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  • Medizinstudium in Berlin: Es gibt unzählige Arten, sich im Krankenhaus falsch zu verhalten
    https://www.berliner-zeitung.de/mensch-metropole/medizinstudium-in-berlin-es-gibt-unzaehlige-arten-sich-im-krankenha

    Les apprentis divins

    10.5.2024 von Leon-Alexander Regin - Selbst Standardaufgaben, wie einen Zugang zu legen, können zur Herausforderung werden. Vor allem wenn der angehende Arzt nervös ist und keine Routine hat.

    In einer Woche startet der erste Abschnitt meines Praktischen Jahres (PJ) im Medizinstudium. Ich freue mich darauf. Endlich wieder echte Patienten sehen. Nicht nur Prüfungsfragen wie im Staatsexamen. Aber denke ich an das PJ, habe ich auch Zweifel. Ich sehe Momente in der Klinik auf mich zukommen, die unangenehm werden können. Oder peinlich.

    Es gibt unzählige Arten, sich im Krankenhaus falsch zu verhalten oder sich vor Patienten als Anfänger zu outen. Das birgt Konfliktpotenzial. Wie zum Beispiel beim Legen von Zugängen in die Venen von Patienten, was zu den Hauptaufgaben von PJ-Studenten auf Station zählt.

    In meinem letzten Praktikum sagte der Assistenzarzt zu mir: „Wenn du es dreimal verkackt hast, komme ich und helfe dir.“ Das habe ich noch im Ohr. „Aber“, fuhr er fort, „wenn du später allein auf Station bist, musst du das können, du musst es lernen.“ Es ging um den Zugang bei Frau Sobek, einer Patientin. Ich hasste ihn für diese Sätze, weil ich wusste, dass er recht hatte.

    Frau Sobek lag im Zimmer 49. Sie hatte zwei offene Beine und erzählte, wie sie im sozialistischen Polen zehn Jahre lang eine Champignonfarm leitete. Ihre Eltern seien Zahnärzte in Niederschlesien gewesen, erzählte sie, während ich den ersten Zugang aus der Packung nahm. An ihrem ersten Arbeitstag in der Zahnarztpraxis ihres Vaters sei sie umgekippt, weil sie kein Blut habe sehen können. Ich verfehlte ihre Vene. So musste sie auch kein Blut sehen.

    Eine Champignonfarm, dachte ich, wäre vielleicht eine Alternative, wenn ich weiter den Zugang nicht reinbekomme. Zweiter Versuch. Die alte Dame machte eine Faust, ich stach die Metallnadel in ihre dünne, blasse Vene auf dem Handrücken. Das durchsichtige Endstück des Zugangs füllte sich rot. „Na, sehen Sie mal, jetzt klappt es“, sagt sie.

    Ich zog die Nadel heraus, schob langsam das Plastikröhrchen vor. Auf dem Handrücken unter der pergamentartigen Haut bildete sich ein lilafarbener Kreis, ein Bluterguss. Ein richtig großer sogar.

    Man will vor dem Patienten vor allem Routine ausstrahlen

    Einen Zugang zu legen ist eine Standardaufgabe. Ich bin mittlerweile seit sechs Jahren im Studium, habe sicher Hunderte Zugänge gelegt. Aber wenn man einmal aus der Übung ist, wird man nervös. Die Haare fallen in das Gesicht. Man zieht sich die Latex-Handschuhe über die schwitzigen Hände, sie kleben an der Handfläche, man zittert. Die Leichtigkeit fehlt, die es braucht, damit es klappt.

    Frau Sobeks Vene war geplatzt, das Blut floss daneben. „Tut mir leid“, sagte ich und hörte in meinem Kopf schon ihre Beschwerden: Der ganze Arm blau wegen Ihnen! Sah, wie sie mich mit gequältem Blick ansehen und sagen würde, dass ich es sein lassen solle. Doch stattdessen lächelte Frau Sobek mild und sagte: „Ist ja noch kein Meister vom Himmel gefallen. Versuchen Sie es einfach noch mal.“

    Für einen Patienten ist es manchmal doch nur ein Stich. Bei einem Medizinstudenten im PJ kann das viel mehr auslösen. Man will zeigen, dass man es allein hinkriegt, dass man souverän ist und professionell wirkt. Man will gegenüber den Patienten vor allem keine Unsicherheit ausstrahlen, sondern Routine. Aber das ist es am Anfang eben noch nicht, wo alles neu und ungewohnt ist. Darauf freue ich mich im PJ am allermeisten.

    Mascha Osang und Leon-Alexander Regin („Siemens“) berichten im Wechsel aus ihrem Alltag als Medizinstudenten in Berlin. Die Kolumnen erscheinen alle zwei Wochen.

    #iatrocratie #pédagogie #lutte_des_classes

  • Das neue Berlin - Golda-Meir-Steig
    https://europacity-berlin.de/en/official-opening-of-the-golda-meir-steg


    #Bezirk: #Berlin-Mitte
    Ortsteil: #Mitte, Moabit
    Verlauf: #Kieler_Straße an der #Promenade_am_Berlin-Spandauer_Schifffahrtskanal bis #Otto-Weidt-Platz über den #Berlin-Spandauer_Schifffahrtskanal

    8.12.2024 - Today, Europacity’s new pedestrian and cycle bridge, the Golda-Meir-Steg, was opened to the public.

    However, its debut in Berlin was months earlier when the city’s latest landmark was hoisted into position over the Berlin-Spandau shipping canal in a spectacular heavy lifting operation in October 2020. Together with the new public square Otto-Weidt-Platz, the bridge forms an important link connecting the once divided districts of Moabit and Mitte. Now, the square, as well as the promenade along the banks of the canal, are even easier to access as tranquil places to sit back, relax, and enjoy the view.

    Guests at the event were served with hot mulled wine to celebrate the occasion, which was hosted by the Senate Department for the Environment, Transport and Climate Protection. Berlin’s Senator for Transport Regine Günther performed the ribbon-cutting ceremony, and then the gathering was invited to walk across the bridge to visit Otto-Weidt-Platz.

    https://de.m.wikipedia.org/wiki/Berlin-Spandauer_Schifffahrtskanal

    Berlin-Spandauer Schifffahrtskanal (BSK; ehemals #Hohenzollernkanal; #Spandauer_Canal; #Spandauer_Schiffahrtskanal)

    Viele Berliner und Touristen kennen den Berlin-Spandauer Schifffahrtskanal unter dem Namen #Hohenzollernkanal. So steht er auch in topografischen Karten, bis kurz vor dem Jahr 2000 auch in mehreren Stadtplänen, darunter auch der Online-Plan von www.berlin.de. Im Portal von Geoinformation Berlin ist der ältere Name in Klammern hinter den amtlichen gesetzt: „Berlin-Spandauer Schifffahrtskanal (Hohenzollernkanal)“.

    Otto-Weidt-Platz
    https://berlin.kauperts.de/Strassen/Otto-Weidt-Platz-10557-Berlin

    Otto-Weidt-Platz hat die Hausnummern 1-16, gehört zum Ortsteil Moabit und hat die Postleitzahl 10557
    Allgemeines zu Otto-Weidt-Platz
    Postleitzahl 10557
    Ortsteil Moabit
    ÖPNV Zone A Tram M5, M8, M10 — Bus TXL, M27, M41, 120, 123, 142, 147, 245 — U‑Bahn 6 Reinickendorfer Straße ♿ — U‑Bahn 55 Hauptbahnhof ♿ — S‑Bahn 5, 7, 75 Hauptbahnhof ♿
    Straßenverlauf an Heidestraße
    Falk‑Stadtplan Planquadrat K 15
    Geschichte von Otto-Weidt-Platz
    Ehemaliger Bezirk Tiergarten
    Name seit 18.05.2018

    Im Auge der Berliner Europacity: Systemgastronomie und kurze, haarige Beine
    https://www.berliner-zeitung.de/mensch-metropole/im-auge-der-berliner-europacity-li.2211373

    9.5.2024 von Sabine Röthig - Niemand interessiert sich für die Europacity. Ein Besuch auf dem zentralen Platz der Siedlung lässt erahnen, warum das so ist.

    Eine junge Mutter gähnt, ohne sich die Hand vor den Mund zu halten. Sie starrt mich dabei an. Mir wird mulmig. Ich schaue nach unten in meinen Cappuccino, den ich mir gerade für vier Euro inklusive Trinkgeld gekauft habe. Ich sitze in einem Frühstücklokal in der Europacity, weil ich einen Artikel über den Otto-Weidt-Platz schreiben möchte.

    Das weitläufige Areal ist so etwas wie der Dorfplatz der Siedlung. Hier gibt es Systemgastronomie, Fahrradständer und lange Sitzbänke. Jetzt wimmert der Spross der müden Mutter. Der ebenfalls anwesende Vater spricht zum Kind in einer Sprache, die ich nicht verstehe. Der Nachwuchs schaut brüskiert. Die Atmosphäre ist ein wenig beklemmend. Ich fühle mich wie auf einer Party, auf der ich zu früh erschienen bin. Ein junges asiatisches Pärchen setzt sich an den Nebentisch, sie haben einen Hund mit einem großen wuscheligen Oberkörper und sehr kurzen Beinen mitgebracht. Das Tier macht unter dem Stuhl von Frauchen Platz.

    Über die vor einigen Jahren als riesiger Wohnkomplex aus dem Boden gestampfte Europacity haben sich die Berliner im Vergleich zu anderen zentralen Großbauprojekten erstaunlich wenig echauffiert. Man erinnere sich nur an die Empörung über die Neubauten auf dem Potsdamer Platz in den 90er-Jahren oder an den Dauerstress um den Alexanderplatz. Vielleicht gewöhnen sich die Leute so langsam an das fensterreiche Wohnungsregal, das sich als architektonischer Topos der Epoche endgültig durchzusetzen scheint. Oder die Gegend um die Heidestraße ist einfach nicht wichtig genug, um sich über die neuen Häuser aufzuregen.

    Ich verlasse das Café. Draußen zerrt der Wind an jungen Baumkronen und den Blumenröcken der Frauen. In der Mitte des Platzes entsteht ein Brunnen, seit Jahren wird hier gewerkelt. Die Erde war wohl mit Industrieabfällen verseucht gewesen, sie musste komplett ausgetauscht werden. Einige organisch geformte Grünflächen sind jetzt angelegt, doch vieles ist noch unfertig. Kopfsteinpflaster überzieht die Ränder des Platzes – eine interessante stilistische Entscheidung in dieser Umgebung.

    Ich gehe in Richtung Fluss. Das Spektakuläre an der Europastadt ist ja, dass sie direkt am Wasser liegt. Genauer am Berlin-Spandauer-Schifffahrtskanal – eine Mitte des 19. Jahrhunderts angelegte Wasserstraße, die Spree und Havel verbindet sowie Moabit von Mitte trennt. Seit einiger Zeit gibt es hier sogar eine Uferpromenade, die extra für Fußgänger und Fahrradfahrer angelegt wurde. Kilometerlanges Nichts am Kanal lädt hier jetzt zur inneren Einkehr und körperlichen Ernüchterung ein.


    Das Uglymeter fällt ein strenges Urteil über den Otto-Weidt-Platz in der Europacity. BLZ

    Am nordöstlichen Ende des Otto-Weidt-Platzes bietet ein vietnamesisches Restaurant neben Eiskaffee auch Cocktails und Sushi an. Ich laufe zügig daran vorbei und passiere eine große Eistüte aus glänzendem Kunststoff, als sich plötzlich direkt vor mir eine bizarre Petunien-Pyramide erhebt. Das florale Riesengesteck ist mindestens zwei Meter hoch. Wider Erwarten preist hier aber kein Blumenladen Blumen an, sondern eine Pizzeria Pizzen. Ich staune nicht schlecht. Festlich klimpert das Besteck unter den orangefarbenen Schirmen, die für Schaumwein werben und die Essenenden vor der Frühlingssonne schützen.

    Eine ältere Dame flaniert an den locker besetzten Plastikstühlen vorbei. An der Leine läuft ein Hund mit sehr kurzen Beinen. Schon wieder so ein Tier, denke ich. Gehen die Leute in der Europacity hier etwa alle mit ihren Lügen Gassi? Doch bevor ich noch tiefer ins Grübeln komme, stehe ich schon auf der nigelnagelneuen Fußgängerbrücke, die mich aus Moabit direkt zurück nach Mitte führt. Dort werde ich jetzt mal auf die Hundebeine achten.

    #Berlin #Stadtentwicklung

  • Sicherheitspanne im Berliner LKA : Kommissariatsleiter unterschlug riesige Geldsummen
    https://www.berliner-zeitung.de/mensch-metropole/sicherheitspanne-im-berliner-lka-kommissariatsleiter-unterschlug-ri

    Le ripou de Berlin - un commissaire a détourné au moins € 150.000 et roulait en Porsche réquisitionné. Il avait l’autorisation de dépenser l’argent pour la protection de témoins, mais personne n’a jamais vérifié s’il avait vraiment acheté les choses pour lesquelles il présentait des factures.

    29.4.2024 von Andreas Kopietz - Der Beamte war für verdeckte Ermittler, V-Leute und Zeugenschutz zuständig und sorgte für einen bundesweiten Skandal. Berlins LKA-Chef erklärt nun, was schieflief.

    Er saß an der empfindlichsten Stelle des Berliner Landeskriminalamtes. Clemens K. leitete das Logistik-Kommissariat im LKA 65 (Zeugenschutz, verdeckte Ermittlungen, Vertrauenspersonen). Unter Legenden besorgte er konspirative Wohnungen, war zuständig für das Beschaffen von Autos, Telefonen oder Handyverträgen. Allerdings zweigte er über Jahre viel Geld für die Anschaffungen ab und soll sogar mit einem beschlagnahmten Porsche privat herumgefahren sein. Nicht nur für die Berliner Polizei, sondern bundesweit ist das ein Super-GAU, denn in dem Kommissariat geht es um strengste Geheimhaltung.

    Vor einigen Wochen wurde Clemens K. dafür vom Amtsgericht Tiergarten bestraft, die Polizei hat den mittlerweile 61-Jährigen inzwischen entlassen. Doch wie viel Steuergeld der Beamte vom Dienstgrad Erster Polizeihauptkommissar wirklich abzweigte, bleibt unklar.

    Der Leiter des Logistik-Kommissariats hätte über lange Zeit „mit ziemlich hoher krimineller“ Energie Lücken ausgenutzt, sagte der Leiter des Berliner LKA, Christian Steiof, am Montag im Innenausschuss des Abgeordnetenhauses. Die Fraktion die Linke hatte das Thema auf die Tagesordnung gesetzt. „Wir müssen unabhängig von diesem Einzelfall darüber sprechen, wie die Kontrollstrukturen sind“, begründete deren innenpolitischer Sprecher Niklas Schrader.

    Immerhin soll es bei Clemens K. schon seit längerer Zeit Hinweise auf Unregelmäßigkeiten gegeben haben, wie diese Zeitung berichtete. Sie wurden zwar von Mitarbeitern gemeldet, allerdings in der Behörde ignoriert. Angeblich soll der Beamte 150.000 bis 200.000 Euro unterschlagen haben. Vor Gericht konnte ihm lediglich ein Betrag von etwa 74.000 Euro angelastet werden, für die Zeit zwischen September 2017 und August 2021: etwa für einen angeblichen Reifenwechsel, ein iPhone oder auch eine konspirative Wohnung. Mögliche andere Beträge fallen unter die Verjährungsfrist.

    Wie LKA-Chef Steiof sagt, waren die Taten möglich, weil der Kommissariatsleiter „eine gewisse Zeichnungsbefugnis“ für Anschaffungen hatte. „Die Unterschlagungen waren möglich, weil unsere Revision bei einem genehmigten Kauf von Ausrüstungsgegenständen nur prüfte, ob das Geld ausgegeben wurde, nicht, ob der Gegenstand auch erworben wurde.“
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    Das geschah laut dem LKA-Chef aus Geheimhaltungsgründen, weil ein Revisor nicht wissen durfte, welches Einsatzmittel taktischer Art für das Geld gekauft wurde. Dies sei komplett geändert worden. Jetzt finde eine Bestandsprüfung statt, auch wenn das zulasten der Geheimhaltung gehe.

    Clemens K. nutzte laut Steiof zudem Zeiten aus, in denen sein Chef, der Dezernatsleiter, der der eigentliche Prüfer und Zeichnungsbefugte war, sich im Urlaub befand. K. war Vertreter des Dezernatsleiters und in dessen Abwesenheit zeichnungsbefugt.
    Verfahren endet mit mildem Strafbefehl

    Diese Lücke wurde nach Angaben des LKA-Chefs geschlossen, weil jetzt immer ein Beamter des höheren Dienstes im LKA 65 die Prüfung vornimmt. Wenn beide nicht da sind, zeichnet die LKA-Leitung.

    Laut Christian Steiof gibt es keine Anhaltspunkte dafür, dass der Mann Dienstgeheimnisse verraten hat. Der Fall hatte innerhalb der Sicherheitsbehörden bundesweit für Erschütterung gesorgt. Denn Clemens K. soll unter anderem die Klarnamen verdeckter Ermittler gekannt haben – auch von solchen aus anderen Bundesländern. Im Gefängnis wäre er erpressbar.

    Weder Staatsanwaltschaft noch Polizei konnten ein Interesse daran haben, dass der Fall großes öffentliches Aufsehen erregt. So wurde darüber diskutiert, die Öffentlichkeit bei Gericht auszuschließen. Bei einer Verurteilung drohten dem ehemaligen Kommissariatsleiter bis zu vier Jahre Haft. Vor einigen Wochen erließ das Landgericht Berlin einen Strafbefehl: ein Jahr Haft, ausgesetzt zur Bewährung. Öffentlich verhandelt wurde nicht.

    #Berlin #police #fraude

  • “Une pollution sonore” : les vacances sans enfants gagnent du terrain
    https://www.bfmtv.com/economie/consommation/une-pollution-sonore-les-vacances-sans-enfants-gagnent-du-terrain_AD-20240426

    La quiétude et la tranquillité, ce sont les arguments de vente de l’Anglais Stuart Coe, qui gère un camping interdit aux enfants, bien loin de l’ambiance des resorts très populaires en Espagne, Italie ou Grèce. Propriétaire de cette installation quatre étoiles dans le Lot depuis 1993, le septuagénaire s’est lancé dans le « adults only » en 2009. « On en avait marre des enfants pas contrôlés par les parents », justifie-t-il.

    « Quand on avait des familles avec enfants, tout tournait autour d’eux. Ça perturbait le caractère calme que je voulais privilégier », confie de son côté Vincent Clerjoux-Rhodes, propriétaire du Domaine des Ormeaux en Dordogne, qui a décidé depuis six ans de limiter l’accès à ses gîtes aux plus de 16 ans.

    (Rappelle-moi un peu pourquoi il ne faudrait pas euthanasier les vieux ?)

  • Patienten getötet : Charité-Oberarzt in Berlin zu Haftstrafe verurteilt
    https://www.berliner-zeitung.de/mensch-metropole/herzmediziner-der-charite-berlin-zu-haftstrafe-verurteilt-li.220981


    Der Charité-Mediziner Gunther S. musste am Freitag nicht in die Untersuchungshaftanstalt zurück. Er wurde von der Haft verschont. Foto Katrin Bischoff/Berliner Zeitung

    Au fond rien n’a changé depuis l’assassinat de centaines de milliers de patients par les médecins nazis dans le contexte de l’action T4 et des institutions du Reich . Malgré quelques lois qui semblent imposer le contraire l’état, ses juges et la morale publique ne mettent pas en question le pouvoir sur ta vie et ta mort des demi-dieux en blouse blanche. Tous les jours les médecins tuent des patients sans égard de leur volonté ou de celle de leurs proches sous le prétexte de l’élimination d’une vie qui ne vaut pas d’être vécue („Vernichtung lebensunwerten Lebens“).

    Quand un spéciment de cette caste d’assassins se fait prendre, la morale dominante veut qu’il soit jugé avec clémence. Un acte qui serait considéré comme un meurte chez n’importe qui d’autre passe pour de l’empathie professionnelle quand l’auteur du crime est médecin.

    En tant que patients que nous sommes tous sans exception il ne faut jamais oublier avec qui nous avons à faire quand nous allons voir les maîtres de la distribution de soins et de médicaments. Ils détiennent ce qu’Ian Fleming a surnommé "a licence to kill".

    Là un de ces tueurs vient d’écoper une condamnation pour homicide au premier degré avec libération immédiate parce que la durée de sa détention provisoire de moins d’un an a été plus longue que la peine prononcée. Une condamnation pour homicide était incontournable mais la cour a voulu qu’elle soit la moins dure possible. Les juges ne considèrent pas comme du meurte la terminaison de la vie de deux patients sur simple décision de médecin. Voilà ce qui est grave.

    Je suis convaincu qui faut en finir avec ce pouvoir et cette morale par l’action collective et publique.

    26.4.2024 von Katrin Bischoff - .Nach dem Tod zweier Patienten kommt ein Kardiologe der Charité Berlin vor Gericht. Die Staatsanwaltschaft wirft ihm Mord vor. Nun gibt es ein Urteil.

    Als Gunther S. am Freitagnachmittag gegen 15.15 Uhr aus dem Saal 142 des Kriminalgerichts tritt, eine durchsichtige Plastiktüte mit Prozessunterlagen in den Händen, wird er erst einmal umarmt. Kollegen und Bekannte warten. Gunther S. ist die Erleichterung anzusehen, dass er zunächst nicht mehr in seine Gefängniszelle zurück muss.

    Gerade wurde der Arzt der Charité wegen zweifachen Totschlags in minderschwerem Fall zu einer Haftstrafe von vier Jahren verurteilt, doch die 30. Große Strafkammer des Landgerichts Berlin setzte auch seinen Haftbefehl außer Vollzug. Fast ein Jahr lang saß der Oberarzt der kardiologischen Intensivstation (ITS) in Moabit in Untersuchungshaft. „Wir werden gegen das Urteil selbstverständlich in Revision gehen“, kündigt Jan Smollich an, einer der Verteidiger des promovierten Arztes. Die Anwälte hatten auf Freispruch plädiert.

    24 Verhandlungstage sind vergangen, in denen sich der Oberarzt wegen eines schweren Vorwurfs verantworten musste. Er soll zwei schwerstkranke Patienten auf der kardiologischen Intensivstation 47i am Charité-Campus Virchow-Klinikum mit einer Überdosis Propofol getötet haben. Der Staatsanwalt hatte in seinem Plädoyer sogar eine lebenslange Freiheitsstrafe wegen heimtückischen Mordes verlangt, weil sich Dr. S. zum Herrn über Leben und Tod aufgeschwungen habe.

