Der Robin Hood der Berliner Mieter hat „viele Feinde“

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  • Daniel Halmer: Der Robin Hood der Berliner Mieter hat „viele Feinde“
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    25.9.2022 von Anja Reich - Ein Berliner Start-up erkämpft Mietsenkungen, vor allem für Mieter im Osten der Stadt. Wegen 25 Euro ging man bis zum Bundesgerichtshof.

    Ein Großraumbüro am Paul-Lincke-Ufer, dritter Hinterhof. Daniel Halmer bietet Kaffee und Wasser an. Er ist der Chef von „Conny“, einer Legal-Tech-Firma, die seit 2016 für ihre Kunden Mietsenkungen erkämpft, wenn sich deren Vermieter nicht an die Mietpreisbremse halten – im Notfall auch vor Gericht.

    Halmer, 46, Wirtschaftsanwalt aus Bayern, hat an der Harvard-Law-School geforscht und bei großen Kanzleien in München, Düsseldorf und New York gearbeitet. Er ist sowas wie der Robin Hood von Berlin-Kreuzberg, jemand, der sogar wegen 25 Euro Mietsenkung vor den Bundesgerichtshof gezogen ist – und gewonnen hat. Mieter lieben ihn, Vermieter fürchten ihn, Anwälte sehen ihn als Konkurrenz. Sein erstes Büro war in seinem Wohnzimmer, sein zweites ein Tisch in einem italienischen Restaurant. Seit 2017 ist er hier in Kreuzberg, 50 Mitarbeiter und 14 externe Rechtsanwälte arbeiten für ihn. Sie sind auch heute wieder in der ganzen Stadt unterwegs. Halmer guckt auf sein Handy und liest vor: Amtsgericht Mitte zwei Verhandlungen, Schöneberg auch zwei, Kreuzberg vier, außerdem Neukölln, Mitte, Köpenick.

    Wieviele Berliner, die sich an Sie wenden, zahlen zu hohe Miete, Herr Halmer?

    Drei von vier. Das ist unsere Erfahrung der letzten sechs Jahre: Bei drei von vier Anfragen kommt, wenn wir die Mietangaben durch den Rechner geben, eine zu hohe Miete heraus.

    Und wieviel Miete bezahlen sie zu viel?

    Wir konnten im Schnitt pro Kunde 304 Euro Mietsenkung pro Monat durchsetzen. Mehr als 3500 Euro jährlich! Diese Größenordnung muss man sich mal klarmachen. Aus dem Nettogehalt bezahlt.

    Sie haben daraus ein Geschäftsmodell entwickelt, erkämpfen für fremde Menschen Mietpreissenkungen. Wie kamen Sie darauf?

    Alles fing mit einer SMS an, an einen Freund, im Jahr 2016. Die Mietpreisbremse jährte sich das erste Mal. Die Presse war voller Häme. Mietpreisbremse ist eine Totgeburt, hieß es überall. Ich holte Freunde vom Flughafen ab und las in der Zeitung, dass der erste Fall vor Gericht gewonnen worden war. Ich dachte, es scheint doch zu funktionieren, das Gesetz, es ist gar keine Totgeburt.

    Und was stand in der SMS?

    Der Link zu dem Artikel. Und die Frage, ob man die Mietpreisbremse dann nicht auch gegen große Immobilienfirmen einsetzen könnte. Ich dachte, es kann ja wohl nicht wahr sein, dass in der Bundesrepublik Deutschland, einem der besten Rechtsstaaten der Welt, so eine riesige Kluft zwischen Recht haben und Recht bekommen besteht. Und ich fragte mich: Was sind die Gründe, warum das Gesetz so schwer umzusetzen ist?

    Was sind die Gründe?

    Das Gesetz an sich ist ein scharfes Schwert. Wenn die Miete über das zulässige Maß hinausgeht, können Mieter eigentlich sofort die Miete senken, ohne Zustimmung des Vermieters, müssten auch gar nicht klagen. Aber in den juristischen Details und den praktischen Auswirkungen klappt es einfach nicht. Das scharfe Schwert kommt in der Realität nicht an.

    Warum nicht?

    Es ist zu kompliziert. Die Leute wissen nicht, wie es genau geht, die Mietspiegel sind total unterschiedlich, in jeder Stadt sieht es anders aus. Vor allem aber wissen die Vermieter, dass sie kein Risiko eingehen, wenn sie das Gesetz verletzen und zu hohe Miete verlangen. Ihnen passiert nichts. Es gibt keine Sanktionsandrohung. Wenn sie erwischt werden, müssen sie das Geld, das sie in der Vergangenheit illegal behalten haben, nur zurückzahlen. Aber auch das ist erst so, seit ich den Rechtsausschuss des Bundestages auf diese Ungerechtigkeit aufmerksam gemacht habe. Und die Wahrscheinlichkeit, erwischt zu werden, liegt unter fünf Prozent.

