Warum in Berlin die Fahrpreise steigen sollen

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  • Mindesttarife für Uber, Bolt & Co.: Warum in Berlin die Fahrpreise steigen sollen
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    Es geht los, die Uber-Festung beginnt mit dem Beschuß der Truppen, die sich zur Rückeroberung des von Sozialstaat und Verkehrsregeln befreiten Terrains formieren. Die Verminung des Terrains mit fragwürdigen Gesetzesänderungen, veralteten Rechtsauffassungen und Einbindung der Taxi-Aufsichtsbehörde in die eigenen Einflusszone war erfolgreich. Nun soll der erneut aufflammende Widerstand gebrochen werden. Ein Artikel der Berliner Zeitung berichtet aus dem Arsenal der Uber-Menschen.

    10.4.2024 von Peter Neumann - Um bessere Bedingungen für Taxis zu schaffen, will der Senat einen umstrittenen Schritt wagen. Doch nicht nur dieses Vorhaben zieht sich in die Länge.

    So einfach ist das: Wem ein Taxi zu kostspielig ist, der ruft per Handy einen Mietwagen mit Fahrer herbei. Meist ist der Fahrpreis bei Uber, Bolt und Freenow niedriger. Doch das soll sich ändern. Jetzt hat die Senatsverkehrsverwaltung ihren Plan bekräftigt, in Berlin Mindestfahrpreise für den Mietwagenverkehr einzuführen. Taxis und Mietwagen sollen gleiche Bedingungen haben. Allerdings zieht sich das Vorhaben in die Länge, wie eine Anfrage der Berliner Zeitung ergab. Die Branche kritisiert den Plan – und behält sich vor, gegen das Land vor Gericht zu ziehen. Der Ärger über das „Taxischutzgesetz“ ist groß.

    Mehr als zweieinhalb Jahre sind schon vergangen: Seit August 2021 gibt das Personenbeförderungsgesetz Städten und Landkreisen die Möglichkeit, bei den Tarifen für Uber, Bolt und Co. eine Untergrenze einzuziehen. So soll das Taxigewerbe vor Preisdumping bewahrt werden. Doch weil die Kommunen keine weiteren Vorschriften an die Hand bekamen, blieb auch Berlin vorsichtig und nutzte die neue Befugnis nicht. Nun will Verkehrssenatorin Manja Schreiner (CDU) den Schritt wagen. Die größte deutsche Stadt soll Vorreiter werden. Von einer Umsetzung im Sommer ist aber keine Rede mehr.

    Festpreise für Taxis in Berlin: Was Fahrgäste beachten sollten

    „Die Vorbereitung der Einführung von Mindestpreisen im Mietwagenverkehr läuft“, sagte Schreiners Sprecherin Britta Elm. Wenn ein Fahrgast eine Taxifahrt bestellt, bekommt er auf Wunsch einen verbindlichen Tarif genannt, auf den er sich verlassen kann. Taxinutzer sollten aber eines beachten: Wie in München kann der Festpreis nicht nur um bis zu zehn Prozent unter, sondern auch um bis zu 20 Prozent über dem Basistarif liegen. Das soll es der Taxibranche ermöglichen, wie ihre Konkurrenz flexibel auf Angebot und Nachfrage reagieren zu können. Hieß es bislang, dass die Regelung im ersten Quartal 2024 eingeführt wird, nennt die Verwaltung derzeit kein Datum mehr.


    Warten auf Fahrgäste: 2019, im letzten Jahr vor Corona, waren im Dezember in Berlin 8044 Taxikonzessionen vergeben. Ende Februar 2024 waren in Berlin noch 5626 Taxis registriert.

    Was in der zweiten Stufe geschehen soll, steht aber bereits fest: Wenn es die Festpreisoption gibt, will der Senat ermitteln lassen, wie sie sich auf die Nachfrage nach Taxifahrten auswirkt. Die Ergebnisse sollen in das Vorhaben einfließen, das als Nächstes vorgesehen ist: Mindestpreise für den Mietwagenverkehr in Berlin. Deren Einführung werde „voraussichtlich zum Jahresende realistisch sein“, kündigte Elm auf Anfrage an.

