• Zum Tod von Monika Döring : Die Königin des Berliner Nachtlebens
    https://www.tagesspiegel.de/kultur/zum-tod-von-monika-doring-die-konigin-des-berliner-nachtlebens-11614556

    Monika Döring a contribué au succès de plusieurs des plus grands musiciens de l’époque post-punk. Dans l’ère avant Capital-B (sur Arte, un « must ») elle était dans tous les mouvement culturels nouveaux à Berlin où involotairement naquit l’image de marque dont profite toujours la ville de Berlin. Elle n’aura pas de cérémonie officielle. Tant mieux. Un article dans le canard réac Der Tagesspiegel suffit.

    3.5.2024 von Christian Schröder - Bei ihr spielten #Björk, die #Einstürzende_Neubauten und #Nick_Cave schon, als sie noch kaum einer kannte: Als Betreiberin des Loft wurde Monika Döring legendär. Nun ist sie mit 87 Jahren gestorben.

    Mit ihrer hochgesprayten platinblonden Ananasfrisur, den schwarz überschminkten Augenbrauen und bunt lackierten Fingernägeln war Monika Döring eine schillernde Erscheinung im Berliner Nachtleben: halb Punkerin und halb Operndiva. Die legendäre Konzertveranstalterin, Jahrgang 1937, entstammte einer bildungsbürgerlichen Künstlerfamilie und war mit klassischer Musik aufgewachsen. Ihre Großmutter betrieb eine Musikalienhandlung, Vater und Schwester sangen an der Oper, und Tante und Onkel waren Kunstmaler.

    Döring begeisterte sich früh für Freejazz, versuchte sich als Schauspielerin und gründete 1977 mit Mistreitern wie dem späteren Kabarettisten #Holge_Klotzbach das Schwarze Café an der Berliner #Kantstraße, das dort bis heute dem Existenzialismus huldigt. Es waren bewegte Zeiten in der eingemauerten Halbstadt, und immer, wo es spannend wurde, war Döring mittendrin.

    Sie gehörte 1978 zu den Initiatorinnen des #Tunix-Kongresses an der Technischen Universität, der dem Kapitalismus mit den Mitteln des Faulseins trotzen wollte und als Geburtsstunde der Alternativbewegung gilt. Im Zirkuszelt des #Tempodrom s, das die ehemalige Krankenschwester #Irene_Moessinger von ihrem Erbe erworben und am #Tiergarten platziert hatte, veranstaltete sie das Festival „Monster, Mythen, Mutationen“, einen Vorläufer des Atonal-Festivals.

    Mehr als für Politik interessierte sich Monika Döring aber für Musik, speziell für solche, die noch nicht in den Charts vorkam, innovativ klang und ihrer Zeit voraus war. Im #Punk erkannte sie die Fortsetzung des Freejazz mit anderen Mitteln: den Sound einer Befreiung.

    Ich bin ständig auf der Jagd nach neuen Impulsen, eine Glücksjägerin aus Leidenschaft. Monika Döring

    Ab 1981 holte sie Bands und Musiker wie #Blurt, #Adrian_Sherwood, #Neneh_Cherry oder #Caspar_Brötzmann zu Konzerten in die #Music_Hall an der #Steglitze r #Rheinstraße. „Dort ist man hingefahren, zum #Walther-Schreiber-Platz, mit der U-Bahn, da spielten dann drei Bands für fünf Mark. Das war natürlich auch bizarr“, erinnerte sich #Sven_Regener, später im Gespräch mit dem Tagesspiegel.

    Endgültig zur Veranstalterlegende steigt Monika Döring auf, als sie 1983 das #Loft gründet, einen gerade einmal 600 Besucher fassenden Musikklub über dem ehemaligen #Metropol-Theater am #Nollendorfplatz. Dazu gehört auch die gleichnamige Konzertagentur, die sich auf #Postpunk-, Avantgarde- und Independent-Acts konzentriert.
    500 Konzerte in sechs Jahren

    Viele Bands und Musiker, die später große Hallen füllen, absolvieren dort ihre ersten Berliner Auftritte, darunter Björk, #Sonic_Youth, Nick Cave,€ The_Pogues und #The_Fall, aber auch frühe Hip-Hop-Größen wie #Public_Enemy oder #LL_Cool_J. Die Einstürzenden Neubauten sind zehn Mal bei von Döring veranstalteten Konzerten aufgetreten.

    „Das war schon der aufregendste und beglückendste Teil meines Lebens“, bilanzierte Döring in einem Interview mit der „taz“. Sie habe ihre Begeisterung für diese „unverbrauchte Energie, gegen alle Normen“ teilen wollen, ein größtmögliches „Sharing“ zu kleinem Eintritt. 800 Bands aus 19 Ländern schleuste sie in 500 Konzerten durch den kleinen Laden.

    Die internationalen Stars kamen auch deshalb gerne wieder, weil sie sich bei Döring verwöhnt fühlten. Die Aftershow-Partys im Backstage-Bereich wurden oft noch in ihrer Privatwohnung fortgesetzt. Als sie „keine Gitarren mehr hören“ konnte, übergab Döring 1988 die Geschäfte an zwei Nachfolger.

    Einige Jahre hat Monika Döring danach in San Francisco verbracht und viele Winter in Goa,wo sie sich für die dortige Psy-Trance-Musik begeisterte. „Ich habe darüber nachgedacht, warum ich so alt geworden bin“, erzählte sie zu ihrem 80. Geburtstag. „Es sind die Glücksmomente. Glück durch Entdeckungen. Ich bin ständig auf der Jagd nach neuen Impulsen, eine Glücksjägerin aus Leidenschaft.“ Am Donnerstag ist Döring in Berlin gestorben. Sie wurde 87 Jahre alt.

    #Berlin #histoire #mur #musique #culture #mouvement_alternatif

  • Deutsche Besatzung Griechenlands im Krieg: Ohne Plan, aber mit Antike
    https://www.tagesspiegel.de/kultur/literatur/ohne-plan-aber-mit-antike-5218576.html

    8.6.2016 von Constantin Fellner - Mehr als zwanzig Jahre hat es gebraucht, bis das einschlägige Werk über die deutsche Besatzung in Griechenland in die Sprache der Täter von einst übersetzt wurde. Mark Mazower, Professor für Geschichte an der Columbia University, wurde in Deutschland vor allem mit seinem Essay „Der dunkle Kontinent“ (1998) sowie zuletzt mit der NS-Studie „Hitlers Imperium“ (2009) bekannt, in der er den Expansionismus des „Dritten Reichs“ in eine Kontinuität deutscher Reichsentwürfe seit dem frühen 19. Jahrhundert rückt. „Inside Hitler’s Greece“ war bereits 1993 erschienen.

    In der angelsächsischen Welt ist der brillante Stilist Mazower eine Instanz, insbesondere für die Geschichte Südosteuropas – ein traditionell eher sporadisch bestelltes Feld der deutschen Geschichtswissenschaft, obwohl gerade dort entscheidende Weichenstellungen der europäischen Geschichte vorgenommen worden, und zwar nicht nur in der Antike.
    Weder Untermenschen noch Herrenrasse

    Eine solche Weichenstellung war der deutsche Überfall auf Griechenland im April 1941, der letzte Blitzsieg Hitlers. Mazowers These lautet, wie er im Vorwort der deutschen Ausgabe schreibt, dass „alles, was in Griechenland auf den Zweiten Weltkrieg folgte – der Bürgerkrieg, die bleibenden Narben, die er hinterließ, ja sogar die Demokratisierung des Landes nach 1974 –, nur vor dem Hintergrund des totalen Zusammenbruchs von Staat und Gesellschaft zu begreifen ist, den die deutsche Besatzung und ihre tödlichen Folgen mit sich brachten“.

    So ungeplant wie der Feldzug verlief die ganze Besatzungsherrschaft, die mit der Kapitulation des Generals Georgios Tsolakoglu am 22. April 1941 begann und mit dem Rückzug der Wehrmacht aus Athen am 12. Oktober 1944 endete. Hitler hielt ursprünglich nichts von einem Balkanfeldzug. Erst der unbeholfene Einfall Mussolinis in Griechenland im Oktober 1940, der mit einer krachenden Niederlage des italienischen Bundesgenossen endete, gab den Ausschlag für das „Unternehmen Marita“, das mit der völkerrechtswidrigen Bombardierung Belgrads am 6. April 1941 beginnt und mit der Einnahme Kretas durch deutsche Fallschirmjäger im Juni endet.

    Eliteverbänden wie der SS-Leibstandarte muss sich die griechische Armee rasch geschlagen geben – was Hitler nicht daran hindert, in einer Reichstagsrede die „tapferen Griechen“ zu rühmen und die griechischen Kriegsgefangenen in die Freiheit zu entlassen.

    Hier zeigt sich bereits jene Paradoxie, die die gesamte Besatzungszeit durchzieht: Das Deutsche Reich hat für die Griechen keine Plan. Weder gelten sie als Untermenschen, noch zählen sie zur germanischen Herrenrasse. Es gibt keinen Generalplan Ost für Griechenland, dafür viel Antikenbegeisterung. Dennoch entwickelt sich die deutsche Herrschaft hier zur brutalsten des ganzen Krieges außerhalb Osteuropas.

    Es beginnt mit dem großen Hungerwinter 1941/42. Nachdem die Wehrmacht, die sich zunächst mit Italien und Bulgarien die Besetzung teilt, in großem Stil Lebensmittel und Kleidung requiriert hat, bricht in dem Agrarstaat mit seiner schon damals notorisch ineffizienten Verwaltung das Chaos aus. Hunderttausend Menschen sterben. Hinzu kommt eine extreme Inflation und die hinlänglich bekannte Plünderung der griechischen Goldreserven durch die Reichsbank.

    Rasch formiert sich Widerstand gegen die Besatzer. Legendär ist der Kampf griechischer Partisanen, die 1943/44 weite Teile des Landes im Griff haben, gegen die Besatzer – ebenso wie die 120 offiziellen Märtyrerdörfer, die an jene Massaker erinnern, die von den Deutschen als Repressalien angerichtet wurden.
    Gleichmachende Wirkung

    Kalavryta, Komneno, Distomo – unvergänglich sind die Namen dieser Stätten brutaler Vergeltungsmaßnahmen. Viel Platz widmet Mazower der „Logik von Gewalt und Terror“ – und doch wäre „Griechenland unter Hitler“ nur ein weiterer Mosaikstein in der Erzählung deutscher Schuld, träten hier nicht zwei Momente zutage, die für sich betrachtet hochaktuell sind: soziale Mobilität und wirtschaftlicher Kampf aller gegen alle.

