• Zeitgeschichte ǀ 1950: Frontkämpferbund — der Freitag
    https://www.freitag.de/autoren/der-freitag/1950-frontkaempferbund


    Suzanne Labin, Carlo Schmid, Arthur Koestler

    Von Rudolf Walther - Im Westen Berlins tagt der„Kongress für die Freiheit der Kultur“ und ruft den Kommunismus als Feindbild aus. Getragen wird er von Geldern aus Washington.

    Der Osten hatte vorgelegt mit zwei kulturellen Manifestationen für den Weltfrieden – 1948 im polnischen Wroclaw, danach im April 1949 mit dem Pariser „Weltkongress der Kämpfer für den Frieden“, der sich besonders der Ächtung von Kernwaffen verschrieben hatte. Da wollte auch „der Westen“ nicht nachstehen und sich auf der Höhe des Kalten Krieges zeigen, wie er mit Churchills „Eiserner Vorhang“-Rede vom 5. März 1946 in Fulton (USA) eingeläutet war. Im März 1949 fand deshalb im New Yorker Waldorf-Astoria-Hotel auf Initiative des National Council of Arts, Sciences and Professions eine „Cultural Conference for World Peace“ statt als Antwort auf die Tagungen der linken und – wie man meinte – „falschen Friedensfreunde“. Es schlug die Geburtsstunde des „American Committee for Cultural Freedom“, das sich dem Kampf gegen Nationalsozialismus und Kommunismus verschrieb. Der Umstand, dass Ersterer als reale Größe seit vier Jahren nicht mehr existierte, spielte keine Rolle. Treibende Kraft im Vorfeld des Kongresses von 1950 in den Westsektoren Berlins war der amerikanische Journalist Melvin Lasky, der sich beim „Ersten deutschen Schriftstellerkongress“ im Oktober 1947 als Kämpfer gegen die Zensur in Ost und West profiliert hatte und damit vom stalinistischen Kommunismus enttäuschte Intellektuelle wie Arthur Koestler, Margarete Buber-Neumann, Franz Borkenau und Ernst Reuter für eine Mitarbeit gewann. Zum Kongress im Westberliner Titania-Palast im Juni 1950 reisten gut 1.800 Teilnehmer an – darunter der Philosoph Karl Jaspers, der Soziologe und KZ-Überlebende Eugen Kogon, die Schriftsteller Luise Rinser und Ignazio Silone, der Historiker Golo Mann und der Psychoanalytiker Alexander Mitscherlich. Ein zeithistorischer Zufall verlieh dem Kongress exemplarische Aktualität, weil einen Tag vor der Eröffnung am 26. Juni 1950 nordkoreanische Truppen, verbündet mit der UdSSR und China, die Demarkationslinie am 38. Breitengrad zu Südkorea überschritten und einen bewaffneten Konflikt auslösten. Dass Kongress und Kriegsausbruch zusammenfielen, beflügelte die Redner und bestimmte das stilbildende Vokabular des Kalten Krieges: Ignazio Silone, 1921 Mitbegründer der KP Italiens, ernannte das Vier-Sektoren-Berlin zum „Sturmzentrum der schärfsten Gegensätze“ zwischen Ost und West. Ernst Reuter sah den Westteil als „Enklave der Freiheit“. Nachdem der Kongress mit Beethovens Fidelio-Ouvertüre eröffnet worden war, verkündete der Schriftsteller Arthur Koestler einen „Kreuzzug“ gegen den Kommunismus. Und Melvin Lasky begrüßte die Teilnehmer als „europäische Freiheitslegion“.

    Arthur Koestler sollte die entscheidenden Akzente setzen: „Wir kamen, um ein Kampfbündnis zu schließen. Es geht hier nicht um relative Unterschiede, es geht um Leben und Tod. (…) Erstens weil die Theorie und Praxis des totalitären Staates eine Bedrohung darstellt, die alle früheren Tyranneien übertrifft. Zweitens geht es um Leben und Tod, weil die Freiheit kein Luxus ist (…) Freiheit und Friede sind untrennbar verbunden.“ Mit den Schlagworten „Totalitarismus“, „Friede“, „Freiheit“, die auch der französische Philosoph Raymond Aron ins Zentrum seines Auftritts rückte, waren die Fronten abgesteckt: Die Sowjetunion verkörperte das „Prinzip der totalen Unfreiheit“ (Theodor Plievier). Der ehemalige Trotzkist James Burnham sah in den US-Depots mit Atombomben den „einzigen Schutz der Freiheit“. Auch das Manifest, das der Kongress im Namen von Koestlers Parole, „Freunde, die Freiheit hat die Offensive ergriffen!“, verabschiedete, lebte von vollmundigen Freiheitsversprechen. Demokratie und Menschenrechte kamen dagegen nicht vor, „Neutralität“ wurde als „Verrat an westlichen Werten“ denunziert.

    Apologeten sehen in diesem Kongress und den damals entstandenen Zeitschriften Der Monat, Preuves und Encounter bis heute ein „Kampfinstrument gegen den Totalitarismus“. Die Tatsache, dass der Kongress und besagte Magazine Organe der US-Außenpolitik waren und von Anfang an bis zur Abwicklung in den 1970er Jahren über die CIA von regierungsnahen Stiftungen finanziert wurden, wird beschönigt oder verschwiegen. Linken, die einem schlichten Weltbild von Gut und Böse nicht folgten, sei es nicht darum gegangen, stalinistische Praktiken zu bagatellisieren, sondern darum, „in keinem Fall mit ihren Gegnern (zu) paktieren“ oder „Kritik an Ausbeutung und Unterdrückung“ nur selektiv zuzulassen, wie Jean-Paul Sartre bereits 1950 erklärte.

    Im Buch Der Sündenfall der Intellektuellen über jenen Kongress von Ulrike Ackermann aus dem Jahr 2000 geht es dagegen nur um zweierlei – die ausgelaugte „Totalitarismustheorie“ zu retten und eine Kontinuität des „Antitotalitarismus“ von den 1950er Jahren bis in die Gegenwart zu konstruieren. Zwei aussichtslose Unterfangen – zum ersten: Der Begriff „Totalitarismus“ kam in den 1920ern auf, fand aber erst nach 1947 größere Verbreitung. Er zirkulierte in den USA, in der BRD, in Italien und in Frankreich in unterschiedlichen Varianten, deren Gemeinsamkeit darin bestand, politisch beliebig instrumentalisierbar zu sein. In den USA diente er dazu, eine auf globalen Einfluss bedachte Außenpolitik zu legitimieren, in der BRD war er Staatsräson und Mittel zur Abgrenzung von der DDR. Für Hannah Arendt war die Sowjetunion nach Stalins Tod 1953 kein totalitärer Staat mehr, und der US-Politologe Zbigniew Brzeziński entwickelte 1954 mit dem Deutsch-Amerikaner Carl J. Friedrich zwar eine Definition von „Totalitarismus“, gebrauchte sie aber nach 1960 nicht mehr.

