https://www.freitag.de

  • Das weiße Gold der Verkehrswende - Elektromobilität Wie Konzerne weltweit um Lithium konkurrieren und welche Rolle Tesla dabei spielt
    https://www.freitag.de/autoren/der-freitag/fracking-for-future

    Der Argentinier Clemente Flores hat nichts persönlich gegen Elon Musk. Aber er hält ihn für einen weißen Geschäftemacher, der keine Lösung, sondern ein Problem für die Menschheit darstellt. Auch mit der Energiewende kann Flores nicht viel anfangen. Er hat noch nie ein Elektroauto gesehen, fährt auch keinen Diesel oder Benziner, sondern lässt sich von seinen Besuchern in der andischen Hochwüste Puna am Wegesrand einsammeln. Der kleine grauhaarige Mann trägt eine rote Outdoorjacke und Turnschuhe. Wie ein Lokalpolitiker von über 30 Gemeinden sieht er nicht aus.

    Die argentinische Regierung hat, ebenso wie die chilenische, die Lithiumvorkommen in der Salzwüste des Dreiländerecks in Südamerika für Bergbauunternehmen geöffnet, die es ihrerseits etwa an Tesla, BMW oder Toyota verkaufen. Die Autokonzerne bauen daraus Lithium-Ionen-Batterien für Elektroautos. Bolivien war bis 2019 das einzige Land in der Region, das US-Unternehmen den Zugang zu Lithium verwehrte. Bis zum Sturz von Evo Morales im November 2019. Wenige Monate zuvor hatte ein Tesla-Sprecher moniert, die Rohstoffe für den Bau der Batterien würden langsam knapp.

    Die Gerüchteküche rund um den Putsch brodelte, angeheizt nicht zuletzt von Elon Musk selbst, der in einer Twitterdebatte zu Evo Morales erklärte: „We will coup whoever we want! Deal with it.“ („Wir putschen, wen wir wollen, find dich damit ab“).
    Clemente Flores ist misstrauisch geworden. Gegen Fremde, die Presse und schlipstragende Männer: „Ihr glaubt, damit könnt ihr die Menschheit retten, aber ihr werdet uns alle umbringen.“ Flores vertritt die Dörfer am 200 Quadratkilometer großen Salzsee „Salinas Grandes del Noroeste“, auf knapp 4.000 Metern in den Anden: Nackte Gebirgshänge, aus denen meterhohe Kakteen wachsen, farbig schimmernde Felsenformationen. Es ist die Heimat der Kolla, eines der wenigen indigenen Völker, die es in Südamerika noch gibt.
    Kontaminiertes Grundwasser

    Seit Jahrhunderten wird hier Salz abgebaut. Aber das Millionengeschäft liegt nicht auf, sondern unter der Salzwüste. Hier lagern hunderttausende Tonnen Lithium im Untergrund – gelöst in Salzschlacke. Laut Bundesanstalt für Geowissenschaften und Rohstoffe liegen dort bis zu 70 Prozent der weltweiten Lithiumvorkommen.

    Das Geschäft lohnt sich. Seit dem Jahr 2000 ist der Lithiumpreis um 350 Prozent gestiegen. Die heute in Südamerika, China und Australien rund 70.000 geförderten Tonnen Lithium sollen bis 2030 auf jährlich 240.000 Tonnen ansteigen – bis zur Mitte des Jahrhunderts sogar auf über eine Million. Der Rohstoff hat wichtige Eigenschaften: Er besitzt eine hohe Wärmekapazität, geringe Dichte und eignet sich ausgezeichnet, um Energie zu speichern. Für Batterien eines Elektroautos müssen bis zu zehn Kilogramm verbaut werden.

    In Südamerika hat die Lithiumförderung dramatische Folgen. Salinas Grandes ist eine aride Region, Tiere und Pflanzen überleben allein dank unterirdischer Wasserreserven, die sich über Jahrtausende hinweg gebildet haben. Die Lithiumproduktion bringt das natürliche Gleichgewicht durcheinander: Das lithiumhaltige Wasser wird aus dem Boden gepumpt. Der argentinische Produzent Sales Jujuy gibt an, dass er 80.000 Liter pro Stunde an Frischwasser verbraucht. Insgesamt rechnen Experten mit einem Wasserverbrauch von zwei Millionen Liter pro Tonne Lithium.

    Anschließend wird die Salzlake in Fußballfelder-große Becken gepumpt, wo sie verdunstet. Dadurch sinkt der natürliche Wasserspiegel ab, es mischen sich Salzwasser- mit Süßwasseradern. Hydrologen sprechen von irreversibler Kontamination des Grundwassers. Anwohner wie Clemente Flores befürchten, dass das Leben in der Region bald unmöglich wird. Ohne Wasser können sie nichts anbauen, ihre Lamas haben kein Gras. Es droht der Exodus.

    In Chile sind bereits ganze Regionen verwüstet. Bergbauunternehmen haben dort seit Jahrzehnten einen zweifelhaften Ruf: Nicht nur im Lithium-, sondern auch im Kupferabbau hätten sie durch lasche Umweltauflagen enorme Profite eingefahren, so der Vorwurf. Seit der damalige Präsident Mauricio Macri 2015 die Pforten Argentiniens für ausländische Lithiumförderer öffnete, geht ein großer Teil des Rohstoffs ins Ausland. Die Puna-Region erlangte durch einen Besuch Ivanka Trumps 2019 besondere Aufmerksamkeit. Zwar ging es offiziell um Frauenrechte und Straßenbau, aber kritische Journalisten vermuten, dass sich Donald Trumps Tochter aus anderen Gründen für eine Visite gerade in dieser abgelegenen Gegend entschieden hatte. Die neuen Straßen sollen angeblich für eine „Lithiumroute“ zwischen Chile, Bolivien und Argentinien gebaut werden.

    Auch in Bolivien sind die geostrategischen Interessen am Lithiumdreieck zu spüren. Nach dem Militärputsch sprach der abgesetzte bolivianische Präsident Morales gegenüber dem Journalisten Glenn Greenwald – bekannt durch die Veröffentlichungen der Dokumente von Edward Snowden – darüber, dass er sich beim Verkauf des Lithiums für strategische Allianzen mit China und Russland und gegen die USA entschieden habe: „Im Gegensatz zu den US-Amerikanern wollten wir die Lithiumproduktion in öffentlicher Hand behalten, damit auch das Volk etwas von den Gewinnen hat. Wir haben nichts gegen private Partner – aber die Herstellung muss unter staatlicher Kontrolle stehen.“
    Boliviens Reichtum

    Elon Musk seinerseits wird nicht müde zu betonen, dass Tesla sein Lithium aus Australien beziehe und kein Interesse an Südamerika habe. Tesla hat tatsächlich mehrere australische Lieferanten, darunter auch den australischen Bergbaukonzern Orocobre. Doch fördert Orocobre auch im Norden von Argentinien – eben in jener Hochwüste, wo die indigenen Kolla leben. Zudem ist der chinesische Lithiumkonzern Ganfeng in Nordargentinien als Lithiumförderer aktiv und investierte schon 2018 fast 700 Millionen Euro in die Region. Ganfeng ist als einer der Hauptlieferanten von Tesla gelistet. 2018 schlossen beide Unternehmen einen Vertrag über drei Jahre.

    Die Aussagen von Musk sind deshalb zumindest irreführend. Zwar versucht Tesla, Lithium nahe seiner Fabrik in Nevada auch selbst zu fördern. Die Mengen reichen aber längst nicht aus. Der Konzern braucht je nach Schätzung bis zu 28.000 Tonnen pro Jahr. Das sind rund 40 Prozent der Weltproduktion.

    Ob die US-Regierung oder gar Elon Musk daran beteiligt waren, den bolivianischen Präsidenten aus dem Land zu jagen, um sich die Lithiumvorkommen zu sichern, ist reine Spekulation. Aber dass US-Thinktanks oder die CIA seit den 1970er-Jahren in Lateinamerika mitmischen, ist belegt, man denke an den Sturz von Salvador Allende im Jahr 1973 und die von den USA unterstützte Diktatur Pinochets. Dabei ging es auch immer um Ressourcen. In der Vergangenheit waren das Öl, Gas oder Metalle wie Kupfer oder Erze – nun ist es auch Lithium.

    Die Energiewende tickt im globalen Kapitalismus nicht anders als das Geschäft mit fossilen Rohstoffen. Zugleich sind Lithium-Ionen-Batterien für eine Fortbewegung ohne Öl und Gas notwendig. Die Frage ist deshalb nicht, ob der Wandel passiert, sondern wie.

    Von Susanne Götze und Annika Joeres ist im April das Buch Die Klimaschmutzlobby: Wie Politiker und Wirtschaftslenker die Zukunft unseres Planeten verkaufen erschienen

  • Ausbeutung auf Autopilot
    https://www.freitag.de/autoren/the-guardian/ausbeutung-auf-autopilot

    Von Aaron Benanav - #Uber Das Unternehmen hat viel Geld auf eine fahrerlose Zukunft gewettet – die bis dato nicht Wirklichkeit wurde. Die Zeche zahlen: die FahrerInnen .

    Nach ihrer Drohung, sich komplett aus Kalifornien zurückzuziehen, haben die Fahrten-Vermittlerfirmen Uber und Lyft kürzlich Aufschub erhalten: Sie müssen ihre Fahrer*innen vorerst nicht anstellen, sondern können sie weiter als selbstständige Unternehmer*innen behandeln. Uber und Lyft hatten argumentiert, dass sie nicht in der Lage seien, über Nacht ein entsprechendes Konzept aus der Schublade zu ziehen. Dabei sind mehr als zwei Jahre vergangen, seit Kaliforniens Oberstes Gericht angeordnet hat, dass sie ihr Geschäftsmodell ändern müssen. Das Gericht berief sich auf die kalifornische Arbeitsgesetzgebung.