    Die deutsche Besatzung hat auf die griechische Klassengesellschaft eine enorm gleichmachende Wirkung. Millionen Griechinnen und Griechen werden durch sie erstmals politisch sensibel – und selbstbewusst. Die kommunistische griechische Befreiungsfront und ihr militärischer Arm, die griechische Befreiungsarmee („EAM/ELAS“), kontrollieren beinahe den gesamten Widerstand.

    Die unmittelbare Folge davon ist der griechische Bürgerkrieg, der fast nahtlos an die Befreiung im Herbst 1944 anschließt und bis 1949 dauert. Mit Gewalt zwingen erst die Briten, später die Amerikaner die mehrheitlich kommunistische griechische Bevölkerung ins westliche Lager. Die Geburtsstunde des Containments schlug – und riss ins griechische Nationalbewusstsein eine schwärende Wunde, die im Zeitalter europäischer Sparvorgaben erneut aufklafft.

    Dazu kommt damals die Ausbeutungspolitik. Den Deutschen geht es in Griechenland nicht um eine planmäßige Vernichtung von Menschen wie in Polen oder den Sowjetstaaten, sondern schlicht um die Deckung des eigenen Bedarfs. Dazu lassen sie sich mit findigen griechischen Bauern auf manchen Kuhhandel ein – oder nehmen bewusst das Verhungern und die Ermordung Zehntausender in Kauf.

    Die Mittelschichtgesellschaft von heute und der Kapitalismus in einer rücksichtslosen Spielart: In gewisser Weise wird beides im Griechenland der Jahre 1941–44 vorexerziert. Die NS-Herrschaft bedeutete, im eigenen wie im fremdem Land, auch einen Modernisierungsschub. Sie zeigte aber auch – in extremer Verzerrung –, wie brutal und rücksichtslos diese Modernität sein kann.

    – Mark Mazower: Griechenland unter Hitler. Das Leben während der deutschen Besatzung 1941– 1944. S. Fischer Verlag, Frankfurt am Main 2016. 528 Seiten, 29,99 Euro.

    #Allemagne #Grèce #hsitoire #nazis #guerre

  • Sieben Oscars für den Favoriten : „Oppenheimer“ triumphiert – Sandra Hüller geht leer aus
    https://www.tagesspiegel.de/kultur/sieben-oscars-fur-den-favoriten-oppenheimer-triumphiert--sandra-huller-


    Contraierement aux hommes tous les murs ne sont pas égaux.

    Bester Internationaler Film
    Warnung der Vergangenheit an die Gegenwart: „The Zone of Interest“ von Jonathan Glazer..

    #cinéma #Auschwitz #banalité_du_mal

  • Kolumne Berliner Trüffel, Folge 34: Auf den Spuren einer Plastik ohne Namen
    https://www.tagesspiegel.de/kultur/kolumne-berliner-truffel-folge-34-auf-den-spuren-einer-plastik-ohne-nam

    12.8.2023 von Michael Bienert - Wer schwingt da den Taktstock? Beim Sonntagsradeln zwischen Kiefern und Villen öffnet sich plötzlich ein elliptischer Platz mit gepflegtem Rasen, in der Mitte die Bronzefigur eines Dirigenten. Ihr Sockel trägt keinen Namen, eingemeißelt sind vier Worte: Kunst. Kultur. Wissenschaft. Wirtschaft.

    Drei Alleen münden auf den Platz, vielleicht geben die Straßenschilder einen Hinweis? Der Oberhaardter Weg, steht da, hieß früher Joseph-Joachim Straße, nach dem berühmten Geigenvirtuosen, Komponisten und Gründungsdirektor der Berliner Musikhochschule. Wegen dessen jüdischer Herkunft wurde die Straße 1939 von den Nazis umbenannt.

    Es führen allerdings auch eine #Griegstraße und eine #Nikischstraße auf den Platz mit dem Musiker aus Bronze. Der norwegische Komponist oder der ungarische Maestro könnten auch gemeint sein. Na gut, das Netz wird es schon wissen. Denkste. Googlemaps verzeichnet an der Koordinate ein Grieg-Denkmal. Aber die weitere Recherche führt ins Nichts.

    Auf der Rückseite der Skulptur ist eine Signatur eingeritzt, schwer zu entziffern. Der Versuch mit dem Namen Andrej Irzykowski führt endlich zu einem Suchmaschinentreffer. Ein Bildhauer aus Lünen, dessen Website seit 2008 nicht aktualisiert worden ist. Aber er ruft zurück. Ein Kunstfreund, der aus Lünen in den #Grunewald gezogen sei, habe die Skulptur 2014 in Auftrag gegeben. Nein, sie stelle keine der drei genannten Personen dar, es sei dabei um etwas Universelleres gegangen, ums Dirigieren.

    Der gesenkte Taktstock ist verbogen, jemand hat versucht, ihn abzubrechen. Und ist gescheitert an dem Stahlstab, den der Bildhauer listig drin versteckt hat. Sonst ist die Figur hohl. Jedes Körperteil gibt beim Beklopfen einen anderen Glockenton. Die linke Hand der Figur scheint ein unsichtbares Orchester zu zügeln. Eingefroren in dem Moment, wo Musik in Stille übergeht.

    #Oberhaardter_Weg #Joseph-Joachim-Straße #Nazis #Geschichte #Straßenumbenennung

  • Berliner Trüffel, Folge 36: Enten und Jungschwäne in Charlottenburg
    https://www.tagesspiegel.de/kultur/berliner-truffel-folge-36-enten-und-jungschwane-in-charlottenburg-10368

    27.8.2023 - Michael Bienert - Die Enten fühlen sich auf dem Brunnenrand vor dem #Renaissance-Theater pudelwohl: Ein Exemplar döst vor sich hin, den Schnabel ins Gefieder gesteckt, eine andere putzt sich. Der laute Autoverkehr um den Ernst-Reuter-Platz stört die sechs Artgenossinnen nicht. Ihre glatt polierten, messingglänzenden Köpfchen beweisen, dass die Bronzevögel gerne gestreichelt werden. Große Kunst zum Anfassen von August Gaul, der um 1900 die Millionenstadt Berlin mit seinen Tierskulpturen bevölkerte, mit anmutigen Kreaturen, weitab von Bedeutungshuberei und wilhelminischem Bombast.

    Auf einem niedrigen Sockel ruht ein Brunnenbecken aus Muschelkalk, in der Mitte erhebt sich ein steinerner Pilz, über den Wasser in das Becken rinnt. Und an zwei Seiten des Beckenrands hocken je drei Entlein zusammen. Ein liebliches, ein märchenhaftes Arrangement.
    Geschenkt vom Stadtverordneten

    Es gibt Anwohner, die es verstimmt, dass der Brunnen derart harmlos plätschert, ohne Hinweis auf seinen Stifter. Der Straßenschmuck von 1908 war ein Geschenk des Industriellen, Berliner Stadtverordneten und ehrenamtlichen Stadtrates Max Cassirer an die Stadt Charlottenburg. Wie sein Neffe, der Kunsthändler Paul Cassirer, förderte er August Gaul. Max Cassirer besaß eine Villa an der #Kaiserallee, der heutigen #Bundesallee. In seinem Garten ließ er einen kleineren Brunnen errichten, ebenfalls mit sechs Vögeln von Gaul auf dem Rand. Damit die Proportionen passten, entschied man sich für Jungschwäne statt ausgewachsener Enten.

    Dieser zweite Brunnen steht seit 1962 am #Kurfürstendamm, Ecke #Leibnizstraße. Auch hier könnte an das Schicksal des jüdischen Stadtrates erinnert werden: Die Ehrenbürgerwürde von Charlottenburg wurde Cassirer 1933 aberkannt, seine Fabriken wurden arisiert. Die Villa an der Kaiserallee musste er verkaufen, um eine Zwangsabgabe an den NS-Staat aufzubringen. Ende 1938 rettete er sich der 82-jährige Mäzen ins Ausland, danach wurde er ausgebürgert, um sein Restvermögen und die Kunstsammlung zu beschlagnahmen.

    Im Foyer des Rathauses Charlottenburg erinnert ein etwas ramponierter Aufsteller an Max Cassirer und seine Ausplünderung. Der Weg zwischen dem Rathaus und den beiden Brunnen ist aber doch recht lang, und so bleibt es eine Herausforderung, das Schöne und Grausame zusammenzudenken.

    #Berlin #Charlottenburg #Wilmersdorf #Otto-Suhr-Allee #Hardenbegstraße #Knesebeckstraße #Geschichte #Nazis #Judenverfolgung #Kunst #Mäzenatentum

  • Berliner Trüffel (33): Bürgermeisterbüro mit dunkler Vergangenheit
    https://www.tagesspiegel.de/kultur/berliner-truffel-33-burgermeisterburo-mit-dunkler-vergangenheit-1026731

    5 8.2023 - Birgit Rieger - Wer ins Bürgeramt muss, versucht meist seinen Aufenthalt dort so kurz und effizient wie möglich zu gestalten. Im Rathaus Tiergarten aber lohnt sich für Geschichtsinteressierte ein genauerer Blick, jenseits von Zettelwirtschaft und Verwaltung. Der dreiflügelige Bau am Mathilde-Jacob-Platz in Moabit ist denkmalgeschützt und ziemlich imposant.

    Die Architektur trägt die Merkmale nationalsozialistische Bauten. Natursteinverkleidete Fassadenelemente, das hohe Portal, der mittige Turm. Es war der erste Neubau eines Rathauses in Berlin während der NS-Zeit, errichtet zwischen 1935 und 1937.

    Erklärt wird die Geschichte des Hauses unter anderem im zweiten Stock. Dort liegt das „Historische Bürgermeisterzimmer“ samt Vorzimmer, in weiten Teilen ist es noch original erhalten. Die Wände sind mit dunklem Nussbaumholz verkleidet, ein mächtiger Leuchter krönt die Decke, die bodentiefen Fenster gehen auf die Turmstraße hinaus.

    Einfach weiternutzen wollte man den Raum, der während der NS-Zeit von verschiedenen Moabiter Bezirksbürgermeistern genutzt wurde, nicht. Von hier aus wurde die Deportation zehntausender Berliner Jüdinnen und Juden mitorganisiert, die unter anderem am Güterbahnhof Moabit in Züge gen Osten gebracht wurden. Hitler grüßte vom „Führerbalkon“, der ein Stockwerk tiefer zur Turmstraße hinauszeigt.