    Den jüngeren Antitotalitarismus der „neuen Philosophen“ in Frankreich entzauberte der Historiker Michael Scott Christofferson 2009 in seinem Buch Les intellectuels contre la gauche. L’idéologie antitotalitaire en France (1968 – 1991) als politische Improvisation. Große Teile der französischen Intelligenz, die nach 1945 links standen, hatten sich von der KPF nach dem Ungarn-Aufstand 1956 und wegen des ausbleibenden Bruchs mit dem Stalinismus distanziert. Der Philosoph Maurice Merleau-Ponty bezweifelte schon 1950 angesichts der Arbeitslager in der UdSSR, dass dort überhaupt „noch von Sozialismus zu reden“ sei.

    Die Kritik am Stalinismus war also in der französischen Intelligenz längst geläufig und die Existenz jener Lager bekannt, als 1974 Alexander Solschenizyns Buch über den Archipel GULAG erschien. Dabei hat weniger dieses Buch die Kritik an der französischen KP angefacht als vielmehr deren Reaktion auf Solschenizyn, dessen Literatur als „antisowjetische Propaganda“ diskreditiert wurde.

    Später dann, als sich Sozialisten und Kommunisten 1972 auf ein „Gemeinsames Programm“ einigten, malten maoistische wie konservative Intellektuelle das Gespenst einer „totalitären Herrschaft“ der Kommunisten an die Wand. Diese Projektion und nicht die Kontinuität der Debatten von 1950 gebar den jüngeren „Antitotalitarismus“. Die autoritäre kommunistische Herrschaft interessierte die „Antitotalitären“, darunter viele Ex-Maoisten, so wenig wie das Buch Solschenizyns. Der Antitotalitarismus der „neuen Philosophen“ zielte nicht auf die „real existierenden Diktaturen“ im Osten, sondern auf die künftigen Verantwortlichen einer demokratisch legitimierten französischen Regierung aus Sozialisten und Kommunisten, denen man präventiv und ohne triftige Gründe unterstellte, eine totalitäre Politik verfolgen zu wollen. Danach freilich lief sich der Begriff „Antitotalitarismus“ in Frankreich schnell tot und spielte keine Rolle mehr. Die meisten „Antitotalitären“ sind zu „Berufsfranzosen“ („souchiens“) geworden, wie der israelische Historiker Shlomo Sand 2016 in seiner brillanten Studie La fin de l‘intellectuel français? festhielt. Das Wort „antitotalitär“ hat letztlich nur in Deutschland überlebt, wo im FAZ-Feuilleton seit vielen Jahren versucht wird, dem verblichenen Gespenst „Antitotalitarismus“ ein Zweitleben einzuhauchen.

    Arthur Koestler - Wikipedia
    https://en.wikipedia.org/wiki/Arthur_Koestler#Post-war_years

    In June (1950) Koestler delivered a major anti-Communist speech in Berlin under the auspices of the Congress for Cultural Freedom, an organisation funded (though he did not know this) by the Central Intelligence Agency.

    Suzanne Labin — Wikipédia
    https://fr.wikipedia.org/wiki/Suzanne_Labin

    Elle fait partie en juin 1950 de la délégation française qui prend part à Berlin-Ouest à la réunion inaugurale du Congrès pour la liberté de la culture, aux côtés notamment de Georges Altman, Henri Frenay, Claude Mauriac, André Philip, Jules Romains et David Rousset. Elle a voulu devenir la directrice de la revue française de cette association internationale anticommuniste, Preuves, mais d’autres étaient sur les rangs et elle n’y est pas parvenue, malgré l’appui de Koestler. Certains ont considéré qu’elle est stupide, tel François Bondy, ancien communiste révolutionnaire passé par la SFIO, directeur de la revue. Son anticommunisme virulent est trop tranché et ne correspond pas à l’approche modérée et intellectuelle des principaux animateurs français du Congrès. Raymond Aron, en août, estime qu’il est hors de question de faire appel à elle, ce qui met un point final à ses ambitions 18,19. Elle s’est éloignée progressivement de ce réseau1. Elle publie cependant des articles dans cette revue dans les années 195020 et fréquente les mardis de Preuves, les conférences-débats qui se tiennent dans les locaux de la revue à partir de 195221.

    Congress for Cultural Freedom - Wikipedia
    https://en.wikipedia.org/iki/Congress_for_Cultural_Freedom

    The Congress for Cultural Freedom (CCF) was an anti-communist advocacy group founded in 1950. At its height, the CCF was active in thirty-five countries. In 1966 it was revealed that the United States Central Intelligence Agency was instrumental in the establishment and funding of the group.

    Historian Frances Stonor Saunders writes (1999): “Whether they liked it or not, whether they knew it or not, there were few writers, poets, artists, historians, scientists, or critics in post29war Europe whose names were not in some way linked to this covert enterprise.”[3] A different slant on the origins and work of the Congress is offered by Peter Coleman in his Liberal Conspiracy (1989) where he talks about a struggle for the mind “of Postwar Europe” and the world at large.
    ...
    Activities, 1950–1966

    At its height, the CCF had offices in thirty-five countries, employed dozens of personnel, and published over twenty prestigious magazines. It held art exhibitions, owned a news and features service, organized high-profile international conferences, and rewarded musicians and artists with prizes and public performances.

    Between 1950 and 1966 the Congress sponsored numerous conferences. A selective list describes 16 conferences in the 1950s held principally in Western Europe but also in Rangoon, Mexico City, Tokyo, Ibadan (Nigeria) and South Vietnam: the Founding Conference in Berlin was followed in 1951 by the First Asian Conference on Cultural Freedom, held in Bombay. A further 21 conferences over an even wider geographical area are listed for the first half of the 1960s.

    In the early 1960s, the CCF mounted a campaign against the Chilean poet Pablo Neruda, an ardent communist. The campaign intensified when it appeared that Neruda was a candidate for the Nobel Prize in Literature in 1964 but he was also published in Mundo Nuevo, a CCF-sponsored periodical.
    ...
    Legacy

    In 1967, the organization was renamed the International Association for Cultural Freedom (IACF) and continued to exist with funding from the Ford Foundation. It inherited “the remaining magazines and national committees, the practice of international seminars, the regional programs, and the ideal of a worldwide community of intellectuals.” There was also, until 1970, “some continuity of personnel”.

    Under Shepard Stone and Pierre Emmanuel the dominant policy of the new Association shifted from positions held by its predecessor. No “public anti-Soviet protests” were issued, “not even in support of the harassed Solzhenitsyn and Sakharov”. The culmination of this approach was a vast seminar at Princeton on “The United States: Its Problems, Impact, and Image in the World” (December 1968) where unsuccessful attempts were made to engage with the New Left. From 1968 onwards national committees and magazines (see CCF/IACF Publications below) shut down one after another. In 1977 the Paris office closed and two years later the Association voted to dissolve itself.