    Doch der Argumentation des Anklägers konnten die Richter der Schwurgerichtskammer nicht folgen. „Wir sind überzeugt, dass es sich in beiden Fällen um eine gezielte Abkürzung des Lebens und damit eine gezielte Tötung handelt“, sagte Gregor Herb, der Vorsitzende Richter. Vieles spreche aber dafür, dass es die Zugewandtheit zu den Patienten war, die Dr. S. zu diesem Handeln bewegt habe. Es fehle an einer lebensfeindlichen Haltung.
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    Herb erklärte, dass der „Gesetzgeber uns vor Probleme“ stelle, wenn es um Fälle ärztlichen Handelns am Ende eines Lebens gehe. Aber hier sei eine eindeutige strafrechtliche Beurteilung möglich. Was geschehen war, beschrieb der 52-jährige Richter so: Am 22. November 2021 musste der eine Woche zuvor eingelieferte schwerstkranke Patient Ulrich B. über eine halbe Stunde reanimiert werden, dann hatte er wieder einen Kreislauf.

    Was Gunther S. bei dem folgenden Notfallkadiogramm des 73-jährigen Patienten sah, ließ ihn zu der Überzeugung gelangen, dass Ulrich B. nicht mehr mit dem Ziel einer Genesung oder Besserung des Gesundheitszustandes behandelbar war. „Zwar schlug das Herz noch, aber der Arzt hatte keine Zuversicht, dass da noch was zu machen war“, so Herb.

    Zwei Minuten später war Ulrich B. tot

    Um 10.36 Uhr habe Gunther S. die Krankenschwester Katja W. angewiesen, ihr eine hohe Dosis des Sedierungsmittels Propofol zu spritzen. Als die 39-Jährige zögerte, forderte sie der Arzt nochmals auf. In der Überzeugung, der Mediziner könne die Dosierung besser beurteilen, habe die Krankenschwester das Propofol verabreicht, so Herb. Zwei Minuten später war Ulrich B. tot.

    Sophie J., eine junge, noch unerfahrene Krankenschwester, war mit in dem Patientenzimmer. Sie unternahm zunächst nichts, wandte sich aber acht Monate später, nach dem Tod der 73-jährigen Marianne G., an die Vertrauensanwälte der Charité. Die Stelle war eingerichtet worden, nachdem die Krankenschwester Irene B. in der Charité mehrere Patienten umgebracht hat. Sie wurde 2008 wegen Mordes und Totschlags an fünf Menschen zu lebenslanger Haft verurteilt.

    Marianne G., ebenfalls 73 Jahre alt, kam am 23. Juli 2022 mit lebensbedrohlichen Vorerkrankungen auf die ITS 47i. Ihr Herz hatte immer wieder ausgesetzt. Am Abend entschieden zwei Ärzte, darunter Gunther S., auf palliative Behandlung umzustellen. Die Patientin war nicht sediert, Gunther S. spritzte ihr im Beisein von Sophie J. zunächst 200 Milligramm Propofol. Er beendete die Beatmung. „Und erwartete den Tod, den er herbeizuführen beabsichtigte“, so Herb.

    Doch Marianne G. starb nicht. Deswegen holte Gunther S. erneut Propofol und injizierte ihr 400 Milligramm. „Wenige Augenblicke später verstarb die Patientin“, erklärte der Vorsitzende Richter. Der Ablauf beruhe auf den Angaben von Sophie J. und decke sich „in den allerweitesten Teilen mit der Einlassung des Angeklagten“.

    Dabei sei die Dosis ein zentraler Punkt, erklärte Herb. Gunther S. hatte zugegeben, den Patienten das Sedierungmittel gespritzt zu haben - jedoch in wesentlich geringerer Menge. Er habe damit die Sterbenden abschirmen, ihnen unnötiges Leid, Schmerzen und Todesangst ersparen wollen.

    Fünf Sachverständige hatten in dem Prozess ausgesagt, dass die Menge von 500 Milligramm bei Ulrich B. und 600 Milligramm bei Marianne G. all das übersteige, was therapeutisch sinnvoll wäre. Selbst die von Gunther S. angegebene geringere Dosierung sei „ein Ritt auf der Rasierklinge“ gewesen, so der Richter.

    Wir sind überzeugt, dass es sich in beiden Fällen um eine gezielte Abkürzung des Lebens und damit eine gezielte Tötung handelt
    Gregor Herb, Vorsitzender Richter

    Herb machte klar, dass die Kammer der Hauptbelastungszeugin in diesem Prozess glaube. Ihre Aussage sei in Einzelheiten voll belastbar. Sie habe nicht den Eindruck gemacht, als würde sie „das Blaue vom Himmel“ herunterlügen.

    Die Richter gehen in ihrem Urteil aber auch davon aus, dass allen klar gewesen sei, dass die Patienten todgeweiht waren. Trotzdem sei das Vorgehen des Arztes nicht mit einer Palliativbehandlung in Einklang zu bringen. Propofol habe bei der palliativen Sedierung nicht zu suchen, das hätten mehrere Gutachter und auch andere in dem Verfahren ausgesagt. Das Vorgehen von Dr. S. habe gegen alle Regeln verstoßen. Auch wenn die Patienten im Sterbeprozess waren: „Auch einem sterbenden Herz kann man den Rest geben“, so der Richter.

    Für den Angeklagte spreche, dass sich Gunther S. noch nie etwas habe zuschulden kommen lassen. Zudem werde der Schuldspruch, so er rechtskräftig werde, einschneidende beruflich Konsequenzen nach sich ziehen. Andererseits habe der Angeklagte auch seine berufliche Stellung und das Vertrauen von Patienten und Angehörigen ausgenutzt.

    Herb erklärte in seiner fast einstündigen Urteilsbegründung auch, es gebe vielleicht viele, die sich einen Dr. S. wünschen würden. „Letztlich möchte man aber als Angehöriger bei der Entscheidung über Leben und Tod gefragt werden.“

    Unklar ist, ob auch Staatsanwalt Martin Knispel Revision gegen das Urteil einlegen wird. Er hatte Gunther S. wegen Mordes angeklagt, doch das Gericht hatte die Anklage lediglich wegen Totschlags zugelassen. Das Verfahren gegen die zunächst mitangeklagte Krankenschwester Katja W. war im Februar gegen eine Geldauflage eingestellt worden.

    Gunther S. erklärt nach dem Urteil, er werde nun erst einmal nach Hause gehen. Zweimal in der Woche muss er sich bei der Polizei melden, so die Auflage des Gerichts.

    Charité-Arzt verurteilt : Totschlag kein Einzelfall, „Täter gelten als sehr engagierte, sehr empathische Menschen“
    https://www.berliner-zeitung.de/gesundheit-oekologie/berlin-charite-arzt-verurteilt-totschlag-kein-einzelfall-taeter-gel

    #Allemagne #Berlin #iatrocratie #meurtre #euthanasie

  • Charité-Arzt in Berlin vor Gericht : Staatsanwalt fordert Mord-Urteil und lebenslange Haft
    https://www.berliner-zeitung.de/mensch-metropole/charite-arzt-in-berlin-vor-gericht-staatsanwalt-fordert-mord-urteil

    Quand le toubib euthanasit mémé c’est pas drôle, c’est du meurtre. Pour une fois un de ces criminels s’est fait prendre à cause d’une jeune infirmière pas encore cooptée par le clan des médecins meurtriers.

    25.4.2024 von Katrin Bischoff - Der Mediziner Gunther S. soll zwei schwer kranke Patienten totgespritzt haben – laut Staatsanwalt aus eigennützigen Motiven. Am Freitag soll das Urteil in Berlin fallen.

    Im Prozess gegen den Arzt der Charité, der auf der kardiologischen Intensivstation 47i zwei schwer kranke Patienten totgespritzt haben soll, hat Staatsanwalt Martin Knispel am Donnerstag eine lebenslange Haftstrafe wegen Mordes in zwei Fällen sowie ein lebenslanges Berufsverbot gefordert. Der 56-jährige Oberarzt habe heimtückisch und aus niedrigen Beweggründen gehandelt, begründete der Vertreter der Anklage.

    Nach Knispels Angaben hat Gunther S. aus eigennützigen Motiven gehandelt, als er den schwer kranken Patienten, beide waren 73 Jahre alt, das Sedierungsmittel Propofol in völlig überhöhter Dosis gespritzt habe. Dadurch habe Gunther S. seine Stellung als Arzt ausgenutzt und seine Vorstellung von einem richtigen Zeitpunkt des Sterbens durchgesetzt.

    Knispels Forderung nach einer Verurteilung zur Höchststrafe kommt an diesem 23. Verhandlungstag überraschend. Zwar hatte der Staatsanwalt die Taten wegen Mordes angeklagt, doch ließ die Kammer die Anklage lediglich wegen Totschlags zu. Sie ging davon aus, dass Gunther S. auch aus Mitleid mit den schwer kranken Patienten gehandelt haben könnte.

    Eine junge Krankenschwester hatte das Verfahren gegen den Arzt ins Rollen gebracht. Laura M. hatte sich an die Vertrauensanwälte der Charité gewandt, die wiederum die Staatsanwaltschaft informierten. Die 28-Jährige gab auch vor Gericht an, dass sie am 22. November 2021 dabei gewesen sei, als Gunther S. nach einer zunächst erfolgreichen Reanimation eines Patienten die Krankenschwester Katja W. angewiesen haben soll, dem Schwerkranken Propofol zu spritzen. W. soll gezögert, doch nach nochmaliger Aufforderung die Spritze gesetzt haben. Der Patient war kurz darauf tot.
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    Auch am 23. Juli 2022 beobachtet Laura M., wie Gunther S. einer Patientin das Sedierungsmittel injiziert haben soll – in einer sehr hohen, tödlichen Dosis. Die Zeugin sei uneingeschränkt glaubhaft, sagt Knispel. Ein Komplott gegen Dr. S. schließt der Staatsanwalt aus.
    Gabe von Propofol nicht dokumentiert

    Der Angeklagte gab in dem Prozess zu, den beiden Patienten das Sedierungsmittel gespritzt zu haben – jedoch in wesentlich geringerer Dosierung. Er habe die im Sterben liegenden Patienten abschirmen, ihnen unnötiges Leid, Schmerzen und Todesangst ersparen wollen, begründete er sein Handeln. Das Einzige, was er sich vorwerfen müsse, sei, dass er die Propofolgabe nicht dokumentiert habe.

    Die Charité hatte den Oberarzt nach Bekanntwerden der Vorwürfe im August 2022 freigestellt. Im Mai vorigen Jahres wurde Gunther S. verhaftet, seitdem sitzt er in Untersuchungshaft. Das Verfahren gegen die zunächst mitangeklagte Krankenschwester Katja W. war nach Zahlung einer Geldauflage eingestellt worden.

    Bevor Knispel an diesem 23. Verhandlungstag mit seinem Plädoyer begann, hatte der Pharmakologe Roland Seifert sein Gutachten erstattet – auf Antrag der Verteidiger. Seifert, Professor an der Medizinischen Hochschule Hannover, erklärte, dass er im Blut der verstorbenen Patientin neben Propofol auch noch die Medikamente Mepivacain und Ketamin gefunden habe.

    Vor allem das Mepivacain habe ihn verwundert. Es werde nur zur Lokalanästhesie benutzt und habe in der Notfallmedizin nichts zu suchen. „Wie ist der Arzneistoff in dieser tödlichen Konzentration ins Blut gekommen?“, fragte Seifert. Und durch wen? Das sei nicht dokumentiert.

    Der Experte erklärte zudem, dass das Mepivacain der Patientin kurz vor ihrem Tod in einer hohen Menge verabreicht worden sein müsse. Zu den von Gunther S. selbst angegebenen Dosen Propofol meinte der Sachverständige, diese seien „definitiv zu hoch gewesen“.

    Name geändert

    #iatrocratie #meurtre #Berlin

  • Berlin: Chaos bei der Umbenennung der Manteuffelstraße in Audre-Lorde-Straße
    https://www.berliner-zeitung.de/mensch-metropole/berlin-chaos-bei-der-umbenennung-der-manteuffelstrasse-in-audre-lor

    25.4.2024 von Stella Tringali - Ein Teil der Straße in Kreuzberg trägt künftig den Namen einer amerikanischen Aktivistin. Doch die Umsetzung zieht sich seit Monaten hin und sorgt für Irritationen.

    Wenn Straßen umbenannt werden, sorgt das auch in Berlin meist für Streit, besonders in Kreuzberg: Denn dort verfolgt der Bezirk seit Jahren das Ziel, dass die Straßennamen weiblicher werden. Seit 2005 dürfen Straßen nur noch neu nach Frauen benannt werden. Doch mit der Umsetzung hapert es. Das zeigt sich derzeit in der Manteuffelstraße, bei Anwohnern und Lieferdiensten ist gar von „Straßennamen-Chaos“ die Rede.

    Seit September des vergangenen Jahres trägt der nördliche Teil den Namen Audre-Lorde-Straße. Seit der Umbenennung des Abschnittes zwischen Skalitzer und Köpenicker Straße sind zwar bereits sechs Monate vergangen, doch zu sehen war davon lange Zeit nichts – kein Straßenschild, nirgends. Erst vergangene Woche wurden die ersten neuen Schilder aufgehängt.

    Treptow-Köpenick: Igo-Etrich-Straße soll nach Ilse Essers umbenannt werden

    Es ist Vormittag, und es ist ruhig auf der Straße, vereinzelt fahren Fahrradfahrer vorbei. Ein Pärchen läuft in Richtung Paul-Lincke-Ufer. Sie haben einen Jutebeutel mit Lebensmitteln in der Hand. Sie sagen, dass sie in der Nähe wohnen, ein paar Straßen weiter. Was halten sie von der Umbenennung? Der Mann schüttelt den Kopf. „Dazu habe ich keine Meinung“, sagt er. „Ich weiß nicht mal, wer das sein soll, aber ich weiß auch nicht, wer Manteuffel war.“

    Otto Theodor von Manteuffel war ab 1850 preußischer Ministerpräsident, er war glühender Monarchist und setzte sich gegen die Demokratiebewegung ein. Die neue Namensgeberin Audre Lorde war eine schwarze feministische Aktivistin und Schriftstellerin aus den USA, die von 1984 bis in ihr Todesjahr 1992 immer wieder in Kreuzberg lebte. Denn sie lehrte als Gastprofessorin immer wieder an der Freien Universität und engagierte sich für afrodeutsche Frauen und Homosexuelle.
    Umbenennung schon länger geplant

    Als das Pärchen auf der Straße die Hintergründe der beiden Namen erfährt, sagt die Frau: „Moment mal, nun stimmt es nicht mehr, dass wir dazu nichts sagen können.“ Die Geschichte von Audre Lorde sorgt bei ihr für große Augen. „Ich finde es gut, dass einer neuen Person eine Plattform gegeben wird, vor allem, wenn sie eine Feministin und Aktivistin war.“
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    Bereits 2005 hatte die Bezirksverordnetenversammlung in dem grün-regierten Bezirk beschlossen, Straßen bis auf Weiteres nur noch nach Frauen zu benennen. Im Jahr 2019 fiel die Wahl der BVV auf Audre Lorde, aber damals war noch nicht klar, welche Straße diesen Namen bekommen soll. Anwohner in Kreuzberg konnten bei einer postalischen Umfrage und einer Onlineveranstaltung am 4. Mai 2021 abstimmen. So wurde dieser Straßenabschnitt gewählt.

    Wie das Bezirksamt Friedrichshain-Kreuzberg der Berliner Zeitung mitteilt, findet der offizielle Festakt zur Umbenennung der Audre-Lorde-Straße am 28. Juni statt. Dafür sei ein vielseitiges Programm geplant, so das Bezirksamt. Doch warum zieht sich die Umbenennung bereits ein halbes Jahr in die Länge? Die Antwort: „Es war ein Verfahrensfehler im Verwaltungsprozess. Die vorab notwendigen Abstimmungen zwischen den beteiligten Stellen innerhalb des Bezirksamtes waren nicht final abgeschlossen.“ Die Pressestelle fügt hinzu, dass das Verfahren für zukünftige Umbenennungen verbessert werde.

    Umbenennung der Manteuffelstraße in Kreuzberg in Audre-Lorde-Straße

    Umbenennung der Manteuffelstraße in Kreuzberg in Audre-Lorde-StraßeMarkus Wächter/Berliner Zeitung

    Vor Ort zeigt sich: Die neuen Schilder sind zwar da, allerdings verwirrt die Anordnung. Einige neue Schilder sind direkt über die alten mit der Aufschrift „Manteuffelstraße“ gehängt, bei anderen hängt das alte Schild an einem Mast und das Neue an einem benachbarten. Durchgestrichen ist keines von beiden – da sind mindestens Irritationen programmiert.

    Ein Bote der Deutschen Post stoppt sein Fahrrad vor einem Hauseingang im südlichen Teil der Manteuffelstraße, die diesen Namen behalten wird. Wie beeinflusst die Umbenennung seinen Arbeitsalltag? „Man gewöhnt sich daran, aber es war am Anfang schon chaotisch“, sagt er, während er die Briefe einwirft. Auf die Frage, wie dieses Chaos aussieht, wird er stutzig. „Eigentlich darf ich dazu nichts sagen.“

    Vor Ort wird ein Grund der Irritation klar: Die Behörden benutzen bei ihren Briefen an die Bürger bereits die neue Adresse, doch die stand noch auf keinem Straßenschild. Manche nutzen auch weiter die alte. Pakete warteten wochenlang in irgendwelchen Paketshops auf Abholung, doch die Empfänger hatte die Nachricht nie erreicht.

    Lina, eine Studentin, läuft auf jenem Teil der Straße entlang, der umbenannt wird. Sie wohnt in einer WG. Die Studentin ist sehr überrascht, dass ein Teil der Straße anders heißen soll. „Muss ich mich dann ummelden?“, fragt sie.

    Anwohner leben unwissentlich in der Audre-Lorde-Straße

    Die Anwohner müssen sich tatsächlich ummelden. Das Bezirksamt teilt mit, dass im Rahmen der Umbenennung auch einige Hausnummern der Audre-Lorde-Straße neu vergeben werden. Darüber sollen die betroffenen Anwohner schriftlich informiert werden. Eine Ummeldung im Bürgeramt ist für sie kostenlos. Lina habe davon nichts mitbekommen. „Vielleicht hat meine Mitbewohnerin die Mitteilung verschlampt.“

    Seit einem halben Jahr wohnt sie damit unwissentlich in der Audre-Lorde-Straße. Seit einer Woche hätte sie es allerdings wissen können, wenn sie auf die Straßenschilder geschaut hätte. Aber so etwas macht man eben nicht ständig.

    Und noch etwas ändert sich: die Namen von Haltestellen. Wie die BVG mitteilt, geht es um zwei davon: Aus der Haltestelle Manteuffelstraße/Köpenicker Straße wird Audre-Lorde-Straße und die Haltestelle Waldemarstraße/Manteuffelstraße wird Waldemarstraße/Audre-Lorde-Straße. Noch hängen die alten Namen.

    https://de.m.wikipedia.org/wiki/Audre_Lorde

    Zwischen 1984 und 1992 hielt sich Lorde öfter in Berlin auf und half maßgeblich bei der Entstehung der afro-deutschen Bewegung mit.[3] Sie hatte zeitweise eine Gastprofessur am John-F.-Kennedy-Institut für Nordamerikastudien der FU Berlin.[4] Diese Berlin-Aufenthalte wurden von der Soziologin Dagmar Schultz im Dokumentarfilm Audre Lorde – The Berlin Years, 1984–1992 festgehalten. Der Film erschien 2012.

    #Straßenumbenennung #Kreuzberg #Manteuffelstraße #Waldemarstraße/Audre-Lorde-Straße

  • Streit um Hühner eskaliert : Berlinerin verprügelt und verletzt zwei Tierärztinnen
    https://www.berliner-zeitung.de/mensch-metropole/streit-um-huehner-eskaliert-berlinerin-verpruegelt-und-verletzt-zwe

    A Berlin tu n’a même plus le droit de sortir tes poules soie. Une promeneuse qui a défendu ses poules contre des fonctionnaires vétérinaies vient d’être condamnée à une peine de 120 jours à 10 Euros pour coups et blessures.

    24.4.2024 von Andreas Kopietz - Sie liebt ihre Seidenhühner und dachte, die Mitarbeiterinnen vom Veterinäramt Treptow-Köpenick wollten sie ihr wegnehmen. Nun fällt das Amtsgericht Tiergarten ein Urteil.

    Das Seidenhuhn ist eine sehr hübsche Geflügelrasse. Das Huhn ist klein, und sein Federkleid mutet recht plüschig an. Dem aus Asien stammenden Vogel wird ein äußerst sozialer Charakter nachgesagt. „Auch wegen ihres harmonischen Wesens können sie als perfekte Anfängerhühner empfohlen werden“, heißt es auf einer Züchterseite im Internet.

    Eine Anfängerin in der Hühnerhaltung war Mandy R. damals auch. Anfang vergangenen Jahres überließ ihr jemand zwei Seidenhühner, die sie fortan in ihrer Wohnung in Niederschöneweide hielt. „Sie war sehr verliebt in ihre Hühner“, sagt ihre Verteidigerin, als sich die 41-jährige Mandy R. an diesem Mittwoch vor dem Amtsgericht Tiergarten wegen tätlichen Angriffs auf Vollstreckungsbeamte verantworten muss. Was war passiert?

    Am 23. Januar gackerten die Tiere in ihrer Wohnung zu laut. Sie wollte mit ihnen deshalb an die Luft, wie die Angeklagte sagt. Also steckte sie die Hühner in ihre Handtasche und fuhr mit ihnen ans Spreeufer. Zwei Mitarbeiterinnen des Veterinäramtes von Treptow-Köpenick und eine Praktikantin waren zufällig auch dort. Sie wollten eigentlich einen Hund überprüfen. Aber sie sahen, dass die Frau eines der Hühner im Gras picken ließ. Die Tierärztinnen wollten wissen, ob die Vögel angemeldet und registriert sind.

    Sie gingen zu der Frau, und eine Beamtin zeigte ihr ihren Ausweis. Sie wiesen darauf hin, dass man die Hühner nicht in einer Handtasche transportieren dürfe. Wegen der Geflügelpest durften Hühner auch nicht frei herumlaufen. Außerdem seien Seidenhühner kälteempfindlich. Sie forderten Mandy H. auf, ihre Personalien anzugeben.
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    Mandy H., eine dünne Frau, die nervös auf dem Stuhl im Gerichtssaal herumrutscht, sagt: „Sie haben sich nicht ausgewiesen, sie sind auf mich zu gerannt und haben mir die Tasche mit den Hühnern aus der Hand gerissen. So was macht man ja nicht. Da hab’ ich rotgesehen.“ Sie habe gedacht, man wolle ihr die Hühner stehlen.
    Die Hühner sollten nicht beschlagnahmt werden

    Tierärztin Janine B., die als Zeugin geladen ist, sagt: „Es war gar nicht geplant, die Hühner sicherzustellen. Ich war erstaunt, wie schnell sich das alles hochspulte.“ Nach ihrer Schilderung stopfte die Frau das Huhn zu dem anderen Huhn in die Tasche und verdrehte dabei auch noch den Kopf des Tieres. Mit artgerechtem Transport hatte das alles nichts zu tun. Dann warf die Frau die Handtasche über ihre Schulter und schwang sich aufs Fahrrad, worauf sich ihr die Ärztin in den Weg stellte.