    Man könnte annehmen, dass die falsche Klassifizierung der Fahrer*innen als selbständige Unternehmer Uber und ähnlichen Unternehmen extrem hohe Profite einbringt. Die Realität ist viel merkwürdiger. Tatsächlich machen Uber und Lyft überhaupt keinen Gewinn. Im Gegenteil verlieren die Unternehmen seit Jahren in großem Stil Geld, weil sie den Kunden zu wenig Geld berechnen, um ihre Marktanteile auf der ganzen Welt aggressiv auszuweiten. Das Einkommen der Fahrer*innen zu kürzen ist nicht ihre Hauptstrategie, um profitabel zu werden. Es verlangsamt nur das Tempo, mit dem sie Geld verheizen.

    In Wahrheit existieren Uber und Lyft vor allem als Verkörperung von über die Wall-Street finanzierten Wetten auf eine #Automatisierung, die nicht verwirklicht worden ist. Eigentlich versuchen die Unternehmen, rechtliche Schritte gegen die illegale Beschäftigungsweise ihrer Mitarbeiter zu überleben, während sie darauf warten, dass sich die Technologie fahrerloser Autos verbessert. Das selbstfahrende Auto würde es Uber und Lyft ermöglichen, ihre Fahrer*innen zu entlassen. Durch ihre Monopol-ähnliche Stellung im Mitfahr-Vermittlungsmarkt könnten die Unternehmen große Profite erzielen. Es gibt schlicht keine Welt, in der es Teil von Ubers und Lyfts langfristigem Geschäftsmodell ist, ihren Fahrer*innen ein Gehalt zu zahlen, von dem man leben kann. Nur in einer Welt, in der profitablere Investitionsmöglichkeiten schmerzlich fehlen, können solche wilden Wetten auf weit hergeholte futuristische Technologien zu riesigen multinationalen Unternehmen werden. Unternehmen und reiche Einzelpersonen haben riesige Geldsummen angehäuft und wissen nicht, was sie damit machen sollen, weil die Gewinne aus Investitionen extrem niedrig sind. Die Kehrseite fallender Gewinnsätze auf Businessinvestitionen ist ein erlahmendes Tempo des Wirtschaftswachstums, das Ökonomen als „langanhaltende Stagnation“ bezeichnen. Es ist diese Jahrzehnte lange Abschwächung, die die Arbeitskräfte ohne festen Arbeitsplatz geschaffen haben, auf die Uber und Lyft sich stützen.

    Langsam wachsende Ökonomien bringen einen unsicheren #Arbeitsmarkt hervor. Ältere Mitarbeiter, die ihren Arbeitsplatz verlieren, haben Schwierigkeiten, äquivalente Stellen zu finden. Gleichzeitig verschicken junge Leute, die am Anfang ihres Arbeitslebens stehen, hunderte Bewerbungen, nur um in perspektivlosen #Jobs im Einzelhandel zu landen. Online-Fahrten-Vermittler wie Uber und #Lyft leben von der Unsicherheit, die in der modernen Wirtschaft allgegenwärtig ist. Wenn die Alternative ist, unregelmäßige Schichten in einem Café zu arbeiten, kann das Fahren für einen Fahrten-Vermittler nach einem Zeitplan, den man sich selbst aussuchen kann, wie ein Traum scheinen. Einen Algorithmus als Manager zu haben, erscheint ähnlich utopisch – verglichen mit einem fiesen Boss. In den Anfangsjahren zahlten die Fahrten-Vermittler verglichen mit vorhandenen Alternativen ja sogar relativ gut.

    Uber kassiert und trickst, wo es möglich ist

    Wäre ihr Plan aufgegangen, hätten Uber und Lyft wahrscheinlich ihre Mitarbeiter bereits entlassen und durch Roboter ersetzt. Aber wie viele Versprechen der Automatisierung sind fahrerlose Autos noch ein ganzes Stück davon entfernt, Realität zu werden. Schließlich begannen Uber und Lyft, das Einkommen der Fahrer zu drücken, um das Ausbluten ihrer Geldreserven zu verlangsamen. An diesem Punkt begannen die Fahrer sich zu wehren.

    Der Kampf für mehr #Arbeitnehmerrechte wurzelt in der wachsenden Erkenntnis, dass die Expansion der digitalen Wirtschaft nicht einfach den Triumph eines nicht aufzuhaltenden technologischen Wandels reflektiert. Hinter der Silicon-Valley-Rhetorik versteckt erweisen sich viele scheinbare technologische Innovationen als Mittel zur Umgehung gesetzlicher Vorgaben – unter anderem des Mindestlohns. Indem Uber seine Arbeitnehmer*innen falsch klassifizierte, umging das Unternehmen die Zahlung von hunderten von Millionen US-Dollar in das staatliche Arbeitslosengeld-System der USA. Dennoch gelang es Uber in der Covid-19-Krise, durch Lobbyarbeit die US-Regierung dazu zu bringen, einzuspringen und das Arbeitslosengeld für seine Fahrer trotzdem zu bezahlen.

    Warum sollte Uber von den Vorteilen beider Seiten profitieren dürfen? Es ist eine sinnvolle Forderung, dass Unternehmen Mitarbeiter*innen fest einstellen sollen. Aber angesichts eines schwachen Wirtschaftswachstums wird sie nicht ausreichen, um ökonomische Sicherheit für alle zu gewährleisten. Kapitalistische Gesellschaften waren bisher nur in Zeiten rapiden Wachstums in der Lage, diese Sicherheit auf einen breiten Kreis von Arbeitnehmern auszuweiten. Die Ära des schnellen ökonomischen Wachstums ist aber lange vorbei und kommt auch nicht wieder.

    Referenzpunkt für jede Politik, die das ökonomische #Wachstum in der Gegenwart wiederherzustellen versucht, sind die hohen Wirtschaftswachstumsraten Mitte des 20. Jahrhunderts. Diese basierten aber auf einer historischen Ausnahmesituation. Die Wiederaufnahme eines stabilen internationalen Handels nach zwei Weltkriegen ermöglichte das größte Wachstum ökonomischer Produktivität in der Geschichte der Menschheit, nicht nur in Europa und den USA, sondern weltweit. In den 1970ern dann wurde die schnelle Expansion von einem zunehmenden globalen Kapazitätsüberhang abgelöst. Der Wettbewerb verschärfte sich und die Investitionsraten in international gehandelte Güter sanken. Arbeit musste im wachsenden Dienstleistungssektor gesucht werden, in dem das Potenzial für eine Steigerung der Arbeitsproduktivität und daher auch ökonomisches Wachstum deutlich geringer ist.

    Die Arbeitswelt muss demokratisiert werden

    Dass Arbeitnehmer keine feste Arbeit finden können, ist daher nicht die Folge jüngster Fortschritte der Automatisierungstechnologien, denn – wie die fahrerlosen Autos – erreichten sie häufig ihr Entwicklungsziel nicht. Die Notlage der Arbeitnehmer resultiert aus der alltäglichen Realität niedriger Profitabilität in mit Kapital gesättigten Ökonomien und nicht ausreichenden Möglichkeiten für die Reinvestition des Kapitals. Das führt dazu, dass Dividenden und Aktienrückkäufe bei Liquiditätsüberschuss zunehmend die Norm geworden sind. Angesichts schrumpfender Investitionsmöglichkeiten sind enorme Kapitalpools in hochspekulative Unternehmen wie Uber und Lyft geflossen, die kaum reelle Chancen auf Profitabilität vorweisen können.

    Dass Regierungen angesichts von Ubers und Lyfts gesetzeswidriger Praxis wegschauten, ist nicht überraschend. Regierungen tragen durchaus dazu bei, Arbeiter angreifbarer zu machen. Wegen eines anhaltend langsamen Wirtschaftswachstums und hohen Arbeitslosenzahlen versuchen Regierungen seit Jahren, Unternehmen Investitionsanreize zu bieten, indem sie ihnen erleichtern, Sozialleistungen zu umgehen und Steuern zu vermeiden. Allerdings ist dieser Versuch, die Bedingungen eines schnellen Wachstums wiederherzustellen, ebenso gescheitert wie Lösungen, die auf die Angebotsseite oder den #Trickle-Down-Effekt setzen, um Wohlstand für alle zu schaffen. Die Corona-Krise macht die wirtschaftlichen Aussichten nur noch ungünstiger.

    Menschen brauchen Sicherheit, die nicht allein an ihren Job geknüpft ist. Dieses Gebot hat die Pandemie mehr denn je offenbart. In einer Welt, die so reich ist wie unsere, und angesichts der Technologien, die wir bereits einsetzen – auch wenn die Verwirklichung von Automatisierungsträumen ausgeblieben ist –, in so einer Welt sollte einfach jeder Zugang zu Nahrung, Wohnraum, Strom- und Gesundheitsversorgung haben können. Aber wenn die Menschen diese Sicherheit hätten – warum sollten sie sich dann noch entscheiden, menschenunwürdige, schlecht bezahlte Jobs zu machen? Die Eigentümer von Uber und Lyft wissen, dass ihr Geschäft auf einer Welt basiert, in der sie die Schlüsselentscheidungen über unsere Zukunft treffen können, ohne unseren Beitrag zu berücksichtigen. Die Welt der Arbeit muss demokratisiert werden. Unternehmen wie Uber und Lyft verzögern nur, was unumgänglich ist.

    Der Historiker Aaron Benanav forscht an der Humboldt Universität in Berlin zu globaler Arbeitslosigkeit. Sein erstes Buch – Automation and the Future of Work – erscheint im November beim Verso-Verlag

  • L’homme qui aidait les chômeurs - Le Moment Meurice - YouTube
    https://www.youtube.com/watch?v=7cVtzKd7PtM

    En Allemagne Inge Hannemann a été licencié pour des raisons comparables

    Über mich | inge-hannemann.de
    http://inge-hannemann.de/ueber-mich

    Blog : Jobcenterwillkür ǀ Whistleblowerin Inge Hannemann auf NRW-Tour — der Freitag
    https://www.freitag.de/autoren/asansoerpress35/whistleblowerin-inge-hannemann-auf-nrw-tour

    Aujourd’hui, Guillaume Meurice est entré en contact avec Yann Gaudin, conseiller Pôle Emploi à Rennes, convoqué à un entretien disciplinaire pour avoir aidé trop de ch

  • Zeitgeschichte ǀ 1950: Frontkämpferbund — der Freitag
    https://www.freitag.de/autoren/der-freitag/1950-frontkaempferbund


    Suzanne Labin, Carlo Schmid, Arthur Koestler

    Von Rudolf Walther - Im Westen Berlins tagt der„Kongress für die Freiheit der Kultur“ und ruft den Kommunismus als Feindbild aus. Getragen wird er von Geldern aus Washington.