    Der Schreibtisch in dem Raum ist nicht mehr erhalten. Stattdessen steht dort nun ein gelber Tisch mit eingelassenem Bildschirm. Eine Multimediapräsentation informiert über das Rathaus als NS-Täterort, die Architektur des Gebäudes und den Umgang mit nationalsozialistischen Bauten heute.

    Eine weitere Ausstellung im Vorzimmer zeigt Gedichte von Moabiter Schriftstellerinnen und Schriftstellern, die während der NS-Zeit verfolgt wurden, Kurt Tucholsky ist der berühmteste, die in Tiergarten aufgewachsene Lyrikerin Nelly Sachs ist auch dabei.

    #Berlin #Tiergarten #Turmstraße #Geschichte #Archizektur #Nazis

  • Ausstellung: Wie Gott sie schuf
    https://www.tagesspiegel.de/kultur/ausstellungen/wie-gott-sie-schuf-6536686.html
    Adolf Salge ist von 1934 bis 1940 als Geschäftsführer der Mila-Lichtspiele für die Inhaberinnen M. u. H. (Martha und Hamida) Soliman

    31.03.2009 von Christian Schröder - Preußens nackte Venus: Eine Ausstellung erinnert an die Tänzerin Olga Desmond. Desmond war die erste Nackttänzerin in Preußen, sie stieg zu einer der bestbezahlten Unterhaltungskünstlerinnen und zu einer europäischen Berühmtheit auf.

    Nackttanz vor hundert Jahren: ein Skandal. Die Tänzerin Olga Desmond ist gerade einmal 17 Jahre alt, als sie am 19. Mai 1908 im Mozartsaal des Neuen Schauspielhauses am Berliner Nollendorfplatz gastiert. Ihr Auftritt vor 600 geladenen Zuschauern ist als „ein Gottesdienst der Schönheit, ein Kultus der Kunst“ angekündigt worden. Desmond, nur mit einem Diadem und einem Metallgürtel bekleidet, führt zum ersten Mal ihren „Schwertertanz“ vor. „Sie tritt auf in einem himmelblauen, seidenen Mantel“, so hat die „Frankfurter Zeitung“ das Ereignis festgehalten. „Die Musik spielt einen morgenländisch anmutenden Reigen. Plötzlich richtet sich die Desmond auf, lässt mit einem Ruck den Mantel fallen und steht auf der hellen Bühne wie die schaumgeborene Göttin. Und beginnt zwischen den blanken Schwertern zu tanzen. Badet ihre blütenweiße Schönheit in Licht und Musik. In holder Selbstverständlichkeit.“

    „Preußens nackte Venus“, unter diesem Titel wird Olga Desmond nun mit einer Ausstellung und einem Buch wiederentdeckt. Das Verborgene Museum, auf weibliche Kunst spezialisiert, präsentiert Fotos, Plakate und Zeitungstexte, die vom abenteuerlichen Leben der Tanzpionierin erzählen. Desmond war die erste Nackttänzerin in Preußen, sie stieg zu einer der bestbezahlten Unterhaltungskünstlerinnen im wilhelminischen Deutschland und zu einer europäischen Berühmtheit auf. „Sie war eine mutige Frau. Konventionen haben sie nicht interessiert. Kunst war die einzige Gottheit, für die sie lebte“, sagt Jörn E. Runge, der eine Biografie über die Desmond geschrieben und die Ausstellung kuratiert hat.

    Olga Desmond war von Karl Vanselow engagiert worden, dem Herausgeber der Zeitschrift „Die Schönheit“ und Initiator einer „Vereinigung für ideale Kultur“. Vanselow verstand sich als Lebensreformer und Aufklärer. Nacktheit stand für ihn für die Befreiung von den Zwängen der Zivilisation. Ihren Schwertertanz hatte Desmond in der geschlossenen Gesellschaft eines „Schönheits-Abends“ vorgeführt. Das schützte sie allerdings nicht vor öffentlichen Angriffen.

    Im Januar 1909 debattiert das Preußische Abgeordnetenhaus über den Fall. Der Zentrumsabgeordnete Hermann Roeren, Mitbegründer des „Kölner Männervereins zur Bekämpfung der öffentlichen Unsittlichkeit“, nennt die Desmond ein „nacktes Frauenzimmer in ihrer Schamlosigkeit“ und macht sie für „eine Verrohung und Verwilderung der Sitten“ verantwortlich. Der preußische Innenminister Friedrich von Moltke verbietet weitere Auftritte ohne Kostüm. Desmond tanzt fortan in sogenannten „Nacktkostümen“, eingehüllt in Gaze-Schleier.

    Sogar die „New York Times“ berichtete über den Skandal. Kurz vor der parlamentarischen Debatte war Olga Desmond als Nachfolgerin von Otto Reutter im Berliner „Wintergarten“ engagiert worden. Sie bekam eine Monatsgage von 6000 Reichsmark, was etwa sechs Jahresgehältern eines Arbeiters entsprach. Bessere Werbung als durch ihre Gegner hätte sie sich nicht wünschen können. „Olga Desmond beweist durch ihr gegenwärtiges Auftreten im Wintergarten, dass wahre Kunst nie unsittlich wirken kann“, versprachen Zeitungsanzeigen.

    Olga Desmond, 1890 als Tochter eines Buchdruckers im ostpreußischen Allenstein geboren und in Berlin-Kreuzberg aufgewachsen, beginnt mit 15 Jahren ein Schauspielstudium. Ihren Lebensunterhalt verdient sie als Aktmodell. Dabei lernt sie den Athleten Adolf Salge kennen, der sie in seine Varieté-Truppe „The Seldoms“ holt. Sie treten als „lebender Marmor“ auf. Nackt, mit weiß gepuderter Haut stellen sie Skulpturen nach, den „Raub der Sabinerinnen“, „Das Weib oder die Vase“ oder „Die badende Psyche“.

    Olga Desmond wird in London, St. Petersburg, Warschau, Wien und Budapest bejubelt, sie gründet eine „Schule für Körperkultur, Tanz, Gymnastik“ und bringt eine Sommersprossen-Creme und ein Schönheitsbuch auf den Markt. Als im Ersten Weltkrieg die Varieté-Theater geschlossen werden, macht sie Truppenbetreuung an der Front und beginnt, Stummfilme zu drehen. Trotzdem fühlt sie sich unverstanden. Das „Unglück meines Lebens“, klagt sie, sei es, dass sie in ganz Deutschland „keinen Saal zur Verfügung bekomme, der mir gestattet, meine Kunst in dem ganzen Ernste, wie ich sie auffasse, zu zeigen“.

    Gegen Ende der zwanziger Jahre beginnt ihr Stern zu sinken. Desmonds statuarischer Tanzstil gilt als veraltet, jüngere Tänzerinnen wie Anita Berber, Valeska Gert oder Mary Wigman machen nun Furore. Nackttänzen haftet nichts Skandalöses mehr an, sie werden inflationär. Nach 1933 brechen für die Tänzerin, die seit 1920 mit dem jüdischen Textilunternehmer Georg Piek verheiratet ist, schwere Zeiten an. Sie unternimmt einen Selbstmordversuch, er kann aus einem Konzentrationslager fliehen. Bis zu ihrem Tod 1963 schlägt sich Olga Desmond als Putzfrau in Ost-Berlin durch. Um den Lebensunterhalt aufzubessern, verkauft sie Postkarten und Andenken aus ihrer Zeit als Tänzerin.

    Das Verborgene Museum, Schlüterstraße 70, bis 29. Mai, Do und Fr 15–19, Sa und So 12–16 Uhr. – Jörn E. Runge: Olga Desmond. Preußens nackte Venus. Steffen Verlag, Friedland 2009, 180 S., 19, 95 €


    Bilder aus: https://arinevandersteur.nl/product/lebende-marmor-bildwerke-dargestellt-an-den-schonheit-abenden-in-be

    siehe auch
    https://commons.wikimedia.org/wiki/Category:Adolf_Salge

    GB190708573A - An Improved Process for Treating the Human Skin for Theatrical and like purposes. - Google Patents
    https://patents.google.com/patent/GB190708573A/en?inventor=Adolf+Salge

    Abstract
    8573. Salge, A., [known as Seldom.] April 12. No Patent granted (Sealing fee not paid). Making-up materials for theatrical use.-For producing a jewel-like effect in living statuary, after the skin has been coated with a mixture of zinc oxide, glycerine, alcohol, and eau de cologne, it is powdered with finely flaked mica, powdered boracic acid, or other suitable substance.
    GB190708573A

    United Kingdom
    Find Prior Art
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    Inventor
    Adolf Salge

    Worldwide applications
    1907 GB
    Application events
    Priority claimed from GB190708573T
    1907-04-12
    Application filed by Adolf Salge
    1907-05-30
    Application granted
    1907-05-30
    Publication of GB190708573A
    Status
    Expired

    Olga Desmond
    https://de.wikipedia.org/wiki/Olga_Desmond

    #Berlin #Kino #Tanz #Artistik #fkm

  • Große Erwartungen an neue Comicgewerkschaft: „Wir verlangen zu wenig und arbeiten zu viel“
    https://www.tagesspiegel.de/kultur/comics/grosse-erwartungen-an-neue-comicgewerkschaft-wir-verlangen-zu-wenig-und

    30.11.2022 von Rilana Kubassa - Comics und vor allem Graphic Novels – also längere Comicerzählungen in Buchform – werden in der Kulturwirtschaft immer sichtbarer. Der Zeitschrift „Buchreport“ zufolge verzeichneten sie auf dem deutschen Buchmarkt im vergangenen Jahr ein zweistelliges Umsatzplus. Trotzdem können bislang hierzulande nur wenige Comicschaffende von ihrer Arbeit leben.

    Ein Grund dafür könnte die mangelhafte Comic-Infrastruktur in Deutschland sein. Förderungen ausschließlich für Comicprojekte sind rar. Berlin lobt als einziges Bundesland seit 2017 explizit Stipendien für Comiczeichner:innen aus. Verglichen mit den zahlreichen Förderungsmöglichkeiten für Literaturprojekte ist dies wenig. Comicschaffende sind jedoch auf Förderungen angewiesen. 

    Um die Arbeitsbedingungen zu verbessern, hat jetzt eine Gruppe Comicschaffender eine Gewerkschaft gegründet. Anlass dafür war die Einladung des Comickünstlers Nino Bulling zur Documenta 15 im Sommer. Er nutzte sein Budget und lud andere Comicschaffende dazu ein, die 2021 entstandene Idee einer Gewerkschaft gemeinsam weiterzuentwickeln.

