#mohrenstraße

  • Berlin-Mitte: Selbstgemachte Umbenennung der Mohrenstraße – wo sind all die Aufmüpfigen hin?
    https://www.berliner-zeitung.de/kultur-vergnuegen/berlin-mitte-selbstgemachte-umbenennung-der-mohrenstrasse-wo-sind-a

    27.12.2023 von Timo Feldhaus - Als die U-Bahn hält, kommt unser Autor ins Straucheln: Ist die Stadt noch zu retten, wenn hier niemand mehr aus der Mohrenstraße die Möhrenstraße macht?

    Öfters komme ich die U2 nehmend automatisch an der Station Mohrenstraße vorbei. Aussteigen tue ich dort selten, am Rande der Stadtmitte habe ich meistens nichts zu tun. Ich schaue höchstens kurz auf, wenn der Zug hält und dann seine Fahrt durch den unterirdischen Schlund fortsetzt. Zuletzt traf mich dabei ein melancholischer Schlag. Ob es so etwas gibt: Einen blitzhaften Schlag der Melancholie? Ich weiß es nicht, aber verantwortlich für meinen Gemütszustand waren die zwei ausgewaschenen, fast kaum mehr sichtbaren Ö-Punkte über dem Wort „Mohrenstraße“, die mir beim letzten Mal schon aufgefallen waren. Jemand hatte sie dort aufgemalt, woraufhin jemand anderes sie wohl abwaschen musste, was aber nicht vollkommen geklappt hatte. Es war die Tafel Richtung des Ausgangs, wo man zu dem berühmten Getränkehandel kommt, bei dem Angela Merkel als Kanzlerin öfters ihre Einkäufe erledigte.

    Die Sache ist, ich war von einem Moment auf den anderen irgendwie enttäuscht von Berlin. Wo waren die aufmüpfigen Bewohner? Viele in der Stadt wollen den rassistischen Namen loswerden, sie plädieren seit Jahren für eine Umbenennung, die eigentlich auch schon fast durch ist. Ein Begriff, der für viele Mitbürger ein Schimpfwort ist, sollte aus dem öffentlichen Verkehr gezogen werden. Die Zeiten ändern sich und Wörter auch.

    Der schönste Berlin-eigene Widerstand

    Was mich dabei aber vor allem irritierte: dass sich derweil niemand mehr um das Ö „kümmerte“. Wo waren wir hingekommen, dass in Berlin niemand diese beiden Punkte aufmalte, und aus der ungeliebten Mohrenstraße die lustige Möhrenstraße machte. Sei es, weil es die politische Agenda vorgibt, sei es einfach aus Spaß. Sei es aus schönstem Berlin-eigenem Widerstands-Bürger-Engagement, sei es aus jugendlicher Lust an der eigenen Einarbeitung in den Stadtraum. Trugen die jungen Leute heute keine Eddings mehr mit sich rum, weil sie sich nur mehr auf ihren TikTok-Wänden verewigten? Schauten sie überhaupt nicht mehr auf von ihren Handys, weil das virtuelle Leben viel interessanter war als das im Berliner Untergrund? War ihnen allen womöglich der Spaß vollends vergangen?

    Da hatte doch selbst vor den Umbenennungsdebatten immer irgendeiner „Möhrenstraße“ draus gemacht, dit war doch Berlin! Diese reinliche U-Bahn, der schöne Schein, das war nicht mehr mein Berlin, dachte ich. Und ich dachte auch, obwohl das sicher politisch nicht korrekt gedacht war, wie anders die Zeiten waren, als alle über die Umbenennung eines Straßennamens gestritten haben, im Sommer 2022, und wie unschuldig und zivilisiert dieser Streit wirkte im Vergleich zu denen, die wir an der Schwelle zu 2024 führen.

    #Berlun #Mitte #Mohrenstraße #Straßenumbenennung

  • Was der Kaupert nicht weiß - Dunckerstraße in Grunewald
    https://m.kauperts.de/Strassen/Toni-Lessler-Strasse-14193-Berlin

    Der unsprüngliche Name Dunckerstraße erscheint nicht in der Geschichte der heutigen Toni-Lesser-Straße. Dabei ist sie gut dokumentiert. Was ist passiert?

    Details — Toni-Lessler-Straße
    PLZ 14193
    Ortsteil Grunewald
    ÖPNV Zone B Bus X10, M29
    Verlauf von Wernerstraße bis Hubertusbader und Kronberger Straße
    Falk Planquadrat O 10

    Zuständigkeiten — Toni-Lessler-Straße
    Arbeits­agentur Berlin Nord
    Jobcenter Charlottenburg-Wilmersdorf
    Amts­gericht Charlottenburg
    Grundbuchamt Charlottenburg
    Familien­gericht Kreuzberg
    Finanz­amt Wilmersdorf
    Polizei­abschnitt A 22
    Verwal­tungs­bezirk Charlottenburg-Wilmersdorf

    Geschichte — Toni-Lessler-Straße
    Alter Bezirk Wilmersdorf
    Alte Namen Seebergsteig (1936-2003)
    Name seit 1.9.2003

    Info Lessler, Toni, * 1874 Bückeburg, † 5.5.1952 New York, Pädagogin, Opfer des NS-Regimes.

    Die Umbenennung der mittigen Mohrenstraße war ein Verlust, geschuldet der Eulenspiegelei eines tansanischen Berliners und seiner fröhliche Wokistentruppe. Denen gelang es, die historisch nicht im Ansatz rassistische sondern im Gegenteil ehrend gemeinte Bezeichnung nach ihrem Verständnis umzudefinieren. Damit hat Berlin einen wichtigen Verweis auf Ereignisse und Topologie seiner Geschichte umd eine feste Orientierungsmarke im Stadtbild eingebüßt. Halb so schlimm, lustig war es anzusehen, wie die komplette BVV Mitte nach der Pfeife von ein paar selbsternannten Moralpredigern tanzte.

    Dem Seebergsteig hingegen trauert keine Menschenseele nach, abgesehen von 74 wegen der erforderlichen Adressänderung erzürnten Villenbewohnern. Die haben nur zähneknischend akzeptiert, dass Demokratie eben nicht die Ausweitung ihres Besitzrechts über den grunewalder Gartenzaun hinaus bedeutet. Das Regelwerk namens Demokratie, in dem alle ein bischen mitbestimmen können, haben sie dabei mit allem Nachdruck für die Beibehaltung des Nazinamens eingesetzt. Hat nicht geklappt, zum Glück.

    Über Straßennamen im Bezirk entscheidet das Bezirksamt und das wiederum wird von der Bezirksverordnetenversammung, der BVV kontrolliert. Dagegen kommt nur ein Senator oder der Regierende an, aber der wird den Teufel tun und es sich wegen einer Handvoll Villenbewihner aus dem noblen Grunewald mit der Öffentlichkeit verscherzen. Die mag keine Nazis mehr, zumindest nicht so offensichtliche.

    Sehr schön an der Geschichte ist die von der Villenfraktion ins Feld geführte Unterscheidung zwischen „kulturellen Antisemiten“, und „Vorbereitern des Holocaust“. Wer wenn nicht die deutschen „kulturellen Antisemiten“ kommt denn als „Vorbereiter des Holocaust“ in Frage? Ausschließlich die Teilnehmer der Wannseekonferenz? So hätten die Grunewalder Naziliebhager es wohl gern gehabt.

    In der ehemaligen Dunckerstraße stehen einige Villen aus der Zeit ihrer Umbenennung in den antisemitischen Seebergsteig. Die Erben ihrer Erbauer wollen sich anscheinend immer noch nicht eingestehen, worauf ihr heutiger Wohlstand beruht. Nazis, das waren immer die anderen, die Fanatiker. Man selber oder Opi war nur aus Pragmatismus dabei. Irgendwer musste ja das Geld von der Straße aufsammeln, seit die Juden das nicht mehr erledigten.

    Dunckerstraße
    https://de.m.wikipedia.org/wiki/Liste_der_Stra%C3%9Fen_und_Pl%C3%A4tze_in_Berlin-Grunewald

    Die Straße wurde 1898 nach dem Verlagsbuchhändler, Publizist und Politiker Franz Duncker benannt. Mit der „Arisierung von Straßennamen“ in der NS-Zeit wurde am 14. April 1936 die Dunckerstraße nach dem NS-freundlichen Theologen in Seebergsteig umbenannt.

    Franz Duncker
    https://de.m.wikipedia.org/wiki/Franz_Duncker

    Franz Gustav Duncker (* 4. Juni 1822 in Berlin; † 18. Juni 1888 ebenda[1]) war ein deutscher Verleger, linksliberaler Politiker und Sozialreformer.

    Wieso wollten die Massenmörder aus ganz Deutschland, die Spree Killers United , eigentlich diesen ominösen Seeberg als einen der Ihren ehren?

    Reinhold Seeberg
    https://de.m.wikipedia.org/wiki/Reinhold_Seeberg

    Reinhold Seeberg (* 24. Märzjul. / 5. April 1859greg. in Pörrafer (Livland); † 23. Oktober 1935 in Ahrenshoop) war ein deutscher evangelischer Theologe.
    ...
    1918/1919 wurde er Rektor der Universität Berlin.
    ...
    Als Rektor initiierte Seeberg u. a. das Gefallenendenkmal der Berliner Universität[5], dessen lateinische Inschrift Invictis victi victuri („Den Unbesiegten die Besiegten, die siegen werden“) eine kaum verhüllte Aufforderung zur Revanche für die deutsche Niederlage im Ersten Weltkrieg war.[6] Als Rektor trug er auch dazu bei, dass die Universität dem jüdischen Mediziner Georg Friedrich Nicolai die venia legendi aberkannte. Nicolai hatte ab 1914 kriegskritische Schriften publiziert.
    ...
    In seine radikale Modernitätskritik mischten sich zunehmend antiliberale Töne sowie ein rassentheoretisch begründeter Antisemitismus. Als erster akademischer Theologe griff er die These auf, Jesus sei ein Arier gewesen.

    Verstehe, Theologen gehen immer, sind halt die Guten, die man immer zu (!) Weihnachten und vielleicht (auch !) zu Ostern in ihrem Gotteshaus besucht. Man zahlt ihnen sogar Steuern, so gut sind die. Und dann ist der Mann Seeberg ja lange vor dem Holocaust gestorben, kann also nicht dabei gewesensein. Perfektes Alibi, Euer Ehren.

    Berlin: Entscheidung im Streit um den Seebergsteig, Der Tagesspiegel vom 12.12.2002
    https://www.tagesspiegel.de/berlin/entscheidung-im-streit-um-den-seebergsteig-956095.html

    Die Umbenennung des Seebergsteigs wird heute voraussichtlich in der Bezirksverordnetenversammlung (BVV) CharlottenburgWilmersdorf besiegelt – gegen den Willen der CDU und der meisten Anwohner der Straße in Grunewald. SPD, Grüne, FDP und PDS wollen die Bezeichnung nach Reinhold Seeberg (1859 bis 1935) ändern, weil der Theologe ein Antisemit und „Wegbereiter“ des Nationalsozialismus gewesen sei. Der neue Name Toni-Lessler-Straße soll eine jüdische Pädagogin ehren, die bis 1939 die „Private Waldschule Grunewald“ geleitet hatte.

    Am Dienstagabend stritten darüber ein Dutzend Anwohner mit Bezirksverordneten im Rathaus Wilmersdorf. 74 der rund 100 Anwohner haben schriftlich die Beibehaltung des Straßennamens verlangt. Das Treffen kurz vor der Entscheidung nannten sie eine „Alibi-Veranstaltung“. Zum wiederholten Mal hielten sich Gegner und Befürworter der Umbenennung einige Zitate aus Seebergs Schriften vor, um ihre Standpunkte zu untermauern. Die Anwohner beriefen sich besonders auf den Historiker Günter Brakelmann. Dieser sieht in Seeberg einen „kulturellen Antisemiten“, aber „keinen Vorbereiter des Holocaust“. Zum Ärger von Mario Blochwitz, dem Initiator des Protestschreibens, war Brakelmann nicht zum Treffen eingeladen worden.

    FDP-Fraktionschef Jürgen Dittberner erinnerte daran, dass der Seebergsteig einst Dunckerstraße hieß. Erst 1936 hätten „die Nazis Seeberg aufs Schild gehoben, um den anderen Namen zu tilgen“. Das sei für die FDP der entscheidende Punkt.

    Die CDU erneuerte ihren Vorschlag, den Namen Seebergsteig einfach anders zu deuten: Zusatztafeln sollten auf den Ortsteil Seeberg in Altlandsberg hinweisen, hieß es.