    Nun griff Mandy R. die Tierärztin an. Sie nahm Janine B. in den Schwitzkasten und schlug sie. Deren Kollegin nahm die Hühnertasche, worauf die Angreiferin von der Tierärztin abließ und nun auf deren Kollegin einschlug. Als die Angreiferin erneut auf Janine B. losging, gelang es der Kollegin, die Tasche im Kofferraum ihres Dienstautos zu verstauen. Die Praktikantin wählte derweil den Notruf der Polizei. Mandy H. rief immer wieder: „Das sind meine Hühner!“

    „Ich verstehe ja, sie war allein und wir zu dritt. Aber warum muss sie mich denn angreifen?“, fragt Janine B. „Wir haben ihr mehrmals gesagt, dass wir vom Veterinäramt sind. Sie hat es wohl nicht wahrgenommen“, räumt sie ein.

    Die Veterinärin war danach krankgeschrieben. Sie hatte Schmerzen an Hals, Schulter und Rücken. Ihre Kollegin hatte ein geschwollenes Augenlid, eine Schädelprellung und eine Halswirbelsäulen-Verstauchung. Die Seidenhühner kamen ins Tierheim. „Sie sahen nicht gut aus“, sagt die Beamtin.

    Richterin: „Ich denke, Sie sind hier ganz gut weggekommen“

    Was anmutet wie ein skurriler Streit, ist ein weiterer Punkt in einem Leben voller Probleme. Mandy H., von Beruf Schneiderin, lebt von Sozialhilfe. Sie hat Schulden. Diese resultieren wohl auch aus ihren vielen Geldstrafen. Sechs Verurteilungen wegen Diebstahl stehen im Zentralregister, davon einmal zu zwei Monaten Haft, ausgesetzt zur Bewährung.

    Für tätlichen Angriff auf Vollstreckungsbeamte und gleichstehende Personen kann Haft zwischen drei Monaten und fünf Jahren drohen. Die Richterin folgt dem Antrag der Staatsanwaltschaft und verurteilt die Frau wegen tätlichen Angriffs auf Vollstreckungsbeamte in Tateinheit mit vorsätzlicher Körperverletzung zu 120 Tagessätzen zu je zehn Euro. Die Kosten des Verfahrens muss sie ebenso tragen.

    Sie habe die Veterinärärztinnen „enorm angegangen“, begründet die Richterin. „Sie haben auch erhebliche Vorstrafen. Ich denke, sie sind hier ganz gut weggekommen.“

    Schon vor dem Urteil hatte die Anwältin gesagt, dass ihre Mandantin die Hühner gern besuchen würde. Und Mandy H. sagte zu der Tierärztin: „Es tut mir leid. Ich möchte mich entschuldigen.“

    • On observe une nette progression de l’absurde ;-)

      L’article raconte la rencontre malencontreuse d’amour pour les animaux chez les pauvres avec l’acharnement hyper-protecteur de la part de fonctionnaires bien-pensantes.
      L’amour des bêtes n’est le bienvenu que s’il se passe dans les règles imposées par les bobos verts. L’interdiction des fiacres à Berlin sous prétexte de protection des chevaux est un phénomène comparable.
      Mais voyons, en temps de guerre on peut au moins s’occuper du bien-aller des pauvres bêtes !

      Berlin : Kutschenverbot auf Pariser Platz
      https://www.dw.com/de/berlin-kutschenverbot-auf-pariser-platz/a-42314650

      Seit Jahren sind die Pferdekutschen in der Diskussion. Für ihr Verbot aus Tierschutzgründen sammelten Aktivisten 2017 in einer Online-Petition rund 100.000 Unterschriften, Befürworter pochen auf die Tradition und Betreiber sehen sich in der Ausübung ihres Gewerbes bedroht.

      Nun dürfen Pferdekutschen das Brandenburger Tor als eine der wichtigsten Touristenattraktionen nicht mehr über den Pariser Platz anfahren. Der ganze Platz ist für die Kutschen gesperrt.

      Das Befahren des Pariser Platzes und der Aufenthalt dort kann verboten werden, auch weil es keine Möglichkeiten zum Trinken und Ausruhen für die Tiere gibt und im Sommer keine Schattenplätze. Schon länger dürfen die Pferdekutschen nicht durch das Brandenburger Tor fahren, da dort keine Fahrbahn existiert.

      2016 waren noch ca. 20 Pferdekutschen vor allem für Touristen unterwegs. Beschwerden über die Verschmutzung durch Pferdekot, Anzeigen wegen Tierquälerei und Unfälle mit Pferdekutschen sorgten immer wieder für Aufregung.

      Für die Zulassung von Pferdekutschen im Straßenverkehr sind die zwölf Berliner Bezirksämter zuständig. Im Stadtbezirk Mitte, wo die meisten Touristen unterwegs sind, gibt es auch die meisten Kutschen.

      Bisher galt in Berlin die Leitlinie für Pferdefuhrwerksbetriebe von 2009. Danach dürfen nur gesunde, gut genährte und gepflegte Pferde ab einem Alter von fünf Jahren als Zugpferde eingesetzt werden. Ihr Arbeitstag darf inklusive Anspannen, Anfahrt zum Standplatz, Rundfahrten, Heimfahrt vom Standplatz und Ausspannen neun Stunden nicht übersteigen.

      Bereits seit 2014 dürfen auf dem weltberühmten Platz keine verkleideten Straßenkünstler mehr auftreten oder Spendensammlungen stattfinden. Ausgenommen sind Musiker und Pflastermaler, die keine Gegenstände abstellen.

      aktion tier – Menschen für Tiere e.V. : Kutschpferde
      https://www.aktiontier.org/artikel/kutschpferde

      Viele Menschen lassen sich immer noch gerne in Kutschen von Pferden durch die Gegend ziehen. Doch dieser vermeintliche Spaß ist Tierquälerei und auch für die Insassen ziemlich gefährlich.

      Voilà la bonne parole. On est loin de ce que décrit Brecht dans « Ein Pferd klagt an. »

      https://www.youtube.com/watch?v=Y2pK8t2tJ64

      #animaux #wtf

  • Stiftung Humboldt-Forum widerspricht Philipp Oswalt: „Zutiefst unangemessen und unwahr“
    https://www.berliner-zeitung.de/kultur-vergnuegen/debatte/stiftung-humboldt-forum-reagiert-auf-philipp-oswalt-wir-widersprech

    Der Abriß des Palast der Republik, eines bei der Berliner Bevölkerung beliebten Gebäudes mit Konzertsaal, Bowlingbahn und Restaurants, und der Bau einer Schloßattrappe mit dem beschönigenden Markennamen „Humboldt Forum“ in der Linden-Sichtachse war ein revanchistisches Projekt, an dem sich zahlreiche konservative und nazistische Rechte mit gut gefüllten Brieftaschen beteiligten. Das geschah in Zusammenarbeit mit der reaktionären Mehrheit im Deutschen Bundestag, wobei alle Beteiligten versuchten den Eindruck zu erwecken, es handle sich um ein demokratisches Projekt des deutschen Volkes.

    Diese durchsichtige Lachnummer wird von Philipp Oswalt in einem Buch und in Presseartikeln entlarvt, wogegen nun zwei Schloßhäuptlinge protestieren. Ihr Argument : Man habe von den nazistischen Spendern nichts gewußt. Das ist nicht erstaunlich, gehören die Autoren doch selbst zum kapitalistischen Klüngel aus Alt- und Neonazis, Nationalisten, Transatlantikern, Industriellen, reaktionären Adeligen, stinkreichen Ausbeuter aller Art und ihren Lakaien aus Politik, Kultur und Medien. Man läßt sich ungerne öffentlich mit dieser Tatsache konfrontieren.

    Der Betonkasten steht für die Enteignung des deutschen Volks durch seine pseudo-demokratischen Herren, Konzernlenker und Militärherrscher. Die Vernichtung des DDR-Volkshaus und das wieder errichtete häßliche Hohenzollernschloß verherrlichen ihren Triumph.

    Da soll es niemand mitbekommen haben, wie die Nazis mitgemacht haben? Kaum zu glauben im transatlantischen Westdeutschland, das von seiner Gründung bis heute fest im Griff der Eliten aus Nazizeiten, ihrer Erben und Spießgesellen ist.

    22.04.2024 von Hartmut Dorgerloh und Franco Stella - Die Behauptung, Rechte hätten Einfluss auf das Stadtschloss gehabt, sei falsch – wehren sich die Stiftung Humboldt-Forum und Architekt Franco Stella in einem Gastbeitrag.

    Mit schweren Vorwürfen hat der Architekt Philipp Oswalt die Stiftung Humboldt-Forum konfrontiert und ihr vorgeworfen, Nebelkerzen zu zünden und zu lügen. Oswalt, seit jeher Gegner des neu gebauten Berliner Stadtschlosses, kritisiert in seinem neuen Buch „Bauen am nationalen Haus“ die Intransparenz hinsichtlich der Spender. Nun wehren sich Hartmut Dorgerloh, der Präsident der Stiftung Humbold-Forum, und Stadtschloss-Architekt Franco Stella und widersprechen in einem Exklusivbeitrag für die Berliner Zeitung vehement.

    Der Architekt Philipp Oswalt behauptet in einem Interview mit der Berliner Zeitung, rechtslastige Spender:innen hätten Einfluss auf die Rekonstruktion der Fassade des Berliner Schlosses genommen, und die Stiftung Humboldt-Forum im Berliner Schloss würde diesen Einfluss vertuschen und sogar lügen. Die Rekonstruktion, so Oswalt, sei „etwas merklich anderes als das, was die Expertenkommission empfohlen und was der Bundestag 2002 beschlossen hat“. Als Vorstandsvorsitzender der Stiftung Humboldt-Forum im Berliner Schloss und als Architekt, der für den Bau verantwortlich war, widersprechen wir dieser Darstellung mit allem Nachdruck. Philipp Oswalt wiederholt seine Behauptungen zu vielen Anlässen. Dadurch werden sie nicht wahrer.

    Vielmehr erfolgte die Rekonstruktion der Schlossfassade, einschließlich der Kuppel, der Kuppelfiguren, auf Beschluss des Stiftungsrates, und dieser Beschluss wiederum basierte auf den Entscheidungen des Deutschen Bundestages und der dort zuständigen Ausschüsse. Private Spender:innen haben es ermöglicht, dass die in diesen Entscheidungen definierten „baulichen Optionen“ tatsächlich umgesetzt werden konnten – diese private Finanzierung war Wille der Politik. Aber keine und keiner dieser mehr als 40.000 privaten Spender:innen – und auch der Förderverein Berliner Schloss nicht – hat Einfluss auf die Gestaltung und Architektur genommen. Das lag allein in der Verantwortung der zuständigen politischen Gremien, des Stiftungsrates und des Architekten.

    Beim Realisierungswettbewerb des Bundes im Jahr 2008 hat der Entwurf von Franco Stella, hier Mitunterzeichner, den Zuschlag erhalten – ein Entwurf, der damals gerade für seine 1:1-Rekonstruktionen wichtiger Bau- und Stilelemente gewürdigt wurde. Fast alle rekonstruierten Elemente des jetzigen Berliner Schlosses waren schon in diesem Entwurf enthalten, darunter auch die Kuppel, die sich bereits die von Philipp Oswalt erwähnte Expertenkommission explizit vorstellen konnte. Weitere Elemente wie etwa die Figuren rund um die Kuppel und die Balustradenfiguren wurden vom unterzeichnenden Architekten vorgeschlagen, weil sie aus architektonischer Sicht geboten und auch mit Blick auf die gewünschte möglichst originalgetreue Rekonstruktion sinnvoll waren.


    Franco Stella, Gewinner des Bundeswettbewerbs und Architekt des teilrekonstruierten Schlosses Foto Markus Wächter/Berliner Zeitung

    Die konkrete Planung der Kuppel als Vollrekonstruktion mit historischer Hülle begann im August 2010, sobald die historischen Unterlagen ausreichend ausgewertet waren, um die Detail-Planung anzugehen. Dass beim Berliner Schloss im Laufe eines Wettbewerbsverfahrens architektonische Details präzisiert und die Umsetzung genauer bestimmt wurde, ist absolut üblich. Alle, die mit Bauprojekten dieser Größenordnung Erfahrung haben, wissen das.
    Von Spendern mit rechtsextremen Positionen distanzieren wir uns aufs Schärfste

    Der Bund hat diese Planung im Sommer 2011 freigegeben, mit der Auflage, die Umsetzung der sogenannten baulichen Optionen wie der historischen Kuppel über private Spenden zu finanzieren. Dafür hat der Förderverein Berliner Schloss Spenden gesammelt. Insgesamt haben Zehntausende Menschen aus allen Teilen der Gesellschaft gespendet. Darunter, wie wir heute wissen, auch Personen, die rechtsextreme Positionen vertreten. Von diesen Personen und ihren Positionen distanzieren wir uns aufs Schärfste. Die antidemokratischen Positionen widersprechen unseren Überzeugungen und dem, was wir inhaltlich im Humboldt-Forum tun – und sie widersprechen den Werten der großen Mehrheit derer, die für die Rekonstruktion des Schlosses gespendet haben.


    Hartmut Dorgerloh, Generalintendant und Vorstandsvorsitzender der Stiftung Humboldt-Forum Foto Markus Wächter/Berliner Zeitung

    Aber all das hat mit den Entscheidungen, was genau gebaut werden sollte, nichts zu tun. Behauptungen, bei diesen architektonischen Entscheidungen sei eine „rechtsnationale Agenda“ verfolgt worden, sind falsch und zutiefst unangemessen. Unangemessen gegenüber dem Deutschen Bundestag und seinen Entscheidungen, gegenüber dem Stiftungsrat der Stiftung Humboldt-Forum, in dem alle Parteien des Bundestages wie auch die Berliner Landesregierung vertreten sind, gegenüber der Leitung und dem Team des Humboldt-Forums wie auch gegenüber dem Architekten, dessen Entwurf durch eine vom Bund eingesetzte Jury, besetzt mit renommierten Expert:innen, ausgezeichnet wurde.

    Die Entscheidungen der demokratisch gewählten Parteien und der zuständigen Gremien mögen einem nicht gefallen – hierzu kann jede und jeder eine eigene Meinung haben. Aber ihre Akzeptanz ist grundlegend für ein respektvolles demokratisches Miteinander.

    Prof. Dr. Hartmut Dorgerloh, Generalintendant und Vorstandsvorsitzender der Stiftung Humboldt-Forum

    Prof. Arch. Franco Stella, Gewinner des Bundeswettbewerbs und Architekt des teilrekonstruierten Berliner Schlosses

    Architekt erhebt schwere Vorwürfe wegen rechter Spender des Stadtschlosses: „Die Humboldt-Stiftung lügt“
    https://www.berliner-zeitung.de/kultur-vergnuegen/architekt-philipp-oswalt-berlin-stadtschloss-rechte-spender-humbold

    Berliner Schloss: Propheten-Statuen kehren auf Kuppel zurück
    https://www.berliner-zeitung.de/mensch-metropole/berliner-schloss-propheten-statuen-kehren-auf-kuppel-zurueck-li.219

    #Berlin #Mitte #Schloßplatz #Schloßfreiheit #Liebknechtbrücke #Architektur #Revanchismus #Preußen #Hohenzollern

  • Urteil in Berlin: Manne, 84, soll sein Elternhaus in Reinickendorf räumen
    https://www.berliner-zeitung.de/mensch-metropole/urteil-in-berlin-manne-84-soll-sein-elternhaus-in-reinickendorf-rae


    Manfred Moslehner, genannt Manne, lebt seit seiner Geburt in dem Haus in Berlin-Reinickendorf, das er nun per Urteil räumen muss.

    Deshalb bleiben uns die Fahrgäste weg: Mieten und alle anderen Lebenshaltungskosten steigen, die Leute können es sich immer weniger leisten, ein Taxi zu rufen, wenn sie etwa zum Arzt müssen. Die zur Zeit geltenden Gesetze sind nicht zu ihren Gunsten sondern für im Interesse der Reichen und Wohlhabenden gemacht. Die Geschichte von Manne ist deshalb keine Tragödie sondern die eines Verbrechens, das darin besteht, Menschen aus ihren Wohnungen zu vertreiben, wenn keine andere für sie geeignete Unterkunft bereitsteht.

    Manne hat sein Gefecht verloren. Der Krieg Reich gegen Arm geht weiter.

    Tegel, 13509, Am Brunnen 17-23,
    https://www.openstreetmap.org/way/22491297


    https://m.kauperts.de/Strassen/Am-Brunnen-13509-Berlin
    Lage: Falk Plan C11, vom Myrtenweg abgehend

    22.4.2024 von Wiebke Hollersen - Seit 14 Jahren kämpfen Rentner in Berlin-Reinickendorf gegen einen Immobilien-Investor. Nun ist gegen den ersten von ihnen ein hartes Urteil ergangen. Ein Bericht aus dem Gericht.

    Er ist nicht ins Amtsgericht Wedding gekommen am Montagmorgen, sondern in seinem Haus in der Siedlung am Steinberg in Berlin-Reinickendorf geblieben. Noch ist es seins. Er wohnt hier, seit er auf der Welt ist. Seit 84 Jahren. Seine Eltern haben es gemietet, dann er, Manfred Moslehner, Manne, wie ihn seine Freunde aus der Siedlung nennen, die seit langem seine Familie sind. Die einzige, die er noch hat.

    Sie werden ihm später sagen, was passiert ist, dass die Lage wieder schlimmer geworden ist, der Druck auf ihn weiter steigt.

    „Es geht ihm nicht gut“, sagt Brigitte Lenz am Morgen. Manne sei durcheinander. „Ein Jahrzehnt Psychoterror hinterlässt Spuren“, sagt ihr Mann, Hartmut Lenz. Das Paar führt den Kampf der Mieter der Siedlung gegen die Am Steinberg Entwicklungsgesellschaft mbH an, die ihre kleinen, alten Reihenhäuschen vor 14 Jahren gekauft hat. Und die Mieter seitdem mit Ankündigungen umfassender Modernisierungen in die Verzweiflung treibt, wie sie sagen. Die Mieten nach diesen Modernisierungen wären für die Bewohner, fast alle sind Rentner, viele über 80, nicht mehr bezahlbar. Längst würden für bereits umgebaute Häuser der Siedlung Kaltmieten von mehr als 4000 Euro verlangt, sagt Hartmut Lenz.


    Mieter aus der Siedlung am Steinberg und Mitstreiter am Montagmorgen vor dem Amtsgericht Wedding. Hartmut Lenz hält das Schild in der Hand. Foto Wiebke Hollersen/Berliner Zeitung

    Räumungsurteil gegen Manne: Drei Monate bleiben ihm

    Manfred Moslehner ist nun der erste der verbleibenden Mieter, dessen Mietvertrag wegen seiner Weigerung, die Modernisierung zuzulassen, nicht nur gekündigt, sondern der auch auf die Räumung seines Hauses verklagt wurde. Am Montag vor einer Woche fand vor dem Amtsgericht Wedding die Verhandlung statt, er verfolgte sie in sich zusammengesunken. Ein hagerer Mann in einer grauen Jacke.

    Zu Hause hört er klassische Musik, er kennt sich in der Weltliteratur aus. Er hat als Maschinenschlosser gearbeitet, weil sein Vater nicht wollte, dass er Abitur macht und studiert, hat er im Dezember erzählt. Sein Freund Hartmut Lenz berichtet immer wieder von einem Schock kurz vor Weihnachten: Manne habe mit einer Kiste mit seinen Klassik-CDs vor seiner Tür gestanden und sie ihm schenken wollen.

    Die Richterin drängte vor einer Woche beide Parteien: Könne man sich nicht doch noch ohne Urteil einigen? Das schloss der Justiziar der Wertconcept Investment GmbH aus. Er hatte sich als Vertretung von Moslehners Vermieter vor Gericht vorgestellt – obwohl in der Räumungsklage die Am Steinberg Entwicklungsgesellschaft als Vermieter und Kläger genannt ist. Die Richterin wirkte, als wolle sie es vermeiden, urteilen zu müssen, betonte, dass sie sich an geltendes Recht halten müsse.

    Nun verkündet sie ihr Urteil. Etwa 20 Mitstreiter aus der Mietergemeinschaft sind auch diesmal gekommen, um dabei zu sein. Auch Vertreter der SPD im Bezirk und Mitarbeiter der Grünen. Klaus Behrendt, genannt Hütchen, schiebt sich mit seinem Rollator ins Gericht. Um 9.15 Uhr verliest die Richterin die für sie schlechten Nachrichten.

    Manfred Moslehner wird verurteilt, sein Häuschen, „vier Zimmer, Küche, Bad, Toilette, Kriechkeller“, herauszugeben, „im geräumten Zustand“, er hat drei Monate Zeit, danach ist das Urteil „vorläufig vollstreckbar“, also auch dann, wenn Moslehner in Berufung gehen würde. Es sei denn, der Rentner bringe 4279 Euro auf, als „Sicherheitsleistung“, eine Art Kaution, um im Haus bleiben zu können, bis der Fall durch alle Instanzen gegangen ist. Moslehner hat auch die Kosten des Verfahrens zu tragen.

    Nachfragen, auch von der Presse, lässt die Richterin nicht zu, die Urteilsbegründung wird den Parteien im Rechtsstreit schriftlich zugestellt. Nach fünf Minuten ist in Saal 258 alles vorbei. Eine Frau, die mit Manne befreundet ist, sagt auf dem Gang: „Niemand hier in unserem Kreis hat so einfach 4000 Euro, Manne schon gar nicht.“

    Aufgeben wollen sie trotzdem nicht, sagt Harmut Lenz auf dem Gang. „Die Machenschaften der Entwicklungsgesellschaft“, müssten aufgeklärt werden. Er versucht, wieder kämpferisch zu klingen. Aber auch er sieht erschöpft aus. Ob Manne in Berufung gehen wird, wisse er noch nicht. Das müsse er erst mit ihm selbst und mit Mannes Anwalt besprechen.

    #Klassenkampf #Berlin

  • Bettina Göring: „Über die Nazi-Zeit habe ich erst aus DDR-Geschichtsbüchern gelernt“
    https://www.berliner-zeitung.de/mensch-metropole/bettina-goering-ueber-die-nazi-zeit-habe-ich-erst-aus-ddr-geschicht

    Bettina Göring, 68, floh mit 13 von zu Hause und schloss sich der linken Szene an. Foto Benjamin Pritzkuleit

    17.4.2024 von Anja Reich - Hermann Görings Großnichte erzählt im Interview, wie in ihrer Familie NS-Verbrechen verschwiegen wurden. Und sagt, welcher Politiker sie heute an Göring erinnert.