    Certain of the publications that began as CCF-supported vehicles secured a readership and ongoing relevance that, with other sources of funding, enabled them to long outlast the parent organisation. Encounter continued publishing until 1991, as did Survey, while the Australian Quadrant and the China Quarterly survive to this day. While the revelation of CIA funding led to some resignations, notably that of Stephen Spender from Encounter, outside Europe the impact was more dramatic: in Uganda President Milton Obote had Rajat Neogy, the editor of the flourishing Transition magazine, arrested and imprisoned. After Neogy left Uganda in 1968 the magazine ceased to exist.

    The European Intellectual Mutual Aid Fund (Fondation pour une Entraide Intellectuelle Européenne) set up to support intellectuals in Central Europe, began life as an affiliate of the Congress for Cultural Freedom. In 1991 it merged with the Open Society Foundations, set up and supported by financier and philanthropist George Soros.

    The records of the International Association for Cultural Freedom and its predecessor the Congress for Cultural Freedom are today stored at the Library of the University of Chicago in its Special Collections Research Center.

    #Berlin #Steglitz #Schloßstraße #Titania-Palast #Politik #Geschichte #Antikommunismus #USA #Kalter_Krieg #CIA #Propaganda #Kultur

  • Berlin: 750.000 Euro für Gedenken zum 70. Jubiläum der Luftbrücke - Tempelhof-Schöneberg - Berliner Morgenpost
    https://www.morgenpost.de/bezirke/tempelhof-schoeneberg/article215877005/750-000-Euro-fuer-Gedenken-zum-70-Jubilaeum-der-Luftbruecke.html


    Ick spiel nich Lotto. Und abjesehn vonne tolle flijerische Leistung war de Luftbrücke einfach ne jute Propagandashow vonne Amis, die ihrn Vorposten nich loswern wollten. Stachel im Fleisch des Kommunismus , frajen se mal Hubertus Knabe, hamse wat zu lachen.

    Die Berliner Lotto-Stiftung stellt anlässlich des 70. Jubiläums der „Berliner Luftbrücke“ 750.000 Euro zur Verfügung. Sie unterstützt damit die Gedenk- und Festveranstaltung, die am 12. Mai nächsten Jahres auf dem ehemaligen Flughafen Tempelhof geplant ist und an das Ende des einstigen Versorgungskorridors der Westmächte erinnern soll.

    #Berlin #Geschichte #Luftbrücke #THX #Flughafen_Tempelhof #Platz_der_Luftbrücke #Columbiadamm #Besatzung #Alliierte #Kalter_Krieg

  • Leben mit der „Schutzmacht“. Die amerikanische Militärpräsenz in West-Berlin | bpb
    http://www.bpb.de/geschichte/zeitgeschichte/deutschlandarchiv/260613/die-amerikanische-militaerpraesenz-in-west-berlin

    Viele Berlinerinnen und Berliner versprachen sich von der endlich in der Stadt eingetroffenen US-Armee umfangreiche Hilfe und eine mildere Besatzungspolitik. Stefanie Eisenhuth hinterfragt in diesem Beitrag die vermeintlich lineare Erfolgsgeschichte der Beziehungen zwischen West-Berlin und den USA nach 1945.

    US-Armee am Grenzübergang „Checkpoint Charlie“ an der Friedrichstraße in Berlin im September 1961 (© picture alliance / dpa, Foto: Chris Hoffmann)

    Am 3. Juli 1945 vertraute Ruth Andreas-Friedrich, eine im Widerstand gegen das NS-Regime aktive Journalistin aus Berlin, ihrem Tagebuch an:
    „Die Amerikaner sind da! […] Die Sieger aus dem Westen, auf die wir seit Anfang April gewartet hatten. Von Tag zu Tag mehr, von Nacht zu Nacht dringender.“[1]
    Damit sprach sie vielen Berlinerinnen und Berlinern aus dem Herzen: Nach zwei Monaten unter sowjetischer Besatzung versprachen sie sich von der endlich in der Stadt eingetroffenen US-Armee umfangreiche Hilfe, eine mildere Besatzungspolitik und Schutz vor Übergriffen durch Soldaten der Roten Armee.[2] Am nächsten Nachmittag fand mit militärischer Zeremonie die Übernahme jener sechs Bezirke statt, die von nun an den amerikanischen Sektor Berlins bilden sollten: Kreuzberg, Tempelhof, Neukölln, Schöneberg, Steglitz und Zehlendorf.[3]

    Doch dieses Ereignis bildete noch nicht den Auftakt für jene besondere Beziehung zwischen West-Berlin und den USA, die in den nächsten Jahren wachsen sollte. Das Verhältnis zwischen Siegern und Besiegten, zwischen Besatzern und Besetzten wurde täglich neu verhandelt und nicht alle US-Soldaten waren über die ihnen zugeschriebene Rolle als Befreier und Beschützer vor der sowjetischen Siegermacht erfreut. Die damals 19-jährige Ruth Wergau erinnert sich:

    „Die ersten Amis, mit denen wir Kontakt hatten, waren ziemlich rabiat, die haben uns alle für verkappte Nazis gehalten. Die wollten mit uns überhaupt nichts zu tun haben. Für uns war das erst mal enttäuschend, denn wir freuten uns natürlich darauf, nicht mehr unter russischer Besatzung leben zu müssen.“[4]

    Doch die US-Soldaten waren als Eroberer und nicht als Befreier gekommen. Der kleine „Pocket Guide to Germany“, den sie bei sich trugen, stellte klar und deutlich fest: „You are in enemy country! These people are not our allies or our friends.“[5] Die Journalistin Margret Boveri stellte deshalb schon nach wenigen Wochen eine gewisse Desillusionierung fest:
    „Als ich das letzte Mal anderthalb Stunden für Brot anstand, hörte ich nur auf die Amerikaner schimpfen, die doch zuerst sehnlichst erwartet, dann als Befreier begrüßt wurden. Sie beschlagnahmen nicht nur Häuser, sondern holen auch aus den beschlagnahmten und aus anderen Häusern, was sie woanders brauchen, Betten, Matratzen, Teppiche, Tische und Stühle. Die Leute sagen, ‚auf die feine Tour’ seien sie schlimmer als die Russen.“[6]

