod überstanden.

    Die Schlepper hätten eine Gruppe von etwa 30 Menschen übers Telefon gelenkt, Wegmarken genannt, die sie ansteuern sollen. Zwischen Bosnien und Kroatien seien sie durch Urwälder gelaufen. Mit Akgül laufen Mütter und Kinder. Sie durchqueren Flüsse und kriechen durch Schlamm. Ihm schwellen die Füße an, ein Ast knallt ihm gegen die Stirn. Zwei Stunden, hatte es geheißen, am Ende seien sie 15 Stunden unterwegs gewesen. Von dem Wald träumt er heute noch.

    In Kroatien aber wartet ein Lkw, der sie nach Slowenien bringen soll. Bei 30 Grad Außentemperatur quetschen sich 35 Flüchtende auf die Ladefläche. Der Laderaum ist nicht belüftet. Die Menschen hämmern gegen die Wände, bis der Fahrer anhält. Akgül kennt diese Nachrichten aus der Zeitung. Er weiß, wie es sich anfühlt, darüber zu lesen, sagt er: 15 Sekunden Mitleid, dann hat man es vergessen. Jetzt ist er selbst einer von denen. Was ist mit seinem Leben passiert? Ein Stock, in die Verkleidung des Lkws geklemmt, sorgt schließlich dafür, dass etwas Luft ins Innere gelangt.

    In Slowenien wird Akgül von der Polizei aufgegriffen und registriert. Um nicht direkt wieder abgeschoben zu werden, habe er Asyl beantragen müssen. Dann lassen die Behörden ihn weiterziehen, schließlich sind seine Kinder in Deutschland. Ende Juli ist Akgül wieder in Franken. Deutlich ärmer, eine Beule auf der Stirn, aber sonst könnte alles wieder sein, wie es vorher war. Sein Arbeitgeber, eine Reinigungsfirma, hat seine Stelle freigehalten. Er will das hinter sich lassen wie einen bösen Traum.

    Noch in der Aufnahmeeinrichtung in Zirndorf ist er wieder in Handschellen. Bei seiner Abschiebung wurde ein zehn Jahre andauerndes Einreiseverbot verhängt. Er soll sofort wieder abgeschoben werden, zurück in die Türkei, in der ihm eine langjährige Haftstrafe droht. „Ich dachte, die machen Spaß. Die wollen mich erschrecken.“ Über Rechtsanwalt Yunus Ziyal beantragt Akgül nun erneut Asyl. Er frühstückt noch mit seiner Familie, danach muss er nach Donauwörth, Ankerzentrum. Ab sofort soll er sich dreimal wöchentlich bei der Polizei melden.
    Stundenlange „Sicherheitsgespräche“

    Es ist nicht leicht, den Anwalt Ziyal zu erreichen. Zwei Wochen vergehen, Akgül wartet in Donauwörth auf seine Anerkennung als Flüchtling, scheinbar. Ziyal ist am Telefon: „Es hat sich etwas Neues ergeben.“ Der Asylantrag ist laut Dublin-Bescheid unzulässig, Akgül soll nach Slowenien ausreisen. Am Freitag, dem 20. 9., erhebt Ziyal Klage und stellt einen Eilantrag gegen den Bescheid, der nun dem Verwaltungsgericht Augsburg vorliegt.

    Die Klage gegen die erste Ausweisung ist noch immer anhängig. ­Ziyal: „Das ist absurd – er hat Familie, sogar deutsche Kinder hier. Das Dublin-Verfahren stellt die Familieneinheit an erste Stelle.“ Er hält den Bescheid daher für rechtswidrig.

    Ziyal beobachtet generell, dass politisch aktive Kurden in Bayern momentan heftiger verfolgt würden als noch vor einigen Jahren. Die KurdInnen im Umfeld des Medya Volkshauses müssten sich immer wieder stundenlangen „Sicherheitsgesprächen“ unterziehen. Das bayerische Innenministerium bestätigt gegenüber den Nürnberger Nachrichten 29 Ausweisungen in drei Jahren. Die Aktivitäten, die von der Ausländerbehörde als ursächlich für die Abschiebung genannt würden, seien aber allesamt komplett legal: eine Demonstration gegen den IS, Kundgebungen für eine friedliche Lösung der Kurdenfrage, das Neujahrsfest …

    Murat Akgül ist längst kein Einzelfall mehr, aber einer, der heraussticht: nicht nur wegen der Kinder und der Wohnung, sondern auch wegen der Unerbittlichkeit im Vorgehen der deutschen Behörden, die sich die Terrorismusdefinition von Präsident Erdoğan zu eigen zu machen scheinen. Eine Antwort auf die Bitte der taz um Stellungnahme sowohl an das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge als auch an das Bayerische Landesamt für Asyl und Rückführungen steht aus.