    Der Osten hatte vorgelegt mit zwei kulturellen Manifestationen für den Weltfrieden – 1948 im polnischen Wroclaw, danach im April 1949 mit dem Pariser „Weltkongress der Kämpfer für den Frieden“, der sich besonders der Ächtung von Kernwaffen verschrieben hatte. Da wollte auch „der Westen“ nicht nachstehen und sich auf der Höhe des Kalten Krieges zeigen, wie er mit Churchills „Eiserner Vorhang“-Rede vom 5. März 1946 in Fulton (USA) eingeläutet war. Im März 1949 fand deshalb im New Yorker Waldorf-Astoria-Hotel auf Initiative des National Council of Arts, Sciences and Professions eine „Cultural Conference for World Peace“ statt als Antwort auf die Tagungen der linken und – wie man meinte – „falschen Friedensfreunde“. Es schlug die Geburtsstunde des „American Committee for Cultural Freedom“, das sich dem Kampf gegen Nationalsozialismus und Kommunismus verschrieb. Der Umstand, dass Ersterer als reale Größe seit vier Jahren nicht mehr existierte, spielte keine Rolle. Treibende Kraft im Vorfeld des Kongresses von 1950 in den Westsektoren Berlins war der amerikanische Journalist Melvin Lasky, der sich beim „Ersten deutschen Schriftstellerkongress“ im Oktober 1947 als Kämpfer gegen die Zensur in Ost und West profiliert hatte und damit vom stalinistischen Kommunismus enttäuschte Intellektuelle wie Arthur Koestler, Margarete Buber-Neumann, Franz Borkenau und Ernst Reuter für eine Mitarbeit gewann. Zum Kongress im Westberliner Titania-Palast im Juni 1950 reisten gut 1.800 Teilnehmer an – darunter der Philosoph Karl Jaspers, der Soziologe und KZ-Überlebende Eugen Kogon, die Schriftsteller Luise Rinser und Ignazio Silone, der Historiker Golo Mann und der Psychoanalytiker Alexander Mitscherlich. Ein zeithistorischer Zufall verlieh dem Kongress exemplarische Aktualität, weil einen Tag vor der Eröffnung am 26. Juni 1950 nordkoreanische Truppen, verbündet mit der UdSSR und China, die Demarkationslinie am 38. Breitengrad zu Südkorea überschritten und einen bewaffneten Konflikt auslösten. Dass Kongress und Kriegsausbruch zusammenfielen, beflügelte die Redner und bestimmte das stilbildende Vokabular des Kalten Krieges: Ignazio Silone, 1921 Mitbegründer der KP Italiens, ernannte das Vier-Sektoren-Berlin zum „Sturmzentrum der schärfsten Gegensätze“ zwischen Ost und West. Ernst Reuter sah den Westteil als „Enklave der Freiheit“. Nachdem der Kongress mit Beethovens Fidelio-Ouvertüre eröffnet worden war, verkündete der Schriftsteller Arthur Koestler einen „Kreuzzug“ gegen den Kommunismus. Und Melvin Lasky begrüßte die Teilnehmer als „europäische Freiheitslegion“.

    Arthur Koestler sollte die entscheidenden Akzente setzen: „Wir kamen, um ein Kampfbündnis zu schließen. Es geht hier nicht um relative Unterschiede, es geht um Leben und Tod. (…) Erstens weil die Theorie und Praxis des totalitären Staates eine Bedrohung darstellt, die alle früheren Tyranneien übertrifft. Zweitens geht es um Leben und Tod, weil die Freiheit kein Luxus ist (…) Freiheit und Friede sind untrennbar verbunden.“ Mit den Schlagworten „Totalitarismus“, „Friede“, „Freiheit“, die auch der französische Philosoph Raymond Aron ins Zentrum seines Auftritts rückte, waren die Fronten abgesteckt: Die Sowjetunion verkörperte das „Prinzip der totalen Unfreiheit“ (Theodor Plievier). Der ehemalige Trotzkist James Burnham sah in den US-Depots mit Atombomben den „einzigen Schutz der Freiheit“. Auch das Manifest, das der Kongress im Namen von Koestlers Parole, „Freunde, die Freiheit hat die Offensive ergriffen!“, verabschiedete, lebte von vollmundigen Freiheitsversprechen. Demokratie und Menschenrechte kamen dagegen nicht vor, „Neutralität“ wurde als „Verrat an westlichen Werten“ denunziert.

    Apologeten sehen in diesem Kongress und den damals entstandenen Zeitschriften Der Monat, Preuves und Encounter bis heute ein „Kampfinstrument gegen den Totalitarismus“. Die Tatsache, dass der Kongress und besagte Magazine Organe der US-Außenpolitik waren und von Anfang an bis zur Abwicklung in den 1970er Jahren über die CIA von regierungsnahen Stiftungen finanziert wurden, wird beschönigt oder verschwiegen. Linken, die einem schlichten Weltbild von Gut und Böse nicht folgten, sei es nicht darum gegangen, stalinistische Praktiken zu bagatellisieren, sondern darum, „in keinem Fall mit ihren Gegnern (zu) paktieren“ oder „Kritik an Ausbeutung und Unterdrückung“ nur selektiv zuzulassen, wie Jean-Paul Sartre bereits 1950 erklärte.

    Im Buch Der Sündenfall der Intellektuellen über jenen Kongress von Ulrike Ackermann aus dem Jahr 2000 geht es dagegen nur um zweierlei – die ausgelaugte „Totalitarismustheorie“ zu retten und eine Kontinuität des „Antitotalitarismus“ von den 1950er Jahren bis in die Gegenwart zu konstruieren. Zwei aussichtslose Unterfangen – zum ersten: Der Begriff „Totalitarismus“ kam in den 1920ern auf, fand aber erst nach 1947 größere Verbreitung. Er zirkulierte in den USA, in der BRD, in Italien und in Frankreich in unterschiedlichen Varianten, deren Gemeinsamkeit darin bestand, politisch beliebig instrumentalisierbar zu sein. In den USA diente er dazu, eine auf globalen Einfluss bedachte Außenpolitik zu legitimieren, in der BRD war er Staatsräson und Mittel zur Abgrenzung von der DDR. Für Hannah Arendt war die Sowjetunion nach Stalins Tod 1953 kein totalitärer Staat mehr, und der US-Politologe Zbigniew Brzeziński entwickelte 1954 mit dem Deutsch-Amerikaner Carl J. Friedrich zwar eine Definition von „Totalitarismus“, gebrauchte sie aber nach 1960 nicht mehr.

    Den jüngeren Antitotalitarismus der „neuen Philosophen“ in Frankreich entzauberte der Historiker Michael Scott Christofferson 2009 in seinem Buch Les intellectuels contre la gauche. L’idéologie antitotalitaire en France (1968 – 1991) als politische Improvisation. Große Teile der französischen Intelligenz, die nach 1945 links standen, hatten sich von der KPF nach dem Ungarn-Aufstand 1956 und wegen des ausbleibenden Bruchs mit dem Stalinismus distanziert. Der Philosoph Maurice Merleau-Ponty bezweifelte schon 1950 angesichts der Arbeitslager in der UdSSR, dass dort überhaupt „noch von Sozialismus zu reden“ sei.

    Die Kritik am Stalinismus war also in der französischen Intelligenz längst geläufig und die Existenz jener Lager bekannt, als 1974 Alexander Solschenizyns Buch über den Archipel GULAG erschien. Dabei hat weniger dieses Buch die Kritik an der französischen KP angefacht als vielmehr deren Reaktion auf Solschenizyn, dessen Literatur als „antisowjetische Propaganda“ diskreditiert wurde.

    Später dann, als sich Sozialisten und Kommunisten 1972 auf ein „Gemeinsames Programm“ einigten, malten maoistische wie konservative Intellektuelle das Gespenst einer „totalitären Herrschaft“ der Kommunisten an die Wand. Diese Projektion und nicht die Kontinuität der Debatten von 1950 gebar den jüngeren „Antitotalitarismus“. Die autoritäre kommunistische Herrschaft interessierte die „Antitotalitären“, darunter viele Ex-Maoisten, so wenig wie das Buch Solschenizyns. Der Antitotalitarismus der „neuen Philosophen“ zielte nicht auf die „real existierenden Diktaturen“ im Osten, sondern auf die künftigen Verantwortlichen einer demokratisch legitimierten französischen Regierung aus Sozialisten und Kommunisten, denen man präventiv und ohne triftige Gründe unterstellte, eine totalitäre Politik verfolgen zu wollen. Danach freilich lief sich der Begriff „Antitotalitarismus“ in Frankreich schnell tot und spielte keine Rolle mehr. Die meisten „Antitotalitären“ sind zu „Berufsfranzosen“ („souchiens“) geworden, wie der israelische Historiker Shlomo Sand 2016 in seiner brillanten Studie La fin de l‘intellectuel français? festhielt. Das Wort „antitotalitär“ hat letztlich nur in Deutschland überlebt, wo im FAZ-Feuilleton seit vielen Jahren versucht wird, dem verblichenen Gespenst „Antitotalitarismus“ ein Zweitleben einzuhauchen.

    Arthur Koestler - Wikipedia
    https://en.wikipedia.org/wiki/Arthur_Koestler#Post-war_years

    In June (1950) Koestler delivered a major anti-Communist speech in Berlin under the auspices of the Congress for Cultural Freedom, an organisation funded (though he did not know this) by the Central Intelligence Agency.