    Worum es der Gewerkschaft geht, macht ihr Manifest deutlich: „Mit der Gewerkschaft wollen wir eine Struktur schaffen, an die sich Comicarbeiter*innen mit beruflichen Themen wenden können. Unsere Lebensumstände und Werdegänge sind unterschiedlich, die prekäre Lage von selbstständigen Kulturarbeiter*innen teilen wir jedoch alle.“

    Zum Kernteam gehören die Comickünstlerinnen Jul Gordon aus Hamburg und Sheree Domingo aus Berlin. „Für Comicarbeiter:innen gibt es in Deutschland noch immer kaum Fördermöglichkeiten und Aufenthaltsstipendien“, begründet Gordon ihr Engagement.

    „In der Regel arbeiten wir vereinzelt. Viele von uns fühlen sich allein mit Fragen zu Entlohnung, Bild- und Nutzungsrechten und sozialer Absicherung“, sagt Sheree Domingo. „Unser Traum ist eine Gewerkschaft, die wie eine organische Struktur funktioniert und horizontal strukturiert ist – wie ein Kollektiv mit politischen Forderungen.“
    Geplant sind ein Forum für offenen Austausch und das Aufstellen von Honorartabellen

    Konkret bedeute das etwa, sich in einem Forum offen über das Thema Bezahlung auszutauschen, Informationspools für ausländische Künstler:innen anzubieten und Honorartabellen aufzustellen. „Wir können ja nicht streiken“, so Sheree Domingo. „Aber wenn wir uns vernetzen, können wir Mindestsätze fordern.“

    Eine erste Orientierung in diese Richtung bietet auch der Deutsche Comicverein auf seiner Webseite. Dort ist eine Liste mit empfohlenen Mindesthonoraren angegeben. In der Realität werden diese jedoch oft unterboten.

    Hamed Eshrat, der kürzlich seine Graphic Novel „Coming of H“ veröffentlicht hat, kennt das. „Auftraggebern ist oft nicht bewusst, wie zeitaufwendig und komplex das Zeichnen und Schreiben eines Comics ist. Oft sind es Institutionen oder Vereine, die Themen vorgeben und sagen: ‚illustriert das mal schnell!‘ Das haut so nicht hin. Allein das Verdichten und Reduzieren von Themen und Geschichten, damit sie überhaupt als Comic funktionieren, ist sehr zeitintensiv“, sagt er.

    Wie lange es dauert, einen Comic fertigzustellen, zeigte er unter anderem im September im Anschluss an seine Lesung von „Coming of H“ in der Berliner Bibliothek am Luisenbad – mit Ausschnitten aus seiner Arbeit, vom ersten Entwurf über das Storyboard bis zum fertigen Buch, an dem er rund vier Jahre gearbeitet hat.

    „Auftraggeber holen sich Preise ein, die schon vor 20 Jahren ausbeuterisch waren“, so Eshrat. „Oder sie fragen Student:innen, die in der Regel weniger Geld nehmen. Deren Preise haben aber mit der Realität nichts zu tun.“ Die Aufgabe einer Comic-Gewerkschaft würde für ihn deshalb auch darin bestehen, zu zeigen, dass Arbeit und zeitlicher Aufwand der Comicschaffenden entlohnt werden müssen.

    Seit Anfang September ist die Webseite der Comic-Gewerkschaft online und findet viel Zuspruch in der Szene. Eine empirische Studie soll die Grundlage für zukünftige Forderungen und Arbeitsfelder bilden. Dazu können Comicschaffende noch bis zum 30. November einen Fragebogen auf der Webseite ausfüllen. Zu Redaktionsschluss haben 722 Menschen teilgenommen.
    Menschen, die Carearbeit leisten, werden bei Förderungen und Stipendien benachteiligt

    Die in München lebende Comicautorin Barbara Yelin („Aber ich lebe“) ist gespannt, wie sich die Gewerkschaft entwickelt. „Wir verlangen alle immer zu wenig und arbeiten viel zu viel – und machen dann Auftragsarbeiten, um das auszugleichen“, sagt sie. „Viele Comicschaffende sind am Rande ihrer Kräfte. Die Arbeit noch mit der Familie zu vereinbaren, bedeutet noch mehr Aufgaben. Das bringt mich manchmal zur Verzweiflung.“

    Für Yelin sind deshalb Austausch, Empowerment und Netzwerkarbeit schon lange wichtig. „In Berlin gab es vor 15 Jahren eine Art Wohnzimmersalon, den Ulli Lust und Kai Pfeiffer organisiert haben“, erinnert sie sich. „Das war ein guter Ort für Austausch.“ Auch das 2004 gegründete Illustratorinnen-Kollektiv „Spring“, das jährlich eine Anthologie verschiedener Künstlerinnen herausbringt, nennt sie als wichtiges Netzwerk in ihrer Laufbahn, auch um sich über die Vereinbarkeit von künstlerischer Tätigkeit und Carearbeit auszutauschen.

    Neben Angaben zum Einkommen und zur Ausbildung finden sich im Fragebogen der Comic-Gewerkschaft auch Fragen zur Lebenssituation. „Viele Förderungen haben eine Altersbeschränkung bis 30 Jahre – das ist ungerecht, wenn man Carearbeit geleistet hat oder berufliche Umwege gegangen ist“, findet Jul Gordon. Bei den meisten
    Aufenthaltsstipendien – nicht nur im Bereich Comic – sind zudem Kinder nicht vorgesehen.

    Das erlebt auch Barbara Yelin. „Seitdem ich ein Kind habe, kann ich mich auf viele Stipendien nicht mehr bewerben. Halbtags Comics zu zeichnen ist zudem eine riesige Herausforderung. Und was mache ich bei einem Arbeitsausfall?“ zählt sie einige der Problematiken auf.

    Im aktuellen Koalitionsvertrag der Ampel-Parteien ist zwar erstmalig auch der Comic als zu förderndes Kulturgut genannt. „Aber die Frage ist, wie die Politik versteht, was wir wirklich brauchen“, gibt Yelin zu bedenken. „Nachwuchsförderung muss niedrigschwelliger und offener ansetzen. Traditionelle Stipendien hingegen sind oft altersbegrenzt, da wird angenommen, dass man als erfahrene:r Künstler:in keine Förderung mehr braucht. Dabei ist Förderung bitter nötig, gerade in teuren Städten wie München.“

    Barbara Yelin ist in München derzeit selbst aktiv für eine stärkere Vernetzung von Comicschaffenden. Das „Comicnetzwerk in Bayern“ wird mit einer strukturellen Förderung des Ministeriums für Wissenschaft und Kunst unterstützt. Als Mitglied der Illustratoren Organisation (IO) wünscht sie sich, dass die einzelnen Interessenvertretungen mehr miteinander arbeiten.

    Die in Hamburg lebende Comicautorin Birgit Weyhe ist ebenfalls Mitglied der IO. Sie schätzt die Honorartabellen und Informationen zu rechtlichen Fragen, die die Organisation für ihre Mitglieder bereitstellt. „Anhand dessen kann man leichter berechnen, was man verlangen kann“, sagt sie. Das wünscht Weyhe sich auch für Comicschaffende.

    Weyhe gehört wie Barbara Yelin zu den erfolgreichsten Comickünstlerinnen in Deutschland. Gerade war sie mit „Rude Girl“ im Rahmen der Hamburger Literaturpreise als erste Comicschaffende überhaupt für das „Buch des Jahres“ nominiert. „Ich sollte kürzlich eine Freundin in einem Comicworkshop vertreten“, erzählt sie. „Als sie mir sagte, was dafür bezahlt wird, dachte ich, ich falle vom Stuhl. Da wäre ich ins Minus gegangen.“

    Trotzdem kennt sie auch Unsicherheiten. „Wenn ich eine Anfrage absage, habe ich ein schlechtes Gewissen, weil ich nicht weiß, wann die nächste Anfrage kommt. Und ich weiß, dass sicher jemand anders kommen wird, der diesen Auftrag annimmt“, erzählt sie. Eine Gewerkschaft sollte ihrer Meinung nach solche Unsicherheiten ausräumen, indem über angemessene Honorare informiert wird und ein transparenter Austausch stattfindet. „Es ist so wichtig, dass jemand sagt: ‚Nein, mach das nicht! Rechne dir mal den Stundenlohn aus!’“

    Die Gründung einer Interessenvertretung für Comicschaffende könnte für den Comic in Deutschland auch ein weiterer wichtiger Schritt zu dessen Sichtbarmachung als eigenständiges künstlerisches Medium und Kulturgut sein. Zuletzt formulierten Comicschaffende 2013 auf dem Internationalen Literaturfestival Berlin so deutlich ihre Bedarfe in einem Manifest. Entstanden ist daraus etwa der Deutsche Comicverein. Eine zentrale Forderung war schon damals die stärkere Förderung von Comicprojekten.

    Öffentlich verlesen wurde das Manifest 2013 von der Comicautorin Ulli Lust, die seit 2013 Professorin für Illustrative Gestaltung und Comic an der Hochschule Hannover ist. Auch sie findet die Gründung der Gewerkschaft sinnvoll. „Je besser wir vernetzt sind, desto sicherer sind wir in den Forderungen. Ich brauche gar nicht so viel Unterstützung, aber die Jüngeren sind noch unsicher. Mit einer Rechtsberatung tritt man sicherer auf“, sagt sie.

    Comiczeichner Flix („Das Humboldt-Tier“) findet eine Gewerkschaft grundsätzlich gut. Das Manifest von 2013 unterzeichnete er nicht. „Ein guter Comic entsteht daraus, dass er das Herzensprojekt eines Einzelnen ist“, sagte damals dem Tagesspiegel. Auch jetzt äußert er sich skeptisch: „Da die meisten Zeichner:innen ja soloselbständig sind und keinen gemeinsamen Arbeitgeber haben, ist es sicher nicht leicht, Ansatzpunkte zu finden“, gibt er zu bedenken.