    Verwirrung gab es um die Kosten der Umbenennung. Das Bezirksamt hat 1000 Euro für vier neue Schilder errechnet, jedoch übersehen, dass es acht Schilder gibt. Die CDU kritisierte den finanziellen Aufwand. Zugleich verlangte der CDU-Verordnete Joachim Dannert allerdings, den Anwohnern die Kosten einer Adressenänderung zu erstatten.

    Die Bürger erwägen gerichtliche Schritte. Schon Mitte der 90er Jahre hatten sie gegen einen Umbenennungsbeschluss der BVV geklagt. Nach einer Niederlage vor dem Verwaltungsgericht legten sie Berufung ein – bis die CDU vorübergehend die BVV-Mehrheit gewann und den alten Beschluss kippte. Trotz ihres Streits erklärten Anwohner und Politiker, einen Eklat wie bei der Rückbenennung der Jüdenstraße in Spandau vermeiden zu wollen. CD

    #Berlin #Grunewald #Toni-Lesser-Straße #Seebergsteig #Dunckerstraße #Mitte #Mohrenstraße #Antisemitismus #Straßenumbenennung #Geschichte #Nazis #Straßennamen #Bezirk #Bezirksamt #Bezirksverordnetenversammung #BVV

  • Umbenennung der Berliner Mohrenstraße: „Dann ist das also für uns gelaufen“
    https://www.berliner-zeitung.de/news/gericht-urteilt-ueber-umbenennung-der-berliner-mohrenstrasse-li.366

    6.7.2023 von Anja Reich - Das Berliner Verwaltungsgericht hat entschieden, die Straße darf umbenannt werden. Die Verhandlung machte klar: Die Kläger hatten wenig Chancen. So lief der Tag im Gericht.

    Am Ende der Verhandlung über die Mohrenstraße, kurz vor der Urteilsverkündung, sieht es für einen Moment so aus, als würde das Bezirksamt doch einlenken, auf die Gegner der Umbenennung zugehen. Gerade hatten sie ihre Argumente vorgetragen, sich beschwert, nie von den Politikern in ihrem Bezirk angehört worden zu sein, und ihnen vorgeworfen, immer nur die Umbenennungsaktivisten zu unterstützen. Sogar ein Büro werde ihnen bezahlt, ein Büro, das immer leer steht!

    Ein starker Vorwurf, findet der Richter. „Der Bezirk sponsort die Umbenennungsräume?“, fragt er den juristischen Vertreter vom Bezirksamt Mitte. „Können Sie dazu etwas sagen?“

    Nein, sagt der Justiziar. Mehr sagt er nicht. Aber dann wendet er sich doch noch an die Männer auf der anderen Seite des Ganges, die Kläger, und sagt in versöhnlichem Ton, er werde „den Wunsch nach mehr Dialog mitnehmen“ und dafür sorgen, „dass das, was ich heute gehört habe, an der richtigen Stelle ankommt“.

    Er hat kaum zu Ende gesprochen, da ruft einer der Kläger: „Heißt das, das Verfahren wird ausgesetzt, bis die Bezirksverordnetenversammlung die Sache neu bewertet?“ Nein, sagt der Justiziar, so sei das nicht gemeint gewesen.

    „Dann ist das also für uns gelaufen“, stellt der Kläger fest, empört, resigniert. Und fügt hinzu: Egal was man sage, es helfe ja doch nichts.

    So ist sie, die Stimmung im Berliner Verwaltungsgericht, als hier am Donnerstag die 1. Kammer unter Vorsitz von Richter Wilfried Peters darüber verhandelt, ob die Mohrenstraße in Berlin-Mitte umbenannt werden darf oder nicht. Und damit einen drei Jahre währenden Streit um Kolonialismus, Rassismus und Willkür von Bezirkspolitikern beendet.
    Mohrenstraße: Sechs Anwohner hatten geklagt

    Im Jahr 2020 hatte die Bezirksverordnetenversammlung die Umbenennung auf Antrag von Grünen und SPD beschlossen. In der Begründung hieß es: „Nach heutigem Demokratieverständnis ist der bestehende rassistische Kern des Namens belastend und schadet dem internationalen Ansehen Berlins.“

    Sechs Anwohner hatten dagegen geklagt, darunter der Historiker Götz Aly, der Bücher über den Nationalsozialismus und über den deutschen Kolonialismus geschrieben hat. Er finde durchaus, dass an den deutschen Kolonialismus in kritischer Weise erinnert werden solle, erklärte er. Aber der Beschluss zur Umbenennung der Mohrenstraße sei „überstürzt und wenig begründet“. Seinen Widerspruch habe das Bezirksamt nicht inhaltlich geprüft, sondern ein standardisiertes Ablehnungsschreiben verschickt.

    Es ist heiß und stickig im Gerichtssaal in Moabit, vorne links sitzen die Kläger, sechs Männer mit schütteren Haaren und dunklen Anzügen. Rechts hat das Bezirksamt Mitte Platz genommen, zwei Männer aus der Rechtsabteilung. Vorne das Gericht, vier Männer, eine Frau. Unter den Zuschauern sieht die Geschlechterverteilung ähnlich aus. Und schnell ist klar: Die Männer sind gegen die Umbenennung, die Frauen dafür. Götz Aly formuliert es so: „Die eine Gruppe ist zivilgesellschaftlich, die andere sind alte weiße Männer.“

    Aly kennt sich aus mit Straßennamen und Berliner Stadtgeschichte. Seine Klagebegründung klingt wie ein historischer Vortrag. Umbenennungen, sagt er, hätten immer etwas Totalitäres. Er erinnert an den Nationalsozialismus, die DDR, die Nachwendezeit, sagt, dass es ihm schon einmal gelungen sei, einen Namen zu retten, den von Nikolai Bersarin, des ersten sowjetischen Stadtkommandanten von Berlin nach dem Ende des Zweiten Weltkriegs. Viele Namen, vor allem in Mitte, erinnerten an eine andere Zeit: Zimmerstraße, Hugenottenstraße, Hirtenstraße, Jüdenstraße. Und nein, die Taubenstraße habe nichts mit Vögeln zu tun, sondern mit Menschen, die nichts hören. Und keiner käme auf die Idee, den Gendarmenmarkt in „Platz der Bundespolizei“ umzubenennen, nur weil das zeitgemäßer sei.
    Historiker Götz Aly warnt vor Spaltung der Gesellschaft

    Der Richter hört lächelnd zu, er scheint es zu genießen, den Vortrag, Alys leise ironische Art, die Argumente seiner Gegner auseinanderzunehmen. Aktivisten, die sich in Vereinen versammelt haben, die Decolonize Berlin, Afrika-Rat Berlin Brandenburg e.V. oder Amo Kollektiv Berlin heißen und sogar Alys türkische Familiengeschichte recherchiert haben.

    Leider falsch, wie der Historiker dem Gericht nun mitteilt. Als Beweis hat er seinen Stammbaum mitgebracht, hält ihn hoch, erklärt, dass Mohren im 17. Jahrhundert, als die Straße ihren Namen bekam, sogar mehr Ansehen genossen und zu Hofe besser bezahlt worden wären als Türken. Natürlich habe es Sklaverei gegeben, natürlich bestreite er nicht, wie schlimm das gewesen sei, aber wenn das Bezirksamt inhaltlich argumentiere, tue er das auch.

    Berlin: Straße wird trotz wenig Zuspruch nach Inge Meysel benannt

    Unter Goebbels’ Aufsicht: Wie der Friedrichstadt-Palast zur Propagandabühne wurde

    Er warnt davor, sich auf „das geänderte Demokratieverständnis einer Gesellschaft“ zu berufen, weil sich das sehr schnell ändern könne. Und vor der Spaltung der Gesellschaft warnt er auch, gerade komme da etwas ins Rutschen, sagt der Historiker. Spätestens jetzt ist klar: Es geht im Gericht um die Frage, ob eine Straße in Berlin-Mitte umbenannt werden darf, aber es könnte auch um die Wärmepumpe oder die LNG-Terminals auf Rügen gehen. Darum, dass Menschen sich ausgeschlossen fühlen, wenn sie das Gefühl haben, Beschlüsse werden über ihre Köpfe hinweg gefällt.

    Am Ende seines Vortrags sagt Götz Aly, ob die Umbenennung justiziabel sei, sei ihm egal. Wichtig sei, dass sie nach demokratischen Prinzipien erfolge. Da ahnt er wohl bereits, dass seine Klage kaum Chancen haben wird. Der Vorsitzende Richter hatte „aus Fairness gegenüber den Beteiligten“ gleich zu Beginn der Verhandlung auf das „eingeschränkte Handeln des Gerichts“ hingewiesen. Der Grund: eine „einheitliche Rechtsprechung nicht nur in Berlin“, das „weite Ermessen der Kommune, in unserem Fall des Bezirksamts Mitte“. Es klang, als entschuldige er sich bei Götz Aly und seinen Mitstreitern dafür, dass er ihnen nicht weiterhelfen kann.
    Sätze wie aus einem Kafka-Roman

    Immer wieder spricht der Richter vom „staatsbürgerlichen Dialog“, betont, wie wichtig der sei. „Für uns ist aber nur maßgeblich, ob hier eine willkürliche Benennung erfolgt ist, außerhalb jeder sachlichen Erwägung und völlig unvertretbar.“ Bei allem Für und Wider „dränge sich das nicht auf“. Es sei nicht abwegig zu sagen, die sprachliche Wahrnehmung habe sich geändert. „Es gibt eben keine Sarotti-Mohren und Negerküsse mehr.“

    Der Vertreter des Bezirksamts erklärt, die Prinzipien der repräsentativen Demokratie seien alle eingehalten worden, gibt später aber zu, sich mit dem Widerspruch der Anwohner gar nicht auseinandergesetzt zu haben. Wegen Personalmangels. Er sagt: „Das in den Verwaltungsvorgang aufzunehmen, kann die Verwaltung nicht leisten, weil die Verwaltung zu knapp besetzt ist, deshalb haben wir uns in der Verwaltung auf das Wesentliche konzentriert.“ Sätze, die auch in einem Kafka-Roman stehen könnten.

    Ein Kläger liest eine E-Mail des Bezirksamts vor als Beweis für die „willkürliche Behandlung“ der Anwohner und fragt, wo das denn alles hinführen solle. „Eines Tages ist die Friedrichstraße weg, weil Friedrich nicht unser demokratisch gewählter Fürst war.“ Ein anderer weist darauf hin, dass er Mitglied der deutsch-arabischen Gesellschaft sei, und behauptet: „Keiner von denen, die den Namen ändern wollen, wohnen auch dort.“ Zustimmendes Gemurmel. Nur hinten in der letzten Reihe sagt eine Frau leise: „Doch.“

    Die Frau heißt Regina Römhold und erzählt in der Pause, dass sie am Institut für Europäische Ethnologie arbeitet, das sich in der Mohrenstraße Nummer 40 befindet. Eine Adresse, an der sie nicht länger ihre Studenten und internationalen Gäste empfangen möchte. Deshalb hat sie eine Initiative zur Umbenennung der Mohrenstraße gegründet und öffentliche Stadtrundgänge organisiert. Sie arbeite viel mit Südafrikanern zusammen, sagt sie. „Die wundern sich schon, wenn sie nach Deutschland kommen und diesen Namen aus der Sklaverei hier vorfinden.“ Götz Aly habe ein gutes Buch über koloniale Raubkunst geschrieben. Sein Festhalten am alten Berliner Geschichtsbild verstehe sie nicht.

    Aber Aly scheint selbst nicht mehr so richtig von seiner Klage überzeugt zu sein und kündigt an, bei Ablehnung nicht unbedingt in Berufung gehen zu wollen. „Ich möchte mich nicht in eine Sache verbeißen, mich jahrelang damit beschäftigen. Das kann ich meinen Mitklägern nicht versprechen.“

    Dann wird das Urteil gesprochen, die Klage – wie erwartet – abgelehnt, eine Berufung nicht zugelassen. Götz Aly sagt, das sei „in Ordnung so“. Er akzeptiere die Entscheidung des Gerichts, das Verfahren sei fair abgelaufen, der Richter habe seine Sache gut gemacht. Die Anhörung, die es nie gab im Bezirk, hier habe sie endlich stattgefunden. Er werde sich nun bald neue Visitenkarten drucken lassen. Auf denen steht: Anton-Wilhelm-Amo-Straße, der Name des ersten Gelehrten afrikanischer Herkunft an einer preußischen Universität.