    Die Mietpreisbremse

    gilt für alle ab 1. Juni 2015 abgeschlossenen Mietverträge. Danach darf die Miete zu Beginn des Mietverhältnisses die ortsübliche Vergleichsmiete höchstens um 10 Prozent übersteigen.
    Die Höhe der ortsüblichen Vergleichsmiete kann mit Hilfe des Berliner Mietspiegels ermittelt werden. Die mögliche Mietersparnis über Connys Rechner.

    Und woran liegt das?

    Die Leute gehen lieber auf die Straße und protestieren für niedrigere Mieten, als sich gegen den Vermieter zur Wehr zu setzen.

    Weil sie froh sind, überhaupt eine Wohnung zu haben?

    Es ist einfach, auf die Straße zu gehen und Dampf abzulassen. Effektiver aber ist es, gegen den eigenen Vermieter vorzugehen, zu sagen: Rüge, Klage, ich lass mir das nicht mehr gefallen. Aber es ist eben auch psychologisch kompliziert. Der Mieter hat vielleicht sechs Monate nach einer Wohnung gesucht, ist froh, eine gefunden zu haben, und kaum hat er den Mietvertrag unterschrieben, sagt er: Sorry, ich will aber eine Mietsenkung. Das fühlt sich unmoralisch an.

    Zumal, wenn es ein paar hundert Bewerber für die Wohnung gab und der Vermieter dem Mieter vertraut hat.

    Ja, aber der Mieter hat ja auch dem Vermieter vertraut, dass er sich ans Gesetz hält. Das ist die erste Bürgerpflicht, sich ans Gesetz zu halten. Wir sagen unseren Kunden: Der Vermieter hat die Marktlage ausgenutzt, und du, lieber Mieter, wehrst dich dagegen. Es gibt trotzdem einen Webfehler im Gesetz, wenn man Menschen zu einem gefühlt unmoralischen Verhalten motivieren muss.

    Verzichten Mieter deswegen auf ihre Forderungen?

    Wir stellen fest: Expats sind viel mutiger. Bei deutschen Mietern hat sich über Jahrzehnte so eine Art Untertanenkomplex herausgebildet.

    Woher kommt der?

    Die Mietpreise sind einfach schon so lange im Steigen. Man hat sich daran gewöhnt. Vielleicht spielt auch ein Statusdenken eine Rolle, der Eigentümer hat Eigentum, ich bin nur Mieter. Ich sehe es andersherum. Der Vermieter ist der Dienstleister. Der muss springen, wenn der Wasserhahn tropft. Ich bin selbst Vermieter, und meine Mieter sind sich ihrer Rechte bewusst.
    Expats werden besonders oft betrogen

    Aber sind Expats aus New York, London, Tel Aviv nicht noch höhere Mieten gewöhnt?

    Ja, aber sie sind oft jung und mutig und bereit, sich zu wehren. Und sie werden besonders oft betrogen. Weil sie nur drei Jahre bleiben, weil der Vermieter danach den nächsten Mietaufschlag vornehmen kann. Kurzfristmiete ist ihm viel lieber, als wenn ein Mieter 20 Jahre in derselben Wohnung bleibt und er nur alle drei Jahre die Miete um 15 Prozent erhöhen kann. Auch die Kaution wird gerne einbehalten. Es geht fast nie glimpflich aus mit der Kautionsrückerstattung.

    Was sind das für Leute, die Sie verklagen?

    Vom Privatvermieter über Wohnungsbaugesellschaften bis hin zu ausländischen Konzernen. Die meisten Privatvermieter sind rechtliche Laien, die haben gehört, die Berliner Mieten sind hoch, und wissen nicht, dass man nach dem Mietpreisspiegel nicht 15 Euro pro Quadratmeter, sondern nur zehn Euro nehmen darf. Die großen Vermieter wissen es natürlich, die sind mit Sicherheit bösgläubig. Zum Teil haben sie ihr Mietpreismodell um die Mietpreisbremse herumgestrickt, modernisieren die Wohnung nur ein bisschen und behaupten, sie hätten umfassend modernisiert. Wohnungen, die umfassend modernisiert sind, fallen aus der Mietpreisbremse heraus.

    In welchen Bezirken haben Sie die meisten Kunden?

