Uiguren in China – Sinologin Mareike Ohlberg : „Peking will sich Ressourcen Xinjiangs aneignen“
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Voilà la position officielle de la fondation transatlantiste German Marshall Fund sur la situation au Xinjiang. Je suis un peu deçu car la sinologue de sevice ne fait que répéter les opinions et partis pris connus sans apporter de nouvelles informations ou analyses.
Les accusations de génocide et d’élimination d’une culture sont en train de faire place à des jugements négatifs de la politique d’éducation et de formation professionnelle chinoise. On dénonce comme entrave à la liberté religieuse la politique du gouvernement chinois qui cherche à limiter l’impact des états et organisations religieuses étrangers comme le vatican, les frères muselmans er le salafisme des pays du golfe.
Après la fin de la campagne de réeducation massive qui était sans doute critiquable, l’argumentaire états-uniens semble manquer d’éléments suffisamment crédibles pour maintenir les accusations les plus graves du passé.
27.1.2024 von Simon Zeise - Mareike Ohlberg vom German Marshall Fund wirft Peking eine „quasikoloniale“ Politik in Xinjiang vor. Ziel der Regierung sei es, den Uiguren die Identität zu nehmen, sagt sie im Interview.
Über die nordwestliche chinesische Region Xinjiang gibt es regelmäßig Berichte, in denen der Umgang mit den ethnischen Minderheiten, wie den Uiguren, angeprangert wird. Die Berliner Zeitung konnte vor kurzem nach Xinjiang reisen. Vor Ort hat sich die Situation anders dargestellt. Wir wollten von der Sinologin Mareike Ohlberg vom German Marshall Fund wissen, wie sie die Situation einschätzt.
Frau Ohlberg, in zahlreichen westlichen Medienberichten ist zu lesen, dass in der chinesischen Provinz Xinjiang systematisch die Bevölkerungsminderheit der Uiguren unterdrückt wird. Die chinesische Regierung weist die Anschuldigungen von sich und erklärt, sie schütze und unterstütze die Minderheiten. Wer hat recht?
Die Regierung in Beijing startet gerade wieder eine Kampagne, um unser Bild über die Region durch gemanagte Besuche ausländischer Forscher und Medien zum Positiven zu beeinflussen. Fakt ist jedoch, in Xinjiang herrschen bereits seit der Eroberung 1949 durch die chinesische Volksbefreiungsarmee quasikoloniale Zustände. So wurde das Xinjiang-Produktions-und-Aufbau-Korps, Bingtuan, gegründet, um sich Xinjiangs Ressourcen anzueignen und Han-Chinesen dort anzusiedeln. Seit Chen Quanguo dort 2016 an die Macht gekommen ist, haben die Repressionen gegen Minderheiten in der Region drastisch zugenommen. Die Regierung begründet das Vorgehen offiziell damit, Terrorismus und Extremismus zu bekämpfen.
Xinjiang wurde von schweren Terroranschlägen erschüttert. Denken Sie nicht, dass China das Recht hat, sich gegen Attentäter zu wehren?
Es gab vereinzelte Terrorangriffe, das ist richtig. Wer sich jedoch anschaut, was die chinesische Regierung in der Praxis als „Terrorismus“ und „Extremismus“ bewertet, stellt schnell fest, dass es sich dabei um ganz normalen Ausdruck religiöser, ethnischer und sprachlicher Identität handelt: Der Bart ist zu lang, eine Frau hat zu viele Kinder oder man pflegt Kontakt zur Familie im Ausland.
Die chinesische Regierung verfolgt und bestraft, was eine alternative Identität zur staatlichen Volksrepublik darstellen könnte. Sie will Minderheiten assimilieren, und zwar mit allen Mitteln. Ab 2017 gab es erste Berichte über Umerziehungslager. Immer mehr Uiguren im Ausland haben damals den Kontakt zu ihren Angehörigen in China verloren. Die chinesische Regierung stellte die Lager als Erziehungsmaßnahme dar, aber Forscher konnten unter anderem über Satellitenbilder, Fotos, Ausschreibungsdokumente und Augenzeugenberichte dokumentieren, welches Ausmaß die Lager haben und dass es sich eben nicht um Weiterbildungszentren handelt, sondern um außerrechtliche Internierung ethnischer Minderheiten.
Aufgrund der internationalen Aufmerksamkeit hat die chinesische Regierung ihr Verhalten angepasst: Einige Lagerinsassen wurden freigelassen, viele leben jedoch weiterhin unter starker Überwachung und Kontrolle. Andere wurden offiziell verurteilt, wenn jedoch auch häufig für vermeintliche „Vergehen“, die andernorts keine wären. So wurden mehrere Personen zu lebenslanger Haft für angebliche Fehler in Schulbüchern verurteilt.