    Suzanne Labin — Wikipédia
    https://fr.wikipedia.org/wiki/Suzanne_Labin

    Elle fait partie en juin 1950 de la délégation française qui prend part à Berlin-Ouest à la réunion inaugurale du Congrès pour la liberté de la culture, aux côtés notamment de Georges Altman, Henri Frenay, Claude Mauriac, André Philip, Jules Romains et David Rousset. Elle a voulu devenir la directrice de la revue française de cette association internationale anticommuniste, Preuves, mais d’autres étaient sur les rangs et elle n’y est pas parvenue, malgré l’appui de Koestler. Certains ont considéré qu’elle est stupide, tel François Bondy, ancien communiste révolutionnaire passé par la SFIO, directeur de la revue. Son anticommunisme virulent est trop tranché et ne correspond pas à l’approche modérée et intellectuelle des principaux animateurs français du Congrès. Raymond Aron, en août, estime qu’il est hors de question de faire appel à elle, ce qui met un point final à ses ambitions 18,19. Elle s’est éloignée progressivement de ce réseau1. Elle publie cependant des articles dans cette revue dans les années 195020 et fréquente les mardis de Preuves, les conférences-débats qui se tiennent dans les locaux de la revue à partir de 195221.

    Congress for Cultural Freedom - Wikipedia
    https://en.wikipedia.org/iki/Congress_for_Cultural_Freedom

    The Congress for Cultural Freedom (CCF) was an anti-communist advocacy group founded in 1950. At its height, the CCF was active in thirty-five countries. In 1966 it was revealed that the United States Central Intelligence Agency was instrumental in the establishment and funding of the group.

    Historian Frances Stonor Saunders writes (1999): “Whether they liked it or not, whether they knew it or not, there were few writers, poets, artists, historians, scientists, or critics in post29war Europe whose names were not in some way linked to this covert enterprise.”[3] A different slant on the origins and work of the Congress is offered by Peter Coleman in his Liberal Conspiracy (1989) where he talks about a struggle for the mind “of Postwar Europe” and the world at large.
    ...
    Activities, 1950–1966

    At its height, the CCF had offices in thirty-five countries, employed dozens of personnel, and published over twenty prestigious magazines. It held art exhibitions, owned a news and features service, organized high-profile international conferences, and rewarded musicians and artists with prizes and public performances.

    Between 1950 and 1966 the Congress sponsored numerous conferences. A selective list describes 16 conferences in the 1950s held principally in Western Europe but also in Rangoon, Mexico City, Tokyo, Ibadan (Nigeria) and South Vietnam: the Founding Conference in Berlin was followed in 1951 by the First Asian Conference on Cultural Freedom, held in Bombay. A further 21 conferences over an even wider geographical area are listed for the first half of the 1960s.

    In the early 1960s, the CCF mounted a campaign against the Chilean poet Pablo Neruda, an ardent communist. The campaign intensified when it appeared that Neruda was a candidate for the Nobel Prize in Literature in 1964 but he was also published in Mundo Nuevo, a CCF-sponsored periodical.
    ...
    Legacy

    In 1967, the organization was renamed the International Association for Cultural Freedom (IACF) and continued to exist with funding from the Ford Foundation. It inherited “the remaining magazines and national committees, the practice of international seminars, the regional programs, and the ideal of a worldwide community of intellectuals.” There was also, until 1970, “some continuity of personnel”.

    Under Shepard Stone and Pierre Emmanuel the dominant policy of the new Association shifted from positions held by its predecessor. No “public anti-Soviet protests” were issued, “not even in support of the harassed Solzhenitsyn and Sakharov”. The culmination of this approach was a vast seminar at Princeton on “The United States: Its Problems, Impact, and Image in the World” (December 1968) where unsuccessful attempts were made to engage with the New Left. From 1968 onwards national committees and magazines (see CCF/IACF Publications below) shut down one after another. In 1977 the Paris office closed and two years later the Association voted to dissolve itself.

    Certain of the publications that began as CCF-supported vehicles secured a readership and ongoing relevance that, with other sources of funding, enabled them to long outlast the parent organisation. Encounter continued publishing until 1991, as did Survey, while the Australian Quadrant and the China Quarterly survive to this day. While the revelation of CIA funding led to some resignations, notably that of Stephen Spender from Encounter, outside Europe the impact was more dramatic: in Uganda President Milton Obote had Rajat Neogy, the editor of the flourishing Transition magazine, arrested and imprisoned. After Neogy left Uganda in 1968 the magazine ceased to exist.

    The European Intellectual Mutual Aid Fund (Fondation pour une Entraide Intellectuelle Européenne) set up to support intellectuals in Central Europe, began life as an affiliate of the Congress for Cultural Freedom. In 1991 it merged with the Open Society Foundations, set up and supported by financier and philanthropist George Soros.

    The records of the International Association for Cultural Freedom and its predecessor the Congress for Cultural Freedom are today stored at the Library of the University of Chicago in its Special Collections Research Center.

    #Berlin #Steglitz #Schloßstraße #Titania-Palast #Politik #Geschichte #Antikommunismus #USA #Kalter_Krieg #CIA #Propaganda #Kultur

  • Gemeinnützigkeit ǀ Diese Attacke ist nur der Anfang — der Freitag
    https://www.freitag.de/autoren/felix-werdermann/diese-attacke-ist-nur-der-anfang

    Pour les dictatures et régimes autoritaires la première étape du combat contre une organisation critique est l’interdiction de son financement par des sources étrangères et institutionnelles. Le ministre des finances allemand Wolfgang #Schäuble et son administration ont opté pour la suppression du statut d’intérêt commun pour freiner les activités Attac. Cette décision vient d’être confirmée par un jugement de la plus haute cour de finances (Bundesfinanzhof).

    La décision de la justice crée un danger imminent pour chaque organisation critique envers la politique du gouvernement. Les dirigeants CDU proches des producteurs d’automobiles s’en félicitent et préparent l’attaque contre leur ennemi juré, l’association Umwelthilfe qui se prononce régulièrement pour l’interdiction de la circulation automobile dans les centres villes. D’autres cibles seront sélectionnés et attaquées au fur et a mesure. A l’époque de la montée de l’extrémisme de droite ce sont d’abord les associations anti-racistes de gauche qui se font des soucis pour leur bases financière.

    Nous sommes en train d’entrer dans une nouvelle phase de la transfomation sociétale. Elle est marquée par des actes d’une violence inconnue en Allemagne jusque hier.

    Jetzt ist es passiert, und in der Großen Koalition gibt es Streit. Der SPD-Politiker Lothar Binding sieht Handlungsbedarf: „Die Entscheidung des Bundesfinanzhofes zu Attac zeigt, dass der Katalog der gemeinnützigen Zwecke in der Abgabenordnung zu eng ist.“ In der Union hingegen sorgt das Urteil für Freude. Olav Gutting vom Franktionsvorstand twittert: „Das sollte eine Ermunterung für Finanzämter sein, auch bei vielen anderen #NGOs genauer hinzuschauen.“ Der parlamentarische Geschäftsführer der CSU, Stefan Müller, hat gleich einen konkreten Vorschlag: „Als Nächstes muss man an die @Umwelthilfe ran.“

    Die Deutsche Umwelthilfe steht in der Union ohnehin auf der Abschussliste, seitdem sie das Versagen der Bundesregierung in der Dieselaffäre immer wieder kritisiert. Vor Kurzem hat sogar der CDU-Parteitag beschlossen, dass die Gemeinnützigkeit der Umwelthilfe überprüft und dem Verein sämtliche Mittel aus dem Bundeshaushalt entzogen werden sollen. Doch so leicht wie bei Attac dürfte das nicht werden. Schließlich ist Umweltschutz in der Abgabenordnung ausdrücklich als gemeinnütziger Zweck festgeschrieben, das Attac-Urteil also nicht direkt anwendbar. Zittern müssen eher die Vereine, deren Ziele in der Abgabenordnung nicht vorkommen und die sich mit der politischen Bildung eine Hilfskonstruktion geschaffen haben.

    #Allemagne #politique

  • Teilen ǀ Uber alles — der Freitag
    https://www.freitag.de/autoren/the-guardian/uber-alles

    20.12.2018 - von Evgeny Morozov - Wie die Sharing Economy vom Tech-Kapitalismus verschluckt wurde

    Von allen Ideologien, die das Silicon Valley bisher hervorgebracht hat, dürfte der Tech-Populismus – das In-die-Welt-Setzen leerer Versprechungen auf der Grundlage von bahnbrechenden digitalen Umwälzungen – wohl die sonderbarste sein: die Verheißung einer Welt unmittelbarer und müheloser Selbstermächtigung, immerhin mehrdeutig genug, um große Internetkonzerne, Start-ups, Fans von Kryptowährungen und sogar politische Parteien hinter sich zu scharen.

    Der Ursprung dieses Tech-Populismus ist ziemlich nebulös, aber wir wissen, wann er die Massen erreicht hat: Es war an jenem Tag im Jahr 2006, als das Time Magazine „You“ zur Person des Jahres kürte: also all jene Millionen von ganz gewöhnlichen Menschen, die hinter dem nutzergenerierten „Web 2.0“ der 2000er Jahre standen. Obwohl es in Wirklichkeit zahlenmäßig nur relativ wenige gab, die tatsächlich an Webseiten wie Wikipedia oder Flickr mitarbeiteten, funktionierte der Hype um sie als Ablenkung von der wachsenden Übermacht der großen Internetkonzerne und aufkommenden Fragen nach der Dauerhaftigkeit der digitalen Utopie. Nur ein paar Jahre später war von letzterer nichts mehr übrig: Das Internet war nunmehr zentralisiert und dominiert von einer Handvoll von Plattformen, nur noch ein Schatten seines früheren exzentrischen Selbst.

