• Einsturzgefahr: Wohnhaus in Schöneberger Goltzstraße evakuiert, mehrere Straßen gesperrt
    https://www.berliner-zeitung.de/news/wegen-einsturzgefahr-wohnhaus-in-schoeneberg-grunewaldstrasse-evaku

    Hier ist die Rede vom Haus Goltz-Grunewald, nordöstliche Ecke. Goltzstraße 1 / Grunewaldstraße 16.

    Alles privat, jeder ist für sich selbst verantwortlich und so braucht der Immobilienkonzern, dem das unbewohnbare Haus gehört, offenbar keinem Mieter eine Ersatzwohnung zu stellen. So ist das in Berlin, hier könnse überhöhte Mieten für Bruchbuden kassiern ohne irgeneine Verantwortung zu übernehmen.

    Wetten, dass hier in zwei oder drei Jahren ein schicker Neubau mit superteuren Eigentumswohnungen steht !

    10.4.2024 von Sophie Barkey, Elizabeth Rushton, Verena Zistler - Ein Haus an der Kreuzung von Grunewaldstraße und Goltzstraße droht zu kollabieren. Der Bereich um das Gebäude ist abgesperrt – darunter verläuft eine U-Bahnlinie.

    Mehrere Anwohner in Schöneberg haben am Mittwoch ihre Wohnungen verlassen, weil ihr Haus in der Goltzstraße, Ecke Grunewaldstraße, einzustürzen droht. Das bestätigte die Berliner Feuerwehr auf Anfrage der Berliner Zeitung. Ein Einsatzleiter hatte dort am Mittag die Lage geprüft. Weil das Gebäude jedoch auf einem privaten Grundstück steht und die öffentliche Sicherheit und Ordnung nicht gefährdet sei, wurde die Zuständigkeit an das Bezirksamt und Bauamt weitergegeben. Das Gebäude weist sichtbare Risse in der Fassade auf, die Kreuzung ist gesperrt. Mehrere Schaulustige hatten sich dort nach Angaben einer Reporterin versammelt. Auch die Polizei war vor Ort.

    Bauarbeiter hatten laut einem Polizisten vor Ort am Mittwochmorgen bei den Sanierungsarbeiten im Erdgeschoss festgestellt, dass offenbar „alles marode“ war und sollen dann gemeldet haben, dass die Sicherheit des Eckteils des Hauses nicht mehr zweifelsfrei gegeben sei. Das Haus wurde schließlich evakuiert, nachdem auch ein Statiker das Haus begutachtet hatte.

    Wie der Polizist weiter sagte, werde das Haus nun zunächst gesichert, bis eine Baufachfirma feststellen kann, ob womöglich der Eckteil des Hauses abgerissen werden müsse. Erst nach der Bewertung einer Fachfirma soll klar werden, wann die Anwohner zurück in ihre Wohnungen können. Bis dann würden die meisten von ihnen bei Verwandten unterkommen, so der Polizist weiter.

    Nach Angaben des Hauseigentümers können neun Mieter zunächst ihre Wohnungen nicht nutzen. Sie würden in Ersatzunterkünften untergebracht, falls sie nicht bei Freunden oder Verwandten unterkommen könnten, teilte die Heimstaden Germany GmbH auf Anfrage mit. „Einen Zeitraum zu nennen, wie lange die Wohnungen nicht genutzt werden können, ist aktuell leider nicht möglich“, hieß es.

    Anwohner erfuhren am Vormittag von Evakuierung

    Von den Evakuierungen betroffen ist auch das junge Paar Ella und Claus (Namen von der Redaktion geändert). Die beiden wohnen seit sechs Jahren im betroffenen Haus. Erst am Mittwoch um 11 Uhr wurden sie von ihrem Vermieter informiert, dass die Sicherheit des Hauses gerade geprüft werde – da hieß es ihnen zufolge noch, sie sollten erstmal zu Hause bleiben. „Wir gehen davon aus, dass das nur eine Vorsichtsmaßnahme ist“, sagt Ella. Die Polizei hat sich dann gegen 17.30 Uhr bei den Einwohnern gemeldet, mit dem Evakuierungsbefehl und der Empfehlung für ein bis zwei Wochen einzupacken.