    Zuletzt war davon die Rede, dass die Preis-Untergrenze früher kommen sollte. Doch die Juristen wollen das Vorhaben rechtssicher vorbereiten. Denn sie wissen, dass es Gegenwind geben wird, und rechnen mit Gerichtsverfahren. Einer der App-Betreiber, das estnische Unternehmen Bolt, spricht das offen aus. „Wir gehen von der Rechtswidrigkeit eines Mietwagenmindestpreises zum wirtschaftlichen Schutz des Taxigewerbes aus und halten uns alle Rechtsmittel offen“, so Johannes Söller, Sprecher von Bolt in Berlin.

    Fachkanzleien hätten das Thema intensiv geprüft, erklärte er. „Zwar räumt das Personenbeförderungsgesetz den Kommunen neue Spielräume in der Regulierung zwischen Taxi und Mietwagen ein, im Hinblick auf die Einführung von Mindestpreisen sind ihnen allerdings national und europäisch enge rechtliche Grenzen gesetzt.“ Söller verwies auf ein Urteil des Europäischen Gerichtshofs aus dem Juni 2023, bei dem es um die Regulierung des Mietwagenmarkts in Barcelona ging. Danach könne eine Maßnahme wie die Einführung von Mindestpreisen nicht mit dem Ziel gerechtfertigt werden, die wirtschaftliche Lebensfähigkeit der Taxidienste zu gewährleisten, hieß es bei Bolt.

    Auch bei Uber geht man davon aus, dass Behörden, die den Paragrafen 51a des Personenbeförderungsgesetzes anwenden, rechtswidrig handeln. Das Unternehmen aus den USA verweist auf ein Gutachten, das die Anwaltskanzlei Freshfields Bruckhaus Deringer vorgelegt habe. „Rein wirtschaftliche Motive der Taxiunternehmer stellen keine zwingenden Gründe des Allgemeininteresses dar“, fasste Uber-Sprecher Oliver Mattutat zusammen. „Erwägungen dieser Art können eine Regelung, die Mietwagenunternehmer in ihrer Niederlassungs- und Berufsfreiheit beschränkt, nicht rechtfertigen.“

    Mindestfahrpreise im Mietwagenverkehr: Vor diesen Folgen warnt die Branche

    Fahrgäste wären die Verlierer, warnte der Sprecher des Fahrdienstvermittlers. „Mindestpreise würden dazu führen, dass Fahrten für weniger zahlungskräftige Kunden nicht mehr leistbar sind und lokale Unternehmer weniger Umsätze erzielen. Darüber hinaus würden die sogenannten Mindestpreise die Menschen eher wieder in den privaten Pkw treiben, was zu mehr Verkehr und mehr Umweltbelastung führen würde“, sagte er.

    Mindestpreise würden der Branche die Preisflexibilität nehmen und einen „zentralen Erfolgsfaktor“ wegfallen lassen, bekräftigte Bolt-Sprecher Söller. Dabei seien Mietwagen mit Fahrern bei allen Altersgruppen beliebt und würden einen „wesentlichen Beitrag zur Demokratisierung der Fortbewegung“ leisten. Dagegen sei das Taxi „in puncto Vertriebsweg, Flexibilität und Bezahlung für viele Menschen nicht mehr zeitgemäß, durch die starren Tarifregelungen der Kommunen insbesondere in Schwachlastzeiten zu teuer und im Vergleich zu anderen Verkehrsmitteln nicht transparent genug“.

    Allerdings soll die geplante Festpreisregelung gerade dieses Manko zumindest in Berlin abschwächen. Taxi-Funktionär Hermann Waldner begrüßt den Plan des Senats. „Die heutige Generation, die viel übers Internet bestellt, ist nicht daran gewöhnt, dass die Kosten einer Taxifahrt nicht von vornherein auf den Cent genau feststehen“, sagte der Chef von Taxi Berlin im Interview mit der Berliner Zeitung 2023. „Bislang gibt es in Berlin keine Festpreise fürs Taxi, das verstehen viele Kunden nicht. Manche von ihnen fühlen sich betrogen, wenn plötzlich ein paar Euro mehr auf der Uhr stehen, weil das Taxi im Stau aufgehalten worden ist. Das ist aber kein Betrug, das ist der Taxitarif.“