    #Berlin #Mitte #Mohrenstraße #Straßenumbenennung

  • Gericht: Berliner Mohrenstraße darf umbenannt werden
    https://www.berliner-zeitung.de/news/gericht-urteilt-ueber-umbenennung-der-berliner-mohrenstrasse-li.366

    Und wieder kriegen wir eine ins unmerkbare umbenannte Straße verpasst. Aus der Mohrenstraße hätte eine Amostraße werden können. Nun sollen die Mohren doch zum
    Anton-Wilhelm-Amo-Straßen-Sprachmonster erhoben werden. So be it , heute merkt sich sowieso niemand mehr Namen von Stadtorten. Geokoordinaten herrschen hinter PR-Verballhornungen fürs gemeine Volk. Heil Amo, Ami go home, oder so.

    6.7.2023 von Anja Reich - Am Ende der Verhandlung über die Mohrenstraße, kurz vor der Urteilsverkündung, sieht es für einen Moment so aus, als würde das Bezirksamt doch einlenken, auf die Gegner der Umbenennung zugehen. Gerade hatten sie ihre Argumente vorgetragen, sich beschwert, nie von den Politikern in ihrem Bezirk angehört worden zu sein, und ihnen vorgeworfen, immer nur die Umbenennungsaktivisten zu unterstützen. Sogar ein Büro werde ihnen bezahlt, ein Büro, das immer leer steht!

    Ein starker Vorwurf, findet der Richter. „Der Bezirk sponsort die Umbenennungsräume?“, fragt er den juristischen Vertreter vom Bezirksamt Mitte. „Können Sie dazu etwas sagen?“

    Nein, sagt der Justiziar. Mehr sagt er nicht. Aber dann wendet er sich doch noch an die Männer auf der anderen Seite des Ganges, die Kläger, und sagt in versöhnlichem Ton, er werde „den Wunsch nach mehr Dialog mitnehmen“ und dafür sorgen, „dass das, was ich heute gehört habe, an der richtigen Stelle ankommt“.

    Er hat kaum zu Ende gesprochen, da ruft einer der Kläger: „Heißt das, das Verfahren wird ausgesetzt, bis die Bezirksverordnetenversammlung die Sache neu bewertet?“ Nein, sagt der Justiziar, so sei das nicht gemeint gewesen.

    „Dann ist das also für uns gelaufen“, stellt der Kläger fest, empört, resigniert. Und fügt hinzu: Egal was man sage, es helfe ja doch nichts.

    So ist sie, die Stimmung im Berliner Verwaltungsgericht, als hier am Donnerstag die 1. Kammer unter Vorsitz von Richter Wilfried Peters darüber verhandelt, ob die Mohrenstraße in Berlin-Mitte umbenannt werden darf oder nicht. Und damit einen drei Jahre währenden Streit um Kolonialismus, Rassismus und Willkür von Bezirkspolitikern beendet.
    Mohrenstraße: Sechs Anwohner hatten geklagt

    Im Jahr 2020 hatte die Bezirksverordnetenversammlung die Umbenennung auf Antrag von Grünen und SPD beschlossen. In der Begründung hieß es: „Nach heutigem Demokratieverständnis ist der bestehende rassistische Kern des Namens belastend und schadet dem internationalen Ansehen Berlins.“

    Sechs Anwohner hatten dagegen geklagt, darunter der Historiker Götz Aly, der Bücher über den Nationalsozialismus und über den deutschen Kolonialismus geschrieben hat. Er finde durchaus, dass an den deutschen Kolonialismus in kritischer Weise erinnert werden solle, erklärte er. Aber der Beschluss zur Umbenennung der Mohrenstraße sei „überstürzt und wenig begründet“. Seinen Widerspruch habe das Bezirksamt nicht inhaltlich geprüft, sondern ein standardisiertes Ablehnungsschreiben verschickt.

    Es ist heiß und stickig im Gerichtssaal in Moabit, vorne links sitzen die Kläger, sechs Männer mit schütteren Haaren und dunklen Anzügen. Rechts hat das Bezirksamt Mitte Platz genommen, zwei Männer aus der Rechtsabteilung. Vorne das Gericht, vier Männer, eine Frau. Unter den Zuschauern sieht die Geschlechterverteilung ähnlich aus. Und schnell ist klar: Die Männer sind gegen die Umbenennung, die Frauen dafür. Götz Aly formuliert es so: „Die eine Gruppe ist zivilgesellschaftlich, die andere sind alte weiße Männer.“

    Aly kennt sich aus mit Straßennamen und Berliner Stadtgeschichte. Seine Klagebegründung klingt wie ein historischer Vortrag. Umbenennungen, sagt er, hätten immer etwas Totalitäres. Er erinnert an den Nationalsozialismus, die DDR, die Nachwendezeit, sagt, dass es ihm schon einmal gelungen sei, einen Namen zu retten, den von Nikolai Bersarin, des ersten sowjetischen Stadtkommandanten von Berlin nach dem Ende des Zweiten Weltkriegs. Viele Namen, vor allem in Mitte, erinnerten an eine andere Zeit: Zimmerstraße, Hugenottenstraße, Hirtenstraße, Jüdenstraße. Und nein, die Taubenstraße habe nichts mit Vögeln zu tun, sondern mit Menschen, die nichts hören. Und keiner käme auf die Idee, den Gendarmenmarkt in „Platz der Bundespolizei“ umzubenennen, nur weil das zeitgemäßer sei.
    Historiker Götz Aly warnt vor Spaltung der Gesellschaft

    Der Richter hört lächelnd zu, er scheint es zu genießen, den Vortrag, Alys leise ironische Art, die Argumente seiner Gegner auseinanderzunehmen. Aktivisten, die sich in Vereinen versammelt haben, die Decolonize Berlin, Afrika-Rat Berlin Brandenburg e.V. oder Amo Kollektiv Berlin heißen und sogar Alys türkische Familiengeschichte recherchiert haben.

    Leider falsch, wie der Historiker dem Gericht nun mitteilt. Als Beweis hat er seinen Stammbaum mitgebracht, hält ihn hoch, erklärt, dass Mohren im 17. Jahrhundert, als die Straße ihren Namen bekam, sogar mehr Ansehen genossen und zu Hofe besser bezahlt worden wären als Türken. Natürlich habe es Sklaverei gegeben, natürlich bestreite er nicht, wie schlimm das gewesen sei, aber wenn das Bezirksamt inhaltlich argumentiere, tue er das auch.

    Er warnt davor, sich auf „das geänderte Demokratieverständnis einer Gesellschaft“ zu berufen, weil sich das sehr schnell ändern könne. Und vor der Spaltung der Gesellschaft warnt er auch, gerade komme da etwas ins Rutschen, sagt der Historiker. Spätestens jetzt ist klar: Es geht im Gericht um die Frage, ob eine Straße in Berlin-Mitte umbenannt werden darf, aber es könnte auch um die Wärmepumpe oder die LNG-Terminals auf Rügen gehen. Darum, dass Menschen sich ausgeschlossen fühlen, wenn sie das Gefühl haben, Beschlüsse werden über ihre Köpfe hinweg gefällt.

    Am Ende seines Vortrags sagt Götz Aly, ob die Umbenennung justiziabel sei, sei ihm egal. Wichtig sei, dass sie nach demokratischen Prinzipien erfolge. Da ahnt er wohl bereits, dass seine Klage kaum Chancen haben wird. Der Vorsitzende Richter hatte „aus Fairness gegenüber den Beteiligten“ gleich zu Beginn der Verhandlung auf das „eingeschränkte Handeln des Gerichts“ hingewiesen. Der Grund: eine „einheitliche Rechtsprechung nicht nur in Berlin“, das „weite Ermessen der Kommune, in unserem Fall des Bezirksamts Mitte“. Es klang, als entschuldige er sich bei Götz Aly und seinen Mitstreitern dafür, dass er ihnen nicht weiterhelfen kann.

    Sätze wie aus einem Kafka-Roman

    Immer wieder spricht der Richter vom „staatsbürgerlichen Dialog“, betont, wie wichtig der sei. „Für uns ist aber nur maßgeblich, ob hier eine willkürliche Benennung erfolgt ist, außerhalb jeder sachlichen Erwägung und völlig unvertretbar.“ Bei allem Für und Wider „dränge sich das nicht auf“. Es sei nicht abwegig zu sagen, die sprachliche Wahrnehmung habe sich geändert. „Es gibt eben keine Sarotti-Mohren und Negerküsse mehr.“

    Der Vertreter des Bezirksamts erklärt, die Prinzipien der repräsentativen Demokratie seien alle eingehalten worden, gibt später aber zu, sich mit dem Widerspruch der Anwohner gar nicht auseinandergesetzt zu haben. Wegen Personalmangels. Er sagt: „Das in den Verwaltungsvorgang aufzunehmen, kann die Verwaltung nicht leisten, weil die Verwaltung zu knapp besetzt ist, deshalb haben wir uns in der Verwaltung auf das Wesentliche konzentriert.“ Sätze, die auch in einem Kafka-Roman stehen könnten.

    Ein Kläger liest eine E-Mail des Bezirksamts vor als Beweis für die „willkürliche Behandlung“ der Anwohner und fragt, wo das denn alles hinführen solle. „Eines Tages ist die Friedrichstraße weg, weil Friedrich nicht unser demokratisch gewählter Fürst war.“ Ein anderer weist darauf hin, dass er Mitglied der deutsch-arabischen Gesellschaft sei, und behauptet: „Keiner von denen, die den Namen ändern wollen, wohnen auch dort.“ Zustimmendes Gemurmel. Nur hinten in der letzten Reihe sagt eine Frau leise: „Doch.“

    Die Frau heißt Regina Römhold und erzählt in der Pause, dass sie am Institut für Europäische Ethnologie arbeitet, das sich in der Mohrenstraße Nummer 40 befindet. Eine Adresse, an der sie nicht länger ihre Studenten und internationalen Gäste empfangen möchte. Deshalb hat sie eine Initiative zur Umbenennung der Mohrenstraße gegründet und öffentliche Stadtrundgänge organisiert. Sie arbeite viel mit Südafrikanern zusammen, sagt sie. „Die wundern sich schon, wenn sie nach Deutschland kommen und diesen Namen aus der Sklaverei hier vorfinden.“ Götz Aly habe ein gutes Buch über koloniale Raubkunst geschrieben. Sein Festhalten am alten Berliner Geschichtsbild verstehe sie nicht.

    Aber Aly scheint selbst nicht mehr so richtig von seiner Klage überzeugt zu sein und kündigt an, bei Ablehnung nicht unbedingt in Berufung gehen zu wollen. „Ich möchte mich nicht in eine Sache verbeißen, mich jahrelang damit beschäftigen. Das kann ich meinen Mitklägern nicht versprechen.“

    Dann wird das Urteil gesprochen, die Klage – wie erwartet – abgelehnt, eine Berufung nicht zugelassen. Götz Aly sagt, das sei „in Ordnung so“. Er akzeptiere die Entscheidung des Gerichts, das Verfahren sei fair abgelaufen, der Richter habe seine Sache gut gemacht. Die Anhörung, die es nie gab im Bezirk, hier habe sie endlich stattgefunden. Er werde sich nun bald neue Visitenkarten drucken lassen. Auf denen steht: Anton-Wilhelm-Amo-Straße, der Name des ersten Gelehrten afrikanischer Herkunft an einer preußischen Universität.

    #Berlin #Mitte #Mohrenstraße #Anton-Wilhelm-Amo-Straße #Politik #Geschichte #Kultur #Rassismus #Straßenumbenennung

  • Götz Aly gegen Bezirksamt Mitte: Die Causa Mohrenstraße kommt vor Gericht
    https://www.berliner-zeitung.de/mensch-metropole/goetz-aly-gegen-bezirksamt-mitte-mohrenstrasse-in-berlin-sechs-pers

    Es ist eine ergötzliche Angelegenheit, wenn Mohrenfreunde den Ihren ein Straßenschild erhalten wollen, wo Antirassisten laut scheien „Der Mohr hat seine Schuldigkeit getan, der Mohr kann gehn“. Der nächste Akt der Mohren-Posse spielt vor Gericht. Diesmal also kein Wilhelmstraßen- sondern ein Mohrenstraßen-Prozess. Wie schön, die Geschichte wiederholt sich als Farce. Gute Unterhaltung ist garantiert. Der zerbrochene Krug läßt grüßen.