    Bettina Göring wartet in der Tür eines Reihenhauses in Berlin-Zehlendorf. Es gehört einer Jugendfreundin, die sie und Görings Mann für ein paar Tage bei sich aufgenommen hat und während des Interviews mit dem Hund spazieren geht, um nicht zu stören.

    Die Großnichte des Naziverbrechers Hermann Göring trägt Hose, Bluse, eine blaue Brille, die grauen Haare im Nacken zusammengebunden. Ein in die Jahre gekommenes Hippie-Mädchen, das mit 13 von zu Hause flüchtete, nach Stationen in Südamerika, Indien und den USA in Thailand hängenblieb und nun nach Deutschland gekommen ist, um ihr Buch vorzustellen: „Der gute Onkel: Mein verdammtes deutsches Erbe“.

    Wie soll ich Sie ansprechen: Frau Göring, so, wie es auf Ihrem Buch steht? Oder mit dem Namen, der in Ihrer E-Mail-Adresse auftaucht?

    Sagen Sie Göring. Als ich das erste Mal heiratete, habe ich meinen Namen geändert, wegen der Familiengeschichte. Aber es funktioniert nicht so richtig, ich werde diese Geschichte nicht los.

    Es ist die Ihres Großonkels Hermann Göring, dem mächtigsten Nazi nach Adolf Hitler. Wie wäre es, wenn er hier säße, an diesem Tisch?

    Ich würde ihn fragen, ob er irgendwas bereut. Aber ich würde nicht erwarten, dass er es tut. Er hat ja auch bei den Nürnberger Prozessen gesagt, dass er nichts bereut.

    Und als Familienmensch, wie war er da? Ihr Buch trägt den Titel „Der gute Onkel“.

    Zu seiner Familie war er sehr nett. Meine Großmutter wurde von ihm nicht nur beschützt, sondern auch finanziell unterstützt. Er soll freundlich und charismatisch gewesen sein, weshalb er auch als Diplomat eingesetzt wurde. Kann man sich gar nicht vorstellen, wenn man sich seine Reden anhört – fürchterlich, wie er geschrien hat, die haben ja alle so geschrien.

    Privat hat er das nicht getan?

    Wir haben mal ein Video von einer Ostereiersuche mit der Familie gesehen. Da hat er mit großer Geste den lässigen, freundlichen Onkel gespielt. Jovial ist das Wort, das ihn als Familienmenschen wohl am besten beschreibt.

    Wo haben Sie die Aufnahme her?

    Auf YouTube gefunden, keine Ahnung, wer die darauf gestellt hat.

    Sie wurden 1956 geboren, zehn Jahre, nachdem Ihr Großonkel in Nürnberg zum Tode verurteilt wurde und sich mit einer Zyankali-Kapsel selbst getötet hat. Wann haben Sie zum ersten Mal gespürt, dass es da etwas Unheimliches gibt in Ihrer Familie?

    Ich war elf, wir wohnten in Wiesbaden, hatten gerade einen Fernseher bekommen, sahen eine Dokumentation über Auschwitz. Meine Oma war dabei, die Schwester von Hermann, Großmutti Ilse, wie alle sie nannten. Sie schrie: Alles Lüge, alles Lüge! Mein Bruder hat ihr einen Holzschuh an den Kopf geworfen.
    Bettina Göring ließ sich mit 30 sterilisieren.
    Bettina Göring ließ sich mit 30 sterilisieren.Benjamin Pritzkuleit

    War Ihnen da schon klar, dass Ihr Großonkel den Massenmord an den Juden befohlen hatte?

    Nein, 1968, mit zwölf, habe ich mich der Hippieszene angeschlossen, später der linken, sehr linken Szene, bin von zu Hause geflohen. In dieser Zeit habe ich angefangen, Bücher über die NS-Geschichte zu lesen. Die meisten waren aus der DDR.
    Bettina Göring: „Mein Geschichtslehrer war selbst Nazi gewesen“

    Aus der DDR? Was haben Sie denn in Ihrer Wiesbadener Schule über den Faschismus gelernt?

    Nichts, mein Geschichtslehrer war selber Nazi gewesen. Und in der Familie erzählte man sich immer nur, dass Onkel Hermann Flieger war, der Herr der Flieger, wie es hieß, dass man zu ihm aufschaute, sonst nichts. Bis 2005 wusste ich nicht einmal, dass er die Endlösung der Judenfrage unterschrieben hatte.

    Wie haben Sie das rausgefunden?

    Eine Australierin, Tochter von Holocaust-Überlebenden, warf es mir an den Kopf. Für den Dokumentarfilm „Bloodlines“ waren Angehörige von Opfern und Tätern zusammengebracht worden. Ich habe dann gleich noch mal angefangen, Geschichtsbücher zu lesen.

    Das hatte in den Büchern, die Sie kannten, nicht gestanden?

    Nein, es war auch kompliziert. Die Nazis haben den Mord an den Juden ja nicht so konkret befohlen. Reinhard Heydrich hatte das Dokument, in dem von der Endlösung die Rede war, 1941 vorgelegt und Hermann Göring hat es unterschrieben.

    Wie ging es Ihnen, als Sie das hörten?

    Es war furchtbar, schockierend.

    Sie sind ins Ausland gegangen, haben sich sterilisieren lassen, wollten keine Kinder bekommen. Hatten Sie Angst, das Böse könnte sich vererben?

    Dass ich mich sterilisieren ließ, hatte nicht direkt mit dem Göring-Onkel zu tun, das war eher ein praktischer Gedanke. Ich habe die Pille nicht gut vertragen und hatte mit 30 immer noch kein Bedürfnis, Mutter zu werden. Aber im Unterbewusstsein gab es sicher eine Ablehnung. Es muss ja auch einen Grund haben, warum gerade unsere Generation, die in den 50ern geboren wurde, so wenig Kinder bekommen hat, die folgende aber wieder mehr.
    NS-Kriegsverbrecher Hermann Göring beim Prozess in Nürnberg
    NS-Kriegsverbrecher Hermann Göring beim Prozess in NürnbergYevgeny Khaldei/Imago

    Jüdische Holocaust-Überlebende Ihrer Generation bekamen dagegen sehr viele Kinder.

    Ja, Israelis, die ich kennenlernte, konnten gar nicht verstehen, dass ich keine Kinder wollte. Eine hatte zehn, als Ausgleich dafür, dass ihre Familie ausgelöscht wurde.

    Was haben Sie sonst an Ihrem Leben geändert, nachdem Sie von der Rolle Ihres Großonkels im Holocaust erfahren haben?

    Ich habe zusammen mit einer Tochter von Holocaust-Überlebenden eine Therapiegruppe gegründet, verschiedene Methoden zur Verarbeitung der Traumata angewendet. Einmal bin ich sogar in die Psyche meines Onkels gegangen.
    „Ich habe gefühlt, wie es in ihm aussah: dunkel, kalt, halbtot“

    Bei einer Art Familienaufstellung?

    Ja, ich habe gefühlt, wie es in ihm aussah und es war sehr dunkel, kalt, halbtot. Als ob bei mir alles abstirbt, so fühlte es sich an. Erschreckend. Er muss ein Psychopath gewesen sein. Das ist das Schizophrene: wie er so kalt und doch für seine Familie menschlich bleiben konnte.

    Haben Sie herausgefunden, wie er so geworden ist, was ihn in seinem Leben geprägt hat?

    Ja, wir haben viel herausgefunden. Sein Vater kam aus einer reichen, angesehenen Familie, war von Bismarck als Diplomat in Ostafrika eingesetzt, gründete die deutsche Kolonie im heutigen Namibia, später war er in Haiti, reiste hin und her, ewig lange Schiffsreisen. Hermanns Mutter reiste mit, auch wenn sie gerade ein Kind geboren hatte. Den Hermann ließ sie bei einer Freundin zurück. Als er sie wiedersah, mit drei Jahren, sah er seine Mutter nicht mehr an. Hinzu kam, dass die Mutter eine Affäre mit Herman von Epenstein hatte, einem Halbjuden. Möglicherweise wurde mein Großonkel nach ihm benannt. Und er wurde seinetwegen auf der Schule gehänselt, als Judenfreund. Er musste sogar so ein Schild um den Hals tragen.
    Bettina Göring , Großnichte von Hermann Göring
    Bettina Göring , Großnichte von Hermann GöringBenjamin Pritzkuleit
    „Göring war immer der Größte, aber Hitler war war noch größer“

    Wann war das?

    1905, vor dem Ersten Weltkrieg. Der Hermann war als Schüler sehr rebellisch, schwer zu händeln, bis er in die Militärakademie kam. Die Strenge dort tat ihm gut. Was auch wichtig ist: Die Familie wollte, dass ein Held geboren wird, so steht es in den Tagebüchern, ein Held, der Deutschland rettet und so ein Scheiß. Er hat sich in dieser Rolle gesehen.

    Wie hat er Hitler kennengelernt?

    Im Ersten Weltkrieg war er Flieger. Nachdem die Luftwaffe verboten worden war und er nicht mehr fliegen konnte, wollte er eine Revolution, das System umstoßen, ist auf die Hitler-Gruppe gestoßen und sofort auf Hitler mit seiner magnetischen Persönlichkeit angesprungen. Göring war immer der Größte, aber der Führer war noch größer. Und Hitler hat erkannt, dass Göring die Sprache der Oberen spricht, sich in dieser Klasse gut auskennt.

    Hermann Göring war morphiumsüchtig. Wie kam es dazu?

    Beim Bierputsch 1923 bekam er eine Kugel ab, musste fliehen, wurde in Schweden in der Psychiatrie behandelt, in dieser Zeit begann er, Morphium zu nehmen.
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    SPD

    06.02.2024
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    News

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    Die schwedischen Ärzte beschrieben ihn als „brutalen Hysteriker mit sehr schwachem Charakter“.

    Ja, er war verrückt und auf Drogen, wie die meisten Nazis. Pervitin, Kokain, Morphium. Die Drogen passen zu seinem Größenwahn. Erst in amerikanischer Haft machte er einen Entzug.

    Gab es im Leben von Hermann Göring einen Moment, wo er zweifelte, an sich und seinen Taten?

    Als er einmal drin war in dieser Maschinerie, war das nicht mehr möglich. Für ihn zählten nur Macht, Reichtum, Ämter und Titel ohne Ende.
    Waggons voll enteigneter Kunst nach Hause liefern lassen

    Gibt es einen heute lebenden Politiker, der Sie an Ihren Großonkel erinnert?

    Ja, Trump. Diese Gier. Diese unglaubliche Raffgier. Was der Göring-Onkel für Schätze angehäuft hat. Von den Juden. Aus Holland hat er sich ganze Waggons voll mit Kunst und Möbeln bringen lassen. Meine Oma hat auch einen Waggon bekommen.

    Das heißt, bei Ihnen zu Hause gab es auch noch Möbelstücke von enteigneten Juden?

    Ja, zwei, drei Stück. Ganz tolle Sachen. Als unsere Oma zu uns zog, fielen sie schon ein bisschen auseinander. Ein Sekretär aus Ebenholz mit 150 Handfiguren und Schubfächern. Das andere war ein flämischer Sternenschrank.

    Wo sind die Möbel heute?

    Mein Vater hat sie verkauft, beglich seine Schulden damit. Wir hatten zum Glück nichts mehr damit zu tun nach seinem Tod. Fotos und Ritterorden waren noch da. Wollte ich auch nichts mitzutun haben.

    Haben Sie Antisemitismus in Ihrer Familie wahrgenommen?

    Von meiner Mutti gar nicht. Mein Großvater mütterlicherseits war gegen die Nazis, hat für einen jüdischen Anwalt gearbeitet, der ihm geholfen hat mit der Anzahlung für sein Haus.

    Wusste Ihre Mutter, als sie Ihren Vater geheiratet hat, aus was für einer Familie er kommt?

    Ja, das ist ja das Verrückte. Obwohl diese Mutter-Familie gegen die Nazis war, hat es viel bedeutet, mit einem Göring verheiratet zu sein. Wegen der Klasse. Reiche Familie. Viele wichtige Ämter. Der Urgroßvater Ministerialrat, auch Bürgermeister gab es.

    War Ihnen da schon klar, dass Ihr Großonkel den Massenmord an den Juden befohlen hatte?

    Nein, 1968, mit zwölf, habe ich mich der Hippieszene angeschlossen, später der linken, sehr linken Szene, bin von zu Hause geflohen. In dieser Zeit habe ich angefangen, Bücher über die NS-Geschichte zu lesen. Die meisten waren aus der DDR.

    Aus der DDR? Was haben Sie denn in Ihrer Wiesbadener Schule über den Faschismus gelernt?

    Nichts, mein Geschichtslehrer war selber Nazi gewesen. Und in der Familie erzählte man sich immer nur, dass Onkel Hermann Flieger war, der Herr der Flieger, wie es hieß, dass man zu ihm aufschaute, sonst nichts. Bis 2005 wusste ich nicht einmal, dass er die Endlösung der Judenfrage unterschrieben hatte.

    Wie haben Sie das rausgefunden?

    Eine Australierin, Tochter von Holocaust-Überlebenden, warf es mir an den Kopf. Für den Dokumentarfilm „Bloodlines“ waren Angehörige von Opfern und Tätern zusammengebracht worden. Ich habe dann gleich noch mal angefangen, Geschichtsbücher zu lesen.

    Das hatte in den Büchern, die Sie kannten, nicht gestanden?

    Nein, es war auch kompliziert. Die Nazis haben den Mord an den Juden ja nicht so konkret befohlen. Reinhard Heydrich hatte das Dokument, in dem von der Endlösung die Rede war, 1941 vorgelegt und Hermann Göring hat es unterschrieben.

    Wie ging es Ihnen, als Sie das hörten?

    Es war furchtbar, schockierend.

    Sie sind ins Ausland gegangen, haben sich sterilisieren lassen, wollten keine Kinder bekommen. Hatten Sie Angst, das Böse könnte sich vererben?

    Dass ich mich sterilisieren ließ, hatte nicht direkt mit dem Göring-Onkel zu tun, das war eher ein praktischer Gedanke. Ich habe die Pille nicht gut vertragen und hatte mit 30 immer noch kein Bedürfnis, Mutter zu werden. Aber im Unterbewusstsein gab es sicher eine Ablehnung. Es muss ja auch einen Grund haben, warum gerade unsere Generation, die in den 50ern geboren wurde, so wenig Kinder bekommen hat, die folgende aber wieder mehr.

    Jüdische Holocaust-Überlebende Ihrer Generation bekamen dagegen sehr viele Kinder.

    Ja, Israelis, die ich kennenlernte, konnten gar nicht verstehen, dass ich keine Kinder wollte. Eine hatte zehn, als Ausgleich dafür, dass ihre Familie ausgelöscht wurde.

    Was haben Sie sonst an Ihrem Leben geändert, nachdem Sie von der Rolle Ihres Großonkels im Holocaust erfahren haben?

    Ich habe zusammen mit einer Tochter von Holocaust-Überlebenden eine Therapiegruppe gegründet, verschiedene Methoden zur Verarbeitung der Traumata angewendet. Einmal bin ich sogar in die Psyche meines Onkels gegangen.
    „Ich habe gefühlt, wie es in ihm aussah: dunkel, kalt, halbtot“

    Bei einer Art Familienaufstellung?

    Ja, ich habe gefühlt, wie es in ihm aussah und es war sehr dunkel, kalt, halbtot. Als ob bei mir alles abstirbt, so fühlte es sich an. Erschreckend. Er muss ein Psychopath gewesen sein. Das ist das Schizophrene: wie er so kalt und doch für seine Familie menschlich bleiben konnte.

    Haben Sie herausgefunden, wie er so geworden ist, was ihn in seinem Leben geprägt hat?

    Ja, wir haben viel herausgefunden. Sein Vater kam aus einer reichen, angesehenen Familie, war von Bismarck als Diplomat in Ostafrika eingesetzt, gründete die deutsche Kolonie im heutigen Namibia, später war er in Haiti, reiste hin und her, ewig lange Schiffsreisen. Hermanns Mutter reiste mit, auch wenn sie gerade ein Kind geboren hatte. Den Hermann ließ sie bei einer Freundin zurück. Als er sie wiedersah, mit drei Jahren, sah er seine Mutter nicht mehr an. Hinzu kam, dass die Mutter eine Affäre mit Herman von Epenstein hatte, einem Halbjuden. Möglicherweise wurde mein Großonkel nach ihm benannt. Und er wurde seinetwegen auf der Schule gehänselt, als Judenfreund. Er musste sogar so ein Schild um den Hals tragen.

    Wann war das?

    1905, vor dem Ersten Weltkrieg. Der Hermann war als Schüler sehr rebellisch, schwer zu händeln, bis er in die Militärakademie kam. Die Strenge dort tat ihm gut. Was auch wichtig ist: Die Familie wollte, dass ein Held geboren wird, so steht es in den Tagebüchern, ein Held, der Deutschland rettet und so ein Scheiß. Er hat sich in dieser Rolle gesehen.

    Wie hat er Hitler kennengelernt?

    Im Ersten Weltkrieg war er Flieger. Nachdem die Luftwaffe verboten worden war und er nicht mehr fliegen konnte, wollte er eine Revolution, das System umstoßen, ist auf die Hitler-Gruppe gestoßen und sofort auf Hitler mit seiner magnetischen Persönlichkeit angesprungen. Göring war immer der Größte, aber der Führer war noch größer. Und Hitler hat erkannt, dass Göring die Sprache der Oberen spricht, sich in dieser Klasse gut auskennt.

    Hermann Göring war morphiumsüchtig. Wie kam es dazu?

    Beim Bierputsch 1923 bekam er eine Kugel ab, musste fliehen, wurde in Schweden in der Psychiatrie behandelt, in dieser Zeit begann er, Morphium zu nehmen.

    Die schwedischen Ärzte beschrieben ihn als „brutalen Hysteriker mit sehr schwachem Charakter“.

    Ja, er war verrückt und auf Drogen, wie die meisten Nazis. Pervitin, Kokain, Morphium. Die Drogen passen zu seinem Größenwahn. Erst in amerikanischer Haft machte er einen Entzug.

    Gab es im Leben von Hermann Göring einen Moment, wo er zweifelte, an sich und seinen Taten?

    Als er einmal drin war in dieser Maschinerie, war das nicht mehr möglich. Für ihn zählten nur Macht, Reichtum, Ämter und Titel ohne Ende.
    Waggons voll enteigneter Kunst nach Hause liefern lassen

    Gibt es einen heute lebenden Politiker, der Sie an Ihren Großonkel erinnert?

    Ja, Trump. Diese Gier. Diese unglaubliche Raffgier. Was der Göring-Onkel für Schätze angehäuft hat. Von den Juden. Aus Holland hat er sich ganze Waggons voll mit Kunst und Möbeln bringen lassen. Meine Oma hat auch einen Waggon bekommen.

    Das heißt, bei Ihnen zu Hause gab es auch noch Möbelstücke von enteigneten Juden?

    Ja, zwei, drei Stück. Ganz tolle Sachen. Als unsere Oma zu uns zog, fielen sie schon ein bisschen auseinander. Ein Sekretär aus Ebenholz mit 150 Handfiguren und Schubfächern. Das andere war ein flämischer Sternenschrank.

    Wo sind die Möbel heute?

    Mein Vater hat sie verkauft, beglich seine Schulden damit. Wir hatten zum Glück nichts mehr damit zu tun nach seinem Tod. Fotos und Ritterorden waren noch da. Wollte ich auch nichts mitzutun haben.

    Haben Sie Antisemitismus in Ihrer Familie wahrgenommen?

    Von meiner Mutti gar nicht. Mein Großvater mütterlicherseits war gegen die Nazis, hat für einen jüdischen Anwalt gearbeitet, der ihm geholfen hat mit der Anzahlung für sein Haus.

    Wusste Ihre Mutter, als sie Ihren Vater geheiratet hat, aus was für einer Familie er kommt?

    Ja, das ist ja das Verrückte. Obwohl diese Mutter-Familie gegen die Nazis war, hat es viel bedeutet, mit einem Göring verheiratet zu sein. Wegen der Klasse. Reiche Familie. Viele wichtige Ämter. Der Urgroßvater Ministerialrat, auch Bürgermeister gab es.

    Sind Sie auch noch so erzogen worden, mit diesem Dünkel, etwas Besseres zu sein?

    Mein Bruder und ich haben sehr dagegen rebelliert, aber ich glaube, so ein bisschen ist er auch bei uns drin.

    Ist bei Ihren Begegnungen mit Angehörigen von Opfern mal jemand wütend geworden Ihnen gegenüber?

    In Israel sind Leute weinend zu mir gekommen, haben sich bedankt. Weil es bis dahin nie vorgekommen war, dass jemand sich bei ihnen entschuldigt hat. Aber eine Frau in meinem Alter konnte eine Entschuldigung von der Göring-Seite nicht akzeptieren. Sie hat ständig dazwischengerufen und musste vom israelischen Sicherheitspersonal rausgeführt werden.

    Und wie waren die Begegnungen mit Angehörigen anderer Nazi-Größen?

    Ich wurde mit Niklas Frank, Rainer Höss, Katrin Himmler und noch zwei anderen verlinkt. Aber persönlich getroffen habe ich nur Rainer Höss. Er wollte mich unbedingt kennenlernen, ist extra nach Wiesbaden gekommen und dann sind wir Kaffee trinken gegangen.

    Sie und der Enkel des Auschwitz-Kommandanten?

    Er hat die ganze Zeit geprahlt, wie viele jüdische Leute er kennt, mit welchem Ministerpräsidenten er per Du ist. Später wurde er als Hochstapler enttarnt. Er ist auch der Einzige, der seine Geschichte an die Israelis verkauft hat, der Geld wollte. Mir wäre das zuwider gewesen.

    Aber mit Ihrem Buch jetzt verdienen Sie Geld, oder?

    Ja, das hoffe ich zumindest. Da stecken zehn Jahre Arbeit drin. Die österreichische Journalistin Melissa Müller hat einen wesentlichen Anteil daran, sie hat die historischen Fakten zusammengetragen und wirklich viel herausgefunden, was ich noch nicht wusste.

    Was zum Beispiel?

    Dass meine Familie einen Deal mit einer jüdischen Familie gemacht hat, Galeristen, sehr vermögend. Sie wurden enteignet, konnten aber nach Südamerika gehen. Die Galerien und Gemälde wurden gegen eine Viehzucht in Venezuela, die einem Teil der Göring-Familie gehörte und nicht viel wert war, getauscht. Die Großmutti, meine Oma, ist zum Hermann gegangen, hat gesagt, die wollen raus. Der gute Onkel hat den Deal gemacht.

    Warum haben Sie so lange an dem Buch gearbeitet?

    Es war schwierig zu schreiben, aber auch zu verkaufen. Zu brisant, zu gefährlich, nicht gut genug geschrieben, hieß es. Eine Münchner Agentin, mit der wir uns getroffen haben, ist überhaupt nicht auf das Thema angesprungen. Der Droemer-Verlag hat dann gesagt, wir machen das.

    Wie ist es für Sie, es jetzt in Deutschland vorzustellen?