    Keine Konzessionen: Neue Zahlen des Senats zeigen das Ausmaß des Betrugs

    Nach den Erkenntnissen des Taxigewerbes liegen die Mietwagen-Fahrpreise im Schnitt um bis zu 40 Prozent unter den Taxitarifen. „Angesichts solcher Dumpingpreise kann man es den Fahrgästen nicht verdenken, dass sie auf diese Angebote fliegen. Jeder versucht, Geld zu sparen – auch wenn dies dazu führt, Steuerhinterziehung und Sozialbetrug zu fördern. Denn anders können die Mietwagenunternehmen nach unserer Einschätzung nicht überleben“, sagte Waldner. Seine Funkzentrale Taxi Berlin habe 2015 rund acht Millionen Aufträge vermittelt, 2023 waren es rund fünf Millionen. Die Umsätze seien auf rund 60 Prozent des Durchschnitts 2016 bis 2019 gesunken. Auch die Zahl der Taxis in Berlin sank – bis Ende Februar auf 5626. Damals waren 4426 Mietwagen zugelassen. Kritiker monieren, dass Sozialdumping und Betrug grassieren.

    Am Dienstag wurde erneut deutlich, wie groß das Betrugsproblem in der Branche ist. Anlass war ein Bericht des Internetportals „Taxi heute“. Danach besaßen von den 484 Berliner Mietwagenunternehmen, die den App-Betreibern Bolt, Uber und Freenow seit August 2023 neue Fahrzeuge zur Vermittlung meldeten, 165 keine Konzession. Die Firmen wollten auf den Plattformen insgesamt 5043 Wagen registrieren lassen, von denen aber 2873 nicht die nötige Genehmigung des Landesamts für Bürger- und Ordnungsangelegenheiten hatten. Verwaltungssprecherin Elm bestätigte die Angaben. „Das ist so übermittelt worden und korrekt“, teilte sie auf Anfrage mit.

    Leipzig und Lörrach wagten den Schritt – das sind die Reaktionen

    Alexander Mönch, Deutschland-Chef bei Freenow, argumentiert ähnlich wie Waldner. Wie berichtet will sich der App-Betreiber in den kommenden Monaten aus dem Mietwagengeschäft zurückziehen und für diesen Bereich keine Fahrten mehr vermitteln. Aus Mönchs Sicht ist es nicht möglich, Mietwagen legal zu betreiben. Im Gespräch mit der Berliner Zeitung begrüßte er, dass Berlin Mindestpreise einführen möchte.

    „Mit dem Ridehailing ist in Berlin und anderswo ein taxigleicher Service entstanden. Doch bislang kann sich die Taxibranche mit ihren starren, staatlich regulierten Tarifen nicht gegen die Konkurrenz wehren, die ihre Fahrpreise je nach Situation flexibel festlegen darf“, rief der Freenow-Manager in Erinnerung. „Das Argument, dass viele Menschen weniger mobil sein werden, ist falsch. Wer es sich künftig nicht mehr leisten kann, sich im Mietwagen durch Berlin fahren zu lassen, kann unter einer Vielzahl anderer Optionen wählen: Bus, U-Bahn, S-Bahn, Straßenbahn. Oder er mietet ein Fahrrad oder einen E-Scooter. In Berlin stehen viele Möglichkeiten zur Verfügung.“

    Der Kreis Lörrach im Südwesten Deutschlands hat die Möglichkeit genutzt und Mindesttarife fixiert. Es gab weder Widersprüche noch Klagen gegen die Allgemeinverfügung. Die Stadt Leipzig beschloss bereits im September 2021 eine Verwaltungsrichtlinie, die für den Gelegenheitsverkehr mit Mietwagen Mindestentgelte festsetzte. Dagegen ist ein Mietwagenunternehmer vor das Verwaltungsgericht gezogen. Einen Termin gibt es bis heute nicht. Die Mindestfahrpreise seien relativ hoch, sagte ein Branchen-Insider. „Es steht zu befürchten, dass es der Stadt um die Ohren fliegt.“

    In der Senatsverwaltung ist man zuversichtlich, dass in Berlin eine rechtssichere Regelung möglich ist. Die geplante Allgemeinverfügung werde die Vorgaben des Europäischen Gerichtshofs berücksichtigen, die Mindestpreise würden wirtschaftlich hergeleitet, kündigte Verwaltungssprecherin Elm an.

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