    Ab Februar 2023 sollen voraussichtlich erste Mitglieder in die Gewerkschaft aufgenommen werden. Ob Beiträge gezahlt werden sollen, in welcher Form und unter welchem Namen sie läuft und ob sie sich möglicherweise der Freien Arbeiter Union anschließt, ist noch unklar. „Wir sind da bei weitem noch nicht fertig“, so Sheree Domingo. „Eigentlich brauchen wir dabei noch Unterstützung, zum Beispiel Helfer:innen für den Aufbau und finanzielle Mittel, um zum Beispiel die Studie auszuwerten.“

    https://www.comicgewerkschaft.org
    http://www.european-illustrators-forum.com/associations/io-illustratoren-organisation-e-v
    https://illustratoren-organisation.de

    #Gewerkschaft #Kunst #FAU #Comic #Zeichnung #Organisierung

  • Serie Berliner Doppelstraßen: Immer schön am Rand lang - Kultur - Tagesspiegel
    https://www.tagesspiegel.de/kultur/serie-berliner-doppelstrassen-immer-schoen-am-rand-lang/26016786.html

    Dieser Artikel funktioniert ein bischen nach dem Prinzip „reim dich oder ich fress dich“. Die Autorin schnappt sich den #Grenzweg im Ortsteil #Baumschulenweg als „Doppelstraße“ für die #Grenzallee in #Neukölln. Das nenne ich künstlerische Freiheit. Als Kutscher würde ich bei so einer Präzision verhungern. Warum hat die gute Christtiane Peitz sich nicht gleich lieber den Grenzweg als Doppel- oder Vielfachstraße vorgenommen? Den gibt es immerhin siebenmal und eine Brücke des Namens kommt noch gratis obendrauf.

    Straßenverzeichnis Berlin – Strassen und Plätze mit »G« - KAUPERTS
    https://berlin.kauperts.de/Strassenverzeichnis/G

    Grenzweg Falkenberg
    Grenzweg Baumschulenweg
    Grenzweg Charlottenburg-Nord
    Grenzweg Lichtenrade
    Grenzweg Oberschöneweide
    Grenzweg Rahnsdorf
    Grenzweg Rosenthal
    Grenzwegbrücke Rahnsdorf

    Hier also die Betrachtungen über eine Straße und ein Sträßchen mit fast ganz gleichen Namen.

    Serie Berliner Doppelstraßen

    Als Groß-Berlin vor 100 Jahren geschaffen wurde, wuchs das Stadtgebiet von 66 auf 878 Quadratkilometer. Neben Lichtenberg, Schöneberg, Wilmersdorf, Charlottenburg, Neukölln und Spandau gehörten nun auch 59 Umlandgemeinden und 27 Gutsbezirke zur neuen Metropole. Kein Wunder also, dass es im Stadtplan viele Straßennamen doppelt oder sogar mehrfach gibt.

    Gäbe es einen Wettbewerb der hässlichsten Straßen Berlins, die Grenzallee in Neukölln hätte Chancen auf einen Hauptpreis. Vielleicht liegt es auch nur daran, dass es an diesem Nachmittag wie aus Kübeln schüttet. Innenstadt, Außenstadt, Berlin kennt viele solcher Zwischengegenden, die als Gewerbegebiete genutzt werden. Auf gut eineinhalb Kilometern markiert die Straße die historische Grenze zwischen Rixdorf und Britz, von der Sonnenallee bis zur Karl-Marx-Straße. Im 19. Jahrhundert hieß sie noch Britzer Damm.

    Aber dann macht dieser unwirtliche Ort einem schnell wieder Laune: Erweist die Straße ihrem Namen doch gleich am unteren Ende alle Ehre. Wenige Schritte neben der Arbeitsagentur Neukölln liegt die Kleingartenanlage „Steinreich“. Die beiden trennt nur die S-Bahn-Brücke und ein hinter Büschen verstecktes Jugendzentrum. Arbeitslos, steinreich, wo lägen mehr Welten dazwischen?

    Okay, Adresse und Eingang des Jobcenters mit Corona-Hinweisen in acht Sprachen gehören eigentlich zur Sonnenallee. Und vor 50 Jahren hieß die Grenzallee auf diesem Stück auch noch Dammweg, wie die Straßenfortsetzung Richtung Nordosten. Mit dem stattlichen Gründerzeit-Mietshaus samt Kupferturmaufsatz und Teepavillon jenseits der Kreuzung setzt der heutig Dammweg sofort einen unmissverständlichen Kontrapunkt: In die Grenzallee würde so ein hübsches Gebäude nicht passen.

    Man kennt sie hauptsächlich aus dem Verkehrsfunk. Fast sechs Jahre war die Grenzallee wegen des Tunnels für die verlängerte A 100 gesperrt. Mittlerweile kann die vierspurige Trasse wieder genutzt werden, teils nur auf zwei Fahrbahnen. Fußgänger und Radfahrer können gucken, wo sie bleiben, sehen sich zum Slalom mit mehrfachem Seitenwechsel gezwungen. Wobei sich ohnehin kaum jemand in den unwirtlichen Straßenabschnitt rund um das Einkaufscenter „Neukölln Carree“ verirrt. Unsereins ersteht im Drogeriemarkt erstmal einen Schirm.

    Im Hof lockt eine Wiese zum Chillen

    Weiter geht’s, vorbei an Neubauruinen, Busparkplatz, Postverteilerzentrum, Gebrauchtwagenhändlern, Kfz-Werkstätten und einer Storage-Halle. Bonjour tristesse. Das Jugendzentrum an der S-Bahn-Brücke, das auf www.grenzallee.com für Sommerworkshops wirbt – Seifenkisten- Bau, Graffitikurse, Radtouren – und etwas weiter das Gelände der Jugendhilfe-Vereinigung bilden die rühmlichen Ausnahmen.

    Vor 70 Jahren wurde der Verein von Hans Spänkuch und anderen gegründet, um arbeitslosen Jugendlichen eine Ausbildung zur ermöglichen. Heute beherbergt das Hans-Spänkuch-Haus Menschen mit und ohne Beeinträchtigungen, samt Werkstätten und Seminarhaus.

    Im Hof lockt eine Wiese zum Chillen samt Bocciabahn, an der Fassade des Hochhauses hängt ein Transparent mit der Aufschrift „Stop violence. Open the borders“. Für Grenzallee-Bewohner eine denkbar angemessene Forderung.

    Kurz vor der U-Bahn Grenzallee – deren Eingang in der Karl-Marx-Straße liegt, als scheue selbst die BVG das ungemütliche Pflaster – tauchen doch noch ein paar Mietskasernen auf. Einige mit bröckelndem Putz, einige in kräftigen Farben, Dottergelb und Ochsenblutrot. In den verwilderten Gärten wechseln Küchenkräuter und Sperrmüll, vor Hausnummer 69 dümpelt ein Einkaufswagen mit kaputter Mikrowelle. Bis in die 1930er Jahre fungierte die U-Bahn-Station noch als Endbahnhof, für die Züge aus dem Wedding.

    Am Möbelcenter hat der Wind die A-100-Baustellenzäune umgepustet, nur die blauen Rohre der oberirdischen Wasserleitung bringen etwas Farbe ins Straßenbild. Immerhin wurde der Allee eine neue Kanalbrücke verpasst. Wasserstraßen, Hafenflair, Weitblick, hier atmet die Grenzallee auf.

    Hinter der Schleuse des Hafens Neukölln und dem Schrottplatz, dessen blitzender Altmetallberg einen futuristisch spröden Charme verbreitet, schimmert in der Ferne die himmelwärts schräge Fassade des Estrel Convention Center, dem größten Hotel der Republik. Geht doch, ein Hauch von Weltniveau. Im Herbst soll dann noch mit dem Bau des 175 Meter hohen Estrel Tower begonnen werden, Berlins höchstem Haus.

    Wir hier, die dort. Grenzstraßen markieren seit jeher das Ende der Stadt, des Dorfs, der Region. Weil Berlin sich bekanntlich aus einem Konglomerat aus Groß- und Kleinstädten, Gemarkungen und Landgemeinden zusammensetzt, hat die franselige Metropole im märkischen Sand reichlich davon zu bieten. Mein alter Falkplan verzeichnet alleine drei Grenzalleen, drei Grenzstraßen und sechs Grenzwege, von Grenzpfaden, Grenzbergeweg und Grenzgrabenstraße zu schweigen. Ein Hauptschauplatz: die Kleingartenanlagen.

    Hunde sind an der kurzen Leine zu führen

    Also auf nach Treptow, zur KGA neben dem Wasserwerk Johannisthal. Die Verlängerung des Hasenstegs entpuppt sich jedoch nicht als Grenzallee, sondern als Grenzweg. Zwischen den Kolonien „Gemütliches Heim“ und „Neu-Seeland“ plätschern Aufstellpools, hinter Thujahecken gedeihen Johannisbeeren und Tomaten. Die Sackgasse endet an einem Zaun. Alles sehr gepflegt, sehr verschlossen.

    Grenzallee Nummer 3 liegt in den Gartenanlagen von Mariendorf; südlich der Gradestraße zweigt sie von der Rixdorfer Straße ab. Sie gehört zum Britz-Buckower-Weg, einem der grünen Korridore der Stadt, der Spaziergängern und Radfahrern die Route vom Tempelhofer Feld über Lichtenrade bis hinaus nach Großziethen weist. Am Kirchhof Mariendorf heißt sie allerdings noch Asternweg. Hundebesitzer werden aufgefordert, ihre Vierbeiner an der Kurzleine zu führen, „Hinterlassenschaften sind zu beseitigen“.

    Dann wird der Weg linkerhand von der Kolonie „Alpental“ gesäumt, rechterhand vom „Marienglück“. Ahornhecken, Jägerzäune, Sauerkirschen, zwei stattliche Nussbäume – wer sich hierher verirrt, wird von den Anwohnern nachbarschaftlich gegrüßt. Aber anders als im Stadtplan findet sich auch hier keine Grenzallee, nur eine als Grenzweg beschilderte Straße.

    Freundliche Laubenpieper

    „Wen suchen Sie, kann ich helfen?“ Der freundliche Besitzer der als „Remer Ranch“ ausgewiesenen Parzelle lehnt sich über das mit bepflanzten Holzschuhen geschmückte Gartentor und gibt bereitwillig Auskunft. Ja, der Weg hier hat viele Namen. Asternweg, Grenzallee, Grenzweg, alles dasselbe. Das „Alpental“ liegt auf Senatsgrund, das „Marienglück“ auf Kirchengrund, daher die Grenz-Bezeichnung.

    Ein kleiner, feiner Unterschied: Die Marienglück-Kolonialisten, zu denen auch die Remer-Rancher gehören, schlafen etwas ruhiger als die Alpentaler. Denn es heißt ja immer mal wieder, das Land Berlin erwäge zwecks Wohnungsbau den Verkauf der ein oder anderen Laubenkolonie. Die Kirche hat das nicht vor.

