Philippe Stalder / 17.08.2024 Von wegen olympischer Gedanke: Israelische Athleten zelebrieren offen Kriegsverbrechen – und das IOC lässt sie gewähren.
Als Reaktion auf die politische und soziale Unruhe seiner Zeit formulierte Pierre de Coubertin, ein französischer Pädagoge und Historiker, im späten 19. Jahrhundert den olympischen Gedanken. Inspiriert von den antiken Olympischen Spielen in Griechenland und den Idealen von körperlicher Ertüchtigung, Erziehung und internationaler Verständigung, wollte Coubertin eine moderne Bewegung schaffen, die über den Sport hinausging. Sein Ziel war es, Frieden und Völkerverständigung zu fördern, während gleichzeitig die körperliche und moralische Erziehung der Jugend gestärkt wird. Dieser Idealismus legte den Grundstein für die Wiederbelebung der Olympischen Spiele im Jahr 1896 in Athen.
128 Jahre später ist Coubertins Heimatland Frankreich Gastgeberin der Olympischen Spiele. Nach politischen und sozialen Unruhen muss man sich heutzutage nicht lange umschauen, der olympische Gedanke scheint dringender denn je. Doch nicht alle angereisten Athletinnen und Athleten scheinen für Frieden und Völkerverständigung einzustehen.
Athleten vermischen Sport mit Politik
In Israel gilt die Wehrpflicht für Frauen und Männer. Vor diesem Hintergrund erstaunt es nicht, dass praktisch alle israelischen Olympia-Athleten aktive Mitglieder der israelischen Armee sind. Was jedoch erstaunt, ist, wie stark israelische Athleten ihren Sport mit Politik vermischen, obwohl Art. 50 der olympischen Charta vorschreibt, dass die olympische Arena nicht für politische Zwecke missbraucht werden darf.
In zahlreichen olympischen Kategorien haben Athleten der israelischen Mannschaft jedoch öffentlich zum Mord an den Palästinensern aufgerufen und den israelischen Kriegseinsatz unterstützt:
Peter Paltchik etwa, der israelische Judoka-Fahnenträger in Paris, signierte Bomben, die auf Gaza abgeworfen werden sollten. Einen entsprechenden Post auf Instagram kommentierte er mit den Worten: «Von mir für Sie mit Vergnügen.»
«Von mir für Sie mit Vergnügen»: Paltchik postet auf seinem öffentlichen Instagram-Profil Bomben, die auf Gaza abgeworfen werden. Bild: Instagram / peter_paltchik
Ausserdem war Paltchik in Japan bei einer Konfrontation mit friedlichen pro-palästinensischen Demonstranten zu sehen. Ein Mitglied seines Gefolges drohte, einen der Aktivisten zu töten, nachdem dieser Paltchik leicht berührt hatte.
Israeli judo team threatens to k1ll protestors in Japan while wearing Olympic uniform.
Video circulates of the men’s Israeli judo team in Japan disrupting a demonstration, harassing and intimidating protestors while wearing their official uniforms.
According to eyewitnesses and… pic.twitter.com/3h9bizk8ge
— Lou Rage (@lifepeptides) April 15, 2024
Israelische Flagge über Gaza
Sagi Muki, ebenfalls Mitglied der Judomannschaft der Männer, postete ein Video, auf dem zu sehen ist, wie die IDF-Soldaten eine israelische Flagge am Strand von Gaza hissen, nachdem sie dort einmarschiert waren. Er kommentierte das Video mit der Bildunterschrift «Salute your heroes».
Sein Teamkollege, Yam Wolczak, schrieb in einem Post auf Instagram: «Ich widme diese Medaille unserem Land und meinen besten Freunden, die in den besten Einheiten der IDF kämpfen […] Ich habe den ganzen Wettbewerb über an euch gedacht 🫶».
Lonah Chemtai Salpeter, eine israelische Olympia-Marathonläuferin, postete als Instagram-Story eine apokalyptische Illustration, in der Bomben mutmasslich auf den Gazastreifen herabregnen. Auf dem Bild ist eine Tora abgebildet, als ob Gott diesen Krieg gutheissen würde.
In Anlehnung an das angeblich in der Tora verbriefte Recht Israels, die Palästinenser aus dem gelobten Land zu vertreiben. Bild: Instagram / lonah_chemtai
Anat Lelior, eine Surferin der israelischen Olympiamannschaft, sagte 2020 in einem Interview vor den Olympischen Spielen in Tokyo: «Der Dienst in den IDF ist mehr als nur eine Pflicht. Ich bin glücklich, es zu tun».
Israel’s top surfer Anat Lelior trains for competition in the #TokyoOlympics while serving in the #IDF:
„Being in the IDF is more than something you have to do. I’m happy to do it.“
🏄♀️ 🇮🇱 🏄♀️ 🇮🇱 🏄♀️ 🇮🇱 🏄♀️pic.twitter.com/nK02I83UvB
— Israel in Ireland (@IsraelinIreland) April 19, 2021
Es kommt nicht von ungefähr, dass israelische Olympia-Athleten immer wieder betonen, wie stolz sie darauf sind, in der israelischen Armee zu dienen und ihre Kriege gutzuheissen. Denn die israelische Armee benutzt Sportanlässe wie die Olympischen Spiele gezielt zu Propagandazwecken. Sport und Politik werden dabei bewusst vermischt.
Krieg als Sport
In diesem Video, das vor den Olympischen Spielen in Tokyo 2020 von der israelischen Armee publiziert wurde, werden Sport- und Kriegsszenarien so montiert, dass fliessende Übergänge entstehen. «Jeden Tag brechen unsere Soldaten Rekorde. Auch Du kannst das», so die Botschaft.
Die Wechselwirkung zwischen Sport und Militär fliesst auch in die entgegengesetzte Richtung. Etwa wenn israelische Fussballvereine der Armee kostenlose Fanartikel zur Verfügung stellen und dann Fotos von IDF-Mitgliedern veröffentlichen, die diese Artikel tragen, während sie in Panzern und Bulldozern den Gazastreifen zu Schutt fahren.
Fanartikel des Bnei Yehuda Tel Aviv FC werden im Gaza-Krieg von israelischen Soldaten zur Schau getragen. Bild: Richard Medhurst
IOK praktiziert einen Doppelstandard
Und was unternimmt das Internationale Olympische Komitee? Vor dem Hintergrund des russischen Angriffskrieg auf die Ukraine wurden russische Athleten gesperrt und durften nur unter neutraler Flagge antreten. Auch Südafrika war wegen seiner Apartheid jahrzehntelang von den Olympischen Spielen ausgeschlossen. Bei israelischen Athleten wendet das IOK allerdings einen anderen Standard an. Obwohl fast sämtliche israelische Athleten aktiv in der Armee dienen und offen Kriegsverbrechen zelebrieren.
Die israelischen Soldaten verletzen damit die politische Neutralität des Sports. Sie verletzen den Friedensauftrag der Olympischen Spiele, und das Olympische Komitee ist seiner Aufgabe nicht nachgekommen, sie zu sanktionieren. Die Doppelmoral könnte nicht deutlicher sein.