    „Hoffentlich werden wir aber viel schneller wieder zu Hause sein – wir drücken uns einfach die Daumen“, sagt Claus. Bis dann wird das Paar bei Freunden in Schöneberg übernachten, Claus hat auch Verwandte in Berlin. Ihre Wohnung befindet sich nicht im betroffenen Eckteil des Hauses, sondern im Gebäude daneben in der Grunewaldstraße, ihre Wohnung grenzt allerdings an den betroffenen Eckteil an. In ihrer Wohnung habe es nichts gegeben, das bei dem Paar Sorge ausgelöst hätte, so Ella. „Diese Risse und die bröckelige Fassade waren schon länger so“, sagt sie. „Das Haus ist einfach super alt – das wissen halt alle.“

    Heimstaden sind statische Probleme am Wohnhaus schon länger bekannt

    Nach Angaben von Heimstaden sind tatsächlich schon seit Längerem statische Probleme an dem Gebäude bekannt. Die Ursache dafür habe bislang nicht geklärt werden können, hieß es. Bereits seit Dezember 2023 werde ein sogenanntes Rissmonitoring durchgeführt, bei dem Veränderungen der auffälligen Risse im Mauerwerk beobachtet und dokumentiert würden, teilte das Unternehmen mit.

    Für das Ladenlokal in dem Eckhaus gebe es seit dem 3. April Sicherungsmaßnahmen. Zudem sei das Fundament untersucht worden. Bei einer erneuten Überprüfung habe dann der beauftragte Statiker am (heutigen) Mittwoch eine Ausdehnung der Risse entdeckt. „Danach haben wir unmittelbar die Bauaufsicht in Kenntnis gesetzt, die eine Teil-Sperrung des Gebäudes (Erkerbereich/Eckhaus) und Teile der Grunewaldstraße angeordnet hat“, teilte das Unternehmen weiter mit.

    Die zuständige Bezirksstadträtin Eva Majewski (CDU) zeigte sich erstaunt darüber, dass dem Unternehmen offensichtlich schon länger Probleme bekannt sind. „Ich höre das jetzt das erste Mal, dass das offensichtlich seit Jahren bekannt ist“, sagte Majewski in der RBB-Abendschau.

    U7 verläuft unter dem einsturzgefährdeten Haus: Geschwindigkeit verringert

    Unter dem Gebäude verläuft nach Informationen der Berliner Zeitung auch die U-Bahnlinie 7 der Berliner Verkehrsbetriebe (BVG). Die Bahnen fahren daher als Vorsichtsmaßnahme derzeit mit deutlich verringerter Geschwindigkeit zwischen den naheliegenden U-Bahnhöfen Kleistpark und Eisenacher Straße, teilte ein BVG-Sprecher mit. Außerdem wird der Nachtbus N7 zunächst umgeleitet, andere Busse fahren dort nicht.

    Nach Informationen von vor Ort war am späten Nachmittag ein großer Bereich rund um das einsturzgefährdete Gebäude für Autos, Fußgänger und Radfahrende gesperrt. Betroffen ist die gesamte Kreuzung Grunewaldstraße/Goltzstraße/Akazienstraße. Wie die Berliner Verkehrsinformationszentrale auf Twitter-Nachfolger X am Mittag mitteilte, war auch die Hauptstraße von den Sperrungen betroffen. Eigentümer und Bezirksamt beraten nun über das weitere Vorgehen. Autofahrer müssen in dem Bereich weiterhin mit Behinderungen rechnen.

    #Berlin #Schöneberg #Goltzstraße #Grunewaldstraße #Immobilien #Wohnen #Kapitalismus

  • Ist die Zeit reif für eine David-Bowie-Straße?
    https://www.faz.net/aktuell/feuilleton/ist-die-zeit-reif-fuer-eine-david-bowie-strasse-17162585.html

    25.01.2021 von Tobias Rüther - Im Januar vor fünf Jahren ist David Bowie gestorben. Schnell war damals unter seinen Fans die Idee entstanden, jene Hauptstraße im Berliner Stadtteil Schöneberg, wo der englische Popkünstler Mitte der siebziger Jahre gewohnt hatte, in „David-Bowie-Straße“ umzubenennen. Dagegen sprach damals noch die Rechtslage: Fünf Jahre müssen zwischen dem Tod und solch einer Umbenennung liegen. Und vielleicht auch, dass die Hauptstraße 155 dann ja nicht mehr Hauptstraße 155 hieße: eine Adresse, die genau wie die Kreuzung Haight Ashbury in San Francisco, Fixpunkt der Hippies, zum Synonym geworden ist für eine Konstellation der Kulturgeschichte.

    David Bowie hat zwar nicht lange in der Hauptstraße 155 gewohnt. Aber doch lang genug, um in dieser Zeit zwischen 1976 und 1978 körperlich und künstlerisch durchzupusten, die Popmusik mit komischen elektronischen Geräuschen zu verändern und der Stadt ein bisschen Starpower zu hinterlassen.