    Gartenkolonien haben Tradition in Berlin. Als die Remers ihr Häuschen renovierten, kamen unter der Tapete Zeitungen aus der Nazi-Zeit zum Vorschein; sie haben sie aufgehoben. Und Richtung Kirchhof, dort, wo heute das Fortbildungswerk für Garten- und Landschaftsbauer seine Beete unterhält, konnten die Laubenpieper früher kleine Felder und Äcker bestellen. Auf der Parzelle zog man kein Gemüse, sondern ließ Blumen sprießen.

    Hier erholsam, dort unwirtlich, hier die Oase, dort die Abstellkammer der Stadt. Mitunter hat man ohnehin den Eindruck, dass es sich bei Berlin abseits der City mit ihren diversen Zentren um eine einzige, 900 Quadratkilometer große Fusion von Datschenkolonien und Industriebrachen handelt.

    Das Gesumm der Bienen mischt sich einträchtig mit dem Rauschen der Autobahn. Gegensätze verbinden: Nördlich der Kolonie „Alpental“ führt ein Zubringer auf die A 100. Zur Grenzallee nach Neukölln sind es nur wenige Minuten.

    Weitere (u.a.) Artikel der Reihe

    Frühstück bis nachmittags um vier (Kastanienallee, 7 Exemplare)
    https://www.tagesspiegel.de/kultur/serie-berliner-doppelstrassen-5-fruehstueck-bis-nachmittags-um-vier/26037380.html

    Vom Waterlooufer zur Wuhle ( Zossener Straße, gibt es echt nur zweimal)
    https://www.tagesspiegel.de/kultur/serie-berliner-doppelstrassen-6-vom-waterlooufer-zur-wuhle/26057690.html

    #Berlin #Grenzallee #Neukölln #Grenzweg #Treptow-Köpenick

  • Bloggende Hochstaplerin Hingst : In der Fantasie eine Nachfahrin von Holocaust-Opfern - Kultur - Tagesspiegel
    https://www.tagesspiegel.de/kultur/bloggende-hochstaplerin-hingst-in-der-fantasie-eine-nachfahrin-von-holocaust-opfern/24411300.html


    Marie Sophie Hingst lors de la remise du prix "Goldener Blogger 2017"

    Cette jeune historienne s’est inventée un passé judéo-allemand et a élaboré de longs textes sur ses ancêtres persécutés. Aujourd’hui les journalistes des grands journaux sont indignés parce qu’elle a réussi à tous les duper. Ses histoires étaient de pures créations littéraires.

    01.06.2019 Caroline Fetscher - Die Bloggerin Hingst hat eine dramatische jüdische Familiengeschichte erfunden. Eine abgründige Geschmacklosigkeit – gegenüber den wahren Holocaust-Opfern.

    Marie Sophie Hingst, 31 Jahre alt, geboren in Wittenberg in Sachsen-Anhalt, studierte Geschichte, promovierte – und verdrehte in einem Nebenleben als Bloggerin den Auftrag ihres Fachs. Die junge Frau erdichtete Geschichten, die sie, wie „Der Spiegel“ jetzt darlegt, als historische Fakten der Öffentlichkeit anbot.

    Aus ihrer offenbar evangelischen Familie formte Hingst in der Fantasie eine Familie jüdischer Holocaust-Opfer. Hingst selbst war in ihren Erzählungen, die sie elegisch verkitscht „Read on, my dear, read on“ taufte, die Urenkelin der alleinigen Überlebenden auf der Vaterseite wie der Mutterseite.

    Aus einem Urgroßvater Hermann Hingst und dessen Frau Marie machte sie zwei NS-Verfolgte und Ermordete. Hermann Hingst war jedoch noch 1947 am Leben, als er in der sowjetisch besetzten Zone einen Antrag auf Wiedereinstellung als Lehrer stellte. Den anderen Urgroßvater, Josef Karl Brandl, verwandelte Hingst in einen jüdischen „Jakob Brandel“, der mit Frau und Kindern in Auschwitz verendet sein soll.
    20 Fantasiebiografien

    Diese und 20 andere Fantasiebiografien soll Hingst auf sorgfältig ausgefüllten Formularen der israelischen Gedenkstätte Yad Vashem übersandt haben. Nur drei der Personen, stellt sich jetzt heraus, sollen überhaupt real existiert haben. 19 zu drei, das dürfte hier in etwa dem Verhältnis von Fiktion zu Fakten entsprechen.

    Recherchiert hatte laut „Spiegel“ schon seit Monaten eine wachsende Gruppe von Archivaren und Genealogen, der auch eine Juristin beisprang. Sie werden ähnlich vorgegangen sein wie die Kollektive der Internet-Plattform „Wikiplag“ bei Plagiatsaffären mit Instant-Promotionen à la Karl-Theodor zu Guttenberg. Das Internet machte die Pseudo-Biografie von Hingst erst möglich, das weltweite Netz trug allerdings auch dazu bei, dass sie schnell aufflog.

    Doch Hingst, die auf Podien und Tagungen in der Doppelrolle als Historikerin und Nachkommin verfolgter Juden auftrat, ging es offenbar um mehr als Karrieresprünge und Ruhm. Sie scheint den Nimbus der Opferrolle gesucht zu haben, das selbsterhöhende Pathos leidgetränkter Schicksale, eine erlogene Dornenkrone, ein Narrativ ohne jedwede reale Substanz.
    Eine abgründige Geschmacklosigkeit

    Dass ihre historische Kopierwerkstatt eine abgründige Geschmacklosigkeit und Taktlosigkeit darstellt, muss sie ausgeblendet haben, um ihre Rolle vor sich und anderen spielen zu können. Seit ein „Spiegel“-Redakteur die junge Frau, die jedem Claas Relotius das Wasser reichen kann, vor einigen Tagen in Dublin stellte, hat sie nach anfänglichem Weiterleugnen einen Anwalt eingeschaltet. Der räumte dem Magazin gegenüber ein, sie nehme „ein erhebliches Maß an künstlerischer Freiheit für sich in Anspruch“.

    Ihr Casus erinnert stark an den von Binjamin Wilkomirski, der 1995 im Jüdischen Verlag Suhrkamp sein Buch „Bruchstücke. Aus einer Kindheit 1939-1948“ veröffentlichte, und der sich wie ein waschechter Borderliner in eine unechte Geschichte als verfolgtes jüdisches Kind hineingelebt hatte.

    Selbst erfahrene Lektoren und Experten saßen der suggestiven Fiktion auf. Mit Primo Levi verglichen und in zwölf Sprachen übersetzt, wurde die Geschichte, deren Ich-Erzähler schildert, wie er als Kind in Osteuropa Konzentrationslager überlebte, und Morde an Verwandten miterleben musste. Auf dem Weg über ein polnisches Waisenhaus sei er in die Schweiz gelangt und adoptiert worden.
    Auch ihre Gastbeiträge waren erfunden

    In Wahrheit hieß der 1941 geborene Autor Bruno Dössekker, geboren war er als uneheliches Kind unter dem Namen Bruno Grosjean, adoptiert worden war er tatsächlich von der Familie Dössekker in Zürich. Seine jüdische Biografie war, wie 1998 ans Licht kam, und 1999 von einem Historiker bestätigt wurde, komplett erdichtet.

    Ihre anderen Online-Märchen zerstieben jetzt ebenfalls zu nichts, etwa ihr angebliches Engagement für Flüchtlinge, worüber sie für „Zeit Online“ unter dem Pseudonym „Sophie Roznblatt“ einen Gastbeitrag verfasst hatte und wovon sie bei Deutschlandfunk Nova berichtete. Jungen Männern will sie sexuellen Aufklärungsunterricht gegeben haben, in Deutschland und zuvor, schon als 19-Jährige, auch in Indien, wo sie eine Slumklinik gegründet haben wollte.
    Engagement für Deniz Yücel

    Wahr scheint, dass sie dem inhaftierten Journalisten Deniz Yücel Postkarten ins türkische Gefängnis schickte, wahr ist, bedauerlicherweise, dass Hingst 2018 für einen Essay den „Future of Europe“-Preis der „Financial Times“ einheimste, dass sie Redaktionen, eine Blog-Anhängerschaft von mehr als 240.000 Followern, jüdische Gemeinden und einen Radiosender täuschen konnte. Wie im Fall der New Yorker Hochstaplerin Anna Sorokin – sie gab sich eine Zeitlang mit Erfolg als reiche Oligarchentochter aus – will die Familie der Betrügerin, jedenfalls laut dem „Spiegel“, nichts von ihren Lügengespinsten mitbekommen haben.

    Eine bizarre Note hat auch die Veröffentlichung, die Hingst im März 2019 beim Dumont-Verlag als Bildband herausgab. Auch der Tagesspiegel berichtete über das Buch. Unter dem Titel „Kunstgeschichte als Brotbelag“ publizierte sie im grob vereinfachten Stil Giuseppe Arcimboldos Nachbildungen berühmter Bilder, die mit Hilfe von Obstschalen, Gemüseschnitzen und anderen Partikeln von Lebensmitteln hergestellt wurden.

    Zu diesem Spiel hatte sie ihre Fangemeinde im Netz aufgerufen. „Brot und die Deutschen, das ist die Geschichte einer ganz besonderen Beziehung“ heißt es im Vorwort. Juden und Deutschland, das wird oft als die Geschichte einer ganz besonderen Beziehung bezeichnet, und ohne dass der Vergleich hier gezogen wird, kann er sich aufdrängen.

    Auf alle Fälle lässt das groteske Spiel der Verzerrung und Vergröberung der sich plump und absichtlich als Fälschung zeigenden Brotbilder Rückschlüsse auf den Spieltrieb zu, mit dem Hingst ihrer Groteske konstruierte, indem sie künstliche Geschichten als Broterwerb betrieb. Dieser Aspekt ihres Handelns weist implizit auf eine Lust am Betrügen hin, die mit dem offenbar zwanghaften Lügen einherging.
    Besonderer Effekt jüdischen Leidens

    Gezielt arbeitet Hingst mit Themen, die von Tabus, Schuldgefühlen und Ängsten behaftet sind, und weitete den Radius klassischer Techniken etwa betrügerischen Spendensammelns ins Literarische aus, indem sie auf den besonderen Effekt jüdischer Leidensgeschichte setzte. Sie schien gewandt wie jene Bettler mit schmerzverzerrtem Gesicht, die humpelnd gehen, während sie den Hut für Münzen in der Hand halten, aber behände davoneilen, wenn das Ordnungsamt auftaucht.