    In den Ostbezirken: Prenzlauer Berg, Mitte, Friedrichshain, weil es da einfach die meisten Preissteigerungen gab, aber auch Kreuzberg und Neukölln.

    Gehen Sie selbst zu den Gerichtsterminen?

    Nee. Ich habe es zum Anfang gemacht und mich zu sehr aufgeregt.

    Ich dachte, wir rennen offene Türen ein und die Richter sagen: Endlich macht mal einer was. Das Gegenteil war der Fall.

    Conny-Chef Halmer

    Was hat Sie aufgeregt?

    Die Fälle werden ja vor dem Amtsgericht verhandelt, und das ist häufig mehr Amt als Gericht. Damit hatte ich nicht gerechnet. Als Wirtschaftsanwalt war ich vorher noch nie vor Gericht und dachte, da sind Richter, die schauen ins Gesetz, gucken sich den Sachverhalt an und kommen dann zum Ergebnis. Ich war naiv. Ich dachte: Wir stellen uns auf die Seite der Schwachen, der Mieter, wir rennen offene Türen ein. Die Richter sagen: Endlich macht mal einer was. Das Gegenteil war der Fall. Und das hat uns wahnsinnig viel Ärger gemacht.

    Das heißt, ihre Klagen wurden abgewiesen zum Anfang?

    Ja. Und wir haben jeden Monat ein paar hundert bis tausend Klagen eingereicht.

    Was war der Grund für die Abweisungen?

    Es ist immer einfacher, eine Klage abzuweisen. Ein Grund reicht, eine halbe Seite Begründung. Gebe ich einer Klage recht, füllt das mindestens fünf Seiten. Aufgeregt habe ich mich vor allem, weil viele Gerichte auf das Argument aufgesprungen sind, das, was wir als Legal Tech machen, sei ein Verstoß gegen das Rechtsdienstleistungsgesetz. Dabei wurde vom Bundesverfassungsgericht schon einmal ein sehr vergleichbares Geschäftsmodell beurteilt. Und was das Bundesverfassungsgericht sagt, hat Gesetzeskraft. Das gilt. Ich hatte immer die Urteile in meinem Rucksack, und wenn wieder eine Klage abgewiesen werden sollte, bin ich nach vorne zum Richter gegangen und habe gesagt: Schauen Sie hier! Warum halten Sie diese Passage für nicht einschlägig? Warum sehen Sie das anders?

    Und die Antwort?

    Herr Halmer, wir sind hier nicht im juristischen Examinatorium! Abgewiesen! So war das. Es hat mein Vertrauen, vor allem ins Amtsgericht, anfangs erheblich erschüttert. Umgekehrt war ich mir sicher, juristisch Recht zu haben. Und da bin ich mir sonst fast nie sicher. Wir sind dann vor den BGH gegangen, mit einem ganz normalen Mietbremse-Fall, wir wollten 25 Euro zurück für einen Monat. Vorher habe ich zu meinem Team gesagt: Wenn wir vor dem BGH verlieren, gebe ich meine Anwaltszulassung zurück.

    Mussten Sie aber nicht.

    Gott sei Dank nicht. Die Vorsitzende Richterin vom 8. Zivilsenat hat gleich zum Anfang gesagt: Das Geschäftsmodell von Conny ist überraschend, aber Verwunderung ersetzt noch keine Subsumtion. Ein paar Monate später haben sie dann auf hundert Seiten begründet, warum es rechtlich geht.

    Und seitdem gewinnen Sie Ihre Fälle?

    Wir haben eine außergerichtliche Einigungsquote von etwas über 50 Prozent. Und die Rate steigt. Es gibt aber auch immer noch harte Knochen, die sich verklagen lassen.

    Wieviele gewinnen Sie davon?

    Fast alle. Wir haben eine hohe Erfolgsquote, höher als die von Anwälten oder dem Mieterverein, weil die Vermieterseite, die uns ja mittlerweile kennt, weiß: Wir verdienen nur Geld, wenn wir erfolgreich sind. Es ist in unserer DNA, die Fälle zum Erfolg zu bringen und Fälle, die nicht aussichtsreich sind, nicht voranzutreiben.

    Lohnt sich Ihr Geschäftsmodell?