    Die Rote Armee als Kontrastfolie

    Es wird deutlich, dass in Berlin das sowjetische Besatzungsregime stets als Kontrastfolie diente – zumeist fiel das vergleichende Urteil zugunsten der USA aus. Als die Civil Censorship Division im Winter 1945 insgesamt 16.048 Briefe öffnete, um die Einstellung der Berliner zu ihren neuen Machthabern zu analysieren, kam sie zu dem Ergebnis, dass 75 Prozent aller Kommentare über die US-Armee positiv und 80 Prozent der Kommentare über die Rote Armee negativ ausfielen.[7] Doch erst, als sich das Ziel der Besatzung von „drakonischer Kriegsverhinderung“ hin zu einer Unterstützung beim „konstruktiven Neubeginn“ in Deutschland verschob,[8] was in Form des sogenannten Marshallplans 1948 deutlich zum Ausdruck kam, blickten die Bewohnerinnen und Bewohner der Westsektoren erstmals wieder optimistisch in die Zukunft.[9] Zugleich klagten sie jedoch, zunehmend ein Spielball im aufkommenden Konflikt zwischen den Siegermächten zu sein, wie zeitgenössische Umfragen dokumentieren. Noch wenige Wochen nach Beginn der sowjetischen Blockade im Juni 1948 empfand zwar über die Hälfte der Berliner Westsektoren-Bewohner die Westmächte als „unsere Beschützer“, dennoch waren 43 Prozent zugleich der Meinung, deren Hilfe erfolge primär aus eigennützigem Interesse. Die Amerikaner seien mehr am Ausbau ihrer Macht als am Wohl der Bevölkerung interessiert.[10] Auch als überzeugte Demokraten erwiesen sich die befragten Berliner 1948 noch nicht: Zwar lehnten sie mehrheitlich den sowjetischen Kommunismus ab, bevorzugten aber zugleich noch zu 40 Prozent den Nationalsozialismus; ökonomische Sicherheit war ihnen wichtiger als Freiheit.[11]

    Lackmustest für eine „special relationship“

    Die erste Berlin-Krise wurde deshalb zum Lackmustest für die Zugehörigkeit zur westlichen Gemeinschaft und ließ schließlich aus den kriegsgebeutelten Bewohnern der drei Westsektoren die „Frontstadt“-Bewohner werden, die sich nun nicht ohne Stolz als „West-Berliner“ bezeichneten und gemeinsam mit ihren „Schutzmächten“ an der immer mehr zur Insel werdenden Halbstadt festhalten wollten.[12] Die Grundlage der neuen „transatlantischen Freundschaft“ bildete der geteilte kämpferische Antikommunismus als eine Art „konsensfähige Integrationsideologie“.[13] Er sorgte dafür, dass sich die politische Kultur West-Berlins in den 1950er Jahren von der westdeutschen deutlich unterschied: Man begrüßte die Präsenz der Westmächte, erachtete die USA in politischer, wirtschaftlicher und (pop-)kultureller Hinsicht als Vorbild und war bereit, Opfer für die Verteidigung der eigenen Freiheit zu bringen – auch wenn dies zu einem Krieg führen würde.[14] Die neue Freundschaft wurde umfangreich inszeniert – zum Beispiel in Form des Luftbrückendenkmals und der Freiheitsglocke.[15] Aus der Reichshauptstadt war „Amerikas Berlin“ geworden.[16]

    Einen ersten Grundstein für diese überraschende Umdeutung hatten amerikanische Beobachter schon unmittelbar nach Kriegsende gelegt. In ihren Berichten für die neugierigen Leser in der fernen Heimat hatten sie alte Berlin-Bilder aufgegriffen. Bereits seit dem 19. Jahrhundert „wurde Berlin auf beiden Seiten des Atlantiks als eine Stadt wahrgenommen, die Züge der amerikanischen Gesellschaft und Urbanität trug“.[17] Die NS-Zeit verdüsterte das positive Bild nur vorübergehend.[18] Amerikanische Zeitungsartikel aus der Nachkriegszeit lesen sich, als hätten die letzten zwölf Jahre lediglich eine der Stadt aufgezwungene Pause dargestellt und sie könne nun endlich wieder die lebendige und weltoffene Metropole sein, die sie immer gewesen war.[19] Nach dem Glanz der 1920er Jahre suchend, setzten amerikanische Journalisten, Soldaten und Politiker die Tradition des „urban spectatorship“ fort und schufen mit ihren Berichten eine Kontinuität über die Zäsuren von 1933 und 1945 hinweg.[20] Die Verweise auf das Berlin der Weimarer Jahre ermöglichten die Abgrenzung von der NS-Vergangenheit sowie die Herausbildung einer positiven Kontinuitätserzählung, die dann wiederum anknüpfungsfähig war für die sich nun etablierende Meistererzählung vom „Vorposten der Freiheit“.

    Die „special relationship“ zwischen West-Berlin und den USA galt lange Zeit als unverbrüchlich, bis die West-Berliner 1967 in einer Umfrage erstmals bekundeten, den westdeutschen Sicherheitsgarantien mehr zu trauen als den amerikanischen.[21] Das Stillhalten der Alliierten nach dem Mauerbau im August 1961 hatte nur kurzzeitig für Empörung gesorgt. Schnell setzte ein schleichender Prozess der Normalisierung und gesellschaftlichen Ausdifferenzierung ein, der die politischen Akteure auf deutscher wie amerikanischer Seite beunruhigte.[22] Das „heroische, auf Vergemeinschaftung basierende Berlin Amerikas“ wurde mehr und mehr zu einem „deutschen Berlin“.[23]

    Konflikte, Konfrontationen und konkurrierende Deutungen

    Eine Mischung aus erhoffter Aufregung und Nervenkitzel, politischen und privaten Sehnsüchten sowie der Umstand, dass man mit dem Umzug nach West-Berlin der Einberufung zur Bundeswehr entgehen konnte, lockten nach dem Mauerbau tausende junge Menschen an die Spree.[24] Sie nahmen das Versprechen der Stadt, ein „Vorposten der Freiheit“ zu sein, beim Wort – nur meinten sie damit eher die individuelle Freiheit sowie neue Formen des Zusammenlebens und des politischen oder künstlerischen Engagements erproben zu können. Schnell entstand eine Kluft zwischen der Erfahrungsgemeinschaft der „Blockade- und Mauerbau-Berliner“ und den Vertretern einer jungen Generation, die das bisherige städtische Selbstverständnis kritisierten und ihm eigene Visionen entgegensetzten.[25]