    Beide zehren bis heute davon. Beiden, Bowie wie Berlin, ist eigentlich erst später so richtig klargeworden, wie viel mythisches Potential in dieser Anekdote steckte: ein berühmter Popstar in einer geteilten Stadt. Bowie hat gern davon erzählt und sich in seinen letzten Lebensjahren selbst als Berliner besungen (auf den Platten, die er damals im Hansa Studio aufnahm, kam Berlin wortwörtlich noch nicht vor, selbst in der Mauerhymne „Heroes“ nicht).

    Seine Hauptstraße 155 wiederum ist heute eine feste Adresse bei Stadtführungen. Dort hatte der Regierende Bürgermeister Müller ein Dreivierteljahr nach Bowies Tod eine Gedenktafel enthüllt. Die war dann kurz darauf wieder verschwunden und musste ersetzt werden – was lustigerweise genauso zum Kunstdieb Bowie passt, der sich permanent bei anderen Genres bediente, wie zu Berlin, wo Kopien von Gewesenem oder gleich ganz Verlorenes noch immer am liebsten angebetet werden.

    Den Wunsch der Fans, einen Teil der vierspurigen, bezirksverbindenden Hauptstraße nach Bowie umzubenennen, hatte dann 2017 auch eine Schöneberger Politikerin der Grünen aufgegriffen, Catherina Pieroth, und schon damals wurde diskutiert, ob es nicht auch ein Platz in der Nähe von Bowies alter Wohnung sein könnte.

    Genau das hat jetzt die CDU von Tempelhof und Schöneberg gefordert: Sie schlägt nicht den nahen Kaiser-Wilhelm-Platz vor, sondern die noch nähere und namenlose Kreuzung, an der auch der U-Bahnhof Kleistpark liegt. „David-Bowie-Platz“: Weil fünf Jahre seit dem Tod verstrichen sind, wäre das tatsächlich möglich, nur hatte sich Berlin eigentlich vorgenommen, vorerst nur Frauen so zu beehren.

    In diesen fünf Jahren hat zudem die #MeToo-Bewegung dafür gesorgt, dass man sich endlich genauer anschaut, wie sich Geniekult und das Herunterspielen von sexuellem Missbrauch zueinander verhalten. Bowie und seine minderjährigen Groupies, dieses Kapitel seines Lebens nicht als Geschichte von Kavaliersdelikten oder Rock-’n’-Roll-Legende abzutun, sondern aufzuarbeiten wäre der erste Schritt. Danach kann man dann ja weiter diskutieren, ob man einen Heldenplatz für Bowie in Berlin braucht. Lieder davon kann man nämlich seit langem singen. Bowie hat sie selbst geschrieben.

    #Berlin #Schöneberg #Hauptstraße #Grunewaldstraße #Langenscheidtstraße #Musik #Geschichte #Straßenumbenennung

  • Diese Kreuzung in Schöneberg könnte bald David-Bowie-Platz heißen - BERLINER ABENDBLATT
    https://abendblatt-berlin.de/2021/01/23/diese-kreuzung-in-schoeneberg-koennte-bald-david-bowie-platz-heiss

    Fünf Jahre nach dem Tod von David Bowie stellt die CDU-Fraktion Tempelhof-Schönebergs einen Antrag zur Umbenennung einer Kreuzung. Fortan soll sie David-Bowie-Platz heißen. Doch die Frauenquote könnte das Unterfangen schwierig gestalten.

    Der Todestag von Rock- und Poplegende David Bowie jährte sich am 10. Januar zum zehnten Mal. Nun steht die Überlegung im Raum, eine Berliner Kreuzung am Heinrich-Von-Kleist-Park in Schöneberg zu seinen Ehren umzubenennen. Die Kreuzung liegt zwischen der Grunewald-, Langenscheidt- und Hauptstraße und soll zukünftig den Namen #David-Bowie-Platz tragen. Das möchte jedenfalls die CDU.

    Verbindung zwischen Musiker und der Stadt ehren
    Die CDU Tempelhof-Schöneberg will diese Kreuzung am U-Bahnhof Kleistpark umbenennen, um die Beziehung des verstorbenen Musikers zu Berlin zu ehren. Laut Süddeutscher Zeitung wollen die Christdemokraten im Bezirksparlament am kommenden Mittwoch einen Prüfauftrag zur Umbenennung einbringen.

    Doch ist das Unterfangen nicht ganz einfach. Denn es gilt, bei der Umbenennung die Geschlechterquote einzubeziehen. Das bedeutet: In diesem Fall ist eine weibliche Namensgeberin vorrangig. Zusätzlich ist nicht jeder Anwohner Fan des britischen Sängers und somit Fürsprecher für diesen Namen. Dass im Jahr 2015 die Anschuldigung auftauchte, dass David Bowie Sex mit Minderjährigen unterstellt wurde, macht die Sache nicht einfacher. Wenngleich der Vorwurf keine Bestätigung fand. 