    Das Timing ist gut für meine Botschaft: Nie wieder.

    Sehen Sie Parallelen zu heute?

    Die Weimarer Zeit war viel schlimmer. Wir reisen ja viel herum und stellen immer wieder fest, wie gut es den Deutschen geht. Fahren Sie mal nach Thailand oder in arme Gegenden der USA! Aber die Verunsicherung ist ähnlich, die Leute wittern überall Lügen. Lügenpresse, den Begriff haben schon die Nazis verwendet. Zu sagen, alles, was wir nicht mögen, ist gleich eine Lüge. Sie lesen keine Zeitung mehr, sondern suchen in den sozialen Medien nach Positionen, die ihren ähnlich sind. Das hat oft etwas religiös Fanatisches. Die AfD nutzt das für sich aus.

    Also ist die Vergangenheit nicht vorbei für Sie?

    Die ist nie vorbei.

    –---

    Bettina Göring wurde 1956 in Wiesbaden geboren. Ihre Oma väterlicherseits war die Schwester von Hermann Göring, der 1941 den Befehl zum Völkermord an den europäischen Juden gab. Bettina Göring floh mit 13 aus dem Elternhaus, lebte in Südamerika, den USA und Thailand, arbeitet als Heilpraktikerin. Ihre Familiengeschichte arbeitete sie in Dokumentationen und Begegnungen mit jüdischen Überlebenden auf. Ihr Buch „Der gute Onkel: Mein verdammtes deutsches Erbe“ ist im Droemer-Verlag erschienen.

    #histoire #nazis #famille

  • Busspuren in Gefahr: Warum in Berlin noch mehr BVG-Fahrstreifen verschwinden könnten
    https://www.berliner-zeitung.de/mensch-metropole/busspuren-in-gefahr-warum-in-berlin-noch-mehr-bvg-fahrstreifen-vers

    Von der Berechtigung, Busspuren benutzen zu können hängt die Höhe des Einkommens der Taxifahrer ab. Zu Bedndigung der Einnahmemisere braucht es zwri Dinge: Erstens muss die Nachfrage nach Taxis gesteigert werden vier Touren pro Stunde sind Voraussetzung für armutsfestes Einkommen. Damit diese Anzahl an Aufträgen bewältigt werden kann, muss die durchschnittliche Fahrgeschwindigkeit steigen, was angedichts der zahlreichen Staus nur mit reservierten Fahrstreifen zu schaffen ist. Wie wärs mit der Einrichtung von Taxispuren, die auch von BVG-Bussen mit henutzt werden dürfen?

    15.4.2024 von Peter Neumann - In Zehlendorf hatten Anwohner Erfolg. Inzwischen haben Bürger gegen weitere Busspuren Widerspruch eingelegt. Die BVG wird schon jetzt immer langsamer.

    Schlechte Nachrichten für alle, die gern schneller mit dem Bus durch die Stadt fahren würden. Das Busspurnetz in Berlin wächst kaum noch, mit Zuwachs ist auf absehbare Zeit fast nirgends zu rechnen. Im Gegenteil: Das Netz soll sogar schrumpfen. So haben Bürger gegen mehrere Sonderfahrstreifen Widerspruch eingelegt. Damit besteht auch in diesen Fällen die Gefahr, dass die Markierungen entfernt werden. Das geht aus der Senatsantwort auf eine Anfrage des Linke-Politikers Kristian Ronneburg hervor.

    In der Drucksache des Parlaments konnte Staatssekretärin Claudia Elif Stutz dem Abgeordneten nur eine einzige neue Busspur in Berlin nennen. In der Ollenhauerstraße in Reinickendorf sei der dort geplante Sonderfahrstreifen umgesetzt worden, so die CDU-Politikerin. Ansonsten: Fehlanzeige. Als Ronneburg vor mehr als einem Jahr schon mal nach neuen Busspuren gefragt hatte, konnte die Verwaltung keine einzige nennen.
    Bürger legen Widerspruch ein: Diese Busspuren sind in Berlin in Gefahr

    Stattdessen geht aus der aktuellen Senatsantwort hervor, dass in Berlin sieben Bussonderfahrstreifen in Gefahr sind. Gegen sie lägen Widersprüche vor, berichtete die Staatssekretärin. Im Bezirk Charlottenburg-Wilmersdorf seien die Otto-Suhr-Allee und die Hubertusallee betroffen, in Mitte das Reichpietschufer. In Spandau gehe es um die Busspur auf dem Falkenseer Damm, in Tempelhof-Schöneberg um die Hauptstraße zwischen der Rubens- und der Schmargendorfer Straße. In Steglitz-Zehlendorf gehen Bürger gegen die Sonderfahrstreifen auf dem Teltower Damm sowie in der Clayallee vor, hieß es.

    Auf einem anderen Abschnitt der Clayallee, zwischen der Argentinischen und der Riemeisterstraße, hatten Anwohner Erfolg. Die 11. Kammer des Verwaltungsgerichts gab ihnen am 31. August 2022 in einer Eilentscheidung recht. Die Zehlendorfer hatten gegen die Busspur, die von der Straßenverkehrsbehörde der Senatsverwaltung vor ihrer Tür angeordnet worden war, Widerspruch eingelegt und vorläufigen Rechtsschutz beantragt.

    Beschränkungen und Verbote des fließenden Verkehrs dürften nur bei einer besonderen Gefahrenlage angeordnet werden, argumentierte das Gericht. „An einer solchen Gefahr fehlt es hier“, hieß es. So habe die Behörde nicht dargelegt, dass die Busse der Berliner Verkehrsbetriebe (BVG) bisher merkliche Zeitverluste erlitten haben. Die derzeitige Behinderung sei mit lediglich elf bis 26 Sekunden pro Durchfahrt beziffert worden.
    Viele Projekte stehen auf der Liste – aber sie werden nicht verwirklicht

    Zudem habe die Behörde ihr Ermessen nicht ordnungsgemäß ausgeübt, stellten die Richter weiter fest. Denn nach einer bundesweit geltenden Verwaltungsvorschrift sollen Sonderfahrstreifen nur dort eingerichtet werden, wo in der Stunde der stärksten Belastung mindestens 20 Busse verkehren. Die Straßenverkehrsbehörde hatte sich dagegen an einer lokalen Berliner Vorgabe orientiert, ohne dies zu begründen. Danach reichte bisher eine Mindestfrequenz von neun Bussen pro Stunde aus. Nach Informationen der Berliner Zeitung konnte vorher sogar bei nur sechs Busfahrten pro Stunde eine Busspur angeordnet werden. Im März dieses Jahres ließ der Bezirk die Markierung beseitigen.

    Vor Gericht habe der Senat nicht immer glücklich agiert, sagte ein Jurist. Die Folgen waren gravierend. Die Eilentscheidung zur Clayallee markiert den Beginn des Stillstands, der bis heute andauert. Denn seitdem wurde das Busspurnetz so gut wie nicht mehr erweitert. Dabei hatte der Senat noch im März des vergangenen Jahres 21 Projekte aufgelistet, die zwar angeordnet, aber bislang nicht verwirklicht wurden. Dazu zählen stark frequentierte Straßen wie der Brunsbütteler Damm in Spandau und der Britzer Damm in Neukölln, wo die BVG und ihre Fahrgäste nun weiterhin Zeitverluste erleiden.

    Schon kurz nach dem Beschluss in Sachen Clayallee befürchteten Beobachter, dass auch anderswo Anwohner die Nachprüfung von Busspuren beantragen werden. Der Verdacht bestehe, dass sich die Behörde in weiteren Straßen nicht an die bundesweite Vorschrift gehalten habe, hieß es damals. Heute wird klar: Die Befürchtung besteht zu Recht.

    Fatale Entscheidung der Länderkammer: Berlin scheitert im Bundesrat

    Wie berichtet, wurde die Verkehrsverwaltung sogar selbst tätig – ohne dass Bürger Widerspruch eingelegt hatten. Wie der Fahrgastverband IGEB berichtete, wurde für die Busspur Otto-Braun-Straße (Richtung Mollstraße) 2023 die Beseitigung angeordnet. Die mit zwei Buslinien betroffene BVG wurde nicht angehört. „Diese Busspur, die von den Radfahrern bisher genutzt werden kann und auch genutzt wird, nun zugunsten eines Radfahrstreifens zu beseitigen, schürt Spannungen zwischen Bus- und Radverkehr.“

    Ebenfalls im vergangenen Jahr versuchte Berlin, die Anordnung von Busspuren bundesweit zu erleichtern. Doch der Versuch scheiterte. Zwar griff das Bundesverkehrsministerium den Wunsch des Landes auf. Doch als der Bundesrat im vergangenen November über diese und andere geplante Änderungen der Straßenverkehrsordnung entschied, bekam der Entwurf in der Länderkammer keine Mehrheit. Damit fehle es „an einer Rechtsgrundlage für die geplante Veränderung“, teilte Claudia Elif Stutz dem Abgeordneten Kristian Ronneburg jetzt in ihrer Antwort mit.

    Ein gefragtes Verkehrsmittel: Ein BVG-Bus hält vor der Marienkirche in Mitte. Der größte kommunale Busbetrieb in Deutschland wurde allein im vergangenen Jahr für mehr als 400 Millionen Fahrten genutzt.

    Ein gefragtes Verkehrsmittel: Ein BVG-Bus hält vor der Marienkirche in Mitte. Der größte kommunale Busbetrieb in Deutschland wurde allein im vergangenen Jahr für mehr als 400 Millionen Fahrten genutzt.Emnuele Contini

    Damit kann die Erosion im Berliner Busspurnetz weitergehen. Dabei war in der Berliner Verkehrspolitik trotz Streits stets Konsens, dass ein attraktiver öffentlicher Verkehr Straßen entlastet und Menschen aus ihren Autos locken kann. Attraktiv sind Busse und Bahnen aber nur, wenn sie die Fahrgäste möglichst zügig befördern. Busspuren und Ampelschaltungen, die dem Nahverkehr Vorrang geben, galten schon in den 1990er-Jahren unter CDU-Verkehrssenatoren als wichtig. So wuchs das Netz der Sonderfahrstreifen von 1990 bis zum Jahr 2000 von rund 34 auf rund 100 Kilometer.

    Zwischendurch ging es immer mal wieder jahrelang nicht voran. Erst nachdem die Senatsverwaltung für Verkehr 2016 von der SPD zu den Grünen gewechselt hatte, ging der Ausbau des Busspurnetzes weiter. Inzwischen ist es rund 123 Kilometer lang. Als nach der Entscheidung des Verwaltungsgerichts 2022 der Stopp kam, waren viele neue Projekte in der Pipeline. Sie dürften keine Chance mehr haben.

    Noch vor einem Jahrzehnt waren BVG-Busse deutlich schneller als heute

    In den vergangenen Jahren ist die Durchschnittsgeschwindigkeit des BVG-Busverkehrs gesunken. 2014 waren die Busse nach Angaben des Landesunternehmens im Schnitt noch mit 19,3 Kilometern pro Stunde unterwegs – Stopps vor Ampeln und an Haltestellen eingerechnet. 2022 waren es 17,9 Kilometer, im vergangenen Jahr 17,8 Kilometer, berichtete Staatssekretärin Stutz. Welche Buslinien im vergangenen Jahr besonders oft gestört waren, teilte die BVG mit: 100, 128, 142, 147, 200, 245, 247, 248, 300 und 377. Zu den Störfaktoren gehören Demonstrationen und Veranstaltungen.

    Die Senatspolitikerin machte deutlich, dass die Bemühungen zur Beschleunigung des BVG-Verkehrs auf anderen Feldern fortgesetzt werden. So wurden an 39 Ampelanlagen in Berlin Beschleunigungsmaßnahmen umgesetzt, heißt es in der Drucksache des Parlaments. In Berlin können 1040 Ampelanlagen vom öffentlichen Verkehr beeinflusst werden. Acht weitere Anlagen kommen 2024 und 2025 hinzu.

    Fahrgastverband IGEB fordert vom Senat mehr Kreativität

    Christfried Tschepe, Vorsitzender des Fahrgastverbands, und seine Mitstreiter forderten den Senat auf, kreativer zu sein. „Da eine Novelle der Straßenverkehrsordnung erst deutlich nach der nächsten Bundestagswahl im Herbst 2025 realistisch ist, müssen in den nächsten Jahren die geltenden Rahmenbedingungen kreativ genutzt werden. Bisher wurden Busspuren für den Radverkehr freigegeben, zum Beispiel auf dem Kurfürstendamm. Ab jetzt müssen Radfahrstreifen für den Buslinienverkehr freigegeben werden“ – etwa Unter den Eichen.

    #Berlin #BVG #Taxi #Verkehr #Stadtentwicklung

  • Ostfrau erster Generation: Selbstbewusst zwischen Traumberuf, Kindern und Karrieremann
    https://www.berliner-zeitung.de/mensch-metropole/ostfrau-erster-generation-selbstbewusst-zwischen-traumberuf-kindern


    September 1984: Fidel Castro plaudert privat mit Konrad „Konni“ Naumann (l.). Fidel redet und redet. Irmingart Lemke (r.) dolmetscht und folgt dem Comandante bis in die Fingerbewegung.


    Irmingart Lemke als Sprachmittlerin zwischen Luis Corvalán (l.) und Erich Honecker

    14.4.2024 Maritta Adam-Tkalec - Wie die Dolmetscherin Irmingart Lemke den Dreikampf des Lebens bewältigte und wie sie Männer wie Fidel Castro und Erich Honecker erlebte.

    Ein Mädchen aus Bülzig macht 1955 Abitur in Wittenberg, und anstatt risikoarm und ortsverhaftet Lehrerin zu werden, erhält sie unerwartet die Chance, Spanisch und Englisch zu studieren statt Russisch. 20 Jahre später erklimmt sie die Höhen des Dolmetscherfachs. Sie übersetzt offizielle und – viel interessanter – informelle Treffen mit Fidel Castro und DDR-Spitzenpolitikern. Sie weiß von Erich Honecker und seiner Frau Margot, der DDR-Bildungsministerin, aus dem Nähkästchen zu plaudern.

    Viele Delegationen hat sie auf Reisen ins sozialistische Kuba, nach Spanien und Lateinamerika als Dolmetscherin begleitet – ein Traum für eine junge Frau aus der DDR. Aber sie war eben einfach gut in ihrem Fach.

    Irmingart Lemke, geboren 1937, hat neben dem anspruchsvollen Beruf eine Tochter und einen Sohn großgezogen und den Haushalt für einen ebenso viel beschäftigten wie viel abwesenden Mann bewältigt, einen passionierten Außenhändler, der in den letzten DDR-Jahren zum stellvertretenden Außenhandelsminister aufgestiegen war. Eine Ostfrau der ersten Generation. Wie hat sie das gemacht? War das eher Last oder mehr Lust? Und was hat sie von den Begegnungen mit charismatischen Welt-Persönlichkeiten wie Fidel zu erzählen?
    Fidel Castro privat: Wie der Comandante ein Nashorn erledigte

    Ihre Lieblingsgeschichte bestätigt, was man über den kubanischen Revolutionsführer, Partei-, Staats- und Regierungschef Kubas so hörte. Sie geht so: Konrad Naumann, Konni, volkstümlicher SED-Parteisekretär der DDR-Hauptstadt, reiste vom 6. bis zum 14. September 1984 nach Havanna, Irmingart Lemke an seiner Seite. Sein Gegenüber war der Bürgermeister Havannas, aber: „Keiner durfte heimkommen, ohne nicht wenigstens einen kurzen Termin bei Fidel Castro nachweisen zu können, sonst galt die Reise als nicht richtig erfolgreich“, erinnert sich die Dolmetscherin.

    „Soll der Mann im Haushalt helfen?“

    Tatsächlich hatte Konrad Naumann seinen offiziellen Termin beim Revolutionsidol in dessen Palast der Revolution; man redete unter anderem über den Nato-Raketenbeschluss: „Konni Naumann tat so, als wisse er viel mehr als andere über die Stationierung; Fidel wusste gar nichts.“

    Am späten Abend rollte eine Autokolonne vor die Residenz der DDR-Delegation. Ins Haus trat der bärtige Comandante sehr entspannt in seiner Arbeitskleidung, der grünen Uniform. Er wolle mehr erfahren, sagte er, um dann unablässig selbst zu sprechen. Er lud alle – auch das Küchenpersonal – zum Zuhören ein.

    Irmingart Lemke hat unter die Bilder in ihrem Fotoalbum geschrieben: „Er redete und redete“ – über die Vorbereitung der Expedition mit der „Granma“ (das Schiff, das die ersten 82 kubanischen Kämpfer 1952 von Mexiko nach Kuba brachte) und wie sie die Gewehre besorgt hatten. Oder die Macho-Schnurre à la Hemingway von einem Nashorn, das beim Umzug des Zoos von Havanna vom Auto gesprungen war und er, der Comandante en jefe, das Tier persönlich „erledigte“. Angeregt plauderte Fidel über Treibjagden, die der damalige sowjetische Staats- und Parteichef Nikita Chruschtschow für ihn organisierte oder über das Gämsenschießen in der ČSSR.

    Die Dolmetscherin hatte zu tun. Man muss eine sehr strapazierfähige Stimme haben in diesem Beruf und eine noch stabilere Konzentration – zumal beim Simultandolmetschen. Drei Stunden ging das so, Fidel immer die Havanna-Zigarre in der Hand. Dann stand er auf und teilte gut gelaunt mit, er habe sich „wunderbar entspannt im Kreise von Freunden gefühlt“.

    Irmingart Lemke war schwer beeindruckt: „Er war enorm locker, natürlich auch ein Selbstdarsteller, aber man konnte sich der Ausstrahlung nicht entziehen.“ Und sie war stolz, dass Fidel sie als Dolmetscherin zugelassen und nicht den mitgebrachten eigenen gewählt hatte. Im Nachhinein wertet sie Fidel als tragische Persönlichkeit mit historischer Bedeutung, die ihr Leben lang für die Verwirklichung einer Vision gekämpft habe, die sie wohl im hohen Alter selber als „so, wie versucht, nicht realisierbar“ erkannt habe.

    Aber zurück zu den Anfängen. Die Geburt der Tochter, ein ungeplantes Kind, bremste zunächst den Start in den Beruf. Anfang der 1960er stand den Paaren die Pille noch nicht zur Verfügung, die kam 1965. Auch Krippen waren selten. „Da saß ich mit dem Kind zu Hause und sah jeden Morgen Frauen und Männer zur Arbeit gehen.“ Sie empfand das als eine harte Zeit: „Ich hatte die Ausbildung, ich wollte arbeiten. Der Wunsch hat uns – ohne jede Ideologie – geprägt“, erinnert sie sich: „Wir waren eben eine neue Generation.“ Der Beruf als Dolmetscherin – als Dienstleisterin – habe perfekt zu ihrem Charakter gepasst.
    Wie die DDR „eigentlich alles“ an Kuba verschenkte

    Sie hatte allerdings zu jener Zeit schon eine erste, zum Süchtigwerden taugende Erfahrung: An ihrem ersten Arbeitsplatz, einem Außenhandelsbetrieb, waren 1960, kurz nach der Revolution, die ersten Kubaner aufgetaucht und baten um Hilfe. Die Berufsanfängerin wurde zum Dolmetschen in den Bereich Feinmechanik-Optik gebeten („Da saß mein späterer Mann und hat mich umgehend abends zum Essen eingeladen“) und kurz darauf ging es mit einer Gruppe von Ingenieuren und Händlern (darunter ihr späterer Mann) nach Kuba –„ein absolutes Wunder“, sagt sie.

    Was für Wege man damals flog! Über Amsterdam, die kapverdische Insel Sal und das karibische Curaçao nach Havanna. Sie erlebte, wie die DDR an das junge Kuba „eigentlich alles verschenkte“: Straßenbaumaschinen, Krankenhausausrüstung, Zusagen auf Kredit. Mit hochfliegenden Gefühlen spazierte sie durch Havanna, ihre erste große Stadt außerhalb der Heimat. Auf der Treppe der Uni hörte sie die flammende Rede eines jungen Mannes: „Ich hatte keine Ahnung, dass das Fidel Castro war.“

    Dann saß sie wieder im Ost-Berliner Büro, übersetzte „brav und mühsam mit Wörterbuch, jede Seite maschinengetippt, drei Durchschläge mit Blaupapier“. Das Kind kam, sie fand, es war zu früh. Der wenig geliebte Ausweg: „Was man heute Homeoffice nennt und damals Heimarbeit hieß.“ Ein Kollege brachte zu übersetzendes Material in die AWG-Neubauwohnung in Friedrichsfelde und holte es fertig wieder ab. Etwa vier Jahre lang ging das so. Das Kind saß neben ihr im Ställchen. „Das war Stress.“

    Hat sie mit ihrer Situation gehadert? „Ja, ich dachte schon, dass ich gerade zu kurz komme.“ Und dann kam „der Lichtblick“: Gamal Abdel Nasser, der erste Präsident des unabhängigen Ägyptens, hatte DDR-Chef Walter Ulbricht eingeladen. Es ging um Handelsverträge. So reiste Irmingart Lemke im Februar 1965 nach Kairo und übersetzte auf der Reiseschreibmaschine. Sie sah die Pyramiden – Ulbricht und Nasser leider nicht.

    Angesichts der zweiten Schwangerschaft und der Perspektive, weiter zu Hause zu hocken, beschloss sie: „So geht’s nicht weiter.“ Sie drängte ihren Mann, der eine Karriere in seinem Betrieb in Aussicht hatte, für beide „was im Ausland“ zu suchen. Wo man Spanisch spricht, das konnte der Außenhändlergatte nämlich auch ganz ordentlich.
    Ausnahmeleben in Havanna

    So kam er als Handelsattaché nach Kuba und sie als fest angestellte Mitarbeiterin der Dolmetscherabteilung des Außenhandelsministeriums. Die vierjährige Tochter ging in den deutschen Kindergarten, das sechs Monate alte Baby wurde in die Obhut einer jungen Kubanerin gegeben. „Sie war den ganzen Tag bei uns, gewissermaßen eine Haushälterin, froh über den Verdienst. Ein unglaublicher Luxus.“

    War es schwer, den Mann zu überzeugen, seiner Frau zuliebe die Laufbahn zu ändern? „Das hat gedauert“, sagt sie, „aber letztlich hat er positiv reagiert.“ Eine partnerschaftlich getroffene Entscheidung. 1965 – das war zwölf Jahre, bevor in der Bundesrepublik das Gesetz aufgehoben wurde, das Frauen die Arbeitsaufnahme nur nach Genehmigung durch den Gatten erlaubte.

    Freundschaften und Spannungen bei Intertext

    Als wunderbare Zeit erlebte sie die Jahre in Havanna, nur dass sie sich immer wieder für Empfänge schick aufbrezeln musste: „Das war nicht mein Ding.“ Fotos zeigen die junge Irmingart Lemke mit einer feschen blonden Kurzhaarfrisur, eine attraktive, sportliche Frau. Offenkundig aufs Praktische orientiert.