    Bei einem Besuch im Sommer 1965 stellte die von Willy Brandt einst als „Mutter Berlins“ bezeichnete US-Diplomatin Eleanor Dulles verwundert fest: Die Kinder jener Generation, mit der „wir Amerikaner zusammengearbeitet“ und „das verwüstete Deutschland“ wieder aufgebaut haben, seien „fest davon überzeugt, daß sie geistig, physisch und wirtschaftlich im Stande seien, politische Zusammenhänge von einem neuen Standpunkt aus zu sehen“.[26] Einige Monate später, im Februar 1966, wurde das West-Berliner Amerikahaus erstmals zum Ziel studentischer Proteste. Der Spiegel beschrieb Szenen, die noch wochenlang für Gesprächsstoff sorgten:
    „Die Demonstranten verkeilten sich im Portal des Amerika-Hauses. Einige zerrten am Sternenbanner, andere bombardierten die Kunststeinfassade mit Eiern niedrigster Preisklasse.“[27]
    In den USA selbst wurde ebenfalls seit einigen Monaten gegen das militärische Engagement in Vietnam protestiert. Was die deutsche und die amerikanische Studentenbewegung bald miteinander verband, war die Kritik an einem wahrgenommenen „Widerspruch zwischen Verfassungsnorm und Verfassungswirklichkeit“ und der Wunsch nach mehr Freiheit und Mitgestaltung.[28] Die gemeinsamen Interessen führten vereinzelt zu Kooperationen, an denen sich auch in der Bundesrepublik und West-Berlin stationierte US-Soldaten beteiligten.[29]

    Radikale Teilung der Milieus

    Für den Zeitgenossen und Historiker Gerd Koenen war die „radikale Teilung der gesellschaftlichen Milieus“ in West-Berlin ausschlaggebend dafür, dass die jungen Menschen mit ihrer Amerikakritik und ihren linksradikalen Forderungen hier auf besondere Gegenwehr stießen:
    „Auf der einen Seite standen Zehntausende junger Zugezogener […]. Auf dem Gegenpol gab es die eingesessenen Berliner, für die ‘Frontstadt’ kein Schimpfwort, sondern ein Ehrentitel war. […] Kurzum, was hier aufeinander prallte, waren zwei gegensätzlich radikalisierte Milieus, die sich nur kraß verzerrt überhaupt wahrnahmen.“[30]
    Ihr Aufeinandertreffen eskalierte anlässlich einer vom Senat organisierten Kundgebung, die sich gegen den wenige Tage zuvor veranstalteten Vietnamkongress richtete. In einem Demonstrationsaufruf zitierte die Berliner Morgenpost den Regierenden Bürgermeister Klaus Schütz:
    „Es kommt auf jeden von uns an. Wir wollen der Welt zeigen: Dieses Berlin steht für Freiheit und Frieden. Die Welt soll unsere Stimme hören, damit sie erfährt, daß andere, die sich hier getroffen haben, nicht für diese Stadt sprechen“.[31]

    Über 80.000 West-Berliner fanden sich am 21. Februar 1968 vor dem Schöneberger Rathaus ein, um ihre ungebrochene Loyalität zu den USA zu bekunden. Im Anschluss kam es zu massiven Ausschreitungen, wie Die Zeit berichtete:

    „Die Rufe ‚Schlagt ihn tot‘, ‚Lyncht ihn‘, ‚Hängt ihn auf‘ untermalten noch das Geläut der Freiheitsglocke, als ein junger Behördenangestellter als vermeintlicher [Rudi] Dutschke über den Platz geprügelt wurde, in einem Polizeiwagen Zuflucht fand, den der rasende Mob dann demolierte und umzustürzen versuchte.“[32]

    Derartig heftige Gegenreaktionen unterschieden West-Berlin von anderen Hochburgen der Studentenbewegung, denn hier ging es um mehr.[33] Die Demonstranten forderten mit ihren pro-vietnamesischen Parolen das antikommunistische und pro-amerikanische Selbstbild der Stadt heraus. Erhitzte Gemüter der lokalen Presselandschaft schlossen die Gegner des Vietnamkriegs deshalb als „Unberliner“[34] aus der städtischen Gemeinschaft aus – eine Exklusion, die sich zwei Jahrzehnte später mit dem Begriff „Anti-Berliner“ anlässlich der Kreuzberger Krawalle in der Nacht zum 1. Mai 1987 wiederholte. Über zwei Jahrzehnte reagierte die lokale Politik auf Kritik an dem im Kalten Krieg geborenen Selbstverständnis West-Berlins mit Hilfe von Mobilisierungskampagnen, Gegendemonstrationen, Demonstrationsverboten oder ostentativen Freundschaftsbekundungen.[35]

    Front- oder Friedensstadt?

    Demonstranten blockieren am 15. Oktober 1983 die amerikanische Andrews-Kaserne in Berlin-Lichterfelde (© B 145 Bild-00048563, Bundesregierung, Foto: Klaus Lehnartz)
    Als die Friedensbewegung um 1980 forderte, West-Berlin müsse endlich von der Front- zur Friedensstadt werden, wolle es den Rüstungswettlauf beenden und die Teilung der Welt überwinden, schlossen sich ihr Zehntausende Stadtbewohner an. Die Sorge um den Frieden war schicht- und generationsübergreifend, weshalb sich der alte „Frontstadtgeist“ nicht ganz so leicht mobilisieren ließ wie anlässlich der Proteste gegen den Vietnamkrieg.

    Bestimmte Dinge waren indes noch immer tabu. Als das Aktionsbüro Friedenswoche, ein Zusammenschluss aus 180 Initiativen und Gruppen, zu einer Blockade der in Berlin-Lichterfelde gelegenen US-Kaserne aufrief, gab es heftigen Gegenwind. Während dies andernorts eine übliche Praktik der Rüstungsgegner war, weckte das Stichwort „Blockade“ in West-Berlin alte Erinnerungen.[36] Der Regierende Bürgermeister Richard von Weizsäcker nannte das Vorhaben eine „politische Dummheit“ und einen „Anschlag auf den Schutz der Freiheit“,[37] den die Alliierten garantieren würden. Der Steglitzer Bürgermeister bezeichnete die geplante Blockade als „geschmacklos, instinktlos, bösartig und dumm“[38] und Innensenator Heinrich Lummer drohte den Teilnehmern mit einer Geldbuße in Höhe von 50.000 D-Mark oder Freiheitsstrafen von bis zu zehn Jahren aufgrund des Verstoßes gegen deutsches und alliiertes Recht.[39] Die Reaktionen verdeutlichen die besonderen Schwierigkeiten der Friedensbewegung in jener Stadt, in der die „Politik der Abschreckung“ lange Zeit als elementarer Bestandteil der Schutzgarantie der Alliierten gegolten hatte und wo besonders das amerikanische Militär eine wichtige Symbolfunktion innehatte. Als sich am 15. Oktober 1983 vormittags dennoch circa 4000 Demonstranten vor der Kaserne einfanden, bekundeten mehrere Anwohner trotzig ihre Solidarität mit den Amerikanern, indem sie dem Torposten demonstrativ Blumen, Kuchen und Sympathiebriefe übergaben.[40]