    3.7.2023 von Maritta Adam-Tkalek - Mohrenstraße in Berlin-Mitte: Sechs Personen klagen gegen Umbenennung. „Unverzüglich“ sollte die Umbenennung der Mohrenstraße nach dem Hauruck-Beschluss der Bezirksverordnetenversammlung Mitte vom August 2020 starten. Drei Jahre sind seither vergangen, die Mohrenstraße heißt immer noch Mohrenstraße. Der Widerstand von Bürgern hat die Eilvollstreckung durch das Bezirksamt Mitte bislang aufgeschoben. Der Versuch der Berliner Verkehrsbetriebe, den U-Bahnhof in Glinkastraße umzubenennen, war schon im Monat zuvor in Peinlichkeit und Rückzug geendet: Die Verantwortlichen hatten doch glatt übersehen, dass der russische Komponist Michail Glinka antisemitische Opern geschrieben hat.

    In dieser Woche kommt – so oder so – wieder Bewegung in die nur scheinbar ruhende Streitfrage: Am Donnerstag, den 6. Juli um 10.00 Uhr wird die 1. Kammer des Berliner Verwaltungsgericht unter dem Vorsitz von Richter Wilfried Peters, Vizepräsident des Verwaltungsgerichts Berlin, über die von sechs Berliner Bürgern individuell eingereichten Klagen zusammen verhandeln. Als Leitklage gilt die des Historikers Götz Aly, bekannt durch seine Forschungen zum Nationalsozialismus, zuletzt auch zum deutschen Kolonialismus in der Südsee.

    Mohrenstraßen-Prozess: Erstmals zur Sache

    Andere Klagen, die zahlreiche weitere Berlinerinnen und Bürger eingereicht hatten, waren aus formalen Gründen abgewiesen worden: Sie waren – anders als die jetzt vor Gericht tretenden – keine Anwohner der Mohrenstraße und daher nicht klageberechtigt. Das heißt: Es wird zum ersten Mal in der Sache verhandelt. Bekommen die Kläger Recht, bleibt der Name. Wer ihn weiterhin ändern will, müsste einen neuen Umbenennungsprozess starten.

    Die Empörung nach dem Mohrenstraßenbeschluss der BVV war enorm gewesen, denn die grün-rote Zählgemeinschaft in der BVV Berlin Mitte hatte ohne jede Beteiligung von Anwohnern dem Druck aktivistischer Gruppen nachgegeben – für Bürgerinnen und Bürger gab es keine Veranstaltung, keine Information, keine Möglichkeit, andere Namensvorschläge einzureichen oder Alternativen zu debattieren.

    Anton Wilhelm Amo statt Mohrenstraße?

    Anton Wilhelm Amo (ca. 1703–ca. 1753), der erste bekannte Philosoph schwarzer Hautfarbe in Deutschland, konnte nichts dafür, dass er als Auserwählter von oben ohne Gegenkandidaten zum Namensgeber werden und die Mohrenstraße verdrängen soll – ausgerechnet er, der eine wichtige Disputatio an der Universität Halle zum Thema „De de iure Maurorum in Europa“ (zu Deutsch: Zur Rechtsstellung der Mohren in Europa) geführt hatte und damit heutige Behauptungen, Mohr sei seit ewigen Zeiten ein diskreditierendes Wort, widerlegte. Obendrein wurde die Biografie des gebürtigen Ghanaers von den interessierten Seiten historisch derart verdreht, bis sie passte.

    Demokratische Mitsprache war auch nach dem BVV-Beschluss nicht vorgesehen. Zwar hatte die Linke einen Änderungsvorschlag eingebracht, der vorsah, Namensvorschläge zu sichten und eine öffentlich tagende Kommission auswählen zu lassen. Ein „ergebnisoffener öffentlicher Partizipationsprozess“ sollte der Öffentlichkeit die Möglichkeit geben, sich an der Aufarbeitung der Kolonialgeschichte zu beteiligen. Den Vorschlag für ein solches demokratieübliches Verfahren stimmten Grüne und Sozialdemokraten nieder. Sie brachen auch mit ihrer sonst heiligen Regel, bis zum Erreichen der Geschlechterparität der Straßennamen Straßen nur nach Frauen zu benennen.

    Besonders enttäuscht waren vor allem die in der Bürgerinitiative Pro Mohrenstraße Engagierten: Jahrelang hatte ihnen die SPD zugesagt, über einen sachlichen Diskussionsprozess zu einer historischen Einordnung des Namens zu kommen. Es hatten bereits Entwürfe für Informationstafeln vorgelegen. Während der BVV-Debatte hatte Sascha Schug, SPD-Fraktionsvorsitzender, Unwohlsein angesichts des Verfahrens erkennen lassen und eingeräumt: „Ja, wir weichen vom Üblichen ab, aber das ist jetzt notwendig.“ Man gehe auf das Drängen von „Menschen aus dem kolonialen Bereich“ ein. Er gab also zu, demokratische Gepflogenheiten dem Druck einer lauten Minderheit zu opfern.

    Zur Begründung hatte es in dem Umbenennungsantrag von Grünen und SPD geheißen: „Nach heutigem Demokratieverständnis ist der bestehende rassistische Kern des Namens belastend und schadet dem internationalen Ansehen Berlins.“ Die Formulierung „nach heutigem Demokratieverständnis“ irritierte die interessierten Bürgerinnen und Bürger zusätzlich. Obendrein wurden Erinnerungen an eine andere Mohrenstraßen-Wegbenennung wach: 1934 hatten die Nationalsozialisten in Coburg, der Stadt, die einen Mohren, den Heiligen Moritz, im Stadtwappen trägt, den Geehrten aus rassistischen Gründen getilgt. Die amerikanischen Befreier der Stadt vom Nationalsozialismus machten den NS-Beschluss von 1934 umgehend rückgängig und gaben der Stadt ihren Patron zurück.

    In Mitte folgten der inzwischen wegen Manipulation bei einer Stellenbesetzung abgewählte Bezirksbürgermeister Stephan von Dassel und die zuständige Kultur-Stadträtin Sabine Weißler (beide Grüne) dem „Ersuchen“ der BVV, die Umbenennung unverzüglich zu exekutieren. In einer Sitzung des Stadtrates fiel dann der entsprechende Beschluss. Die Allgemeinverfügung des Bezirksamts erschien im Amtsblatt vom 14. Mai 2021.

    Es hagelte Bürgerprotest: 1134 Personen legten Widerspruch ein. Bald bekam jeder Einzelne Post vom Bezirksamt mit der Androhung von bis zu 741,37 Euro Verwaltungsgebühr. Angesichts dieser Drohkulisse wurden rund 900 Widersprüche zurückgezogen. Aus Leserzuschriften an die Berliner Zeitung sprach Wut über den Umgang des Amtes mit engagierten Bürgern. 237 blieben dabei und zahlten die schließlich auf 148,27 Euro festgelegte Widerspruchsgebühr. Alle Widersprüche wurden abgelehnt.

    Lucas Schaal, CDU, holte bei der Wiederholungswahl zum Abgeordnetenhaus im Februar das Direktmandat in Mitte. Er hat im Wahlkampf die Wut der Bürger über die Verkehrspossen um die Friedrichstraße aufgenommen – und auch den nicht erloschenen Ärger über das Verfahren in der Mohrenstraße gespürt: „Das Thema bewegt die Anwohner hier so stark, dass es in den Diskurs der demokratischen Parteien geholt werden muss“, sagte er der Berliner Zeitung. Keinesfalls dürfe man das emotionale Thema den Extremen überlassen. Den Rechtsbegriff, der in der Formulierung „nach heutigem Demokratieverständnis“ stecke, also nach Gefühlslage, hält der Jurist für „nur schwer operabel“. Er bevorzugt den Weg der Kontextualisierung.

    Als sein Parteifreund Joe Chialo, heute Kultursenator, im Herbst 2020 in den Bundestagswahlkampf einstieg, antwortete er im Interview mit der Berliner Zeitung auf die Frage „Mohrenstraße, ja oder nein?“: „Die Diskussion ist sehr aufgeladen – aber ich bin ein Freund des Kontextualisierens. Wenn man den Namen klar einordnet, sodass die Menschen den Zusammenhang erleben, dann ist das in Ordnung.“

    Auch er erinnerte an die Stadt Coburg, die den Kopf eines Schwarzen im Wappen führt und damit den Heiligen Mauritius ehrt: „Ich finde den Gedanken großartig: Wenn man den im Mittelalter eingepflanzten Gedanken weiterträgt, in dem man die Abbildung ohne die rassistischen Signale zeitgemäß umwandelt, damit sich niemand daran stößt, wäre eine Heldengeschichte implantiert, die verbindet statt zu spalten.“ Er wolle Brücken bauen.

    Der Historiker Götz Aly, langjähriger Kolumnist dieser Zeitung, klagt mit dem Ziel, die Allgemeinverfügung aufzuheben. Sie verstoße gegen den grundgesetzlich geschützten Gleichheitsgrundsatz, gegen das Neutralitäts- und Sachlichkeitsgebot staatlichen Handelns sowie gegen kommunalrechtliche Regeln. Seinen Widerspruch habe das Bezirksamt nicht inhaltlich geprüft, sondern ein standardisiertes Ablehnungsschreiben verschickt. Zentrale Punkte seiner Argumentation seien hier genannt.

    Laut Paragraf 40ff. des Bezirksverwaltungsgesetzes von Berlin wäre das Bezirksamt verpflichtet gewesen, „die Mitwirkung der Einwohnerinnen und Einwohner“ zu fördern und diese rechtzeitig „über ihre Mitwirkungsrechte zu unterrichten“. Das geschah nicht. Den Gleichbehandlungsgrundsatz sieht er verletzt, weil das Bezirksamt zwar anti- und postkoloniale Aktivistengruppen als „zivilgesellschaftliche Akteure“ anerkennt, nicht jedoch jene Bürgerinnen und Bürger, die, wie er selbst, „gegen das Ansinnen begründete Einwände erheben“. Diese Menschen gelten dem Bezirksamt „offensichtlich nicht als gleichrangige oder überhaupt als zivilgesellschaftliche Akteure“.

    Auch er argumentiert gegen das Ansinnen, Straßennamen könnten geändert werden, wenn sie „nicht heutigem Demokratieverständnis“ entsprächen: Der „extrem schwammige Begriff“ öffne „interessengeleiteten, jeweils opportunen Interpretationen Tür und Tor“. Er verweist auf das „heutige Demokratieverständnis“ der Orban-Partei in Ungarn oder der Gefolgsleute Donald Trumps in den USA.

    Als Historiker betont er, die Mohrenstraße sei Teil der Stadtgeschichte, „ein geschichtliches Monument“. Der Name wurde der Straße in der neu angelegten Friedrichstadt im Jahr 1709 verliehen. Nach 1684 hatte Brandenburg/Preußen mit einem Gesandten von der afrikanischen Westküste, Häuptling Jancke, in Berlin über einen Schutzvertrag verhandelt.

    Ob die kleine Delegation an der künftigen Mohrenstraße gewohnt hat, ist ebenso wenig belegt wie andere Spekulationen über Unterkünfte von Hofmohren oder schwarzen Musikern. Fest steht allerdings: „Straßennamen werden nicht in beleidigender Absicht verliehen, sondern in der Regel in ehrender und/oder orientierender Absicht“, sagt Aly. „Niemand würde auf die Idee kommen, die Jüdenstraße umzubenennen, nur weil das Wort Jude immer wieder und sehr häufig als Schimpfwort gebraucht worden ist.“

    Verletzt die Mohrenstraße jemandes Rechte?

    Die Behauptung der Aktivisten, mit dem Namen Mohrenstraße habe man schwarze Menschen beleidigen wollen, kann demnach als abwegig beiseitegelegt werden. Eine gefühlte Diskriminierung, wie von Aktivisten angeführt, ist nach Auffassung der Kläger, zu denen auch Bodo Berwald, Rechtsanwalt und Vorsitzender der Bürgerinitiative Pro Mohrenstraße gehört, „rechtlich unbeachtlich“: „Maßgeblich ist allein, ob durch den Namen Mohrenstraße aus objektiver Sicht gesetzlich geschützte Rechte schwarzer Menschen verletzt werden und damit dem Ansehen Berlins geschadet wird.“

    Zu den vorkolonialen Beziehungen Brandenburg/Preußens und Afrikas (Deutschland wurde 1884 Kolonialmacht, 175 Jahre nach der Benennung der Mohrenstraße) sagte William Gmayi Nsuiban, Historiker am Nationalmuseum in der ghanaischen Hauptstadt Accra, im Jahr 2022 Journalisten des RBB: „Nach allem, was wir wissen, gab es keine Anfeindungen.“ Die Brandenburger seien akzeptiert worden, man habe miteinander Geschäfte gemacht. Diese Geschäfte beinhalteten auch den Verkauf von etwa 20.000 Sklaven durch Afrikaner und deren Transport nach Amerika auf Brandenburger Schiffen.

