• ARD-Themenwoche 2016, Berufsporträt Taxifahrer
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    Berufsporträt Taxifahrer
    „Uber wird das Taxi-Gewerbe nicht zerstören“
    Burkhard Zitschke (62) ist seit rund 40 Jahren Taxifahrer in Berlin. Sein berufliches Umfeld hat sich in dieser Zeit stark gewandelt. Zitschke mag seinen Beruf, und auch den Online-Fahrten-Vermittlungsdienst „Uber“ fürchtet er nicht - trotzdem würde er jungen Menschen davon abraten, heute den Beruf Taxifahrer zu ergreifen. Was sind seine Gründe?


    Mit dem „Taxifahrer“ starten wir in die Reihe der Berufs-Porträts. Bis zum Beginn der ARD-Themenwoche „Zukunft der Arbeit“ am 30. Oktober werden täglich zwei neue Porträts hinzukommen - geschildert aus der ganz persönlichen Sicht von Personen, die diese Berufe ausüben.

     

    ARD.de: Sie sind Taxifahrer - warum haben Sie sich für diesen Beruf entschieden?

    Burkhard Zitschke: Da gibt es zwei Situationen, die dazu geführt haben: Die erste ergab sich Mitte der 1970er-Jahre. Da haben drei Freunde entschieden: „Wir machen einen Taxibetrieb auf.“ Den habe ich dann nach einiger Zeit in eigener Regie weitergeführt, um mein Studium zu finanzieren. Die Zweite ergab sich Jahre später nach der Maueröffnung und meiner Rückkehr nach Berlin. Die wirtschaftliche Situation hatte sich für mich anders als erwartet entwickelt, und da ich das Taxigewerbe von früher kannte, stieg ich da wieder ein. Diesmal als Angestellter.

     

    Wie verlief die Ausbildung - auf welchen Wegen sind Sie das geworden, was Sie heute sind?

    Die Ausbildung der Taxifahrer besteht ja ausschließlich aus der Ortskenntnisprüfung. Auf die habe ich mich in einer von Taxifahrern gegründeten „Taxischule“ vorbereitet. Ursprünglich lag die Prüfung, um eine „Fahrerlaubnis zur Fahrgastbeförderung“, kurz FzF zu erlangen, in den Händen der Behörde, heute werden sie von technischen Überwachungsvereinen abgenommen. Die Voraussetzungen, um zur Prüfung zugelassen zu werden, bestehen aus einer Gesundheitsprüfung und einem „sauberen“ polizeilichen Führungszeugnis. Das muss nachgewiesen werden - allerdings nicht, dass man Deutsch sprechen und den Stadtplan lesen kann.

     

    Was tun Sie konkret in Ihrem Beruf - können Sie bitte Ihren typischen Arbeitstag von Dienstbeginn bis Feierabend beschreiben?

    Ein Arbeitstag verläuft einerseits immer gleich: „einbuchen“ zum Schichtbeginn und „ausbuchen“ zum Schichtende. Das heißt letzendlich: Daten erfassen, die für die Abrechnung erforderlich sind, wie etwa gefahrene Kilometer, Einnahmen und so weiter. Andererseits ist jeder Arbeitstag völlig anders: Denn ich befördere jeden Tag völlig unterschiedliche Kunden mit völlig unterschiedlichen Charakteren. Mal winken sie mich heran, mal steigen sie am Halteplatz ein, mal werden sie mir per Funk vermittelt. Wobei „Funk“ heute heißt: Datenübermittlung auf ein Smartphone im Taxi. Diese Daten können von einer „klassischen“ Taxi-Funk-Zentrale kommen oder über eine App direkt vom Kunden. Den Sprachfunk über Betriebsfunkanlagen gibt es auch noch, doch der wird in Ballungszentren immer weiter zurückgedrängt.

     

    Dass Warten zum Beruf gehört, wusste Burkhard Zitschke schon als Kind.
     

    Ist Ihr Beruf so, wie sie ihn sich vorgestellt haben, ehe Sie ihn erlernt haben?

    Das kann ich kurz mit „Ja“ beantworten, weil ich schon als Kind engen Kontakt zum Taxi-Gewerbe hatte. Daher war mir bewußt, dass es mit Warten, vielen unterschiedlichen Menschen und überwiegend kurzen Kontakten zu tun hat. Ich wusste auch, dass ein Taxifahrer nicht nur Personen befördert, sondern dass er auch ein guter Zuhörer sein und manchmal Zuspruch geben muss.

     

    Wie hat sich Ihre Tätigkeit seit Ihrem Berufseinstieg in den 1970er-Jahren bis heute verändert?

    Ich fange mal von hinten an: Roboter und selbstfahrende Autos sind - noch - Zukunftsmusik und werden bis zum flächendeckenden Einsatz im Verkehr noch Jahre benötigen. Im Taxigewerbe geht es heute mehr um den Service am Kunden als früher. Apps haben die Art der Vermittlung verändert, sie zwingen die „klassischen“ Zentralen sich zu bewegen, sowohl in der Preisgestaltung gegenüber ihren Teilnehmern als auch in der Technik. Mit Taxi-Apps können sich Fahrgäste heute überall in Deutschland ein Taxi bestellen, ohne zuvor - wie früher - erst die Telefonnummern der Taxiunternehnmen vor Ort herausfinden zu müssen.