    Gedenktafel für Bowie

    Bereits einige Monate nach seinem Tod wurde am Wohnhaus der #Hauptstraße 155 im Bezirk #Tempelhof-Schöneberg eine Gedenktafel aufgehängt. Denn dort hatte der Musiker von 1976 bis 1978 gewohnt. Er suchte in Schöneberg Erholung und Normalität. Die fand er dort offensichtlich auch. Im Jahr 2002 soll David Bowie in einem Interview gesagt haben: „Nach vielen Jahren, die ich quasi unter Hochdruck in den USA gelebt hatte, war das entspannend für mich, in eine Stadt zu kommen, wo man relativ wenig Notiz von mir nahm.“

    Doch nicht nur der Anonymität wegen zog der Brite nach Berlin. Auch erklärte er in dem Interview, wie der „deutsche Zeitgeist“ Einfluss auf seine Musik nahm. Neben dem Klassiker „Heroes“, der im Jahr 1977 erschien, sind noch einige andere Songs seines gleichnamigen Albums in der Stadt entstanden. Genauso veröffentlichte er jedoch die Studioalben STATION TO STATION (1976) und LOW (1977) in seiner Zeit in Berlin.

    Datum: 23. Januar, Text: ast

    #Berlin #Grunewaldstraße #Langenscheidtstraße #Musik #Geschichte #Straßenumbenennung

  • Berlin-Steglitz: Getreten und geschlagen: Raubüberfall auf Jugendlichen - Polizei & Justiz - Berlin - Tagesspiegel
    https://www.tagesspiegel.de/berlin/polizei-justiz/berlin-steglitz-getreten-und-geschlagen-raubueberfall-auf-jugendlichen/22931272.html

    Bei einem Raubüberfall in Steglitz am Sonntagabend wurde ein 16-Jähriger leicht verletzt. Das Opfer soll um 18:30 Uhr in einem Park in der Grunewaldstraße auf Freunde gewartet haben. Drei Unbekannte fragten ihn nach Zigaretten. Während er Tabak und Papier teilte, entwendete einer der Täter sein Handy aus einer Hosentasche. Als der 16-Jährige dies zurückforderte, verlangten die Jugendlichen im Gegenzug dessen Kette und wollten in seine Tasche sehen.

    Er weigerte sich und wurde daraufhin gegen den Bauch getreten. Die Täter drohten ihm und nahmen sich Geld, Wertgegenstände und Kette. Sie gaben aber das Handy zurück. Bevor sie flohen, schlug ein Täter dem Opfer ins Gesicht. Die Ermittlungen laufen.

    #Berlin #Steglitz #Kriminalität #Grunewaldstraße #Schwartzsche_Villa

  • Berliner Spätis: Eine Nacht im Zwischenreich der Zivilisation - Tagesspiegel
    https://www.tagesspiegel.de/themen/reportage/berliner-spaetis-eine-nacht-im-zwischenreich-der-zivilisation/22859298.html

    Das häßlichste Wort der Nachwendezeit heißt Späti . Schreiben will man ihn nicht, diesen verballhornten Bürokratenbegriff und erst Recht nicht in den Mund nehmen, diese Verniedlichung einer sozialen Katastrophe. Muß aber sein. Denn nur Indien kann Ausbeutung noch besser. Die Rund-um-die-Uhr-Läden Berlins sind Inkarnation einer ausbeuterischen Dienstleistungsgesellschaft. Dienstleistungsgeselschaft, das ist wenn Du auf der Straße stirbst, zur Strafe. Weil Du Dich der Ausbeutung verweigerst, Du Unberührbarer. Selber schuld.

    In Berlin ist das nicht ganz so schlimm. Hier arbeitet nur jeder Späti-Mitarbeiter an der Zerstörung und Abschaffung der Rechte mit, die ihn schützen sollen. Mindestlohngesetz? Schade eijentlich, abba wat sollt. Arbeitszeitgesetz? Wer’ick entlassen, wennik dit Wort ausspreche. Gesetz über den Ladenschluß? Nie jehört. Betriebsrat? Watt’n’dit? Kündigungsschutz? Sollet bei Senatens jehm. Krankengeld? Binnick krank ej?

    Junge Menschen leben am liebsten unbeschwert. Voll Kraft lieben sie nächtliche Begegnungen in lauen Sommernächten, Menschen aus aller Welt im freundlichen Gespräch, Freiheit nach Feierabend. Allet jut. Aber weshalb braucht man dazu tausende von Orten, wo der Wunsch nach Freiheit mißbraucht und Rechtlosigkeit durchgesetzt wird, die sich wie ein Krebsgeschwür in alle anderen Bereiche der Gesellschaft frißt?