    Zu guter Letzt sei angeführt, welche Auskunft das eigene Bezirksamt dem Bürgermeister und der Stadträtin im November 2020 erteilten: Der Fachbereich 4 im Stadtentwicklungsamt stellte erstens fest: „Die Umbenennung ist im Verkehrsinteresse nicht erforderlich.“ Zweitens: „Der Namensvorschlag (Anton Wilhelm Amo) ist aus Sicht der Orientierungsfunktion öffentlicher Straßen nicht geeignet.“ Neben der angrenzenden Wilhelmstraße eine weitere Straße mit dem Element Wilhelm sei „durchaus problematisch“.

    Drittens: Man halte die „angeregte Umbenennung“ der Mohrenstraße für „nicht zulässig“, weil Zweifel daran bestünden, dass der Name dem Ansehen Berlins schade. Viertens „sollte unter dem Kriterium der Verhältnismäßigkeit abgewogen werden, ob den diversen Anliegern (u.a. Bundesministerien und Botschaften) bei insgesamt 69 Hausnummern tatsächlich eine Adressänderung zugemutet werden sollte“. Schließlich schade, fünftens, die mediale Berichterstattung über langwierige rechtliche Auseinandersetzungen dem Ansehen Berlins mehr als die Beibehaltung des Namens Mohrenstraße.

    Das Bezirksamt Mitte hat seine Meinung nicht geändert: Man sei „optimistisch, dass die Straße final umbenannt werden kann. Dafür plant der Bezirk Mitte eine offizielle und öffentliche Einweihungszeremonie.“

    #Berlin #Mitte #Mohrenstraße #Straßenumbenennung

  • Un quartier de #Berlin rebaptise des lieux avec les noms de résistants africains à la #colonisation

    Une rue et une #place portant le nom de personnalités phares du colonialisme allemand ont été débaptisées, début décembre, dans le quartier de #Wedding. Elles ont désormais le nom de résistants ayant œuvré, au début du XXe siècle, contre l’action de l’Allemagne en Afrique.

    “Fini d’honorer les dirigeants de la colonisation.” Comme le rapporte le Tagesspiegel, plusieurs lieux du “quartier africain” de Berlin ont été rebaptisés, dans le cadre d’une initiative menée par les autorités locales. “L’ancienne place #Nachtigal est devenue la place #Manga-Bell ; et la rue #Lüderitz, la rue #Cornelius-Fredericks”, détaille le titre berlinois. Le tout au nom du “travail de mémoire” et du “#décolonialisme”.

    #Gustav_Nachtigal et #Adolf_Lüderitz, dont les noms ornaient jusqu’à présent les plaques du quartier, avaient tous deux “ouvert la voie au colonialisme allemand”. Ils ont été remplacés par des personnalités “qui ont été victimes de ce régime injuste”.

    À savoir Emily et Rudolf Manga Bell, le couple royal de Douala qui s’est opposé à la politique d’expropriation des terres des autorités coloniales allemandes au #Cameroun, et Cornelius Fredericks, résistant engagé en faveur du peuple des #Nama, avant d’être emprisonné et tué dans le camp de concentration de #Shark_Island, dans l’actuelle #Namibie.

    “Indemnisation symbolique”

    “Les noms des rues du quartier africain ont fait polémique pendant plusieurs années”, assure le journal berlinois. Lorsqu’en 2018 l’assemblée des délégués d’arrondissement de ce quartier, Wedding, dans l’arrondissement de #Berlin-Mitte, avait proposé pour la première fois de changer les noms de certains lieux, près de 200 riverains étaient montés au créneau, critiquant notamment le coût de la mesure. Ils assuraient par ailleurs qu’“on ne peut pas faire disparaître l’histoire des plaques de rue”.

    Mais les associations des différentes diasporas africaines, elles, considèrent que les changements de noms sont importants, dans un pays “où les crimes du colonialisme allemand ne sont pas éclaircis systématiquement”. L’Empire allemand a en effet été responsable de diverses atrocités commises pendant sa courte période coloniale – comme le génocide des Héréro et des Nama, entre 1904 et 1908, dans ce que l’on appelait à l’époque le “Sud-Ouest africain allemand” et qui correspond aujourd’hui à la Namibie.

    Cet épisode de l’histoire n’a été reconnu par l’Allemagne qu’en mai 2021, rappellent les organisations décoloniales d’outre-Rhin. “Elles demandent de nouveaux noms de rue à titre d’indemnisation symbolique pour les victimes, mais également à titre éducatif.”

    https://www.courrierinternational.com/article/memoire-un-quartier-de-berlin-rebaptise-des-lieux-avec-les-no

    #toponymie #toponymie_politique #colonialisme #résistance #noms_de_rue #rebaptisation #colonialisme_allemand #Allemagne_coloniale #Allemagne #toponymie_coloniale #mémoire

    ping @cede @nepthys

    • Keine Ehre für Kolonialherren in Berlin: Straßen im Afrikanischen Viertel werden umbenannt

      Aus dem Nachtigalplatz wird am Freitag der Manga-Bell-Platz und aus der Lüderitzstraße die Cornelius-Fredericks-Straße. Anwohner hatten gegen die Umbenennung geklagt.

      Nach jahrelangen Protesten werden ein Platz und eine Straße im Afrikanischen Viertel in Wedding umbenannt. Aus dem bisherigen Nachtigalplatz wird der Manga-Bell-Platz und aus der Lüderitzstraße die Cornelius-Fredericks-Straße.

      „Straßennamen sind Ehrungen und Teil der Erinnerungskultur“, sagte Bezirksbürgermeisterin Stefanie Remlinger (Grüne). Daher sei es eine wichtige Aufgabe, Namen aus dem Berliner Straßenbild zu tilgen, die mit Verbrechen der Kolonialzeit im Zusammenhang stehen.

      Gustav Nachtigal und Adolf Lüderitz waren Wegbereiter des deutschen Kolonialismus, der im Völkermord an den Herero und Nama gipfelte. An ihrer Stelle sollen nun Menschen geehrt werden, die Opfer des deutschen Unrechtsregimes wurden.

      Das Königspaar Emily und Rudolf Duala Manga Bell setzte sich nach anfänglicher Kooperation mit deutschen Kolonialautoritäten gegen deren Landenteignungspolitik zur Wehr. Cornelius Fredericks führte den Widerstandskrieg der Nama im damaligen Deutsch-Südwestafrika, dem heutige Namibia, an. Er wurde 1907 enthauptet und sein Schädel zur „Erforschung der Rassenüberlegenheit“ nach Deutschland geschickt und an der Charité aufbewahrt.

      Über die Straßennamen im Afrikanischen Viertel wurde viele Jahre gestritten. Im April 2018 hatte die Bezirksverordnetenversammlung Mitte nach langem Hin und Her beschlossen, den Nachtigalplatz, die Petersallee und die Lüderitzstraße umzubenennen. Dagegen hatten 200 Gewerbetreibende sowie Anwohnende geklagt und die Namensänderungen bis jetzt verzögert. Im Fall der Petersallee muss noch über eine Klage entschieden werden.

      Geschichte könne nicht überall von Straßenschildern getilgt werden, argumentieren die Gegner solcher Umbenennungen. Denn konsequent weitergedacht: Müsste dann nicht sehr vielen, historisch bedeutenden Personen die Ehre verweigert werden, wie etwa dem glühenden Antisemiten Martin Luther?
      Klagen verzögern auch Umbenennung der Mohrenstraße

      Ein anderes viel diskutiertes Beispiel in Mitte ist die Mohrenstraße, deren Namen als rassistisch kritisiert wird. Auch hier verzögern Klagen die beschlossene Umbenennung. Gewerbetreibende argumentieren auch mit Kosten und Aufwand für Änderung der Geschäftsunterlagen.

      Vor allem afrodiasporische und solidarische Organisationen wie der Weddinger Verein Eoto und Berlin Postkolonial kämpfen für die Straßenumbenennungen. Sie fordern sie als symbolische Entschädigung für die Opfer, aber auch als Lernstätte. Denn bis heute fehlt es oft an Aufklärung über die deutschen Verbrechen. Die Debatte darüber kam erst in den letzten Jahren in Gang.

      Wenn am Freitag ab 11 Uhr die neuen Straßenschilder enthüllt werden, sind auch die Botschafter Kameruns und Namibias sowie König Jean-Yves Eboumbou Douala Bell, ein Nachfahre des geehrten Königspaares, dabei. Die Straßenschilder werden mit historischen Erläuterungen versehen. (mit epd)

      https://www.tagesspiegel.de/berlin/bezirke/keine-ehre-fur-kolonialherren-in-berlin-strassen-im-afrikanischen-viert

    • Benannt nach Kolonialverbrechern: #Petersallee, Nachtigalplatz - wenn Straßennamen zum Problem werden

      Die #Mohrenstraße in Berlin wird umbenannt. Im Afrikanischen Viertel im Wedding dagegen wird weiter über die Umbenennung von Straßen gestritten.

      Die Debatte über den Umgang mit kolonialen Verbrechen, sie verläuft entlang einer Straßenecke im Berliner Wedding. Hier, wo die Petersallee auf den Nachtigalplatz trifft, wuchert eine wilde Wiese, ein paar Bäume werfen kurze Schatten, an einigen Stellen bricht Unkraut durch die Pflastersteine des Bürgersteigs. Kaum etwas zu sehen außer ein paar Straßenschildern. Doch um genau die wird hier seit Jahren gestritten.

      Am Mittwoch hat die Bezirksverordnetenversammlung Berlin-Mitte beschlossen, die Mohrenstraße in Anton-Wilhelm-Amo-Straße umzubenennen, nach einem widerständigen afrikanischen Gelehrten. Im gleichen Bezirk hat die Organisation „Berlin Postkolonial“ in dieser Woche ein Informationszentrum zur deutschen Kolonialgeschichte in der Wilhelmstraße eröffnet – in den kommenden vier Jahren soll es von Erinnerungsort zu Erinnerungsort ziehen.

      Das Zentrum ist die erste speziell dem Thema gewidmete öffentliche Anlaufstelle in der Stadt.

      Andernorts aber kämpft man seit Jahren nach wie vor erfolglos für eine Umbenennung von Straßennamen mit Bezügen zur Kolonialzeit. In ganz Deutschland gibt es noch immer mehr als 150 – im Berliner Wedding treten sie besonders geballt im sogenannten Afrikanischen Viertel auf. Orte wie die Petersallee, der Nachtigalplatz und die Lüderitzstraße. Orte, die nach deutschen Kolonialverbrechern benannt sind.
      #Carl_Peters wurde wegen seiner Gewalttaten „blutige Hand“ genannt. Gustav Nachtigal unterwarf die Kolonien Togo, Kamerun und Deutsch-Südwestafrika.

      Carl Peters (1856–1918) war die treibende Kraft hinter der Gründung der ehemaligen deutschen Kolonie #Deutsch-Ostafrika, seine Gewalttätigkeit brachte ihm die Spitznamen „Hänge-Peters“ und „blutige Hand“ ein. Gustav Nachtigal (1834– 1885) nahm eine Schlüsselrolle ein bei der Errichtung der deutschen Herrschaft über die drei westafrikanischen Kolonien Togo, Kamerun und Deutsch-Südwestafrika, das heutige Namibia. Und der Bremer Kaufmann Adolf Eduard Lüderitz (1834–1886) gilt als der Mann, der das deutsche Kolonialreich mit einem betrügerischen Kaufvertrag in Gang setzte.

      Eine Ehrung für außergewöhnliche Leistungen

      Straßennamen sollen eine besondere Ehrung darstellen, sie sollen an Menschen erinnern, die außergewöhnlich Gutes geleistet haben. Das deutsche Kolonialreich aufgebaut zu haben, fällt nicht mehr in diese Kategorie. Aus diesem Grund wurden in der Geschichte der Bundesrepublik bislang allein 19 Straßen umbenannt, die Carl Peters im Namen trugen. Das erste Mal war das 1947 in Heilbronn. Der aktuellste Fall findet sich 2015 in Ludwigsburg. Auch nach dem Ende des Nationalsozialismus und dem der DDR hat man im großen Stil Straßen umbenannt, die als Würdigung problematischer Personen galten.

      Im Wedding ist wenig passiert, in der Welt zuletzt viel. Die Ermordung des schwarzen US-Amerikaners George Floyd hat Proteste ausgelöst, weltweit. Gegen Rassismus, gegen Polizeigewalt. Aber auch gegen die noch immer präsenten Symbole des Kolonialismus, dem diese Ungerechtigkeiten, diese Unterdrückungssysteme entspringen. Im englischen Bristol stürzten Demonstranten die Statue des Sklavenhändlers Edward Colston von ihrem Sockel und versenkten sie im Hafenbecken.