    So langsam kommen wir auf eine schwarze Null, nachdem wir viele Jahre Miese gemacht haben. Die Mitarbeiter, die Anwälte – das ist teuer. Und am Anfang mussten wir ja erstmal drei Jahre warten, bis das Geschäftsmodell überhaupt geklärt war. Auch die Prozesskosten müssen wir vorschießen. Wenn ich heute einen Fall zur Mietpreisbremse habe, der sich außergerichtlich klären lässt, haben wir das Geld in drei, vier Monaten auf dem Konto. Und der Mieter auch. Wenn wir vor Gericht gehen, dauert es zusätzlich mindestens zwölf Monate, weil die Gerichte überlastet sind. Wenn wir in die zweite Instanz, zum Landgericht, müssen, 24 Monate. So lange verdienen wir keinen Euro und müssen alle Kosten tragen.

    Was ist Conny?

    Conny wurde 2016 als Legal Tech gegründet. Das bedeutet, dass juristische Forderungen vor allem durch digitalisierte Verfahren durchgesetzt werden.
    Über einen Rechner wird kostenlos ermittelt, ob eine Forderung nach Mietpreissenkung Aussicht auf Erfolg hat und wie hoch der Anspruch ist.
    Außergerichtliche Einigungen werden angestrebt. Wenn die Gegenseite diese verweigert, wird mit Einverständnis des Kunden Klage erhoben.
    Conny übernimmt alle Kosten. Im Erfolgsfall werden sechs Monate Mietersparnis als Provision berechnet.
    Die Kreuzberger Firma hat ihr Geschäftsmodell inzwischen auf Finanz- und Arbeitsrecht erweitert.

    Was, wenn Mieter versuchen, allein vor Gericht zu ziehen?

    Dann scheitern sie meistens. Einige versuchen es, weil sie sich hundertprozentig sicher sind, dass sie zu viel bezahlen. Das Problem ist nur, keiner kann sich hundertprozentig sicher sein. Denn es gibt Ausnahmen, die nur der Vermieter kennt: Neubau, Modernisierung, die Höhe der Vormiete. Juristisch ist die Mietpreisbremse im Detail leider viel komplizierter, als man es auf den ersten Blick sieht. Ein Mieter geht also, wenn er die Miete eigenhändig kürzt, immer das Risiko ein, dass der Vermieter ihm sagt, du bist jetzt im Zahlungsverzug. Fristlose Kündigung!

    Wenn jetzt jeder in Berlin, der zu viel Miete bezahlt, zu Ihnen kommt, würde dann ihre Firma zusammenbrechen?

    Im Gegenteil: Wir würden weiter wachsen und könnten noch mehr Mietern helfen. Vieles, was wir machen, ist ja automatisiert. Also Schreiben und Entgegnungen an den Vermieter verschicken oder Klagen einreichen. Maschine und Mensch arbeiten Hand in Hand. Weil es sich oft um kleine Mietsenkungen handelt, lohnt sich unser Unternehmen nur durch unsere Technologie, nur durch Legal Tech, automatisierte Rechtsdurchsetzung, finanziert von Risikokapitalgebern. Sobald sich ein Mensch mit Mindestlohn hinsetzt und das durchrechnet, schon nicht mehr. In anderen Ländern sind Legal Techs gang und gäbe, in Deutschland noch nicht.
    „Wir haben viele Feinde.“

    Warum nicht?

    Weil im Bundestag viele in die Jahre gekommene Anwälte sitzen, die uns als Bedrohung empfinden. Und nicht nur sie. Wir haben viele Feinde. Rechtsanwaltskammern fürchten, wir nehmen ihren Mitgliedern ihr Geschäft weg, weil wir Legal Tech machen. Das stimmt natürlich nicht. Ein Rechtsanwalt, der nach RVG – der Gebührentabelle für Rechtsanwälte – arbeitet, verdient bei Streitwerten von wenigen 100 Euro einfach nicht genug, als dass sich seine Tätigkeit lohnen würde. Dann gibt es noch ganze Chat-Gruppen gegen Conny, Anwälte, die sich auf Abwehrstrategien gegen uns spezialisiert haben. Ein Vorsitzender Richter vom Landgericht Berlin lehnt nahezu alle unsere Klagen ab.

    Wie kann das sein?

    Das fragen wir uns auch. Er findet seit fünf Jahren immer wieder Gründe, unsere Klagen abzuweisen. Wir haben schon Verfassungsbeschwerden gegen ihn gewonnen. Das Bundesverfassungsgericht und der Bundesgerichtshof finden deutlichste Worte. Die Urteile seien „willkürlich“, also an der Grenze zur Rechtsbeugung. Es gab Zeitungsberichte über ihn und seine Praktiken. Aber es ist wie bei vielen Ungerechtigkeiten kein Skandal, der es auf die Titelseite der Bild-Zeitung schafft, macht aber die Leute fertig und krank, zermürbt sie. Jede zehn Euro, die man zu viel bezahlt, sind letztlich eine Bedrohung für die Demokratie. Ich glaube nicht, dass es damit zu tun hat, wie sich unsere Gesellschaft gerade polarisiert, gut ist es trotzdem nicht. Dabei könnte der Gesetzgeber das Gesetz über die Mietpreisbindung durch einen Federstrich vereinfachen.