    Nächtlicher Alkoholverkauf nur in Gaststätten wäre nicht schlecht. Da wird auch beschissen und ausgebeutet, aber nicht ganz so ungestört. Es bleibt dabei: Ein Regelarbeitsverhältnis mit Kündigungsschutz, Lohnfortzahlung im Krankheitsfall, Renten- und Krankenversicherung, im Notfall Unterstützungsleistungen der Berufsgenossenschaft und einer Steuerkarte ist langweilig. No risk no fun , sagt man. Aber alt wird man, wenn man eins hat. Kann fröhlichen Kindern und Enkelkindern beim Aufwachsen zusehen. Kann sich eine eigene Wohnung leisten. Kann man alles nicht, wenn man kein Regelarbeitsverhältnis hat. Und es stirbt früher, wer keins hat.

    Wir sterben an der eigenen Freiheit, aber meist merkt man das zu spät. Da kann der TSP-Schreiber ein noch so schönes Hohelied des Nachtschuppens singen, bevor ick darin einstimme, muss der mir erst einmal erklären, wie er für gute Bezahlung und soziale Absicherung aller Späti-Arbeiterinnen und Arbeiter sorgen will. Kann er nicht. Und deshalb ist der Artikel unverantwortlich. Da verarscht einer in seiner schicken Redaktionsstube die armen Säue, denen man keine Chance gibt. Die Dinger gehörn geschlossen. Punkt.

    Wir Kutscher liefern gerne Bier und Currywurst zur Geisterstunde aus der Kneipe ins Puff und zu Ihn’ nach Hause. Jeht allet, ist legal, und kostet nich’ de Welt.

    Nachsatz - sie sind schon schön, die lauen Sommernächte. Das Gefühl von Freiheit, Toleranz und verkauft sich gut, Berlin zieht die Massen. Allet schön. Gut beschrieben, lesenswert. Wie kann man’s besser machen?
    Bestimmt geht’s noch besser, wenn alle fröhlich Feierabend machen, und nur für fette Zuschläge den Nacht-Malocher geben.
    Geht nicht ohne Gesetze und auch nicht ohne einen, der sie durchsetzt. Irgendwo ist Ende mit dem Spaß.

    Berliner sind Grillen, die im Sommer draußen singen und im Winter keine Vorräte haben. Manchmal ist auch schon am Sonntag nichts mehr da. Dann ist es gut, wenn es den Späti gibt. Knapp 1000 in Berlin.

    Zwischen Sardinen-Bar und Copy-Shop klemmt der legendäre Späti Grunewaldstraße. Während draußen am frühen Abend noch der Teer dampft, brauchen sie drinnen zwei Leute, um die gekühlten Getränke an weinschorlenhafte Cordhosenträger, Schöneberger Ureinwohner, Touristen und grazile Rennradfahrerinnen herauszureichen. Sie alle eint der Durst. Die Kühlaggregate summen, der Verkehr summt und auch das 24 Stunden kaum je abreißende Gespräch der Stammkunden.

    Als Mitte Juni mal wieder über die Öffnungszeiten von Spätis diskutiert wurde, warf der Neuköllner Grünen-Abgeordnete Georg Kössler einen neuen Begriff in die Runde: „Kulturgut“. Das war ein ganz neuer Ton. Kössler erklärte die Spätis für „unabdingbar“ für die Bewohner der Stadt. Dann sagte er: „Sie sind gleichzeitig ein Berliner Kulturgut wie die Eckkneipe, das es zu erhalten gilt.“ Der Berliner Notnagel für Menschen, die es versäumt haben, rechtzeitig einzukaufen – ein Kulturgut? Kultig ja, aber gleich schützenswert? Was ist da gemeint?

    Eine Welt der Vornamen

    Ob man den Film „Smoke“ kenne, fragt Max, 28, im Späti in der Grunewaldstraße, Schöneberg. „Smoke“, klar, wo ein kleiner Tabakladen in Brooklyn der Knotenpunkt für ganz verschiedene Großstadtgeschichten ist. So, sagt Max, müsse man sich vorstellen, wie es bei ihnen zugehe. Einen Film wie „Smoke“ könne man bei ihnen nämlich sofort drehen. Mit der Schöneberger Besetzung, ihren originalen Stammkunden, Querschnitt durch eine sagenhafte Vielfalt.

    „Smoke“ ist nach 112 Minuten zu Ende. Der spezielle Berlin-Späti-Film in der Grunewaldstraße läuft ununterbrochen. Man muss sich für seinen persönlichen Ausschnitt nur auf die umgedrehten Bierkästen vor den Laden setzen, mitten unter die Protagonisten, ja sogleich selbst einer werdend, in die Abwärme der Kühlschränke, die von unten aus dem Gitterrost pustet. Dann geht das Licht aus, wie jeden Abend.