      „Krieg den Palästen“

      Ein alter Gewerbehof in Kreuzberg unweit des Landwehrkanals, Sommer 2019. Tahir Della, Sprecher der Initiative Schwarze Menschen in Deutschland, sitzt an seinem Schreibtisch in einem Co-Working-Space. Um ihn herum Bücher, Flyer. Hinter Della lehnen zwei große Plakate. Auf dem einen steht: „Black Lives Matter“. Auf dem anderen: „Krieg den Palästen“. Ein paar Meter über Dellas Kopf zieht sich eine großformatige Bildergalerie durch die ganze Länge des Raums. Fotos von Schwarzen Menschen, die neue Straßenschilder über die alten halten.

      „Die kolonialen Machtverhältnisse wirken bis in die Gegenwart fort“, sagt Della. Weshalb die Querelen um die seit Jahren andauernde Straßenumbenennung im Wedding für ihn auch Symptom eines viel größeren Problems sind: das mangelnde Bewusstsein und die fehlende Bereitschaft, sich mit der deutschen Kolonialvergangenheit auseinanderzusetzen. „Die Leute haben Angst, dieses große Fass aufzumachen.“

      Denn wer über den Kolonialismus von damals spreche, der müsse auch über die Migrations- und Fluchtbewegungen von heute reden. Über strukturellen Rassismus, über racial profiling, über Polizeigewalt, darüber, wo rassistische Einordnungen überhaupt herkommen.

      Profiteure der Ausbeutung

      „Deutsche waren maßgeblich am Versklavungshandel beteiligt“, sagt Della. In Groß Friedrichsburg zum Beispiel, an der heutigen Küste Ghanas, errichtete Preußen schon im 17. Jahrhundert ein Fort, um von dort aus unter anderem mit Sklaven zu handeln. „Selbst nach dem sogenannten Verlust der Kolonien hat Europa maßgeblich von der Ausbeutung des Kontinents profitiert, das gilt auch für Deutschland“, sagt Della.

      Viele Menschen in diesem Land setzen sich aktuell zum ersten Mal mit dem Unrechtssystem des Kolonialismus auseinander und den Privilegien, die sie daraus gewinnen. Und wenn es um Privilegien geht, verhärten sich schnell die Fronten. Weshalb aus einer Debatte um die Umbenennung von kolonialen Straßennamen in den Augen einiger ein Streit zwischen linkem Moralimperativ und übervorteiltem Bürgertum wird. Ein Symptom der vermeintlichen Empörungskultur unserer Gegenwart.

      Ein unscheinbares Café im Schatten eines großen Multiplexkinos, ebenfalls im Sommer 2019. Vor der Tür schiebt sich der Verkehr langsam die Müllerstraße entlang, dahinter beginnt das Afrikanische Viertel. Drinnen warten Johann Ganz und Karina Filusch, die beiden Sprecher der Initiative Pro Afrikanisches Viertel.
      Die Personen sind belastet, aber die Namen sollen bleiben

      Ganz, Anfang 70, hat die Bürgerinitiative 2010 ins Leben gerufen. Sie wünschen sich eine Versachlichung. Er nennt die betreffenden Straßennamen im Viertel „ohne Weiteres belastet“, es sei ihm schwergefallen, sie auf Veranstaltungen zu verteidigen. Warum hat er es dennoch getan?

      Seine Haltung damals: Die Personen sind belastet, aber die Straßennamen sollten trotzdem bleiben.

      „Da bin ich für die Bürger eingesprungen“, sagt Ganz, „weil die das absolut nicht gewollt haben.“ Und Filusch ergänzt: „Weil sie nicht beteiligt wurden.“

      Allein, das mit der fehlenden Bürgerbeteiligung stimmt so nicht. Denn es gab sie – obwohl sie im Gesetz eigentlich gar nicht vorgesehen ist. Für die Benennung von Straßen sind die Bezirksverwaltungen zuständig. Im Falle des Afrikanischen Viertels ist es das Bezirksamt Mitte. Dort entschied man, den Weg über die Bezirksverordnetenversammlung zu gehen.
      Anwohner reichten 190 Vorschläge ein

      In einem ersten Schritt bat man zunächst die Anwohner, Vorschläge für neue Namen einzureichen, kurze Zeit später dann alle Bürger Berlins. Insgesamt gingen etwa 190 Vorschläge ein, über die dann eine elfköpfige Jury beriet. In der saß neben anderen zivilgesellschaftlichen Akteuren auch Tahir Della, als Vertreter der Schwarzen Community. Nach Abstimmung, Prüfung, weiteren Gutachten und Anpassungen standen am Ende die neuen Namen fest, die Personen ehren sollen, die im Widerstand gegen die deutsche Kolonialmacht aktiv waren.

      Die #Lüderitzstraße soll in Zukunft #Cornelius-Fredericks-Straße heißen, der Nachtigalplatz in Manga-Bell-Platz umbenannt werden. Die Petersallee wird in zwei Teilstücke aufgeteilt, die #Anna-Mungunda-Allee und die #Maji-Maji-Allee. So der Beschluss des Bezirksamts und der Bezirksverordnetenversammlung im April 2018. Neue Straßenschilder hängen aber bis heute nicht.

      Was vor allem am Widerstand der Menschen im Viertel liegt. Mehrere Anwohner haben gegen die Umbenennung geklagt, bis es zu einer juristischen Entscheidung kommt, können noch Monate, vielleicht sogar Jahre vergehen.

      Eine Generation will endlich gehört werden

      Auf der einen Seite ziehen sich die Prozesse in die Länge, auf der anderen steigt die Ungeduld. Wenn Tahir Della heute an die jüngsten Proteste im Kontext von „Black Lives Matter“ denkt, sieht er vor allem auch eine jüngere Generation, die endlich gehört werden will. „Ich glaube nicht, dass es gleich nachhaltige politische Prozesse in Gang setzt, wenn die Statue eines Versklavungshändlers im Kanal landet“, sagt Della, „aber es symbolisiert, dass die Leute es leid sind, immer wieder sich und die offensichtlich ungerechten Zustände erklären zu müssen.“

      In Zusammenarbeit mit dem Berliner Peng-Kollektiv, einem Zusammenschluss von Aktivisten aus verschiedenen Bereichen, hat die Initiative kürzlich eine Webseite ins Leben gerufen: www.tearthisdown.com/de. Dort findet sich unter dem Titel „Tear Down This Shit“ eine Deutschlandkarte, auf der alle Orte markiert sind, an denen beispielsweise Straßen oder Plätze noch immer nach Kolonialverbrechern oder Kolonialverbrechen benannt sind. Wie viel Kolonialismus steckt im öffentlichen Raum? Hier wird er sichtbar.

      Bemühungen für eine Umbenennung gibt es seit den Achtzigerjahren

      Es gibt viele Organisationen, die seit Jahren auf eine Aufarbeitung und Auseinandersetzung mit dem Unrecht des Kolonialismus drängen. Zwei davon sitzen im Wedding, im sogenannten Afrikanischen Viertel: EOTO, ein Bildungs- und Empowerment-Projekt, das sich für die Interessen Schwarzer, afrikanischer und afrodiasporischer Menschen in Deutschland einsetzt, und Berlin Postkolonial.

      Einer der Mitbegründer dieses Vereins ist der Historiker Christian Kopp. Zusammen mit seinen Kollegen organisiert er Führungen durch die Nachbarschaft, um über die Geschichte des Viertels aufzuklären. Denn Bemühungen, die drei Straßen umzubenennen, gibt es schon seit den achtziger Jahren.

      Kopp erzählt auch von der erfolgreichen Umbenennung des Gröbenufers in Kreuzberg im Jahr 2010, das seitdem den Namen May-Ayim-Ufer trägt. „Vor zehn Jahren wollte niemand über Kolonialismus reden“, sagt Kopp. Außer man forderte Straßenumbenennungen. „Die Möglichkeit, überhaupt erst eine Debatte über Kolonialismus entstehen zu lassen, die hat sich wohl vor allem durch unsere Umbenennungsforderungen ergeben.“

      Rassismus und Raubkunst

      2018 haben sich CDU und SPD als erste deutsche Bundesregierung überhaupt die „Aufarbeitung des Kolonialismus“ in den Koalitionsvertrag geschrieben. Auch die rot-rot-grüne Landesregierung Berlins hat sich vorgenommen, die Rolle der Hauptstadt in der Kolonialzeit aufzuarbeiten.

      Es wird öffentlich gestritten über das koloniale Erbe des Humboldt-Forums und dem Umgang damit, über die Rückgabe von kolonialer Raubkunst und die Rückführung von Schädeln und Gebeinen, die zu Zwecken rassistischer Forschung einst nach Deutschland geschafft wurden und die bis heute in großer Zahl in Sammlungen und Kellern lagern.

      Auch die Initiative Pro Afrikanisches Viertel hat ihre Positionen im Laufe der vergangenen Jahre immer wieder verändert und angepasst. War man zu Beginn noch strikt gegen eine Umbenennung der Straßen, machte man sich später für eine Umwidmung stark, so wie es 1986 schon mit der Petersallee geschehen ist. Deren Name soll sich nicht mehr auf den Kolonialherren Carl Peters beziehen, sondern auf Hans Peters, Widerstandskämpfer gegen den Nationalsozialismus und Mitglied des Kreisauer Kreises.

      Straßen sollen vorzugsweise nach Frauen benannt werden

      Heute ist man bei der Initiative nicht mehr für die alten Namen. Für die neuen aber auch nicht wirklich. Denn diese würden nicht deutlich genug im Kontext deutscher Kolonialgeschichte stehen, sagt Karina Filusch, Sprecherin der Initiative. Außerdem würden sie sich nicht an die Vorgabe halten, neue Straßen vorzugsweise nach Frauen zu benennen.

      An Cornelius Fredericks störe sie der von den „Kolonialmächten aufoktroyierte Name“. Und Anna Mungunda habe als Kämpferin gegen die Apartheid zu wenig Verbindung zum deutschen Kolonialismus. Allgemein wünsche sie sich einen Perspektivwechsel, so Filusch.

      Ein Perspektivwechsel weg von den weißen Kolonialverbrechern hin zu Schwarzen Widerstandskämpfern, das ist das, was Historiker Kopp bei der Auswahl der neuen Namen beschreibt. Anna Mungunda, eine Herero-Frau, wurde in Rücksprache mit Aktivisten aus der Herero-Community ausgewählt. Fredericks war ein Widerstandskämpfer gegen die deutsche Kolonialmacht im heutigen Namibia.
      Bezirksamt gegen Bürger? Schwarz gegen Weiß?

      Für die einen ist der Streit im Afrikanischen Viertel eine lokalpolitische Auseinandersetzung zwischen einem Bezirksamt und seinen Bürgern, die sich übergangen fühlen. Für die anderen ist er ein Symbol für die nur schleppend vorankommende Auseinandersetzung mit der deutschen Kolonialgeschichte.

      Wie schnell die Dinge in Bewegung geraten können, wenn öffentlicher Druck herrscht, zeigte kürzlich der Vorstoß der Berliner Verkehrsbetriebe. Angesichts der jüngsten Proteste verkündete die BVG, die U-Bahn-Haltestelle Mohrenstraße in Glinkastraße umzutaufen.

      Ein Antisemit, ausgerechnet?

      Der Vorschlag von Della, Kopp und ihren Mitstreitern war Anton-W.-Amo- Straße gewesen, nach dem Schwarzen deutschen Philosophen Anton Wilhelm Amo. Dass die Wahl der BVG zunächst ausgerechnet auf den antisemitischen russischen Komponisten Michail Iwanowitsch Glinka fiel, was viel Kritik auslöste, offenbart für Della ein grundsätzliches Problem: Entscheidungen werden gefällt, ohne mit den Menschen zu reden, die sich seit Jahrzehnten mit dem Thema beschäftigen.

      Am Dienstag dieser Woche ist der Berliner Senat einen wichtigen Schritt gegangen: Mit einer Änderung der Ausführungsvorschriften zum Berliner Straßengesetz hat er die Umbenennung umstrittener Straßennamen erleichtert. In der offiziellen Mitteilung heißt es: „Zukünftig wird ausdrücklich auf die Möglichkeit verwiesen, Straße umzubenennen, wenn deren Namen koloniales Unrecht heroisieren oder verharmlosen und damit Menschen herabwürdigen.“

      https://www.tagesspiegel.de/gesellschaft/petersallee-nachtigalplatz-wenn-strassennamen-zum-problem-werden-419073

  • Tear this down – Kolonialismus jetzt beseitigen
    https://www.tearthisdown.com/de

    En #Allemagne la cartographie radicale constitue un danger pour chacun et chacune qui la pratique.