    Nach drei Jahren folgte der Ehemann einem Ruf in sein künftiges Ministerium. Sie landete beim parteieigenen Sprachmittlerbetrieb Intertext, Anfang der 1970er wurde die Abteilung Auslandsinformation geschaffen, für alle Weltsprachen. Ihr unterstanden 15 bis 20 Leute der Spanischgruppe, darunter Muttersprachler, ins DDR-Exil geflüchtete Chilenen zum Beispiel. „Da entstanden viele Freundschaften“, sagt die damalige Gruppenleiterin. Spannungen habe es allerdings auch gegeben – zwischen jenen, die reisen durften, und den anderen.

    Jetzt begann das Dolmetschen auf politischer Ebene: Damals kamen viele Persönlichkeiten aus Lateinamerika in die DDR, Menschen wie Luis Corvalán, Generalsekretär der KP Chiles, nach langer Haft in Pinochets Gefängnis freigekämpft, und seine Frau Lily oder Rodney Arismendi, Chef der KP Uruguays, „ein Intellektueller, beeindruckend“. Etwa 40 Gespräche dieser Kategorie mit Erich Honecker hat Irmingart Lemke gedolmetscht.

    Wie war das mit Erich Honecker? „Eine sehr einfache Sprache, meist Floskel an Floskel, leicht zu übersetzen, aber langweilig.“ Sie hat den Mann, der mehr als zwei Jahrzehnte die Geschicke der DDR bestimmte, als höflichen, aber sehr steifen Menschen erlebt, der, so vermutet sie, seinen Mangel an Bildung und die folglich „dünne Sprache“ durch Förmlichkeit überspielte.

    Die beiden Kinder waren inzwischen als Teenager selbstständig genug und ganz froh, dass nicht ständig einer zu Hause war. Beklagt hätten sie sich nie, nur der Sohn habe dem Vater mal vorgeworfen, er sei zu wenig da. „Sie haben sich beizeiten ein eigenes Leben gebaut.“ Doch der Haushalt klebte im Wesentlichen und recht traditionell an der Frau: „Wenn ich eine Woche auf Reisen war, füllte sich der Wäschekorb, da wurde nur das Allernötigste gemacht.“ Aber die Kinder profitierten auch von den Reisen der Mutter. Die sparte sich nämlich das zur Verpflegung gedachte Tagegeld (in Devisen) vom Munde ab und brachte begehrte Schallplatten oder schicke Klamotten mit.

    Jetzt ist Irmingart Lemke 86 Jahre alt, pflegt den Garten um das Häuschen in einem Berliner Vorort. Der Sohn ist ein erfolgreicher CEO, die Tochter lebt in Chile, deren Tochter bereitet sich auf ein Informatik-Studium in Potsdam vor. Die frühere Dolmetscherin hat ihre Erinnerungen in Alben geordnet. Wie oft wohl ihr blonder Schopf neben den Männern auf der Seite 1 des Neuen Deutschland war – und damit auch in der Berliner Zeitung? Natürlich ohne Namensnennung – wer kennt schon die Dolmetscher? Immerhin verdiente sie sich den Vaterländischen Verdienstorden in Bronze (1987) und den Orden Banner der Arbeit Stufe III (1984). Diese Information muss man im Archiv suchen, ihr selbst ist das nicht der Rede wert.

    Zu Besuch bei Honeckers in Chile

    Als die Lemkes nach der Wende regelmäßig zur Tochter nach Chile flogen, besuchten sie dort auch die Honeckers. Irmingart hatte auch für die als arrogant geltende Margot gearbeitet, sie zum Beispiel nach Nicaragua begleitet. Im persönlichen Umgang sei sie gar nicht hochnäsig gewesen, aber bis zum Schluss vom bevorstehenden Sieg des Kommunismus überzeugt.

    Beim ersten Besuch in dem kleinen Häuschen in Santiago lebte Erich Honecker noch: „Er kam im eleganten Morgenmantel herbei und scherzte, er bekäme mehr Rente als seine Frau, weil er ja schon als 14-Jähriger gearbeitet habe.“ Er sei freundlich, aber kühl und unpersönlich geblieben, auch im Umgang mit den Chilenen, denen er doch eigentlich nahestand. Die Margot, so berichtet die Besucherin, sei ihrem Enkel eine gute Oma gewesen.

    Rückblickend sagt Irmingart Lemke: „Ich bin meinem Mann und seiner beruflichen Entwicklung gefolgt“, allerdings mit wachsendem Selbstbewusstsein. In der nächsten Generation gab es Pille, Krippen, Kindergärten; qualifizierte Frauen waren keine Seltenheit mehr. Aber sie führten dieselben Diskussionen. Heutige Paare handeln ihr Leben mit größerer Selbstverständlichkeit aus: Wer steckt wann zurück, wer bringt den Müll runter, wer geht zum Elternabend? Die Ergebnisse des Aushandelns haben sich zugunsten der Frauen verschoben. Hoffen wir mal.

    #DDR #Cuba #Chili #histoire #femmes #socialisme #langues

  • Berlin-Schöneberg: Hauptstraße wird umgebaut – Ärgernis für Autofahrer
    https://www.berliner-zeitung.de/mensch-metropole/berlin-schoeneberg-hauptstrasse-wird-umgebaut-aergernis-fuer-autofa

    Nach Jahren schlecht durchdachter Verkehrspolitik grüner Senatorinnen werden begonnene Projekte zu Ende gebracht. Jetzt spricht wieder eine Senatorin mit allen, die Politik gegen die Hälfte der Berliner ist zum Glück beendet. Dabei wird auch die CDU Frau den privaten PKW-Verkehr nicht aus der Innenstadt verbannen, etwa durch eine sehr teure Mautgebühr. Nur eine derartige Maßnahme würde die Straßen wirksam entlasten und die Gefährdung der schwächeren Verkehrsteilnehmer effektiv verringern. Bis dahin ist der Weg noch weit im Land der Erfinder des Automobils.

    10.4.2024 von Peter Neumann - Der Platz für Autos wird halbiert, Radfahrer und BVG-Fahrgäste profitieren. Weitere Umgestaltungen von Magistralen wird es unter der CDU kaum noch geben.

    Noch ist es eine Horrorstrecke, sagt Ursula Epe. „Auf dieser Straße Rad zu fahren, ist lebensgefährlich“, klagt die Berlinerin. Auf der Hauptstraße in Schöneberg treiben Kraftfahrer Radfahrer in die Enge und die Stimmung ist aggressiv. Am Mittwoch wurde nun damit begonnen, einen 1200 Meter langen Abschnitt umzugestalten. Radfahrer und Bus-Fahrgäste werden profitieren, doch für Autofahrer halbiert sich der Platz. Es ist ein Vorhaben der Mobilitätswende, das auf Berlins Hauptverkehrsstraßen inzwischen Seltenheitswert hat, seitdem eine CDU-Politikerin Verkehrssenatorin geworden ist. Nachfolgeprojekte auf diesen Teilen des Straßennetzes sind kaum in Sicht.

    Aus zwei mach eins. Wo Autos zwei Fahrstreifen zur Verfügung standen, gibt es nur noch einen. Ein Ministau hat sich aufgebaut, der auf die Kreuzung Dominicusstraße reicht. Gegenüber der Dorfkirche Schöneberg gehen die angekündigten Markierungsarbeiten in die Vollen. Dort kann man sehen, wie die Hauptstraße von hier bis zum U-Bahnhof Kleistpark aussehen wird. „Wir teilen den Straßenraum anders auf, zugunsten der Radfahrer und der BVG“, erklärt Saskia Ellenbeck. Die Grünen-Stadträtin, die in Tempelhof-Schöneberg für die Straßen zuständig ist, ist zum Ortstermin gekommen.

    Bislang stehen auf diesem Teil der Bundesstraße 1 Kraftfahrzeugen zwei Fahrstreifen pro Richtung zur Verfügung. Die Busspuren für die Berliner Verkehrsbetriebe (BVG) verlaufen am rechten Fahrbahnrand. Jetzt wandern die Busspuren in die Mitte, und künftig sind sie für Autos nicht nur montags bis freitags von 7 bis 18 Uhr, sondern an allen Tagen rund um die Uhr tabu. Rechts davon, am Rand, entstehen die geplanten Radfahrstreifen. Flexible Baken, Leitboys genannt, sowie Sperrpfosten, ebenfalls aus Plastik und rot-weiß gestreift, sollen die 2,25 Meter breiten Trassen vor Falschparkern schützen. Dem übrigen Kfz-Verkehr bleibt links ein Fahrstreifen pro Richtung.


    Ortstermin in der Hauptstraße in Schöneberg: Bezirksstadträtin Saskia Ellenbeck (Grüne) zeigt eines der Sperrelemente, die künftig die Radfahrstreifen am rechten Fahrbahnrand schützen sollen. Peter Neumann/Berliner Zeitung

    Saskia Ellenbeck macht nicht den Eindruck, als ob das für sie ein Problem ist. Schließlich gebe es in der Potsdamer Straße, die sich anschließt, für Autos heute schon nur einen Fahrstreifen pro Richtung, sagt sie. „In der Hauptstraße wird die Kapazität steigen.“ Denn die Radfahrstreifen werden dazu führen, dass viel mehr Radler als heute die Pendlermagistrale im Südwesten nutzen. Auch der Wirtschaftsverkehr profitiere: 19 Lade- und Lieferzonen entstehen – davon zwei in der Akazien- und der Albertstraße, wo Autostellplätze wegfallen. Teile der Busspuren werden montags bis freitags von 9 bis 14 Uhr zum Be- und Entladen freigegeben. Dann müssen die Busse wie heute Slalom fahren.

    Die Pläne für die Hauptstraße hatte der Bezirk noch unter Schreiners Vorgängerinnen von den Grünen mit dem Senat abgestimmt. Doch nach dem Wechsel in der Landesregierung im Frühjahr 2023 stellten die neue Senatorin und ihre Staatssekretärin Claudia Elif Stutz (ebenfalls CDU) auch dieses Projekt auf den Prüfstand. Das Netzwerk fahrradfreundliches Tempelhof-Schöneberg und andere Organisationen riefen zu Demos auf, die Deutsche Umwelthilfe kündigte die Klage eines Bürgers an.
    Schöneberg: Warum der Umbau der Hauptstraße ein Jahr Verspätung hat

    „Wir mussten hart dafür kämpfen, dass wir dieses Projekt umsetzen können“, erinnert sich die Bezirksstadträtin am Mittwoch. Die Hauptstraße gehörte zu den Radverkehrsvorhaben, für die Schreiner und Stutz nach einigen Wochen grünes Licht gaben. Stand lange Zeit zu befürchten, dass der zugesagte Bundeszuschuss von 750.000 Euro verfällt, gelang es, das Geld ins Jahr 2024 zu retten. Wie vorgesehen, gibt Berlin 250.000 Euro dazu, der Bezirk finanziert die Asphaltarbeiten. Ellenbeck: „Wir gehen davon aus, dass im Sommer 2024 alles fertig ist“ – ein Jahr später als anfangs geplant.

    Mehr Platz für klimafreundlichen Verkehr, weniger Platz für Autos. Was unter Grünen-Senatorinnen offizielle Senatspolitik war, wirkt unter Manja Schreiner exotisch. Sicher, einige ältere Projekte werden noch abgearbeitet. Die Umgestaltung der Boelckestraße in Tempelhof, bei der die Senatsverwaltung Änderungen zugunsten des Autoverkehrs durchsetzte, wird nächste Woche abgeschlossen. In Schöneberg will die landeseigene Infravelo den Umbau der Grunewaldstraße in Angriff nehmen, bei dem Radfahrer ebenfalls mehr Platz bekommen sollen. Aus Mitte ist zu hören, dass die Beusselstraße in Moabit Radfahrstreifen bekommt. Baustart: noch im April 2024. In Friedrichshain-Kreuzberg stehen der Umbau der Gitschiner Straße und Radfahrstreifen am Stralauer Platz Nord und in der Stralauer Allee auf der Liste.

    Neue Vorhaben, die auf Berliner Hauptverkehrsstraßen grundlegende Umgestaltungen zur Folge haben werden, sind dagegen nicht in Sicht. Auch deshalb nicht, weil Schreiners Verwaltung sparen muss, um die Vorgaben von Finanzsenator Stefan Evers (CDU) zu erfüllen. In ganz Berlin spüren Verfechter der Mobilitätswende Gegenwind. Ein Beispiel aus Dahlem: Seitdem Christdemokraten die Pläne für geschützte Radfahrstreifen in der Thielallee kritisiert hatten, liegt das Projekt auf Eis. „Dabei ist alles vorbereitet“, sagte Emil Pauls vom Netzwerk fahrradfreundliches Steglitz-Zehlendorf. Für Studenten der Freien Universität sei das Projekt wichtig.
    Neue Radfahrstreifen in Mitte: Ein Projekt wird realisiert, ein anderes hängt

    In Mitte geht man davon aus, dass während dieser Wahlperiode auf keiner weiteren Hauptverkehrsstraße Verbesserungen für Radfahrer möglich sein werden (von der Beusselstraße abgesehen). Was mit der Torstraße passiert, wäre ebenfalls ungewiss, hieß es im Bezirksamt. Die Senatsverwaltung habe angekündigt, dass sie auch dieses Vorhaben überprüft. Dort sollte ursprünglich in diesem Jahr damit begonnen werden, Radfahrstreifen anzulegen. Dabei würden fast alle Autostellplätze entfallen.


    In der Hauptstraße haben die Markierungsarbeiten für die neuen Busspuren und die Radfahrstreifen begonnen. Im Sommer 2024 sollen die Arbeiten beendet sein. Kosten: mehr als eine Million Euro.

    Weil auf Hauptverkehrsstraßen bis 2026 im Sinne der Radfahrer fast nichts mehr geht, konzentriert sich auch Tempelhof-Schöneberg auf die Nebenstraßen – für sie sind die Bezirke zuständig. So sei für 2024 geplant, die Monumenten- und Langenscheidtstraße zu einer Fahrradstraße umzugestalten, sagte Saskia Ellenbeck. „Allerdings gibt es noch keine Finanzierung“ – wegen der Sparzwänge im Senat. Auch die Eschersheimer sowie die Belziger Straße stehen auf der Liste neuer Fahrradstraßen, so die Stadträtin.

    Saskia Ellenbeck ist bei ihrem Ortstermin am Richard-von-Weizsäcker-Platz in Schöneberg angekommen. „Hier wird es auch für Fußgänger sicherer“, so die Grünen-Politikerin. Der Senat passt die Ampelschaltungen so an, dass alle Fahrzeuge rotes Licht bekommen, wenn Fußgänger grün sehen. Nicht weit entfernt, an der Einmündung der Akazienstraße, hat die Hauptverwaltung die Planung dagegen verschlechtert, klagt Jens Steckel vom Netzwerk fahrradfreundliches Tempelhof-Schöneberg. Anders als vorgesehen wird es keine Abbiegespur für Radfahrer geben, die links in die Akazienstraße wollen. Die Folge: Wie heute müssen Radfahrer absteigen und laufen.

    Frage eines Radpendlers: Ist der Umbau der Hauptstraße ein „Alibiprojekt“?

    Es gibt aber auch grundsätzliche Kritik am gesamten Umbauprojekt der Hauptstraße. „Auf der heutigen Busspur lässt sich entspannt Rad fahren“, sagte Andreas Schwiede, Radfahrer aus Marienfelde, im vergangenen Jahr der Berliner Zeitung. Wenn das Ordnungsamt dafür sorgen würde, dass Abschleppwagen die bestehenden Bussonderfahrstreifen konsequent von Falschparkern befreien, würde das mehr bringen, als das jetzt vorgesehene „Alibiprojekt“, das neue Konflikte schafft.

    Weil die heutige Regelung nur tagsüber gilt, parken abends und nachts viele Fahrzeuge auf den Busspuren, entgegnete Saskia Ellenbeck. Viele Autos stehen noch dort, wenn am Morgen um 7 Uhr wieder Busse dort fahren sollen, und behindern den BVG-Verkehr.

    „Unser Ordnungsamt kann nicht überall sein, es ist für 400 Kilometer Straße zuständig“, so die Stadträtin. Viele Radfahrer fühlten sich unwohl, wenn sie auf einer Busspur fahren und sich den Platz mit Bussen teilen müssen, erklärt sie. „Wir wollen Infrastruktur, die zum Radfahren einlädt. Was hier jetzt entsteht, ist eine echte Verbesserung.“

    #Berlin #Schöneberg #Hauptstraße #Verkehr #Politik #Stadtentwicklung

  • Mindesttarife für Uber, Bolt & Co.: Warum in Berlin die Fahrpreise steigen sollen
    https://www.berliner-zeitung.de/mensch-metropole/mindesttarife-fuer-uber-bolt-und-co-warum-in-berlin-die-fahrpreise-

    Es geht los, die Uber-Festung beginnt mit dem Beschuß der Truppen, die sich zur Rückeroberung des von Sozialstaat und Verkehrsregeln befreiten Terrains formieren. Die Verminung des Terrains mit fragwürdigen Gesetzesänderungen, veralteten Rechtsauffassungen und Einbindung der Taxi-Aufsichtsbehörde in die eigenen Einflusszone war erfolgreich. Nun soll der erneut aufflammende Widerstand gebrochen werden. Ein Artikel der Berliner Zeitung berichtet aus dem Arsenal der Uber-Menschen.

    10.4.2024 von Peter Neumann - Um bessere Bedingungen für Taxis zu schaffen, will der Senat einen umstrittenen Schritt wagen. Doch nicht nur dieses Vorhaben zieht sich in die Länge.

    So einfach ist das: Wem ein Taxi zu kostspielig ist, der ruft per Handy einen Mietwagen mit Fahrer herbei. Meist ist der Fahrpreis bei Uber, Bolt und Freenow niedriger. Doch das soll sich ändern. Jetzt hat die Senatsverkehrsverwaltung ihren Plan bekräftigt, in Berlin Mindestfahrpreise für den Mietwagenverkehr einzuführen. Taxis und Mietwagen sollen gleiche Bedingungen haben. Allerdings zieht sich das Vorhaben in die Länge, wie eine Anfrage der Berliner Zeitung ergab. Die Branche kritisiert den Plan – und behält sich vor, gegen das Land vor Gericht zu ziehen. Der Ärger über das „Taxischutzgesetz“ ist groß.

    Mehr als zweieinhalb Jahre sind schon vergangen: Seit August 2021 gibt das Personenbeförderungsgesetz Städten und Landkreisen die Möglichkeit, bei den Tarifen für Uber, Bolt und Co. eine Untergrenze einzuziehen. So soll das Taxigewerbe vor Preisdumping bewahrt werden. Doch weil die Kommunen keine weiteren Vorschriften an die Hand bekamen, blieb auch Berlin vorsichtig und nutzte die neue Befugnis nicht. Nun will Verkehrssenatorin Manja Schreiner (CDU) den Schritt wagen. Die größte deutsche Stadt soll Vorreiter werden. Von einer Umsetzung im Sommer ist aber keine Rede mehr.

    Festpreise für Taxis in Berlin: Was Fahrgäste beachten sollten

    „Die Vorbereitung der Einführung von Mindestpreisen im Mietwagenverkehr läuft“, sagte Schreiners Sprecherin Britta Elm. Wenn ein Fahrgast eine Taxifahrt bestellt, bekommt er auf Wunsch einen verbindlichen Tarif genannt, auf den er sich verlassen kann. Taxinutzer sollten aber eines beachten: Wie in München kann der Festpreis nicht nur um bis zu zehn Prozent unter, sondern auch um bis zu 20 Prozent über dem Basistarif liegen. Das soll es der Taxibranche ermöglichen, wie ihre Konkurrenz flexibel auf Angebot und Nachfrage reagieren zu können. Hieß es bislang, dass die Regelung im ersten Quartal 2024 eingeführt wird, nennt die Verwaltung derzeit kein Datum mehr.


    Warten auf Fahrgäste: 2019, im letzten Jahr vor Corona, waren im Dezember in Berlin 8044 Taxikonzessionen vergeben. Ende Februar 2024 waren in Berlin noch 5626 Taxis registriert.

    Was in der zweiten Stufe geschehen soll, steht aber bereits fest: Wenn es die Festpreisoption gibt, will der Senat ermitteln lassen, wie sie sich auf die Nachfrage nach Taxifahrten auswirkt. Die Ergebnisse sollen in das Vorhaben einfließen, das als Nächstes vorgesehen ist: Mindestpreise für den Mietwagenverkehr in Berlin. Deren Einführung werde „voraussichtlich zum Jahresende realistisch sein“, kündigte Elm auf Anfrage an.

    Zuletzt war davon die Rede, dass die Preis-Untergrenze früher kommen sollte. Doch die Juristen wollen das Vorhaben rechtssicher vorbereiten. Denn sie wissen, dass es Gegenwind geben wird, und rechnen mit Gerichtsverfahren. Einer der App-Betreiber, das estnische Unternehmen Bolt, spricht das offen aus. „Wir gehen von der Rechtswidrigkeit eines Mietwagenmindestpreises zum wirtschaftlichen Schutz des Taxigewerbes aus und halten uns alle Rechtsmittel offen“, so Johannes Söller, Sprecher von Bolt in Berlin.

    Fachkanzleien hätten das Thema intensiv geprüft, erklärte er. „Zwar räumt das Personenbeförderungsgesetz den Kommunen neue Spielräume in der Regulierung zwischen Taxi und Mietwagen ein, im Hinblick auf die Einführung von Mindestpreisen sind ihnen allerdings national und europäisch enge rechtliche Grenzen gesetzt.“ Söller verwies auf ein Urteil des Europäischen Gerichtshofs aus dem Juni 2023, bei dem es um die Regulierung des Mietwagenmarkts in Barcelona ging. Danach könne eine Maßnahme wie die Einführung von Mindestpreisen nicht mit dem Ziel gerechtfertigt werden, die wirtschaftliche Lebensfähigkeit der Taxidienste zu gewährleisten, hieß es bei Bolt.

    Auch bei Uber geht man davon aus, dass Behörden, die den Paragrafen 51a des Personenbeförderungsgesetzes anwenden, rechtswidrig handeln. Das Unternehmen aus den USA verweist auf ein Gutachten, das die Anwaltskanzlei Freshfields Bruckhaus Deringer vorgelegt habe. „Rein wirtschaftliche Motive der Taxiunternehmer stellen keine zwingenden Gründe des Allgemeininteresses dar“, fasste Uber-Sprecher Oliver Mattutat zusammen. „Erwägungen dieser Art können eine Regelung, die Mietwagenunternehmer in ihrer Niederlassungs- und Berufsfreiheit beschränkt, nicht rechtfertigen.“

    Mindestfahrpreise im Mietwagenverkehr: Vor diesen Folgen warnt die Branche

    Fahrgäste wären die Verlierer, warnte der Sprecher des Fahrdienstvermittlers. „Mindestpreise würden dazu führen, dass Fahrten für weniger zahlungskräftige Kunden nicht mehr leistbar sind und lokale Unternehmer weniger Umsätze erzielen. Darüber hinaus würden die sogenannten Mindestpreise die Menschen eher wieder in den privaten Pkw treiben, was zu mehr Verkehr und mehr Umweltbelastung führen würde“, sagte er.