    „Wir brauchen nicht mal einen Namen“, sagt Max, der zusammen mit Tamer Schönebergs bekanntesten Späti führt, 24 Stunden geöffnet. Klar, viele kennen sich hier, aber nur so weit, wie die Leute es wollen. Sein Späti bleibt deshalb eine Welt der Vornamen, und die Nachnamen seiner Nachbarn erfährt auch Max oft erst, wenn er mal ein Paket für sie annimmt.

    Die räumliche Winzigkeit seines Ladens steht in keinem Verhältnis zu seiner Bedeutung für den Kiez. Alle kennen ihn, ein Pulk Leute steht abends davor, obwohl es weder Kunst zu sehen noch Weißwein umsonst gibt.

    Vieles, wofür der Späti steht, ist eigentlich unverkäuflich, sagt Max. Da kann man kein Preisschild dranhängen. „Ich gehe mal Zigaretten holen“ konnte ja schon immer alles bedeuten. In den Späti kommt jeder, dem zum Glück noch eine Kleinigkeit fehlt. Etwas Kleines, aber Dringendes. Etwas, das nicht warten kann, bis am nächsten Tag die Geschäfte wieder öffnen. Das Angebot: Flüssiges, Gefrorenes, zu Rauchendes, Hochprozentiges niedrigschwellig – wenn man einmal von den drei Stufen absieht, die meist hineinführen.

    Sind Späti-Besitzer nicht immer türkisch?

    Sie schmeißen ihren Laden mit einer internationalen Truppe. Es wechseln sich ab: Nick, der Australier, Naru, der Japaner, Angelo, der Italiener, Daniel, der Russe, und Gino, der Palästinenser. Dann natürlich die beiden Teilhaber Max, der in Charlottenburg aufgewachsen ist, und Tamer mit türkischen Wurzeln. So etwas könne man gar nicht planen, das habe sich so ergeben, sagt Max. Wie sich in einem Späti eben alles so ergibt.

    Als Max vor sechs Jahren zwei Häuser weiter einzog, fing er an, diesen Späti zu besuchen. Über die Jahre redete er viel mit Tamer, dem Besitzer, dann half er gelegentlich aus. Man kann auch sagen, es war das längste Bewerbungsgespräch der Welt, an dessen Ende Max bei Tamer mit einstieg. Viele neue Kunden sprechen ihn gleich auf Türkisch an. Ja sind denn Späti-Besitzer nicht immer türkisch? „Ich denke dann: Finde den Fehler im Bild!“

    Ständig schwirren Kunden in den Laden und wieder hinaus. Viele bleiben eine Weile stehen. Jeder Abend ist ein großes Gespräch mit offenem Ausgang. Paula, mit ihren 20 Jahren im achten Monat schwanger mit ihrem „ungeplanten Wunschkind“, kauft eine Literflasche Fassbrause für 1,70 Euro. Dann bleibt sie zwei Stunden auf einer Bierkiste vor dem Laden sitzen, in deren Verlauf zwei Leute erfahren, dass sie auch den werdenden Vater kennen, ohne gewusst zu haben, dass die beiden zusammen sind.

    Angelo ist da, der hier die Frühschicht macht, aber gerade arbeitet er nicht. Er erzählt, wie er am Abend des Mauerfalls mit dem Koch damals sein Restaurant zumachte und dann über die Mauer in den Osten kletterte. Wie er in die DDR hereinkam, aber nicht mehr heraus, weil er keinen Ausweis dabei hatte.

    Eine Bäckereiverkäuferin kommt nach Ladenschluss mit den Resten vorbei. Zu schade zum Wegschmeißen. Will jemand? Ja, eine Flugbegleiterin will.

    Es ist wichtig, dass der Laden hässlich ist
    Der Tag geht, das Laster kommt. Im Späti warten die letzten Abenteuer der Zivilisation: zuckerhaltige Getränke, Alkohol, Chips, Tabakwaren. Lunge teeren. Gehirn federn. Im Späti steht der Mensch in seiner Unperfektheit und mit seinen niedlichen Bedürfnissen: Center-Shock-Kaugummis. Panini-Bilder. Die „Landlust“.

    Man müsse, sagt Max, mitgehen mit der Nachfrage. Als sie sechsmal am Tag nach Kaffee gefragt wurden, haben sie sich eine Maschine hingestellt. Jetzt verkaufen sie 30 Kaffee am Tag. Sie setzen auch dreimal so viel Bio-Limonaden wie Cola-Produkte um. Nur Briefmarken sind hoffnungslos, 1,4 Cent bleiben von einer 70-Cent-Marke hängen. Das ist weniger, als es kostet, den Mitarbeiter für die Zeit des Verkaufs zu bezahlen.