    Wie das?

    Ganz einfach, das habe ich auch im Rechtsausschuss gesagt: Wenn ein Mieter aufgrund der Mietpreisbremse seine Miete kürzt und sich später herausstellt, er hat zu viel gekürzt, kann er deswegen nicht gekündigt werden. Wenn es so im Gesetz stünde, dann könnten wir unseren Mietern sagen, kürzen Sie die Miete und wir sehen, was passiert.

    Warum wird der Satz nicht reingeschrieben?

    Das kann ich nicht sagen. Es gibt Lobbyinteressen und die Immobilienindustrie ist sehr mächtig.

    Sie setzen sich für das Recht ein, brauchen aber den Rechtsbruch für den Erfolg Ihres Unternehmens. Ist das nicht ein Widerspruch?

    Die Frage kommt häufig von Investoren: Wenn ihr einen Marktanteil von hundert Prozent habt, wird doch die Gegenseite nicht mehr freiwillig das Gesetz verletzen. Overcompliance sozusagen. Das ist aber nicht so, solange es keine Sanktionen gegen Vermieter gibt.
    Als Nächstes sind die Banken dran

    Und wenn es doch einmal Sanktionen geben sollte, was machen Sie dann?

    Ach, der Verbraucher wird so oft betrogen. In der Summe kann man sagen, dass 99,9 Prozent der Verbraucherrechte nicht durchgesetzt werden. Recht haben und Recht bekommen – wie bei der Mietpreisbremse – sind zwei verschiedene Paar Schuhe. Unser Betätigungsfeld ist weit, die Liste von Themen riesig. Nehmen Sie die Bankgebühren. Der BGH hat letztes Jahr entschieden, dass die einseitige Gebührenerhöhung unwirksam ist. Nach unserer Schätzung liegen drei Milliarden Euro bei den Banken, die eigentlich den Kunden gehören. Die holen wir jetzt zurück.

    Sie gehen gegen Vermieter und Banken vor. Wie politisch sind Sie?

    Wir sind als Firma nicht politisch. Und wir haben unser Unternehmen bewusst nicht als Nonprofit gegründet. Man braucht den Druck des Markts, muss erfolgreich sein, um sich gegen Großkonzerne durchzusetzen und Investoren zu bekommen.

    Haben Sie schon mal überlegt, in die Politik zu gehen?

    Das könnte ich nicht, noch nicht, weil ich viel zu ungeduldig und zu polarisierend bin. Ich rege mich ständig auf. Ein Beispiel: Der Staat zahlt Hartz-IV-Empfängern die Wohnung. Und dreiviertel dieser Wohnungen sind vermutlich zu teuer. Der Staat sollte bitte sein eigenes Gesetz anwenden, um die Kosten zu reduzieren! Wir haben der Arbeitsagentur sogar unseren Mietspiegelrechner angeboten, haben gesagt, wir schicken dem Vermieter die Schreiben, kostenlos.

    Und?

    Keine Reaktion. Auch mit dem Mieterverein würden wir zusammenarbeiten, der ja ebenfalls staatlich finanziert wird. Erst neulich haben wir wieder gefragt und vorgeschlagen: Wir empfehlen jedem Kunden den Berliner Mieterverein und im Gegenzug bietet ihr euren 160.000 Mitgliedern unseren Service an. Wir kommen uns dabei überhaupt nicht in die Quere. Wir sind ein Legal-Tech-Unternehmen und ihr macht Beratung. Wir wollen auch keine Mitgliedsbeiträge kassieren. Abgelehnt. Zum fünften Mal.

    Haben Sie mal mit dem Senat geredet?

    Dem grünen Justizsenator der letzten Koalition haben wir den Vorschlag gemacht, dass der Staat Werbung für die Mietpreisbremse macht, weil sie viel zu komplex ist. Wir haben gesagt: Warum händigt ihr nicht jedem, der sich amtlich ummeldet, einen Flyer zur Mietpreisbremse aus, wie in der Corona-Krise zur Maskenpflicht? Auch dazu keine Reaktion. Aber wir geben nicht auf.

    Sie geben nie auf, oder?

    Wir sind Rechtspositivisten, wir sind für die Demokratie. Und Gesetze der Demokratie sollten angewandt werden.

    #Berlin #Wohnen #Recht