    Auf einer Demonstration in Nürnberg habe Akgül eine Fahne der kurdischen Miliz YPG getragen, so der Verfassungsschutz. Die gilt einerseits als bewaffneter Arm der PKK, wurde vom Westen, sprich: USA, Frankreich, andererseits im Krieg gegen den IS unterstützt. Akgül bestreitet, eine solche Fahne zu besitzen, sagt aber auch: „Zehntausende kurdische Soldaten sind im Krieg gegen den IS gefallen.“ Das Ermittlungsverfahren in dieser Sache – das einzige gegen seine Person – wurde eingestellt.

    Warum jetzt, ist die Frage, die unweigerlich am Ende dieser Geschichte steht. Warum geht der deutsche Staatsschutz so gezielt gegen Kurdinnen und Kurden vor, nachdem jahrelang Ruhe herrschte. „Ich kann da nur spekulieren“, schickt Ziyal vorweg. „Aber: Ich weiß, dass der EU-Türkei-Flüchtlingsdeal in diese Zeit fällt, und ich weiß, dass Erdoğan Deutschland vorgeworfen hat, Terroristen zu unterstützen.“ Die Bundesrepublik pflege viele enge Wirtschaftsbeziehungen zur Türkei und rege sei auch die polizeilich-justizielle Zusammenarbeit.

    Akgül kann jeden Tag eine neue gute oder schlechte Nachricht erreichen, ein neuer Bescheid, die Abweisung seiner Klage. Auch sein Anwalt wagt nur noch Hoffnungen zu formulieren.

    Egal wo, sein Leben wird nie wieder so sein wie vor seiner Abschiebung. Er hat die Balkanroute durchlebt und weiß jetzt, wie sich ein Ankerzentrum anfühlt. Er erzählt von miesen hygienischen Bedingungen, Ratten in „Herden“ und der lähmenden Langeweile, die die Bewohner in den Drogenkonsum treibe. Am lautesten klagt er nicht darüber, sondern über die deutsche Bürokratie, über die Behörden, die einander widersprechen, und Polizisten, die nicht zuhören.

    Nach dem gescheiterten Putschversuch 2016 ist Murat Akgül nicht mehr freiwillig in die Türkei gereist. Gerade jetzt, im Krieg, ist die Situation für einen politisch aktiven Kurden in der Türkei umso dramatischer. „Aber hier, denke ich, ich lebe in einem freien, demokratischen Land. Jeder hat doch das Recht zu demonstrieren. Ich habe mich immer gegen Unterdrückung eingesetzt.“ Natürlich will er hier bleiben, natürlich auch in Zukunft zu Demonstrationen gehen. Aber: „Früher hatte ich nur in der Türkei Angst. Jetzt auch hier.“

    https://taz.de/Abschiebung-in-die-Tuerkei/!5632814
    #Turquie #purge #renvois #expulsions #Allemagne #Kurdes #migrations #réfugiés #réfugiés_kurdes #réfugiés_turcs

    ping @_kg_

  • Dans les centres pour exilés, la réalité des #violences_policières

    L’intervention massive des forces de police dans les centres d’accueil ou de transit pour réfugiés a régulièrement fait les gros titres ces six derniers mois en Allemagne. Il semblerait que l’irruption régulière de camions de forces armées jusqu’aux dents soit devenue la norme, notamment dans le paysage bavarois, où plusieurs incidents ces derniers mois dans les centres d’#Ellwagen, #Donauwörth, et #Bamberg ont été repris par les journaux nationaux.

    Quel beau spectacle que la fougue des policiers armés qui débarquent à l’aube dans les centres d’accueil pour exilés, à grands renforts de camions, de sirènes, de gazs lacrymogènes, de chiens entrainés. On s’interroge : que se passe-t-il ? Un attentat ? Une prise d’otages ? Un braquage armé ? Non, juste un homme menotté qui refuse d’être expulsé et qui crie pour qu’on le laisse libre, ou un groupe de personnes qui se plaint de la qualité de la nourriture à la cantine.

    David loge dans le centre de Donauwörth en Bavière. Il se souvient de cette nuit de mars 2018, lorsque la police est arrivée à 3 heures du matin pour chercher un homme devant être expulsé vers l’Italie. Les policiers pensaient le trouver dans le centre, or cette nuit là il n’était pas dans sa chambre : « Il y avait du bruit dans les couloirs, les gens ont commencé à sortir de leur chambre pour voir ce qu’il se passait. Puis la sonnette d’alarme a retenti et tout le monde est sorti du bâtiment, c’est la procédure. Mais la police entourait les immeubles, ils étaient très nombreux, et ils nous ont poussés dans les bâtiments avec des gazs lacrymogènes. On est restés enfermés pendant des heures. » Au terme de cette intervention, trente-deux personnes ont été arrêtées. « On a écrit des lettres à la police, aux hôpitaux, mais personne ne pouvait ou ne voulait nous dire où ils étaient. » Aujourd’hui, certains ont été libérés, certains ont été expulsés. deux sont encore en prison.
    Une violence institutionnalisée