Die chinesische Regierung stellt die Integration der Uiguren und anderer Minderheiten in Xinjiang als Erfolgsmodell dar. Was sagen Sie dazu?
Die Regierung hatte lange bestritten, dass Lager existieren. Erst 2018 hat Peking als Reaktion auf steigenden Druck, unter anderem durch die Vereinten Nationen, die Existenz der Lager eingeräumt und erklärt, dass dort Weiterbildungsmaßnahmen durchgeführt würden. Die Insassen könnten die chinesische Sprache und andere Qualifikationen erlernen, die ihnen den Eintritt in den Arbeitsmarkt erleichtern würden, sagten Regierungsvertreter.
Diese Stellungnahmen widersprechen aber den Erklärungen ehemaliger Inhaftierter. Auch haben wir Berichte, dass Personen damit gedroht wurde, in ein Umerziehungslager geschickt zu werden. Eine weitere Unterdrückungsmaßnahme war, dass die Regierung Han-Chinesen in Familien nach Xinjiang geschickt hatte. Sogenannte Ersatzverwandte wurden in Familien geschickt, in denen Mitglieder in Lagerhaft waren. Wir wissen davon, weil in chinesischen Medien und sozialen Medien regelrecht damit geprahlt wurde.
Es wurde als erfolgreiche Maßnahme dargestellt, wie die Bevölkerung stärker in den gemeinsamen Austausch kommen kann. Aber stellen Sie sich das einmal vor: Ein Verwandter verschwindet, stattdessen kommt ein Regierungsbeamter, der fortan im Familienbett schläft und darauf achtet, dass muslimische Familien Schweinefleisch essen und Alkohol trinken. Für die Betroffenen muss das der absolute Horror gewesen sein.
Das heißt, in der Bevölkerung wird der Austausch unter den verschiedenen Kulturen durchaus begrüßt. Sie sagen, es sollen Identitäten ausgelöscht werden. Können Sie dafür Beispiele nennen?
Es geht letztlich um alles, was eine eigene sprachliche, ethnische oder religiöse Identität darstellen könnte, die der Staat nicht kontrollieren kann. Uigurisch wird nur noch als ein Unterrichtsfach unter vielen in Schulen angeboten und nicht mehr als Sprache für den gesamten Unterricht. Kinder werden teilweise von ihren Familien getrennt, um die Weitergabe kulturellen Erbes zu verhindern und die kulturellen Wurzeln abzuschneiden, wie es der Staat selber formuliert. Und es gab Bestrebungen, Moscheen in Kulturzentren umzuwandeln, damit in den Gebetshäusern keine eigene religiöse Identität entstehen kann.
China betont, dass die Religionsfreiheit im Land gewährleistet wird. In Ürümqi kann man in jedem Viertel zahlreiche Moscheen sehen, Koranschulen werden vom Staat finanziert. Erklären Sie mir, wie die muslimische Bevölkerung unterdrückt wird?
Die Koranschulen, die Ausländern auf offiziellen Besuchen in der Region vorgeführt werden, sind aus meiner Sicht Potemkinsche Dörfer. Religion wird dort, wenn überhaupt, unter strengster staatlicher Kontrolle praktiziert. Das gilt übrigens, wenn auch in geringerem Maße, genauso für das Christentum in China. Der Staat will in die Kirchen reinregieren und kontrollieren, was dort gepredigt wird und was die Leute glauben. Dementsprechend ist es extrem schwierig für Personen, ihren religiösen Ritualen nachzugehen. Wer sich in Xinjiang religiös trauen lässt oder eine religiöse Beerdigung durchführt, riskiert, dafür bestraft zu werden.
Laut Berichten des deutschen Anthropologen Adrian Zenz sollen in Xinjiang etwa eine Million Uiguren inhaftiert sein. Für wie glaubhaft halten Sie diese Berichte und die Quellen, auf denen sie basieren?
Wie viele Menschen tatsächlich insgesamt interniert sind oder waren, weiß nur die chinesische Regierung – und die verrät es nicht. Es gibt aber verschiedene Quellen, die man heranziehen kann. Es gab Leaks chinesischer Regierungsdokumente. Es hat an einzelnen Orten Interviews mit Freigekommenen oder den Angehörigen Inhaftierter gegeben. Außerdem kann man auf Satellitenbilder, Ausschreibungsdokumente und Berichte in chinesischen Medien zurückgreifen. Die Quellenbasis ist alles andere als perfekt. Aber insgesamt bin ich ziemlich beeindruckt von dem, was Forscher mit den Quellen, die zur Verfügung stehen, gemacht haben.