    Heute ist aus dem allmächtigen, schöpferischen Nutzer von 2006 ein zombiesker Content-Junkie geworden, schwerstabhängig vom Scrollen und Liken und für immer gefangen in den unsichtbaren Käfigen der Datenhändler. Der Mythos des Nutzers-als-Künstler ist tot. Doch der Geist des Tech-Populismus lebt in zwei ebenso mächtigen Mythen weiter: dem des Nutzers-als-Unternehmer und jenem des Nutzers-als-Konsument. Diese beiden Mythen sind voller Verheißungen – verstärkte Dezentralisierung, größere Effizienz –, die die tatsächliche Entwicklung der digitalen Wirtschaft – verstärkte Zentralisierung, zunehmende Ineffizienz und Kontrolle – verschleiern.

    Als der Fahrdienst Uber, die Ferienwohnungsvermittlung Airbnb und ähnliche Plattformen noch neu und klein waren, konnte man glauben, dass sie eine globale informelle Ökonomie des Teilens hervorbringen würden: Zur Hölle mit Taxis und Hotels, es lebe die Zeit der Hobby-Chauffeure, Leihfahrräder und Couch-Surfer! Es war eine reizvolle Vision, anknüpfend an eine Tradition der Gegenkultur und Rebellion gegen Autorität, Hierarchie und Expertentum. Der es allerdings an einem fehlte: an der Unterstützung durch politische Parteien oder soziale Bewegungen. Letztere hätten – sobald sie an die Regierung gekommen wären – die lokalen Tauschplattformen mit öffentlicher Finanzierung ausstatten können, um sie vor den brutalen Gesetzen des Wettbewerbs ebenso wie vor finanzstarken kommerziellen Mitbewerbern zu schützen.

    Ein Film über das außergewöhnliche Leben des französischen Schriftstellers, Regisseurs und Diplomaten Romain Gary und die unerschütterliche Liebe seiner exzentrischen Mutter, die ihn zu einem der wohl größten Romanciers unseres Jahrhunderts gemacht hat

    Einem ganz ähnlich gelagerten politischen Projekt des vergangenen Jahrhundert verdanken wir immerhin den Sozialstaat. Anstatt Bildung oder Gesundheitsversorgung privaten Anbietern zu überlassen, wurden diese Bereiche bewusst dem Markt entzogen. Der Sozialstaat, der so entstand, führte zwar zu manch bürokratischem Auswuchs, aber im Großen und Ganzen stellte er angesichts der politischen und technologischen Beschränkungen der Zeit einen vernünftigen Kompromiss dar. Natürlich können wir uns heute vorstellen, wie wir die Versorgung mit derartigen Dienstleistungen noch horizontaler ausgestalten könnten, und mit mehr Respekt vor der Subsidiarität, demokratischen Entscheidungsfindungen und individuellen Eigenheiten. Das Gleiche gilt für die Wirtschaft als Ganzes.

    Digitaler Sozialstaat war nicht

    Digitale Plattformen, als Vermittlungsinstanzen zwischen Bürgern auf der einen und Unternehmen und Institutionen auf der anderen Seite, sollten für eine derartige Transformation von großer Bedeutung sein. Trotzdem ist kein vergleichbares politisches Projekt entstanden, das darauf abgezielt hätte, den neuen demokratisierten Zustand vor der Kommerzialisierung zu bewahren. Dies führte dazu, dass die löblichen Ziele von Selbstermächtigung und Förderung von lokalen und horizontalen Strukturen dadurch erreicht werden sollten, dass man sich an einen mächtigen, aber trügerischen Verbündeten heranschmiss und den Puls der digitalen Plattformen mit dem des internationalen Kapitals synchronisierte.

    Das funktionierte ziemlich gut, zumindest am Anfang. Car-Sharing-, Bike-Sharing- und Flat-Sharing-Plattformen schossen dank milliardenschwerer Investitionen wie Pilze aus dem Boden. Ein Großteil des Geldes kam von Staatsfonds und Risikokapitalgebern. Wie nett von Saudi-Arabien, seine Petrodollars in die Finanzierung von Mitfahrportalen und Lieferdiensten zu stecken! Wer Dienstleitungen oder Waren auf digitalen Plattformen anbot, hatte ebenso Grund zu jubeln wie die, die diese Dienstleistungen oder Waren kauften oder liehen. Erstere erhielten die Möglichkeit, ihre brachliegenden Ressourcen zu Geld zu machen, von leer stehenden Wohnungen bis hin zu freier Zeit. Letztere kamen an verbilligte Fahrten, Mahlzeiten und Buchungen.

    Doch das Märchen ist zu Ende. Das Jahr 2018 ist für die Sharing-Economy das, was 2006 für den nutzergenerierten Content war: Ab jetzt kann es nur noch bergab gehen. Die Plattformen werden nicht verschwinden, im Gegenteil. Aber ihre hochgesteckten Ziele werden Platz machen für den prosaischen und manchmal mit Gewalt durchzusetzenden Imperativ, der von dem eisernen Gesetz des Wettbewerbs ausgeht: Die Sache muss Profit abwerfen!

    Uber mag einigen dabei helfen, über die Runden zu kommen, indem er oder sie hin und wieder eine Tour übernimmt. Der Zwang, Profit zu erwirtschaften, bedeutet jedoch, dass das Unternehmen keine Bedenken haben wird, seine Fahrer gegen selbstfahrende Fahrzeuge auszutauschen; eine Firma, die letztes Jahr 4,5 Milliarden Dollar Verlust gemacht hat, wäre dumm, es nicht zu tun. Airbnb mag sich als Verbündeter der Mittelschicht gegen wohl etablierte wirtschaftliche Interessen präsentieren. Doch Profitdruck zwingt das Unternehmen schon jetzt dazu, mit Unternehmen wie Brookfield Property Partners zusammenzuarbeiten, einer der weltgrößten Immobilienfirmen, um unter der Marke Airbnb hotelartige Unterkünfte zu bauen, oft, indem Wohnblöcke gekauft und umgewandelt werden.

    Angesichts der Riesensummen, um die es geht, wird in dem derzeitigen Wettbewerb etwa der Fahrdienste am Ende mehr Marktkonzentration rauskommen, sodass jeweils ein oder zwei Plattformen eine Region kontrollieren. Ubers Kapitulation – in China, Indien und Russland sowie einem Großteil Südostasiens und Lateinamerikas – vor lokalen Akteuren, von denen viele ebenfalls mit Geld aus Saudi-Arabien unterstützt werden, legt dies nahe.

    Solche Entwicklungen widersprechen der Rhetorik des Tech-Populismus. Sie erzeugen Müll wie die Berge von aussortierten Fahrrädern, die sich in Großstädten rund um den Globus auftürmen. Schon jetzt sehen wir, wie der Verkehr zunimmt und die Straßen verstopft – die Folge daraus, dass man dem globalen Kapital erlaubt hat, sich die Mitfahrdienste einzuverleiben, statt einen viel effizienteren öffentlichen Nahverkehr auf die Räder zu stellen. Die krass subventionierten Preise von Zustelldiensten wie Deliveroo oder Lieferando – die einstweilige Folge des intensiven Wettbewerbs – werden nicht von Dauer sein; starke Verluste werden von den wenigen Unternehmen, die am Ende übrig bleiben, wettgemacht werden müssen, wohl, indem sie die Preise dann erhöhen.

    Die Ideologie des Tech-Populismus aber wird weiterleben und weiter vollmundige Versprechen über die Blockchain, künstliche Intelligenz oder die smarte City verbreiten. Viele dieser Versprechen werden verheißungsvoll klingen. Doch ohne eine robuste politische Agenda, die sich keinen Illusionen über die (Un-)Fähigkeit des globalen Kapitals hingibt, gesellschaftliche Emanzipation zu fördern, werden sie gegenteilige, dystopische Wirkungen entfalten. Wir können uns den Weg in eine demokratischere Gesellschaft nicht freikaufen – schon gar nicht mit Geld aus Saudi-Arabien.

    Ausgabe 51/2018

    #Uber #disruption

  • Blog: #deleteuber ǀ Ihr könnt nach Hause gehen — der Freitag
    https://www.freitag.de/autoren/peter-nowak/protest-gegen-uber-auch-in-berlin
    https://www.freitag.de/autoren/peter-nowak/protest-gegen-uber-auch-in-berlin/@@images/a05b4234-b4c1-45f3-af6c-4a39ef33ca6c.jpeg

    Weiterziehn oder nach Hause? Große weiße Plakate mit dieser Frage finden sich seit einigen Tagen an Berliner Hauswänden in der Nähe des Hermannplatzes oder der Warschauer Brücke. Das sind Orte, an denen sich viele Menschen nach dem Besuch einer Party oder eines Clubs nach Transportmöglichkeiten umsehen. Auch an größeren S-und U-Bahnhöfen kann man die Uber-Werbung finden. Auf den Plakaten bietet der US-Fahrdienstvermittler seine Dienste an. „Uber vermittelt Beförderungsaufträge an professionelle und kompetente Mietwagenunternehmer“. Ausdrücklich wird auf den Plakaten betont, dass Uber selbst keine Beförderungsdienstleistungen anbietet. Das Landgericht Berlin hatte Uber nach einer Klage der Taxi-Vereinigung, einer Interessenvertretung von Berliner Taxi-Unternehmen, verboten in Berlin „taxiähnlichen Verkehr zu betreiben“. Weiter erlaubt waren Uber die Vermittlungstätigkeiten, die Uber bereits seit 2016 tätigt. Die aktuelle Werbekampagne sowie die Einrichtung eines Uber-Büros in der Brunnenstraße zeigten, dass das Unternehmen in Berlin expandieren will. Doch dagegen regt sich Widerstand. Die Berliner Taxi-AG, in der sich in der Dienstleistungsgewerkschaft organisierte Taxifahrer*innen zusammengefunden haben, mobilisiert gegen die Pläne des US-Konzerns. Dabei nutzt sie #deleteuber, einen internationale Hashtag von Uber-Kritiker*innen, der in den USA aufgekommen war.