    Fragen der Rechtstaatlichkeit

    Parallel wurden die durch Militärübungen verursachten Manöverschäden zu einem zentralen Topos. Dieser ermöglichte es, die nun schon fast vier Jahrzehnte währende Besatzung als Belastung zu thematisieren, ohne deren rechtliche Grundlage erörtern oder die gegenwärtige globale Lage gegen individuelle Bedürfnisse abwägen zu müssen. Den Hintergrund dieser wachsenden Kritik bildete ein kultureller Wandel: Neben der sowjetischen Bedrohung wurden nun auch Umweltschäden, Wohnungsnot, Arbeitslosigkeit, demographischer Wandel, die Zukunft des Rentensystems oder die Integration von Menschen mit Migrationshintergrund unter dem Stichwort „Sicherheit“ verhandelt.[41] Die Alliierten bekamen diese Veränderung in Form der Aktivitäten mehrerer Bürgerinitiativen zu spüren, die Partizipation und Transparenz einforderten. Für die US-Armee mündete dies in dem Drama um ein Wohnungsbauvorhaben auf dem Düppeler Feld. Befürworter wie Gegner ließen die Debatte zum politischen Bekenntnis werden: Wer gegen die Bebauung ist, ist gegen die Schutzmächte, so die einen. Wer gegen den Willen der Bevölkerung handelt, schadet der deutsch-amerikanischen Freundschaft, so die anderen. Nach Jahren der zähen Verhandlungen entschied der US-Stadtkommandant schließlich, das Besatzungsrecht anzuwenden, um endlich die Wohnungsnot vieler amerikanischer Familien zu beenden.[42] Lokale Initiativen wandten sich vergeblich an das Berliner Verwaltungsgericht, das Bezirksgericht von Washington, den US-Präsidenten Jimmy Carter und den gerade erstmals einberufenen United States Court for Berlin,[43] um einen Baustopp zu erzielen. Im Verlauf wurde den Akteuren ihre Machtlosigkeit deutlich und dass die städtische Meistererzählung eine defizitäre Realität überdeckte: Obwohl West-Berlin sich als „Vorposten der Freiheit“ imaginierte und inszenierte, schränkte der städtische Sonderstatus nicht nur die Souveränität, sondern auch die Rechtsstaatlichkeit ein. Die Rechte der Alliierten wurden infolge dessen zu einem umkämpften Thema der West-Berliner Politik. Zu diskutieren, ob man die „Schutzmächte“ noch brauche, setzte allerdings voraus, dass man sie auch als solche erachtete – und damit den eigentlichen Grund ihrer Anwesenheit, den Verlust des Zweiten Weltkrieges und die daraus resultierende Besatzung, ausblendete.[44]

    Wie tief gespalten die Stadt im Hinblick auf das transatlantische Verhältnis war, kam insbesondere 1982 und 1987 im Umfeld der Besuche des US-Präsidenten Ronald Reagan noch einmal deutlich zum Ausdruck. Bis heute prägen die Bilder von bürgerkriegsähnlichen Szenen, von brennenden Fahrzeugen und Barrikaden, die kollektive Erinnerung. Fast vergessen hingegen ist, dass sich 1982 über 80 Prozent der West-Berliner für den Besuch ausgesprochen hatten,[45] sich das Deutsch-Amerikanische Volksfest und die Alliierte Militärparade ungebrochener Beliebtheit erfreuten und bis Mitte der 1980er Jahre knapp Dreiviertel der West-Berliner auch weiterhin keinen Abzug der alliierten Truppen wünschten.[46]

    Fazit

    In einem 1993 verfassten Rückblick hielt die US-Armee fest, dass in den 1970er Jahren „quality of life concerns“ an die Stelle der einstigen „security concerns” getreten waren.[47] Diese Veränderung habe für ein zunehmendes Hinterfragen der Notwendigkeit der alliierten Präsenz gesorgt. In einem Gespräch mit dem Historiker David E. Barclay zog John Kornblum, einst politischer Berater der U.S. Mission Berlin und Stellvertreter des US-Stadtkommandanten, deshalb ein nachdenkliches Fazit:
    „Had the Russians not collapsed in `89 as they did, I personally don’t think we could have held our position in Berlin politically for ten years, maybe not five years.“[48]

    Auch wenn dies reine Spekulation ist, so war die Lage schwierig und das Verhältnis zwischen der US-Armee und der West-Berliner Bevölkerung kompliziert geworden. Mit der Öffnung der Berliner Mauer am 9. November 1989 kündigten sich jedoch schnell neue Herausforderungen an, die alte Konflikte in Vergessenheit geraten ließen.[49] Schon im Umfeld des Truppenabzugs 1994 bildete sich jene lineare Erfolgsgeschichte heraus, die noch heute die Erinnerung prägt. Sie findet ihren deutlichsten Ausdruck im Titel der 1998 eröffneten Dauerausstellung des Berliner AlliiertenMuseums, der noch immer lautet: „Wie aus Feinden Freunde wurden“.

    Zitierweise: Stefanie Eisenhuth, Leben mit der „Schutzmacht“. Die amerikanische Militärpräsenz in West-Berlin, in: Deutschland Archiv, 1.12.2017, Link: www.bpb.de/260613

    Fußnoten
    1.
    Ruth Andreas-Friedrich, Schauplatz Berlin. Tagebuchaufzeichnungen 1945 bis 1948, Frankfurt a. M. 1984, S. 74 f.
    2.
    Hierzu: Ilko Sascha-Kowalczuk und Stefan Wolle, Roter Stern über Deutschland. Sowjetische Truppen in der DDR 1945–1994, Berlin 2001; Norman Naimark, Die Russen in Deutschland. Die Sowjetische Besatzungszone 1945 bis 1949, Berlin 1997.
    3.
    Ausführlich beschrieben in: Frank L. Howley, Berlin Command, New York 1950, S. 18–56.
    4.
    Ruth Wergau, Ziemlich gespannt, in: Detlef R. Mittag und Detlef Schade, Die amerikanische Kalt-Welle. Geschichten vom Überleben in der Nachkriegszeit, Berlin 1983, S. 102 f.
    5.
    Special Service Division of the U.S. Army, Pocket Guide to Germany, Washington 1944, S. 4, https://archive.org/details/PocketGuideToGermany