    Mindestpreise würden der Branche die Preisflexibilität nehmen und einen „zentralen Erfolgsfaktor“ wegfallen lassen, bekräftigte Bolt-Sprecher Söller. Dabei seien Mietwagen mit Fahrern bei allen Altersgruppen beliebt und würden einen „wesentlichen Beitrag zur Demokratisierung der Fortbewegung“ leisten. Dagegen sei das Taxi „in puncto Vertriebsweg, Flexibilität und Bezahlung für viele Menschen nicht mehr zeitgemäß, durch die starren Tarifregelungen der Kommunen insbesondere in Schwachlastzeiten zu teuer und im Vergleich zu anderen Verkehrsmitteln nicht transparent genug“.

    Allerdings soll die geplante Festpreisregelung gerade dieses Manko zumindest in Berlin abschwächen. Taxi-Funktionär Hermann Waldner begrüßt den Plan des Senats. „Die heutige Generation, die viel übers Internet bestellt, ist nicht daran gewöhnt, dass die Kosten einer Taxifahrt nicht von vornherein auf den Cent genau feststehen“, sagte der Chef von Taxi Berlin im Interview mit der Berliner Zeitung 2023. „Bislang gibt es in Berlin keine Festpreise fürs Taxi, das verstehen viele Kunden nicht. Manche von ihnen fühlen sich betrogen, wenn plötzlich ein paar Euro mehr auf der Uhr stehen, weil das Taxi im Stau aufgehalten worden ist. Das ist aber kein Betrug, das ist der Taxitarif.“

    Keine Konzessionen: Neue Zahlen des Senats zeigen das Ausmaß des Betrugs

    Nach den Erkenntnissen des Taxigewerbes liegen die Mietwagen-Fahrpreise im Schnitt um bis zu 40 Prozent unter den Taxitarifen. „Angesichts solcher Dumpingpreise kann man es den Fahrgästen nicht verdenken, dass sie auf diese Angebote fliegen. Jeder versucht, Geld zu sparen – auch wenn dies dazu führt, Steuerhinterziehung und Sozialbetrug zu fördern. Denn anders können die Mietwagenunternehmen nach unserer Einschätzung nicht überleben“, sagte Waldner. Seine Funkzentrale Taxi Berlin habe 2015 rund acht Millionen Aufträge vermittelt, 2023 waren es rund fünf Millionen. Die Umsätze seien auf rund 60 Prozent des Durchschnitts 2016 bis 2019 gesunken. Auch die Zahl der Taxis in Berlin sank – bis Ende Februar auf 5626. Damals waren 4426 Mietwagen zugelassen. Kritiker monieren, dass Sozialdumping und Betrug grassieren.

    Am Dienstag wurde erneut deutlich, wie groß das Betrugsproblem in der Branche ist. Anlass war ein Bericht des Internetportals „Taxi heute“. Danach besaßen von den 484 Berliner Mietwagenunternehmen, die den App-Betreibern Bolt, Uber und Freenow seit August 2023 neue Fahrzeuge zur Vermittlung meldeten, 165 keine Konzession. Die Firmen wollten auf den Plattformen insgesamt 5043 Wagen registrieren lassen, von denen aber 2873 nicht die nötige Genehmigung des Landesamts für Bürger- und Ordnungsangelegenheiten hatten. Verwaltungssprecherin Elm bestätigte die Angaben. „Das ist so übermittelt worden und korrekt“, teilte sie auf Anfrage mit.

    Leipzig und Lörrach wagten den Schritt – das sind die Reaktionen

    Alexander Mönch, Deutschland-Chef bei Freenow, argumentiert ähnlich wie Waldner. Wie berichtet will sich der App-Betreiber in den kommenden Monaten aus dem Mietwagengeschäft zurückziehen und für diesen Bereich keine Fahrten mehr vermitteln. Aus Mönchs Sicht ist es nicht möglich, Mietwagen legal zu betreiben. Im Gespräch mit der Berliner Zeitung begrüßte er, dass Berlin Mindestpreise einführen möchte.

    „Mit dem Ridehailing ist in Berlin und anderswo ein taxigleicher Service entstanden. Doch bislang kann sich die Taxibranche mit ihren starren, staatlich regulierten Tarifen nicht gegen die Konkurrenz wehren, die ihre Fahrpreise je nach Situation flexibel festlegen darf“, rief der Freenow-Manager in Erinnerung. „Das Argument, dass viele Menschen weniger mobil sein werden, ist falsch. Wer es sich künftig nicht mehr leisten kann, sich im Mietwagen durch Berlin fahren zu lassen, kann unter einer Vielzahl anderer Optionen wählen: Bus, U-Bahn, S-Bahn, Straßenbahn. Oder er mietet ein Fahrrad oder einen E-Scooter. In Berlin stehen viele Möglichkeiten zur Verfügung.“

    Der Kreis Lörrach im Südwesten Deutschlands hat die Möglichkeit genutzt und Mindesttarife fixiert. Es gab weder Widersprüche noch Klagen gegen die Allgemeinverfügung. Die Stadt Leipzig beschloss bereits im September 2021 eine Verwaltungsrichtlinie, die für den Gelegenheitsverkehr mit Mietwagen Mindestentgelte festsetzte. Dagegen ist ein Mietwagenunternehmer vor das Verwaltungsgericht gezogen. Einen Termin gibt es bis heute nicht. Die Mindestfahrpreise seien relativ hoch, sagte ein Branchen-Insider. „Es steht zu befürchten, dass es der Stadt um die Ohren fliegt.“

    In der Senatsverwaltung ist man zuversichtlich, dass in Berlin eine rechtssichere Regelung möglich ist. Die geplante Allgemeinverfügung werde die Vorgaben des Europäischen Gerichtshofs berücksichtigen, die Mindestpreise würden wirtschaftlich hergeleitet, kündigte Verwaltungssprecherin Elm an.

    #Berlin #Taxi #Uber #Taxitarif

  • Michael Tsokos: „Jede Woche finden wir 12 bis 15 verfaulte Leichen in Berliner Wohnungen“
    https://www.berliner-zeitung.de/mensch-metropole/rechtsmediziner-michael-tsokos-interview-jede-woche-finden-wir-12-b

    ... diese brachiale Beschreibung, wie der Piraten-Politiker Gerwald Claus-Brunner sein Opfer regelrecht kaputtmachte und sich dann mit Strom umbrachte.
    ...
    Auf jeden Fall gibt es sehr viele übersehene Tötungsdelikte oder Fälle, an denen man auf Missstände im Pflegeheim oder Krankenhaus hinweisen würde. Und eigentlich sind auch Hausärzte und Operateure befangen, wenn sie die Leichenschau bei ihren eigenen Patienten durchführen, weil sie nicht unabhängig sind.

    Wie meinen Sie das?

    Zu mir als Hausarzt kommt am Freitag ein Patient mit Rückenschmerzen. Ich verschreibe ihm Schmerzmittel und schicke ihn wieder nach Hause. Es ist aber ein Aneurysma im Bauch, das weitere Diagnostik erkannt hätte, und er ist am Montag tot. Und ich schreibe rein: frischer Herzinfarkt, aber sage gar nicht, dass er vorher bei mir in der Sprechstunde war. Oder da ist ein Operateur, und der Patient stirbt eine Stunde nach der OP. Und er füllt den Leichenschauschein aus und schreibt: natürlicher Tod, Herzinfarkt. Dann wird dieser Fall nie weiter untersucht.

    Wie viele nicht natürliche Tode werden nicht aufgedeckt?

    Es gibt valide Hochrechnungen von Rechtsmedizinern, dass jedes zweite Tötungsdelikt in Deutschland übersehen wird.
    ...
    Man hört, dass Sie sich für alte Ermittlungsakten interessieren, zum Beispiel für den Fall Whitney Houston, der amerikanischen Sängerin, die 2012 tot in ihrem Bad gefunden wurde.

    Ich glaube, dass Whitney Houston ermordet wurde. Ich bin überzeugt davon, dass sie ertränkt wurde. Aber das wird sich nie aufklären lassen, weil der erste Angriff, die Tatortarbeit der Polizei, so schlecht war. Es gibt keine Fotos der Auffindesituation, es gibt nur den Bericht, dass sie bäuchlings in der Badewanne lag. Und sie hatte zwar Kokain intus und ein Beruhigungsmittel, aber nichts, was ein Junkie wie sie nicht tolerieren würde.

    Die Todesursache ist Ertrinken, aber wenn eine Person, deren Bewusstsein nicht eingeschränkt ist, in der Badewanne unter Wasser gerät, dann kommt sie zu sich. Wer in der Badewanne einschläft und reinsackt, wacht wieder auf. Und ich habe in knapp 30 Jahren Rechtsmedizin noch nie eine Leiche in der Badewanne gesehen, die bäuchlings im Wasser lag. Wie soll das ohne Fremdeinwirkung gehen?

    Hat die Polizei schlampig gearbeitet?

    Die Beverly-Hills-Polizei hat die Relevanz dieses Falls nicht erkannt. Sie hat keine Spuren gesichert, es sind keine Fotos gemacht worden. Das einzige Foto, das die Polizisten machten, war, als sie sie aus der Badewanne geholt hatten, um sich mit einem Star zu fotografieren.

  • Wohnberechtigungsschein (WBS) : Der Türöffner für eine bezahlbare Wohnung in Berlin
    https://www.berliner-zeitung.de/mensch-metropole/wohnberechtigungsschein-der-tueroeffner-fuer-eine-bezahlbare-wohnun

    Malgré les déclarations des politiciens il faut être vraiment pauvre pour avoir droit au système HLM de Berlin .

    9.4.2024 von Ulrich Paul - Wer eine Sozialwohnung beziehen will, braucht einen WBS. Welche Voraussetzungen es für einen Antrag in Berlin braucht und wie lange die Bearbeitung dauert.

    Ja, es gibt sie noch, die vergleichsweise preiswerten Neubauwohnungen in Berlin – wenngleich in geringer Zahl. Sozialwohnungen, die mit Fördermitteln des Landes Berlin entstanden sind, werden zu anfänglichen Mieten von 6,50 Euro bis 7 Euro je Quadratmeter kalt angeboten. In den nächst höheren Preissegmenten belaufen sich die Einstiegsmieten auf 9,50 bis 11,50 Euro je Quadratmeter Wohnfläche kalt.

    Wer eine der neuen Sozialwohnungen ergattern will, braucht allerdings ein besonderes Papier: den Wohnberechtigungsschein (WBS). Was viele nicht wissen: Anspruch auf einen WBS haben mittlerweile mehr als 50 Prozent aller Haushalte in Berlin. Das liegt daran, dass der neue Senat den geförderten Wohnungsbau für Haushalte mit mittleren Einkommen geöffnet hat. Selbst wer bisher keine Aussicht auf einen WBS hatte, der könnte inzwischen also Anspruch auf das Papier haben, das als Türöffner zum bezahlbaren Wohnen fungiert.

    Unterschieden wird beim WBS in verschiedene Kategorien. Für Sozialwohnungen, die für Mieten von 6,50 bis 7 Euro je Quadratmeter angeboten werden, wird ein WBS 140 benötigt. Das bedeutet, dass die Einkommensgrenzen des Bundes für den sozialen Wohnungsbau um maximal 40 Prozent überschritten werden dürfen.

    Die Einkommensgrenzen für einen WBS 140 belaufen sich für einen Einpersonenhaushalt auf 16.800 Euro jährlich und für einen Zweipersonenhaushalt auf 25.200 Euro jährlich. Für jede weitere Person im Haushalt erhöht sich die Einkommensgrenze um 5740 Euro. Pro Kind gibt es einen Zuschlag in Höhe von 700 Euro.

    Wichtig: Der WBS 140 dient nicht nur zur Anmietung von neuen Sozialwohnungen, sondern zusammen mit dem WBS 100 zugleich dazu, eine der bestehenden alten Sozialwohnungen zu beziehen, von denen es Ende 2023 nach Angaben der Senatsverwaltung für Stadtentwicklung noch 78.251 Wohneinheiten in Berlin gab.

    Den WBS 220 gibt es bei einem mittleren Einkommen

    Mit einem WBS 180 sind geförderte Neubauwohnungen anzumieten, die 9,50 Euro je Quadratmeter Wohnfläche kalt kosten. WBS 180 bedeutet, dass die Einkommensgrenzen des Bundes für den sozialen Wohnungsbau um 80 Prozent überschritten werden dürfen.

    Die Einkommensgrenzen für einen Einpersonenhaushalt liegen beim WBS 180 bei 21.600 Euro jährlich und für einen Zweipersonenhaushalt bei 32.400 Euro jährlich. Für jede weitere Person im Haushalt erhöht sich die Einkommensgrenze um 7380 Euro jährlich. Für jedes zum Haushalt gehörende Kind gibt es einen Zuschlag in Höhe von 900 Euro. Die Zahl der Wohnungen, die mit einem WBS 180 anzumieten sind, ist allerdings noch gering. Nur 2343 Sozialmietwohnungen fallen nach Angaben der Stadtentwicklungsbehörde bisher in diese Kategorie.

    Mit einem WBS 220 sind geförderte Neubauwohnungen anzumieten, die 11,50 Euro je Quadratmeter kalt kosten. Beim WBS 220 können die Einkommensgrenzen des Bundes für den sozialen Wohnungsbau um bis zu 120 Prozent überschritten werden. Die Einkommensgrenzen für einen Einpersonenhaushalt liegen beim WBS 220 bei 26.400 Euro jährlich und für einen Zweipersonenhaushalt bei 39.600 Euro jährlich. Für jede weitere Person im Haushalt erhöht sich die Einkommensgrenze um 9020 Euro jährlich.

    Vom Bruttoeinkommen werden Abzüge vorgenommen

    Für jedes zum Haushalt gehörende Kind gibt es einen Zuschlag in Höhe von 1100 Euro. Freie Wohnungen im Preissegment WBS 220 gibt es bisher nicht, weil die Wohnungen erst noch gebaut werden müssen. Die ersten Wohnungen werden voraussichtlich im Jahr 2025 bezugsfertig. Deswegen lohnt es sich nicht, jetzt schon einen WBS 220 zu beantragen.

    Bei der Feststellung des anrechenbaren Einkommens werden, ausgehend vom Bruttoeinkommen, verschiedene Abzüge in Ansatz gebracht, die so umfangreich wie kompliziert zu errechnen sind. So kann ein Arbeitnehmer beispielsweise den Arbeitnehmerpauschbetrag von 1200 Euro jährlich absetzen. Von der so ermittelten Zwischensumme können jeweils bis zu zehn Prozent abgezogen werden, wenn Steuern vom Einkommen, Pflichtbeiträge zur Krankenkasse sowie Pflichtbeiträge zur Rentenversicherung gezahlt werden – also noch mal bis zu 30 Prozent.

    Das ist aber noch nicht alles. Nach den Abzügen sind gegebenenfalls noch Freibeträge abzusetzen: Zum Beispiel 4000 Euro bei jungen Ehepaaren innerhalb von fünf Kalenderjahren nach dem Jahr der Eheschließung, wobei keiner von beiden das 40. Lebensjahr vollendet haben darf. Wichtig: Der Berechnung ist das jährliche Bruttoeinkommen zugrunde zu legen, das in den zwölf Monaten ab Antragstellung zu erwarten ist. Darunter fallen auch Lohnersatzleistungen und Krankengeld, nicht jedoch das gesetzliche Kindergeld. Gegebenenfalls kann vom Einkommen der letzten zwölf Monate vor Antragstellung ausgegangen werden.

    Pro Person gibt es in der Regel einen Wohnraum

    Für Sozialwohnungen gelten bestimmte Wohnungsgrößen, die sich nach der Zahl der Personen im Haushalt richten. Grundsätzlich gilt, dass es jeweils einen Wohnraum für den Wohnberechtigten und jeden seiner mitziehenden Angehörigen gibt. Einem Ehepaar mit drei Kindern steht daher maximal eine Wohnung mit fünf Wohnräumen zu. Abweichend davon dürfen seit dem 1. Mai 2018 an Einzelpersonen auch Eineinhalb- oder Zweizimmerwohnungen mit einer Gesamtwohnfläche bis zu 50 Quadratmeter überlassen werden.

    Im Einzelfall kann nach Angaben der Senatsverwaltung für Stadtentwicklung ein zusätzlicher Wohnraum anerkannt werden. Wenn zum Beispiel Alleinstehende ab dem 65. Lebensjahr eine Dreizimmerwohnung in Berlin freimachen, können sie einen WBS für eine Zweizimmerwohnung erhalten. Oder wenn die Ausübung des Berufes zur Sicherung der finanziellen Existenz nur in der Wohnung in einem separaten Wohnraum möglich ist, wird ein solcher Raum erlaubt.

    Manche Wohnungen werden nur an Haushalte vermietet, die einen „WBS mit besonderem Wohnbedarf“ vorlegen können. Ein besonderer Wohnbedarf kann, soweit der Wohnungssuchende seit mindestens einem Jahr mit Hauptwohnsitz in Berlin gemeldet ist, beispielsweise dann anerkannt werden, wenn Haushalte mit einem oder mehreren Kindern in räumlich unzureichenden Wohnverhältnissen leben. Unzureichende Wohnverhältnisse liegen unter anderem dann vor, wenn für drei Personen nicht mindestens zwei Wohnräume zur Verfügung stehen, oder wenn für vier oder fünf Personen nicht mindestens drei Wohnräume vorhanden sind.

    In Ausnahmefällen wird ein besonderer Wohnbedarf anerkannt

    Ein besonderer Wohnbedarf wird aber auch anerkannt, wenn Personen mit nachgewiesener Schwerbehinderung – ab einem Grad der Behinderung von 50 – in Wohnverhältnissen leben, „die aufgrund der anerkannten Leiden objektiv ungeeignet sind“, wie es auf der Homepage der Senatsverwaltung für Stadtentwicklung heißt. Auch Personen, die unverschuldet ihre Mietwohnung räumen müssen, zum Beispiel aufgrund eines bauordnungsrechtlichen Benutzungsverbots, haben einen besonderen Wohnbedarf.

    Das Antragsformular für einen WBS gibt es online im Serviceportal des Landes Berlin. Den ausgefüllten WBS-Antrag mit den notwendigen Unterlagen senden Wohnungssuchende an das bezirkliche Bürgeramt oder Wohnungsamt. Zuständig ist der Berliner Bezirk, in dem man gemeldet ist. Will ein Wohnungssuchender erst nach Berlin ziehen, schickt er den WBS-Antrag an ein Berliner Wohnungsamt seiner Wahl. Der erteilte WBS gilt dann für ganz Berlin.

    Die Bearbeitung eines WBS-Antrags dauert nach Angaben der Senatsverwaltung für Stadtentwicklung in Berlin im Schnitt sieben Wochen – mit Stand vom Februar dieses Jahres. Mit drei Wochen Wartezeit ging es in Friedrichshain-Kreuzberg am schnellsten. Dahinter folgen Pankow und Reinickendorf mit vier Wochen Bearbeitungszeit auf Platz zwei. Steglitz-Zehlendorf, Marzahn-Hellersdorf und Neukölln rangieren mit fünf Wochen Bearbeitungszeit dahinter, gefolgt von Spandau und Treptow-Köpenick mit jeweils sieben Wochen; Mitte braucht für die Bearbeitung zehn Wochen und Charlottenburg-Wilmersdorf 13 Wochen. Am meisten Geduld brauchten Antragsteller in Lichtenberg, wo es 18 Wochen bis zum WBS dauerte.

    Die Zahl der ausgestellten Wohnberechtigungsscheine in Berlin hat sich in den vergangenen zehn Jahren in etwa verdoppelt. Während im Jahr 2014 nach Angaben der Senatsverwaltung für Stadtentwicklung noch 25.367 Wohnberechtigungsscheine ausgestellt wurden, waren es im Jahr 2022 insgesamt 53.988. Im vergangenen Jahr lag die Zahl der ausgestellten Wohnberechtigungsscheine bei 51.369, das war der zweithöchste Wert seit 2014.

    Wer einen WBS hat, hat freilich noch keine Wohnung. Die muss man sich dann noch suchen. Wichtig: Die Zahl der Zimmer der Wohnung muss zur Zahl der Zimmer auf dem WBS passen. Ein Jahr lang ist der WBS gültig.

    #Berlin #logement

  • Berliner Gaza-Helfer nach Angriff: Dachten, dass wir „einen bestimmten Schutz haben“
    https://www.berliner-zeitung.de/mensch-metropole/gaza-helfer-patrick-muenz-wenn-wir-abbrechen-waere-das-eine-katastr

    5.4.2024 von Cedric Rehman - Die Berliner Organisation Cadus versorgt nach der israelischen Attacke auf Hilfskräfte weiter Verletzte – vorerst. Helfer Patrick Münz berichtet über die Lage.

    Der Schock sitzt tief nach dem israelischen Angriff auf die Helfer der Organisation World Central Kitchen (WCK). Sieben Hilfskräfte aus unterschiedlichen Ländern, unter anderem aus Polen und Großbritannien, starben dabei. Die Attacke aus der Luft soll trotz vorheriger Absprachen mit der israelischen Seite erfolgt sein. Die israelische Regierung hat eine Untersuchung angeordnet. Am Freitag entließ das israelische Militär zwei hochrangige Offiziere. Der Brigadekommandeur für Feuerunterstützung und der Brigadestabschef hätten gegen die Einsatzregeln verstoßen, teilte das Militär mit.

    Hilfskräfte der Berliner Organisation Cadus sind seit Februar im Auftrag der UN in Gaza. Sie helfen bei der medizinischen Notversorgung. Patrick Münz von Cadus schildert, warum seine Mission in Gaza nun noch gefährlicher geworden ist.

    Herr Münz, wie hat Ihr Team von dem israelischen Angriff auf die Helfer von World Central Kitchen erfahren, und wie gehen Sie mit der Nachricht um?

    Unsere Kanäle vor Ort haben uns schon recht früh über den Angriff informiert, wir sind absolut schockiert. Schon wieder sind Helfer getötet worden, und nun sind sechs Kräfte aus dem Ausland darunter. Wir beurteilen die Situation jetzt Tag für Tag neu. Bisher sind wir davon ausgegangen, dass wir als Helfer einen bestimmten Schutz haben und dass Israel das respektiert.

    Gaza-Krieg: Pole stirbt bei Angriff, Eklat mit Israels Botschafter in Warschau

    Und das gilt nun nicht mehr?

    Die Vereinten Nationen verhandeln eigentlich mit den Kriegsparteien und informieren sie über Bewegungen internationaler Helfer im Einsatzgebiet. Wir sind sehr beunruhigt, dass es dennoch zu diesem Angriff kam. Wir können nur hoffen, dass die Attacke eine Ausnahme war und Israel dafür sorgt, dass so etwas nicht mehr passieren wird.