    Les demandeurs d’asile qui arrivent en Allemagne pour demander la protection de l’Etat se retrouvent être la cible de violences systématiques tolérées sinon encouragées par les institutions. Les hommes africains noirs souffrent particulièrement de cette stigmatisation. Si le racisme a toujours existé dans la société allemande, le phénomène a pris de l’ampleur après les évènements du nouvel an 2015 à Cologne, où des femmes avaient été agressées dans les rues de la ville. Depuis, la diabolisation de l’homme noir a eu pour conséquence la criminalisation des exilés. Dès lors, les policiers ne sont jamais présentés comme ceux qui commettent les actes de violence, mais comme les victimes du Migrant. A Berlin, certains parcs ou cafés où se retrouvent les exilés ont été désignés comme des « endroits dangereux ». En Bavière, la loi caractérise jusqu’aux centres d’accueil comme tels, justifiant ainsi les contrôles impromptus de policiers surentrainés, qui peuvent pénétrer dans les chambres des exilés et violer leur intimité en toute impunité. Sur tout le territoire, les contrôles au faciès sont la norme : comment repérer le Migrant ? Par son style vestimentaire …. et surtout sa couleur de peau.

    Bamberg est un centre de transit avant expulsion en Bavière, modèle des futurs Anker Zentren chers à Horst Seehofer, bavarois et ministre de l’intérieur du gouvernement fédéral. Les conditions de vie y sont particulièrement difficiles : interdiction de travailler, obligation de résidence, bons d’achat en guise d’argent de poche, emplois proposés à 80 centimes l’heure. Là, c’est une entreprise de sécurité privée qui gère le centre et qui n’hésite pas à brutaliser ses résidents. L’association Justizwatch fait état de plusieurs cas de coups et blessures entre 2017 et 2018, et d’intimidations des victimes lorsqu’ils essayent de porter plainte.

    Les exilés font donc face à un quotidien difficile et à un climat tendu où la situation peut facilement déraper, alors même qu’ils vivent dans la peur de se faire expulser à toute heure du jour ou de la nuit. Ces incertitudes ainsi que l’impression de tourner en rond créent un climat délètère pour leur santé physique et psychologique. S’ajoutent à cela les violences, et le sentiment d’injustice face à la criminalisation des exilés relayée par certains médias. Christel et Hassan vivent dans le centre d’Ellwangen. Ils étaient présents lorsque quatre policiers sont venus chercher un Togolais pour l’expulser en Italie, le 1er mai. Mais celui-ci a refusé de les suivre. Menotté, il a commencé à crier et ses voisins de palier sont sortis pour voir ce qui se passait. Les quatre policiers ont alors décidé de partir, laissant l’homme attaché. Christel raconte ce qu’elle a vu depuis le bâtiment des femmes trois jours plus tard : « La police est revenue. Avec des dizaines de voitures, des chiens. Il y avait une vraie ambiance de terreur, nous pensions toutes que nous allions être renvoyées en Afrique ! On ne pouvait pas sortir, personne ne nous a expliqué ce qu’il se passait. C’était le milieu de la nuit, et on pouvait seulement voir des hommes à moitié nus debout et menottés dans le froid – car il fait froid dans le sud de l’Allemagne ! ». Cette nuit-là, de nombreuses personnes ont été blessées. « Mais le pire a été de voir les vidéos postés dans les médias et les réseaux sociaux ensuite ! » s’exclame Hassan. « Tout le monde disait que les réfugiés avaient attaqué les policiers, mais c’est faux ! C’est pourquoi nous avons décidé de nous exprimer et de communiquer notre version des faits. »

    Une stratégie de criminalisation des exilés

    Or ce n’est pas seulement en Bavière que ces évènements se produisent. Un groupe de tchétchènes a publié une lettre ouverte le 3 juillet dernier pour dénoncer les contrôles de police systématiques subis par des familles, parfois par des enfants, dans la ville de Cottbus : ainsi que le comportement ouvertement islamophobe des administrations.
    La réponse policière aux actes de résistance, de protestation, ou simplement de survie des exilés est bien trop souvent disproportionnée, voire spectaculaire. Mais ce spectacle n’est il pas destiné d’abord à l’opinion publique, pour montrer que l’Etat a « la situation sous contrôle », et que les « individus à risques » sont matés et réduits au silence ? Cette violence quotidienne et systématique interroge l’agenda d’institutions qui doivent par ailleurs justifier des traitements inhumains et des expulsions à la chaine. Or, il est bien plus facile de mener sa vile besogne si celui que l’on maltraite est considéré par la majorité comme un dangereux criminel. Il est donc fondamental de porter le témoignage des victimes, en attendant que les tribunaux saisis par les victimes s’expriment sur la violation de leurs droits.

    https://medialibre.info/echanges-partenariats/dans-les-centres-pour-exiles-la-realite-des-violences-policieres

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