    Fakten gegen die Uber-Werbung
    „Wir stellen den frechen Behauptungen der Uber-Werbung geprüfte Fakten entgegen, knallig formuliert, mit Link zur Quelle als Text und QR-Code“, erklärt Andreas Komrowski von der Taxi-AG. So verweist der Link unter den Slogan „Uber zahlt keine Krankenversicherung“ auf einen Artikel in der Wochenzeitung „Die Zeit“. Wer sich über den Wahrheitsgehalt der Aussage „Uber verliert Deine Daten“ informieren will, kann in einen FAZ-Artikel vom September 2018 weiterlesen, wo über ein großes Datenleck bei dem US-Konzern berichtet wird. Zu der Behauptung „Uber riskiert Deine Haftpflicht“ wird auf einen juristischen Blog verwiesen. Wer den Wahrheitsgehalt der Feststellung „Uber zahlt kein Urlaubsgeld“ überprüfen will, findet als Quelle den Tageszeiger. Da die Taxi-AG nicht den Werbe-Etat von Uber zur Verfügung, setzt sie auf Selbstorganisation. Die Anti-Uber-Schlagzeilen können unter (http://www.ag-taxi.de/anti-uber-werbung.html) ausgedruckt und verbreitet werden. Daran können sich natürlich auch Menschen beteiligen, die nicht im Taxigewerbe arbeiten, aber mit den dort Beschäftigten solidarisch sind.

    Der Kampf gegen Uber ist auch ein Klassenkampf innerhalb der GiG-Ökonomie, wie die Branche genannt wird, in der Aufträge von Freiberufler*innen oder geringfügig Beschäftigten erledigt werden und deren Organisierungsgrad oft nicht sehr hoch ist. Hier bedarf es neuer Strategien, um erfolgreich zu sein. Das ist ein Suchprozess und die unterschiedlichen Gewerkschaften unterstützen das manchmal. Die Taxi-AG ist bei ver.di assoziiert. Die Deliverunion, in der sich Fahrradkurier*innen in verschiedenen Ländern organisieren, wird in Deutschland von der Basisgewerkschaft FAU (https://berlin.fau.org/kaempfe/deliverunion) unterstützt. Zwischen der Taxi-AG und der Deliverunion (https://deliverunion.fau.org) in Berlin wurden bereits Grußadressen ausgetauscht. Das heißt, die Kolleg*innen beziehen sich solidarisch aufeinander, auch wenn sie in unterschiedlichen Gewerkschaften organisiert sind. Dass ist genau so wichtig, wie die Selbstorganisation der Betroffen vor Ort. Die Aktion der Taxi-AG in Berlin kann ein kleiner Baustein dazu sein. Vielleicht organisieren die unterschiedlichen Initiativen gegen Uber mal zu einer bestimmten Zeit eine weltweite Akton unter dem Motto „Hupen gegen Uber“. Das wäre ein Zeichen eines transnationalen Kampfes gegen Uber und Co.

    Peter Nowak

    #Berlin #Taxi #Uber

  • Comics ǀ Grrr ! Weg ist die älteste Kinderzeitschrift — der Freitag
    https://www.freitag.de/autoren/klaus-raab/grrr-weg-ist-die-aelteste-kinderzeitschrift

    Le journal pour enfants le plus ancien d’Allemagne Flohkiste vient de disparaître. Malgré sa distribution par les enseignants les ventes ont baissé jusqu’à ce que l’éditeur soit obligé d’arrêter la production.

    13.12.2018 - Klaus Raab | Ausgabe 50/2018 - Comics Ein Urgestein auf dem Zeitschriftenmarkt verschwindet. Dabei gibt es durchaus noch Kinder, die gern Gedrucktes lesen

    Shuuschsch! Bumm! Aaaaiiiii!!! Grrrr! Greif! Boing!“ So, und kein bisschen anders, klingt die sehr erfolgreiche Jugendzeitschrift Lego Ninjago, die mit einer hohen fünfstelligen Auflage gesegnet ist. Man findet Comics in ihr, in denen Figuren sich selbst hypnotisieren, Rätsel, die von den Zeitzwillingen Blunck und Raggmunk handeln, und einen Riesenhaufen Eigenwerbung für den neuesten Kram von Lego.

    Es ist müßig, dieses Magazin mit der laut Verlag ältesten noch erscheinenden Jugendzeitschrift der Welt zu vergleichen; mit einer pädagogisch angelegten Zeitschrift, die den Spruch „Lesen bringt‘s!“ im Titelkopf trägt und auf der „100 % Lesespaß und 0 % Werbung“ steht. Es ist ungefähr so sinnvoll, wie ein Happy Meal vom großen gelben M gegen Kohlrabi zu stellen. Aber wir machen es natürlich trotzdem: Der Kohlrabi ist die Flohkiste, die sich an Schülerinnen und Schüler der ersten Jahrgänge richtet; dazu gibt es den floh! für ältere. Ihr erstes Vorgängerheft war 1875 von Lehrern unter dem Titel Jugendlust gegründet worden.

    Man kann sagen, dass die Floh-Hefte aus dem Münchner Domino-Verlag völlig anders sind als alles, was in einem Kinderzeitschriftenregal liegt. Es gibt kein „Shuuschsch“ und kein „Boing“, nirgends. Es gibt Schwerpunktthemen, abgekoppelt vom Tages-, aber angedockt ans Zeitgeschehen: Faschingshefte, Weihnachtshefte, Osterhefte. Es geht um Mülltrennung oder gute Ernährung. Rechtzeitig zu den Sommerferien erklärte der floh! in extramürber Aufmachung, warum Langeweile gar nicht schlecht sei. Als Alexander Gerst gerade ins All geflogen war, kam der floh! mit einer Weltraumausgabe, allerdings ohne jeden Hinweis auf Gerst. Und im Oktober hieß es auf dem Titel: „Bist du ‚online‘?“. Das Wort „online“ stand dabei in Anführungszeichen, genau wie später das Wort „Netz“, als wären Begriffe, die auf irgendwas mit Internet hindeuten, gar keine richtigen Wörter.

    Sie ahnen, worauf das hier hinausläuft: Zum Jahresende werden die Floh-Hefte eingestellt. Über die Hintergründe der Entscheidung war kurzfristig vom Verlag nichts zu erfahren. Gewiss ist aber, dass es wirtschaftliche Gründe gibt. Und auch das Werbeverbot an Schulen hat wohl damit zu tun. Lehrer sollen heute, wenn sie Empfehlungen für bestimmte Lektüren aussprechen, nicht nur ein Produkt nennen, und der Bayerische Lehrer- und Lehrerinnenverband (BLLV) riet dazu, Druckschriften lieber „links liegen zu lassen“.

    Simone Fleischmann, die Präsidentin des BLLV, der die Magazine über Jahrzehnte herausgegeben hat und über den die Floh-Hefte auch Eingang in den Unterricht vieler Lehrer fanden, sagt, es gebe nach wie vor Kinder, die die Zeitschriften gerade deshalb schätzen würden, weil sie heute so erkennbar anders seien. Tatsächlich wirken sie wie ein Weg aus der Reizschleife und Rollenfestlegungsfalle: Endlich mal kein Lego-Kampfkram, endlich mal nichts mit Pferden! Nur sind es wohl nach vielen erfolgreichen Jahren nun zu wenige: zu wenige Kinder; aber auch zu wenige Eltern und Lehrer, die sich auf einem gewachsenen Markt der Lern- und Unterhaltungsalternativen bewegen, auf dem auch sonst nicht alles Schrott ist.

    Nicht nur ein wenig mehr Veränderung, so kann man es wohl sehen, hätte floh! und Flohkiste sicher gutgetan: ein wenig mehr Astro-Alex, „Shuuschsch!“ und „Boing!“. Wer mag, kann es aber ebenso gut umdrehen: Ein wenig mehr der „100 % Lesespaß und 0 % Werbung“, die der Floh anbot, würden Lego Ninjago schon auch nicht schaden.

    #Allemagne #presse #enfants

  • Massenprotest ǀ Les Misérables — der Freitag
    https://www.freitag.de/autoren/linkerhand/les-miserables

    Wer steckt in dieser Weste? Ein Held, ein Elender – oder ist es das „Volk“?

    Grüne Tomaten, wohl die letzten in diesem Jahr, sortiert Yannick behutsam in ein Körbchen. Jeden Tag pflegt er seine Parzelle des Gemeinschaftsgartens im Schatten der imposanten Cité radieuse. In diesem Betonklotz in der Kleinstadt Rezé an der Loire lebt er seit 18 Jahren. Der umstrittene Architekt Le Corbusier erbaute die „Wohnmaschine“ mit den auffälligen bunten Balkonen in den 1950er Jahren. An diesem Dezembersamstag sind kaum Nachbarn unterwegs. Nur zwei gut gelaunte Männer grüßt Yannick von Weitem. Die beiden haben sich gelbe Warnwesten übergestreift und stiefeln von „Le Corbu“, wie sie ihr Haus liebevoll nennen, in Richtung Bushaltestelle.

    Dieser Artikel erschien in Ausgabe 50/2018 vom 13.12.2018

    Zwischen Rosenkohl und Mangold hadert Yannick noch den ganzen Vormittag über, ob er nicht doch den alten, schon ziemlich demolierten Peugeot anschmeißen soll, um rüberzufahren ins Zentrum von Nantes, oder an die Hafendocks von Saint-Nazaire. „Wenn ich nicht wüsste, dass die beiden letztes Jahr für Marine Le Pen gestimmt haben, wäre ich nicht so zögerlich, um mich ihnen anzuschließen.“ Yannick zeigt mit einer Handbewegung auf den davonfahrenden Bus.