    , letzter Zugriff am 14.11.2017.
    6.
    Margret Boveri, Tage des Überlebens, Neuauflage, Berlin 2004, S. 250.
    7.
    EUCOM Historical Division: Relations of Occupation Forces Personnel with the Civil Population 1946–48, Occupation Forces in Europe Series, 1946–48, Karlsruhe 1951, S. 11, http://cgsc.contentdm.oclc.org/cdm/ref/collection/p4013coll11/id/1391, letzter Zugriff am 7.4.2017.
    8.
    Konrad H. Jarausch, Amerikanische Einflüsse und deutsche Einsichten. Kulturelle Aspekte der Demokratisierung Westdeutschlands, in: Arnd Bauerkämper, Konrad H. Jarausch und Marcus M. Payk, Demokratiewunder. Transatlantische Mittler und die kulturelle Öffnung Westdeutschlands 1945–1970, Göttingen 2005, S. 57–81, Zitat S. 62.
    9.
    Während in der amerikanischen Zone nur ein Drittel an eine baldige Verbesserung der wirtschaftlichen Lage glaubte, so waren es im amerikanischen Sektor Berlins knapp zwei Drittel. OMGUS, ICD Opinion Surveys, Bremen Attitudes Compared with Berlin and Amzon, Report No. 100, 15. April 1948, U.S. Army Center of Military History (CMH), S. 14 f.
    10.
    Opinion Survey, in: Landesarchiv Berlin (LAB), B Rep. 36–01, OMGBS, 4/8-3/16.
    11.
    OMGUS, ICD Opinion Surveys (Anm. 9), S. 10 f.
    12.
    Vgl. Stefanie Eisenhuth und Martin Sabrow, „West-Berlin“. Eine historiographische Herausforderung, in: Zeithistorische Forschungen/Studies in Contemporary History 11 (2014) 2, S. 165–187, www.zeithistorische-forschungen.de/2-2014/id=5090, letzter Zugriff am 14.11.2017.
    13.
    Christoph Kleßmann, Die doppelte Staatsgründung. Deutsche Geschichte 1945–55, Bonn 1986, S. 254 f; siehe auch: Stefan Creuzberger und Dierk Hoffmann, (Hg.), „Geistige Gefahr“ und „Immunisierung der Gesellschaft“. Antikommunismus und politische Kultur in der frühen Bundesrepublik, München 2014; Bernd Faulenbach, Antikommunismus, Version: 1.0, in: Docupedia-Zeitgeschichte, 3.5.2017, http://docupedia.de/zg/Faulenbach_antikommunismus_v1_de_2017, letzter Zugriff am 14.11.2017.
    14.
    Dies wird deutlich in den zahlreichen Meinungsumfragen der amerikanischen Hohen Kommission (HICOG) und später der United States Information Agency (USIA).
    15.
    Vgl. Dominik Geppert, Symbolische Politik. Berliner Konjunkturen der Erinnerung an die Luftbrücke, in: Helmut Trotnow und Bernd von Kostka, Die Berliner Luftbrücke, Berlin 2010, S. 136–147; ders., „Proclaim Liberty Throughout all the Land“: Berlin and the Symbolism of the Cold War, in: ders. (Hg.), The Postwar Challenge. Cultural, Social, and Political Change in Western Europe, 1945–58, Oxford 2003, S. 339–363.
    16.
    Andreas W. Daum, Kennedy in Berlin. Politik, Kultur und Emotionen im Kalten Krieg, Paderborn 2003, S. 39.
    17.
    Ebd.
    18.
    Daniel Kiecol, Selbstbild und Image zweier europäischer Metropolen. Paris und Berlin zwischen 1900 und 1930, Frankfurt a. M. 2001, S. 256–262 und S. 281.
    19.
    Exemplarisch: Tania Long, This is Berlin – without Hitler, in: New York Times, 22. Juli 1945; John Thompson, Nightlife back in Berlin, but it clips you $150, in: Chicago Daily Tribune, 16. Dezember 1946, S. 3.
    20.
    Jennifer V. Evans, Life among the Ruins: Cityscape and sexuality in Cold War Berlin, Houndmills 2011, S. 151 f.
    21.
    Berlin-Report: „Die Berliner und die Westmächte“, Institut für angewandte Sozialwissenschaften, 5. Oktober 1967, in: LAB, B Rep. 002, Nr. 13320.
    22.
    Studie: Das Vertrauen zu den Schutzmächten, März 1966, in: ebd.
    23.
    Daum, Kennedy in Berlin (Anm. 16), S. 195.
    24.
    Vgl. Belinda Davis, The City as Theater of Protest: West Berlin and West Germany, 1962–1983, in: Gyan Prakash and Kevin M. Kruse (Hg.), The Spaces of the Modern City. Imaginaries, Politics, and Everyday Life, Princeton 2008, S. 247–274.
    25.
    Wilfried Rott, Abschied von West-Berlin, in: Aus Politik und Zeitgeschichte 60 (2010) 11, S. 41–46, hier S. 42 f.
    26.
    Eleanor Dulles, Berlin und die Amerikaner, Köln 1967, S. 225 und 217 f.
    27.
    Eier von links, in: Der Spiegel, 8 (1966), S. 48.
    28.
    Ingrid Gilcher-Holtey, Die 68er Bewegung. Deutschland, Westeuropa, USA, München 2001, S. 25–35, Zitate S. 32.
    29.
    Hierzu ausführlich: Martin Klimke, The Other Alliance. Student Protest in West Germany and the United States in the Global Sixties, Princeton 2010; Maria Höhn und ders., Ein Hauch von Freiheit? Afroamerikanische Soldaten, die US-Bürgerrechtsbewegung und Deutschland, Bielefeld 2016.
    30.
    Gerd Koenen, Das rote Jahrzehnt. Unsere kleine deutsche Kulturrevolution 1967–1977, Frankfurt a. M. 2004, S. 38 f.
    31.
    Morgen demonstriert Berlin für Freiheit und Frieden, in: Berliner Morgenpost, 20. Februar 1968, Titelseite.
    32.
    Kai Hermann, Demonstration mit Nachhilfe, in: Die Zeit, 1. März 1968; ein ausführlicher Zeitzeugenbericht findet sich in: Michael Ludwig Müller, Berlin 1968. Die andere Perspektive, Berlin 2008, S. 212–220.
    33.
    Vgl. Timothy Scott Brown, West Germany and the Global Sixties. The Antiauthoritarian Revolt, 1962–1978, Cambridge/New York 2013, S. 32–35.
    34.
    Otto Köhler, Zwei Millionen Unberliner, in: Der Spiegel, 9 (1968), S. 25, unter Verweis unter anderem auf: Das war die Antwort der Berliner!, in: B.Z., 22. Februar 1968, Titelseite.
    35.
    Vgl. Carla MacDougall, „We too are Berliners“. Protest, Symbolism, and the City in Cold War Germany, in: Belinda Davis, Wilfried Mausbach, Martin Klimke und dies. (Hg.), Changing The World, Changing Oneself. Political Protest and Collective Identities in West Germany and the U.S. in the 1960s and 1970s, New York/Oxford 2012, S. 83–101.
    36.
    Vgl. Susanne Schregel, Die Orte der Friedensbewegung, in: Christoph Becker-Schaum, Philipp Gassert, Martin Klimke, Wilfried Mausbach und Marianne Zepp (Hg.), „Entrüstet Euch!“ Nuklearkrise, NATO-Doppelbeschluss und Friedensbewegung, Paderborn 2012, S. 169–183.
    37.
    Weizsäcker verurteilt geplante Blockade der Andrews Barracks, in: Der Tagesspiegel, 14. Oktober 1983, Titelseite.
    38.
    Geplante Blockade stößt auf Unverständnis, in; Berliner Morgenpost, 14. Oktober 1983, S. 4.
    39.
    Lummer: Polizei wird Blockade der Andrews Barracks verhindern, in: Der Tagesspiegel, 13. Oktober 1983, Titelseite.
    40.
    Senator für Inneres: Lagemeldung Nr. 210/83, 17. Oktober 1983, in: LAB, B Rep. 002, Nr. 24622.
    41.
    Eckart Conze, Sicherheit als Kultur. Überlegungen zu einer „modernen Politikgeschichte“ der Bundesrepublik Deutschland, in: Vierteljahrshefte für Zeitgeschichte 53 (2005) 3, S. 357–380, hier S. 370–379.
    42.
    Walter E. Adams (Deputy Commander, US Army Berlin) an Bezirksbürgermeister Rothkegel, 11. Juli 1978, in: LAB, B Rep. 002, Nr. 24407, Band 2, Bl. 52 f.
    43.
    Zur rechtlichen Grundlage des Gerichts siehe: Law No. 46: United States Court for Berlin, in: Official Gazette of the Allied Kommandatura Berlin, Nr. 71, 30. April 1955, S. 1056–1058.
    44.
    Auf die Frage, aus welchem Grund die Alliierten vor Ort seien, antworten 58 Prozent der befragten West-Berliner im Jahr 1985: „Zur Sicherheit der Stadt, sollen Freiheit sichern, als Schutz gegen den Osten“. Trotz der Möglichkeit, mehrere Antworten zu wählen, nannten gerade einmal 14 Prozent den verlorenen Weltkrieg als Ursache der Besatzung. Vgl. Umfrage „Alliierte in Berlin, Meinungen und Einstellungen“, Oktober 1985, in: LAB, B Rep. 002, Nr. 25824.
    45.
    Einziges Thema: Deutsch-amerikanisches Verhältnis, Beispiel Berlin, undatiert, wahrscheinlich vom 18. Mai 1982, in: National Archives and Records Administration in College Park, RG 84, Records of the Foreign Service Posts of the Department of State, U.S. Mission Berlin, Subject Files, 1945–1990, Senat Liaison Officer, Box 14 [old box 8], Senat Related Correspondence 1981–83.
    46.
    In einer Meinungsumfrage des Sender Freies Berlin (SFB) stimmten 85 Prozent der West-Berliner der Aussage zu, dass „die Anwesenheit der Alliierten Truppen für Berlin Vorteile gebracht hat“; 80 Prozent gaben an, davon überzeugt zu sein, „daß Berlin ohne alliierte Schutzgarantien […] keine Überlebenschancen gehabt hätte“; 78 Prozent wünschten auch weiterhin ihre Anwesenheit; 87 Prozent fühlten sich durch die Truppen gering bis gar nicht beeinträchtigt. Vermerk, Betreff: SFB-Meinungsumfrage zum Thema „Alliierte in Berlin“, 29. Oktober 1985, in: LAB, B Rep. 002, Nr. 24624.
    47.
    U.S. Army Berlin, Consolidated Annual Report 1991–92, 27.7.1993, p. 17, Collection: Berlin Brigade 1991–1994, U.S. Army Center for Military History, Washington DC (USACMH).
    48.
    David E. Barclay, A „Complicated Contrivance“. West Berlin behind the Wall 1971–1989, in: Marc Silberman, Karen E. Till and Janet Ward (Hg.), Walls, Borders, Boundaries. Spatial and Cultural Practices in Europe, New York/Oxford 2012, S. 113–130, Zitat S. 122.
    49.
    Zu den Entwicklungen im Jahr 1989 in West-Berlin siehe: Stefanie Eisenhuth, West-Berlin und der Umbruch in der DDR. Grenzübergreifende Wahrnehmungen und Verhandlungen 1989, Berlin 2012.