    Wer wird schon skeptisch, kritisch nachfragen, wenn es um jüdische Leidenserfahrung geht? Auf das Tabu vertraute die CDU in Hessen bei ihrer Spendenaffäre von 1999, als illegale Zahlungen an die Partei fälschlich zu „jüdischen Vermächtnissen“ deklariert wurden.
    Ihr Verhalten bedient Antisemiten

    An diesem Wochenende kam es in Berlin wieder zum jährlichen Al-Quds-Marsch, einer Demonstration israelfeindlicher und antisemitischer Gruppen und Individuen, deren Zahl derzeit zunimmt. Fälle wie die der fälschenden Historikerin beliefern immer auch antisemitische Phantasmen.

    Der Erfinderin muss zumindest als Furchtdämmerung am Horizont vor Augen gewesen sein, dass ihre Fabrikationen ans Licht kommen könnten. Daran, dass ihr Verhalten dann auch Antisemiten bedienen würde, hatte Hingst in ihrer selbstverfassten Rolle als Tochter aus einer Familie Shoah-Überlebender nicht gedacht – oder es war ihr egal.

    Marie Sophie Hingst ging es vermutlich nicht um Menschlichkeit, sondern nur um einen einzigen Menschen: um sich selbst. Und dieses Menschenkind hat ein großes Problem.

    Kontakt - Die Goldenen Blogger
    https://die-goldenen-blogger.de/?page_id=55571

    Die Goldenen Blogger ist eine Veranstlatung von Thomas Knüwer, Franziska Bluhm, Christiane Link und Daniel Fiene.

    #médias #shoa #Allemagne #histoire

  • « Die Partei » bei der Europawahl : Protest der Privilegierten - Kultur - Tagesspiegel
    https://www.tagesspiegel.de/kultur/die-partei-bei-der-europawahl-protest-der-privilegierten/24387890.html

    Mais non, l’Allemagne n’a pas encore de mouvement cinq étoiles, pourtant la situation est assez grave pour occasionner des vannes graveleuses.
    http://www.klaus-meier.de/IMG/png/eu-wahl_2019_staerkste_parteien_deutschland.png?132/b285e40b27ada7f1fd28c9213f835c0fdfcc4c26

    Voici une image qui colorise l’Allemagne en fonction du parti le plus fort dans chaque circonscription électorale. La quasi totalité du pays est marquée par une forte droite. En Saxe et Brandebourg les crypto-fascistes AfD constituent la tendance politique la plus forte. Le graphique affiche en vert les villes de Berlin, de Hambourg et le Schleswig-Holstein au nord. Le parti social-démocrate conserve le statut de parti le plus fort dans la petite ville d’Aurich peuplée de frisons du nord , ces victimes notoires des moqueries du reste du pays. Les blagues Ostfriesenwitz sont les histoires belges d’Allemagne.

    Le trés conservateur Tagesspiegel n’a de solution pour resoudre l’énigme politique que d’assener des coups lettrés au parti qui n’est aucunement responsable pour les développements politiques. Il essaye de rappeller à l’ordre l’élu satirique Sonneborn qui vote systématiquement pour la moitié des propositions soumises au parlement européens et tout aussi systématiquement contre l’autre moitié.

    „Die Partei“ ist die Protestpartei der Privilegierten.

    Das zeigt auch das Wahlverhalten von Martin Sonneborn, der seit 2014 im Europaparlament sitzt und dort abwechselnd mit „Ja“ und „Nein“ stimmt. So geschehen am 1. März dieses Jahres, als es um ein Verbot der sogenannten Konversionstherapie ging. Sonneborn stimmte gegen das Verbot – weil es sein persönlicher Rhythmus gerade so vorsah. Dabei ist Konversionstherapie eine ziemlich ernste Sache. Zu den Methoden dieser Pseudo-Therapie, die Schwule und Lesben „umpolen“ soll, gehören neben Gesprächen und Beten auch Dämonenaustreibungen und Behandlungen mit Elektroschocks. Sie hinterlassen oft bleibende psychische Schäden, bis hin zum Suizid.

    In mehreren europäischen Ländern sind jetzt rechtsnationalistische Parteien stärkste Kraft geworden, die ebensolche Therapien befürworten. Die Lage ist zu ernst, als dass man weiterhin Satire auf dem Rücken von Minderheiten betreiben könnte. Sonneborn und Co. müssen jetzt Verantwortung übernehmen, wenn es schon ihre Wählerinnen und Wähler nicht tun. Sie sollten mit ihrem Wahlverhalten den rechten Parteien im Europaparlament etwas entgegensetzen und deutlich machen, dass es nicht peinlich ist, politisch für etwas einzustehen, sich gegen Rassismus oder Homofeindlichkeit zu engagieren. Vor den Wahlerfolgen von AfD, Rassemblement National oder Lega mag es einen Platz für eine Satirepartei im Europaparlament gegeben haben. Der Spaß ist vorbei.


    Martin Sonneborn et Nico Semsrott montrent qu’on peut gagner des élections avec seulement 2,4 pour cent des voix d’électeurs.

    P.S. Les autres fiefs social-démocrates sont Duisburg, Bottrop, Oberhausen, Gelsenkirchen, Unna, Schwalm-Eder-Kreis, Hersfeld-Rotenburg, Werra-Meißner-Kreis, Kassel, Salzgitter, Prignitz et Ostprignist-Ruppin . Dommage, ce sont des bleds qui ne pèsent pas lourd dans les processus de décisions politiques.
    cf. https://www.zeit.de/politik/deutschland/2019-05/wahlergebnisse-europawahl-hochburgen-daten

    #Allemagne #politique #droite

  • jungle.world - Zumutbare Erinnerung
    https://jungle.world/artikel/2019/02/zumutbare-erinnerung


    Edgar Hilsenrath est mort le 30 décembre 2018. Avant son déménagement dans une province moins polluée on le rencontrait de temps en temps dans les locaux du parti de gauche de son arrondissement berlinois. Ce survivant des efforts nazis pour exterminer les juifs d’Europe détestait les philosémites parce qu’il considérait leur manière de penser comme structurellement antisémite. Ses romans tragiques et grotesques traitent les génocides juifs et arméniens. Son succès international précédait de vingt ans sa céĺébrité allemande. Pour lui ses contemporains du Gruppe 47 se comportaient comme une mafia culturelle qui n’échappait pas au philosémitisme obligatoire en l’Allemagne de l’Ouest. L’ironie de l’histoire veut que l’organe officiel des philosémites de gauche ( Antideutsche ) lui consacre un nécrologue qui montre encore que son auteur n’a rien compris.

    Edgar Hilsenrath, dieser witzigste Autor unter den Überlebenden der Shoah, ist tot. Humor in der Holocaust-Literatur, geht das überhaupt? In seinem Fall, ja. Niemand verblüffte mit solchen alltagssprachlichen Dialogen, kaum jemand konnte solche Grotesken über die Judenvernichtung schreiben und zugleich so einfühlsame, leise Töne der Erinnerung an den größten Massenmord der Geschichte anschlagen wie Hilsenrath.

    Als 1926 in Leipzig geborener, in Halle aufgewachsener und 1938 in das Schtetl Sereth in der rumänischen Bukowina geflohener Jude überlebte Hilsenrath das Ghetto von Mohyliw-Podilskyj, in dem bis zur sowjetischen Befreiung im April 1944 etwa 40 000 Menschen an Kälte, Hunger, Fleckfieber und Cholera starben. Über Palästina und Frankreich emigrierte er schließlich in die USA. Dass er seine schriftstellerische Karriere dort begann, beeinflusste sein Schreiben stark. Zugleich machte Hilsenrath aus seiner Liebe zu seiner Muttersprache keinen Hehl und zog 1975 zurück in die Bundesrepublik.

    Zum Leben und Werk von Edgar Hilsenrath. Nachruf anlässlich seines Todes am 30. Dezember 2018 – Edgar Hilsenrath
    http://hilsenrath.de/nachruf
    Son ami et éditeur Ken Kubota publie un long nécrologue sur le site officiel de l’auteur.

    Edgar war Zionist, aber kein Dogmatiker. Als ich ihn wegen der Diskriminierung der Palästinenser einmal zur Rede stellte, so räumte er ein, auch er wisse, dass die Araber unfair behandelt würden. Er sehe aber keine wirkliche Lösung des Problems, und so sehe er auch keinen anderen Weg. Zugleich war mir bewusst, dass er als jüdischer Holocaust-Überlebender einen instinktiven Überlebensreflex hatte, der auch in seiner Argumentation zugunsten des jüdischen Staates zum Ausdruck kam.

    Edgar Hilsenrath war ein großer Verehrer der Politikerin Sahra Wagenknecht, die er auch im Wahlkampf unterstützte.
    ...
    Schon als Studentin übertraf Sahra Wagenknecht mühelos die allermeisten Philosophieprofessoren einschließlich derer, die offiziell für Hegel zuständig sind.

    Œuvre
    https://fr.wikipedia.org/wiki/Edgar_Hilsenrath#%C5%92uvre

    Voici une liste de nécrologues des médias philosémites notoires.

    https://www.tagesspiegel.de/kultur/nachruf-auf-edgar-hilsenrath-so-reden-die-menschen-halt/23817440.html
    https://www.sueddeutsche.de/kultur/nachruf-edgar-hilsenrath-ist-gestorben-1.4271386
    https://www.berliner-zeitung.de/kultur/literatur/nachruf-auf-schriftsteller-edgar-hilsenrath-der-meister-des-geschwa
    https://www.welt.de/kultur/literarischewelt/article186366878/Edgar-Hilsenrath-ist-tot-Nachruf-auf-einen-Solitaer.html
    https://www.zeit.de/news/2019-01/01/edgar-hilsenrath-mit-92-jahren-gestorben-190101-99-398971
    https://www.swr.de/swr2/literatur/nachruf-edgar-hilsenrath/-/id=6891032/did=23130850/nid=6891032/2dbvis
    http://www.taz.de/!5562395

    #Allemagne #histoire #gauche #holocaust #littérature #nécrologie

  • Als wir mal Theater spielen wollten
    https://de.wikipedia.org/wiki/Chris_Dercon

    Berliner Politik ist wie Theater, oft das grauame von Artaud und manchmal ist sie komisch wie eine Komödie von Meister Marivaux . Es geht um Theater in Berlin, Stoff für Verwechslung und Intrigen, aktuelles Politikum der Stadtgesellschaft.