    Voici comment ça se passe : Tu montes un site avec des information sur un sujet d’actualité, ensuite des gens énervés le citent pendant une action plus ou moins illégale, et le lendemain matin on te réveille à six heures pour fouiller et détruire ton appartement.

    C’est pire que la censure parce que d’un moment à l’autre tu n’a plus tes outils de travail, tes listes d’adresses ont disparu dans les boites en carton de la police, tu n’a plus de téléphone et tu ne peux alors plus accéder à ton compte en banque. La restitution de tes affaires peu prendre des années si jamais il y en a.

    Voici le site web qui a incité la police allemande à des perquisitions chez ses auteurs. Son contenu principal sont des cartes indiquant des monuments et lieux de mémoire du colonialisme allemand. Le site est toujours en ligne alors on peut arriver à la conclusion quil a servi de prétexte pour la collection de données chez les memebres du collectif Peng ! .

    A mon avis il faut montrer de la solidarité avec les victimes de cette perquisition sans égard de leurs prises de position parfois critiquables.

    Kolonialismus jetzt beseitigen
    DEUTSCHLANDS KOLONIALES ERBE LEBT AUF DEN STRASSEN WEITER.

    Bis heute werden in Deutschland Kolonialverbrechen und -verbrecher durch Straßennamen und Denkmäler geehrt. Ob Straßen, Plätze oder U-Bahnhöfe: viele Orte sind nach Kolonialverbrechern benannt. Andere stehen in direktem Bezug zum deutschen Kolonialismus. Bis heute gilt die Benennung von öffentlichen Plätzen in Deutschland als Ehrung von Personen und Würdigung historischer Ereignisse.

    DAS MACHT DIESE KARTE SICHTBAR!

    A vrai dire je trouve assez ridicule quelques entrées dans la carte des monuments du colonialisme. Voici un exemple :

    #Palmweg, #Michendorf

    Die Ölpalme ist mit der Geschichte des Kolonialismus und des europäischen Menschenhandels mit Afrikaner*innen eng verflochten. ... Mit der Kolonialisierung Westafrikas durch die Engländer und später die Deutschen, wurde Palmöl als Brennstoff in die europäische Industrie eingeführt und zählte bald zu den begehrtesten Kolonialwaren.

    https://www.openstreetmap.org/way/26691730

    Les pauvres palmiers. qu’est-ce qu’ils ont fait aux colonisés ? C’est bien de rappeler les méfaits du colnialisme, mais il faudrait éviter de mettre ce type de nom de rue sur la liste des éléments structurels à faire tomber. Ce n’est pas ce type d’appellation qu’il faudrait changer. Ici il n’y a rien à abattre.

    Dans la même catégorie se trouve l’Iltisstraße.

    https://www.openstreetmap.org/way/48590099

    #Iltisstraße, #Berlin #Dahlem

    Die SMS Iltis (1898) war ein Kriegsschiff (auch Kanonenboot) der Kaiserlichen Marine, das bei dem Überfall der Großmächte Deutschland, Frankreich, Großbritannien, Italien, Japan, Österreich-Ungarn, Russland, USA im Jahr 1900 auf China zum Einsatz kam. Der Angriff markierte den Beginn des Kolonialkrieges gegen China.

    Pour les initiés et les guides touristiques il peut être intéressant de savoir qu’en 1906 on nomma cette rue d’après la canonnière Iltis . Autrement tout le monde prend le nom de cette rue comme référence au putois (Iltis) , petit prédateur à fourrure qui ne fait du mal qu’au rat musqué et d’autres de ses voisin animaliers.
    https://de.wikipedia.org/wiki/Iltisse

    Ensuite il y a notre sujet berlinois de prédilection, la notoire #Mohrenstraße qui sera renommée en #Anton-Wilhelm-Amo-Straße. L’absence complète de connaissances historiques et lingusitiques du côté des ardents défenseurs du changement de nom n’a pas empêché les députés de l’arrondissement Mitte de suivre leur demande.

    M*straße
    BerlinKeine Beschreibung nötig.

    Mohrenstraße, residential road
    https://www.openstreetmap.org/way/98399537

    C’est un sujet politique où les considérations scientifiques et historiques ont été écartés parce que les politiciens locaux ne voulaient pas rater l’occasion de se présenter en bons anticolonialistes de gauche.

    Auf zur Rettung der Mohrenstraße !
    https://www.berliner-zeitung.de/mensch-metropole/auf-zur-rettung-der-mohrenstrasse-li.90318

    Eine Aktivistengruppe will die Berliner Mohrenstraße wegbenennen, weil der Name Menschen afrikanischen Ursprungs beleidige. Das ist nicht der Fall, schreibt Götz Aly. Der Name stand einst für die Achtung vor anders sprechenden, anders aussehenden Menschen.

    Götz Aly, 30.6.2020

    https://pen.gg

    Peng! is an explosive concoction of activism, hacking and art battling the barbarism of our time.

    Razzia gegen Aktionskünstler wegen Online-Karte
    https://netzpolitik.org/2021/peng-kollektiv-razzia-gegen-aktionskuenstler-wegen-online-karte

    15.07.2021 - Am Donnerstagmorgen hat die Polizei Wohnungen und das Büro des Peng-Kollektivs durchsucht. Gemeinsam mit der Initiative Schwarze Menschen in Deutschland hatten die Aktionskünstler Orte mit Kolonialvergangenheit veröffentlicht. Die Staatsanwaltschaft ermittelt wegen angeblicher Aufforderung zu Straftaten.

    Die Polizei hat heute in Berlin und Leipzig die Büroräume des Peng-Kollektivs und die Wohnungen von zwei Mitgliedern durchsucht. Dabei hat die Polizei unter anderem Computer, Festplatten und Aktenordner beschlagnahmt. Die Anwältin eines von der Durchsuchung Betroffenen sieht ein „politisches Interesse“ der Ermittlungsbehörden.

    Die Durchsuchung gegen die Aktionskünstler:innen steht im Zusammenhang mit der Webseite TearThisDown.com, die Peng gemeinsam mit der Initiative Schwarze Menschen in Deutschland veröffentlicht hat. Die Webseite zeigt eine Karte von Orten, an denen der Kolonialismus weiterlebt – und ruft zu Aktionen gegen diese auf.

    Die Karte von tearthisdown.com listet Orte mit Kolonialvergangenheit. - Alle Rechte vorbehalten tearthisdown.com

    Ein Durchsuchungsbeschluss liegt netzpolitik.org vor, aus persönlichkeits- und strafrechtlichen Gründen können wir ihn nicht veröffentlichen. Demnach ermittelt die Staatsanwaltschaft Berlin wegen öffentlicher Aufforderung zu Straftaten. Diese Passage auf der Webseite hält die Staatsanwaltschaft für kriminell:

    Wer wird da eigentlich wofür geehrt? Verbrecher für Verbrechen, das geht nicht! Kopf ab, Runter vom Sockel, Farbe drauf, Schild drüber – die Möglichkeiten sind vielfältig. Aber markieren reicht nicht, wir suchen andere Formen. Vieles kann ein Denkmal sein und im Zweifelsfall macht es sich im Wasser treibend auch ganz gut.

    Der Durchsuchungsbeschluss bringt die interaktive Karte mit Sachbeschädigungen an sieben Denkmälern in Berlin in Zusammenhang. Die unbekannten Täter:innen hätten teilweise auf die Internetseite verwiesen. Eine kurzfristige Presseanfrage, wie oft und wo dies geschehen sei, hat die Generalstaatsanwaltschaft Berlin bislang nicht beantwortet. Sie bestätigte aber Durchsuchungen der Vereinsräumlichkeiten sowie an zwei Wohnanschriften der Beschuldigten. (Update 17:25 Uhr)

    „Politisches Interesse der Ermittlungsbehörden“

    Christine Lüth, die Anwältin eines Betroffenen sagt gegenüber netzpolitik.org: „Der Anlass für die Durchsuchungen beruht auf einem relativ geringfügigen Tatvorwurf, der in der Regel nicht zu derart intensiven Ermittlungshandlungen führt. Dies deutet darauf hin, dass die Ermittlungsbehörden ein politisches Interesse daran verfolgen.“

    Ein solches politisches Interesse kann sein, dass Ermittlungen genutzt werden, um weitere Informationen über das Peng-Kollektiv herauszufinden und dessen Strukturen aufzudecken.

    Eine von der Durchsuchung betroffene Person erklärt gegenüber netzpolitik.org: „Der Schutz von Kolonialverbrechern, beziehungsweise ihrer Büsten, scheint der Staatsanwaltschaft in Berlin offenbar wichtiger zu sein als der Schutz von Kunst- und Meinungsfreiheit.“ Statuen von Verbrechern gehörten in einer Demokratie vom Sockel, so der Durchsuchte. „Der Geist, der sich da in der Berliner Justiz offenbart, gehört in Frührente geschickt, das machen die absurden und unverhältnismäßigen Durchsuchungen mehr als deutlich.“
    Kolonialismus offenlegen

    Im Rahmen der weltweiten Black-Lives-Matter Proteste wurden seit dem Jahr 2020 in vielen Ländern Denkmäler und Statuen mit rassistischem und kolonialistischem Hintergrund von Demonstrierenden beschädigt, bemalt, entfernt oder abgerissen.

    Simone Dede Ayivi von der Initiative Schwarze Menschen in Deutschland hatte die gemeinsame Aktion mit dem Peng-Kollektiv vor einem Jahr in einem Interview in der taz erklärt: „Wir wollen also das Wissen zusammentragen, ohne vorzugeben, wer die größten Kolonialverbrecher sind.“ Mit der Aktion wolle man die Kolonialvergangenheit offenlegen.

    Dabei sei der Anspruch an das Projekt höher „als nur die Scheiße aufzulisten.“ Die Karte sei dafür gedacht, nicht mehr mit geschlossenen Augen an den Denkmälern vorbeizugehen. Sie sei ein Aufruf zum Handeln: „Das kann eine E-Mail an die Bezirksverordneten sein oder eine Demonstration. Das bleibt alles selbst überlassen. Und ja, es ist ein wohltuendes Bild, diese Statuen überall fallen zu sehen.“

    Update 17:25 Uhr:
    Die Berliner Staatsanwaltschaft bestätigte gegenüber netzpolitik.org, dass an drei Örtlichkeiten durchsucht wurde: den Vereinsräumlichkeiten sowie an zwei Wohnanschriften der Beschuldigten. Zu der Frage wie oft und wo unbekannte Täter:innen auf die Webseite verwiesen hätten, könne sich die Staatsanwaltschaft nicht äußern, „da sich die Akten derzeit bei der Polizei befinden“.

    #Allemagne #cartographie #politique #répression

  • Mohrenstraße 1-69 in Berlin - KAUPERTS
    https://berlin.kauperts.de/Strassen/Mohrenstrasse-10117-Berlin

    Geschichte von Mohrenstraße

    Ehemaliger Bezirk Mitte
    Name seit um 1700
    Die Mohrenstraße wird am 01.10.2021 in Anton-Wilhelm-Amo-Straße unbenannt.

    Die Mohrenstraße ist nach einer Delegation afrikanischer Repräsentanten benannt, die im Jahre 1684 vier Monate in einem Gasthaus vor den Toren Berlin einquartiert war. Die Delegation aus der brandenburgischen Kolonie Großfriedrichsburg (dem heutigen Ghana) stand unter der Leitung des Häuptlings Janke aus dem Dorf Poqueso (heute Princess Town) und wollte nach dem Abschluss von sogenannten Schutzverträgen dem Großen Kurfürst ihre Aufwartung machen. Die Delegation wurde am Hofe achtungsvoll empfangen und genoss die Gastfreundschaft wie auch andere „fremdländische“ diplomatische Vertretungen.

    Das Gasthaus befand sich an einem unbefestigten Weg vor den Toren Berlins. Den Weg zum Schloss legten die Delegierten zu Fuß zurück. Dabei riefen sie bei der Berliner Bevölkerung viel Aufmerksamkeit hervor, so dass der Volksmund den Weg zwischen dem Gasthaus und dem Schloss in Mohrenweg taufte.

    Mit dem weiteren Ausbau der Friedrichstadt um 1700 wird die Straße offiziell in Mohrenstraße umbenannt.

    Bereits 1710 ist der Name „Mohrenstraße“ im ersten Stadtplan der Königlichen Haupt- und Residenzstadt Berlin dokumentiert.