    Lizenz: by-nc-nd/3.0/ Autor: Stefanie Eisenhuth für bpb.de

    #Berlin #Geschichte #USA #Besatzung #Kalter_Krieg

  • Kein Heimspiel / pas de match à domicile | WDR 2014-05-19

    http://www1.wdr.de/fernsehen/information/sport_inside/sendungen/ddr-wm104.html

    Un reportage documentaire de 10 minutes tout autour des conditions tensionées du match BRD-DDR à Hambourg pendant le championnat du monde en 1974 - le match fut gagné par l`équipe de la DDR avec 0:1.

    Die Fußball-WM 1974 in der Bundesrepublik war für die Auswahlmannschaft der DDR ein besonderer Auslandsaufenthalt. Dass das Team auch in West-Berlin spielen musste, sorgte bei den DDR-Sportpolitikern für helle Aufregung. Das deutsch-deutsche Duell in Hamburg mit dem Sieg der DDR war nur ein Highlight einer besonderen Dienstreise der Ost-Fußballer ins Bruderland.

    1974 war die Fußball-Auswahlmannschaft der DDR zum ersten und einzigen Mal für eine Weltmeisterschaft qualifiziert. In der Gruppenphase traf sie auf die Elf des Gastgebers Bundesrepublik. In Hamburg besiegten die DDR-Kicker die Westdeutschen mit 1:0 und besiegelten mit diesem Erfolg gleichzeitig ihr späteres WM-Aus. Durch den Sieg gegen die Bundesrepublik gewann das DDR-Team zwar die Gruppe, traf anschließend aber in der Zwischenrunde auf die übermächtigen Gegner aus Brasilien, Argentinien und den Niederlanden – und schied aus. Der „#Klassenfeind“ dagegen schaffte es gegen leichtere Gegner ins Finale und wurde Weltmeister.

    Dennoch war die Reise zur WM ’74, bei der die DDR-Auswahl insgesamt sechs Spiele bestritt, ein ganz besonderer Auslandsaufenthalt – auch für die Funktionäre, die ihre Spieler zunächst politisch schulten, bevor sie in den Westen reisten. Die DDR-Sportpolitiker befürchteten Abwerbeversuche aus dem Westen und Fluchtversuche der Spieler auf eigene Faust. Besonders das zweite Gruppenspiel gegen Chile, das in West-Berlin stattfand, sorgte für helle Aufregung bei den Funktionären. Für die Spieler blieben eher die sportlichen Aspekte und der Kontakt zu den Fans im Westen im Gedächtnis. Bei „sport inside“ erinnern sich die beiden DDR-Nationalspieler Gerd Kische und Jürgen Croy an die Weltmeisterschaft vor 40 Jahren im „anderen Deutschland“.

    #auf_deutsch
    #Fußball #football

    #championnat_du_monde
    #Weltmeisterschaft
    #Allemagne #Germany #Deutschland
    #ennemi_de_la_classe_ouvrière #class_enemy

    #guerre_froide #cold_war #kalter_krieg