    Chris Dercon ist oder besser war ein belgische Kunst- und Eventmanager, Liebling vom Regierenden Klaus und seinem dynamischen Tim , als Ersatz für Volksbühnenintendant Frank Castorf und sein Ensemble angetreten. Das Theater war bestimmt, zur berlinweiten Sensations-Maschine mit Massenevents überall bis zum Tempelhofer Flugfeld und noch viel weiter zu wachsen. Citius, altius, fortius, wenn von Berliner Olympiaplänen nur die BND-Festung geblieben ist, dann machen wir die Metropole im Einundzwangszigsten wenigstens zur fettesten Theaterstadt. Von heute aus gesehen scheint es, dass die politischen Spießgesellen und ihr hochbezahlter Belgier noch weniger vom deutschen Stadt- und Ensembletheater verstehen als ich armer Taxifahrer.

    Was ist passiert? Fangen wir mit dem Anfang an, mit einer Binsenweisheit. Ein Theater muss in der Gesellschaft verwurzelt sein, sonst bleibt es leer. Es funktioniert nicht wie die Stage Entertainment live entertainment company aus Holland, die über Reiseveranstalter weltweit Konsumenten busladungsweise zu den Locations karrt. Die richten sich an Leute, die Busreisen zu Shopping-Malls buchen. Man glaubt es kaum, das findet jede Woche erfolgreich statt. Für Dercon war Berlin nur Easyjetset-Stadt , die sich an jedem weekend mit Barcelona, London und Paris ums Touristenströme balgt. Dercons Konzept für seine Schickimicki-Freunde im Senat war Wirtschaft pur, Kultur als Charaktermaske. Das gefiel, der olle Castorf musste weg.

    Ergebnis waren wochenlange Proteste, Besetzung der Volksbühne durch freie Künstler, viel heiße Marketing-Luft und leere Vorstellungen ab Saisonbeginn. Im April ging der Mann nach nicht acht Monaten. Es bleibt ein Volksbühnen-Scherbenhaufen. Fettes Defizit, entkerntes Theater ohne Ensemble oder Inhalt, Chaos, das Nichts vor Anbeginn der Welt. Der Schöne Klaus hat Dercon kalt lächelnd ausgesessen und muss jetzt zeigen, ob er ein Kultursenator ist. Es gilt ein Vakuum zu füllen.

    Ist Kläuschen schlau, folgt er dem Beispiel von Kunstsenator Stein im Jahre ’70.
    Senator für Wissenschaft und Kunst Prof. Dr. Werner Stein, SPD
    http://www.berlin.de/rbmskzl/regierender-buergermeister/senat/senatsgalerie/artikel.18479.php

    Dann bekommen wir eine „linksradikale“ Volksbühne, Kristallisationskeim einer Bewegung gegen Gegenwart, gegen die neoliberale Umgestaltung der Stadt. Als Senator Stein Regisseur Stein und mit Ensemble nach Berlin holt, im Jahre 1970, liest sich das im Spiegel so:

    DER SPIEGEL 52/1970: THEATER / BERLINER „SCHAUBÜHNE“ - Revolver entsichert
    http://www.spiegel.de/spiegel/print/d-43801060.html

    Denn die (CDU) Anthologie vermittelt offenen Einblick in Theorie, Praxis und Problematik eines Links-Kollektivs, stellt intelligente Menschen vor und erläutert die „Schaubühne“ als ein ernsthaftes Theater des wissenschaftlichen Zeitalters. Mit dieser Publikation hat sich die CDU bleibende Verdienste erworben.

    „Wir betrachten Theater als ein Mittel zu unserer Emanzipation“, vermerkt eines der ersten Protokolle; es gelte, den „bürgerlichen Individualismus durch kollektive Arbeit zu überwinden, um sozial wirksam zu werden“. Dem Berliner Senat jedoch diene die Links-Bühne nur „zur ornamentalen Ausschmückung seiner Politik“.

    Denn klar sei, daß die Leute, „die uns zuklatschten und uns Geld auf die Bühne schmissen, wenn wir dort geschminkt aufträten, die Revolver entsicherten, wenn wir ihnen als Manifestanten auf der Straße begegneten“. Man müsse „eine politische Praxis entwickeln, ohne das Unternehmen von vornherein zu gefährden“.

    Da Klaus Lederer kein Westberliner und auch zu jung ist, um die Schaubühnen-Revolution selber miterlebt zu haben, dürfen wir uns keine großen Hoffnungen machen. Vielleicht steckt ihm ein kundiger Genosse, dass Berlin heute noch vom Glanz der Schaubühne profitiert. Die Stein-Truppe wurde nach zehn jahren zu Recht mit einem modernen High-Tech-Theater im Mendelssohn-Bau am Lehniner Platz belohnt. Von den Schaubühnen-Schauspielern kennt heute noch jeder Bruno Ganz , und sei es nur als Hitler-Verarsche in unzähligen Untergang-bad-lip-reading-Videos auf Youtube.

    Dumm ist nur dieses prinzipienloses Nichts mit Namen Politik. Selten und mit viel Glück und gegen zähen Widerstand wird manchmal ein Entscheider auf die linke Spur gesetzt. Dann vielleicht geht die Verwechslungsintrige gut aus wie bei Marivaux.

    Voilà, zum Schluß der Spiegel über eine Schaubühen Inszenierung vom Mai 1985

    Theater: Liebe als Foltermaschine, von Hellmuth Karasek
    http://www.spiegel.de/spiegel/print/d-13514609.html

    Ein Märchen? Ein Stück, eine Komödie von Pierre Carlet de Marivaux, verfaßt um 1736; trotz seiner mit griechischem Kostüm und antikisierten Namen drapierter Märchenhandlung und trotz seines Happy-Ends wird in diesem „Triumph der Liebe“ zwei Menschen so übel und grausam mitgespielt wie selten auf dem Theater. Und es gibt vermutlich nur noch ein Lustspiel, das eine Figur und ihre Gefühle ähnlich grausam zaust und beutelt: Shakespeares „Was ihr wollt“, in dem der Hofmeister Malvolio durch falsche Briefe, falsche Liebeshoffnungen und von ein paar übermütigen Saufköpfen buchstäblich in den Wahnsinn getrieben wird.

    Das passt zur Berliner Politik, finde ich.

    –---
    Peter Stein
    https://de.wikipedia.org/wiki/Peter_Stein#Schaub%C3%BChne

    Bruno Ganz
    https://de.wikipedia.org/wiki/Bruno_Ganz

    Schaubühne – Geschichte
    https://www.schaubuehne.de/de/seiten/geschichte.html

    Wie es euch gefiel - Zeitenreise: Andreas Lewins Dokumentarfilm über die Schaubühne von Peter Stein
    https://www.tagesspiegel.de/kultur/wie-es-euch-gefiel/8748320.html

    31.08.1981 Für das Theater ein Hallesches Ufer
    http://www.spiegel.de/spiegel/print/d-14341607.html

    Schaubühne am Halleschen Ufer
    https://de.wikipedia.org/wiki/Schaub%C3%BChne_am_Halleschen_Ufer

    Schaubühne am Lehniner Platz
    https://de.wikipedia.org/wiki/Schaub%C3%BChne_am_Lehniner_Platz

    Stage Entertainment
    https://en.wikipedia.org/wiki/Stage_Entertainment

    Volksbühne Berlin
    https://de.wikipedia.org/wiki/Volksb%C3%BChne_Berlin

    Der ursprüngliche Zuschauerraum hatte drei Ränge mit 1968 Plätzen. In den 1960er Jahren wurde ihre Zahl auf die heutigen 800 verringert.

    Frank Castorf
    https://de.wikipedia.org/wiki/Frank_Castorf

    Klaus Wowereit
    https://de.wikipedia.org/wiki/Klaus_Wowereit

    Tim Renner
    https://de.wikipedia.org/wiki/Tim_Renner#Berliner_Staatssekret%C3%A4r_f%C3%BCr_Kultur_(2014%E2%80%93

    Chris Dercon
    https://de.wikipedia.org/wiki/Chris_Dercon#Intendant_der_Volksb%C3%BChne_Berlin

    Intendant der Volksbühne Berlin
    Berlins Regierender Bürgermeister und Kultursenator Michael Müller teilte Ende April 2015 mit, dass Chris Dercon ab 2017 die Nachfolge von Frank Castorf als Intendant der Volksbühne Berlin antreten werde. Die Entscheidung war von Kulturstaatssekretär Tim Renner vorbereitet worden.

    Viele Mitarbeiter der Volksbühne und der Intendant des Berliner Ensembles, Claus Peymann, lehnten Dercon und seine Pläne für die Entwicklung des Hauses ab. Die Kritik lautete: Mit Dercon vollziehe sich eine Entwurzelung der Berliner Volksbühne und deren Internationalisierung. Dercon stehe für ein „austauschbares, für den globalen Festivalbetrieb produziertes Durchreisetheater“. Der globalisierte Kunstmarkt übernehme ein Stadttheater, das in der Welt ein starkes Profil besaß. Quasi alle namhaften Intendanten Berlins äußerten sich kritisch über den Wechsel.

    Mit Dercon zeichne sich nicht nur ein Intendanten-, sondern ein Systemwechsel ab. Die Volksbühne solle als Repertoire- und Ensembletheater aufgelöst werden, das Sprechtheater solle durch Performance und Tanz abgelöst werden. Stattdessen sollten ein Kuratorenmodell, eine Eventmarke, ein internationales Label installiert werden.

    Am 13. April 2018 wurde bekannt, dass Dercon und der Berliner Kultursenator Klaus Lederer sich auf eine sofortige Beendigung von Dercons Engagement an der Volksbühne verständigt haben. Die Entscheidung sei im gegenseitigen Einvernehmen getroffen worden, hieß es in einer Erklärung der Kulturverwaltung.

    Claus Peymann
    https://de.wikipedia.org/wiki/Claus_Peymann

    Antonin Artaud
    https://de.wikipedia.org/wiki/Antonin_Artaud

    * 4. September 1896 in Marseille; † 4. März 1948 in Ivry-sur-Seine

    Pierre Carlet de Marivaux
    https://de.wikipedia.org/wiki/Pierre_Carlet_de_Marivaux

    * 4. Februar 1688 in Paris; † 12. Februar 1763 ebenda

    Chaos
    https://en.wikipedia.org/wiki/Chaos_(cosmogony)

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