    In diesen Stunden versammeln sie sich wieder: jene Männer und Frauen, die vor einem Monat, am 17. November, als Reaktion auf die geplante Treibstoffsteuererhöhung zum ersten Mal landesweit Straßensperren errichteten. Sie haben Frankreich in die größte politische Krise der jüngeren Geschichte gestürzt. Die Gelbwesten der ersten Stunde seien, so Yannick, politisch eher rechts zu verorten gewesen. „Es wurden Bilder ausgestrahlt, wie sie einen Lkw stoppten, in dem sich Migranten versteckt hielten. Die Gelbwesten haben sie anschließend stolz der Polizei übergeben. Das hat mich abgeschreckt wie viele Linke.“ Dabei teilt Yannick all ihre Kritikpunkte am System und am französischen Präsidenten. Macron kümmere sich um „die Reichen und Superreichen, weil er als Ex-Rothschild-Banker und Wirtschaftsminister in seinem Leben nie Leid erfahren hat. Er führt sich auf wie Napoleon!“ Wenn Yannick über Macron spricht, ist die Verachtung, ist der Hass, dem er ihm entgegenbringt, fast physisch zu spüren. „Es ist das Geld, das unsere Eliten so verdorben hat. Sie wissen nicht, wohin damit, während den meisten Franzosen am Monatsende nichts übrig bleibt. Es gibt längst keine Mittelschicht mehr“, beklagt Yannick.

    Von Schichten und Klassen ist häufig die Rede in diesen Tagen, wenn Politologen, Soziologen, Journalisten oder Kulturwissenschaftler versuchen, das Phänomen Gelbwesten zu erklären. Und immer wieder fällt der Begriff „Volk“. Das liegt auch an den beiden bekanntesten Oppositionspolitkern des Landes, Marine Le Pen am äußeren rechten, und Jean-Luc Mélenchon am äußeren linken Rand. Beide versuchten von Anfang an, ihre politischen Forderungen und Ambitionen mit dem „Volksaufstand“ zu assoziieren.

    Szenenwechsel. Zur gleichen Zeit am Spielfeldrand im Gemeindestadion von Pantin. Thomas Legrand feuert seinen Sohn beim Rugbyspielen an. Pantin ist einer dieser Pariser Vororte, in denen Garagen zu großzügigen Lofts und Industrieanlagen zu noblen Townhouses umgebaut wurden. Das Café du Marché wirkt wie ein Relikt aus alten Zeiten, als Fabrikarbeiter ihren Pastis am Tresen tranken. Längst haben Leute wie Legrand, Journalist und Buchautor, die ehemalige Bevölkerung weiter an den Stadtrand verdrängt. Von Montag bis Freitag beleuchtet er, der Gentrifizierer par excellence, in seiner morgendlichen Radiochronik auf France Inter die politische Gemengelage. In den letzten Wochen hat er sich schwergetan. Kaum ein Beobachter werde der Gelbwestenbewegung wirklich gerecht.

    Le Gilet jaune im Singular, also die Gelbweste, gebe es schlichtweg nicht, und genau das mache es der Regierung so schwer, Antworten zu finden. „Es sind Menschen, die zuvor nicht auf die Straße gegangen sind, daher haben wir alle den Widerstand nicht kommen sehen“, sagt er. „Mit der Zeit konnte jeder in der Bewegung etwas sehen und eigene Forderungen mit ihr verbinden. Erst hieß es: Wir kommen nicht über die Runden. Später wurde Macrons Rücktritt gefordert und zur Stürmung des Élysée-Palasts aufgerufen.“

    Noch 2014 schwärmte Legrand in seinem Buch La République Bobo vom Aufkommen einer neuen Bevölkerungsschicht, jener urbanen Bourgeoisie-Bohème, die aus toleranten Weltbürgern bestehe, die unter dem Motto „think global, act local“ ohne politische Ideologie, aber mit viel gutem Willen auskommen und so die sozialen Zerwürfnisse im Land kitten könnten: „Wir sorgen uns wegen des Klimawandels um das Ende der Welt, nicht aber um unseren Kontostand am Monatsende. Wir verspüren keine negativen Folgen der Globalisierung und sind nicht so sehr an unsere Heimat gebunden wie die Gelbwesten. Es gibt daher ein kulturelles Missverständnis.“ Aber ausgerechnet Leute wie Legrand müssen nun die Bewegung porträtieren, einordnen, ihr Gehör verschaffen. „Wir Medienleute haben den Gelbwesten das Mikro hingehalten, ohne wirklich zu wissen, wen wir da vor uns haben und für was sie stehen“, gesteht Legrand.

    Sucht man nach „le gilet jaune“, nach der „typischen Gelbweste“, ob in Nantes, in Bordeaux oder Toulouse, oder an einem der Tausenden bestreikten Kreisverkehre in den ländlichen Regionen, dann klingt es ungefähr so: Karine, 35 Jahre, Friseurin, alleinerziehend. Jean-Luc, 68 Jahre, Frührentner. Sebastian, Landwirt, 28 Jahre, verheiratet. Nichtwähler treffen auf Le-Pen-Wähler, enttäuschte Macron-Wähler und Mélenchon-Anhänger. Hier ein Postbote, dort eine Krankenpflegerin. Hier ein mittelständischer Unternehmer, dort ein Gewerkschaftler. Nein, „le gilet jaune“ ist kein homogenes Wesen, das Revolution spielen will. Gerade wegen ihrer vielen Gesichter neigt man dazu, die Bewegung als Volk oder „die Franzosen“ zu charakterisieren. Was aber hält Zehntausende Männer und Frauen in den gelben Westen zusammen, wenn nicht ihr Berufsstand, ihre Alterskohorte, ihr Geschlecht oder ihre politische Einstellung?
    Verraten, verkauft, abgehängt

    Anfangs half man sich mit der Zuschreibung „la France périphérique“, das Frankreich der Provinz. Dass die geplanten Steuererhöhungen bei ihnen, die sie stärker aufs Auto angewiesen sind und sich schon geografisch abgehängt fühlen, Unmut auslösten, hätte auf der Hand liegen müssen. Aber ihre Verbitterung existiert nicht erst seit Macrons Amtsantritt.

    Vielmehr muss man fragen, welche politischen Erfahrungen die Gelbwesten geprägt haben: Dass eine linke Regierung in Frankreich langfristig für mehr soziale Gerechtigkeit sorgen wird, ist seit der zweiten Amtszeit Mitterrands und spätestens seit François Hollande nur noch ein Mythos. Gleichzeitig haben sie erlebt, wie die Le-Pen-Partei nach vier Jahrzehnten im politischen Alltag angekommen ist, sodass man sie aus Protest oder Überzeugung wählen kann, ohne als rechtsextrem stigmatisiert zu werden.

    Und dann wäre da noch die EU: 2005 haben viele, die sich heute zu den „Gilets jaunes“ zählen, beim Referendum über eine europäische Verfassung mit „Nein“ gestimmt. Obwohl sie in der Mehrzahl waren, haben die Regierungen sie der Brüsseler Austeritätspolitik zum Fraß vorgeworfen. Zum Gefühl des Abgehängtseins kommt also die Empfindung, verraten und verkauft worden zu sein.

    Zurück in „Le Corbu“. Auch Yannick lässt der gelbe Hoffnungsschimmer nicht unberührt. Immerhin sei auf Druck der Bewegung die geplante Steuererhöhung zurückgezogen worden. Die anfänglichen Bedenken gegen die zornigen Autofahrer hat die Linke schnell vom Tisch gefegt. Auch der Nouveau Parti anticapitaliste (NPA), der sich Yannick vor ein paar Jahren angeschlossen hat.

    Der charismatische, unprätentiöse Philippe Poutou, der als Präsidentschaftskandidat 2017 zwar wenige Stimmen, aber viel Sympathie erfahren hat und selbst aus dem Arbeitermilieu stammt, ist einer der wenigen, die auch die gewalttätigen Ausschreitungen gutheißen: „Die Gewalt der aktuellen sozialen Bewegung ist normal, vollkommen legitim. Natürlich, wenn sich die Wut ihren Weg bahnt, explodiert sie in alle möglichen Richtungen. Das schlimme sind heute nicht zerschlagene Fensterscheiben oder Barrikaden, das Schlimme und Angsteinflößende sind die staatliche Brutalität und die Repression“, schreibt Poutou in einer Botschaft an seine Anhänger.
    Zu viele Selbstmorde

    Soziale Ungerechtigkeit, das ist auch das erste, was Yannick einfällt, wenn er die französische Gesellschaft heute beschreiben soll. Mit seinem Hausmeisterjob verdient der Alleinstehende monatlich wenig mehr als den Mindestlohn von 1.150 Euro. Den Abstieg der Mittelschicht hat er jeden Tag vor Augen.

    „C’est la misère“, es herrsche Elend, so fasst er es zusammen. Oben auf dem Dach der Wohnmaschine existiert noch immer eine kleine Grundschule, so wie Le Corbusier es geplant hatte, in seiner „vertikalen Stadt“. Der Supermarkt und die Post im Erdgeschoss haben längst dicht gemacht. Ebenso geschlossen wurden die Zugänge zur Gemeinschaftsterrasse. Zu viele Selbstmorde hat es in den vergangenen Jahren hier oben gegeben, wo man am Horizont den Atlantik erahnen kann.

    „Heute“, so Yannick, „hocken die Bewohner von Le Corbu vorm Fernseher und schauen den lieben langen Tag BFM TV, wo sie die Bilder der Randale in Dauerschleife zeigen.“ Auf besagtem Nachrichtensender trudeln inzwischen die Bilder aus Paris und anderen Städten ein. Auch an diesem Samstag, dem vierten Akt des Aufstandes, brennen wieder Barrikaden, Geschäfte werden geplündert, Tränengas und Blendgranaten kommen zum Einsatz.

    Yannick hat 2009 nach dem Aufruf der Gewerkschaft CGT gegen Sarkozys Rentenreform protestiert. Er ist gegen die Arbeitsmarktreform unter Hollande 2016 auf die Straße gegangen und schloss sich der links-alternativen Protestbewegung gegen das Flughafenprojekt Notre-Dame-des-Landes an. Aber jetzt, wo die Proteste der Gelbwesten endlich Früchte tragen, wo die Regierung reagiert, ist Yannick fast ein bisschen mulmig zumute. „Macrons Rücktritt? Ja, irgendwie schon. Aber wer würde derzeit an seine Stelle treten können?“

    Thomas Legrand sagt, im Wahlkampf habe Macron mit „En Marche“ auf horizontale Strukturen gesetzt. Die Bewegung sollte aus der Zivilgesellschaft erwachsen, alle mitziehen: „Als er ins Amt kam, fiel er sofort wieder in die Vertikalstruktur, wurde zum Technokraten.“ Ihm gelinge es nicht, die Franzosen emotional zu erreichen. Stattdessen verkaufe er seine liberale Politik als einzige Option.