Zwischenzeitlich gingen Schätzungen von bis zu 1,8 Millionen Uiguren aus, die in Lagern inhaftiert waren. Bei den Zahlen, auf die Sie sich beziehen, handelte es sich um zwei unabhängig voneinander erstellte Hochrechnungen basierend auf Zahlen für einen Teil der Region, wo über zehn Prozent der Bevölkerung inhaftiert waren. Solche Schätzungen vorzunehmen ist auch deshalb sinnvoll, weil das chinesische System auf Quoten basiert. Lokalen Beamten werden Vorgaben gemacht, gegen wie viel Prozent sogenannter problematischer Elemente sie in ihrer Region vorgehen sollen.
Die chinesische Regierung wirft dem Westen vor, die angespannte soziale Lage in Xinjiang als Propaganda zur Destabilisierung Chinas zu nutzen. Die USA hätten ein geostrategisches Interesse an der Region, weil sich dort unter anderem der Hauptumschlagplatz der Neue-Seidenstraße-Initiative befindet. Was sagen Sie dazu?
Das sind die klassischen Narrative, die man immer wieder hört von der KP: Wer mit der Politik der Partei unzufrieden ist, kann nur vom Ausland angestiftet sein. In Peking kann man sich nicht vorstellen, dass Menschen ihre eigenen Gründe haben, um mit der Politik der Partei unzufrieden zu sein. Für die chinesische Regierung gibt es nur Großmächte und deren Interessen. Wir sehen dieses Narrativ auch in Drittländern in der Region, wo hinter jeglichen Protesten gegen die Neue-Seidenstraße-Initiative, ob in Myanmar, Kambodscha oder Nepal, ausländische Kräfte am Werk sein müssen. Auch die Proteste in Hongkong 2019, als Millionen gegen potenzielle Auslieferungen nach Festlandchina auf die Straße gingen, konnten nur von Amerika angezettelt sein. Ich glaube tatsächlich, es war für die chinesische KP unvorstellbar, dass Menschen unter chinesischer Herrschaft unzufrieden sein könnten und sich dagegen zur Wehr setzen.
Es fällt auf, dass das Uiguren-Thema immer vor wichtigen politischen Entscheidungen prominent in den Medien auftaucht. Zum Beispiel wurde das EU-China-Handelsabkommen im Dezember 2020 nach Medienberichten über die Unterdrückung der Uiguren auf Eis gelegt. Auch während des Besuchs der UN-Menschenrechtskommissarin Michelle Bachelet in China im Mai 2022 wurden große Berichte lanciert. Ist das Zufall oder Kampagnenjournalismus?
Es sind nur wenige Forscher und Aktivisten, die sich der Unterdrückung der Uiguren annehmen. Sie leisten sehr viel und investieren wahnsinnig viel Arbeit, unabhängig davon, welche politischen Großereignisse gerade stattfinden. Ich bin aber auch der Meinung, dass es absolut legitim ist, zum Beispiel die Publikation von Forschungsergebnissen an größere Events zu koppeln. So war es auch 2008 bei den Olympischen Spielen von Peking. Natürlich nutzt man Veranstaltungen wie die Olympischen Spiele, um Aufmerksamkeit auf Menschenrechtsverletzungen in China zu ziehen. Man hat die Aufmerksamkeit der Welt und will der chinesischen Regierung zeigen, dass es Kosten hat, die eigene Bevölkerung massiv zu unterdrücken. Bei den Beispielen, die Sie genannt haben, kann ich ehrlich gesagt nicht sagen, ob der Zeitpunkt abgestimmt war, da ich nicht involviert war. Aber als Strategie ist das grundsätzlich völlig legitim.
Vielen Dank für das Gespräch.
Zur Interviewpartnerin
Mareike Ohlberg ist Sinologin. Sie arbeitet als Senior Fellow im Indo-Pacific Program und leitet das Stockholm China Forum des German Marshall Fund. Zuvor war sie als Analystin am Mercator Institute for China Studies tätig, wo sie sich auf Chinas Medien- und Digitalpolitik sowie auf die Einflusskampagnen der Kommunistischen Partei Chinas in Europa konzentrierte. Sie ist Mitautorin des Buches „Hidden Hand: How the Communist Party of China is Reshaping the World“ (2020).