    Ein Späti ist das Gegenteil von Inszenierung. Hier wird nichts hübsch gemacht. Auch der Späti selbst nicht: Schmucklos stehen die Waren angehäuft. Es ist sogar wichtig, dass der Laden ein bisschen hässlich ist. Das ist Teil seiner Funktion. So können Schwellenängste gar nicht erst entstehen. Hinter dem Verkäufer fächern sich die Gruselbilder der Zigarettenpackungen auf, und auch das ist ein Indiz fürs Ganze: An diesem Ort wird nichts beschönigt.

    Spätis sind nicht instagram-tauglich. Ein Späti überfordert niemanden. Die Waren sind der kleinste gemeinsame Nenner. Das ist ungeheuer erholsam für Menschen, die sonst immer im Mittelpunkt ihres kuratierten Lebens stehen sollen. „Weißt du, warum ich komme?“, fragte mal ein solventer Geschäftsmann, Stammkunde, Max. „Weil mich hier keiner fragt, was ich mache.“ Max wackelt in seinen Adiletten mit den Zehen.

    Die Kunden kaufen ein Getränk und hängen noch ein bisschen ab. Die Kunden, sagt Max, reden dann oft einen ganzen Abend miteinander und wissen nachher gar nicht, mit wem sie gesprochen haben. Genau das ist der Reiz. Ein Späti hat keine besondere Zielgruppe, es sind ja potenziell alle gemeint. Sie haben hier generell etwas gegen die Aufspaltung der Gesellschaft in „Zielgruppen“.

    „Eine Schweigepflicht wie beim Arzt“

    Vielleicht macht gerade das Absichtslose alles möglich. Absichtslos kommt das Gespräch ins Fließen. Und plötzlich fügt sich alles: eine inoffizielle Jobvermittlung sind sie hier, eine Anlaufstelle für Anliegen aller Art. Sie bewahren Haustürschlüssel auf, wenn die Nachbarn Gäste erwarten. Sie mussten schon beim Ausfüllen von Hartz-IV-Anträgen helfen und bei Briefen an die Polizei. Der Schöneberger Späti ist der Kitt im Kiez.

    „Jeder hat’n Hund, aber keinen zum Reden“, zitiert die Flugbegleiterin Peter Fox. So ist Berlin. Und deshalb seien die Spätis so wichtig. Max garantiert bei Bedarf „eine Schweigepflicht wie beim Arzt.“

    Man hat den Eindruck, dass dieser Beifang eines Getränkekaufs, die Erzählungen, das Eigentliche an diesem Ort sind. Das unsichtbare Kulturgut.

    Die Italiener haben ihre großartigen Bars, in denen sie sich morgens beim günstigen Espresso lautstark versichern, dass sie noch am Leben sind. Die Süddeutschen haben ihre Wirtshäuser, die Engländer den Pub, die Franzosen treffen sich in den Cafés um ihre Märkte. Es sind Orte für alle, an denen die sozialen Unterschiede verblassen. Und die Berliner? Haben den Späti.

    Als Max vor sechs Jahren zum ersten Mal diesen Laden betrat, den es seit den 70ern gibt, hatte der noch Telefonkabinen und einen kleinen Kühlschrank. Heute ist der Strom für die Kühlschränke die größte Betriebsausgabe, 400 Euro im Monat. Bis vor einem Jahr, da war Max schon Teilhaber, machten sie jede Nacht noch sechs Stunden den Laden zu, zwischen eins und sieben. Vier Mal haben sie ihnen in dieser Zeit die Zigaretten geklaut. „Es ging nicht anders, wir mussten offen bleiben“, schlussfolgerte Max. Seitdem sind sie 24 Stunden da, schon um ihre Zigaretten zu bewachen.

    Zum Glück ist der Umsatz nachts oft dreimal so hoch wie tags. Die Einbrüche haben in der ganzen Gegend aufgehört. Autos parken in der zweiten Reihe, deren Fahrer tragen in den Sommernächten für 30 Euro Getränke raus. Jeder zweite ist Stammkunde.

    Lieber das Geld hier lassen als bei einem Mineralölkonzern
    Durch ihre Stammkunden und deren Bedürfnisse ist es nur logisch, dass jeder Berliner Späti zum Spiegel seines Viertels wird. Einige halten ein unglaubliches Angebot vor, von Klopapier über USB-Sticks bis zu Bacon. Erst mit der Phase der Familiengründung erlernt der Berliner ja die Grundzüge der Vorratshaltung.