    Computer helfen in vielen Bereichen auch im Gewerbe: Buchhaltung, Lohnabrechnung, Statistiken, Kundenkarteien, Steuern - und da sind wir schon bei der gravierensten Änderung: Schon bald wird jede Tour in Echtzeit erfasst und an einen betriebsunabhängigen Server übermittelt werden. Steuerhinterziehung und Manipulation der Lohndaten wird damit quasi unmöglich.

     

    Glauben Sie, dass es Ihren Beruf in 20 bis 30 Jahren überhaupt noch geben wird - etwa, wenn in Deutschland künftig auch Uber-Fahrer Personen befördern dürfen?

    Uber wird das Taxi-Gewerbe nicht verändern und es schon gar nicht zerstören. Uber ist ein Vermittler, der versucht, am geltenden Recht vorbei Geschäft zu machen. Das ist weder neu noch innovativ. Die legal arbeitende Version der Peer-to-Peer-Vermittlung gab es vor Uber in Deutschland als „MyTaxi“-App. Letzlich sind das Vermittler von Aufträgen, die wie jede Taxi-Funkzentrale am Personenbeförderungs-Gewerbe verdienen wollen. Sie nutzen moderne Technologien, die von den klassischen Funkgesellschaften ignoriert wurden. Uber ist ein Problem, revolutioniert aber aber nicht die Arbeitswelt. Dazu sind die zu spät aufgestanden. Und auch wenn selbstfahrende Autos in zehn, 20 Jahren flächendeckend Realität auf deutschen Straßen werden sollten: Das Taxigewerbe wird als Ergänzung zum ÖPNV immer einen Platz haben, egal wie der dann aussehen wird.

     

    Lieben Sie Ihren Beruf?

    Das Interessante und Liebenswerte des Berufs ist der Kontakt mit vielen unterschiedlichen Menschen: Gedankenaustausch, Gespräche über „Gott und die Welt“. Auch in den Fremdsprachen, die man beherrscht. Es gibt viele erinnernswerte Erlebnisse.

     

    Was denken Ihre Freunde über Ihren Beruf - und in welchem Verhältnis steht die Höhe der gesellschaftlichen Anerkennung zu dem, was Sie mit dem Taxifahren verdienen?

    Die Anerkennung in Deutschland ist nach meinem Dafürhalten gering und sinkt sogar noch weiter. Was Freunde und Bekannte davon halten, liegt sehr an deren Lebensweg. Da gibt es ebenso Anerkennung wie abschätzige Haltungen. Für die breitgefächerte Tätigkeit, die viel Einfühlungsvermögen, Kenntnisse und Gelassenheit erfordern, ist die derzeitige Anerkennung sowie Entlohnung in Berlin bei ehrlicher Abrechnung deutlich zu gering!

     

    Angenommen, Sie wären heute in dem Alter, in dem Sie sich für Ihren jetzigen Beruf entschieden haben - würden Sie noch einmal dieselbe Wahl treffen?

    Bei meiner Entwicklung, so wie ich sie vorher beschrieben habe, würde ich wohl jederzeit die gleiche Entscheidung treffen. Alternativ würde ich einen mobilen Imbiss betreiben.

     

    Was raten Sie jungen Menschen, die heute einen Beruf in Ihrer Branche beginnen wollen?

    Ich würde abraten: Die Solidarität untereinander sinkt, die Teilnehmer im Straßenverkehr verhalten sich immer rücksichtsloser und auch aus der Politik fehlt der Rückhalt. Letzteres drückt sich besonders darin aus, dass die Halteplätze für Taxen nicht der wachsenden Anzahl angepasst werden.Teilweise sind diese Halteplätze an ungeeigneten Orten und sogar gefährlich. Kurz gesagt: Das Arbeitsumfeld wird immer unwirtschaftlicher - und das nicht nur wegen der wachsenden Konkurrenz.

     

    Apps haben längst Einzug in den Alltag von Taxifahrern gehalten.
     

    Wie wird sich Ihrer Meinung nach die zunehmende Digitalisierung auf die Arbeitswelt und auf die Gesellschaft auswirken - welche Chancen und welche Risiken sehen Sie?

    Zunehmende Digitalisierung wird Facharbeitsplätze nicht vollständig verdrängen, jedoch die Anforderungen an diese immer spezifischer werden lassen. Die Vernetzung ermöglicht das Arbeiten von „wo immer man ist“. Vor Ort muß man nur noch sein, wenn tatsächlich körperliche Arbeit geleistet werden muss. Und damit sind wir wieder beim Service, der von uns Taxifahrern geleistet wird, sieben Tage die Woche, 24 Stunden pro Tag! Ob jung oder alt, ob gesund oder krank! Bei kalkulierbaren Kosten. Dazu sind wir verpflichtet als Ergänzung zum ÖPNV!

    App-Anbieter wie Uber kümmert das nicht, sie sammeln Geld pro appvermitteltem Auftrag ein und unterliegen keinerlei Pflicht, also nicht der Beförderungspflicht, nicht der Betriebs- und auch nicht der Tarifpflicht. Das führt zur „Rosinenpickerei“ bei den Touren. Kurze Fahrten und die Beförderung alter und kranker Menschen ist dadurch nicht gewährleistet, schon gar nicht zu einem für die betroffenen Personen annehmbaren Preis.

     

    Das Interview führte Ingo Fischer.

    Stand: 17.10.2016, 11.00 Uhr