    Die Straße entstand um 1700 bei der Anlage der Friedrichstadt. Sie wurde als Querstraße zur Friedrichstraße zwischen der Mauerstraße und dem ehemaligen Festungsgraben vor dem Hausvogteiplatz angelegt.

    #Berlin #Mitte #Mohrenstraße #Straßenumbenennung #Politik #Straßenumbenennung

  • Rettet die Berliner Mohrenstraße!
    https://www.berliner-zeitung.de/mensch-metropole/rettet-die-berliner-mohrenstrasse-li.159438

    18.5.2021 von Götz Aly - Im Deutschen wird das Wort „Mohr“ schon lange nicht mehr als Bezeichnung für Menschen mit dunkler Hautfarbe verwendet. Es existiert auch nicht als Schimpfwort.

    Am 14. Mai verkündete das „Amtsblatt für Berlin“, dass die Mohrenstraße in Mitte zum 1. Oktober wegbenannt werden soll. Seit 330 Jahren gehört diese Straße zu der in ihrer historischen Struktur erhaltenen Friedrichstadt. Durchgesetzt haben diesen Geschichtsfrevel Grüne, SPD und Linke im Bezirk Mitte. Zuvor hatten dieselben Parteien im Abgeordnetenhaus eine Ermächtigungsklausel beschlossen, mit der sie die Ausführungsvorschriften des Straßengesetzes um ein gummiweich formuliertes Kriterium zur Umbenennung ergänzten: den „Bezug zu rassistisch-imperialistischen Ideologien“. Aber dieser besteht im Fall Mohrenstraße nicht.

    Ohne jede Begründung wird zudem behauptet, der Straßenname schade „dem nationalen und internationalen Ansehen Berlins“ und enthalte einen „rassistischen Kern“. Dazu ist zu sagen: Zur Zeit der Benennung wurden in der ständisch verfassten Gesellschaft einzelne Menschen- und Berufsgruppen mit Straßennamen nicht diskriminiert, sondern ehrend als Gemeinschaften hervorgehoben. Deshalb haben wir in Berlin die Schützenstraße, die Jüdenstraße, den Gendarmenmarkt, den Kadettenweg, den Hugenottenplatz, die Böhmische Straße usw. Die Mohrenstraße kreuzt die nach dem vor 320 Jahren regierenden Königspaar – Friedrich und Charlotte – benannten Straßen des heutigen Zentrums. Eine derart hervorgehobene Position im alten und heutigen Zentrum Berlins kann nicht herabsetzend gemeint gewesen sein. Im Deutschen wird das Wort Mohr seit langer Zeit nicht mehr als Bezeichnung für einen Menschen dunkler Hautfarbe verwendet; es existiert auch nicht als Schimpfwort.

    Die Mohrenstraße ist Teil der Stadtgeschichte, ähnlich der Mauerstraße, dem Festungsgraben, der Invaliden- oder der Hirtenstraße. Dasselbe gilt für die zur Mohrenstraße parallel verlaufende Taubenstraße. Sie war nicht etwa dem Vogel, sondern solchen Soldaten gewidmet, die im Kriegsdienst ertaubt waren und dort Unterkunft gefunden hatten. Gilt das demnächst als behindertenfeindlich? Es gibt keinen Grund, an den historischen Namen zu rütteln. Sie sind Schriftdenkmale, die es uns Heutigen ermöglichen, die Vergangenheit unserer Stadt zu lesen und besser zu verstehen.

    Was tun? Nach den Paragraphen 40 und folgende des Bezirksverwaltungsgesetzes wäre das Bezirksamt verpflichtet gewesen, die „Mitwirkung der Einwohnerinnen und Einwohner zu fördern“ und diese rechtzeitig „über ihre Mitwirkungsrechte zu unterrichten“. All das haben der Bezirksbürgermeister Stephan von Dassel und die zuständige Stadträtin Sabine Weißler (beide Grüne) fahrlässig oder willentlich unterlassen.

    Die Idee zur Umbenennung wurde von einer kleinen, wenig informierten antikolonialistischen Gruppierung forciert. Diese nennt das Bezirksamt „zivilgesellschaftliche Akteurinnen/Akteure“. Diejenigen, die dagegen seit Jahren begründete Einwände erheben, zählt dasselbe grün-rot-rot durchherrschte Amt nicht zur Zivilgesellschaft. Dagegen sollte man sich zur Wehr setzen.

    In den nächsten vier Wochen können alle Berliner und Berlinerinnen brieflich Widerspruch gegen die Umbenennung einlegen, zu richten an: Bezirksamt Mitte von Berlin, Abt. Weiterbildung, Kultur, Umwelt usw., Karl-Marx-Allee 31, 10178 Berlin.

    #Berlin #Mitte #Mohrenstraße #Straßenumbenennung #Politik #Straßenumbenennung

  • Das Berliner U-Bahn-Archiv - Kaiserhof, Thälmannplatz, Mohrenstraße
    http://www.u-bahn-archiv.de/aufnahmen/mohrenstrasse.html


    U-Bahnhof Thälmannplatz 1950
    Am 31.1.1933 nahm der zukünftige Gröfaz auf einem Balkon des Hotel Kaiserhof die Ovationen seiner Anhänger entgegen. Wer mit der U-Bahn zur Reichskanzlei Adolf Hitlers wollte, stieg hier am U-Bahnhof Kaiserhof aus.

    1908 eröffnet
    1945 bis 1950 geschlossen
    Namen
    1908 bis 1950 Kaiserhof
    1950 bis 1986 Thälmannplatz
    1986 bis 1991 Otto-Grotewohl-Straße
    seit 1991 Mohrenstraße

    Wikimedia
    https://commons.wikimedia.org/wiki/Th%C3%A4lmannplatz_(Berlin)

    18.3.52 Das Glinka-Haus, das neue Gebäude der Gesellschaft für deutsch-sowjetische Freundschaft am Thälmannplatz in Berlin

    4.9.1953, Berlin im Zeichen der sowjetisch-deutschen Abmachungen

    #Berlin #Mitte #Mohrenstraße #Voßstraße #Thälmannplatz #Wilhelmplatz #U-Bahn #Geschichte #DDR

  • Legende: Führer-Marmor am U-Bahnhof Mohrenstraße
    https://www.faz.net/aktuell/feuilleton/legende-fuehrer-marmor-am-u-bahnhof-mohrenstrasse-14160400.html

    Blutroter Hitler-Marmor im Berliner Untergrund? 1950 restaurierte die DDR den U-Bahnhof Mohrenstraße – vermeintlich unter Verwendung von Marmor aus der Reichskanzlei. Tatsächlich hat dessen Ursprung mehr mit Stalin zu tun.

    Jahrzehntelang wagten wir uns nur mit Grusel in den Berliner U-Bahnhof Mohrenstraße, denn dort im Untergrund wähnten wir uns auf Hitlers Spuren. War auch sonst nichts geblieben von der ehedem benachbarten Neuen Reichskanzlei, die sein Lieblingsarchitekt Albert Speer 1939 dem Diktator errichtet hatte, so hieß es in jedem besseren Berlin-Reiseführer, dass es sich bei den mit blutrotem Marmor verkleideten Wänden und Säulen der langgestreckten Station Mohrenstraße um Abbruchmaterial aus dem 1949 auf sowjetisches Geheiß endgültig geschleiften Monumentalbau handelte.

    Da der U-Bahnhof, der bis 1945 den Namen Kaiserhof getragen hatte und dann in Thälmannplatz umbenannt worden war, 1950 in aller Eile umgebaut werden musste, weil er sich zum 18. August, dem sechsten Todestag des 1944 im Konzentrationslager Buchenwald ermordeten KPD-Vorsitzenden Ernst Thälmann, in neuem, sozialistischrotem Glanz präsentieren sollte, hätte es nahegelegen, solch leicht verfügbares Material zu benutzen – zumal die Fahrgäste darin ja einen ideologischen Triumph hätten demonstriert sehen können: vom teufelsroten Fußboden aus Hitlers megalomanischer Kanzlei zum morgenroten Schmuck eines Bauwerks für die arbeitende Bevölkerung.

    Thüringischer Marmor nach Stalingrad

    Aber wie schon von der konsequenten Verwendung des Irrealis in den bisherigen Ausführungen signalisiert: So war es nicht. „Mit Symbolqualitäten von Reichskanzlei-Marmor hatten die Behörden nichts im Sinn“, erklärte der Historiker Hans-Ernst Mittig schon 2005 in einem Aufsatz, in dem er einen Bericht aus dem „Neuen Deutschland“ vom 19. August 1950 zitierte, in dem gelobt worden war, dass der ganze für den Umbau des Bahnhofs Thälmannstraße benötigte Marmor binnen nur 108 Tagen aus Thüringen geliefert worden sei.

    Die endgültige Teufelsaustreibung im hauptstädtischen Untergrund verdanken wir aber der „Berliner Zeitung“, in der über einen Fund berichtet wird, den der U-Bahn-Historiker Axel Mauruszat im Archiv der Berliner Verkehrsbetriebe gemacht hat: Aus einer Aktennotiz von Mitte Juli 1950 geht hervor, dass man die roten Marmorplatten eigens im thüringischen VEB Marmorwerk Saalburg bestellt hatte. Der war - natürlich damals noch unter anderer Firma - zwar auch schon Lieferant des Berliner Steinmetzgeschäfts Köstner gewesen, das 1939 die „Marmorarbeiten in Deutsch-Rot“ für die Reichskanzlei ausgeführt hatte, doch im Sommer 1950 schnitt man in Thüringen gerade Marmor für einen weiteren prominenten Kunden: die Sowjetunion, die damit ein neues Planetarium in Stalingrad auskleiden lassen wollte. Das gehörte zu den Wiedergutmachungsleistungen, die der DDR auferlegt waren. Aber der russische Auftrag durfte dann trotzdem für zwei Wochen unterbrochen werden, um den Marmor für Berlin zu schneiden.

    Wieder mal also keine Spur von Hitler im braven Deutschland, auch nicht im U-Bahnhof Mohrenstraße, dessen Farbgebung uns nunmehr schamrot vorkommen wird.

    #Berlin #Mitte #Mohrenstraße #Wilhelmplatz #Thälmannplatz #DDR #Nazis #Geschichte #U-Bahn

  • Mohrenstraße 20-21 - Haus des deutschen Handwerks
    http://www.luise-berlin.de/lesezei/blz01_03/text37.htm

    Der Beitrag „Das Haus des Deutschen Handwerks“ geht in der Baugeschichte auf das Jahr 1908 zurück, als die Konfektionsfirma Orgler und Friedemann hier ein repräsentatives Geschäftshaus errichten ließ, das 1924 für die Deutsch-Südamerikanische Bank umgebaut wurde. Das im Zweiten Weltkrieg schwer zerstörte Haus übernahm die Nationaldemokratische Partei Deutschlands 1950, um hier ihren Hauptsitz zu errichten. Ab diesem Zeitpunkt wird die Gebäudegeschichte zu einem interessanten Beispiel für die Architekturentwicklung in der frühen DDR. So plante man in den 50er Jahren, die Friedrichstraße zu einem 66 Meter breiten vornehmen Boulevard auszubauen, wovon heute noch das hinter die Straßenflucht zurückversetzte Hotel Unter den Linden zeugt. Durch den Abriß der unmittelbar an der Straße gelegenen Ruinen stand das künftige NDPD-Haus nun unmittelbar mit der Brandwand an der neuen Magistrale. Statt dieser errichteten die Architekten Erich Kuhnert und Hans Gericke eine Schaufassade im neoklassizistischen Stil, dem auch die Fassade zur Mohrenstraße angepaßt wurde. So ist das 1958 fertiggestellte Haus heute neben den Bauten der Stalinallee ein wichtiges Zeugnis für den nationalen Stil in der frühen DDR-Architektur, weshalb es auch unter Denkmalschutz steht.

    www.zdh.de - Über uns - Haus des Handwerks
    https://www.zdh.de/ueber-uns/haus-des-handwerks/geschichte.html

    Fester Bestandteil des Hauses des Handwerks ist ein Keramikfries des Bildhauers Waldemar Grzimek, das dieser 1957 für das Haus in der Berliner Mohrenstrasse 20/21 entworfen hat.

    Ausgeführt wurde er in der Werkstatt von Hedwig Bollhagen unter der Assistenz der Keramikerin Heidi Manthey. Der Fries befindet sich weithin sichtbar im Foyer des Gebäudes und stellt Szenen aus der Arbeits- und Freizeitwelt dar.

    #Berlin #Mitte #Mohrenstraße #NDPD #DDR #Handwerk