    Zwei Tage später, es ist Montag um 20 Uhr, greift der angeschlagene Präsident in die Trickkiste. Ein 13-minütiges „Mea culpa“ auf allen Kanälen mit der Ankündigung, den Mindestlohn um 100 Euro zu erhöhen, Überstunden nicht mehr zu besteuern und Rentner zu entlasten. Am Dienstagmorgen, wie immer um 7.44 Uhr, kommentiert Thomas Legrand: „Die Gelbwesten haben beeindruckende Zugeständnisse erreicht. Die Horizontalität, wie im Wahlkampf versprochen, soll wieder mit Inhalt gefüllt werden. Die Dynamik und Popularität der Gelbwesten wird in den nächsten Monaten darüber entscheiden, ob der Präsident noch Präsident bleiben kann.“ 400 Kilometer weiter westlich macht sich Yannick in seinem alten Peugeot auf den Weg zur Arbeit. Neben einer Handvoll grüner Tomaten liegt auf dem Beifahrersitz die gelbe Warnweste. Vielleicht fängt für ihn alles gerade erst an.

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    Romy Straßenburg lebt in Paris. Sie war Chefredakteurin der deutschen Ausgabe von Charlie Hebdo. Anfang 2019 erscheint ihr Buch Adieu liberté. Wie mein Frankreich verschwand

    #France #politique #gilets_jaunes

  • Gibt es ein portugiesisches Wunder? | Telepolis
    https://www.heise.de/tp/features/Gibt-es-ein-portugiesisches-Wunder-3988243.html

    Im Vergleich mit dem rechten Spanien zeigen sich die Erfolge der portugiesischen Linksregierung besonders deutlich

    Inzwischen spricht auch der deutsche Mainstream davon, dass sich Portugal unter der Linksregierung „vom Sorgenkind zum Paradebeispiel“ entwickelt hat. Das war lange anders, als das Land unter der neuen Regierung miesgemacht wurde, weil es sich von der Austeritätspolitik verabschiedete. Doch die portugiesische Wirtschaft verzeichnete im Jahr 2017 ein Wachstum von 2,7%, das ist das stärkste Wachstum des portugiesischen Bruttoinlandsprodukts (BIP) in diesem Jahrhundert. Das hat das portugiesische Statistikamt (INE) bestätigt.

    Aufschwung mit verstecktem Sparkurs - Portugals kleines Wirtschaftswunder
    https://www.deutschlandfunk.de/aufschwung-mit-verstecktem-sparkurs-portugals-kleines.724.de.html?dr

    Das Ende der Sparpolitik als Wahlkampfthema

    Für die Publizistin Clara Ferreira Alves gibt es einen Grund, warum es den Portugiesen jetzt wieder sehr viel besser geht: Das Land, so Alves, habe sich von der harten Sparpolitik befreit.

    „Für die Probleme in den südeuropäischen Ländern hat es seit 2011 nur einen Lösungsansatz gegeben: Eine Zwangs-Spar-Politik, die gleichzeitig als Bestrafung wahrgenommen wurde. Die Sparmaßnahmen haben in Portugal – wie auch in Griechenland und anderen Staaten – die ärmste Bevölkerungsschicht hart getroffen und gebrandmarkt. Mit schweren Konsequenzen: Vor allem die ewige Rede von der Sparpolitik – erniedrigte die ganze Wirtschaft, ließ den Konsum einbrechen und machte die Völker depressiv. Und ein depressives Volk ist weder produktiv noch wettbewerbsfähig.“

    Bei den Parlamentswahlen im Oktober 2015 stützten die Sozialisten, die damalige größte Oppositionspartei, ihren Wahlkampf deshalb auf ein ganz simples Motto: Das Ende der Sparpolitik. Dennoch fehlten der konservativen Regierung nur wenige Prozentpunkte zur Wiederwahl, weil die ersten Anzeichen des Wirtschaftsaufschwungs bereits zu spüren waren. Sozialistenchef António Costa griff tief in die Trickkiste der Demokratie, um schließlich doch Premierminister zu werden: Er formte eine Minderheitsregierung, gestützt auf drei kleinere, komplett regierungs-unerfahrene Linksparteien, die gegen den EU-Stabilitätspakt waren.

    Portugal ǀ „Die Austerität ist eine große Lüge“ — der Freitag
    https://www.freitag.de/autoren/der-freitag/die-austeritaet-ist-eine-grosse-luege

    der Freitag: Frau Martins, wie beurteilen Sie die Bilanz der letzten zwei Jahre?

    Catarina Martins: Wir haben den Menschen einen Teil ihrer krisenbedingt verlorenen Einkommen und Gehälter zurückgegeben, und gezeigt, dass es möglich ist, die Rechte der Menschen zu verteidigen, mehr Gerechtigkeit zu schaffen und zugleich die Wirtschaft anzukurbeln. Überall hieß es, die wirtschaftliche Situation Portugals würde ein Ende der Austerität nicht zulassen, aber das hat sich als falsch herausgestellt. Und das war ja von Anfang an die Position des Bloco de Esquerda: Die Inlandsnachfrage der Familien ist notwendig, damit die Wirtschaft sich erholen kann. Anhand der letzten Kerndaten stellen wir fest, dass genau das passiert ist.

    Was lief weniger gut?

    In vielen Bereichen ist es sehr schwierig, gegenüber der Vorgängerregierung einen echten Kurswechsel durchzusetzen. Das betrifft all jene Bereiche, in denen eine informelle große Koalition des Zentrums weiter das Sagen hat, dieselbe, die auch den Rest Europas beherrscht: eine Koalition aus Konservativen und Sozialdemokraten.

    Bloco de Esquerda – Wikipedia
    https://de.wikipedia.org/wiki/Bloco_de_Esquerda

    Der Bloco de Esquerda (BE) [’blɔku də ’(ɨ)ʃkerdɐ] Audio-Datei / Hörbeispiel anhören?/i, (portugiesisch: Linksblock) ist ein portugiesisches Parteienbündnis in Form einer politischen Partei.

    Portugal: Mit links aus der Krise | Blätter für deutsche und internationale Politik, November 2017
    https://www.blaetter.de/archiv/jahrgaenge/2017/november/portugal-mit-links-aus-der-krise

    Costa gewann also eine Atempause. Ihm wurde eine Chance zuteil, die Alexis Tsipras in Griechenland nie bekam. Dessen Syriza-Regierung hatte die Konfrontation gesucht und dafür keine Verbündeten gefunden. Am Ende wurde an ihr ein Exempel statuiert, bevor sie überhaupt zeigen konnte, ob ihr ökonomischer Ansatz Früchte getragen hätte. Den Beweis, dass eine andere Wirtschaftspolitik sehr wohl funktionieren kann, erbrachte wenig später der diplomatischere António Costa.

    Seine Regierung setzte von Beginn an darauf, die Wirtschaft durch eine steigende Binnennachfrage zu beleben. Dazu begann sie schrittweise, die Kürzungen ihrer Vorgänger zu revidieren, etwa bei Renten und Familienbeihilfen. Auch den Mindestlohn hob sie in zwei Schritten an, von 505 auf 557 Euro im Monat. Zudem wurde die Privatisierung öffentlicher Infrastruktur gestoppt. Außerdem soll der öffentliche Dienst zur 35-Stunden-Woche zurückkehren. Costa will keinen Unterbietungswettbewerb bei den Beschäftigungsbedingungen führen: „Die Idee, dass die Produktivität mit mehr Arbeitsstunden steigt, setzt einen falschen Anreiz. Stattdessen müssen wir den Wert unserer Güter und Dienstleistungen erhöhen.“[5]

    Das Ergebnis gibt ihm recht: Lag die Arbeitslosigkeit bei seinem Amtsantritt noch bei über 12 Prozent, so ist sie 2017 erstmals seit acht Jahren unter die 10-Prozent-Marke gefallen. Bis 2019 wird gar ein Rückgang auf 7 Prozent erwartet.[6] Die Wirtschaft ist um 2,5 Prozent gewachsen und damit stärker als der Eurozonendurchschnitt (1,9 Prozent). Zwar profitiert Portugal neben steigenden Exporten erheblich von einem Rekordzustrom an Touristen, die dem sicheren Reiseziel den Vorzug vor Nordafrika oder der Türkei geben. Entscheidend ist aber, dass die Regierung die Kaufkraft gestärkt und zudem den wichtigen Dienstleistungssektor entlastet hat, etwa durch einen reduzierten Mehrwertsteuersatz für Hotels und Gaststätten. Das und der langsam wiederkehrende Optimismus machen das Land attraktiver – zunehmend auch für ausländische Investoren.

    Inzwischen ist der Aufschwung so stabil, dass Unternehmerverband und Regierung gemeinsam um die Rückkehr junger, gut gebildeter Emigranten werben. In den Krisenjahren hatten rund 500 000 Menschen Portugal in Richtung europäisches Ausland oder portugiesischsprachiger Länder wie Angola und Brasilien verlassen. Bis zu 100 000 sollen nun zurückgewonnen werden.[7]

    Bei alldem hat die Regierung ein weiteres Ziel erreicht: Das Haushaltsdefizit erfüllt die Vorgaben der Eurozone. Mehr noch: 2016 war die Neuverschuldung mit 2,1 Prozent des Bruttoinlandsproduktes die niedrigste seit 42 Jahren, und dieses Jahr soll sie gar auf 1,5 Prozent sinken. Das Land ist einer nachhaltigen wirtschaftlichen Entwicklung deutlich nähergekommen und zerstreut Befürchtungen über ein zweites europäisches Kreditpaket. Die Regierung widerlegt zudem all jene Eurokritiker – auch im eigenen Land –, die eine soziale Politik innerhalb der Währungsunion für undenkbar halten.

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