    In Kreuzberg am Maybachufer verkauft Dion&Gefolge seit einem Jahr edle Weine, Feinkost und selbst gemachte Krawatten bis in die Nacht – weil auch das Ästhetische in Teilen Berlins ein Grundbedürfnis geworden ist. In der Ohlauer Straße hält Mustafa im Telinstore eine Art Tante-Emma-Vollsortiment bereit, und der Markt hat sogar noch Aufnahmekapazitäten für eigene Merchandising-Feuerzeuge mit dem Bild seiner Dogge, die mit ihm den Laden hütet.

    Ein Späti ist nicht nur die Summe seiner Produkte, er atmet den Geist seiner Besitzer. Das unterscheidet ihn von der Tankstelle. Spätis sind meistens Familienunternehmen. Die Kunden finden es schöner, hier zu kaufen, als ihr Geld bei einem Mineralölkonzern zu lassen. Schon deshalb, weil ein Mineralölkonzern einem nie dabei helfen würde, einen Hartz-IV-Antrag auszufüllen.

    Und längst ist auch der Schöneberger Späti ein Treffpunkt für diejenigen, die befremdet sind von den Veränderungen in der Stadt. Paula ist fremd geworden, dass man seit einigen Jahren in Restaurants reservieren muss! Auch Museen soll man mit besonderen Karten in Zeitfenstern besuchen. Es ist zum Totlachen, das ist doch nicht Berlin. Spätis sind ein Ort der Spontaneität geblieben. Sie sind die Ausnahme, nicht die Regel. Regeln gibt es in Berlin mittlerweile genug.

    Ein Ort verminderter sozialer Kontrolle

    Auf der Grunewaldstraße in Schöneberg hat sich inzwischen ein magischer Umkehreffekt eingestellt. Als würde man ein Negativ der Tagesversion betrachten. Der tagsüber unscheinbare Laden, der zwischen dem Antik-Laden und der Sardinen-Bar klemmt, beginnt zu leuchten. Nach und nach gehen dann ringsum alle anderen Lichter aus. Der Copy-Shop schließt, die Bar, der Grieche gegenüber. Jetzt leuchtet nur noch der Späti, Kronleuchter und Kühlschränke, die ganze Nacht. Der Mensch gestikuliert ein Schattentheater vor der Scheibe.

    Nach Mitternacht beginnt die andere Zeit an diesem Ort verminderter sozialer Kontrolle, wo man, ohne scheel angeschaut zu werden, eine Stange Zigaretten kaufen kann. Ein Zwischengeschoss der Zivilisation.

    Hier in Schönedorf, sagt die Flugbegleiterin, kommen die Leute für den „real talk“. Nix digital. Sie verschwenden nicht einmal Zeit mit Smalltalk. Die Themen sind lustig, unterhaltsam, existenziell. Gesellschaft, persönliche Krisen, Stadtgespräch, keine Beobachtung ist zu klein. Und nichts ist banal.

    Warum, muss man fragen, ist das jetzt ausgerechnet ein Berliner Kulturgut? Soziale Grundbedürfnisse außerhalb der Öffnungszeiten habe doch jeder, heißt es. Im Ruhrgebiet und Rheinland sei es halt das „Büdchen“, oder? Aber Büdchen sind oft freistehende Gebäude, der Kunde tritt an ein Fensterchen heran. Er steht draußen, wenn’s schlimm kommt, im Regen. Die Spätis dagegen sind zu betreten, sie bilden das Erdgeschoss der Wohnhäuser und damit das Fundament der Stadt.

    Längst schon hat Naru die Spätschicht übernommen. Naru, der glaubt, an diesem Ort weniger Verkäufer als Psychologe zu sein. Naru, der mit der Bundeswehr in Mali und Afghanistan war und jetzt Wirtschaftsingenieurwesen studiert. Einen gut bezahlten Nebenjob beim Wirtschaftsprüfer hat er eingetauscht für die einmalige „Gelegenheit, hier die Welt in ihrer Gauß’schen Normalverteilung zu sehen.“

    Die Last der Zivilisation runterspülen

    In diesem 24 Stunden laufenden Film, in dem jeder schon mit ein paar Sätzen eine Rolle bestreiten kann, besteht die Herausforderung darin, den Absprung nicht zu verpassen.

    Dimitri, ganz heitere Melancholie, lässt seine Bierflasche zwischen den Beinen pendeln. Tja, warum gehen wir zum Späti? „Wir spülen die Last der Zivilisation hinunter. Das muss manchmal sein.“

    Die Flugbegleiterin ist schon vor einer Weile auf ihr Fahrrad gestiegen. Um kurz nach eins nimmt die hochschwangere Paula ihre unberührte Flasche Fassbrause, für die sie 50 Cent mehr bezahlt hat als im Supermarkt, und geht nach Hause. Aber Angelo hat jetzt seine Reiseflughöhe erreicht. Er geht noch tanzen.

    #Berlin #Schöneberg #Grunewaldstraße #Handel #Kultur