    Kannten Sie die getöteten Helfer von WCK?

    WCK verteilt Nahrung an die Menschen in Gaza. Cadus ist mit einem medizinischen Team vor Ort und hilft Verletzen. Da gibt es wenig Berührungspunkte. Aber man ist sich über den Weg gelaufen. Es sind bekannte Gesichter gewesen. Das trifft einen sehr.

    Das ist nachvollziehbar. Fühlen Sie sich in Ihrem Einsatzgebiet in Rafah im Süden Gazas zumindest sicherer?

    Es ist nach dem Angriff auf das WCK-Team schwer einzuschätzen. Wir gingen ja davon aus, dass auch die Gefahr für das Team von WCK geringer ist, weil es sich eben um humanitäre Helfer gehandelt hat. Die UN haben die israelische Armee sicher über jeden Schritt des WCK-Teams informiert, wie sie es bei uns tun. Rafah wird von Flugzeugen und von Schiffen mit Raketen beschossen, obwohl sich Hunderttausende Geflüchtete hier aufhalten. Der Osten Rafahs wird mit Artillerie beschossen. Der Angriff zeigt, dass man sich nirgendwo in Gaza sicher fühlen kann.

    Steht ein Abbruch Ihrer Hilfsmission im Raum?

    Ein Abbruch steht nach so einem Vorfall immer zur Debatte. Die Situation wird ständig von uns neu beurteilt. Wir haben uns gemeinsam mit der Cadus-Zentrale in Berlin dafür entschieden, den Einsatz fortzusetzen, die Lage sehr genau zu beobachten und zusammen mit den UN Sicherheitsvorkehrungen zu erhöhen.

    Verlassen andere Organisationen nun Gaza?

    Ich habe davon nichts gehört. Allerdings hat WCK seine Operationen zur Essensverteilung eingestellt. Das ist die Konsequenz, mit der zu rechnen ist. Sollte es einen weiteren Angriff geben, könnten sich auch weitere Hilfsorganisationen zurückziehen.

    Welche Folgen hätte das?

    Wir haben jetzt schon die Situation, dass die humanitäre Hilfe nicht ausreicht. Es sind viel zu wenig Ressourcen vorhanden für das Ausmaß der Not. Das hat in erster Linie damit zu tun, dass zu wenig Hilfsgüter nach Gaza hereinkommen. Hunderttausende hungern im Norden Gazas wortwörtlich zu Tode. Die nicht optimalen Abwürfe von Essen aus der Luft und einige Transporte auf dem Landweg reichen nicht im Geringsten aus. Man mag sich gar nicht ausmalen, was passieren würde, wenn sich jetzt auch noch Helfer zurückziehen.

    Cadus versorgt Verletzte. Welche Aussichten hätten sie ohne Ihre Hilfe?

    Wir sind im Moment die einzige Organisation, die unter dem Schirm der Weltgesundheitsorganisation medizinische Evakuierungen macht. Es gibt Hunderte Verletzte im Norden, die ganz dringend eine bessere medizinische Versorgung benötigen. Unsere Kapazitäten sind als einziges Team vor Ort schon begrenzt. Aber wenn wir abbrechen, wäre das eine Katastrophe.
    –---

    Zur Person

    Patrick Münz,

    geboren 1994 in Speyer, ist seit März im Einsatz für die Berliner Hilfsorganisation Cadus in Gaza. Das Team von Cadus versorgt im Auftrag der Weltgesundheitsorganisation (WHO) seit Februar Schwerverletzte mit medizinischer Nothilfe. Münz hat als humanitärer Helfer auch in der Ukraine gearbeitet.

    #Gaza

  • Freenow-Chef Alexander Mönch: „Wer über die Runden kommen will, muss Regeln brechen“
    https://www.berliner-zeitung.de/mensch-metropole/freenow-chef-alexander-moench-wer-ueber-die-runden-kommen-will-muss

    Lang hats gedauert. Jetzt hören wir endlich einmal interessante Argumente. Was fehlt sind die Forderung nach konsequenter Überwachung der Zahlung des Mindestlohns oder besser. Wenn das nicht kommt, wird es nur Scheinlösungen geben. Wirklich gute Fahrerinnen und Fahrer lassen sich mit Gehältern auf Milo-Niveau nicht rekrutieren. Die Taxibranche braucht sie, um zukunftsfähig zu werden und ihren Kunden wirklich guten Service bieten zu können. Mal sehen, ob die Politik den Taxiunternehmen genug Druck zum eigenen Glück macht.

    5.4.2024 von Peter Neumann - Mietwagen mit Fahrer sind billiger als Taxis. Doch legal lassen sie sich nicht betreiben, klagt Alexander Mönch. Jetzt zieht er Konsequenzen. Andere als Uber.

    Wer sich günstiger als im Taxi durch die Stadt chauffieren lassen will, muss künftig auf einen Anbieter verzichten. „Wir werden uns in wenigen Monaten, noch im Laufe dieses Jahres, aus dem Geschäft zurückziehen und in Deutschland keine Fahrten mit Mietwagen mehr vermitteln“, sagte Alexander Mönch von Freenow der Berliner Zeitung.

    Seine Begründung wird ihm bei seinen Mitbewerbern keine Freunde machen. Denn Mönch argumentiert, dass das Geschäftsmodell, wie es auch die App-Betreiber Uber und Bolt nutzen, legal nicht umsetzbar sei. „Wer in dieser Branche über die Runden kommen will, muss Regeln brechen“, erklärte er. Für die Fahrgäste werde der Ausstieg verkraftbar sein. Eine vom Senat geplante Regelung lasse die Fahrpreise in Berlin ohnehin steigen.

    Handy zücken, App antippen: Schon erscheint ein Auto, das einen ans Ziel bringt, und meist ist die Fahrt preiswerter als im Taxi. Mietwagen mit Fahrer: So nennen Juristen die Fahrzeuge, die für App-Betreiber wie Freenow unterwegs sind. Diese vermitteln die Touren, andere Unternehmen stellen Autos und Fahrer. Allein in Berlin sind Tausende solcher Autos unterwegs. Sie sind zu einer ruinösen Konkurrenz fürs Taxi geworden.

    Warum Gewinne legal nicht möglich sind – das ist die Erklärung

    „Die Taxibranche steht am Abgrund“, bekräftigte Alexander Mönch. Auch Freenow habe ihr „einiges zugemutet“. Vor 13 Jahren begann das Joint Venture von Daimler und BMW damit, Taxifahrten zu vermitteln. 2019 kamen weitere Mobilitätsoptionen dazu – unter anderem Mietwagen mit Fahrer, so der Deutschland- und Österreich-Chef von Freenow. Die Flotte wuchs rasch an. Vor drei Jahren waren in Berlin 3000 Fahrzeuge im Angebot.

    „Grundlage war unsere Erwartung, die Fahrzeuge flexibel so auslasten zu können, dass das Geschäft für alle Beteiligten auskömmlich ist“, so Mönch. „Doch wir müssen feststellen, dass diese Erwartung in der Praxis nicht eingetreten ist. Staus und Baustellen verlangsamen die Mobilität. Auch bei großer Nachfrage ist es meist nicht möglich, Fahrzeuge und Fahrer durchgehend auszulasten. Selbst wenn sich immer wieder neue Aufträge anschließen, brauchen die Fahrer Zeit, um zum nächsten Kunden zu gelangen. Legal und eigenwirtschaftlich sind keine Gewinne möglich.“ Ein pessimistisches Fazit.
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    „Mit der Zeit kamen wir zu der Einschätzung, dass es nicht möglich ist, als Mietwagenunternehmer Gewinne zu erwirtschaften, wenn man sich an alle Gesetze und Verordnungen hält“, berichtete der Freenow-Manager. Gleiches gelte auch für die Fahrer. „Sie müssten pro Stunde mindestens 40 Euro Umsatz erwirtschaften, an allen Tagen, zu allen Zeiten. Nach unserer Kalkulation ist das aber schlichtweg nicht möglich. Denn im Mietwagenverkehr wird anders als beim Taxi der volle Mehrwertsteuersatz fällig, und für jede vermittelte Fahrt ist eine relativ hohe Provision zu zahlen. Zugleich sind die Fahrpreise häufig niedriger als im Taxi, es kommt also weniger Geld herein.“

    Der neueste Trick – „komplett illegal und gefährlich“, meint Freenow

    Mönch: „Wir haben schon im vergangenen Jahr auf Missstände in der Mietwagenbranche hingewiesen – nicht zur Freude der Mitbewerber.“ Behörden stellen fest, dass in dieser Branche Steuern hinterzogen und Lizenzen gefälscht werden, rief er in Erinnerung. Sozialdumping und die Aufstockung von Bürgergeld seien weitere Themen. Und dann ist da noch die 80:20-Regelung: Autobesitzer sind mit ihrem Privatwagen für Mietwagenunternehmer unterwegs. „Der Unternehmer sagt: 80 Prozent der Einnahmen für dich, 20 Prozent für mich. Ohne Lizenz, ohne Ordnungsnummer – komplett illegal und gefährlich, da weder Fahrgäste noch Fahrer versichert sind.“

    „In jüngster Zeit sind unsere Bedenken immer lauter geworden. Wir haben das Unrecht benannt, und jetzt ziehen wir folgerichtig die Konsequenz“, bekräftigte der Freenow-Manager. „Konkret bedeutet dies, dass Freenow in diesen Bereich nicht mehr investiert. Das Geld, das wir bislang im Mietwagensegment ausgegeben haben, kommt in Zukunft dem Taxigeschäft zugute.“

    Mönch erläuterte, welche Ausgaben umgelenkt werden sollen. „Um für Fahrer und Betriebe interessant zu sein, muss man als Fahrtenvermittler Anreize zur Zusammenarbeit bieten. Zu solchen Incentives gehört zum Beispiel ein Mengenbonus: Wer innerhalb einer bestimmten Zeitspanne eine bestimmte Zahl von Fahrtaufträgen ausführt, bekommt eine Prämie – zum Beispiel 100 oder 150 Euro“, berichtete er. „Die Unternehmen sind auf Anreize und Unterstützungsleistungen angewiesen, um ihre Kosten halbwegs decken zu können. Mit ihnen wird das Mietwagengeschäft erhalten, denn es kann eigenwirtschaftlich nicht existieren.“

    Was der Senat in Berlin vorhat – und warum Freenow die Pläne gut findet

    Ridehailing: Das ist ein anderer Begriff für die Dienstleistung, um die es geht. Wer von A nach B gelangen will, ruft per App einen Fahrdienst herbei. „Mit dem Ridehailing ist in Berlin und vielen anderen Städten ein taxigleicher Service entstanden“, so der Freenow-Manager. „Doch bislang kann sich die Taxibranche mit ihren starren, staatlich regulierten Tarifen nicht gegen die Konkurrenz wehren, die ihre Fahrpreise flexibel festlegen darf.“ Der Niedergang spiegelt sich in den Konzessionszahlen. Waren in Berlin vor Corona mehr als 8000 Taxis zugelassen, sind es derzeit laut Senat noch 5626. Ihnen stehen offiziell 4426 Mietwagen gegenüber. Wahrscheinlich sind es einige mehr.

    Was tun? „Es geht nicht darum, Wettbewerb zu verhindern. Es geht darum, unfairen Wettbewerb zu beenden, gegen Sozialdumping vorzugehen und den Mindestlohn zu sichern“, betonte Mönch. Das Stichwort laute: Level Playing Field. „Das muss das Ziel sein: Zwei Dienste, die aus Kundensicht den gleichen Service abliefern, müssen den gleichen Regeln unterliegen.“

    Freenow unterstütze Verkehrssenatorin Manja Schreiner (CDU), sagte Alexander Mönch. „Es ist richtig, dass Berlin die Instrumente anwenden will, die das novellierte Personenbeförderungsgesetz den Städten und Gemeinden an die Hand gibt. Die Senatorin geht mit großem Elan voran.“ In der ersten Stufe plant die Senatsverwaltung, einen Taxitarifkorridor mit Festpreisen zu ermöglichen. Für Taxifahrten, die telefonisch oder per App vermittelt werden, können den Fahrgästen Festpreise angeboten werden, die um bis zu zehn Prozent unter oder bis zu 20 Prozent über dem Basistarif liegen. Das könnte ab Mai 2024 möglich sein, ein konkretes Datum nennt der Senat aber noch nicht.

    „Wir sind uns sicher, dass dadurch Taxifahren für die Fahrgäste attraktiver wird“, so der Freenow-Manager. „Zum einen wird die Branche mit guten Algorithmen auf Angebot und Nachfrage reagieren. Zum anderen bekommen die Kunden im Voraus exakte Fahrpreise genannt, auf die sie sich verlassen können. In München ist das seit September 2023 bereits Praxis. Es funktioniert sehr gut.“

    Die Jagd auf schwarze Schafe in Berlin hat begonnen: Das ist der Zeitplan

    Damit nicht genug: „Aus unserer Sicht ist absehbar, dass Berlin auch Mindestbeförderungsentgelte für den Mietwagenverkehr einführen wird. Das ist notwendig, damit Mietwagenplattformen Taxifahrpreise künftig nicht mehr unterbieten können.“ Manja Schreiners Sprecherin Britta Elm bekräftigte, dass die Verwaltung so eine Regelung vorbereitet – „voraussichtlich zum Jahresende“.

    „Wir sind weit davon entfernt, die Berliner Taxibranche reinzuwaschen“, betonte Alexander Mönch. In den vergangenen Jahren wurde immer wieder berichtet, dass es auch dort Schwarzarbeit und Sozialbetrug gibt. „Wir müssen verhindern, dass die schwarzen Schafe, die den Mietwagenbereich verlassen müssen, beim Taxi landen. Erste gefälschte Taxikonzessionen wurden bereits entdeckt. Doch als Plattform, die beide Bereiche abdeckt, können wir sicherstellen, dass Unternehmen, die wir links verlieren, nicht rechts wieder bei uns anfangen.“

    Jahrelang hat die Taxibranche beklagt, dass Verwaltung und Politik die Missstände untätig hinnähmen. Jetzt soll alles ganz schnell gehen. Am 17. März haben sich Freenow und andere Firmen mit dem Landesamt für Bürger- und Ordnungsangelegenheiten, kurz Labo, getroffen. Bis zu diesem Freitag (5. April) müssen sie der Behörde Daten zu ihren Partnerunternehmen liefern. Das Amt wiederum hat bis zum 19. April Zeit, die Angaben mit eigenen Daten über erteilte Konzessionen zu vergleichen. Dann teilt es mit, welche Mietwagenunternehmen von der Vermittlung auszuschließen sind. Bereits am 25. April müssen die Plattformen ihren Datenbestand bereinigt haben. Dann dürften keine illegalen Unternehmen, Konzessionen und Fahrzeuge mehr in der Vermittlung sein.

    Wie äußern sich die anderen Plattformen, die in Berlin tätig sind? „Für Uber hat darüber hinaus gesetzeskonformes Handeln oberste Priorität“, sagte Uber-Sprecher Oliver Mattutat. „Sofern sich unsere Partner nicht an die Regeln halten und wir davon Kenntnis erlangen, ziehen wir Konsequenzen, bis hin zu einer dauerhaften Sperrung auf unserer Plattform.“

    Uber und Bolt verteidigen sich – und nennen Zahlen für Berlin

    Das Argument, dass Mietwagenbetreiber Regeln brechen müssen, um über die Runden zu kommen, kann man bei Uber nicht nachvollziehen. „Ein eigenwirtschaftlicher Betrieb ist sehr wohl möglich“, betonte Mattutat. „Flexible Preise bei Mietwagen, die sich an Angebot und Nachfrage orientieren, sorgen für deutlich höhere Auslastung, bei bezahlbaren Preisen für die Verbraucher. Diese hohe Auslastung schafft bessere Verdienstmöglichkeiten der Unternehmen.“ Entgegen vieler Mythen erzielten die Mietwagenpartner hohe Umsätze, so der Sprecher. In Berlin betragen sie im Schnitt rund 40 Euro pro Stunde. Die Vermittlungsprovision liege nicht, wie oft behauptet, bei 30 Prozent, sondern im niedrigen zweistelligen Prozentbereich.

    „Ein eigenwirtschaftlicher und wirtschaftlich nachhaltiger Betrieb von Mietwagen unter Einhaltung aller Regeln und Gesetze ist möglich“, bekräftigte Johannes Söller, Unternehmenssprecher von Bolt. Zentral für den Erfolg sei die „vollkommene Preisflexibilität, womit die Fahrzeuge ihren Preis an Angebot und Nachfrage anpassen können. Das Resultat ist eine mehr als doppelt so hohe Auslastung und mehr als doppelt so viele Fahrten pro Stunde im Vergleich zum Taxi.“ Söller nannte Zahlen: 2016 waren Taxis in Berlin im Schnitt nur zu 25 Prozent ausgelastet, in Hamburg betrug die Quote vor zwei Jahren 34 Prozent. Dagegen kommen die durch Bolt vermittelten Mietwagen in Berlin auf durchschnittlich 70 bis 80 Prozent. Bei annähernd gleichen Fixkosten erwirtschaften Mietwagenbetreiber rund 25 Prozent mehr in der Stunde als vergleichbare Taxiunternehmer.

    Freenow bleibt bei seiner Entscheidung. Taxibetreiber und ihre Fahrgäste werden profitieren, davon ist Alexander Mönch überzeugt. „Wenn die großen schwarzen Schafe den Markt verlassen müssen, ist für diejenigen, die sich an die Regeln halten, wieder mehr drin. Sie werden belohnt. Das sollten die Taxibetreiber als Chance verstehen und die Qualität hochschrauben“, sagte er. Heute sei Hamburg bundesweit ein gutes Beispiel. Dort gehe die Taxibehörde scharf gegen Regelbruch vor. „Wenn sich die Berliner Behörden noch intensiver am Hamburger Modell orientieren könnten, kommt auch Berlin auf dem Weg zu einem gesunden Taximarkt weiter voran. Ich bin mir sicher: Die Entwicklungen in Berlin können ein Vorbild für andere Städte werden.“

    #Berlin #LABO #Uber #Freenow #Taxi

  • Medizinstudium in Berlin : „Also werde ich sterben ? Werde ich leiden ?“
    https://www.berliner-zeitung.de/mensch-metropole/medizinstudium-in-berlin-also-werde-ich-sterben-werde-ich-leiden-li

    22.3.2024 von Mascha Osang - Während des Medizinstudiums in Berlin üben Studenten, wie sie Patienten schlechte Diagnosen überbringen. Manchmal fühlt sich das allzu echt an. Eine Kolumne.

    „Wie geht’s Ihnen heute?“, fragte mich W. Ich seufzte. „Geht so, war ja alles ziemlich viel, die ganzen Untersuchungen und dann fünf Tage warten. Ich mache mir Sorgen.“

    W. ist mein Kommilitone. Wir saßen im Kurs Kommunikation, Interaktion und Teamwork (kurz KIT). In KIT übten wir normalerweise an Schauspielern, wie man mit schwierigen Situationen in der Klinik umgeht. Wir lernten, wie man Patienten motiviert, mit dem Rauchen aufzuhören und übten, einen psychiatrischen Patienten nach Suizidgedanken zu fragen.

    Im neunten Semester kam das Herausforderndste: Schwere Nachrichten überbringen. Die Woche zuvor hatte ich einem Kommilitonen mitgeteilt, dass er Multiple Sklerose hat. Mit jedem Rollenspiel wurden die Nachrichten gravierender.
    Er machte eine Pause, so wie wir es gelernt hatten

    Ich hätte ahnen müssen, was auf mich zukommt, als mein Kommilitone mir sagte, dass mein Hautkrebs in meine Lunge und Lymphknoten gestreut hat. Aber es fühlte sich an wie ein Schock, als hätte ich diese Diagnose tatsächlich gerade bekommen. Er machte eine Pause, mindestens 20 Sekunden, so wie wir es gelernt hatten.

    Ich unterbrach die Stille. „Ich weiß gar nicht, was ich dazu sagen soll.“ Er nickte verständnisvoll: „Ich kann mir vorstellen, dass es für Sie gerade nicht einfach ist.“ Empathie zeigen, auch das war Teil des Schemas, an das wir uns halten sollten. „Was heißt das jetzt? Was passiert jetzt?“, fragte ich. Mein Herz klopfte. „Die Lungenmetastasen, kann man die nicht einfach rausschneiden?“

    Er erklärte, dass die Zellen schon überall in meiner Lunge seien. „Und eine Lungentransplantation?“ Keine Option, sagte er. „Aber ich werde gesund, oder?“ Er schaute mich an. „Ähm, nein. Es gibt eine achtzigprozentige Wahrscheinlichkeit, dass Sie die nächsten fünf Jahre nicht überleben werden.“ Der zweite Schock, und er fühlte sich noch echter an. „Also werde ich sterben? Werde ich leiden?“
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    Er sagte etwas von Therapieformen, die Vor- und Nachteile hätten, von palliativen Gruppen. Ich nickte, wollte nur noch weg von hier, nach Hause. Wir verabschiedeten uns, drehten uns zurück zur Gruppe. Sie klopften auf die Tische. Ich atmete durch.

    Im Laufe des Semesters erlebte ich, wie ein Kommilitone einem „Patienten mit Hirntumor“ mitteilte, es würden „miese Zeiten“ auf ihn zukommen. Einer Frau wurde mitgeteilt, sie habe ein invasives duktales Mammakarzinom, ohne zu erklären, was das heißt. Fast alle versuchten, die Nachrichten zu beschönigen mit Sätzen wie: „Das ist ein bisschen nicht mit dem Leben vereinbar.“ Oder das Beste aus der Situation zu machen: „Ihr 27-jähriger Freund, der gerade mit Hirntod diagnostiziert wurde, wäre der perfekte Kandidat für eine Organspende.“ Klassische Fettnäpfchen. Als kritische Zuschauer nahmen wir sie wahr. Als Patienten fielen sie uns kaum auf.

    Eine Studentin fing an zu weinen, als ihr mitgeteilt wurde, dass ihr Freund nach einem Fahrradunfall als hirntot diagnostiziert wurde. Ein Freund von mir zitterte am ganzen Körper, als er seine Diagnose bekam. Viele hatten leere Blicke, hörten ihrem „Arzt“ nicht mehr zu. Manche wurden sauer, akzeptierten ihre Diagnose nicht.

    Ich war lange bedrückt nach meinem Auftritt. Und dabei erlebte ich wahrscheinlich nicht mal einen Bruchteil von dem, was ein Patient durchmacht. Zu Hause rief ich meinen Dermatologen an und machte einen Termin für eine Vorsorgeuntersuchung aus.

    Mascha Osang und Leon-Alexander Regin („Siemens“) berichten im Wechsel aus ihrem Alltag als Medizinstudenten in Berlin. Die Kolumnen erscheinen alle zwei Wochen.

    #iatrocratie #médecins #pédagogie